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Stolp. Ih empfehle nämentlih die leßterwähnte Angelegenheit SJhrer cingehenden Würdigung. Diese Art von Eisenbahnen unter- Feordneter Bedeutung sind allem Anscheine nach dazu bestimmt, in Zukunft für unser Verkehrsleben eine erheblihe Bedeutung zu erlangen, und es verdient daher alle Anerkennung, daß Pommersche Kreise fich dazu, ents{ließen wollen, der Provinz auf diesem Gebiete mit ihrem Beispiele voranzugeben. 2
Die Ausführung des am 1. April 1893 in Kraft tretenden Ge- setzes vom 11. Juli 1891, die außerordentliche Armenlast betreffend, mat den Erlaß cines Reglements von Seiten der Provinz nöthig. Der Entwurf eines solchen wird Ihnen zur Prüfung und Genchmigung vo at werden. O L Senäßkeit des § 105b der Novelle zur Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891 steht den weiteren Communalverbänden die Befugniß zu, die für die verschiedenen Arten des Handelsgewerbes festgesezte Dauer der Sonntagsruhe angemessen zu verkürzen. Sie werden sich darüber s{lüssig zu machen haben, ob und in welchem Umfang Sie für den Bereich unserer Provinz von diefer Befugniß Gebrau machen wollen. i; E i e Die Königliche Staatsregierung ersucht Sie endlich um Ihr Gutachten darüber, ob es angezeigt erscheint, auf die bereits dem vor-- maligen 14. Provinziallandtag im Jahre 1861 zur Erwägung ge- stellte, von diesem jedoch abgelehnte Einführung des auf die Megu- lirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse bezüglichen Ab- schnitts des Geseßes vom 2. März 1850 in Neuvorpommern und Nügen zurückzukommen. i: / e
Die Finanzen der Provinz befinden sich dank einer umsichtigen Verwaltung in guter Ordnung. Sie werden sih die Prüfung und Feststellung des Provinzialhaushalts-Ctats für das Iahr 1592/93 unter Festhaltung an den bewährten Grundfäßen der Wirthschaftlich- feit angelegen fein lassen. f j
Indem ih Sie, geehrte Herren, einlade, in Ihre Arbeiten ein- zutreten, erfläre ich im Namen Seiner Majestät des Kaisers und
Königs den 18. Provinziallandtag für eröffnet.
Unter dem Vorsiß des Alterspräsidenten, Bürgermeisters Hinze aus Ueckermünde, brachte die Versammlung zunächst ein begeistertes Hoh auf Seine Majestät den Kaiser und König aus und wählte sodann den Wirklichen Geheimen Nath von Köller-Cantreck zum Vorsißzenden, den Ober- Bürgermeister Hake n-Stettin zum Stellvertreter des Vor- sißenden, die beide die Wahl annahmen. Nach Wahl der Schriftführer und Feststellung der anwesenden Mitglieder durh Namensaufruf erfolgte die Bildung der Abtheilungen, die Mittheilung des Vorsitzenden über die vorliegenden Ge- ichäftssachen sowie deren Vertheilung und hierauf die Ver- tagung der Sißung bis 2 Uhr. :
Nach Wiederaufnahme der Sizung wurden Wahlprüfungen vorgenommen.
Bayern.
München, 9. März. Seine Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Erzherzog Albrecht ist nah einer Meldung des -W. T. B.“ heute früh nach Stuttgart abgereist, gedenkt daselbst drei Tage zu verweilen und dann nah Wien zurük- Aurehren. i:
Die Kammer der Abgeordneten erledigte gestern den zweiten Theil des Cultus-Etats. Sämmtliche Bau- forderungen wurden genehmigt. Der Finanzaus\chuß be- rieth in seiner gestrigen Sißung das Kapitel „directe Steuern“ und ging über die Petition auf Herabseßung der Mieths\teuer zur Tagesordnung über. Der-Finanz-Minister erklärte, er halte an dem bisherigen Saß von 3,85 Proc. fest ; eine Abänderung dieses Procentsayes würde eine gesammte Nevision der Staatssteuern involviren. Eine derartige Nevision sei jedoch nohch nicht spruchreif, obschon einzelne Härten auf dem Lande niht geleugnet werden könnten. Die im Ausschuß erwähnte Einführung einer “ progressiven Ein- fommensteuer finde bis jeßt niht ungetheilten Beifall, deren Durchführung würde (br schwierig sein. Der Ausschuß be- willigte die Gewerbesteuer mit 6508000 s (200 000 6 höher als die Negicrungsvorlage), ferner die Kapitalrenten- steuer mit 4170000 M und fodann die übrigen Staats-
“teuern im Gesammtbetrage von 29 701 000 6
Sachsen.
Dresden, 8. März. Jn der heutigen Sißung der Zweiten Kammer gelangte, wie das „Dr. J.“ berichtet, zunächst die Vorlage über mehrere Eisenbahnangelegen- heiten (Bau der Eisenbahnen Chemnizg—Würschnißthal—Stoll- berg und Löbau—Weißenberg, Grunderwerb zur Erweitcrung der Chemnißer Bahnanlagen, Ermächtigung der Staats- regierung zum Anfauf der Linie Meufelwiß—Ronn burg) zur allgemeinen E Nachdem die ersten drei Projecte durh die Vertreter der betreffenden Wahlkreise befürwortet worden waren, wurde die Vorlage der Finanzdeputation B überwiesen. Auf Antrag der Finanzdeputation B wurde der Unter Ul 1 d. „aUPexovodentliGen Staatshaushalts-Etats für Erbauung cines Verkehrs- und Winterhafens im Ostragchege bei Dresden ein- gestellte Betrag von 7 450000 A bewilligt. Den Anträgen der Finanz-Deputation A entsprechend, ertheilte die Kammer den Gesechentwürfen über Pensi onserhöhungen für Civilstaatsdiener, Geistlihe, Lehrer und deren Hinterlassene mit nur redactionellen Aenderungen ihre Zustimmung und bewilligte Kap. 107 bis 109 des Staats- haushalts-Etats (Wartegelder, Pensionen 2c.) nach der Regie- rungsvorlage. Bezüglich der vom Landtags-Ausshuß zur Ver- waltung der Staatsschulden auf die Jahre 1888 und 1889 abgelegten Rechnungen trat die Kammer auf Antrag der Nechenschafts-Deputation dem Beschluß der Ersten Kammer bei, dem Ausschuß Entlastung zu ertheilen.
Vaden.
Karlsruhe, 8. März. Von Jhrer Königlichen Hoheit der Kronprinzessin von Schweden und Norwegen find, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, bei Jhren Königlichen Hoheiten dem Großherzog und der Großherzogin wiederum sehr befriedigende Nachrichten eingetroffen. Die Kronprinzessin verweilt feit vorgestern in Luxor und gedenkt noch einige Zeit daselbst zu verbleiben.
Die Zweite Kammer beschloß in ihrer gestrigen Sitzung, cine Petition der Handelskammer in Freiburg um Weiter- führung der Höllenthalbahn von Neustadt nah Hüfingen bez. Donaueschingen der Regierung empfehlend zu überweisen.
Hefsen. _ Darmstadt, 9. März. Nach einem gestern Abend um 6 Uhr ausgegebenen Bulletin hatte sih das Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs im Laufe des Tages nicht verschlimmert. Trotz des hochgradig erschwerten Schluckens war es gelungen, dem Patienten etwas flüssige Nahrung ein- zuflößen. Wie das heute früh ausgegebene Bulletin meldet, ist das Befinden Seiner Königlichen Hoheit unverändert. Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog is vor- gestern Abend aus Nizza hier eingetroffen.
Reuß j. L.
Gera, 8. März. Dem Landtag find nah der „Ger. Ztg.“ unter anderen folgende Vorlagen zugegangen, die zum theil bereits in der Teutigen Sißung in erster Lesung erledigt wurden: über die Gewährung von Entschädigung für infolge von Milzbrand gefallene und getödtete Thiere, über die Bewilligung von 210000 A für den Neubau cines Haupt-Steueramts- und Niederlagegebäudes und Zu- stimmung zu dem Verkauf des alten Grundstücks für 840009 A an den Königlih preußishen Eisenbahnsiscus ; sowie über die Bewilligung von 300 000 # für den Um- und Neubau der Justizgebäude in Gera. Außerdem gingen den “ Landtags - Abgeordneten der Rechenschaftsberiht des Ministeriums auf die Finanzperiode 1887 bis 1889 und der Bericht des Landtagsausschusses über diesen Rechenschaftsbericht und die Prüfung der Haupt-Staatskassenrehnungen auf diese Jahre zu.
Elsaß-Lothringen.
Straßburg, 8. März. Der Landesausshuß nahm heute in zweiter Lesung den Geseßentwurf über die Neform der Grund- und Gebäudesteuer mit großer Mchr- heit an.
Oesterreich-Ungarn.
Im niederösterreihishen Landtage erklärte dem „W. T. B.“ zufolge gestern der Statthalter Graf Kiel- mannsegg, dur Aufschub der parlamentarishen Erledigung der Gesezentwürfe für die Wiener Verkehrsanlagen sei feine Verzögerung im Beginn des Baues eingetreten. Die Vorarbeiten seien im vollen Zuge, die Fertigstellung des Ge- sammtentwurfs der Stadtbahn jei Ende dieses Monats zu er- warten. Die Arbeitslosigkeit in Wien, wie sie in diesem Jahre durch den milden und shneelosen Winter mitverschuldet worden, sei in den kommenden Jahren durch die Vertheilung der Wiener Verkehrsarbeiten auf mehrere Bauperioden un- möglich. — : ;
Jn der gestrigen Sißung des ungarischen Unterhauses begründete der Abg. Eötvös den Adreßentwurf der Unabhängigen, wies auf die fortwährenden Rüstungen hin, die zum Ruin des Wohlstandes der Völker führten, und drückte dabei den Wunsch aus, daß der KönigvonUngarn, ge- stügt auf seine mächtigen und treuen Verbündeten, dieJnitiative zur friedlihen Beseitigung dieses Zustandes er- greifen möge. Die Treue und Anhänglichkeit seiner Völker und die Verehrung der übrigen Monarchen machten den König von Ungarn zu der berufenen Persönlichkeit für diese Misston. i:
In Wien und Pest haben gestern die Berathungen der Valuta-Enquête-Commissionen ihren Anfang genommen. Es liegen darüber folgende Mittheilungen des „W. T. B.“ vor:
In der österrei chischen Commission, über deren Eröffnung durch den Finanz-Minister Dr. Steinbach bereits in der gestrigen Nummer des „N. u. St.-A.“ unter den nach Schluß der Redaction eingetroffenen Depeschen berichtet ift, erklärte bei der weiteren Be- rathung der Finanz-Minister auf eine an ihn gerichtete Anfrage, daß den Mitgliedern der Commission die wieerßolie Abgabe von Erklärungen zustehe, die Vornahme von Abstimmungen jedo nicht beabsichtigt sei. Die Exrperten, Director des „Bankvereins“, Bauer, und Benedict, Herausgeber der „Neuen freien Presse“, er- flärten fic hierauf für die reine Goldwährung, für deren Ein- führung ernstlihe Hindernisse nicht beständen ; beide Experten sprachen 11ch ferner für die Beibehaltung des Silbercourantgeldes auf cine gegebene Zeit, sowie aus ftaatsfinanziellen Gründen für die Ausgabe von Staatskassenscheinen im Höchstbetrage von 100 Millionen aus, wobei, Bauer eva den; vierten Theil in Eingulden-Noten, Benedict die Gesammtsumme in Fünfgulden- Noten ausgegeben wissen wollte. Bezüglich der Ümrechnung erklärten #\ch beide Experten gegen die Durchschnittsberelznung, Director Bauer hielt die Festhaltung des Augenblicks der Durchführung, nämlih den derzeitigen Stand der Wechselcurse für am geeignetsten, während Benedict für einen Um- rechnungscurs auf Grundlage der Valutacurse eintrat. Beide Experten erklärten sich endlich mit der Beibehaltung des Guldens als Münzein heit?einverstanden. Benedict würde eventuell einer Halb- guldenmünze mit der Bezeichnung Krone zustimmen.
Die Berathungen der ungarischen Commission wurden gestern unter Anwesenheit sämmtlicher Experten durh den Finanz- Minister Dr. Wekerle persönlih eröffnet. Der Minister äußerte in seiner Eröffnungsrede, daß die Wichtigkeit, die der Frage der Valutaregelung innewohne, wie die Wirkung, die geregelte Währungs- verhältnisse auf die ganze Volkswirthschaft ausübten, in der öffent- lihen Meinung das Gefühl von der Nothwendigkeit einer möglichst baldigen Regelung gezeitigt hätten. An die Lösung der Aufgaben, der Aufnahme der Baarzahlungen und der Regelung der Sihung, könne das Land mit Vertrauen gehen, da feine finanzielle wie wirth- schaftlihe Situation es hierzu befähigten. Hierauf sprachen mehrere Mitglieder der Commission, darunter der frühere Finanz - Minister Szell, der frühere Staatssecretär Hyronymi, der Staatssecretär des Handels-Ministeriums Lu kacs®, der Präsident der Handelskammer Wahrmann u. a. Bezüglich der ersten Frage äußerten die Erperten einstimmig, daß gegenwärtig an, cine andere als die Gold- währung in mehr oder minder reiner Form nicht gedacht werden fönne. Was die Stellung des Silbers îin der neuen Währung betrifft, so konnte Hebéreintuna der Ansichten nach der Richtung constatirt werden, daß allerseits dem Silber in der neuen Währung cine bedeutende Stellung zugedaht wurde. Ein Theil der Experten wollte jedo das Silber nur als Scheidemünze und Courant- geld gelten lasscn. Die Menge des als Courant- und Scheidemünze zusammen verwendbaren Silbers wurde auf 120 bis 150 Millionen angenommen. Die Zulässigkeit der Staatsnoten hielt ein Theil der Experten für absolut unzulässig, während der andere Theil ein contingentirtes mäßiges Quantum be- lassen wollte. Als Grundsatz bei der Feststellung der Relation welche auf legislativem Wege zu erfolgen hätte, foll in erster Linie der Werth des heutigen Guldens österreihisher Wäh- rung zum Zeitpunkt des Uebergangs als Basis genommen werden; jedoch wäre als Correctiv der Durchschnitt der Valutacurse in ciner längeren oder fürzen Neihe von Jahren zu benußen. Die Mün z- einheit wäre kleiner als die jeyige festzuseßen. Die meisten Erperten waren für die Hälfte der jeßigen Einheit; es machten s N auch Stimmen für Beibehaltung der bestehenden Einheit geltend.
Großbritannien und Frland.
Wie dem „Neutershen Bureau“ aus Mentone gemeldet wird, erwartet man daselbst, daß der Prinz und die Prinzessin von Wales nebst ihren Kindern, dem Prinzen (Seorge und den Prinzessinnen Victoria und Maud, am 10. März in Cap Martin, unweit der Stadt, eintreffen werden. Jhre Königlichen Hoheiten werden, wie es in der Meldung heißt, incognito unter dem Namen eines Grafen und einer Gräfin von Chester reisen und auch während ihres Aufenthalts in Süd-Frankreich dieses Jncognito bewahren.
Das Unterhaus hat am Montag die Berathung des Armee-Budg ets begonnen. Jm Laufe der Debatte erhob der Deputirte Hanbury nah dem Bericht der „A. C.“ Ve- {werde darüber, daß die erzielten Resultate in zu geringem Verhältniß zu den Kosten der Armee ständen. Die britische Armce koste jährlich mehrere Millionen mehr als die weit größere französische und deutsche. Sie sei niht homogen, die verschiedenen Waffengattungen stünden niht in dem richtigen Verhältniß und die Truppen wären niht gleichmäßig bewaffnet. Auch könne die Armee, da sie niht in Armee-Corps eingetheilt sei, nicht {nell genug mo- bilifirt werden. Der von der Untersuchungscommission unter dem Vorsiß des Lord Wantage erstattete Bericht zeige, daß die vor 20 Jahren begonnene Organisation niemals durchgeführt worden sei. Das jehige Kriegs-Ministerium habe sein bestes gethan, aber das gesammte System müsse geändert werden. Jn ähnlicher Weise äußerte sich Major Ras ch (cons.). Campbell-Bannermann (lib.) meinte, es sei nicht zulässig, die Kosten der britishen Armee mit denen anderer Armeen zu vergleihen. Eine Zdealarmee sei in England unmöglich, dazu herrshten in England zu viele Vorurtheile. Die Vorschläge Lord Wantage's seien mit Vorsicht aufzunehmen. Hierauf gelangten die einzelnen Posten des Budgets zur Verhandlung. Den Posten „154 073 Mannschaften für die Landarmee“ erläuterte der Kriegs-Minister in längerer Rede. Er habe sich, so sagte er, bemüht, die Ausgaben möglichst einzuschränken, viel lasse sih aber nah der Richtung mcht thun. Jn Jndien und den Colonien ständen jeßt 103 000 Mann, während die Truppen im Vereinigten Königreich 106 009 Mann zählten. Die Reserve werde im April 80 000 Mann stark sein, und außerdem gebe es noch die Milizreserve. Seit 1886 sei die Armee um 2000 und die Reserve um 24000 Mann vermehrt worden. Die gesammte Armee führe jeßt moderne Waffen. Die Freiwilligen besäßen eine gute Organisation und Ausrüstung; jederzeit fönnten sie nah bedrohten Punkten des Jnlandes geschickt werden. Die Befestigung der Kohlenstationen sei vollendet; es seien zur Zeit mehr Kanonen da, als gebrauht würden. Für die Vertheidigung Londons und die Häfen seien alle Vorberei: tungen getroffen.
Der Vertrag, welchen die Britisch-ostafrikanische Gesellschaft mit dem Könige von Uganda geschlossen hat, ist, wie der Parlaments-Secretär des Auswärtigen Amts. in der gestrigen Sizung des Unterhauses mittheilte, von der britischen Regierung anerkannt worden.
Zu dem Siege der Gladstonianischen Partei bei den Londoner Grafschaftswahlen hat, wie die „A. C.“ schreibt, nichts so sehr beigetragen, wie der Umstand, daß der Wahltag ein Sonnabend war. Jn England hat die Mehrzahl der Arbeiter an dem Tage cinen halben Feiertag; um 2 Uhr ruht die Arbeit. Troy der kalten rauhen Witterung haben im Durchschuitt 50 bis 75 Proc. aller berechtigten Wähler gestimmt. Von allen Candidaten hat niemand außer Lord Rosebery eine so große Mazorität von Stimmen erhalten als der bekannte Arbeiterführer John Burns in dem Stadtbezirk Battersea. Als besondere Vertreter der organisirten Arbeiter- schaft, nämlih der Gewerkvereine, sind außer Burns sieben gewählt worden. Die abgegebenen socialistishen Stimmen sind, wie zu erwarten stand, micht shwer in die Waagschale gefallen. Die beiden Socialisten Yallop und Davis erhielten im Bezirk St. Pancras nur etwa je 500 Stimmen; Quelh und Geard brachten es in Chelsea nur auf je 300 Stimmen. Die beiden Socialisten Webb und Henderson sind in den Graf- shaftsrath gewählt worden, aber nur deshalb, weil sie von der Fortschrittspartei auf den Schild gehoben wurden; ihr socialistisher Anhang allein hätte ihnen nimmermehr zum Siege verholfen. Die sogenannten „unabhängigen“ Candidaten,
die den Mantel nach beiden Seiten trugen, haben gründliches.
Fiasco gemacht.
Das Schlachtschiff erster Klasse „Sanspareil“ segelte am Montag Abend von Portsmouth nach Malta. Es soll das an der griechishen Küste kürzlich gestrandete Panzerschiff „Victoria“ e und Flaggenschiff des Ober-Befehlshabers des Mittelmeergeshwaders, Sir George Tryon's, werden.
Frankreich.
Wie dem „W. T. B.“ zufolge in Paris verlautct, würde der Deputirte des Departements Gard Jamais zum Unter-Staatsfecretär der Kolonien ernannt werden.
Der Budgetentwurf für 1893 ist gestern von dem Ministexath genehmigt worden. Er enthält eine Re- form der Getränkesteuer, die Aufhebung der \speciellen Budgets, die Aufnahme eines ststän- digen Amortisationsfonds in das Budget, sowie diejenigen Maßnahmen, welhe zur Nückerstattung von 163 Millionen im Jahre 1893 fälliger sechsjähriger Obligationen erforderlich sind.
Die in dem Budgetentwurf erwähnte Reform der Getränkesteuer sieht, wie verlautet, die Aufhebung der Besteuerung des Ausschanks von Getränken sowie eine weit- gehende Herabseßung der Steuern auf hygienisch wichtige Getränke und auf Bier vor. Die Steuer soll dem Alkoholgehalt proportional festgeseßt werden. Die durch die Herabsezung der Steuer entstehenden Ausfälle sollen durch eine Erhöhung des Alkoholzolls von 156,25 Fr. auf 190 Fr. für 1 h1 com- pensirt werden.
Bei dem gestrigen Jahres banket der Syndikats- Kammern besprah der Handelsminister Roche die neuen Zolltarife und hob hervor, wenn bei Anwendung der Tarife sich hinsichtlich einiger Punkte ein Jrrthum heraus- stellen sollte, so werde sih für die Regierung und die öffent- lichen Gewalten die Nothwendigkeit einer Modifikation ergeben, und es werde alsdann eine bessere Lösung stattfinden.
Nußland und Polen.
Die officiellen russishen Blätter veröffentlichten E das neue Statut der „Freiwilligen Flotte“. Dana
wird diese ganz dem Marine-Ministerium untergeordnet, um besser den Zwecken dienen zu, können, zu denen sie ins Leben gerufen wurde, nämlich in Kriegszeiten Kreuzerdienste zu leisten. Die Capitäne der Schiffe und das ganze höhere Personal werden vom Marine-Minister ernannt, und zwar vornehmli
aus dem im activen Marinedienst stehenden Flottenpersonal. Die Leitung der Freiwilligen Flotte liegt in den Händen eines besonderen Comités, in dem die Vertreter der Marine und des Kriegs-Ministeriums die entsheidende Stimme haben. Dafür,
daß die „Freiwillige Flotte“ in Friedenszeiten Postdienste
zwischen dem europäischen Rußland und den ostasiatischen Küsten verrichtet, wird sie vom Staat unterstüßt, ist dafür aber gehalten, allmählih ihre alten, shwerfälligen Schiffe durch neue, schnellgehende Kreuzerschiffe zu ersetzen.
Ftalien.
Die Deputirtenkammer g rathung über das von der Commission vorberathene und abgeänderte Budget für 1891/92 begonnen. Auf eine Interpellation mehrerer Deputirten erklärte _der Minister-Präsident Marchese di Rudini, er werde über die Anwendung der Weinzollclaus el in dem österreichisch- italienishen Vertrage die Weincultur-Commission befragen und heute oder morgen einen darauf bezüglihen Geseßentwurf
hat gestern die Be-
inbringen. Beim Beginn der Sizung hatte sich nah E P D V. folgender wischenfall ereignet : Ron der Galerie wurde eine Papierrolle in den
Zißungssaal geworfen; der Deputirte de Puppi hob die Rolle A s L sie dem Vorsißenden. Diener hielten den Besucher der Galerie, welcher den Verfall verursacht hatte, fest, er nannte sih Capitelli und gab an, 32 Jahre alt, aus Rom gebürtig und von Beruf Decorationsmaler zu sein: die Rolle enthalte eine Bittschrift um Brot für ihn und seine Familie. Capitelli wurde der Polizei übergeben. :
° Die italienishen Eisenbahnen find, wie man der Köln. Ztg.“ berichtet, dur Königlichen Erlaß bevollmächtigt worden, die angekündigte Tarifermäßigung für Wein- und Traubentransport nah Deutschland versuchsweise auf zwei Jahre einzuführen; während dieser Zeit verzichtet die Regierung auf einen festgesezten Procentsaß der ihr vertrags- mäßig zustehenden Quote aus den Betriebseinnahmen.
Mie der „Kölnischen Volkszeitung“ aus Rom gemeldet wird, erklärte der Papst in einer Audienz dem Hauptleiter des „Osservatore Cattolico“, das Gebot der Wahl- enthaltung an die italienischen Katholiken sei seiner Zeit aus Opportunitätsrücksichten erfolgt; er werde es auf- Feben, wenn die Umstände dafür günstig seien. Augenblicklih sei von den italienishen Katholiken nichts zu hoffen, da sie auf das politische Leben niht vorbereitet seien. Der Papst habe shließlich seine volle Zustimmung zu der Parole des “Ofseroatore Cattolico“: „Vorbereitung in Wahlenthaltung“ ausgesprochen.
Spanien.
Der Marine-Minister des spanischen Cabinets hat
dem „W. T. B.“ zufolge seine Demission gegeben.
Schweiz.
Die Handelsvertrags-Unterhandlungen zwischen der Shweiz und Ftalien sollen einem Wolff schen Telegramm aus Zürich zufolge nunmehr heute wieder aufgenommen werden. Die italienishen Delegirten wurden bereits gestern Abend daselbst erwartet. :
Oesterreih-Ungarn hat, wie man der „Köln. Ztg.“ aus Bern meldet, der Schweiz den Vertrag vom 5. Dezember 1890 wegen Verschleppung von Thierseuchen gekündigt.
Niederlande.
Die Zweite Kammer hat, wie dem „W. T. B.“ aus dem Haag berichtet wird, in 1hrer gestrigen Sißung das Uebereinkommen mit England wegen Festseßung der Grenzen zwishen den niederländischen Besißungen und dem englishen Schußgebiet auf Borneo Mini genehmigt. Mehrere Mitglieder der Kammer sowie der Minister des Aus- wärtigen van Tienhoven hatten in der vorangegangenen Dis- cussion das Uebereinkommen als ein wünschenswerthes Com- promiß befürwortet.
Türkei.
Der neuernannte britishe Botschafter Sir F. C. Ford
ist gestern vom Sultan in Antrittsaudienz empfangen worden.
Rumänien.
Der Senat und die Kammer verificirten gestern, wie „W. T. B.“ meldet, sämmtliche Wahlresultate. Jn das Bureau des Senats wurden gewählt: zum Präsidenten Georg Cantacuzene mit 82 Stimmen, während 17 Stimm- zettel unbeschrieben abgegeben waren, zu Vice-Präsidenten Brailoiu Budisteanu und Janow Culeano. Die Kammer wählt heute ihr Bureau.
Serbien.
Jn der Wohnung des A an fand vor- gestern, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, abermals eine Parteiconferenz stat. Es verlautet, daß eine Neconstruction des Cabinets beschlossen und die neuen Minister bereits designirt worden seien. :
Der Kaiser von Nußland hat, wie der „Köln. Ztg.“ berihtet wird, den russischen Gesandten in Belgrad, Persiani, beauftragt, dem Könige für die aus Serbien cingegangenen Spenden für die russishen Noth- leidenden seinen Dank auszusprechen. Persiani sagte dabei, wiewohl Rußland groß und mächtig genug sei, um die Noth von seinen Söhnen selbst abzuwehren, habe die Theilnahme der Serben den Kaiser do ticf gerührt und die Jnnigkeit der Bande erkennen lassen, die beide Völker verknüpften.
Montenegro.
Nach Mittheilung des „W. T. B.“ aus Cetinje ist es am 6. d. M. an der Grenze bei Kolaschin zu einem zufälligen Zusammenstoß zwishen Montenegrinern und Albva- nesen gekommen. Vierzig Albanesen zogen, ‘einen Hochzeits- zug begleitend, bei einer Anzahl an dem Bau einer Brücke Uber den Tarrafluß beschäftigter Arbeiter vorüber und gaben Gewehrsalven ab. Jnfolge eines unglücklichen Zufalls wurde hierbei ein Montenegriner getödtet. Die Montenegriner gaben, hierüber aufgereizt, auf die Albanesen Feuer, wobei die leßteren 19 Verwundete und Todte einbüßten.
- Amerika.
Der neu ernannte deutshe Gesandte Dr. von Holleben hat dem Präsidenten der Vereinigten Staaten Harrifon gestern sein Beglaubigungsschreiben überreicht. Dr. von Holleben gab dabei, wie dem „W. T. B.“ aus Washington gemeldet wird, dem Wunsche für die Wohlfahrt und das Gedeihen der Vereinigten Staaten Ausdruck und er- klärte, er werde bemüht sein, die seit lange bestehenden guten Beziehungen zu Deutschland zu fördern und zu E ip Der Lien versicherte seinerseits, sein Bestes hierzu beitragen zu
ollen.
Die lange shwebende Frage der Regelung des Nobben- fangs im eringsmeer (vgl. a. d. gestr. Nr. d. Bl.) soll nunmehr einem Schiedsgericht unterbreitet werden. Nach einem Kabeltelegramm aus Washington ist dem Senat gestern eine Botschaft des Präsidenten zugegangen, mittels welcher dem Hause die darauf bezügliche Convention ¿Wischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien vor-
elegt wird; der Präsident enthält sih infolge des Beschlusses es Cabinets (\. u.) jeder Empfehlung. Nach längerer Be- rathung überwies der Senat die Convention der Commission für die auswärtigen Angelegenheiten. Wie es in der Kabel- meldung weiter heißt, hätte das Cabinet beschlossen, die ung auf Erneuerung des modus vivendi aufrehtzu- erhalten.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (191.) Sißung des Reichstags, welcher
die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Dr. von Stephan, Freiherr von Maltzahn und Freiherr von Marschall beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Etats der Zölle, Verbrauchssteuern und Aversen, speciell des Antrags der Abgg. Menzer (cons.) und Gen. auf Erhöhung des Zollsaßes für Tabacksblätter, unbearbeitete und Stengel, von 85 H auf 125 M für den Doppel-Centner, fortgeseßt.
Für den Antrag traten die nationalliberalen Abgeordneten aus der Pfalz, Brünings und Dr. Clemm ein, während der Abg. Dr. Barth (dfr.) im FJnteresse des consumirenden Publikums und weil die Zollerhöhung die Einfuhr des aus- ländishen Tabaks vermindern und lediglich als landwirth- schaftlicher Schußzoll von zweifelhaftem Erfolg zu Gunsten des inländischen Baues wirken würde, dem Antrag widersprach und zwar mit Berufung auf die vorjährige Denkschrift der verbündeten Regierungen, die, wie anzunehmen sei, ihre Stellung in diefer Frage noch heute richtig ausdrücke.
Staatssecretär Freiherr von Maltahn erörterte ein- gehend den Antrag auf Erhöhung des Tabaszolles, der im Fall seiner Annahme von den verbündeten Regierungen in Erwägung gezogen werden würde.
Alsdann sprachen die Abgg. Dr. Bürklin (nl.) und von Winterfeld (cons.) für den Antrag, während Abg. Scipio (nl.) niht von ihm, sondern von der bereits im vorigen Jahre beschlossenen Herabsezung der inländischen Steuer eine Besserung der Lage der Tabackbauer erwartet.
Bei Schluß des Blatts hatte der Abg. Molkenbuhr (Soc.) das Wort.
— Jn der heutigen (28.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanz-Minister Dr. Miquel und der Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedliß beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1892/93 im Etat des Ministeriums der geistlihen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten fortgeseßt, und zwar beim Kapitel „höhere Lehranstalten“ Titel 2 „Zuschüsse an die vom Staate zu unterhaltenden Anstalten“. i
Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole) wünschte die Ein- führung des Polnischen als Unterrichtssprache an den höheren Lehranstalten der Provinz Posen.
Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Stauder lehnte eine Erfüllung dieses Wunsches ab.
Abg. Dr.Meyer (dfr.) wünschte, daß die in Berlin wohnenden Lehrer des neuen West-Gymnasiums in Schöneberg den Ber- liner Wohnungsgeldzushuß erhielten; die Vororte müßten der Stadt Berlin gleichgestellt werden. :
Geheimer Ober-Finanz-Rath Germar erklärte, daß das leßtere zu großen Schwierigkeiten führen würde.
Abg. Pr. von Jazdzewski (Pole) trat nohmals für seine Wünsche bezüglich der polnishen Sprache ein.
Abg. Moore n (Centr.) bemängelte, daß die Unterrichts- verwaltung aus ihren Dispositionsfonds nach ungleichem Maße Zuschüsse gewähre.
Abg. Lückhoff (freicons.) stimmte den Ausführungen des Abg. Dr. Meyer zu.
Abg. von Eynern (nl.) beklagte, daß die Gemeinden, die ihre höheren Lehranstalten selbst unterhielten, gegenüber denen mit staatlichen Lehranstalten benachtheiligt seien. Berlin habe den Vorzug von sieben staatlichen Anstalten.
Abg. Dr. Kropatscheck bestritt, daß der Staat in dieser Beziehung zu viel für Berlin thue.
Die Abgg. Knörcke (dfr.), Dr. Meyer (dfr.), Dr. Virchow (dfr.) traten den Ausführungen des Abg. von Eynern unter Hinweis auf das, was Berlin für das höhere Schulwesen thue, entgegen. :
Der Minister der geistlichen, Unterrihts- und Medizinal- angelegenheiten Graf von Zedliß widersprah den Wünschen des Abg. von Jazdzewski und gab nicht zu, daß die Leistungen der Gymnasien in Posen schlecht seien.
An der weiteren Debatte betheiligten sih die Abgg. Dr. Virchow (dfr.), Rickert (dfr)., Pleß (Cent.), von Eynern (nl.), Knörcke (dfr.) und Schmelzer (nl.).
Der Titel wurde bewilligt, ebenso nah kurzer Debatte zwischen dem Abg. Sombart (nl.) und dem Geheimen Ober- Regierungs-Rath Dr. Wehrenpfennig die Titel 3 und 4, welche die Zuschüsse für die vom Staat und andern gemein- \chaftlih zu unterhaltenden Anstalten und für die von anderen zu unterhaltenden, vom Staate zu unterstüßenden Anstalten enthalten.
In Titel 5 werden mehr verlangt 1400000 A zur Durchführung des Normal-Etats von 1892 für die Directoren und Lehrer der höheren Lehranstalten sowie zur Remuneration für Hilfsunterriht. (Schluß des Blattes.)
— In der Budgetcommission des Reichstags wurde heute der Gesetzentwurf über die Unterstüßung von Familien der zu Friedensübungen einberufenen Mannschaften in folgender, gegen die Beschlüsse erster Lesung abgeänderten Fassung in zweiter Berathung angenommen. § 1: Die Familien der aus der Reserve, dndivelie oder Seewehr zu Friedensübungen einberufenen Mannschaften erhalten auf Verlangen aus Reichsmitteln Unterstüßungen. Den Familien der Mannschaften aus der Ersatzreserve werden dieselben Unterstüßungen für die zweite und dritte Uebung gewährt. Der An- spruch auf Unterstüßung erlisht, wenn das Verlangen binnen vier Wochen nah Beendigung der Uebung bei der Gemeindebehörde nicht angebracht wird. Die Gewäh- rung der Unterstüßungen richtet sih, soweit nachfolgend niht Be- fonderes bestimmt is, nach den Vorschriften des Geseßes, betreffend die Unterstüßung von Familien in den Dienst ein- getretener Mannschaften vom 28. Februar 1888. § 2: Die täglichen Unterstüßungen sollen betragen: a. für die Ehefrau 30 0/6 des ortsüblihen Tagelohns, b. für jede der sonst unter- stüßungsberehtigten Personen 10% des ortsüblichen Tage- lohns, mit der Maßgabe, daß der Gesammtbetrag der Unterstüßung 60%/6 des Betrages des ortsüblichen Tage - lohns nicht übersteigt. (Die gesperrt gedruckten Worte find
Abänderungen oder Zusäße - der Commission). § 3 (die bewilligten Unterstüßungsbeträge sind in wöchentlichen Raten vorauszuzahlen) wurde gestrichen. § 4, der in der ersten Lesung ebenfalls gestrichen worden war, erhielt folgende neue Fassung: Die gezahlten Untex- stüßungen werden aus Reichsmitteln erstattet. Die Erstattung hat vor Ablauf des Etatsjahres zu erfolgen, in welchem die Zahlung ftatt- gefunden hat. Ein in erster Lesung beshlossener § 4a (die Unter- stüßungen, welhe auf Grund dieses Geseßes gewährt werden, haben niht die Eigenschaft von Armenunterstüßungen) wurde in zweiter Berathung gestrihen. §5: „Dieses Gesetz tritt am. 1. Avril 1822 n Kraft“ — wurde vorlaufig angenommen. Schließlih wurde auf Antrag des Abg. Dr. Hartmann (consf.) folgender neue § 6 beschlossen : Unter- stüßungen nah Maßgabe- dieses Gesetzes werden auh rücksichtlich tolher Friedensübungen gewährt, welche ganz oder theilweise in der Zeit vom 1. April 1892 bis zum 1. Juli 1892 stattgefunden haben. Ist die Friedensübung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes beendigt, so beginnt die vierwöchige Frist für die Anbringung des Unter- stüßungsanspruhs mit dem 1. Juli 1892. j
— Die Commission des Reichstags zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Gesellschafteu-mit beshränkter Haftung, hat, wie die „Nat.-Ztg.“ mittheilt, die zweite Lesung er- ledigt. Sämmtliche Bestimmungen wurden ohne wesentlidhe Aende- rungen einstimmig angenommen.
— Dem Herrenhause ist ein Geseßzentwurf, betreffend
die Abänderung von Amtsgerichten, zugegangen, sowie ferner die von dem Hause der Abgeordneten angenommenen Gesetzentwürfe, betreffend die Führung der Aufsicht bei dem Amtsgericht] und dem Landgericht Tin Berlin, sowie die Handhabung der Disciplinargewalt bei em ersteren Gericht; betreffend die Abänderung des Gesezes vom 29. Juni 1886 über die Heranziehung von Militärpersonen zu Abgaben für Gemeinde- zwecke: und betreffend den Anschluß der Kirchen- gemeinde Helgoland an die evangelish-lutherische Kirche der Provinz Schleswig-Holstein.
_ — In die Volksschulge]eßcommission des Hauses der Abgeordneten ist an Stelle des Abg. Wessel (freiconf.) der Abg. Lückh off (freicons.) eingetreten.
Theater und Musik.
Berliner Theater.
Gestern Abend ging „Maria Stuart“ mit drei Gästen in Scene. Die Titelrolle gab Hedwig Bleibtreu von den „Münchenern“, den Grafen von Leicester Carl Blankenstein vom Stadt-Theater in Straßburg und den Mortimer Anton Hart- mann vom Stadt-Theater in Leipzig. Hedwig Bleibtreu, die unter den „Münchenern“ als eine bereits fertige Schauspielerin hervortrat und durch ihr vollendetes Spiel sich vor Allen auszeichnete, fand als Maria Stuart Gelegenheit, ihre glänzende Begabung wirkfam zur Geltung zu bringen, ohne schon eine gänzlich einwandfreie Leistung zu bieten. Die junge Künstlerin hat aber auh in dieser Rolle wieder gezeigt, daß sie bei ihrem ernsten Streben, threr vortheilhaften äußeren Erscheinung und ihrem, wenn auch nicht großen doch aus- reichenden modulationsfähigen Organ unter der bewährten Leitung an dieser Kunststätte allen Aufgaben gewachsen sein wird. Jhre Nückkehr zum Berliner Theater nah Beendigung der noch bevorstehenden Gast- \pielreisen mit dem Münchener Ensemble des Herrn Hofpauer im nord- östlichen Deutschland wird deshalb von allen Theaterfreunden freudig begrüßt werden. Besonders gut gelang es ihr, in der Gartenscene die Glüdfseligkeit der durch die Gefängnißhaft gebeugten Königin bei dem lange entbehrten Genuß der freien Natur und den als Folge der kalten Behandlung von Seiten der Königin Elisabeth vor Zorn hervorbrechenden Stolz zum Ausdruck zu bringen. Herr Carl Blan- fenstein war als Lord Leicester niht gerade fortreißend, doch auch nicht tadelnswerth. Die Verhaftung des Mortimer und feine Ver- theidigung der Königin Elisabeth gegenüber wußte er sogar recht ein- drucksvoll zu gestalten. Herr Anton Hartmann ist von der Natur mit trefflihen Gaben ausgestattet; ein flangvolles, kräftiges Organ, große Zungenfertigkeit und Bühnengewandtheit lassen ihn für die Rolle des Mortimer sehr geeignet erscheinen: doch muß er sich vor Uebertreibungen in den leidenschaftlichen Scenen hüten und sein Organ etwas maßvoller gebrauchen, da es bei übermäßiger Anstrengung an Wohlklang verliert.
Thomas-Theater.
Für das Gastspiel des Königlich bayerischen Hofschauspielers Herrn Conrad Dreher ist die Posse „Die Hochzeit des Neservisten“ als zweite Novität gewählt worden. Der Stoff ist einem von den Herren Duru und Chivot verfaßten französishen Bühnenwerk entnommen, das vor Jahren auf dem Friedrich - Wilhelmstädtishen Theater erschienen und von F. Zell einer deutshen Bearbeitung unterzogen worden ift. Eine lustige Idee, eine behaglihe Situationskomik und ein zum Theil recht witziger Dialog verbinden sich zu einer lustigen Posse, die fich bei der zumeist trefflihen Darstellung eines durchschlagenden Erfolges erfreute. Es handelt sich um die Abenteuer des Civil- ingenieurs Dankelmann, der irrthümliher und unerwarteter Weise an seinem Hochzeitstage als Meservist eingezogen wird: seine Erfahrungen als Soldat in Wien und Linz geben Veranlassung zu den komischsten Einfällen und vielen launigen Randglossen. Stürmische Heiterkeit erweckte besonders die Erercier- übung des zweiten Actes, die etwas unfreiwillig an den „Veilchenfresser“® erinnert. Unter den Darstellern erwies si als belebendes Element der Gast des Abends Herr Conrad Dreher. Seine Komik besißt eine ganz eigenartige Ausdrucksweise, die anfangs befremdet, dann aber all» mählih und unwillkürlich die Herrschaft gewinnt. Die Gleichmäßig- keit seines Gesichtsausdrucks wird durch einen eigenthümlichen, beinahe starren Blick noch kräftiger hervorgehoben, und doch wohnt seiner Vortragsweise ein wirksamer trockner Humor inne, in dem sich das Geschick eines bedeutenden Darstellers offenbart. Im leßten Acte lernten wir den Künstler als vorzüglichen Couplet sänger fennen : er hatte den Text selb\t verfaßt, und man muß bekennen, daß, wenn auch der Gedanke, die verschiedenen Manieren der Malerei, der Dichtung und des Vortrages zu persifliren, nicht neu ist, der Komiker Inhalt und Wiedergabe der Coupletverse seiner Eigenart vorzüglich anzupassen wußte. Unter den heimischen QDarstellern leistete Herr Grünseld als Armeelieferant Bernhofer recht tüchtiges; auch Herr Wirth als Feldwebel Gätshenberger muß mit Anerkennung erwähnt werden; in der Soubrettenrolle der verliebten Rosel entwickelte Fräulein Weiß ihr hübsches Talent.
Sing-Akademie.
Der dritte Kammermusik-Abend der Herren Kruse, Markeces, Müller und Dechert brachte das Mendels\sohn’she D-dur-Quartett (op. 44) und Haydn?’s Quartett C-dur zu Gehör. Die Ausführung war eine in jeder Beziehung vollendete zu nennen. Jn den Andante- säßen war das zarte Violinspiel des Herrn Kruse von befonders reizender Wirkung. Fräulein Jakoba Ellin g, die bereits vortheil- haft bekannte Sängerin aus Norwegen, unterstützte die Concertgeber durch den Vortrag einiger Lieder von Schumann, Haydn und Grieg, in denen ihre klangvolle wohlgeschulte Stimme und ihre verständnißvolle Ausdrucksweise vortrefflih zur Geltung kamen. Das hübsche Lanz- lied von Grieg wurde auf Wunsch wiederholt. Fräulein Julie von Asten führte die Klavierbegleitung mit lobenswerther Dis- cretion aus.