1911 / 251 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 24 Oct 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Broipreise und Futtermittel hat, müssen wir in Deutschland die un- gebeueren Summen für die Einfuhrsceine zahlen : 1894 waren es erst 6,8 Millionen, 1900 aber 22,2, 1905 34,7, 1910 123 Millionen Mark, die das deute Volk für die Einfuhrscheine zablte. Das ist die Folge der geradezu volfêverwüstenden Politik. Für eine Reihe von Lebenêmitteln bat die Negierung allerdings, um wenigstens zu tun, als ob etwas geschäbe, Frachtermäßigungen von 50 9/0, fowie Begünsti- gungen für gemeinnüßige Institute, die ohne Verdienst Lebens- mittel beziehen wollen, zugestanden, aber auch dabei geht man so fleinlih vor, daß man die Konsumgenossenschaften ausschließt. Bemertenswert ist die Begründung in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“: „Wenn auch die Frahtermäßiaung für Seefische zunächst einer Unterstüßung der deutschen Hochseefischerei dient, so wird sie auch zur Milderung “der Lbent mittelpreise beitragen." Die Ver- günstigungen für die landwirtschaftliden Brennereien sind auch in erster Linie zum Besten der Schnapsbrenner und nicht zur BYer- billicung der Lebensmittel bestimmt. Wie von aararisher Seite gearbeitet wird, zeigte vor einigen Jahren das Benehmen eines der ersten Agrarbeiligen, des Ministers von Podbielski; er sagte damals hier im Neickstag, in vier Wochen sei die ganze Fleishnot vorüber. Als er dafür im Preußischen Landtag zur Nede gestellt wurde, saate er: „Was ih im Reichstag gesagt habe, habe ih natürli selber nidt geglaubt.“ Die Regierung hat den Gemeinden geraten, was sie machen sollen. Hannemann, geh du voran, du hast die Wasserstiebeln an. Wenn Sie meinen, daß die Gemeinden die Pflicht baben, einzugreifen, dann müssen Sie au dafür sorgen, daß wir andere Gemeindevertretungen bekommen, damit sich nicht ein profitwütiges Hausagrariertum darin breit maht. Der Vertrieb von Lebensmitteln dur die Gemeinden bedeutet nur die Ausschaltung des Mittelstandes, für den Sie (rechts). doch immer etwas tun wollen. Diese Leute leiden jeßt selbst mit unter der Not, und nun wollen Sie diesem Mittelstand weiter belfen, indem Sie ihn auss{alten! Wegen der Verteuerung durch den Zwischenhandel baben die Arbeiter und Beamten die Konsumgenossenshaften gegründet, die Sie uns als s{chwercs Verbrechen anrechnen. Um nicht zuzugestehen, daß durch die Zollpolitik dem deutschen. Volk das Fell über die Ohren getogen ist, gibt man jeßt die Schuld dem Zwischenhandel. Die Reichsregierung bütet si, selber etwas zu tun, sie hat keine Courage und sagt nur den Gemeinden: Macht ihr's. Damit erfüllt sie nit ibre Pflicht. Die einzelnen Regierungen dürfen nichts tun, weil der Bund der Landwirte es nicht duldet. Manche Leute, die 1902 den Zolltarif mitgemaht baben, haben inzwischen dazugelernt, oder es \chlägt ihnen das Gewissen; dazu gehören aber manche nationallibérale Blätter nit. Die „Magdeburgishe Zeitung" fommt den’ Arbeitern mit der Mahnung, sie sollten sich nach der Dee strecken und weniger für Vergnügen ausgeben; die s{chlimme Zeit würde“ besser überwunden werden, wenn für Auéflüge, Kien- tóvpe und Tanzböden 2c. weniger ausgegeben würde. Mehr kann man die Arbeiter nicht verböbnen. Das wird den Nationalliberalen noch sehr bös aùfstoßen. Die Abgg. Pichler und Dr. Heim vom Zentrum sind nicht die besten Freunde: Dr. Heim kennt als „Bauerndoktor" die bäuerlichen Verhältnisse sehr gut, aber weil er etwas davon ver- steht, muß“ er bier den Mund halten. Die Rede des Abg. Spahn war nichts anderes, als eine Abschütteluna des Dr. Heim, und der Aba. Pichler will all die Einrichtungen aufrechterbalten, deren Be- seitigung die christlihen Arbeiter wünscken. Ich habe die heutige Rede des Aba. Spahn nicht ganz verstehen können, obwobl ich bier ganz nahe saß, aber sie bedeutete doch eine glatte Absage an die Forderungen der cristlicen Metallarbeiter. Der Abg. Spahn sprach heute im Namen seiner Freunde. Aber teilt man denn seine Freunde in fünf oder fechs Gruppen ein? Dr. Spahn bat in Eßlingen die Hauptforderungen der christlichen Arbeiter einfach glatt abgeshüttelt. Er {loß seine Nede mit der biblischen Mahnuna,. daß die Völker ibrem König? untertan sein follen. Was ist das für eine Abschüttlung der Arbeiter, die nach billigem Fleis und Brot rufen! Der Abg. Sxahn wird auch wissen, daß himmlische Instrumente unter Umständen sehr fal]ch gestimmt sein können. Das, was Dr. Spahn und Pichler gesagt haben, kommt auf die Worte des Bischofs Haehndl ja zurück: Wer ein Knecht ist, soll ein Knecht bleiben. Das war die Stimmung der „Kreuzzeitung“, die ges{rieben hat, je freier von Sorge die Arbeiter sind, je mehr freie Zeit sie haben, desto weniger wird die Allgemeinheit einen Nußen von ihnen haben. Also je mehr die Masse geshunden und geknehtet wird, und um so {Glechter es dem Mittelstande und den Geschäftsleuten geht, um so besser geht es aber den vreußishen Junkern. Es kann nicht be- stritten werden, daß das Volk eine {were Not leidet. Die Einfuhr an Lebensmitteln übersteigt die Ausfuhr um rund 1327 Millionen Mark, sodaß wir zur Einfubr von Nahrungsmitteln aus dem Auslande angewiesca find. Wir müssen die Einfuhr haben, wenn wir nicht Hunger leiden follcn. Daß wir diese Einfubr verteuern, ist ein un- geheurer Zustand. Ich möchte den Reichskanzler fragen, ob er bereit it, im Sinne unserer Forderungen zu wirken. Herr Reichskanzler, Sie werden ja sagen müssen, wenn Sie dem Volke einschließlich der Landwirtschaft und Viehzucht treibenden Volksteile helfen wollen; Sie können nur dann nein sagen, wenn Ihnen das Wohlwollen einer fleinen, leider aber vpolitisch noch mächtigen Kaste, die unser Volk \{hröpft und knechtet, über das Volkswohl geht. j

Oeser (fortshr. Volksp.) : Wir danken den Herren, die e Möglichkeit zu dieser Nachsefsion gegeben haben. Man im Frühjahr nit wählen, weil man hoffte, daß die Auf- 7 im deutschen Volke sich legen würde; der vergangene ner bat aber eine Abglättung der erregten L verhindert, ind wir baben mebr als je Veranlassung, uns damit zu befassen, ob die Politik im Deutschen Reiche gut oder {lecht ist; gerade außer- vewöhnlide Verhältnisse sind der richtige Prüfstein für eine Gesetzgebung, und eine Gesetzgebung, die in ungewöhnlihen Zeiten versagt, muß geändert werden. Der lückenlof Zolltarif hat die lüdenlose Teuerung berbeigeführt. handelt fich nidht allein um das Wobl weiter Volkskreise. Auf eine ‘uerung it aud immer eine Abs{wähung der Konjunktur gefolgt ; fie kommt nit glei, aber wird in verhältniêmäßig furzer Zeit ihr nafolgen. Das zeigen eingeweihten Kreisen die Ereignisse an den Börsen. Die Denkschrift des Landwirtschaftsrates hat darauf bin- gewiesen, daß die Preise über das Ziel hinausgeschofsen find. il ganz selbstverständlih: wenn einmal die Preise im Steigen sind, \ \Mhießen fe über ihr Ziel hinaus, das ist bei den Börsenpapieren so, das it auc bier so. Nun sagt man, wenn die Landwirtschaft unter einer minderen Ernte zu leiden hat, so solle man ihr höhere Preise als Ersaß zugestehen. Wir gönnen der Landwirtschaft alles Gute. Denn nach unserer Meinung sind wir bessere Freunde der Landwirt- haft als Sie (nah rechts). Es ist richtig, daß die jeßige Teuerung eine internationale Erscheinung ist, aber bei uns în Deutschland ist fie zum großen Teil hervorgerufen durch eine absihtlih herbeigeführte und gewollte Verteuerung der Produktion. Man hat bei Einführung der Einfuhrscheine usw. ofen zugegeben,

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daß der Zweck der Gescßgebung wäre, das Preisniveau in die Höhe ¿u treiben. Seit 1906 sind die Verhältnisse noch s{chlimmer ge- worden. Wir find genötigt gewesen, die-Beamtengehbälter zu erhöhen, die Kommunen sind nachgefolgt. 613 Millionen find in einem Jahre für diesen Zweck bewilligt worden. Alle Leute, die diese Summe zahlen müßen, müfsen it | f die Ware s{lagen, sodaß

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aufgebracht werden müssen. Die Gesetzgebung hat die Teuerung mit bervorgebraht, sie muß fkonfequenterweise geändert werden. Der Zoll wirkt nicht nur verteuernd, sondern bewirkt auch eine Verschiebung in der Produktion. Meine Fraktion steht einheitlich und geschlosten auf dem Programm, wonach wir einen allmählichen

lle wünscen. é an fich ware, Fndustrie berbei

Abbau ter Zölle, eine shritlweise Eine radikale Beseitigung der Zol müßte eine {were Krisis in der führen, das erkennen wir an. J mit dem schrittweisen Abbau der Zölle für Land aft und Industrie vor- gegangen werten. Selbstoerständlih drüdckt ein Preis auf den anderen. Wir baben die Zollpolitik wesentlich bekämpft mit NRüdck- iht auf das Steïgen der Bodenrente.

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Die fabelhafte Steige-

rung der Güterpreise und der Pachten muß uns mit Sorge erfüllen. Bei ciner derartigen Steigerung fönnen selbstversiändlich die nach-

folgenden Besißer die Rente nicht herau8wirtschaften. Die Er- höhung der Preise is durch die steigenden Pachten vorweg ge- nommen. Die neue Zollpolitik {aft reie Väter und arme Söhne. Mer heute ein Gut zu teuren Preisen kauft, wird auf dem Gut \hwer eine Nente finden. Im Osten ist kaum noch ein Gut nicht zu faufen: eine große Zabl hat in wenigen Jahren zwei- oder dreimal den Besißer gewechselt. Wir fragen den Reichskanzler auch, wie er #ch zu den Einfuhrscheinen stellt. Mit dur sie sollte eine Erleichte- rung für die Grenzbezirke herbeigeführt werden; in diesem Sinne ift Ke von Nichter und Rickert anfangs der 80er Jahre verlangt worden. 1894 wurden sie dur Caprivi eingeführt, und ihre Wirkung war eine fravvante indem durch sie sofort der ganze Zollsat im Getreidepreis bei uns zum Ausdru kam. Wesentlich verändert hat man aber die Bedeutung der Scheine 1906, indem man aus einer lokalen Maßregel eine allgemeine madPte, die Getreidesorten unter sich vertretbar mahte und noch dazu zugestand, daß sie als Zollgeld bei der Einfubr von Kaffee und Petroleum gelten dürfen. Eine solhe Vertretbarkeit von Noggen und Petroleum und. von Hafer und Kaffee, an sid hon widersinnig, liegt unmöglich im allgemeinen Interesse. Seit 1906 verstummen au die Klagen über dieses neuste System nit mehr. Die 123 Millionen, welche jeßt die Reichskasse in einem Jahre einbüßt, beweisen, daß das Ge- treide aus dem ganzen Deutshen Reich über die Grenzen gedrängt und der deutse Markt fünstlich davon entblößt wird. Die Frachten für dieses ausgehende Getreide sind noch dazu erheblich niedriger als sonst. Die für Danzia, Königsberg usw. vorliegenden Ziffern liefern dafür den unwiderleglihen Beweis, daß bier öffentliche Mittel aufgewendet werden, um unseren einbeimis{hen Markt von einheimishem Getreide zu entblößen. Die Denkschrift der Regierung tritt ja anscheinend für die Einfubrscheine ein, aber wenn man näber zuschaut, blickt aus den bezüglichen Ausführungen deutlich das umflorte Auge des Reichs- schaßzsekretärs beraus. Deutscher Noggen wird in steiaendem Maße als billiges Futtermittel nach Holland eingeführt, während unsere

einbeimishen Mühlen keine Beschäftigung haben. Daß die Haferausfubr aus Deutschland hauptsäGlich solcher Differenz- geshäfte wegen betrieben wird, spriht die Denkschrift ganz unumwunden aus. In Cöln, Stuttgart, München ind Einfubrsleine in f\older Zahl ausgegeben worden,

daß man durchaus berechtigt ist, von einer Verallgemeinerung diefer Verwendung zum Schaden des Konsums, zum Nachteil der Volks- ernährung zu sprechen. Das Zentrum hat ja früber ein gewisses Miß- trauen gegen die Einfuhrsbeine gebegt, ein bezügliher Antrag Bachem, der ihre Anrehnungsfäbigkeit beschränken wollte, wurde abgelehnt ; aber die Zusage Miguels, daß in dieser Beziehung Remedur cin- treten würde, sobald sich eine Mehrausfubr bemerkbar machen würde, ist nicht erfüllt worden. Was das Zentrum will, ist aus der Nede des Dr. Spahn nicht recht klar geworden : es sien, als wollte er sagen: Wir tun nichts, Kanzler, tue du au nichts. Die Herab- setzung der Geltungsfrist würde nihts bedeuten, auch der Aués{luß von Kaffee und Petroleum bei der Anrechnung bliebe wirkungslos. Man muß hier wirklih die Axt an die Wurzel legen und die Ver- tretbarfeit der Scheine fallen lassen. Die Ausfuhr von Hafer würde dadurch allerdings unmöglich sein, das würde aber gar nichts schaden. Au der deutschde Roggen müßte nad Möglichkeit im Lande ver-

wandt werden. Was die Vieh- und Fleispvreise betrifft, so hatte ich der Rindviebbestand in den leßten Jahren gehoben infolge

der zunehmenden Milchwirtschaft. Der Aufschwung ist aber leider fein dauernder gewesen. Unter der Einwirkung des Viebzolls und der Viebseuchen ist ein beklagenéwerter Nückgang eingetreten. Wir fönnen darum in absehbarer Zeit auf eine Ermäßigung der Nindviehpreise nicht rechnen. Der Schweinebestand hängt von der Kartoffelernte ab, auch die jeßige Shweineproduktion wird in- folae der \chlechten Kartoffelernte im nächsten Jahre zweifellos sinken. Es freut mi, daß die Zentrumsfraftion ihren Schippel in der Person des Abg. Heim bekommen hat, der für die bessere Lebenshaltung der deutshen Bauern eingetreten ist. In der Tat, nur wenn der Bauer billig produzieren kann, kommen er und das deutsche Volk auf ihre Nebnung. Das erste Erfordernis wäre die Beseitigung der Futtermittelzölle. Wir müssen darauf renen, in den nächsten Jahren mit neuen Preiserhöbunaen beglüdckt zu werden. Gegen die Zulassung des amerikanishen Büchsenfleisches können triftige Gründe nit ins Feld geführt wetden, am wenigsten sanitäre. Auch die Be- {hränkung der Einfuhr des Gefrierfleisches muß beseitigt werden. In bezug auf den Seuchenschußz sind wir der Meinung, daß alle ver- nünftigen Mittel für den Seuchenshuy aufrecht zu erhalten sind, was darüber binausgeht, ist vom Uebel. Man könnte nah Rußland und Oesterreich hin erbeblih entgegenkommen, obne daß sanitäre Bedenken j beträchtlicher

dem entgegenstünden. Nach Rußland besteht ja ein

Schmuggel. Was von seiten der verbündeten Negierungen gegen die Teuerung geschehen is, erkennen wir gern an. Wir sind dankbar für die Tarifermäßigung der pvreußischen Eisenbahnverwaltung. Sie hat uns die Versorgung mit Nahrungs- mitteln erleichtert. Wir find auch der Meinung, daß die Gemeindeverwaltungen alle Veranlassung haben, zu prüfen,

ob die Verproviantierung der Städte heute noch sahgemäß erfolgt. Aber durch die Gemeinden können nur fleine lokale Verbesserungen herbeigeführt werden. Auch mit papiernen Refsolutionen wird nichts erreiht. Man sollte sich nicht immer an andere wenden, sondern selbst etwas tun. Ueber den Zwischenhandel will ih nihts weiter sagen. Sie werden neugierig sein, was der Neichskanzler über alle diese Fragen zu sagen hat. Es handelt sh hier um Machtfragen, die politis entschieden werden müssen, aber nicht auf der Straße. Millionen deutsher Augen sehen auf die Hände des Reichskanzlers. Sollten diese wieder leer sein, so würde fich eine herbe Enttäushung bemerfbar machen und bei den nächsten Wahlen ihren Ausdru finden.

Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg:

Meine Herren! Der Herr Redner der fozialdemokratischen Partei ist mit der Haltung nicht zufrieden, welhe die Regierungen bisber gegenüber den durch die außergewöhnlihen Witterungsverhältnisje verursachten Schäden eingenommen haben. Wie es draußen in der Presse und in Versammlungen ges{ehen ist, werden die Folgen der bisherigen Dürre zum Anlaß einer allgemeinen Anklage unserer Wirtschaftspolitik genommen. Meine Herren, die sogenannten großen Mittel und der Herr Abg. Oeser erwartete ja in seinem Schluß- wort auch große Mittel —, die Aufhebung der Zölle, ihre Suspension, die Oeffnung der Grenzen für Vieh und Fleis werden uns doch zu keinem anderen Endzweck angepriesen, als um die Grundlagen unserer Wirtschaftspolitik zu beseitigen

(Sehr ridhtig! rechts), oder, wie die ‘Herren von der fort- \{rittliden Volkspartei wollen, sie allmählich abzubauen. Meine Herren, diesen Angriffen gegen unsere Wirtschaftspolitik

bisher, einen entschiedenen Wider- Wie ich wiederholt von dieser Stelle verbündeten Regierungen das zähe und unserer Wirtschaftspolitik Sache wohl- begründeter Ueberzeugung (Bravo! rechts), und wir können uns au dur die Folgen der diesjährigen Dürre, so beklagenswert sie sind, nit von cinem Wirts(aftssystem abbringen lassen, von dem wir die Ueberzeugung haben, daß es dem Wirtschaftsleben der Nation zum Segen gereiht. (Bravo! rets.)

Ueber eines werden Gegner und Freunde dieser Wirtschaftépolitik einer Meinung sein müssen: Kein Uebergang zu einem anderen Wirt- \chaftssvstem und keine behördliche Maßregel kann die Folgen davon auslöschen, daß es monatelang nicht geregnet hat, und daß deshalb auf

den Feldern weniger als sonst oder nihts gewachsen ist. Niemand, auh

werden die Regierungen, wie stand leisten. (Bravo! rets.) aus erflârt habe, ist für die entschiedene Festhalten an

Sie nicht, können dem Landwirt sein Manko an Getreide, Heu oder Kartoffeln erseßen, und weil Sie das niht können, kann auch nie. mand den Konsumenten vor dem Schaden bewahren, der eine net wendige Folge dieses Mankos ist. (Sehr rihtig!) Meine Herren, wir müssen daber, so {wer es Ihnen auch werden mag, Uns ayf beiden Seiten besheiden und müssen uns auf die Mittel besränken, die praktis geeignet sind, uns über die bestehenden Schwierigkeiten hinwegzuhelfen. Gegenüber der Bedrängnis, in die viele mittlere und kleine Haushaltungen geraten sind, ist diese Beschränkung gewiß nicht angenehm. Aber auch Sie müssen sie, wenn Sie aufrichtig sind, für sich gelten lassen, und es heißt die bestehende Situation iy unverantwortliher Weise ausbeuten, wenn in sozialdemokratis&en Reden, Flugblättern und Schriften dem Volke die Meinung bei. gebracht wird, nichts sei leichter, als die bestehende Not wegzuschafen, nur die böse Regierung. unter dem Drucke der Agrarier wolle @ nidt oder traue sich nicht. (Sehr richtig! links.) Nein, meine Herren, das ist niht richtig und stimmt nicht mit der Wahrheit überein. (Sehr richtig! rechts.) Gewiß würden auch wir gern mehr tun: denn uns liegt die Sorge für die wirtschaftliß {wae Eristenzen genau fo am Herzen wie Ihnen. (Noch mehr! redit) Aber, meine Herren, was ist és denn nun’ eigentli, was S ie dor: \{lagen? Und wie könnte uns das, worauf es doch zunächst an fommt, über die gegenwärtigen s{wierigen Verhältnisse hinwez: helfen ?

Aufhebung der Zölle. Die sie empfehlen, meinen, daß fie damit nit nur dem Volke billigere Nahrung verschaffen, sondern aug unsere allgemeinen wirtschaftlichen: Verhältnisse zum mindesten ebenso günstig, wenn nicht günstiger yestalten ‘würden, ls sie gegenwärti sind. Der alte Streit zwishen Schußzzoll und Freihandel, über den wir uns bisber nit geeinigt haben und wahrscheinlich au in dieser Stunde nit einigen würden. Aber, meine Herren, felbst wem Sie eine andere Negierung bâtten, eine Regierung, die zu dem Virt: \chafts\ystem, das Sie anstreben, übergehen wollte, glauben Ei: denn im Ernst, daß diese Regierung überhaupt imstande wäre, den landwirts{aftlihen Schuß aus unserem Wirtschafts: system loszulösen und von heute auf morgen zu beseitigen und nur das würde uns aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten helfen —, ohne unser gesamtes Wirtschaftsleben auf den Kopf zu stellen, unsere Handelsbeziehungen umzustoßen ? Nein, meine Herren das vermöcte keine Regierung, und darum ist der Vorschlag der Auf: hebung der Zölle der Vorschlag eines unanwendbaren Mittels, cines Mittels, das \{ließlich nur agitatorishen Wert hat. (Lebhasts Sehr richtig! rechts.)

Weiter die Suspension der Zölle. Grundfäßlich haben die ter: bündeten Regierungen * bisher \tets ‘den Standpunkt vertreten, daß Zollsuspension sehr leiht der Anfang der Zollaufhebung ist (Aba! links), und daß die Zollsuspension deshalb in einem Lande, das de Zollshuß für notwendig und zweckmäßig hält, ein außerordentli ge: ährliches Experiment ist. Aber auch wer auf anderem Standpurkt teht, muß doch zum mindesten fragen : wie und wieweit wirkt die Suspension ? Kommt sie überhaupt demjenigen zugute, für den se berehnet ist ? (Sehr wahr ! rechts.)

Meine Herren, Sie erinnern sh der Suspension des olls in Frankrei im “Jahre 1898. Der Handelsberiht vom Hüvr, lso ein kompetentes Urteil, sagt darüber folgendes:

Die Aufhebung des Weizenzolles von 7 Franken für 100 kg (am 4. Mai) hatte nicht den erwarteten Erfolg. (Hört, bört! rechts.) Die Preise fielen niht einmal um die Hälfte des früber Zollbetrags, und es fanden sogar bei fremdem Weizen vot gebende Preissteigerungen statt. (Hört, hört! rets.) Erft von Mitte Juni an, also zu der Zeit, wo die Wiedererhebung der Zte

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bereits vor der Tür stand, wichen die Preiïe und fuhren dani wider Erwarten fort, au nachdem die alten Zollsäße (mit den 1. Juli) wieder in Kraft getreten waren. (Hört, hört ! rets.) Dieses Fazit \{heint mir ganz natürliß zu sein. Ent Zollsusvension, die nicht zur Zollaufhebung werden soll,

fann nur für eine vorübergehende, verhältuismäßig lu bemessene Zeit verfügt werden. Die momentane Wirkung

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Suspension ergreift, wie unsere Handelsverhältnisse einmal gelage sind, nur die Großhandelsfkreise oder den Handel überhaupt. Sobald die Wirkung weiter nach unten zum Produzenten und Kon]umen! vorzudringen beginnt, läuft entweder die Zeit ab, oder die wird dur die neue Ernte oder die Aussichten auf die neue Er? wieder verwis{t. Meine Herren, ih bin der Ueberzeugung, aud würden jeßt mit derartigen Suspensionen genau dieselbe Erfahrung machen. (Sehr richtig ! rechts.)

Im einzelnen \priht man von der Suspension der Zölle auf dié Futtermittel, an denen wir ja leider eine ungenügende Ernte geha! haben. Man vergißt dabei, daß die große Masse derjenigen Futtermittel auf die der Landwirt in einem knappen Jahre, wie dem jeßigen, 1!

erster Linie angewiesen ist, die Kraftfuttermittel, zollfrei eingehen, !

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daß wir davon einen Jmport haben im Werte von jährlich 270 Millionen. (Schr richtig! und Hört, hört! rets.)

eine befriedigende Ernte gehabt haben, würde die Suspension haupt niht in Frage kommen fönnen. Beim Mais, der ein erwünshtes Futtermittel sein würde, ie

wir nach allen bisher vorliegenden Nachrichten ciner genügenden Welternte gegenüber. Argentinien und Amer? cheinen bei steigendem * eigenem Bedarf einen Ueberschuß für Erport nicht zur Verfügung zu

Wir find also im wesentlichen mit allen übrigen Maisbedürftigen die Donauländer angewiesen. Bei dieser Angebotslage erscheint ® mir doch außerordentli bedenklich, eine Suspension zu verfügen, der es mehr als zweifelhaft ist, ob sie jeßt dem Viehhalter und dan: dem Fleishverbraucher überhaupt zugute kommen würde. (Sell richtig! rechts.)

Der Herr Abg. Dr. Spahn hat von der Suspension der Zol auf Gemüse gesproben. Ih behalte einem meiner Herren Nab vor, im Laufe der Diskussion auf die Sache eventuell näher (F zugehen. Ih möchte meinerseits nur bemerken, daß von d gesamten Gemüseimport 93 9/6 zollfrei eingehen, nur 7% mit einss verhältnismäßig geringen Zoll belastet sind. (Hört, hört! reis) Eine große Hilfe würde man also auch mit dieser Maßregel nid erzielen.

Meine Herren, weiter ist beute hier ausführlich das Thema de Einfuhrseine behandelt worden. In der Presse wird es d

meist so dargestellt, als ob dies ein besonders wirkungévolles Mi

scin würde, und als ob es sich dabei um die allereinfahste Sache der Welt handelte. Daß dies nicht der Fall ist, das weiß ‘der Reichstag aus der Denkschrift, die wir im vorigen Frühjahr thm vorgelegt haben, und das gelt ja aud aus den Reden, die bisher darüber ge- halten worden find, bervor. Aber gerade weil es sich um ein recht s{chwer zu behandelndes Thema handelt, ist es vielleiht für

Agitationszwecke besonders brauchbar. (Sehr gut! und Heiter- keit rechts. Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Meine

Herren , wer sich der Einführung der Cinfuhrscheine erinnert, weiß doch, daß es fich dabei um ein System handelt, das Sie künstlich nennen mögen, das aber darauf berechnet war, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Produktionéverhälinissen im Lande zu s{affen, ‘und daß es den Einfubrscheinen gelungen ist, diesen Ausgleich tatsächlih herzustellen. Deshalb sind auch in den Landeéteilen, für die der Ausgleich bemessen war, Landwirtschaft und Handel vollkommen einmütig der Ansicht (Hört, hört! rets), daß an dem System nihts geändert werden könne (Zurufe : Königsberg ! Danzig !), ohne uns wieder zu Zuständen zurückzuführen, über deren Ungerechtigkeit lange und mit Necht geklagt worden ist.

Meine erren, wir haben troßdem die Frage ciner Aenderung des Einfuhrscheinsystems sehr eingehend erwogen, sind aber zu dem Grgebnis gekommen, daß die vorgeschlagenen Aenderungen eine Ein- wirkung auf die gegenwärtigen gesteigerten Preise nit haben würten. (Hört, hört! links und rechts.) Gewiß, meine Herren, ist das Einfuhr- scheinsystem mit Mängeln behaftet (Aba! links), namentlich für das Interesse der MNeichskasse. (Hört, hört! und Sehr ri&tig! links.) Aber, wo es fich jeßt für uns nur darum handeln kann, die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu beseitigen, würden diese Aenderungen doch dazu nicht geeignet sein. Meine Herren, Sie werden mir das zugeben, wie ih hoffe, wenn Sie die cinzelnen vorgeschlagenen Aenderungen kfonkiet aufassen.

Man hat vorgeschlagen, die bei der Ausfuhr von Hafer erteilten

Scheine nur bei der Einfuhr von Hafer verwenden zu lassen. Das

würde einen überaus {weren Eingriff in unsere landwirts{aftlichen Verhältnisse zur Folge haben. Denn, wie {hon der Herr Vorredner hervorgeßoben hat, hat die Einführung des Einfubrsheinsvstems zu einem wesentli vermehrten Haferanbau geführt. Diesem vermehrten Haferanbau stcht nun ein stark gewachsener Import an Futtergerste gegenüber. Diesér Import ist gewacsen in den letzten 10 Jahren von rund ò- auf 28 000 000 âz. (Hört, bört! redts.)

f Meine Herren, nun fönnen Sie theoretisch darüber streiten, ob die Beschränkung der Haferausfubrscheine auf Hafereinfuhr der Cin- fuhr von Futtergetreide hinderlih sein müßte : praktis aber müssen wir unter allen Umständen mit der Gefabr rechnen, daß eine solche Bes ränfung die Preise für Futtergerste in die Höhe treiben würde (Sehr richtig !), und ih wüßte nit, wie wir gerade in diesem Jahre der Futterknappheit die Verantwortung für eine solche Maßregel übernehmen follten. (Sebr gut! rets.)

Meine Herren, dann wird weiter, ähnlich wie beim Hafer, ver- langt, daß die bei der Ausfuhr von Noggen erteilten Scheine nur beim Import von Roggen verwendet werden dürfen, um der Herr Dorredner hat das ja im einzelnen ausgeführt einer übergroßen Roggenausfuhr vorzubeugen. Ich glaube, auch in dieser Beziehung gibt man nich übertriebenen Vorstellungen hin. Der gesamte Ueber- {uß unserer Roggenausfuhr über die Noggeneinfuhr beträgt 3,2 9/9 der inländischen Roggenerzeugung. Aus diesem Verhältnis geht bervor, daß es sih bei der NRoggenausfuhr, wenn fie \sich annähernd in den Grenzen bält wie bisher, nicht um einen Gegenstand hantelt, welcher für die Verbältnisse tes gesamten Landes von so großer. Be- deutung ist. Dabei kaun es lokal gewiß höchst unerwünscht namentlich für Mühlen sein, wenn zu viel Roggen an der Stelle ausgeführt wird lokal! Aber für den Osten das geht aus den Vor- stellungen, die mir tagtäglich namentli aus Handelskreisen des Ostens zugehen, hervor würden Sie durch eine derartige Be- schränkung der CEinfuhrscheine Handel und Landwirtschaft in eine äußerst schwierige Lage bringen. (Hört, hört! rechts.) Und endlich, meine Herren, ähnlih wie beim Hafer, übernehmen Sie die Garantie dafür, daß, wenn wir eine solhe Beschränkung vornehmen, wir nit

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die Weizenpreise steigern? Und wollen Sie bei dem zunehmenden Verbrauch von Weizenbrot wiederum gerade în diesem Jahr “die Ge adr einer solhen Steigerung auf sich nehmen ?

Meine Herren, ich bin der Ansicht, daß mit diesen Aenderungen, die uns vorgeschlagen sind, die nit gebraht würde, und darauf kommt es doch jeßt allein an, dafür aber Uebelstände berbeigefübrt werden könnten, die die Situation ver- \häârfen würden. (Sehr richtig! rechts.) Ich will dabei noch gar nicht darauf hinweisen, daß Sie Aenderungen im Einfuhrscheinsystem wahrscheinlich nicht mit fofortiger Wirksamkeit einführen könnten, sondern einen gewissen Zwischenraum bis zur Wirksamkeit verstreichen lassen müßten. Es würden dann, wenn wir solche Aenderungen mit zweimonatliher Frist oder, ich weiß nicht, wie viel einführten, möglicherweise Verhältnisse eintreten, die ganz andere sind als die- jenigen, unter denen wir leben.

Der Herr Abg. Dr. Spahn hat dann angeregt, wenn man auch an dem Einfuhrscheinsystem als solhem festhalte, doch gewisse Aus- wüchse zu beshneiden. Als ein solcher ist bezeihnet worden die Verwendbarkeit der Getreideausfubrsheine für die Einfuhr von Petroleum und Kaffee, und ferner ist angeregt worden die Herab- leßzung der Gültigkeitsdauer der Scheine von 6 Monaten auf etwa die Hälfte. Ih habe niht genau verstanden, ob der Herr Abg. Dr. Spahn das au angeregt hat; jedenfalls ist es ein Vor- lag, der sonst in der Oeffentlichkeit gemacht worden ist. Meine Oerren, ich halte diese Vorschläge für akzeptabel, obwohl ich noch niht der festen Ueberzeugung bin, daß sie eine übergroße Wirkung baben würden. (Zuruf links: Deshalb halten Sie sie für akzeptabel!) Für diskutabel, babe ich gesagt ! (Zuruf links: Akfzeptabel!) Dann habe ich mi versprochen ; für diskutabel! Ich haben Ihnen vorhin gefagt : wir haben uns die Frage einer Aenderung des Einfuhrschein- systems nah allen Seiten überlegt und baben die Maßregel, die hier vorgeshlagen worden ist, als eine Maßregel von minderer Bedeutung ecactet ; und ich kann nur wiederholen : wenn ih diese Frage für dis- kutabel erkläre, so bin ih für meine Person im gegenwärtigen Mo- ment noch nicht absolut von der Wirksamkeit der Maßregel über- zeugt. Denn es ist mit Ret von dem Herrn Abg. Oeser darauf bingewiesen worden, daß die Getreideeinfuhrsheine durch den Weizen- ¿ nvport vollkommen verzehrt werden, und daß die Umlaufszeit der Scheine tatsächlih nur etwa 2 Monate beträgt.

Einfuhrscheine gesprochen hat, kat er auch ter Eiscnbahnausfuhrtarife für Getreide gedaht. Meine Herren, ih kann mitteilen, daß die Frage der Aufhebung dieser Cisenbahnautfuhrtarife den Lanteseisenbahnrat beshäftigen wird, der geseßzmäßig mit der Sache zu befasscn ist. Um

Mißverständnissen ven vornherein vorzubeugen, will ih dabei be- merken, daß die besouderen Tarife für den Transport von Getceide und Mühlenfabrikaten nach Danzig, Memel und Königsberg, welche überhaupt nit an die Ausfuhr gebunden sind, hierbei nit in Be- trat fommen würden. |

Meine Herren, ich komme nun zu der Frage der Einfuhr von

Vieh und Fleis. Ueber dieses Thema ist hier vor cinem Jahre ausgiebig gesprochen, und es ist vom Bundesratstisch aus erklärt worden, daß wir im Interesse unseres Vieh- bestandes auf den Grenzshuß uit verzihten können, daß aber die

Einfuhr von Sthlachtvieh und von Fleisch in weitem Umfange schon jeßt zugelassen sei. Inzwischen find für den Schlachtviehimpvort weitere Erleichterungen gegen Dänemark und Schweden eingetretin. Im vorigen Jahre baben die Verbältnisse auf dem Fleischmarkt un- günstiger gelegen, als sie gegenwärtig sind. Die Preise, welde dem Landwirt gegenwärtig für Schlachtvieh gezablt werden, sind ho, aber niht übermäßig boch (Sehr rihtig! rcechts), zum Teil, bei den Schweinen, sogar niedrig. Und das wegen der Futterknappheit zu er- wartende erhöhte Angebot würde zunächst doch nur einen Pieisdruck zur Folge haben können. Gewiß fönnen ih die Verhältnisse ver- schârfen, wenn die Futterknappheit zu einer großen Verringerung unserer Viehbestände führen follte. Aber auch in dieser Hinsicht bitte ih Sie, sich übertriebenen Vorstellungen nicht hinzugeben. Die, preußisden Landwirtschaftskammern baben im September diefes Jahres berichtet, daß es zwar in manchen Landstrihen {wer fein werde, das Vieh dur{chzuhalten, däß dafür aber in anderen und zahl- reichen Gegenden wenn auch unter Schwierigkeiten und unter durchaus möglich fein werde.

Meine Herren, was die Erweiterung der Fleischeinfuhr arlangt, so kämen für sie im wesentlichen Rußland und Amerika in Betrach denn aus den anderen Ländern ift fie {on fast überall jeßt gestat Die Fleischeinfuhr aus Rußland ist versagt wegen der Rinderpest- gefahr. Gegenüber Amerika besteht ein Einfuhrverbot für Rindfleisch wegen der Gefahr der Einschleppung des Terxasfiebers. Dagegen ift nicht verboten die Einfuhr amerikanishen Schaf- und Schweine- fleishes. Allerdings müssen die Kautelen des Fleischbeshaugeseßes erfüllt werden. (Aha! links. Sebr richtig! rechts.) Gelingt es der Technik, meine Herren, den Vorschr dieses Gesetzes au bei der Cinfuhr geküblten Fleishes aus dem Auslande nachzukommen, dann steht bei Schafen und Schweinen der Einführung nichts entgegen. Wir können aber unmöglih jeßt die im Interesse r Hygiene erlassenen Bestimmungen des Fleishbes{augeseßes ab- andern (Zuruf bei den. Sozialdemokraten : Natürlich ), weil möglicher- weise die Futterknappbeit zu einer beklagenêwerten Preisftei [ dem Fleishmarkte führen wird.

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Meine Herren, Sie beklagen sich immer über einen übermäßigen Schutz unserer Viehbestände. Bedenken Sie doc, bitte, dabei, daß es der deutshen Landwirtschaft unter diesem Schuße gelungen ist, 959% des gesamten Fleishbedarfes aus dem Inlande zu decken. (Lebhafte Nufe: Hört, hört! rechts. Unrube links.) Dabei ift in den leßten

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Jahrzebnten der Fleishkonsum in Deutschland so gestiegen, daß wir hinter dem von England kaum mehr zurückftehen. (Hört, hört!) Von England untersheiden wir uns nur insofern, als dort niht 95 9/0, sondern nur die Hälfte des Fleischbedarfes aus Eigenem gedeckt wird. (Hört, hört!) Dieser Vergleich s{eint mir doh nicht zu Erpcrimenten ermuntern, die unsere Viebbestände schädigen und uns damit allmählich in eine größere Abhängigkeit vom Auslande bringen würden. (Sehr wahr ! rechts.) Eine solche Ab hängigkeit vom Auslande würde für uns außerordentlih gefährlich sein. (Sehr richtig !) A

Eins allerdings, meine Herren, will ih mit aller Entschiedenheit betonen: der Schutz, den die Landwirtschaft genießt, {ließt

Pflichten, große Pflichten gegenüber der Allgemeinheit, gegen- über den Konsumenten in fi. (Zurufe und Lachen ] Meine Herren, warum lachen Sie denn? Ich spreche ja jet! Fhrem Sinne! (Sehr richtig! rechts. Zurufe links.) Jawob meine Herren, darum richte ih auch von dieser Stelle d

Appell an die deuts{e Landwirtschaft, mit allen Mitteln dagegen zu wirken, daß unser Viebstand verringert wird. Eine Verringerung des Viebstands würde sih nicht nur an der einzelnen Wirtschaft- sondern an der Stellung der Landwirtschaft im ganzen bitter rächen. (Bravo! rets.) Meine Herren, ih kann nah diefen Ausführungen nicht zu der

Ueberzeugung gelangen, daß die von Jhnen vorgeschlagenen großen Mittel über die bedrängte Lage hinweghelfen würden. Ih betone bei dieser Kritik noch einmal, daß ich es für unmöglich erachte, den elementaren Ereignissen gegenüber durchgreifend abzuhelfen, und ich bin weit davon entfernt, es so darzustellen, als ob die Maßnahmen, welche von den Negierungen ergriffen worden sind, eine solche durh-

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greifende Abhilfe brähhten. Aber wir haben nach Mitteln Ausschau gebalten, welche eine vrafktishe Wirkung haben können, und ich fage dem Herrn Abg. Oeser meinen Dank, daß er in dieser Beziehung auch ein anerkeanendes Wort für die Maßnahmen der Negierungen gefunden bat.

Meine Herren, wie in jedem geringen Erntejahre, diesmal aber vielleiht in besonderem Maße, hat sih gezeigt, daß die Detailpreise für Lebensmittel den tatsäcdbliden Ernteergebnissen nit entsprechen.

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(Sebr richtig ! rechts.) Das ist zwar für den Konsumenten, der hohe E i l us

Detailpreise zu zahlen hat, fcin Trost, aber an der Tatsache kann man niht vorübergehen, man muß sie hervorheben. An Brotgetreide

haben wir fein Manko. Die Preise für Brotgetreide sind niht über- hoch (Sehr richtig ! rechts), namentlich wenn man berüsihtigt, daß die Güte des diesjährig gewonnenen Brotgetreides eine erhöhte und bessere Ausbeute an Mehl liefert." Die Preise für Vieh find gegens- wärtig, wie ih soeben gesagt habe, keine abnormen. Allerdings haben wir an Gemüse und an Kartoffeln mit Untererträgen, zum Teil mit be- deutenden Untererträgen zu rechnen. Bei den Kartoffeln hat ih aber zum Glück, je mehr wir uns dem Ende der Ernte genähert haben, herausgestellt, daß der tatsälihe Ertrag über die früheren Schäßungen hinautgeht (Sehr richtig! rechts), daß wir in einzelnen Landesteilen mit ausgedehntem Kartoffelbau befriedigende, zum Teil gute Ernten haben, und daß auch

Im Anschluß an die Worte, die der Herr Abg. Oeser über die

doch lokal neben s{lechten Erträgen gute Erträge zu finden sind. Ich hebe das absichtlih hervor, meine Herren, um nicht meinerseits dazu beizutragen, durch übertriebene Darstellungen auf ein Steigen der Detailpreise mit hinzuwirken. (Sehr gut! rechts.) Ich kann alfo nit zugeben, daß, wenn wir die Ergebnisse der gesamten Ernte zu- sammenfassen, die Detailpreise, die gezahlt werden, den tatsäclichen Ernteergebnissen wirklih entsprehen. (Sehr richtig! rets.) Ueber

ie Gründe dieser Spannung ist bei jeder Teuerungsdebatte im Cs 7 A , ci s ; e C S Reichstage hin und ber gesiritten worden. Ich will auf die Einzel-

heiten auch meinerseits nicht eingehen. (Zuruf von den Sozialdemo- traten.) Nur so viel steht fest, daß an der übermäßigen Spannundá zwischen Großhandels- und Detailpreisen weder die Dürre noch unsere Wirtschaftspolitik noch die Regierung Schuld trägt. (Sehr gut! rechts. Zurufe links. Nicht s{huldloes aber sind die

tricbenen Darstellungen der Teuerung (Lebhafte Zustimmung rets),

in denen sih ein großer Teil un)erer Presse monatelang gefallen

hat. (Æbhafter Beifall rechts.) Diese übertriebenen Darstellungen Faben feine preiédrüdende, fondern fie haben eine preiss{ärfende Wirkung ausgeübt. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Man hat an- geblich dem kleinen Mann helfen wollen, in der Tat hat man ibm geschadet. (Sehr wahr! rets.)

E O i o Mogto a T; ; 3 PVeeine Herren, die Regierungen Mitteln, die sie

sind bei den angewendet haben, bestrebt gewesen, auf eine Her Spannung, wo sie ungerechtfertigt, wo sie übermäßig Di baben das getan, indem sie ei

Die Regierungen 1 bewilligt haben,

6 Br "An S P 2 rabminderung dieser

ift, binzuwirken.

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m Erntejahre, das sich durch so vers den verschiedenen Landesteilen auszeichnet, die über das ganze Land zu erleihtern. Sie habe fie Einrichtungen der Kommunen unterstüßt welche einem übermäßigen Anwachsen der wollen.

Meine Herren, die Z Gefamtheit der Eisenbahnvern l aber au im einzelnen z. § er auf ihr liegende Zoll bei mitt l Hamburg, gänzlich aufgehoben (Hört, bört! rechts) wird

Man hat diese Frahtermäßigungen angefochten, indem man die

M1115 lo f r4 »1 L - : X F S »1 Psennigbruchteile befrittelt hat, um die z. B. 1 Pfund Kartoffeln L (

verbilligt wird. Meine Herren, i gl man muß die Ne anders aufmahen. Vor einigen Wehen war der Marktpreis für CEßzkartoffeln in Ostpreußen 2,30 bis 2,90 4, gleichzeitig wurden hier in Berlin für dieselben Kartoffeln 5 bis 6 X gezahlt. (Hört, bört rechts.) Das macht eine Steigerung bis 340 e. In-il die Unkosten und der Gewinn, auf den der Handel cinen legi Anspruch hat. Aber, meine Herre s wird a Nenfd eben, die die Spannun;- ( Nufe: Sehr wa unseren ermäßi rechts): denn di Berlin 30 „F für

Meine Herren, auch die Anregungen bei den Kommunen sind an-

N Ul Ui s den Kommunen 1nd an=-

otandto ny) 7 ; T gefochten worden ironische

der Herr Abg. Scheidemann hat die Bemerkung darüber gemacht, wir hätten den Kommunen gesagt :

Hannemann, geh? Du

voran! (Heiterkeit.) Meine Herren, wozu Los Z DIele rechts )

efi Pan E ag es fi R: E s Ironisierung ? (Sehr richtig! rechts.) Zablreiche größere Stadt- verwaltungen haben mit Erfolg Einrichtungen getroffen oder in Aus-

B nonntimo ¿ : ALETLO e L Ls s Er sicht genommen, um im Hinublick auf e etwa eintretende *Flet!ch-

teuerung den Seefishverkauf zu erleichtern (Bravo !): und ih kann nur die Hoffnung aussprechen, daß diese Einrichtungen Bestand haben werden über die Zeiten einer Teuerung hinaus. (Bravo! rechts.) Zablreihe Stadtverwaltungen au das wird den He t

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richtig !)

Neben großen Privatunternehmungen und Genoffenschaften balte ih eigentlißh die Kommunen für die einzigen, welche in der Lage sind, einem übermäßigen Anwachsen der Detailpreise Einhalt zu ge- bieten (Hört, bört! links), welche fähig sind, die Einrichtungen den örtlichen Verhältnissen anzupassen. Das ift natürlich notwendig. Denn ich bin weit davon entfernt, zu behaupten, daß derartige C rihtungen überall, und überall in gleiher Weise, möglih wären Wie fie zu differenzieren find, kann aber doch nur von einer Ver- waltung wie der Kommunalverwaltung entschieden werden. Ob in den Kommunalverwaltungen andere wirts{haftspolitische Anschauungen als die unsere Gesetzgebung beherrshenden vertreten find, das ift

meiner Ansicht nach für die Sache belanglos. In Zeiten der Not heißt es doh: praktish zugreifen! Und ih glaube, derjenige tut mehr, der dem Konsumenten beim täglihen Einkauf der Lebensmittel zu einem billigeren Preise zu verhelfen sucht, als derjenige, welcher sich immer nur theoretisch über das Verkehrte unserer Wirtschafts- politik aus\spriht. (Lbhafte Zustimmung rechts und in der Mitte.)

Cl Pie. V or ot R ata G N “Ana ; ; Aber, meine Herren, allem, was die Regierungen tun,

auch bei

der Vertretung ihrer Wirtschaftspolitik, wird von den Gegnern stets der Einwand entgegengehalten: ja, wenn wir diese Wirtschaftspolitik nicht hätten, dann wäre keine Not entstand Lachet oder

wir würden fie leiter überstehen.

Meine Herren, praktisch hat unsere Wirtschaftspolitik lange genug gewirkt, um ihre Ergebnisse beurteilen zu können. (Sehr richtig! rechts und links.) Als sie eingeleitet wurde, prophezeite man, daß fie das Grab unferes Exrporthandels sein würde (Hört, Industrie und Handel in Fesseln s{chlage. Was ist aus dieser Prophezeiung geworden? Das gerade Gegenteil ist eingetreten. Handel und Industcie haben einen Aufschwung genommen, um den uns das Ausland benecidet. (Sehr wahr! Zurufe bei den Sozial- demokraten.) Die Landwirtschaft hat an Produktions- und an Kauf- fraft stark zugenommen. (Sehr richtig! rets.)

Das sind Dinge, die unbestreitbar find, die keines Beweises be- Freilich sind gleichzeitig die Kosten der Lebenshaltung ge- Diese Steigerung wird von den Gegnern unserer Wirtschafts- politik, soweit sie bei den landwirtschaftlihen Produkten eingetreten ist, eben auf diefe Politik zurückgeführt. (Zuruf links: Mit Necht !)

e C oe Ra Le Hinze I H e ) avel, daß tin den Zeiten des ¿Frethandels, z. B.

T S e hort), daß ne

in den Teilen, wo die Kartoffelernte îim ganzen nicht befriedigt hat,

Die Herren übersehen d in der Periode von 1871—1579, die Getreidepreise überhaupt höher