gefahr aufzuerlegen, als zu weitgehend keinen Anklang fand. Der §8 406 soll dahin verdeutlicht werden, daß die dort bezeichneten Anordnungen auf Antrag der einen oder anderen Partei im Wege der einstweiligen Verfügung zu erlassen sind, auch wenn die Vorausseßungen des § 814 der C.-P.-D. nicht vorliegen. Der § 407 wurde mit den aus den Beschlüssen zu S 397 sih ergebenden Modificationen und mit der Ab- weichung angenommen, daß die Verjährungsfrist nicht zwei, son- dern sehs Wochen betragen und in den Fällen des § 171 Abs. 2 und der 88 175, 180 an die Stelle der dort (nah Maßgabe der früheren Beschlüsse) bestimmten Fristen von drei und sechs Monaten eine Frist von sechs Wochen treten soll. Zugleich wurde der früher zu § 397 beschlossene Sag, daß, wenn die Verjährung durch den Antrag auf Beweisaufnahme zur Sierona des Beweises unterbrochen ist, bei entsprechender Anwendung des 8 171 an die Stelle der sechsmonatigen Frist eine Frist von zwei Wochen treten solle, wieder gestrihen. Der sahlihe Jnhalt der 88 408, 410, 411 erfuhr keine Anfehtung. Der § 409 hatte bereits in einem anderen Zusammenhange (vergl. oben) seine Erledigung gefunden. Mit Rücksicht auf den früheren Beschluß, die Vorschriften über die Mängelgewähr in den Titel über den Kauf einzustellen, rourde die neue Bestimmung aufgenommen, daß die Vorschriften über die Haftung des Verkäufers wegen Mängel der Sache auf andere Verträge, welche auf Veräußerung gegen Entgelt gerichtet sind, ent- sprehende Anwendung finden sollen.
Die Berathung wandte sih sodann den Vorschriften über das Versprechen der Leistung an einen Dritten (SS 412 bis 416) zu. Der im § 412 Abs. 1 zur Anerkennung gelangte Grundsagz, daß ein Vertrag, in welhem von einem
heile eine H an einen Dritten versprohen wird, mit der Wirkung geschlossen werden kann, daß der Dritte un- mittelbar berehtigt ist, von dem Leistung zu fordern, fand allseitige Zustimmung. An- langend die weitere Frage, wann eine solhe unmittel- bare Berechtigung des Dritten anzunehmen sei, überzeugte man sih, daß dicse Frage bei der Vielgestaltigkeit der in Betracht tommenden Fälle sih niht durch Aufstellung ciner dispositiven Regel, sondern nur concret aus den Umständen des Falls be- antworten lasse. Man hielt es aber der Deutlichkeit halber hier für angezeigt, der Praxis durch Ausstellung einzelner, die wichtigsten Fälle umfassender Auslegungs- regeln zu Hilfe zu kommen. Demgemäß wurde im An- {luß an den obenbezeichneten, an die Spiße zu stellenden Grundsaß die weitere Vorschrift aufgenommen, daß der Dritte dann unmittelbar berechtigt werde, wenn aus den Umständen des Falls, insbesondere aus der besonderen Natur und dem Zwecke des Schuldverhältnisses, zu entnehmen sei, daß die Berechtigung des Dritten dem Willen der Vertragschließenden entspreche. Ein solcher Wille der Vertragschließenden soll ins- besondere im Zweifel angenommen werden, wenn bei Abschluß eines Lebensversicherungs- oder eines Leibrentenvertrages die Zahlung der Versicherungs}umme oder der Leibrente oder wenn im Falle einer unentgeltlihen Zuwendung eine Leistung an einen Dritten oder wenn bei einer Vermögens- oder Gutsübernahme zum Zwecke der Abfindung eines Familicnangehörigen eine Leistung an diesen versprochen ist. Der Abs. 2 des § 412 wurde jeinem sachlichen Jnhalt nah genehmigt.
Versprechenden die
Für die diesjährigen Uebungen des Beurlaubten- standes der Marine ist von dem Unter-Staatssecretär des Reichs-Marineamts Folgendes bestimmt worden :
1) Offiziere, Maschinen-Ingenieure und Offiziers-Aspiranten des Beurlaubtenstandes sind nah Maßgabe der 88 57, 63 und 64 der Marineordnung einzuberufen.
2) Von Mannschaften der Marine-NReserve gelangen zur Ein- ziehung: a. Zur I. und 11. Werft-Division je 10 Schreiber vom 1. April d. J. ab auf die Dauer von 4 Wochen. þ. Zu Uebungen auf den Torpedoboots-Divisionen: Zur 1. und 11. Torpedo-Abtheilung je 7 Unteroffiziere und je 37 Mann des seemännischen Personals, je 2 Deckoffiziere und je 10 Unteroffiziere des Maschinen-Personals, je 23 Mann des Heizer-Personals, sämmtlich im Anschluß an die Sommerübungen im September und Oktober d. F. auf die Dauer von 7 Wochen. c. Zur I., 11. und 111. Matrosen-Artillerie-Abthei- lung: je 12 Unteroffiziere und je 88 Mann, sämmtlich im Herbst d. F. während der Hauptfestungékriegs - Uebungen auf die Dauer von 4 Wochen.
3) Die fonstigen Uebungen von Berufsmaschinisten sind nach den Festseßungen des § 52, ® der Marineordnung vorzunehmen.
4) Die See-Bataillone und die Matro}en-Artillerie-Abtheilungen haben P insoweit die Innehaltung des Etats dies gestattet, bis zur Entlassung der Marine-Reserven dur Einziehung von Dispositions- Urlaubern vollzählig zu halten.
5) Weitere Bestimmungen, insbesondere bezüglih des genaueren Zeitpunktes der vorstehend unter 2þ und c erwähnten Uebungen werden von dem Ober-Commando der Marine erfolgen.
Zum 1. November d. I. haben mir die Stations-Intendanturen nah dem durh meine Verfügung vom 2. Dezember 1890 — A. 2750 — gegebenen Muster zu berichten, wie hoh sich die zu Lasten des Etats-Cap. 51 Tit. 26 bereits geleisteten Gesammtausgaben beziffern, bezw. welche Ausgaben noch bis zum Schlusse des Etatsjahres 1892/93 aus diefem Fonds zu leisten sein werden.
S. M. Kreuzer „Kaiseradler“ ist der Marinestation der Ostsee zugetheilt worden.
Die Leiter der Observatorien zu Hongkong, Sicawei (be! Shanghai) und Tokio haben si bereit erklärt, telegraphische Anfragen jedes deutschen Kriegs\chiffes, ob für eine beabsichtigte Reise die Gefahr bestehe, in den Bereich eines Teifuns zu kommen, telegraphish zu beantworten.
Das „Marince- Verordnungsblatt“ veröffentlicht folgende Nachrichten über Schiffsbewegungen (Datum vor dem Orte bedeutet Ankunft daselbst, nah dem Ort Abgang
von N |
S. M. Av. „Bliß“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. S. „Blücher“ Kiel. (Poststation : Kiel.) S. M. Krzr. „Bussard“ 13./12. Apia. (Poststation: Sydney.) S. M. Av. „Greif“ Kiel. (Post- station: Kiel.) S. M. Krzr. „Habicht“ 2./2. Capstadt 15./3. — Togo. (Poststation: bis 19./2. früh Capstadt, vom 19./2. Vorm. ab Kamerun.) S. M. Fbrzg. „Hay“ Wilhelmshaven. eon: Wilhelmshaven.) S. M. Yacht „Hohenzollern“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. Knbt. „Hyäne“ Kamerun. — 5./2. St. Thomé 8./2. — Kamerun. (Poststation: Kamerun.) S. M. Knbt. „Jltis“ 23/1. S 11/2. — Hongkong. (Poststation: Hong- kong.) S. M. Fhrzg. „Loreley“ Konstantinopel. (Poststation: Konstantinopel.) S. M. S. „Mars“ Wilhelmshaven. (Post- O Wilhelmshaven.) S. M. Krzr. „Möwe“ San- ibar 30./1. — Bombay. (Poststation: Bombay.) S. M. s Ie 26/L Dim 2 =—= 1/2 Gl Thomas 4./3. — La Guayra. (Poststation: bis 24./2. La Guayra, Port au Prince.) S. M. Fhrzg. „Nachtigal“
vom 25./2. ab | «Kamerun. (Poststation: Kamerun.) S, rzg. „Otter" Kiel.
(Poststation : Kiel.) S. M. Transportdmpfr. „Pelikan“ Kiel. (Post- station: Kiel.) S. M. Minenschulschiff „Rhein“ Kiel. (Poststation : Kiel.) S. M. Krzr. „Schwalbe“ 27./1. Dar-es-Salam. (Poststation: San/sibar.) S. M. Pzfhrzg. „Siegfried“ Wilhelmshaven. (Poststation : Wilhelmshaven.) S. M. Krzr. „Sperber“ 6./6. Apia 15./12. — Rundreise dur die deutshen Schußgebiete. (Poststation : Sydney.) S. M. Av. „Wacht“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. Knbt. „Wolf“, Hankow. (Poststation: Dengtoag.) reuzer - Ges \schwader: S. M.S. „Leipzig“ (Flaggschi ), S. M. S. „Alexandrine“, S. M. S. „Sophie“ 19./1. Sao Francisco (Brasilien). 25./1. — Capstadt. (Poststation: ajsserviren.) Manöverflotte: S. M.S. „Baden“ (Flaggschiff), S. M. S. „Bayern“ Kiel. (Poststation : Kiel.) S. M. S. „Oldenburg“ Wilhelmshaven. (Poststation : Wilhelmshaven.) Uebungs-Geshwader: S. M. S. „Friedrich Carl“ (Flagg- hi), S. M. S. „Deutschland“, S. M. S. „Friedrich der Große“, S. M. S. „Kronprinz“ Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. S. „Prinzeß Wilhelm“ Kiel 11./2. — Insel Wight. (Poststation: O England].) S. M. Av. „Pfeil“ 19./12. Wilhelms- aven. (Poststation : Wilhelmshaven.)
Köln, 18. Februar. Die „Köln. Volksztg.“ veröffentlicht die Antwort des Papstes auf die Dank: und Ergeben- Le der katholischen Arbeitervereine Deuts c- ands, worin der Papst seine Freude ausdrückt über die Glaubenstreue der Arbeiter und die Hoffnung ausspricht, daß die Arbeitgeber den Arbeitern das in der Encyclica als noth- wendig Bezeichnete gewähren würden, umsomehr, als das Sinnen und Trachten des Deutschen Kaisers beständig auf die Herstellung des socialen Friedens gerichtet sei und die kürzlich gegebenen Gesehe auf die Förderung des Wohlergehens der Arbeiter abzielten.
Bayern.
München, 18. Februar. Jn der heutigen Sißung der Kammer der Abgeordneten erklärte, wie der „Köln. Ztg.“ berichtet wird, der Justiz-Minister Freiherr von Leon- rod bei der Specialdebatte über den Justiz-Etat, die Ne- gierung wolle mit Rücksicht auf die Stimmung der Kammer die Frage der Wiedererrihtung der 1879 ein- gezogenen Amtsgerichte einer erneuten Würdigung unter- ziehen; darunter sei auch die von Mutterstadt bei Ludwigs- hafen. Bei dem Etat der Strafanstalten besprah der Abg. Bech die Frage der bedingten Verurtheilung und wünschte die Trennung der Gefangenen je nach ihrer Jndividualität. Der Justiz-Minister erwiderte, nah Vollendung des deut- schen bürgerlichen U werde auch das Reichs-Strafvoll- zugsgeschß erscheinen. Einzelhaftzellen seien genügend in jedem Gefängniß vorgesehen ; die Sache habe am Finanzpunkt auch eine Grenze.
Sachsen.
Dresden, 18. Februar. Die Erste Kammer berieth, wie das „Dr. J.“ berichtet, heute die Vorlage über die Dienst- verhältnisse der Ortsgerichtspersonen. Die Deputation bean- tragte, die crste Abtheilung des Entwurfs, welche pragmatische Vorschriften über die Dienstverhältnisse der Ortsgerichtspersonen enthält, zu streichen, die übrigen Paragraphen, welche die Kostertororicen enthalten, mit einigen Abänderungen aber anzunehmen. Nach kurzer Debatte, in der der Staats- Minister Dr. Sch urig den Standpunkt der Staatsregierung darlegte und sih zustimmend äußerte und an der sih außer dem Berichterstatter noch der Staats-Minister a. D. von Nostiz- Wallwiß, der Vice-Präsident Dr. Stübel und der Wirkliche Geheime Rath von Zehmen betheiligten, fanden die Anträge der Deputation einstimmige Annahme. Jn der Zweiten Kammer gelangte heute der Geseßentwurf über die Bergschiedsgerichte zur Berathung. Die A U e O beantragte dessen Annahme in der von der Ersten Kammer beschlossenen Fassung. Es knüpfte sih an diesen Antrag eine mehr- stündige Debatte, die sich lediglih um die Frage bewegte, ob bei den Bergschiedsgerichten in derselben Weise, wie dies für die E durch Reichsgeseß [geh ist, das Rechts- mittel der Berufung eingeführt werden solle. Die Kammer entschied sich shließlich auf Antrag des Abg. Klemm und des Vice-Präsidenten Streit mit 36 gegen 28 Stimmen dafür, dem Geseßentwurfe zuzustimmen, die Staatsregierung jedoch zu ersuchen, in Erwägung zu ziehen, ob es nicht an- gezeigt sei, die Berufung bei den Bergschiedsgerichten einzu- führen und das Ergebniß ihrer Erwägung dem nächsten Land- tage vorzulegen. Schließlich ertheilte die Kammer auf Be- riht der Gejeßgebungsdeputation den Geseßentwürfen wegen Abänderung der Verfassungsurkunde und des Wahlgeseßes (Erhöhung der Zahl der Vertreter der Stadt Leipzig in der Zweiten Kammer von drei auf fünf) ohne Debatte einstimmig
ihre Genehmigung. Hessen.
Darmstadt, 18. Februar. Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog ist, wie die „Darmst. Ztg.“ meldet, gestern Abend nach Nizza abgereist.
Elsaß-Lothringen.
Straßburg, 17. Februar. Der Landesausschuß überwics heute nah längerer Berathung die Vorlagen über die Kreisordnung, die Gemeindeordnung und die Kreis- at einer besonderen Commission von 18 Mit- gliedern.
Deutsche Colonien. Der Compagnieführer in der Schußtruppe für Ost-Afrika Krenzler ist am 15. Februar am perniciósen Fieber in Bagamoyo gestorben.
Oesterreich-Ungarn.
Der Kaiser A A wie „W. T. B“ berichtet, gestern den neu ernannten be gien Gesandten E. d. Borchgrave in Audienz und nahm dessen Beglaubigungsschreiben entgegen. Später empfing der Kaiser auch den ungarischen Minister: Präsidenten Grafen Szapary und den ungarishen Minister des Cultus und des Unterrichts Grafen Czaky.
Zwischen dem österreichishen Finanz-Minister Dr. Stein- bah und dem ungarishen Finanz-Minister Dr. Wefkerle fanden gestern wiederholte Conferenzen statt.
Der Budgetaus\chuß des Abgeordnetenhauses hat die Vorlage über die Wiener Verkehrsanstalten in der General- und Specialdebatte im wesentlichen unver-
Großbritannien und JFrland.
Im Unterhause beantragte gestern der Erste Lord des Schatzes Balfour die erste Ae der iten Loca [- verwaltungsbill. Die Vorlage beantragt die Einseßung wählbarer Grafschaftsräthe und Kreisräthe, in denen E Mitglieder ex officio ihren Siß D und bei denen die Minorität zureihend vertreten sein sol. Jm Falle die Räthe der Geldvergeudung, der Bestehung, der Verun- treuung oder der Bedrückung schuldig befunden werden, sollen sie durch Richterspruh oder durch den Vice-König abgeseßt werden können. Die Bill wurde vom Hause in ce Lesung angenommen. i h 4
Ein der Gladstone’shen Partei angehöriges Unterhaus- mitglied, der Abg. Sir George Campbell, welcher sih in Kairo zur Herstellung seiner Gesundheit aufhielt, ist nach einer Drahtmeldung am 18. d. M. dort verstorben.
: Frankreich.
Das Ee Ministerium hat heute dem Präsidenten Carnot sein Entlassungsgesuh über- reiht. Ucber die Veranlassung hierzu und über die Auf- nahme, den en Schritt in der Pariser Presse gefunden, liegen folgende Mittheilungen des „W. T. B.“ vor:
In der gestrigen Sizung der Deputirtenkammer inter- pellirte der Boulangist Le Hérissé die Regierung, warum gegen den Minister Constans nicht L eingeschritten worden sei wegen der Mißhandlung des Deputirten Laur am 19. Januar. Der Justiz-Minister erwiderte, der Gerichtshof der Seine ergreife niemals die Jnitiative zur Ver- folgung, wenn es sih um leichte Mißhandlungen handle. Der De- putirte Millerand fragte an, warum der Präsident der Kammer Floquet nicht die Verfolgung beantragt habe. Floquet erwiderte, es sei dies nicht geshehen, weil sich der Minister Constans entschuldigt und die Kammer diese Entschuldigung acceptirt habe. Die Kammer nahm dann eine von der Re- gierung acceptirte Tagesordnung an, welche besagt, daß das Recht für Alle gleih sein müsse. Der radicale Deputirte Hubbard beantragte sodann die Dringlichkeit für den von der Regierung unlängst eingebrahten Gesegßentwurf über die Genossenschaften (vgl. Nr. 15 u. 16 des „N. u. St.-A.“ vom 18. u. 19. Januar), um damit cine Antwort auf die An- griffe des Episkopats zu ertheilen. Cassagnac bezeichnete die Vorlage als unbillig und gehässig. Der Minister-Präsi- dent de Freycinet erklärte, die Vorlage bezwecke keineswegs die Verfolgung der Kirche und bilde niht cine Einleitung zur Trennung der Kirhe vom Staate. Der Minister rühmte den versöhnlichen Geist des Papstes, welcher so oft seine Sympathie für Frankreich kundgegeben habe. Frankrei werde gewiß einstmals berufen sein, mit dem Vatican über die religióse Frage zu verhandeln; cs sei möglich, daß dic klerikale Partei sich weigern werde, den ihr vorgezeihneten Weg zu gehen, das allgemeine Stimmreht werde dann richten zwischen der beiderseitigen Politik. Er acceptire die Dringlichkeit, aber nicht in dem Sinne, den Hubbard seinem Antrage gebe: denn die Regierung würde es ablehnen, eine Trennung zwishen Kirhe und Staat vorzubereiten. (Beifall im Centrum.) Nachdem noch ver- schiedene Redner gesprochen, verlangte der Min ister-Prä- sident, daß eine Tagesordnung vorgeschlagen werde, in der die Ansicht der Kammer zum Ausdruck gelange. Eine Ta ges- ordnung, die Regierung zu ersuchen, ihre republi- kanische Politik fortzusezen, zu welcher Tagesordnung der Minister de Freycinet die Vertrauensfrage gestellt hatte, wurde mit 304 gegen 202 Stimmen Abgeleh t. Die Minister verließen hierauf den Saal. Die Kammer lehnte sodann auch den Antrag Hubbard auf Dringlichkeit der Berathung der Genossenschastsvorlage mit 286 gegen 246 Stimmen ab, worauf die Sizung aufgehoben wurde.
Nach einer von den Zeitungen gebrachten, Regierungs- kreisen entstammenden Mittheilung traten die Minister, dic der gestrigen Kammersizung beigewohnt hatten, bevor sie die Kammer verließen, zu einer Sißung im Palais Bourbon zusammen. Der Minister-Präsident bestätigte seinen Col- legen gegenüber seine Absicht, zu demissioniren. Wegen des im Eiysée stattfindenden Diners und des sich daran anschlic- ßenden Empfangsabends, dem sämmtliche Minister beiwohnten, be \hränkte sih der Minister-Präsident gestern darauf, dem Prä- sidenten Carnot von der durch die Kammerabstimmung gc schaffenen Situation Mittheilung zu machen. Heute früh wollte der Minister-Präsident in das Elysée zurückkehren und dem Präsidenten Carnot die Demission des gesammte Cabinets überreichen.
Die eingetretene Cabinetskrisis kam völlig unver- muthet zum Ausbruh. Von den 304 Abgeordneten, welche gegen die von der Regierung genehmigte Tagesordnung stumm ten, gehören 194 den Radicalen, die übrigen der Rechten an. Das Resultat der Abstimmung is eine Folge der Taktik der Rechten, die die Kammer zu einer Reihe negativer Beschlüsse ver anlaßte. Jn den Wandelgängen der Kammer gab man si u- mittelbar nah dem Schlusse der Sizung keinerlei Zweifeln darüber hin, daß die Bildung eines neuen Cabinets eine chr schwierige sein würde, da die Kammer bei der Coalition de: Rechten bald mit den gemäßigten Republikanern, bald mi den Radicalen für die Zusammenseßung der neuen R gierung keinerlei Richtshnur gegeben habe. Die Radr calen rehneten auf eine von Pichon beantragit LLMALLNRen, erlangten aber dafür nur eine Stimme zahl von 191, die niht ausreiht, um daraufhin a1? ihren Reihen allein ein neues Cabinet zu bilden. Die Tage® ordnung Pichon besagte, es sei nothwendig, den Kampf der staatlihen Macht gegen die Kirche fortzuseßen. Diese Tagt® ordnung wurde von Clémenceau lebhaft befürwortet, der n in langer Rede aufs entschiedenste gegen einen Ausgleich n! den Katholiken aussprach.
Alle Journale besprechen die Demission Ie Cabinets. Die gemäßigten Blätter heben hervor, das Ministerium trete nicht iniolat eines seiner Politik entgegen geseßten Votums ab, sondern infolge des von der Kam gegebenen Beweises von Zerfahrenheit und vollständiger Ohn- macht. Die Kammer A sämmtliche Tagesordnungen und 2 t träge abgelehnt. Der Präsident Carnot finde also keine Major n vor, aus welcher er der Verfassung gemäß ein Minister, bilden könne. Die einzige Lösung der Krise sei logisherwe die Auflösung der Kammer. Die radicalen Blatter r klären mit Befriedigung, nunmehr sei der Kampf zwischen ere Kirche und der Republik offen aufgenommen. Die consel vativen Zeitungen gratuliren der Rechten, daß sit S nicht dazu hergegeben habe, das Ministerium nomals ?
ändert angenommen.
halten.
Rufßlaud und Polen.
Jm nächsten Sommer wird, der „Nowosti“ zufolge, ein russishes eshwader nah Cherbourg gehen, welches aus Kriegsfahrzeugen des neueren Typus bestehen soll. Einzelne Schiffe werden dann von Cherbourg nah dem Stillen Ocean abdampfen. Vor der Abfahrt soll das Geschwader erst die üblihen Manöver in den Skjären mitmachen.
Ftalien.
Der Deputirte Cavalotti, der Führer der republi- fanishen Linken, hielt, wie der „Magdb. Ztg.“ gemeldet wird, am Mittwoh Abend in einer in Rom abgehaltenen Partei- versammlung eine bedeutsame Rede, in der er mittheilte, daß er sih auf den Boden der Verfassung stellen und die Monarchie niht mehr bekämpfen wolle. Der Redner befürwortete die Bildun einer großen, alle Liberalen umfassenden Partei, worauf e Deputirte sih bereit erklärten, die Schwenkung Cavalotti's mitmachen zu wollen. i
Der Kardinal Mermillod erkrankte vor einigen Tagen an der Jnfluenza; sein Zustand hat sich gestern dermaßen ver- shlimmert, daß er, wie dem „W. T. B.“ aus Rom gemeldet wird, mit den Sterbesacramenten versehen worden ist.
Spanien.
Wegen Unpäßlichkeit der Königin-Regentin ist, laut Meldung des „W. T. B.“ aus Madrid, der gestrige Minister- rath vertagt worden.
_Der Kriegs-M inister hat angeordnet, daß die 183 verhafteten Anarchisten anfangs März vor ein Kriegs- eriht gestellt werden, das in Cadix zusammentreten soll. Auch in der Umgegend von Madrid waren, dem „H. T. B.“ zufolge, in legter Zeit Banden aufgetaucht, die sich unter anarchistisher Führung befanden. Sie wurden von der Gendarmerie zersprengt und sind zum Theil ins Gebirge
geflüchtet.
Schweiz.
Der Bundesrath hat, wie „W. T. B.“ aus Bern er- fährt, die Regierungen von Frankreich, Jtalien und Oesterreich-Ungarn darauf aufmerksam gemacht, daß es den Bestimmungen des Völkerrehts und der Reglements widersprehe, wenn uniformirte Militärpersonen dieser Staaten die \chweizerishe Grenze überschreiten.
Der Große Rath des Kantons Zürich berieth am 16. und 17. d. M. einen A ntrag des socialdemokratishen Arbeiter- secretârs Greulih, welcher lautete: „Der Regierungsrath wird eingeladen, in Ausführung von Art. 3 der Verfassung die nöthigen Vorschriften zu erlassen, daß es allen Beamten, Angestellten oder Bediensteten des Cantons, der Bezirke und der Gemeinden verboten wird, Nachforschungen nach den politishen Gesinnungen von Cantons- einwohnern anzustellen oder irgend eine Auskunft darüber zu ertheilen, so lange nicht eine Voruntersuhung wegen gemeiner Vergehen oder Verbrechen dies erforderlih macht.“ Nach längererer Debatte, in welher der Vertreter der Re- ierung, Polizei-Director Spiller erklärte, die Rechte er Bürger seien durh die politishe Polizei nie- mals beeinträchtigt, die politishe Gesinnung aber nur insoweit zum Gegenstand der Untersuhung und Ueberwachung gemacht worden, als es sih um Leute handle, die ihre revolutionären Anschauungen in die That übersezen wollten, wurde der Ueber- gang zur Tagesordnung beschlossen.
Die Geschäftsleitung der socialdemokratishen Partei der Schweiz hat einstimmig beschlossen, gegen das Aus li efe- rungsgeseß das Neferendum zu beantragen.
Luxemburg.
Der Großherzog ist, wie man der „Mgdb. Ztg.“ aus Wiesbaden berichtet, am 18. d. M. von Arco wieder in Hohen- l eingetroffen. Demnächst werde Seine Königliche Hoheit für drei Monate in Wien Wohnung nehmen, da Schloß Walfer- dingen noch unbewohnbar sei. Erst im Mai gedenke der Großherzog nah Luxemburg zurückzukehren. Der Erbgroß- herzog weilt gegenwärtig in Cannes.
Türkei.
… Wie man der „Pol. Corr.“ aus Konstantinopel Jhreibt, ist das neue Reglement für die Organisation des Gerihtswesens auf Kreta bereits veröffentlicht worden, und die Wahlen der neuen Friedensrichter haben am 13. d. M. begonnen. Die bisherigen gerichtlichen Einrichtungen auf der Jnsel sind durch das neue Reglement nur in geringem Maße abgeändert worden. Die Friedensgerichte, die LZribunale erster Jnstanz und der Appellgerihtshof (in Canea) bleiben auch fernerhin bestehen. Jn n Bezirke soll es künftig ein oder zwei Friedensgerihte geben, während bisher nur 1m ganzen vierundzwanzig derartige Schiedsämter vor- handen waren. Jhre Anzahl wird durch die neue Bestimmung nur unwesentlih vermehrt, und ihre Zusammenseßung bleibt
völlig dieselbe wie bisher, indem sie auch in Zukunft aus einem Präsidenten und zwei Beisißern, einem chrijstlichen und einem muhammedanischen, bestehen werden. Ebenso wird auch fernerhin in jedem der fünf Hauptorte der Sandschaks, nâmlih in Canea, Candia, Rethymo, Lassithi und Sphakia, ein Tribunal erster Jnstanz seinen Sig haben. Der Appell: of in Canea, der bisher aus einem Präsidenten und vier ihtern, zwei christlichen und zwei muhammedanischen, bestand, wird sich in Zukunft aus neun Mitgliedern zusammensegzen. G Gleichzeitig mit diesem neuen Reglement wurde ein aus Artikeln bestehender Erlaß mit Bezug auf die Advocaten auf Kreta veröffentlicht, der hon am 16. Januar d. J. die enehmigung des Sultans erhalten hat.
Griechenland.
Die griehishe Deputirtenkammer hat nah einem Wolf ]hen A aus Athen die mehrerwähnten Finanz- Lrlagen, darunter den Gesezentwurf wegen Einführung des FÊvackmonopols, in ihrer gestrigen Sizung mit großer
ehrheit angenommen.
U Nach Mittheilungen, die der „Pol. Corr.“ aus Athen ugchen, gewinnt es den Anschein, als werde die Unter- ter, 1gScommission für die Anklage gegen das Mini- Sia Trikupis auch nah der ifingsten, drittmaligen Ln erjtreckung der Kammer kein wirkliches Ergebniß vorlegen a Sts da die vier Trikupistishen Mitglieder an den Sigungen er Cer theilnehmen und außerdem au zwei Mitglieder infol nmissionsmehrheit abwesend sind. Die Commission ist Ée chen beshlußunfähig geworden. Die oppositionellen t chtlz onsmitglieder begründen ihre Haltung mit verfassungs- sition E rwägungen, und es sei offenbar, daß die Oppo-
mm Führung der Untersuhung dur das Plenum der
mer herbeiführen wolle,
__ Ein kürzlich veröffentlichtes, schon telegraphish erwähntes Königliches Decret hat die Vereinigung L e Geschwaders und des Uebungs-Geshwaders zu einem einzigen großen Geschwader unter dem Befehl des Vice- Admirals Stematelos angeordnet. Dieses Geschwader soll aus den Panzer-Fahrzeugen „Spezia“, „Hydra“, „Psara“, sowie aus den Fahrzeugen „Pineios“ „Achellos“, „Alpheios“ und „Eurotas“ bestehen. Es wird zunächst in den griechischen Gewässern Segel- und Schießübungen anstellen, und sodann im Frühjahre eine Uebungsreise in den Gewässern der Levante unternehmen.
RNumänien.
Bei den Wahlen des zweiten Wahlcollegiums zum Senat sind 39 Conservative, 5 Oppositionelle und ein C Wes gewählt worden; 4 Stichwahlen haben stattzu-
nden. Serbien.
Jn der gestrigen Sitzung der Skupschtina griff die Opposition bei der Verhandlung über das Budget des va s- Ministeriums die Regierung heftig an und beschuldigte sie, daß sie ihre Anhänger belohnen und den Parteikampf in die Armee übertragen wolle. Die radicalen Dissidenten machten dem Kriegs-Minister den Vorwurf, daß er Anhänger der Liberalen sei. Der Kriegs-Minister erwiderte, er sei Soldat, thue seine Pfliht und müsse den ihm gemachten Vorwurf zurückweisen. eute soll über die Verzicht- erklärung des Königs Milan verhandelt werden.
Parlamentarische Nachrichten.
Jn der heutigen (177.) Sizung des Reichstags, welcher der Staatssecretär Dr. Bosse und der Commissar des König- lih preußishen Kriegs-Ministeriums General-Major von Goßler beiwohnten, stand zunächst der Gesetzentwurf, betreffend die Gesellshaften mit beshränkter Haf- tung, zur ersten Berathung, die der Staatssecretär Dr. Bosse mit dem Hinweis auf das Bedürfniß und der Ver- sicherung einleitete, daß er in der Commission, an die der Gesezentwurf voraussihtlich verwiesen werden würde, zur gründlihen Prüfung der Vorlage und ihrer Verbesserung die Hand zu reichen bereit sei.
Der Abg Dechelhäuser (nl.) wies den geschichtlichen Weg nach, der zu dieser Vorlage, die ihn in hohem Grade be- friedige, geführt habe und beantragte ihre Verweisung an eine Commission von vierzehn Mitgliedern.
Abg. Hulßts\ch Gt, trat dem in allen Punkten bei.
(Schluß des Blattes.
— In der heutigen (18.) Sigung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanz - Minister Dr. Miquel und der Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen bei- wohnten, wurde die Berathung des Etats der Eisenbahn- verwaltung mit dem zu dem Titel Einnahme aus dem Personenverkehr gestellten, gestern bereits mitgetheilten Antrag des Abg. Broemel, betreffend die Fortführung der Reform der Personentarife, fortgeseßt.
__ Der Berichterstatter der Budgetcommission, Abg. von Tiedemann (freicons.), legte die finanziellen Resultate des Personenverkehrs dar und bemerkte, daß man mit den Per- sonentarifen an der Grenze der Rentabilität angelangt sei, \o- daß erhebliche Ermäßigungen niht mehr möglich seien.
Abg. Broemel bemängelte die zu hohe Veranschlagung der Einnahmen im Etat und ging dann zur Begründung seines Antrags über. Er widersprach der gestrigen Ausführung des Abg. von Puttkamer über die Frequenz der Bevölkerung auf den Eisenbahnen, tadelte die Geheimnißkrämerei, welche die Eisenbahnverwaltung bezüglih ihrer Tarifpläne der Landes- vertretung gegenüber befolge, und wies auf die Mehreinnahmen hin, welche die ungarischen Eisenbahnen durch die Einführung des Zonentarifs erzielt hätten. Der Minister möge auch die socialpolitishe Seite dieser Reform niht außer Acht lassen und doch in diesem Jahr eine Vorlage machen.
Der Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen widersprah der Behauptung, daß die Einnahmen im Etat zu hoch veranschlagt feien. Das Project des Ministers von Maybach sei nur ein Entwurf, ein Fühler gewesen, e also vor Abshluß der Verhandlungen mit den in Vetraht kommenden Factoren niht veröffent- liht werden können. Die jeßige buntsheckige Gestalt unserer eim As bedürfe zwar einer Aenderung, aber diese Neform sei immerhin nicht so dringend, um ohne Nück- sicht auf die Finanzen des Staats vorgenommen zu werden. Die Tarife seien nicht so hoh, daß sie das wirthschaftliche Leben beeinträchtigten. Ein Zonentarif passe für uns weder wirthschaftlich noch finanziell. Der Antrag Broemel sei höchstens annehmbar, wenn die Forderung des Ausschlusses von Tariferhöhungen darin beseitigt werde. Die Reform der Personentarife werde nah wie vor cifrig weiter verfolgt werden, mit unreifen Projecten werde er Bein Landtag aber nicht kommen. ;
Der Finanz-Minister Dr. Miquel bezeichnete den Antrag Broemel als unreif. Die Ansihten über die Neform der Personentarife gingen soweit auseinander, daß das Haus den Antrag Broemel lieber ablehnen sollte. Der Minister vertheidigte sih sodann in eingehender Ausführung gegen den gen erhobenen Vorwurf, bat in der Finanzverwaltung und
er Eisenbahnverwaltung Mißwirthschaft herrsche.
Abg. von der Osten sprach sich gegen jede Verbilligung
der Personentarife aus, um die Arbeiter seßhaft und im Lande zu erhalten und es den reihen Leuten nicht zu erleichtern, ihr Geld ins Ausland zu tragen.
Bei Schluß des Blattes ergriff der Abg. Broemel noch- mals das Wort.
— In der Budgetcommission des Neichstags wurden heute die folgenden Positionen des Marine-Etats bewilligt: Werftbetrieb 12 529 397 Æ, Artillerie und Fortification 2 255 740 4, Torpedo- und Minenwesen 1 185 268 4, Lootsen-, Betonnungs- und Leuchtfeuerwesen 262 800 Æ, verschiedene Ausgaben 219 240 Æ — Abgelehnt wurden nur in dem Capitel „Werftbetrieb“ die neuen Forderungen für einen Rendanten, 3750 A; 11 Werftschreiber zu 1850 é = 20350 Æ und 5 Kanzlisten zu 1850 A = 9250 M, zusammen also 3335904 - Damit ist das Ordinarium des Marine-Etats erledigt. Bei den einmaligen Ausgaben entspinnt sih eine längere Besprehung, in welcher Staatssecretär, Vice-Admiral Hollmann Mittheilungen maht über die neue Con- struction der Schiffspanzer und Aufschlüsse giebt über die Bedeutung der Kreuzercorvetten und des Kreuzerkrieges. Wegen Beginns der Plenarsitzung wird die Fortseßung der Besprechung af morgen vertagt.
+ Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.
— Bei cinem Verwaltungsftreite darüber, ob es in einem gegebenen Falle zulässig sei, einen Erker oder Balcon an einem Hause über die Fluchtlinie hinaus zu bauen, war ein Instanzrichter bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß die in den 88 1 und 11 des men eseßes vom 2. Juli 1875 dargelegte Wirkung der Bau-
uchtlinie h nur auf die Erdoberfläche, das Niveau, und nicht auch auf den Luftraum darüber erstrecke. In einer Entscheidung vom 15. November 1891 (IV 1047) hat das Königliche Ober- Sa Ing agee t IV. Senat diese Auffassung für rechts- irrthümlich erklärt. Der Instanzrichter hatte seine Entscheidung allein auf die Bedeutung des Wortes „Bebauung“ gegründet und gemeint, „bebaut“ fönne nur die Erdoberflähe werden. Das Ober-Verwal- tungsgeriht verwirft diese Auffassung des Wortes als eine zu enge und legt zur Begründung dessen* dar, daß das Geseß vom 2. Juli 1875 das fragliche Wort schon deshalb nicht in diesem engen Sinne gebrauchen fönne, weil das Verbot des § 11 a. a. O. (Bauen über die Fluchtlinie hinaus) “ unzweifelhaft auch einen Umbau etwa im vierten Obergeschosse eines Hauses, sofern er innerhalb der Flucht- linie liege, treffe, obwohl doch auch dabei von einer Veränderung der Erdoberfläche, des Niveaus, nicht die Rede sein könne. Bei der dargelegten engeren Auffassung des Vorderrihters würde man auch zu ganz unannehmbaren Resultaten gelangen, indem dabei die in älteren Zeiten vielfah üblihe Art des Bauens, wonach jedes obere Geschoß das untere um ein erhebliches Stü überragte, ebensowenig auf Grund diefer Bestimmung gehindert werden könnte, als eine voll- ständige Ueberbrückung der Straße. Durch die Bestimmung des ge- nannten § 11 habe man ohne Frage der Polizeibehörde niht nur die Verfügung über das Niveau des Straßenterrains, sondern au über die Luftsäule darüber und gleiherweise auch bezüglih des Raumes unter dem Straßenniveau geben wollen.
Kunst und Wissenschaft.
ZU der Erscheinung des Nordlichts und den magnetischen Störungen wird aus Christiania, 16. Februar, berichtet:
Das prachtvolle und großartige Nordlicht, das am Sonnabend Abend am ganzen nördlichen Himmel sichtbar war, stand jedenfalls mit den höchst bemerkenswerthen Erscheinungen in Verbindung, die in der hiesigen Telegraphenstation beobahtet wurden. Schon von Sonnabend Vormittag an und bis lange nach Tagesanbruch am Sonntag . war die Luft mit Elektricität von einer folhen Stärke und fo andauernd gesättigt, daß das Telegraphiren den ganzen Tag hindur äußerst s{chwierig war. Linien, die sonst mehrere Telegramme gleichzeitig aufnehmen können, fonnten nicht mehr als ein Telegramm befördern, und das nur unter beständigen Störungen und Schwierigkeiten. Die Linie nah Stockholm war fast gar nicht zu benugen, und auf der Linie nah Drontheim war es sogar noch \{limmer ; dagegen scheinen die elektrishen Einwirkungen nah der Küste zu schwächer gewesen zu sein, da die Linien nach Arendal und Bergen wenigstens theilweise brauhbar waren, wenngleich au hier Störungen vorkamen. |
Das Morde E O e Age S au in Ottweiler a. d. Saar und in Goslar a. Harz beobachtet worden. Aus Ottweiler vom 16. Februar wird berichtet: In der Sonntagsnacht gegen 2 Uhr Morgens ist hier ein auffallend \{chönes Nordlicht beobachtet worden. Der darauf folgende Tag brachte reich- lien Schneefall. — Aus Goslar lautet die Meldung: Auch hier, wie an anderen Orten, wurde in der Naht vom 13. zum 14. d. M. ein herrlihes Nordlicht beobachtet, das man zuerst für einen ge- waltigen Feuershein am nördlichen Himmel hielt. Diese Natur- ersheinung endete gegen 2 Uhr: leider können wir den Anfang der- selben nicht fest bestimmen: man will sie {on um 10 Uhr ge- fehen baben.
— Auf Befehl Seiner Máäjestät des Kaisers ist im Königlichen Kunstgewerbe-Museum ein eiserner Ofenschirm ausgestellt, ein Geschenk Ihrer Köntglichen Hoheiten des Groß- herzogs und der Großherzogin von Baden an Seine Majestät den Kaiser. Dieser Schirm ist eine ausgezeichnete Arbeit der Eisenwerke Gaggenau und nah einer Zeichnung der Kunst- \hule in Karlsruhe gefertigt. Das Gestell is in \{chwung- vollen Nococoformen geshmiedet; die umfangreiche, in Emailfarben auf Eisen hergestellte Platte enthält einen großen Reichsadler in reiher Umrahmung farbig und reliefartig gemalt, nach einem neuen patentirten Verfahren, welches die Weichheit der Majolika- farben mit der Festigkeit des Eisenemails verbindet. Die Fabrik R auch Platten zur Wandbekleidung in gleiher Technik aus- tellen.
— Die Kunsthandlung von E. Schulte entwickelt eine ungemeine NRührigkeit in dem Wechsel ihrer Ausstellungen; fast jede Woche überrascht sie ihre Besucher mit einem neuen Ensemble. Daß bei so \neller Aufeinanderfolge und bei der Größe der Ausstellungsräume das Gebotene niht durchweg in Kunstwerken ersten Ranges bestehen kann, ift begreiflich. Aber liebenswürdige Leistungen von geringerem Werth haben zumal vom Standpunkt des Kunsthandels auch ihre Ausstellungs- berehtigung. Von den Neuheiten, welche augenblicklich in den stets vielbesuchten Näumen vereinigt sind, wollen wir nur einzelne hervor- beben, welche uns mit talentvollen En Kräften bekannt machen. Da ist an erster Stelle und mit höchster Auszeichnung ein Porträt von dem in München ansässigen Amerikaner Ka rl Marr zu nennen, der seinen Vater in der Künstlerwerkstatt bei der Arbeit des Ciselirens darstellt. Schlichte Wahrhaftigkeit und trefflihe Charakteristik kennzeihnen das Werk des auch sonst als hervorragend tüchtig bekannten jungeu Malers. Im Gegensaß zu diesem gesunden Nealismus haben die zahlreichen bizarren Pleinairstudien Th. Heine?s etwas zu Absichtlihes. Der- artige Bilder können nur mit blinzelndem Auge geschaffen und ge- nossen werden. Um die zarten Farbenübergänge der Natur wirklich festzuhalten, is die Manier Heine'ss zu derb und grobkörnig. Am besten dürfte ihm ein Waldbah in Frühlings\stimmung gelungen sein. Auch Momme Nissen, cin talentvoller Schleswig-Holsteiner, welcher seine Motive mit Vorliebe aus Nordfriesland und den Vierlanden bei Hamburg wählt, überträgt die sonnigen Farbenstellungen, welche seine landschaftlichen Aquarelle recht wirkungsvoll erscheinen lassen, ohne Bedenken auf Jnnenscenen, deren grünblaues Farbengewirr dadur allzu unruhig wird und vor allem körperlicher Plastik und Tiefe entbehrt. Ein Vergleich seines fich am Kachel- ofen wärmenden? friesischen Bauern mit A. Brozik's pikanter kleiner Pleinairstudie, die eine Bäuerin an der geöffneten Thüre sißend zeigt, lehrt die Schwächen des übertriebenen Impressionismus im Gegensaß zu der fein abwägenden Auffassung des-Pariser Malers kennen, der uns {hon auf der internationalen Ausstellung dieses Sommers in diesem neuen Aen Gewande weit besser gefiel als in feinem früheren historischen Kostümprunk. Unter den Landschaften möchten wir noch neben einem älteren simmungsvollen Frühlingsbilde von G. Courbet die italienishen Veduten Tubenthal's, eine Flachlandschaft von Demont und die vornehmen an französishe Vorbilder fich an- lehnenden Arbeiten von E. Jettel hervorheben. Hermine von e chen hat einige ihrer decorativen Stillleben und Blumen- tüdke, die uns hon früher im Verein Berliner Künstler begegneten, und eine reide Auswahl von füdländishen Landschaftsskizzen ausgestellt. Besonderes A bietet der Vergleich ihrer Blumenstüke mit denen von Fanny Pausinger in Wien. Den. Reiz der Märchen- und Sagenwelt hat F. Wichert s „Wald- here“ für si, die auf grauem Zelter, den Gen am Arm, unter dem Schatten knorriger Eichen einhertrabt. Noch muß einer reichen Collection von Pastellbildnissen von Helene Mühlthaler gedacht werden, deren Zartheit bei einer Nebeneinanderstellung etwas einförmig und süßlich wirkt.