1892 / 53 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Seiner Majestät dem Kaiser und Könige sind aus Anlaß der in den leßten Tagen hier stattgehabten An- sammlungen von angeblih „Arbeitslosen“ mehrfache Kund- gebungen aus Arbeiterkreisen zugegangen, 1n welchen dem Bedauern über die Vorkommnisse sowie der treuejten Anhäng- lihfeit und dem unerschütterlichen Vertrauen zu der Aller- höchsten Person Ausdruck gegeben wird. Namentlich hat der Ausritt des Kaisers am 26. v. M. inmitten einer wildbewegten Menschenmenge, welher einen tiefen Eindruck auf dieselbe gemacht hat, Eingaben veranlaßt, in denen jene Gefühle haraf- teristishen Ausdruck finden.

Zwischen dem Deutschen Reich und den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika ist am 15. Zanuar in MWashinaton ein Uebereinkommen über den gegen- : abgeschlossen

seitigen Schuß der Urheberrehte ad worden. Bei dem Abschluß des Uebereinkommens

fonnte für Deutschland niht in Frage ftommen, nach Analogie der deutscherseits mit “anderen Staaten geschlossenen Literarconventionen etnen Versuch zu einer ver- tragsmäßigen Abänderung der inneren (Geseßgebung Nord- Amerikas zu machen, nachdem diese durch die sog. ( opyright Act im vorigen Jahre cine endgültige Regelung erhalten hat. Vielmehr konnte allein eine gegenseitige Zusicherung nach der Richtung erstrebt werden, daß die, nordamerikanishen Staats- angehörigen in Deutschland einen mit den Jnländern gleihen Schuß ihrer Urheberrechte _ und dafür die Reichs- angehörigen in den Vereinigten Staaten den Schuß der Copyright Act genießen sollen. Dies ist mit dem Ueberein- fommen erreiht und somit eine Gleichstellung Deutschlands mit einer Reihe anderer europäischer Staaten herbeigeführt worden. Das Uebereinkommen ist bereits dem Bundesrath zur Beschlußfassung vorgelegt worden.

Die Einsegnung der sterblichen Hülle des verstorbenen Oberst-Lieutenants und Flügel-Adjutanten von Zißew1ß fand am Sonntag Abend 6 Ühr im Sterbehause, Doörnberg- straße 6, “in Gegenwart Seiner Majestät des Kaisers und Königs statt. Beide Majestäten hatten vorher prachtvolle Kränze gesandt: ein Blumenbouquet mit drei großen Palmen wurde von Seiner Majestät noch persönlich niedergelegt. Der Feier wohnten auch Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrih und Seine Hoheit der Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein sowie das Kai}er- lihe Hauptquartier bei. Die Trauerrede hielt der Militär- Oberpfarrer Hofprediger D. Frommel. Nach Beendigung der Feier verweilte Seine Majestät noh längere Zeit im Gespräch bei der trauernden, mit neun Kindern zurückgelassenen Wittwe.

Die Beerdigung fand gestern Nachmittag 41/5 Uhr von der Leichenhalle des Matthäikirchhofs aus, gleichfalls in Anwesen- heit Seiner Majestät des Kaisers und Königs, mit militärishen Ehren statt. Mit Seiner Majestät dem Kaiser waren zu dieser Feier erschienen Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Baden, Jhre Hoheiten der Erbprinz von Sachsen-Meiningen, der Herzog Johann Albrecht von Mecklen- burg-Schwerin und der Herzog Ernst Günther zu Schleswig- Holstein. Ihre Majestät die Kaiserin hatte am Sarge einen Kranz niederlegen lassen, Jhre Majestät die Kaiserin Friedrich sowie Jhre Königlichen Hoheiten die Prinzen Hein- rih und Friedrich Leopold hatten Vertreter entsendet. Zahl- reiche Offiziere aller Grade wohnten der Feier bei, voran der Ober-Befehlshaber in den Marken, Gou- verneux von Berlin, General-Oberst, der Jnfanterie von Pape, der commandirende General des Garde-Corps, General der Jnfanterie Freiherr von Meerscheidt-Hüllessem, der General der Cavallerie von Rauch, der Chef des Militär- cabinets, General der Jnfanterie von Hahnke, der comman- dirende General des 11]. Armee-Corps, General der Cavallerie von Versen, der frühere Regiments-Commandeur des Ver- storbenen General-Lieutenant z. D. von Oppell, Genceral- Lieutenant von Holleben und das gesammte Hauptquartier Seiner Majestät des Kaisers, unter Führung des General-Lieutenants von Wittih. Das Officiercorps des 2. Garde-Regiments z. F., bei dem der Verstorbene im Jahre 1868 zum Officier ernannt wurde und in dem er mit Auszeichnung an dem Feld- zuge von 1870/71 Theil genommen hatte, war mit dem Regi- ments-Commandeur Oberjten Freiherrn von Gayl vollzählig er- schienen. Das 1. Garde - Regiment z. F., dem der Oberst- Lieutenant von Zißewiß zwei Jahre als Compagnie-Chef angehört hatte, war durch den Regiments - Commandeur, Obersten und Flügel-Adjutanten Seiner Majestät des Kaisers von Naßmer und durch eine zahlreihe Abordnung von Stabsoffizieren, Hauptleuten und Lieutenants vertreten. Außerdem waren anwesend der Oberst-Kämmerer Fürst Otto zu Stolberg-Wernigerode, Fürst Anton von Radziwill, der Oberst- Truchsey Fürst von Radolin, der Vice-Präsident des Staats- Ministeriums Dr. von Boetticher, der Minister des Königlichen Hauses von Wedell-Piesdorf, der Ober-Präsident Staats- Minister von Puttkamer, der Staats-Minister Freiherr Lucius von Ballhausen, der Ober-Stallmeister Graf von Wedel, der Hausmarschall Freiherr von Lyncker u. A.* Zur Leichen- parade hatte das 2. Garde-Regiment z. F. zwei combinirte Compagnien vom 1. Bataillon unter Befehl des Majors von Brauchitsh mit der Fahne und der Regiments-Musik gestellt. Die Leichenhalle war festlich beleuchtet und mit Gewächsen, der Sarg mit den von Jhren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin, sowie der Kaiserin Friedrich und vielen anderen gespendeten Kränzen reich ge- s{hmückt. Seine Majestät der Kaiser wurde bei Allerhöchst- sener Ankunft von der vor dem Kirchhof versammelten Menge mit begeisterten Zurufen empfangen : der militärishe Gruß Allerhöchstdesselben an die Grenadiere des 2. (Garde-Regiments è. F. wurde von diefen laut erwidert. Jn der Leichenhalle nahmen Seine Majestät Aufstellung zu Füßen des Sarges, während die Wittwe mit den Kindern, darunter ein sechzehnjähriger Sohn als Lichterfelder Cadet, zur Rechten des Sarges Play genommen hatte. Mit dem Getange: „Jesus lebt, mit hm auG 10, lettete der kleine Domchor die Feier ein. Der Militär-Oberpfarrer Hofprediger D). Frommel hielt au hier die Trauerrede über den Text Jesaias 54, 7 und 8: „Jh habe dich einen kleinen Augenblick verlassen; aber mit großer Barmherzigkeit will ih dich sammeln. Jh habe mein Angesicht im Augen- blick des Zorns ein wenig vor dir verborgen ; aber mit ewiger Gnade will ih mich deiner erbarmen, spriht der Herr, dein

Erlöser.“ Der Gesang „Wenn i einmal soll scheiden“ beshloß die Feier. Darauf seßte sich der Zug in Bewegung. Der Musik folge vor dem Sarge der Flügel - Adjutant Seiner Majestät des Kaisers, der frühere Regiments- famerad des Entschlafenen Major Freiherr von Seckendorff, der die zahlreichen Orden des Verblichenen auf einem Sammet- fissen trug. Der \{warze Sarg wurde von _ zwölf Unter- offizieren des 2. Garde-Regiments z. F. getragen. Zunächst hinter dem Sarge schritt der Militär-Oberpfarrer Hofprediger D. Frommel, dann folgten Seine Majestät der Kaiser, Aller- höchstwelher die tiefgebeugte Wittwe am Arme führte, die Kinder und das übrige Trauergefolge. Nachdem der Geistliche am Grabe unter den üblichen drei Ehrensalven den Segen gesprochen, warf Seine Majestät der Kaiser dreimal Erde in das Grab. Allerhöchstderselbe war alsdann der Wittwe beim Besteigen des Grabhügels bchilflih und geleitete sie end- lich, sie wieder am Arme führend, zurück bis zum Kirchhofs- thor, wo Seine Majestät huldvollst Sih von den Hinter- bliebenen verabschiedete. Kurz vor 51/5 Uhr verließ Seine Majestät zu Wagen den Kirchhof unter lebhaften Zurufen der inzwischen zu Tausenden angewahsenen Menschenmenge.

Der Königlihe Gesandte in Darmstadt Freiherr von Plessen hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten.

Der Regierungs-Rath Sa chs zu Hannover ist der König- lichen Regierung zu Gumbinnen behufs Uebernahme der Ver- tretung des nah Posen committirten Ober-Regierungs-Raths Bayer überwiesen worden.

Der Regierungs-Assessor Heinrich zu Merseburg ist bis

auf weiteres dem Landrath dcs Kreises Fulda, Neg.-Bez. Cassel, zur Hilfeleistung zugetheilt worden. Die neu ernannten Negierungs-Assessoren Ludwig von Doetinchem de Rande, Fretherr von Héinze Uno Naapke sind den Königlichen Regierungen zu Wiesbaden, bezw. Potsdam und Marienwerder zur dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Bayern.

München, 29. Februar. Jhre Majestäten der König und die Königin von Württemberg werden, wie die „Allg. Ztg.“ erfährt, am 14. März Mittags zum Besuche Seiner Königlichen“ Hoheit des Prinz-Regenten hier ein- treffen und bis zum 15. Abends verweilen. Der König wird sodann direct nach Stuttgart wieder zurückehren, während die Königin sich von hier aus nah Schloß Hohenburg begiebt, um der Familie Seiner Königlichen Hoheit des Groß- herzogs von Luxemburg einen Besuch abzustatten.

Anhalt.

Dessau, 29. Februar. “Der Landtag ijt - heute er: öffnet worden. In der Eröffnungsrede wird, wie „W. T. B.“ meldet, darauf hingewiesen, daß die Finanzen des Herzogthums, obwohl in den Ueberweisungen von dem Reich eine Ver- minderung um 70 000 M eingetreten ist, sih gleihwohl ver- bessert haben, fodaß der Betrag von 567 684 6 an die Staats- \chuldenkasse abgeführt wurde.

Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser hat dem „W. T. B.“ zufolge für die Wiener bedürftigen Arbeitslosen 5000 Fl. gespendet, auch von anderen Seiten laufen zahlreihe Unterstüßungen ein. Der Bürger- meister Dr. Prix hat einen Aufruf erlassen, in welchem er die Bevölkerung um Beiträge zur Unterstüßung bedürstiger Arbeitsloser bittet.

Im ungarischen Unterhause erklärte gestern Der Minister-Prästdent Graf Szapary in Beantwortung einer Interpellation des Abg. Helfy über die angeblich im Arvaer Comitat vorhandene Hungersnoth, die darauf bezüglichen Nachrichten seien übertrieben. Die Regierung habe die thr zu Gebote stehenden Mittel zur Linderung des Noth- standes in umfassendster Weise angewendet: legislatorische Ver- fügungen seien unnöthig. Der Minister-Präsident wies gleich- zeitig auf die große Mens der privaten Hilfsthätigkeit M Die Antwort des Minijter-Präsidenten wurde vom Hause einstimmig zur Kenntniß genommen.

Großbritannien und Frland.

Der Prinz und die Prinzessin von Wales weilen mit ihren Kindern, dem Prinzen George und den Prinzessinnen Victoria und Maud, noch immer in Eastbourne als Gäste des Herzogs von Devonshire in dessen Wohnung Compton Place. Jn diesen Tagen gedachten Jhre Königlichen Hoheiten jedoh nah London zurückzukehren und dann Ende der Woche die geplante Reise nah dem Continent anzutreten.

Jn einigen Wochen stehen die Wahlen für den Londoner Grafschaftsrath bevor. Jm Stadtbezirk Oft Finsbury wird der „A. C.“ zufolge Lord Rosebery als Candidat auftreten, nahdem Capitän Sinclair seine Candidatur zu dessen Gunsten zurückgezogen hat.

Frankreich.

Von dem neuen Ministerium, dessen Zusammen- schung gestern mitgetheilt worden ist, gehörten Ribot, Nouvier, de Freycinet, Bourgeois,Develle und Jules Roche bereits dem Cabinet Freycinet an; vier Minister sind neu, nämlich der Minister-Präsident Loubet, der Marinec- Minister Cavaignac, der Minister der Justiz und der Culte Nicard und der Minister der öffentlichen Arbeiten Viette. Loubet hatte. bereits in dem Ministerium Tirard, das im Jahre 1887 gebildet wurde, das Portefeuille der öffentlichen Arbeiten; zuleht war er Vorsißender des Finanz- ausschusses des Senats. Was scine Stellung zur kirchlichen Frage anbetrifft, so hat er diese, wie die „Köln. Ztg.“ hervor- hebt, dahin erläutert, daß er einerseits das Concordat aufrecht- erhalten, andererseits aber niht mit dem Papst verhandeln wolle, da er einer auswärtigen Macht keinen Einfluß auf die inneren Angelegenheiten Frankreihs gestatten werde. Ricard wurde 1885 auf der Liste der Progressisten in dem Departement Seine-Jnférieure in die Kammer ge-

wählt und leitete dort den Verein der Linken. Cavaignac,

welcher Unter - Staatssecretär im Cabinet Brisson war, \ ge- hört dem linken Flügel der Gemäßigten an. Jn gus) Zeit ist sein Name öfter bei der Berathung des Budacts, für das er General-Berichterstatter war, genannt wor- den. Viette war sim Cabinet Floquet Ackerbau-Minister. Er ist stets für die Aufrechterhaltung des Cultusbudgets cin- getreten und soll erst neulih seine Stellung zur kirchlichen Frage dahin gekennzeichnet haben, daß er von Geistlichen vollständige Neutralität in politishen Dingen verlange. Gestern Nachmittag trat das Ministerium zusammen und beschäftigte sich, nah einer Meldung des „W. T. B.“, mit der Feststellung der Erklärung, welche am Donnerstag in den Kammern ver- lesen werden joll. ¿

Die Unterhandlungen zwishen Frankreich und den Vereinigten Staaten, über den Abshluß eines handelspolitishen Uebereinkommens, haben dem Ver- nehmen nach zu einem günstigen Abschluß geführt. Danach sichern die Vereinigten Staaten Frankreih für die Einfuhr gewisser Producte wie Zucker, Melasse, Häute u. f. w. Zollfreiheit zu. Frankreih gewährt den Vereinigten Staaten dagegen für verschiedene Producte von entsprehendem Werthe den Minimaltarif.

Bezüglich der Explosion vor dem Hotel der Prinzessin von Sagan siche die gestrige Nummer des „R.- u. St.-A.“ unter den nah Schluß der Redaction eingetroffenen Depeschen wird angenommen, daß sie als eine That der Anarchisten anzusehen sei. Man vermuthet, das Attentat fci eigentlich gegen die spanische Botschaft gerichtet gewesen, dic sich gegenwärtig auf dem „Boulevard de Courcelles“ befindet, in den meisten Adreßbüchern jedoch noch als in der Rue Saint- Dominique, in der nächsten Nähe des obengenannten Hotels befindlih verzeichnet steht. Von unterrichteter Seite wird übrigens versichert, daß bei der spanischen Botschaft kein Schreiben eingegangen sei, in dem ein Dynamit- Attentat gegen das spanische Botschaftshotel am Boulevard de Courcelles angekündigt worden wäre. Das Hotel sei aller- dings seit einigen Tagen einer Ueberwachung unterworfen worden, die Schußmaßregeln seien indessen spontan durch die Polizei-Präfectur ergriffen worden, niht aber auf Verlangen des Botschafters.

Türkei. l Jn der Vorstadt Scutari sind, wie man der „Magdb. Ztg.“ aus Konstantinopel meldet, fünf Bulgaren, die der Anstiftung zur Ermordung des bulgarischen diplomatischen Agenten Wulkowitsch verdächtig erscheinen, verhaftet worden. Die türkische Regierung hat eine Belohnung von 5000 Fr. auf die Ergreifung des Mörders ausgeseßt.

Serbien.

Die STUp\Q1in a erledigte Wie „W: G V. MmelveL, gestern die Gesezvorlage, betreffend eine Belgrader Stadt- anleihe von 3 Millionen. Jn Deputirtenkreisen wird an- genommen, daß die Ergänzung des Cabineis noch im Laufe dieser Woche erfolgen werde.

Amerika.

Der von der eng lishen Regierung vor dem obersten Gerichtshofe der Vereinigten Staaten angestrengte Proceß zur Entscheidung der Frage über die Gesezmäßigkeit der Beschlagnahme des canadischen Fahrzeugs „Sawyard ist, wie man dem „W. T. B.“ aus Wajhington berichtet, durch Urtheil des Gerichtshofs in Alasfka gestern definitiv beendet worden. Der Gerichtshof hat sein Uriheil zu Gunsten der Vereinigten Staaten gegenüber dem Verlangen Englands dahin abgegeben, daß der „Sawyard“ ein Robbenfänger gewesen und durch ein amerikanisches Kanonenboot im Berings-Meer mit Beschlag belegt worden sei. Nach einem weiteren Kabeltelegramm desselben Bureaus von heute Morgen, haben der englische Gesandte Pauncefote und der Staatssecreiär Blaine nun- mehr die Conv ention- unterzeichnet, nah welcher die Frage wegen des Nobbenfanges 1m Berings-Meer durch ein Schiedsgericht geregelt werden soll.

Affsien.

Der „Times“ wird aus Shanghai telegraphirt, daß die chinesishen Regierungstruppen bislang gegen die Nebellen im Norden Chinas wenig ausgerichtet hätten: leßtere seien in den Bergen in Sicherheit, und der Winter hindere die Operationen auf beiden Seiten. Sobald das Wetter gelinder werde, sei jedoch cine Erneuerung der Feind- seligkeiten bestimmt zu erwarten.

Afrika.

Aus Wady Halfa, vom 28. Februar, wird dem „Reuter- schen Bureau“ gemeldet:

Der Sirdar, General Sir Francis Grenfell ist auf seiner Besichtigungsreise hier eingetroffen. Ein großer Theil der Garnison leidet gleich dem General an der Influenza. Die Reiterei hat eine Recognoscirung bis nah Akasheh vorgenommen, ist aber auf feine Derwische gestoßen. Nur gestern ließ sih cine Patrouille von Derwischen bei den Ambigol-Brunnen sehen; wahrscheinlich wollten sie erfahren, weshalb eine so große Streitmacht dort concentrirt iît. Der Grund ift die Abhaltung von Uebungen, welche morgen (2%.) beginnen.

Nach in Paris eingegangenen Meldungen des „W. T. B.“ mache sih in der Umgegend von Tripolis infolge der Ent-

scheidungen des Sultans über die Organisation des,

Militärdienstes (ogl. Nr. 51 d. Bl.) eine gewisse Erregung bemerkbar. Der Bewegung werde jedoch keinerlei Bedeutung beigemessen.

Aus dem Congostaat ist nach der „Frkf. Ztg.“ in Brüssel die Nachricht von dem Tode des Grafen d'Urfel ein- getroffen, der vor vierzehn Monaten dorthin als Befehlshaber der Falls-Station mit dem Prinzen von Croy gereist war; er war ein Sohn des ehemaligen Gouverneurs der Provinz Hennegau.

Aus Pietermarißburg in Natal wird dem „R. B.“ berichtet : j

Der britische Colonial - Secretär Lord Knutsford hatte vor einiger Zeit Einwand erhoben gegen einige Bestiunmungen des Ver- fassungsentwurfs für Natal, wie er vom gesetzgebenden Rath genehmigt worden. Insbesondere verlangte er, daß das Parla- ment Natals aus zwei Häusern, anstatt eines bestehen solle. Der geseßgebende Rath der Colonie hat seitdem eine außerordentliche Tagung gehalten und jeßt einen amendirten Ver- fassungsentwurf angenommen. Sir J. Robinson und Mr. G. Sutton, beide Mitglieder des Raths, werden nun nah London reisen und im Namen des Raths mit Lord Knutsford über etwaige weitere strittige Punkte verhandeln.

Parlamentarishe Nachrichten.

Jn der heutigen (184.) Sizung des ReichS8tags, welcher

der Staatssecretär Hollmann und in der Hofloge Seine Königliche Hoheit der Prinz Felneis beiwohnten, wurde zunächst der Eingang einer Vorlage, betreffend die Ahb- änderung von Bestimmungen des Strafgeseß- buhs, des GerichtsverfassungsgeseßeS und des Gesches, betreffend die unter Auss{luß der Oeffentlichkeit stattfindenden GerichtSverhand- lungen, mitgetheilt und alsdann die gestern nicht zum Ab- {luß gelangte Verhandlung über das Extraordinarium des Marine- Etats im Reichshaushalts-Etat für 1892/93 ortgescßt. Î ges handelt sich um die erste Rate von 2 000000 zum Bau der Kreuzer-Corvette „K“, deren Abseßung die Budget -Commission dem Hause empfohlen hat und für deren Bewilligung gestern der Reichskanzler mit Nachdruck eingetreten war, während der conservative Nedner Abg. Hahn sofort, d. h. shon in zweiter Berathung, sih dazu bereit erklärte, und der Vertreter des Centrums, Abg. E von Ballestrem für seine Fraction die Sache bis zur dritten Lesung noh einmal zu überlegen versprach.

Heute erklärte der Abg. Freiherr von Stum m für seine Partei die Geneigtheit zur sofortigen Bewilligung, während die Abgg. von Vollmar (Soc.), Dr. Barth (dfr.) und Richter (dfr.) den gestrigen Widerspruch ihrer Fractionen mit derselben Begründung wiederholten. Schließlih wurde die erste Rate zum Bau Der Kreuzer- corvette „K“ dem Antrage der Budgetcommission gemäß ab- gelehnt, doch ist nah den gestrigen Erklärungen der Abgg. Graf von Ballestrem und Dr. von Bennigsen diese Abstimmung nur aks eine provisorische Entscheidung zu be- trachten, während die endgültige für die dritte Berathung vor- behalten bleibt. (Schluß des Berichts.)

Jn der heutigen (23.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister des Jnnern Herr- furth, der Justiz-Minisier Dr. von Schelling und der Minister für Landwirthschaft , Domänen und Forsten von Heyden beiwohnten, wurde die Berathung des Etats der Handels- und Gewerbeverwaltung fortgeseßt.

Bei den „Zuschüssen für Fortbildungsshulen 440 000 M“ bedauerte Abg. Schm1dt-Elberfeld (dfr.), daß für die Fort- bildungsschulen niht eine größere Summe ausgeworfen sei, denn die Fortbildungsschulen seien wichtiger für das Hand- werk als die Zwangsinnung und der Befähigungsnachioeis. Redner widersprah dann den Ausführungen des Abg. von Puttkamer-Plauth in der vorigen Sißung über das Handwerk und wünschte eine Nachweisung, wie sich die Zuschüsse für Fortbildungsshulen auf die einzelnen Provinzen vertheilten.

Unter - Staatssecretär Magdeburg entschuldigte zu- nächst die Abwesenheit des Ministers für Handel und Ge- werbe, und erklärte dann, eine Nachweisung Über die Ver- theilung der Zuschüsse nah Provinzen nicht geben zu können.

Die Position wurde bewilligt.

Bei der Position „Zur Errichtung und Unterhaltung der Fortbildungsshulen in den Provinzen Westpreußen und Posen 350 000 M“ fragte Abg. Shmidt-Elberfeld (dfr.), ob nicht Ersparnisse aus dieser Position für andere Fortbildungsschulen verwendet werden könnten, was der Unter-Staatssecretär Magdeburg für ctatsmäßig nicht zulässig erklärte.

Die Position wurde bewilligt.

Bei der Position „Zuschüsse zur Unterhaltung gewerb- licher Zeichen-, Baugewerks-, Webe- und anderer Fachshulen 748181 M! bat Abg. Schmidt- Elberfeld (dfr.) um die Gewährung der Pensionsberechtigung für die Directoren und Lehrer der Fachschulen. s

Abg. Pleß (Centr.) wünschte, daß die Regierung dem kleinen Handwerker helfe.

Die Abgg. vonPilg rim (freiconf.) und Schm i d t-Warburg (Centr.) bedauerten, daß die Baugewerksshulen zum Theil in kleinen Ortschaften lägen, welche die erforderlichen Zuschüsse für die Schulen nicht leisten könnten, wie z. B. Höxter.

Abg. Freiherr von Wackerbarth (conf.) empfahl die Verstärkung des Staatszuschusses für die Webeschule in Sorau.

Abg. Friederihs- Gummersbach (nl.) hielt die für den technishen Unterricht ausgeworfenen Mittel für viel zu knapp bemessen.

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Lüders erklärte, daß die Negierung das Mögliche für die Lehrer der Fachschulen thue, eine Verbesserung sei aber bisher durch Die unzuläng- L Mittel verhindert worden. Die Aufbringung eines Theils der Kosten durh die Gemeinden sei niht zu umgehen.

Abg. Conrad-Flatow (cons.) wünschte gleichfalls die Pensionsberechtigung der Directoren und Lehrer der Fach- \hulen und empfahl, die Kosten der Fahshulen fo zu ver- theilen, daß die Gemeinden die Gebäude und Deren Unter- haltung, der Staat die persönkichen Kosten leisteten.

Die Position wurde bewilligt. s

Bei der Position „Ausbildung von Kunst- und anderen Handwerkern 35000 s“ wünschte Abg. Goldschmidt (dfr.) eine staatliche Förderung der Glasbläsershule in Jlmenau.

Die Position wurde bewilligt.

Beim Dispositionsfonds zur Förderung des gewerblichen Unterrichtswesens empfahl Abg. Dr. Lotichius (b. k. F.) die Einrichtung von Schifferschulen.

Wirklicher Geheimer Ober-Regierungs-Rath v on Wendt erwiderte, daß sich die bestehenden Schiffershulen an der Elbe bewährt hätten und die Regierung die Angelegenheit z. B. für den Rhein weiter im Auge behalten werde. : :

Die Position und der Rest der dauernden Ausgaben wurden bewilligt. /

Bei den einmaligen Ausgaben beantragte die Budget- commission, die erste Rate von 150000 # zur Errichtung eines Dienstwohngebäudes für den Minister für Handel und Gewerbe zu streihen und die Regierung Zu ersuchen, nochmals in Erwägung zu nehmen, ob nicht das Dienstgebäude für den Handels-Minister in den Gärten des Dienstgebäudes des Königlihen Handels- und Staats- Ministeriums zu errichten jei.

Nachdem Unter-Staatssecretär Mag debur A für die Be- willigung der Forderung eingetreten war, beschloß das Haus dem Commissionsantrage gemäß.

Abg. Lückh off (freicons.) dankte der Regierung für die Einstellung einer Forderung für Errichtung einer Webeschule in Reichenbach.

Darauf wurden die einmaligen Ausgaben bewilligt. (Schluß des Blattes.)

__ In der Budgetcommission des Reichstags standen heute bie Einnahmen des Reichs an Zöllen, Verbrauchssteuern und Aversen zur Verhandlung. Die einzelnen Positionen der Zoll- einnahmen wurden genehmigt; ebenso die Einnahmen an Stempel - abgaben und der Etat des Allgemeinen Pensionsfonds. Damit sind die der Budgetcommission überwiesenen Positionen er- ledigt; {ließlich wurde auch das Etatsgeseß angenommen.

Die Wahlprüfungs-Commission des Reichstags beantragt, die Wahlen der Abgg. Hermes (Brandenburg) im 8. Wahl- kreise des Regierungsbezirks Potsdam und Graf von Arnim im zehnten Wahlkreise des Regierungsbezirks Liegniß für gültig zu erklären.

Die Volkss{chulgeseßcommission des Hauses der Abgeordneten fette, wie wir den Morgenblättern entnehmen, gestern die Berathung fort bei § 32 der Vorlage, welcher lautet : „Bestehen in einer Gemeinde (Gutsbezirk, Schulverband) mehrere Volksschulen, so können für die s{hulpflihtigen Kinder von der Kreis- (Stadt-) Schulbehörde nah Anhörung der Schulvorstände Schul - besuchsbezirfe eingerihtet werden.“ Abg. Rickert (dfr.) bean- tragte, statt „von der Kreis- (Stadt-) Schulbehörde“ zu fagen: „von dem Gemeinde- (Gutsverbands-) Vorstande“. Das Centrum dagegen {lug vor, dem § 32 folgende Säße anzufügen: „Dasselbe gilt sinngemäß, wo die mehreren Volksschulen ver- schiedene confessionele Verfassung haben, von einer Zu- weisung der Kinder an die einzelnen Schulen je nach der Verschiedenheit der Religionsgesellshaft, welcher fie angehören. Ausnahmen von der hierdurch festgestellten Ordnung des Schulbesuchs können von der Kreis- (Stadt-) Schulbehörde nah An- höôrung der betheiligten Schulvorstände zugelassen werden.“ Die Abgg. Dr. Enneccerus (nl.) und Shmieding (nl.) erklärten sich gegen den Centrumsantrag und erblicten darin einen neuen Versuch, die confessionellen Gegensäße zu vershärfen. Abg. Bartels (conf.) war für den Centrumsantrag, den er als eine Consequenz des Prin- civs ansah, daß die Schulen confessionell getrennt sein sollten. Staatê- Minister Graf Zedliß erklärte sih gegen beide Anträge, den des Centrums hielt er überhaupt für überflüssig. Auch die Abgg. Hanf en (nl.) und Wessel (freicon}.) erklärten sih gegen beide Anträge. Abg. Dr. Friedberg (nl.) beantragte, für den Fall der Ablehnung des Antrags Rickert, in der Regierungsvorlage statt „Kreis-Schulbehörde“ zu sagen „verstärkte Kreis-Schulbehörde“. Gegen diefen Antrag hatte der Staats-Minister Graf Zedliß nichts einzuwenden. Abg. Frhr. von Zedliß (freicons.): Der Antrag des Centrums bedeute, daß das den Eltern in § 11 gegebene Necht, ihre Kinder statt in die ein- flassige Schule ihrer Confession in eine mehbrklassige Schule einer anderen Confession shicken zu können, illuforisch gemacht werde. Er beantrage, dem § 32 folgenden Satz anzufügen: „Durch die Ein- rihtung von Schulkezirken wird das Recht der Eltern in Ge- mäßheit des § 11 nicht berührt.“ Abg. Dr. Enneccerus (nl.) trat dem Vorredner bei und betonte, daß auch der heutige Antrag des Centriuns, dem die Conservativen beistimmten, eine Verschärfung des confessionellen Princips bedeute. Abg. von Buch (cons.) erklärte nunmehr für den Antrag von Zedliy stimmen zu wollen; er und seine politischen Freunde behielten ih jedoch vor, in zweiter Lesung ihren Bedenken noch Rechnung zu tragen. Bei der Abstimmung wurde der Antrag Nickert gegen die Stimmen der Freisinnigen und Nationalliberalen abgelehnt. Der Antrag Friedberg wurde angenommen, ebenso der An- trag des Centrums und scchließlich auch, gegen dice Stimmen des Centrums, der Antrag von Zedliß. Die §S 33 (gastweise Zu- lassung von Scbulkindern, Fremdenschulgeld), 34 (Ordnung der Ber- mögensverbältnisse), 35 (Aufbringung der Kosten) pasfirten mit un- wesentlihen Abänderungen. § 36 lautet: „Die Erhebung eines Schulgeldes in den öffentlichen Volksschulen findet fortan nicht statt. Diese Vorschrift bezieht sh nicht auf das Fremdenschulgeld.“ Auf eine Anfrage des Abg. Seyffardt (nl.) bezüglich der Erhebung von Schulgeld in den sogenannten gehobenen Schulen bemerkte der Geheime Ober-Regierungs-Rath von Bremen, daß die gehobenen Schulen, infofern die städtishen Behörden sie als „Volksschulen“ anerkennten, und insofern sie den Staatszuschuß erhielten, kein Schul- geld erheben dürften; dagegen dürften gehobene Schulen, welche neben „Volksschulen“ beständen, au weiter noch Schulgeld erheben. Abg. Dr. Kropats\check (cons.) sprach die Meinung aus, daß nach Inkrafttreten dieses Gesetzes solhe gehobenen Schulen, die nicht als Bolksshulen anerkannt würden, überhauvt keinen Staatszuschuß be- ziehen dürften. Staats-Minister Graf Zedlitz wies auf eine Reihe von Volksschulen hin, welche zwar obere Klassen aufgeseßt, dadurch aber niht den Charakter der Volksschule und also auch nicht den Staatszushuß verloren hätten. Leßterer werde jedoch nicht für die aufgeseßten oberen Klassen gegeben. Abg. Freiherr von Zedliß: Wo Schulgeld erhoben werde, dürften Staatszuschüsse nicht gegeben werden. Es sei zweifellos, daß die Bestimmungen über die Erleichterung der Volksschullasten von 1887/88 keine Bedeutung mehr haben würden, sobald das neue Gesetz in Kraft getreten sei. Abg. Dr. Enneccerus (nl.) war der Meinung, daß Schulen, welche über das Maß von Leistungen der Volkss{ule hinausgingen, deshalb den Staatszuschuß nit verlieren dürften. Abg. Seyffardt (nl.) erklärte sih damit einverstanden und behielt sich für die zweite Lesung vor, völlige Klarheit über diesen Punkt zu schaffen, sobald die Commission im Besiß des vom Minister versprochenen Materials für gehobene Schulen sein werde. § 36 wurde darauf angenommen. § 37 lautet : „In den bürgerlihen Gemeinden werden die Schullasten wie die Kosten der allgemeinen Communalverwaltung aufgebracht.“ Abg. Dr. Friedberg (nl.) bemerkte, daß nah seiner Ansiht nur die Personalsteuern zu den Schullasten herangezogen werden dürften. § 37 werde besser ge- strichen. Es sei nicht Aufgabe des Schulgesetßes, diese Materie zu regeln. Staats-Minister Graf Zedlitz: Eine besondere Schulsteuer jolle nicht erhoben werden, man möge aber den Gemeinden eine gewisse Latitude gewähren, den Maßstab für die Erhebung der Schullasten im einzelnen Falle zu firiren. Abg. Wessel (freicons.): Wenn die Unterhaltung der Schulen auf die politishe Gemeinde übergehe, fo fei ein besonderer Aufbringungsmodus für die Schullast als Communal- last niht angänglih. In welchem Rahmen dann die Aufbringung erfolgen müsse, bestimme die Landgemeindeordnung oder die Städte- ordnung. Nach der Landgemeindeordnung sei die in Vorschlag ge- brachte einseitige Heranziehung der Perfonalsteuer zu dem Plus der Sqhullasten unzulässig. Abg. Dr. Enneccerus (nl.): Es gebe eine Reibe von Gemeinden, welche nicht allein keine Communalsteuern erhöben, sondern noch Ueberschüffe hätten. Solche Gemeinden müßten nah § 37 troßdem Steuern erheben. Besser sei zu sagen: „In den bürgerlihen Gemeinden bilden die Schullasten einen Theil der Lasten der Communalverwaltung.“ Er stelle diesen Antrag. Der Antrag wurde abgelehnt, § 37 in der Fassung der Vorlage an- genommen. § 38 (In Gutsbezirken hat der Besißer des Guts die Sqhullasten gleich den Gemeinden zu tragen) wurde ohne Debatte angenommen. § 39 lautet: „Steht der Gutsbezirk nicht aussließ- lich im Eigenthum des Gutsbesitzers, so kann auf dessen Antrag ein Statut erlassen werden, welches die Aufbringung der Kosten in dem Gutsbezirk unter Heranziehung der in den nicht im Eigenthum des Gutsbesitzers stehenden Theilen des Gutsbezirks vorhandenen Grund- R Einwohner, juristischenPersonen, Actiengesellschaften,Commandit- gefellshaften auf Äctien, Berggewerkschaften und eingetragenen Ge- nossenschaften, deren Geschäftsbetrieb über den Kreis ihrer Mit- glieder hinausgeht, sowie die Betheiligung derselben an der Ver- waltung der Schulangelegenheiten regelt. Abs. 2: Das Statut, welches binsichtlih der Regelung der Beitragspflicht den geseßlichen Bestimmungen über die Vertheilung der Gemeindelasten in den länd- lien Gemeinden folgen muß, unterliegt der Bestätigung durch den Kreisauëshuß. Abs. 3: Die Vertheilung, Ausfchreibung und Einziehung der Abgaben liegt dem Vorsteher des Gutsbezirks ob.“ Die Fretconservativen beantragten, in Abs. 1 statt „kann“ zu sagen „muß“. Abg. Dr. Ritter (freicons.) konnte nicht einsehen, warum im Gegensaß zu § 8 des Unterstüßungswohnsitgeseßzes nur facultativ eine statutarische Einrichtung fetroffen werden folle. Er hielt dies für eine Härte, welche der freiconservative Antrag beseitigen wolle.

Die Abgg. Hansen (freicons.) und Freiherr von Zedliß (freiconf.) traten diesen Ausführungen bei. Der Vertreter des Ministers des Innern. Landrath Dr. Kruse bat, den Antrag abzulehnen. Abg. Sreiherr von Zedliß (freiconf.) beantragte nunmehr, den Be- \chluß über Abf\. 1 vorläufig auszuseßen. Dieser Antrag wurde angenommen. Abs. 2? wurde mit dem Amendement des Abg. Bartels (conf.) angenommen, hinter „Bestätigung“ anzufügen „bezw. Festseßzung“. Abs. 3 blicb unverändert. § 40 (Aufbringung der Schullasten in Schulverbänden) wurde nach Ablehnung eines frei- sinnigen, bezw. nationalliberalen Antrags in der Fassung der Vorlage angenommen. Die Commission vertagte sih sodann bis Mittwoch.

Kunst und Wissenschaft.

Der Verein für deutshes Kunstgewerbe wird seine lehrreihen Vorträge und Ausstellungen künftig im großen Saale des Architektenhauses abhalten, da der bisherige Versammlungsraum für den zahlreichen Besuch niht mehr ausreiht. Die Fachabende für die Bronzeindustrie, für Buchbinderet und Schmiedeeisen, welche für die nächsten Sitßungen in Aussicht genommen sind, werden viele neue Erzeugnisse des hiesigen und auswärtigen Kunstgewerbes vorführen. Für den April ist eine Ausstellun moderner englischer Kunstindustrie beabsichtigt, in welWer Erzeugnisse der verschiedenen Gewerbe, Möbel, Metallarbeiten, Stoffe u. a. vorgeführt werden sollen. Näheres über die einzelnen Sißungen ist bei dem Schriftführer des Vereins (im Kunstgewerbe-Museum) zu erfahren.

Literatur.

Militärisches.

Moltke's Militärishe Werke. I. Militärische Cor- resvondenz. Erster Theil. Krieg 1864. Herausgegeben vom Großen Generalstabe, Abtheilung für Kriegsgeschichte. Mit einer Uebersichtsfarte und zwei Handzeichhnungen des Generals von Moltke. 5 4, in Original-Halblederband 6,60 . E. S. Mittler u. Sobn, Königliche Hofbuchhandlung, Berlin SW 12, Kochstraße 68—70. „In dankbarer Verehrung für seinen unvergeßlichen Leiter und Lehrer“, beginnt der Generalstab soeben die Herausgabe der ‘-,Militärischen Werke des General-Feldmarschalls Grafen von Moltke“ und zwar mit Beröffentlihung der „Militärischen Correspondenz über

Den Deuts[MW-danisdWen Krieg vor 1864. Die Deo tung dieses Werkes liegt zunähst darin, daß es uns in die Leitung und Entwickelung der kriegerischen Ereignisse einen fo tiefen

und vollständigen Einblick verschafft, wie ihn die Litcratur noch nie- mals über eine erst fürzlich abges{lossene Periode der vaterländischen Geschichte dargeboten hat, insbesondere aber darin, daß wir die ztel- bewußte und unermüdliche, weitumfafsende Thätigkeit des Chefs des Generalstabs fennen lernen, der in der mehrfach geheminten und wechselnden Kriegslage stets das Rechte und Ganze im Auge behalten und- gefördert hat. Es werden 146 Schriftstüke und zwei Skizzen (Handzeichnungen) des General-Feldmarschalls von Moltke abgedruckt. Ihre Durchsicht verseßt uns fo unmittelbar, wie es keine Geschichts- darstellung vermag, in das Zeitalter der deutschen Erhebung, in das- jenige ihrer ersten unaufhaltsamen Negungen, zugleich aber auch in die Epoche der ersten Bethätigung von Moltke's großem Feldhercn- genie. In beiderlei Sinne werden das deutsche Volk und Heer dieses Werk würdigen. /

Land- und Forstwirthschaft.

Stand der Saaten.

Im Regierungsbezirk Köslin haben sih die Wintersaaten bei

der günstigen Witterung fast durchweg und kräftig bestockt: sie zeige: einen üppigen Stand und berechtigen, vorausgeseßt, daß sie auch fernerhin gut durch den Winter kommen, zu den besten Hoffnungen. Die frischen Kleeschläge haben eine gute Herbstweide gegeben und find vollauf gedeckt. Die im November herrschende milde und feuchte Witterung ift au im Regierungsbezirk Stettin der Entwickelung der Saaten fehr förderlich gewesen, zum theil haben sie ein fast zu üppiges WachE- thum gezeigt. Während des andauernden Frostes im Januar waren fie durch eine ausreichende Schneedecke ges{chüßt; ihr Stand kann bis jeßt als recht befriedigend bezeichnet werden.

Auch in der. Provinz Hannover sind die Ernteaussichten für

das Jahr 1892 günstige. Infolge des warmen Herbstes und der lang andauernden warmen Witterung sind die Saaten durchweg vorzüglich gegrünt. Die Gefahr einer zu üppigen Entfaltung, namentlih der srühbestellten Felder, ist durch den Ende Dezember v. J. eingetretenen Schneefall beseitigt worden. E ____ Im Regierungsbezirk Stade ist die Bestellung aller Winter- saaten vorzüglich von statten gegangen. Infolge milden Ofktober- Wetters haben sich die Saaten ausgezeichnet, ja stellenweise so üpvig entwidelt, daß das gegen Weihnachten eingetretene mäßige Frostwetter mit Freuden begrüßt wurde, weil damals die zu stark beseßten Felder mit den Schafen abgewecidet werden konnten. Das Vieh ist durch- weg gut genährt auf den Stall gekommen, und Futter ist für dasfelbe infolge des sehr lang ausgedehnten Weideganges reichlich vorhanden. _ Aus dem Regierungsbezirk Köln wird berichtet : Die Wintersaat ist bei der günstigen Witterung in dem größeren Theile des Bezirks zeitig in den Boden- gekommen und hat sich bei dem im allgemeinen günstigen Wetter gut und kräftig entwielt, sodaß ihr auch der Mitte Dezember eingetretene starke Frost nicht geschadet hat. Der Stand der Saaten ist hiernach im ganzen Bezirke ein guter, stellenweise ein sehr guter.

Ebenso haben \sich im Regierungsbezirk Trier die Saaten allenthalben vorzüglih entwickelt; der Frost hat ihnen, obwohl die shüßende Schneedecke fehlte, bis jeßt noch feinen nennenswerthen Schaden zugefügt. Auch die Klee- und Kleegras-Saaten stehen {chön.

An der Universität Halle studiren im laufenden Winter- Semester nah dem amtlichen Personalverzeihniß mit Einschluß der nachträglich Immatriculirten und Hospitanten 268 Landwirthe von Beruf. Hiervon gehören an dem Königreich Preußen 126, und zwar der Provinz Sachsen 46, Provinz Hannover 14, Pro- vinz Hessen-Nassau 11, Provinz Schlesien 10, Provinz Posen 9, Pro- vinz Brandenburg 8, Provinz Pommern 6, Provinz Ditpreußen 5, Provinz Schleswig-Holstein 5, Provinz Westfalen 5, der Nhein- provinz 5, Provinz Westpreußen 2: ferner dem Königreich Sachsen 11, Anhalt 10, Braunschweig und Mecklenburg-Schwerin je 7, Hessen 6, Bayern, Hamburg, Lippe-Detmold, Sachsen-Altenburg und Sachfen- Weimar je 3, Baden, Bremen und Oldenburg je 2, Lübe, Meklenburg-Strelitz, Reuß jüngerer Linie, Sachsen - Meiningen und Württemberg je 1, Nußland 33, Oesterreih-Ungarn 27, Niederlande und Schwe1z je 3, Schweden-Norwegen und Türkei je 2, Däne- mark und Frankreich je 1, Japan 3, zusammen 268.

Theater und Musik.

E Betltner Tbeater.

Gestern Abend sctte Herr H. Gregor fein Gastspiel als Arnold von Melchthal in Schiller's „Tell“ fort; diese Rolle scheint dem Darsteller nicht fo glücklih zu liegen wie der Ferdinand, denn er vermochte den günstigen Eindruck, den er mit der ersten Rolle hervorgebracht hatte, niht zu verstärken. Dem Streben, den freien Sohn der Berge, den Hirtenjüngling . mit realistisher Natür- lichkeit in der Sprehweise wiederzugeben , widerseßt sich die edle, formvollendete Sprache Schiller’s: jede Silbe muß klar ins Ohr gelangen, wenn die {öne Wirkung nicht verfehlt werden foll. Die drängende Hast nah Natürlichkeit des Ausdrucks verleitete den Darsteller mehrmals zu einer Schnelligkeit des Sprechens, die der Klarheit und Deutlichkeit des Vortrages gefährlih wurde; eine kraft- volle Empfindung muß man ihm aber auch nach dieser Probe seines Könnens zusprechen. Herr Krauß neck erfreute als Tell durch die

Schlichtheit des Spiels, durch die starke Betonung der warmquellenden