1892 / 60 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

T Ine Ep Da RRA

werden follte. Er gestatte sih, zur Illustration diefer ganz unbalt- baren Verhältnisse cin paar Zeilen aus einem Briefe cines bedeuten- den Kunstverlegers aus München zu verlesen. (Liest.) Wie be- fannt, sei 1884 ein Literarvertrag mit Holland dem Deutschen Reichs- tag vorgelegt und von demselben genehmigt worden. Der Wider- stand der holländischen Volksvertretung habe es aber der dortigen Re- gierung unmöglih gemacht, den Vertrag zu ratificiren. Wenn daber 7 L Â E - e 1 d: I "i - durch cinen jeßt zu s{ließenden Vertrag diefe Mißstände beseitigt werden könnten, so wäre damit ein dringendes Bedürfniß des Buch- handels erfüllt. Wem die s{hweren Kosten eines gerichtlichen Ver- fahrens in England bekannt feien, oder wer solche schon zu tragen gehabt habe, werde begreifen, daß durch solche Manipulationen der olländer in vielen Fällen auch der dur die Berner Convention in England garantirte Schuß werthlos werde. Mit allen Mitteln sollte diesem, er möchte sagen, traditionellen Piratenthum entgegengetreten werden. Eine Erklärung seitens der Reichsregierung auch hierüber würde ihn und die betreffenden Interestenten zu großem Danke ver- E O C: e C e B vflihten. Im Vordergrunde aber stehe die Frage, ob die Regierung den Abschluß eines Vertrags mit der öfterreichish-ungarishen Regie- E M Le : . r 2217 rung anzubahnen gedenke und wann der Reichstag eine darauf bezüg- liche Vorlage erwarten könne.

Staatssecretär Freiherr von Marschall:

Nachdem die erste Frage des Herrn Interpellanten durch die Vor- lage, die am 15. Januar d. J. mit den Vereinigten Staaten ab- geschlossene Literarconvention, ihre Erledigung gefunden hat, wende ih mich sofort zur Erledigung der zweiten Frage, ob nämlih „die Reichs- regierung gedenkt, den Abschluß eines Vertrages mit der österreichish- ungarischen Regierung anzubahnen, durch welchen dem bestehenden Mangel abgeholfen und insbesondere die Ausdehnung des Urheber- schußtzes auf die gesammte österreichisch-ungarishe Monarchie herbei- geführt wird.“ Jch beanworte diese Frage mit Ja.

Wie der Herr Vorredner zutreffend angeführt hat, sind die Be- zichungen zwischen Oesterreih-Ungarn und dem Deutschen Reiche bin- fichtlih des Schutzes des Urheberrehts zur Zeit nicht im Wege eines Nertrages, sondern lediglich durch die beiderseitige Gesetzgebung ge- regelt. Nach den deutschen Reichsgeseßen über den Schutz des Urheberrechts werden ausländische Werke unter der Vorausseßung der Gegenseitigkeit ge{hüßt, wenn sie an einem Orte erscheinen, welcher dem Gebiet des früheren deutschen Bundes angehört. Der Schuß dauert niemals länger, als in dem betreffenden Staate selbst nur das- selbe gilt von nicht veröffentlichten Werken, deren Urheber zwar nicht im Dentschen Reiche, aber im ehemaligen deutschen Bundesgebiet staatëangehorig sind. Analoge Bestimmungen enthält das österreichische Patent aus dem Jahre 1846, während das ungarische Gese über das Autorrecht vom Jahre 1884 bestimmt, daß Ausländer den Schutz dieses Gefeßes überhaupt nicht genießen follen. Hiernach ist allerdings der gegenwärtige Zustand in Oesterreih-Ungarn infofern ein unbe- friedigender, als einmal die deutschen Werke in Ungarn überhaupt eines Geseßzes entbehren und im übrigen nur folche deutshe Werke, welche dein Gebiete des alten deutschen Bundes entstammen, in Oester- reich das Recht auf Urhebershuß haben. Bisher sind dem Aus- wärtigen Amt Klagen über crhebliche Mißstände niht zu Ohren gekommen, aber immerhin ist anzuerkennen, daß die Fortdauer dieses Zustandes nicht erwünscht ist, und daß jeden Augenblick Mißstände eintreten können.

Nachdem nun Oesterreih der Berner Literarconvention nicht beigetreten is und damit auch die Hoffnung, daß auf diese Weise eine Remedur eintveten werde, entfällt, habe ich infolge der Interpellation der Herren Freiherrn von Stauffenberg und Genoîsen die Anfrage an die österreichish-ungarishe Negierung ge- richtet, ob dort die Geneigtheit bestände, mit uns in Verhandlungen über den Abschluß einer Literarconvention cinzutreten. Diese Anfrage ist in bejahendein Sinne beantwortet worden. Es werden zunächst die inneren Nessorts mit der Vorbereitung der Verhandlungen betraut werden, fodann wird die Genehmigung des Bundesratl)s einzuholen sein, und dann die Verhandlungen beginnen.

Ich kann also die Anfrage des Herrn Vorredners dahin beant- worten, daß demnächst Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn fstatt- finden werden und daß ich die begründete Hoffnung habe, daß die ver- bündeten Regierungen in der nächsten Session in der Lage sein werden, eine Vorlage dem hohen Hause zu unterbreiten, welche den gerechten Wünscen der Herren Interpellanten entgegenkommt.

N : C : b , . +

Damit ist die Jnterpellation erledigt.

Es folgt die erste Berathung des am 15. Januar d. J. N C! - -. , T P in Washington abgeschlossenen Uebereinkommens zwischen den Nel, Und den VBereiMiglen Stgaten von % 9E R . I a C5444 (X . . Amerika Uber den gegenseitigenSchuß derUrheber- T M Le.

_ Abg. Dietz (Soc.): Der Vertrag mit den Vereinigten Staaten sei für die deut]che Kunst und für den deutshen Autor ein recht [lehter zu nennen. Es komme ihm vor, daß Deutschland mit Scheffeln gebe und nur eine Hand voll bekomme. Wer das nordameritanische Gese über das Urheberrecht fenne, werde sich fragen: wie um Alles in der Welt solle der deutsche Autor oder Künstler seine Sachen in Amerika zur Anmeldung bringen? In Nord-Amerika werde Alles an ein bestimmtes Datum geknüpft: wer nicht vor der Veröffentlichung im Auslande den gedruckten Titel eines Buches einreichen könne, fönne das Urheberrecht dort nicht erwerben, und ferner müsse er nicht später als am Tage der Veröffentlichung ein Exemplar einreichen. Wie sollten das die Deutschen machen ? Dn Leipzig existire allerdings eine sogenannte Eintragsrolle, diese shüße aber nur Werke, die in Deutschland erschienen, insofern als die Werke in ciner gewissen Frist niht überseßt werden dürften ohne Erlaubniß der Autoren. Die deutsche Regierung hätte in dem Ver- trage mindestens eine Centralstelle in Deutschland sichern müssen, bei welcher die Eintragung auch für Nord-Amerika rechtsgültig erfolgen könnte. Das deutsche Urheberreht sei in der That ein so liberales, ein jo vollfommenes, wie kein anderes in der Welt, während das nordamerifanishe ganz auf der Stufe der Mac Kinley-Bill stehe. Gelinge es nicht, eine solche Centralstelle zu schaffen, so sei dieser ganze Vertrag höchft überflüssig. /

¿Director im Auswärtigen Amt Wirklicher Geheimer Legations- Rath Reichardt: Der Vorredner nenne das Abkommen, welches dem Meichstag vorliege, einen s{chlechten Vertrag. Wenn dieses Abkommen überhaupt die Natur einer Literarconvention hätte, so wäre diese Kritik begründet und wäre das Abkommen, so wie es liege, nicht abgef{losjen worden. Seine Natur charakterisire es aber einfach als einen Reciprocitätsvertrag. Alle Vorwürfe und Bedenken des Vor- redners richteten sich deshalb inhaltlich gegen die nord- amerifanisde Gefeßgebung, niht gegen das Abkommen selbst. BVeje Geseßgebung habe man durh das Abkommen nicht andern fönnen, _Die Gründe dafüx scien in den Motiven angedeutet. Jm übrigen bemerke er, daß der Abschluß eines folchen Keciprocitätsabtommens auf Anregung der deutschen Interessenten erfolgt sei. Die Frage des Vorredners : Wie sollen es die Deutschen machen, um den Anmeldungóvorschriften der amerikanischen Gesetz- gebung zu genügen? fönne er vorläufig nur dahin beantworten: Sie würden es ebenso machen müssen wie die Franzosen, Eng- länder, Belgier, Schweizer, die in Amerika ipso jure geschüßt seien und von denen die Ersteren, um einen praktischen Ausweg zu finden lo weit er unterrichtet sei —, {on dazu übergegangen seien,

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in Amerika eine Agentur zu errichten, die mit Wahrnehmung der betreffenden Formalitäten für die Autoren betraut sei. Er glaube sich niht zu täushen in der Annahme, daß seitens der bereW- tigten Bertreter des deutschen Buchhandels einem ähnlichen Ge- danken bereits näher getreten fei. : j

Abg. Siegle (nl.) hâlt die Bedenken des Abg. Dich durch diefe Ausführungen für beseitigt.

Der Vertrag wird in erster und auch fofort in zweiter Berathung genehmigt.

Darauf scht das Haus die Etatsberathung fort.

Zum Etat des allgemeinen Pensionsfonds haben die deutshconservativen Abgg. Graf Douglas, Freiherr von Manteuffel und Menzer cine Nesolution eingebracht, worin die verbündeten Regierungen ersuht werden, dem Reichstag möglichst noch in dieser Session einen Gesezentwurf zu unterbreiten, dur welhen eine Abänderung der Militärpenstonsgesezgebung dahin vorgenommen werden soll, dai das Recht auf den Be- zug der eigentlichen Pension ers ruhen foll, wenn die nach- stehenden Klassen im RNeichs-, Staats- oder Communaldienst unter Zurehnung der Militärpension ausscließlich der Pensionserhöhungen mehr als folgendes Gesammtdienstein- fommen beziehen: a. Offiziere und im Offiziersrang stehende Militärärzte 6000 4 þ. Feldwebel 1500 Æ c. Sergeanten und Unteroffiziere 1200 # d. Gemeine 700 M. e. Unter- offiziere von zwölfjähriger activer Dienstzeit 1800 M

Abg. Menzer (cons.): Abg. Richter habe in der Commission ge- meint, daß seine Partei sich bei der Vorlage ihres Antrages Vorspann- dienste von der freisinnigen Partei habe leisten laffen, welche einen in gleicher Nichtung sih bewegenden Antrag eingebraht habe. Der Abg. Nichter fönne überzeugt sein, daß scine Partei das, was sie zum Wohle weiter Intercssentenkreise für nothwendig halte, nah eigenen Necepten zu vollbringen im stande sei. Jhr Antrag entsprehe niht den Wünschen aller Interessenten, sie habe nur den größten Interessentenkreis heraus- gegriffen. Seine Partei stehe auf dem Boden, daß jede im Militär- dienst erdiente Pension voll und ganz ohne jeden Abzug dem Inhaber zu gute fommen folle, obne Nückfiht darauf, welchen Beruf er später ergreife. Die Resolution sei bezüglih der Oberklassen aus der Er- wagung hervorgegangen, daß die Vorbildung für Offiziere überall ganz genau die gleiche sei und daß ihre Pensionsansprüche nicht be- \chrankt werden dürften durch die Zufälligkeiten, die entständen, je nachdem der eine oder der andere in eine Privatstellung hineingerathe. Die Voraussetzungen der Geseßze, welche in dieser Beziehung seit 1864 erlassen seien, träfen heutzutage bei der theuern Lebenshaltung uicht mehr zu. Ihm fei eine Zuschrift von einem Postdirector zu- gegangen, der ziffermäßig nachweise, daß er innerhalb eincr Dienstzeit von im ganzen 32 Jahren dem Fiscus durch seine Pensionsabzüge 12000 X genüßt habe. Die Armee- verwaltung habe ein dringendes Interesse daran, daß die dienst- untauglich gewordenen Offiziere in ihren Civilverforgungen nicht zu kurz kämen. Es sei cine sehr {were Sache, wenn ein Offizier, der mit Wärme und Energie seinen Beruf ergriffen habe, genöthigt sei, mit cinem durch Strapazen ges{wächten Körper in den Staats- oder Communaldienst zu treten. Dagegen fei der Beamte bedeutend besser daran, der, felbst wenn er im Nollstuhl nah seinem Bureau gefahren werden müsse, in behaglichen Räumen langsam, aber sicher, seine vierzig Jahre abdiene und dann seine volle Pension beziehe. Es herrsche bei den Civilbehörden vielfa eine Mißstimmung gegen ehemalige Militärs. Ihm liene eine Eingabe seitens eines ehemaligen Premier-Lieutenants an eine süddeutsce Behörde vor, dem ein Urlaub von fünf Tagen gewährt worden fei unter der Bedingung, daß er vorher und nachher außerhalb der Bureauzeit eine entsprechende Mehrarbeit leiste. Bei einem ähnlichen Gesuch fei dem Offizier zu- gemuthet worden, an den folgenden Sonn- und Feiertagen die ver- jaumte Arbeit nachzuholen. Auch für die Unterklassen der Militär- invaliden seien die Marimal-Gehaltsbezüge zu niedrig normirt. Er glaube, daß der Vertreter des Kriegs-Ministeriums nicht zögern werde, jeine wahren Sympathien für die Anstrengungen feiner Partei nach dieser Nichtung hin zum Ausdruck zu bringen. Die Wünsche des Kriegs-Ministeriums würden allerdings in Preußen stark beschränkt durch die ungünstige Finanzlage. Aber wenn Finanz-Minister Dr. Miquel noch niht die Erfolge aus seiner Einkomtrnensteuervorlage ge- zogèn habe, so sei der Reichstag nicht verpflichtet, darauf allzu großen Werth zu legen. In Baden und Sachsen seicn die Finanz- abshlüsse schr günstig gewesen. Die Pflicht der Dankbarkeit gegen die Militärinvaliden aus den Kriegen dürfe nicht vergessen werden. Es mache einen s{limmen Eindruck bei allen Intere}ßjentenkreisen, wenn man sich sage, daß einer, der in seinem bürgerlichen Beruf Glück ge- habt habe, vollständig unbehbelligt sei von all den Abzwackungen und Éleinen Geschäften, die der Staat mit dem pensionirten Militär mache. Die Fälle, daß ein ehemaliger Unteroffizier \socialdemokratischer Agitator werde, einen Cigarrenladen eröffne und seine Pension weiter beziehe, oder daß ein ehemaliger Offizier Director eincs großen gewerb- lichen Etablissements werde und sehr hohe Einnahmen habe, dürften nicht maßgebend sein. In der Beziehung sollte der Staat keine Geschäfte machen, die Pension folle voll und ganz den Interessenten zu gute kommen. Vielleicht wäre es im Interesse der Relicten zu empfehlen, einen Theil der Pension, soweit sie hinausreiche über den Rahmen der Marimalbezüge, zum Ankauf von LebensversicherungsÞpolicen zu verwenden. In England denke die Regierung absolut nicht daran, irgend cinem Pensionsberechtigten seine Pension in irgend einer Weise zu verkürzen, und die Vereinigten Staaten hätten in ganz eminenter Weise für ihre Militärpensionsberechtigten geforgt. Die Abhilfe in Deutschland müsse bald geshehen. Auf das Nesultat der beutigen Verhandlung warteten Tausende von Interessenten mit Spannung. Er hoffe, daß die Summe von Hoffnungen und Er- wartungen, welche sih an die beutigen Erklärungen vom Bundes- rathstische fuüpften, keine allzu herbe Enttäuschung erführen. Es handle sih um eine heilige Pflicht, nahdem auf Anregung des Abg. Richter eine Erhöhung der Pensionen der Invaliden in Er- wägung genommen fei.

Neferent Abg. Freiherr von Huene: Der Wunsch anderweiter Regelung dieser Materie sei ein allgemeiner, auch die Regierung habe eine entgegenkommende Erklärung abgegeben, daß ein entsprechender Ent- wurf son fast fertig gestellt sei. Auch die Steigerung der Zahl der Penjionirungen habe die Commission erörkert. Die Militär- verwaltung habe nachweisen können, daß die relative Steigerung der Pensionirungen seit 2 Jahren abgenommen habe, daß man sich also einem Beharrungszustand nähere. Die Vermehrung sei be- gründet worden mit der Vermehrung der Armee und den erhöhten Pensions\äten.

__ Abg. Freiherr von Gültlingen (Rp.): Die beklagenswerthen Hârten, welche das bestehende Gesetz gezeitigt habe, seien allgemein be- fannt und riefen laut nah Abhilfe. Es sei bekannt, daß einem Militärpensionär, welcher civildienstberehtigt sei, seine Pension zum theil oder ganz entzogen werde, in dem Falle, daß er von seiner Civilbeschäftigung leben könne. Die volle Pension beziehe nur der, welcher in unabhängiger Stellung sei, oder im Privatdienst si be- finde, oder auf der untersten Stufe der Civildienstbeshäftigung für sein ganzes Leben verbleibe. Die Marimalsäße des Gesammtein- fommens, welche für dic Einziehung der Militärpension maßgebend seien, entsprähen durchaus niht mehr den heutigen Verhältnissen. Diese Umstände finde er deshalb bedenklich, weil die geseßlichen Be- stimmungen und ihre Ausführung ganz unzweifelhaft den Leuten die Arbeitslust und Arbeitsneigung, fowie die Pflichttreue nähmen. An- gesichts dieser Sachlage sei es nicht zu verwundern, wenn in zahl- reichen Petitionen Abhilfe verlangt werde. Das Haus habe sich daher schon wiederholt mit diefem Gegenstande beschäftigt, habe Nefolutionen angenommen und diese dem Reichskanzler als Material zu einem in Aussicht gestellten Gesetzentwurf überwiesen; auch hätten die Regierungen wiederholt darauf bhingewiefen, daß die Berathungen im Gange seien. Was die heutige Resolution anbetreffe, fo stehe er derselben sehr sympathish gegenüber, obwohl er in cinigen Beziehungen

noch andere Wünsche habe. Aber er wolle sie nit bekämpfen er nehme das Gute, wober er es bekomme, und wolle nicht, daß das seines Erachtens Bessere der Feind des Guten sei. Er glaube nit daß die Regierungen den 1874 beschrittenen. Weg jeßt weiter wan. deln wollten, sondern daß jedem Pensionsberehtigten mindestens eine bestimmte Quote seiner Militärpension belaffen werde. Insbesondere scheine ihm au an der Resolution nicht zweckmäßig die unbewegliche Erhöhung des Höchstbetrages um 600 ä für alle Unteroffiziere von zwölfjähriger Dienstzeit ohne jeden Unterschied, ob sie nun 12 oder 25 Jahre gedient und welchen Rang sie vorher innegehabt hätten. Es würde, glaube er, im Interesse der Negierung selbst legen, einen anderen Modus als diesen Maximalsatß zu wählen. Denn es müsse ihr doch daran gelegen fein, die Unteroffiziere so lange als mögli beim Heere zu halten. Wenn dieselben aber hon nach zwölf Sale den Maximalsaßt bekämen, so hätten sie gar fein Interesse daran, länger bei der Truppe zu bleiben. Er schließe mit der Bitte an die Regierung, den {hon wiederholt in Ausficht gestellten Gesetzentwurf möglichst bald einzubringen, denn bis dat qui cito dat.

Commissar des Kriegs-Ministeriums General-Lieutenant vop Spit: Der vorjährigen Mefolution des Reichstags in dieser Sache sei insofern Rechnung getragen, als seitens der Militärverwaltung eine Novelle zum Pensionsgeseß ausgearbeitet worden fei, welche die Resolution soweit als möglich berücksihtige. Bis vor nicht langer Zeit seien die Regierungen der Meinung gewesen, daß es möglich sein würde, noch in dieser Sesfion eine neue Novelle zum Militärvensions- gescß dem Reichstag vorzulegen. Es hätten sih dem jedoch Schwie- rigkeiten in den Weg gestellt, die sich im Anfang nit vollständig bâtten übersehen lassen. Diese lägen niht bloß auf dem finanziellen Gebiet, sondern auch in vielfachen Collisionen mit anderen Verwal- tungen und in Vorschlägen, die von verschiedenen Seiten gemacht, aber zum theil als undurchführbar erkannt worden seien. Da der Zweck jedoch als richtig anerkannt worden sei, habe man auf andere Wege sinnen müssen. Das habe nun wieder Nückfragen bei den Provinzialbehörden nothwendig gemacht und auf diefe Weise fei es also nicht möglich gewesen, die Novelle in dieser Session vorzulegen. Die Militärverwaltung glaube sich aber zu der Hoffnung berechtigt, und das sci auch die Meinung des Reichskanzlers, daß in der nächsten Session ein folcher Gesekentwurf Hier vorgelegt werden könne. (Beifall.) :

Abg. Dr. Pieschel (nl.): Daß das gegenwärtige Geseß zu sehr {weren Härten und geradezu zu Ungerechtigkeiten geführt habe, sei allgemein anerkannt. Zwei Punkte seien es besonders, die dringend einer Abänderung bedürften: daß denjenigen, welche eine Meilitärpension bezögen und noch im Civildienst beschäftigt seien, die Militärpension soweit verkürzt werde, daß ihr Amtseinkommen zusammen mit: der Pension nicht höher sei, als ihr letztes Dienst- einkommen, und daß ferner denjenigen, welhe in den Communal- dienst träten, bei ihrer endgültigen Pensionirung ihre Militärdienst- zeit niht angerechnet werde. Der erste Punkt sei um fo härter, als dadurch die Etats dieser Leute durchweg auf einer fehr niedrigen Stufe ständen und. sie auf dieser Stufe festgenagelt seien. Es treffe diese Hârte besonders die unteren Chargen und die unbemittelten Offiziere: höhere und bemittelte Offiziere könnten cher mit ihren Pensionen auskommen. Wenn denselben auch wirklich in threr Civil- ¡tellung ihr Gehalt erhöht werde, so werde ihnen dafür ihre Militärpension beschnitten. Schon der frühere Finanz-Minister habe diesen Zustand als einen ganz unzweckmäßigen und unwürdigen bezeichnet. Jn Betreff des zweiten Punktes seien die Pensionirten im Nachtheil, einmal gegen ihre Kameraden, die in den Staatsdienst übergetreten feien und denen bei ihrer endgültigen en- sionirung die volle Dienstzeit, auh diejenige beim Militär, angerechnet werde: ferner aber auch, insofern sie eine Civil: dienststellung annähmen, gegen ihre nunmehrigen Kollegen, denn sie kämen ja erst viel später und in höheren Jahren in die betreffenden Stellungen, erlangten also auch einen höheren Grad der Pension erft bedeutend später, wenn ihnen die Militärjahre nicht angerechnet würden. Diese Ungerechtigkeiten würden {wer empfunden. Daß auch der Reichstag diese Uebelstände {on anerkannt habe, beweise die im vorigen Jahre gefaßte Resolution. Seine Partei stehe im großen und ganzen noch heute auf dem Standpunkt derselben. Der jeßt vom Abg. Grafen Douglas und Genossen eingebrachten Resolution könne seine Partei jedoch in ihren Einzelheiten niht zustimmen, denn fie lasse zwei Gesichtspunkte der vorjährigen ganz außer Acht. Auch lasse sich die finanzielle Tragweite garniht übersehen. Viel zu gering scheine ihr ferner die Firxirung der Marximalsumme für Gemeine auf 700 /\ Nach den Eflärunaei des" Negierungscommissars halte scine Partei es, so sehr sie mit den Tendenzen der Refolution ein- verstanden fei, doch nicht für richtig, jetzt stückweise vorzugehen : er glaube, daß das die geseßzgeberishen Arbeiten des Bundesraths in dieser Beziehung stören würde. Indessen würde seine Partei eventuell für die Verweisung in eine Commission stimmen, um Erklärungen von der Regierung zu bekommen, aber bei der jeßigen Geschäftslage sei auch das wohl faum praktis. i:

Abg. Nichter (dfr): Im vorigen Jahre habe er eine Resolution eingebracht, wonach die Invaliden früherer Kriege denen des Feldzuges von 1870/71 gleichgestellt werden sollten. Das wäre leiht und bit Aenderung des Militärpensionsgeseßes durchführbar gewesen und au die Mittel dazu seien vorhanden gewesen. Das Haus habe diesen Antrag aber mit einem conservativen, schr complicirten verquickt, der ohne Aenderung des Pensionsgesetzes nicht habe durhgeführt werden fönnen, und die Regierung habe sich diesem Verfahren angeschlossen, fie habe seinen allseitig sympathish berührenden Antrag als Bor- spann für den conservativen Antrag benutzen wollen; das sei wobl taktish ganz gut, aber sachlich rihtig nicht gewesen. Der vorliegende Antrag hebe nun cine etnzelne, aber fehr schwierige Frage aus der Materie heraus und verlange ihre Regelung noch in dieser Session, die man allseitig mit neuen Vorlagen möglichst vershonen wolle. Eine fo gebundene Marschroute mit so genauen Bestimmungen pflege man in Resolutionen der Regierung nicht zu geben. Für die Offiziere solle bier ein ganz neues Princip eingeführt werden, nämlich das des Pèindestsatzes des Einkommens, während bisher für mit Penfion plus Civildiensteinkommen pensionirte Offiziere die Höhe des leßten Offiziersgehalts bestimmend gewesen sei; für pensionirte Unteroffiziere solle das jeßt {hon bestehende Mindesteinkommen sehr erheblich er- höht werden. Es kämen dabei nicht bloß militärishe und finanzielle Fragen in Betracht, sondern auch die Civilverwaltungen würden von dem Antrag berührt, weil nah feiner Annahme die Militäranwärter vor den concurrirenden Civilanwärtern große Vortheile hätten. Schließlich habe man doch hier auch nicht bloß die Interessen der Pensionâre wahrzunehmen, sondern die aller Steuerzahler, und niemand wisse, wie hoch diese durch Annahme der Nesolution belastet würden, zumal dieselbe rückwirkende Kraft haben solle. Da die Regierung erflâre, die hier gewünschte Vorlage im nächsten Jahr einbringen zu wollen, sei der Antrag überflüssig; wolle man den Antrag in der Commission begraben, so babe er nichts dagegen, troßdem es unredt sei, die Budgetcommission nah Abschluß ibree Arbeiten von neuem zwetlos zu belasten.

Staatssecretär Freiherr von Maltahn:

Daß eine Novelle zum Militärpensionsgeseßz sich in der Vorbereitung befindet, zur Zeit dem Bundeërathe noch nicht vorliegt, daß aber von Seiten des Herrn Reichskanzlers die Hoffnung gehegt wird, die weitere Be- rathung dieser Novelle in der Weise fördern zu können, daß dem Reichs- tage in seiner nächsten Session diese Novelle vorgelegt wird, ift Ihnen bereits namens der verbündeten Regierungen erklärt worden. Ich würde daher meinerseits auf das Wort verzichten könne, wenn ih es nicht für zweckmäßig erachtete, zwei irrigen Auffassungen, welche mir in den Reden der Herren, die hier gesprochen haben, entgegen- getreten find, meinerseits zu begegnen.

Der letzte Herr Redner, der Herr Abg. Richter, hat die Meinung geäußert, als sei die Verquickung der Frage einer etwaigen Erhöhung der Kriegspensionen mit der Frage der Anreckbnungsfähigkeit der

Penston auf die Gehälter aus späteren Civildienftftellungen eine Folge der Nesolution, welche im vorigen Jahre vom Reichstag gefaßt worden ist, auf Grund der Drucksache Nr. 361 vom 10. März 1891. Dem- gegenüber kann ih erflâren, daß die Berathungen dieser Materie innerhalb der Reichsämter und der Königlich preußischen Regierung aus einer früheren Zeit datiren, und daß bereits, che dieser Beschluß des Reichstags gefaßt war, auch ehe der diesem zum Theil zu Grunde liegende Antrag Richter eingebraht war, diefe beiden Fragen sich unter denjenigen befanden, welche zur Erörteruig standen. Wenn tros der langen Zeit, welde seitdem verflofsen ist, bisher

Vorlage an den Reichstag nicht gelaugt ist, noch nicht

i an den Bundesrath, so hat dies und das ist der zweite Irrthum, dem ih begegnen möchte nicht aus\ließ- si in finanziellen Erwägungen feinen Grund, am allerwenigsten natürli in demjenigen Widerstande, welchen, wie der erfte Herr Redner meinte, die Königlih preußische Finanzverwaltung den Wünschen des Königlich preußischen Kriegs-Ministeriums entgegen- bringen sol. Woher der Herr Abgeordnete diese Kenntniß über angeblihe Vorgänge bei den Berathungen haben wollte,

it mir nit recht erfindlih, da die Verhandlungen fecret ge- führt worden sind. Es iff das ja thatsählich richtig, daf: finanzielle Erwägungen bei der Beurtheilung dieser Fragen sehr erbcblih ins Gewicht fallen. Jh möchte aber auëdrücklih erklären, daß: die Schwierigkeiten, welche sih einer so weit gehenden Begünsti- gung der Interessen. der Pensionâre, wie sie von einem großen Theile der Reichstags-Abgeordneten gewünscht wird, entgegenstellen, durchaus ait auf dem finanziellen Gebicte allein liegen. Ich will dabei nur erwähnen, daß sehr erheblihe Bedenken seitens der Civilverwal- tungen dagegen geltend gemacht werden, daß man durch zu hohe Ge- stattung der Anrehnungsfähigkeit vou Pensionen bei Wiederanstellung im Civildienst unter den Civilbeamten, denen die gleichen amtlichen Functionen obliegen, zwei verschiedene Klassen von Gehalt schaffe.

Abg. Graf Douglas (cons.): Seine Partei bedauere, daß der Antrag Richter vom vorigen Jahre keinen Erfolg bei der Regierung gehabt habe, aber als Vorspann habe seine Partei diesen Antrag nit benußt. Sie habe ihren Antrag ganz selbständig eingebracht. Wegen der Schwierigkeit der Materie habe sie keine ‘Gesetesnovelle, sondern nur eine Resolution eingebraht. Der Reichstag werde auch die für den vorliegenden Antrag nöthigen Geldmittel beschaffen können. Ohne Acnderung des Pensionsgeseßes werde man freilih nicht durch- fommen, aber die Erhöhung der Lebensmittelpreise seit 1871 mache es nöthig. Die neulich hier mit Recht so schwer verurtheilten Sol- datenmißhandlungen werde man dadurch am besten beseitigen, daß man die Unteroffizierstellen so gut ausftatte, daß das Militar die Aus- wahl unter den besten Leuten für Unteroffiziere habe, was jeßt nicht der Fall sei. Eine Quote der Unteroffizierspensionen müsse den Leuten sicher sein, ganz unabhängig von ihrem Civil- diensteinkommen, gerade wie es jeßt {hon mit den Kriegs- und Ver- stimmelungézulagen der Fall sei. Es wäre auch wünschenswerth, den im Communaldienst angestellten Militärpensionären bei der definitiven Pensionirung die Militärjahre anzurechnen; da man die Ausgaben dafür den Communen nicht werde aufbürden können, werde auch bier das Reich eingreifen müssen. So weitgehende Aenderungen s\{lage seine Partci aber gar nicht vor, sie wolle nur die Pensionsfätze er- höhen. Er bitte, die Resolution anzunehmen. (Beifall rets.)

CTommissar des Kriegs-Ministeriums General-Lieutenant von Spig: Der Antrag Nichter sei ein durchaus dankenswerther gewesen und wenn irgend Jemand, o erkenne die Militärverwaltung das voll an. Sie stehe auf dem Boden dieses Antrags und behandele ihn nicht als einen Handel8artikel, sondern er sei nöthig, nüßlich und das Vater- land ehrend. So sehr er dem Antragsteller für den Antrag dankbar sei, so sehr müsse er dem widersprechen, daß hier ein tactisches Ma- növer der Verwaltung vorliege. Der Ai.trag von der anderen Seite betreffe den Invalidenfonds und beide Anträge bedingten Geldausgaben, se würden alfo zweckmäßig zusammen bearbeitet.

Abg. Dr. Orterer (Centr.): Auch er und seine Freunde meinten, daß auf dem in Nede stehenden Gebiet eine Geseßesreform eintreten müsse. Nah Annahme der Resolutionen im vorigen Jahre babe der Reichstag für dies Jahr wohl auf eine Vorlage rechnen tonnen, Man wolle durch Vereinigung beider Resolutionen die vom Abg. Richter gewünschte Reform nicht vershleppen. Mit dem Abg. Menzer glaube er, daß der preußishe und die anderen deutschen Finanz-Minister erhebliche Schwierigkeiten machten; aber diefe ZShwierigkeiten hätte man eben überwinden und die noth- wendige Reform einführen müssen. Nachdem der Antrag Douglas zurückgezogen sei (Abg. Graf Douglas: Er ist es nicht!) oder doch, wie er zuversihtlich hoffe, zurückgezogen werde; denn ihn aufrecht zu erhalten, sei nah der Erklärung der Re- gierung kein Anlaß vorhanden —, meine er, die Regierung werde bei ihrer demnächstigen Vorlage aus finanziellen Rücksichten die allseitig gewünschten Pensionserhöhungen in nicht zu weiten Grenzen vornehmen dürfen. Eine volle Anrehnung der Militär- dienstzeit bei der Pensionirung der im Communaldienst beschäftigten Militäranwärter werde niht durhführbar sein. Be- londere Beschleunigung beanspruhe die Neform der Pension der Keiegsinvaliden; bei dieser Ehrenshuld Deutschlands FTönnten finanzielle Schwierigkeiten nicht in Frage kommen. Die gestern bewilligten Colonialzushüsse sollte man mit dieser großen Frage iht in Verbindung bringen. Schließlih möchte er bitten, daß auch diejenigen Offiziere der Wohlthaten des Pensionsgesetzes von 1886 theilhaftig würden, welhe im Kriege von 1870/71 nicht auf dem Kriegsschauplaße thätig gewesen seien. Ihr Auss{luß sei vielleicht formell berechtigt gewesen, involvire aber thatsächlich eine arte. Ebenso verdienten aber die Wittwen derjenigen Offiziere eine größere Berücksichtigung, welche infolge der Kriegsstrapazen bald ad dem Kriege gestorben seien. Diese älteren Wittwen kämen nad dem neuen Gefeß schlechter weg als die jüngeren Wittwen. Auch das fei eine Härte. E

Abg. Freiherr von Manteuffel (cons.): Er wolle die Reso- lution zurückziehen, weil sowohl seitens der Militärverwaltung, wie eitens des Staatssecretairs des Reichs-Schaßzamts Erklärungen gegeben worden seien, welche die Ueberzeugung wach riefen, daß thatsächlich in dem von seiner Partei gewünschten Sinne eine Regelung dieser Materie vorgenommen werden würde. Seine Partei habe eine geseß- liche Regelung in dieser Session nur deshalb gewünscht, weil zur Zeit der Einbringung des Antrags noch nicht festgestanden habe, daß die Session vor Ostern ges{hlossten werden würde. Die Einbringung diejer Resolution bedauere feine Partei keinen Augenblick. Hätte sie di Resolution nicht eingebraht, dann wären auch die Erklärungen der Bundesregierungen nicht abgegeben worden. D

Abg. von Vollmar (Soc.): Seiner Partei erscheine auf diesem ganzen Gebiete eine Erhöhung der Pensionen für die Unteroffiziere und Soldaten als die dringendste Forderung. Ein durch Mißhand- lungen arbeitsunfähig gewordener Mann fei mit 27 A. pensionirt worden und die öffentlile Wohlthätigkeit habe für ihn eintreten müssen. Wenn die Sätze also geändert werden sollten, dann müsse vor allem auf die Soldatcn Nücksiht genommen werden. Was die Einrechnung der Pension in die Gehaltsbezüge in Reichs-, Staaks: und Communaldienst betreffe, so müsse mit in Betracht ge- zogen werden, wie ungemein {lecht die große Mehrzahl der Sub- alternposten dotirt sei, und man dürfe diefen späteren Beamten und Änterbeamten niht die aus ihrem Militärverhältniß herrührenden Rechte einfah wegnehmen. Die Zahlenansäße des Antrages Douglas e in diefer Beziebung das ungeheuerlihste, was ibm je vor- Pg mate sei; dem Maximalfaß für Offiziere von 6000 M. stellten GET rzen einen Marimalfay für Gemeine von nur 700 #. egen-

er! Mit der Zahl für die Offiziere müßte man ganz erheblich

herunter, mit den 700 4 für Gemeine ganz erbeblich herauf, zum mindesten um die Hälfte. Das müsse seine Partei der Regierung dringend an das Herz legen.

Abg. Lorenzen (dfr.) erneuert seine Bitte an die Regierungen, den chemaligen s{leêwig-holsteinshen Offizieren, welche 1848 bis 1851 activ gewesen jeien, ihr Wohlwollen zuzuwenden. Diese Offiziere hätten von der dänischen Regierung nur drei Monate lang Pension be- zogen und feien seitdem vollständig obne Pension geblieben; es sei eine cEbrensacs Deutschlands, für diefe Offiziere endlich einmal ein- zutreten.

Der Etat des allgemeinen Pensionsfonds wird genehmigt.

Beim Etat des Neichs-Jnvalidenfonds kommt __ Abg. Singer (Soc.) auf die Nothwendigkeit der Erhöhung der Pensionen der Kriegsinvaliden zurück, welche er für die dring- lihste hält und deren Verbindung mit der Aenderung des Pen- ntonsgeseßes ihm niht unabweislih erscheint. Die heutige Erklärung des Vertreters der Militärverwaltung sei ja jehr entgegenkommend; in der Commission habe derselbe Vertreter die Zulage für die Kriegs- invaliden als einen Schmuck, die Aenderung der Pensionsgesetzgebung überhaupt aber als eine Nothwendigkeit erklärt, und leßtere müse den Vorrang haben; das sei ungefähr das Gegentheil von der heutigen Ausführung. Die Invalidenpensionen datirten aus dem Jahre 1872; die Verhältnisse hätten sih in diesen 20 Jahren von Grund aus verändert. Die Leute, die zu Deutschlands Schutz im Felde geblutet hätten, fönne Deutschland niht mehr mit dem Almosen von damals abfinden. Troß der heutigen Erklärung aber hege er Zweifel, ob mit der wünschenswerthen Naschheit in dieser Sache gearbeitet werde; deshalb hebe er nochmals mit allem Nach- dru das dringende Bedürfniß hervor, die Kriegsinvaliden zu berück- sichtigen, damit diese Frage nicht in den Hintergrund ges{oben werde. n :

Commissar des Kriegs-Ministeriums General-Lieutenant von Spit:

Er begreife nicht, wie der Vorredner zu der Annahme komme, er hätte in der Budgetcommission eine andere Stellung eingenommen wie hier. Er habe gar feine Ansicht darüber ausgesprochen, was die Negierung eventuell thun würde und was ihr recht sei. Der Abg. Singer habe heute gemeint, daß das, was er bezüglich der Invalidenvensionen vorschlage, das Wichtigste sei. Was aber die Regierung in dem demnächstigen Gesetzentwurf vorschlagen werde, wisse er gar nit; er wisse mcht, ob dies nicht noch wichtiger fei. Er (Redner) stehe auch heute noch auf dem Standpunkt, daß er glaube, so nothwendig und wünschenswerth auch die Erhöhung der Invalidenpensionen sei, die Regierung, vom Gedanken des Staats und der Staatserhaltung beraus, babe sich gesagt, wenn cin noch fo ehrender Schmuck, eine Decoration, angeschafft werden solle, fo müsse er zunähst auf das Nothwendige und Nüßliche Rücksicht nehmen, wenn es fehle. Er verwahre sich also dagegen, daß er irgend etwas anderes îin der Commission gesagt habe als hier und daß die Militärverwaltung dem Hause gesagt habe, sie würde eventuell auf irgend einen Ailras, möge er von dieser oder jener Seite kommen, allein eingehen. Darüber habe er sich gar nicht ausgesprochen. ; Abg. Dr. Ortercr (Centr.): Er habe s{hon vorher gesagt, daß ihm auch die Zulage für die Kriegéinvaliden das Dringendere scheine: aus den Zeitungéberihten über die Commissionsverhandlungen habe er allerdings ungefähr denselben Eindruck gehabt wie der Abg. Singer. Durch die heutigen Erklärungen des Vertreters der verbündeten Re- gierungen sei er aber in dieser Hinsicht beruhigt.

Abg. Singer (Soc.): Er habe die Erklärungen des Regie- rungscommissars in der Commission genau so wiedergegeben, wie er sie gemaht habe; man habe daraus die Ueberzeugung gewinnen müßten, daß die Regierung die Regelung dieser Frage in Bezug auf die Kriegsinvaliden von der Regelung des Pensionswesens überhaupt abhängig machen wolle. Bei den Kriegsinvaliden handele es sich nicht um einen Schmuck, sondern um die Befriedigung der noth- wendigsten Lebensbedürfnifse. Seine Behauvtung in der Commission, daß die Regierung diese Frage als Vorspann benußte, um sich einen besseren Unteroffizierstand zu schaffen, halte er aufrecht. Der Reichstag habe aber feine Veranlassung, hierbei noch den Militarismus zu stärken. Seine Partei wolle lediglih die Invaliden in eine Lage bringen, daß sie nit zu hungern brauchten. i

Der Etat wird bewilligt.

Bei dem Einnahmekapitel Bankwesen, Antheil des Reichs am Reingewinn der Reichsbank 4570 000 4, Steuer von ungedeckten Banknoten 202 700 H verlangt

Abg. von Strombeck (Centr.) cine Vermehrung der Beamten- zahl bei einzelnen Bankstellen, wo die Geschäfte eine so unverhältniß- mäßige Zunahme erfahren hätten, daß die Beamten 10—12 Stunden Bureaudienst hätten.

Das Kapitel wird bewilligt.

Es folgt der Etat der Zölle, Verbrauchssteuern und Averse. Die Einnahmen aus den Zöllen sind auf 399 451 000 J veranschlagt. Hierzu liegt der Antrag der conservativen Abgg. Menzer, Graf Douglas und von Winterfeldt vor: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstage möglichst noch in dieser Session eine Vorlage zu unterbreiten, wonach der Zollsay für Tabackblätter, un- bearbeitete und -Stengel von §5 auf 125 A für den Doppel- centner erhöht werden soll. Der Antrag ist außer von den Deutschconservativen auch von den Nationalliberalen Brünin gs, Brun, Dr. Bürktlin und Dr. Clemm unterschrieben.

Berichterstatter Abg. Dr. Hartmann (cons.): Für die! Ver- anshlagung dieser Einnahmen sei nah altbewährtem Brauch der Durchschnitt der Einnahmen der leßten drei abgelaufenen Etatsjahre zu Grunde gelegt worden. In der Commission sei mit Nücksicht auf die geringeren Einnahmen im ersten Semester des laufenden Etats- jahres eine andere Veranschlagung angeregt worden: da aber nah den neuesten Ergebnissen bis Januar dieses Jahres doch ein Plus von 9500 000 Æ gegen das Vorjahr erzielt sei, fei dieses Bedenken erledigt. Für den Ausfall infolge der Handelsverträge habe man einen Ausgleich dur vermehrte Einfuhr erwarten zu dürfen geglaubt ; in welchem Maße, das entziehe sih jeder Berechnung. Besonders bei den Zolleinnahmen von Getreide sei nicht die Höhe des Zolles maßgebend, sondern der Bedarf und der Ausfall der nächsten Ernte. Die Com- mission habe es daher bei der Veranschlagung belassen, um so mehr, als dieselbe sehr vorsichtig sei und auch die Einzelstaaten sich in ihren Etats danach gerichtet hätten. Der Staatssecretär des Neichsschatz- amts babe in der Commission noch mitgetheilt, daß ein neues amt- liches Waarenverzeichniß mit Nücksicht auf die Zollveränderungen in Arbeit sei und voraussihtlih im nächsten Herbst veröffentlicht werden würde.

Abg. Broemel (dfr.): Auch in dem leßten Abschnitt der gegen- wärtigen langen Sefsion habe man es mehrfach mit Beschwerden zu thun gehabt, nah welchen nah Ansicht der Beschwerdeführer Zoll- saße zu Ünrecht erhoben worden seien. Diese Beschwerden über un- rehtmäßige Handhabung des Zolltarifs und Verschleppung der Ent- {eidung hätten sich, wie die Berichte der Petitionscommission auswiesen, ganz erheblich vermehrt. Er habe bisher geglaubt, zur Erledigung einer folhen Beschwerde durch den Bundesrath gehöre mindestens ein Zeitraum von zwei bis drei Iahren : die Erfahrung lehre jedoch, daß diese Ansicht noch viel zu optimistish sei. Die meisten Beschwerden brauchten bis zur Erledigung vier Jahre. Eine 1883 erhobene Be- {werde über die Verzollung von Kokosgarn sei sogar jeßt noch nicht erledigt. Ein solcher RNechtszustand sei für einen Cultur- und Rechtsstaat auf die Dauer unhaltbar. Ferner sei wiederholt darüber Beschwerde geführt worden, daß die endgültigen Entscheide des Bundesraths in jolchen Zollsachen die einfahe Floskel enthielten: „Der Bundesrath hat beschlossen, Ihrer Eingabe keine Folge zu geben.“ Kein Grund, keine Spur einer Erörterung oder Belehrung werde in den Entscheiden ge- geben. Es sci gesagt worden, der Bundesrath kenne die Motive nicht, aus welchen die eine oder andere Einzelregierung so oder so gehandelt habe, und könne daber keine Motive angeben. Dadurch wäre doch für den

Bundesrath selbst eine sehr nachtheilige Situation geshaffen. Die allerschmerzlichsten Erfahrungen hätten aber zahlreihe Gewerbe- treibende mit den Nach orderungen von Zöllen machen müssen, welhe die Zollämter erhöben, wenn sie vorher einen zu niedrigen Zoll erhoben zu haben glaubten. In einer geordneten Ver- waltung eines großen Reiches dürfe doch so etwas überhaupt nit vorkommen, wenigstens müßte doch ein Zollgericht errihtet werdens Der Reichstag babe in dieser Session, nämlih im Juni 1890, {on beschlossen, die verbündeten Regierungen um tie Vorlegung eines Gesetzentwurfs, betreffend die Errichtung eines Zollgerichts, zu ersuchen. Bis heute sei man ohne jede Antwort geblieben. Das sei ein Zustand, der wirkli unerträglih sei. Wenn Geld gefordert werde, wenn neue Ausgaben vorgeschlagen würden, dann seien die Vertreter der Regie- rungen in sehr großer Zahl am Platze: wenn aber Jnitiativanträge aus dem Hause oder Beschwerden über Verwaltungsmaßregeln zur Berathung ständen, dann sei nicht allein kein Einziger der Herren bereit, Nede und Antwort zu stehen, nein, dann seten sie überhaupt gar nicht anwesend. Es sei die Pflicht des Hauses, mit aller Energie die Reform in dieser Frage in Angriff zu nehmen.

Staatssecretär Freiherr von Malßtahn:

Ich habe zu meinem Bedauern © eitien größen Theil der Aus- führungen des Herrn Vorredners nicht deutlih verstehen können, weil es ibm gefiel, dieselben nicht gegen den Tisch des Bundesraths zu richten, obwohl er den Bundesrath angriff, sondern nach einer anderen Richtung im Saale zu sprechen, wodurch es mir unmöglich wurde, völlig zu verstehen, was gemeint war.

Aus dem Wenigen, was ih gehört habe, habe ih aber den Ein- druck gewonnen, daß der Herr Vorredner das Verfahren des Bundes- raths beftig angegriffen und dabei seinen Ton sehr hoh gespannt hat. Es legt mir dies die Pflicht auf, diejenige verfassungsmäßige Körper- schaft des Deutschen Reichs, welche zu vertreten ich hier berufen bin, gegen ungerehtfertigte Angriffe zu decken, so viel bei mir steht. (Bravo! rechts.)

Ich habe Aeußerungen gehört oder zu hören geglaubt, wie die, die von dem Bundesrath sfanctionirte Verwaltung urseres Zoll- wesens involvire eine unrechtmäßige Handhabung des Zolltarifs. Ich weise auf das entschiedenste diese Behauptung zurück (Bravo! rets), und wenn von Seiten des Bundesraths von denjenigen Beschwerden in Zollsachen, welche bis an den Bundesrath gelangt sind, ein ver- hältnißmäßig großer Theil sih als unbegründet herausstellt und des- wegen als unbegründet zurückgewiesen sein mag, wenn ein Theil dieser Beschwerden hier im Neichstag eine wohlwollendere Beurtheilung erfahren hat als im Bundesrath, so proteftire ih dagegen, daß daraus gefolgert werden könne, die zufällige Majorität in einer Reichstags- situng habe in einer derartigen Angelegenheit Net, und der Bundes- rath behandle die Leute unre{chtmäßig. Meine Herren, der Bundesrath ist verfassungsmäßig berufen, über die Ausführung unserer Zollgesetz- gebung zu wachen, und allein zu wachen, und die Mitglieder des Bundesratbs erfüllen damit eine ihnen zugewiesene Pflicht nah ihrem besten Wissen und Gewissen. (Bravo! rechts.)

Nun aber die einzelnen Punkte, die der Herr Vorredner vor- getragen hat: Er hat sih zunächst über die Vershleppung beschwert ; cs dauere unendlich lange, bis eine Beschwerde in Zollsahen dur den Bundesrath zur Entscheidung komme. Ja, meine Herren, das ist ganz natürli; denn der Bundesrath wird mit derartigen Beschwerden nicht eher befaßt, als bis die sämmtlichen Instanzen der einzelstaatlichen Verwaltungen erschöpft find. Bekanntlich hat nah unserer Verfassung das Reich nicht die Zollverwaltung selbst auszuüben ; sondern sie liegt bei den Einzelstaaten, und erst dann, wenn die letzte Instanz des Einzelstaats gesprochen hat, kommt die Sache an den Bundesrath, erst dann kann der Bundesrath entscheiden ; bis dahin vergeht bisweilen viel Zeit.

Nun war ich gespaunt, die cinzelnen Fälle von dem Herrn Vor- redner nennen zu hören, in denen eine solche „böëwillige“ Vershl eppung dargethan ist. (Zuruf links: „Böswillig“ habe ih niht gesagt.)

- Ich habe den Sinn fo verstanden, ich habe auch nicht geglaubt, daß der Herr Vorredner das Wort gesagt hat. Nun, es wurde eine Beschwerde wegen zolltarifarischer Behandlung der Kokosfasern angeführt. Diese Beschwerde is von dem Bundesrath seit sehr langer Zeit entschieden : sie ist nur in anderem Sinne entschieden, als später die Petitiorscommission des Reichstags es aufgefaßt hat. Es ift, nachdem die Entscheidung gefallen und publicirt war von der dur die Verfassung an letzter Stelle berufenen Instanz, dem Bundesrath, nun der Mann an den Reichstag gegangen. Es is seine Beschwerde von Seiten des Reichstags behandelt und dem Bundesrath ih weiß nicht, in welher Form befürwortend überwiesen tw orden und auch auf diese Refolution des Reichstags hat der Bundesrath bereits den Beschluß gefaßt, der Auffassung des Reichstags nicht bei- zutreten. Das mögen Sie materiell mißbilligen, der Bundesrath hat dies aber gethan in Ausübung feines verfassungsmäßigen Rechts und seiner verfassungsmäßigen Pflicht : er hat eben entshieden. Neuerdings ist die Sache wieder im Reichstag zur Verhandlung gekommen, und auf Grund eines Berichts der Petitionscommission, welcher datirt ist vom 13. März 1891, hat der Reichstag abermals die Petition den verbündeten YNegierungen befürwortend überwiesen; und darüber hat allerdings der Bundesrath noch keinen Entschluß gefaßt. So liegt diese Sache.

Nun der zweite Vorwurf, welchen der Herr Vorredner dem Ver- halten der verbündeten Regierungen macht, daß nämlich die Entschei- dungen des Bundesraths, wenn sie den Betheiligten mitgetheilt würden, ohne Gründe mitgetheilt würden. Ja, meine Herren, wie sollte das anders sein! Der Bundesrath ist eine entscheidende Instanz, in welcher die sammtlichen deutschen Negierunyen vertreten sind durh ihre er- nannten Bevollmächtigten, und in welcher diese Bevollmächtigten nach den ihnen ertheilten Instructionen stimmen. Es wird unter hundert Fällen kaum einen geben, in welchem die leitenden Motive bei den sämmtlihen Regierungen sch f} vollkommen decken, daß man sie publiciren kann. Ueber diese Motive selb wird bekanntli) niht abgestimmt, fondern namens der betreffenden Negierung wird die Stimme in dem bestimmten Sinne im Bundes- rath abgegeben, und die Gründe werden weder zu Protokoll gegeben, noch kann man sie dem dadurch Betroffenen publiciren. Aber, meine Herren, ohne Kenntniß der Erwägungen, die zu einer solhen Ent- scheidung führen, wird in den meisten Fällen der Betreffende nicht fein, denn jedenfalls wird ihn die einem folchen Entschluß des Bundes- raths vorausgegangene Entscheidung der obersten Finanz-Landesbehörde niht ohne Kenntniß derjenigen Gründe gelassen haben, welche zur Entscheidung führten.

Der Herr Vorredner hat nun beiläufig gesagt, es sei gegen das Waarenverzeichniß von 1888 wegen des Geistes, in dem es redigirt. sei, eine ganz ungewöhnlich große Anzahl von Beschwerden ergangen.