1892 / 62 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 11 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

pflihtmäßigen Ueberzeugung der Staatsregierung niht im stande sind. Aber wie bereits alles das, was der Herr Abg. Kropatscheck nach dieser Richtung als einen Wunsch bezeichnet hat, bereits im Unterrichts - Ministerium vielfah zur Anregung gekommen ist, so bin ich sehr gern bereit, darauf - cinzuwirken, daß au für diese Anstalten größere Besoldungsgemeinschaften gebildet werden, dies ist die Vorausfeßzung, die conditio sine qua non einer ordnungsmäßigen und verständigen Regelung des Gehaltwesens an den böheren Lehranstalten in den fleineri Städten. Und wenn dieser Etatstitel, wie ih hoffe, ge- nehmigt sein wird und die Unterrichtsverwaltung zu sciner Aus- führung Zeit gewinnen wird, so soll es niht an mir liegen, daß jene Anregung eine volle, energishe Ausführung bekommt.

Dagegen stimme ih nicht überein mit den Ausführungen des Herrn Abg. Kropatscheck in seiner Bemängelung der Verquickung der (GGehaltéaufbesserung mit der Schulgelderhöhung. Die Bedenken, die er für kleinere Gemeinwesen hervorgehoben hat, sind doch wohl etwas übertrieben. Aber die Frage lag ja auch gar- niht so, daß man die Lehrergehälter hätte aufbessern können auch obne diese Verquickung. Für mich lag die Frage lediglich fo: willst du die Erböhung der Lehrergehälter überhaupt haben, dann mußt du auch die Erhöhung des Schulgeldes mit in den Kauf nehmen Sie werden mir gewiß zugeben, daß ih richtig gehandelt habe, daß ih mich an solche fleinen Bedenken nicht stieß, und zwar umsoweniger als ja von allen Seiten des hohen Hauses die Berechtigung der Er- böhung des Schulgeldes anerkannt worden ist. Diese Erhöhung wird auch durch zwei Punkte ganz wesentlih gemildert, von denen der eine bisher niht erwähnt worden is, nämlih einmal durch die bestehen bleibenden 109/96 Freistellen und zweitens durch den Umstand, daß das Schulgeld für die höheren Bürgerschulen künftig nur 80 M. beträgt, daß also gerade die breiten Schichten der Bevölkerung, roelche ihre Kinder auf eine höhere Schule schicken, sih aber mit der Bildung der sechs\tufigen realistischen Anstalt begnügen, durch den Schuldgeldbetrag selbst keine unershwinglihe Auflage bekommen.

Was die Schulgeldbefreiung der Lehrersöhne betrifft, so gestatte ih mir zunächst darauf hinzuweisen, daß in dem § 8 nur steht: den Lehrern steht ein Anspruch auf Befreiung vom Schulgeld für ihre Söhne niht zu; also es is nur der Gedanke ausgeführt, daß sie gewissermaßen feinen klagbaren Titel auf. Schulgeld- befreiung haben. Daß aber eine Unterrichtsverwaltung in Preußen jemals die Wünsche der Lehrer nah dieser Nichtung bin nicht mit vollem Wohlwollen behandeln sollte, halte ih geradezu für aus- geschlossen. Ich glaube, es wird für die Zukunft genau fo bleiben, wie es bisher in dieser Beziehung immer gewesen ist.

* Endlich die Nangverhältnisse. Ih habe gestern mir schon ge- stattet, darauf hinzuweisen, daß über die Erhöhung der Titel 2c. nah der Nichtung der Erfüllung der Wünsche des höheren Lehrerstandes Berhandlungen innerhalh des Staats-Ministeriums schwebea, daß diese Verhandlungen noch nicht zum Abschluß gekommen sind, daß ich aber hoffe, sie werden allen berechtigien Wünschen entsprechen.

Abg. Dr. W uermeling (Centr.): Er spvrehe der Regierung feinen Dank dafür aus, daß sie den Lehrern fo erhebliche Ver- besserungen zugewendet habe. Er bitte auch die Lehrer, dies anzu- erkennen und 1h bei dem Bewilligten zu beruhigen. Die Erklä- rungen des Ministers über die Oberlchrer-Zulage hätten ihn zum theil berubigt; aber es blieben doch einige Bedenken übrig. Der Minister habe auch davon gesprochen, daß die Facultäten berücksichtigt werden sollten. Warum solle denn gerade ein Lehrer, weil er Mathematiker sei, die Zulage bekommen, ein Lehrer eines anderen Faches aber nicht, trotzdem er sie vielleicht eher verdiene? Der Frage der Hilfslehrer habe {hon Herr von Goßler scine Aufmerksamkeit zugewendet. Er (Nedner) nehme an, daß der jeßige Minister auch anerkenne, daß auf diesem Gebiete niht Alles so sei, wie es sein folle. Es set an manchen Schulen eine so große Zahl von Hilfslehrern be- schäftigt, daß es nothwendig sein werde, ctatsmäßige Stellen zu schaffen, um die Hilfslehrer definitiv anzustellen. Namentlich gelte das von communalen Anstalten. Die Zeit als Hilfslehrer müsse nicht bloß auf die Pensionsberechtigung angerechnet werden, sondern auch bei der Berechnung der Alterszulagen. Die Lehrer der höheren Lehranstalten könnten sih am ersten mit den Kre. s-Schulinspectoren vergleichen, welche aus den nur seminaristisch gebildeten Lehrern und aus den Lehrern ohne Oberlehrer - Zeugniß entnommen würden. Die Kreis - Schulinspectoren ständen sich viel besser als die Lehrer der höheren Lehranstalten. Nedner erklärt sich für die Anträge Meyer, betreffend die Gleichstellung der Berliner Bororte mit Berlin, für den Antrag Sperlih und für den Antrag Kropatscheck, betreffend die Gleichstellung der Lehrer der höheren Anstalten mit den Richtern. Bon der Regierung, namentlich von den Staats-Ministern Graf Zedliß und Miquel, die beide aus der Selbstverwaltung hervor- gegangen seien, erwarte er, daß fie bezüglih der nichtstaatlihen An- stalten feine Gewalt gegen die betheiligten Communen gebrauchen würden. Zwangsmittel ständen der Regierung ja ohne weiteres nicht zuz er glaube, cs würde rathsam sein, wenn die Negierung versuchen wollte, durch die Gewährung einer Subvention die Städte zu be- wegen, für ihre Lehrer den Normal-Etat einzuführen.

Abg. Schaffner (ntl.): Zunächst danke er der Negierung sciner- feits und im Namen der Lehrer des Unterlahnkreises, daß zur Durch- führung des Normal-Etats für die Directoren und Lehrer bei den unter Kapitel 120, Titel 2 bis 4 aufgeführten Anstalten, sowie zur Œ&rhöhung der Remunerationen auf Hilfslehrer 1 400 000 ( im Etat aufgeführt seien. Er betrachte diesen Schritt als einen wesent- lichen, da man zur Aufbesserung der Lehrergehälter in diesem Fabre den Anfang gemacht habe und gebe \sich der frohen Hoffnung hin, daß, da die Wünsche der Lehrer noch nicht so ganz erfüllt seien, dieser Gegenstand noch nicht seinen Abschluß finden werde, sondern daß bei besserer Finanzlage des Staats und bei Gelegenheit einer allgemeinen Aufbesserung der Beamtengehälter die Lehrer an den angeführten Anstalten an Gehalt und Nang mit den Richtern erster . Instanz gleichgestellt werden würden. Er betrachte dies um so mehr als die Abtragung einer (Fhrenschuld, da dieser Gegenstand das Haus schon seit vielen Jahren beschäftige. Er empfehle den Antrag Dürre und den Antrag Kro- patscheck zur Annahme und wolle nur noch hinzufügen, daß man an den nichtstaatlihen Anstalten die Gemeinden nicht zu sehr belasten möge, weil kleinere Gemeinden oft niht in der Lage seien, größere Opfer zu bringen, und weil bei ciner stärkeren Belastung der Gemeinde die Schule leiden würde.

Abg. Bachem (Centr.): Die Regierung habe si selbs noch nicht definitiv gebunden auf dem Normal-Ctat, wie er vorgelegt sei. Der Normal - Etat sei dem Hause nur als Denkschrift vorgelegt worden. Das Haus folle nur das Geld bewilligen; eine Durch- berathung der einzelnen Paragraphen habe in der Budgetcommission nicht stattgefunden. (Widerspruch rechts.) Wenigstens habe der Referent hier die einzelnen Paragraphen niht erläutert. Der Erttwurf sei ein Monolog des Ministeriums, ebenso wie die im Hause ge- haltenen Reden Monologe seien und bleiben würden, so lange niht der Minister den Entwurf nah den eingebrahten Vor- \chlägen ändere. Das Haus fei in einer Zwangslage (Wider- spruch links); denn wenn es den Norfnal - Etat ändere, dann werde für dieses Jahr * die Erhöhung der Lehrergehälter wieder zu Wasser. (Widerspruch links.) Die - Erklärung des Ministers lasse darüber keinen Zweifel. Ein folhes Vor-

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gehen, wie die Regierung es beliebt habe, sei budgetrehtlich nicht zulässig. Die Regierung hätte dem Hause eine Geseßvorlage machen sollen (Widerspruh rets), wie dies bezüglih der “Gehälter der Volksschullehrer geschehen fei. Der Minister habe ein Geseg be- züglih der nichtstaatlihen Anstalten in Ausficht gestellt; wenn - er die Gemeinden zwingen wolle, dann müsse der Staat erst mit gutem Beispiel vorangehen und müsse sich selbst erst binden. Jett sei die Regierung in der Lage, m nächsten Jahre den Normal-Etat wieder zu ändern, sie brauche dem Hause nur eine neue Denkschrift vorzulegen. Er wolle der Anwendung des Normal-Etats jeßt nicht widersprechen, aber nur für dieses Jahr. Nachher müsse die Sache geseßlich geregelt werden. Alle Parteien hätten den Normal-Etat in den verschiedensten Punkten bemängelt, deshalb follten auch alle Parteien das Bedürfniß haben, den Normal-Etat im einzelnen zu berathen. 1872 habe man den Normal-Etat im Hause abgeändert. Warum nehme das Ministerium jeßt eine andere Stellung zu der Frage ein? Eine Erklärung sei dafür bisher nicht gegeben.

Referent Abg. Dr. Sattler (nl.): Die Commission sei der Ansicht gewesen, daß die Regierung mit dem Normal-Etat eine moralische Verpflichtung übernehme, und daß es ein Vertrauensbruch sein würde, wenn sie die bewilligten Mittel anders ausgeben wolle. Die Budgetcommission hat den Normal-Etat paragraphenweise be- rathen, die gewünschte Aenderung sei in Gestalt einer Resolution zum Ausdruck getommen.

Abg. Francke (nl.): Er könne als Vorsitzender der Budget- commission dem nicht ganz zustimmen. In der Budgetcommission sei die Frage , ob der Normal-Etat abgelehnt werden könne, gar nicht zur Entscheidung gekommen. Der Punkt, welcher habe geändert werden follen, fei durh eine Resolution geändert worden, weil die Regierun; dieser Aenderung zugestimmt habe. Die hier aufgeworfene Frage, oh der Normal-Etat abgeändert werden könne oder niht, müsse hier entschieden werden aus dem Grunde, weil Anträge aus dem Hause zum Normal-Etat gestellt seien. Diese leßteren könnten gar nicht zur Abstimmung gebracht werden, wenn man auf dem Standpunkt stehe, daß der Normal-Etat unveränderlih sei. Diese Frage lasse ih am zweckmäßigsten morgen in der Budgetcommission entscheiden, damit das Haus übermorgen in der Sache fortfahren könne.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Der Herr Abg. Franke sagt, die hier aufgeworfene Nechtéfrage muß bei dieser Gelegenheit entshieden werden. Jch werde Sie bitten, diese Frage staatsrehtliher Natur, die hier aufgeworfen ift, bei dieser Gelegenheit nicht zu entscheiden, weil sie hier niht erst entschieden werden kann und weil sie au nit entschieden zu werden braucht, da sie practisch genau das\elbe Resultat erreichen, als wenn Sie diese nah meiner Meinung nur bei Berathung des Comptabilitäts- geseßes zu lösende Frage bei dieser Gelegenheit entscheiden wollen. Meine Herren, wir haben die Frage in ähnlicher Richtung {hon be- handelt bei Gelegenheit der Denkschrift, welche seitens der Staats- regierung vorgelegt wurde, um zu zeigen, nach welchen Grundsäßen sie verfahren würde bei Einführung der Alters- zulage. Das war staatsrehtlich genau dieselbe - Frage. Da- mals haben die Budgetcommission und das Haus sih mit den Grund- säßen der Staatsregierung dahin einverstanden erklärt, daß zwar die Staatsregierung dem Landtag gegenüber eine moralische Verpflichtung übernahm, nach Maßgabe dieser Denkschrift die Alters- zulagen zu regeln, aber - daß eine staatêrechtlide Verpflichtung weder dem Landtag gegenüber noch dem einzelnen Beamten gegenüber vorliegt. Um in dieser Bezichung noch sicherer zu sein und auch den Charakter dieser Denkschrift als einer Motivirung der Etatsposition noch näher festzulegen, hat die Staatsregierung ih der Resolution der Budgetcommission bereitwillig angeschlossen. wona sie sich verpsiüchtete, von allen Abänderungen, welhe etwa an den Grundsäßen dieser Denkschrift vorgenommen werden follen, vorher dem Landtag Kenntniß zu geben, weil dann dadurch der Landtag in die Lage käme, nunmehr entsprechend einer solchen Abänderung auch in dem dispositiven Theil des Etats Aenderungen eintreten zu lassen.

Hier licgt die Frage genau so. Die Staatsregierung hat Ihnen gar keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Wie können Sie nun Jagen, Me f en Geseßentvurs2 Die Slaats- regierung hat Ihnen nur eine Denkschrift vorgelegt, um die Etats- positionen in ihrer Höhe zu motiviren. Sie hat gesagt, wir wollen die Summe, wenn sie uns bewilligt wird, in der und der Weise ver- wenden in Betreff der Gehalte der Lehrer an den höheren Schulen.

Es hat immer der Grundsaß gegolten, und die Staatsregierung hat diesen Grundsaß immer festgehalten, daß sie in Bezug auf die Einzelvertheilung der bewilligten Summen für Gehalte ibrerseits frei verfügen könne, soweit nicht der Etat ihr bestimmte Schranken sett. Bis dahin sind diejenigen Beträge, welche für die einzelnen Ver- waltungsbeamten-Gemeinschaften in Minimalsäßen, Mittelsäßen und Marimalsäßen vorgesehen waren, im einzelnen im Verwaltungswege vertheilt worden, und darum hat der Landtag si nie bekümmert. Genau fo war es nun bei den Alterszulagen, wo die Mittelsätßze wegfielen, und nur die Minimal- und Maximalsäße blieben. Da sagte die Staatsregierung dem Landtag gegenüber, wir wollen bei der Ver- theilung dieser nun anderweit normirten Säße verfahren nah Maß- gabe des Inhalts der Denkschrift.

Nun liegt hier aber in concreto die Sahe noch ganz anders. M baben & a Vier nux mt Summen zu thun, welhe den Charakter von einzelnen Gehaltsbewilligunger zwar nicht involviren, vielmehr mit Bedürfnißzuschüssen zu bestimmten anderen Verwaltungen. Unsere Schulen, auch soweit sie Staats- schulen find, haben ja Corporationsrehte. Wir haben bisher ledigli Zuschüsse zu den Auëgaben derselben bewilligt ebenso wie bei den Uni- versitäten, wir haben die einzelnen Gehaltssätze hier im Landtag gar- nicht festgeseßt. In den Erläuterungen allerdings, wenn Mehrforde- rungen kamen, ist gesagt worden: die Summe, die die Staats- regierung mehr fordert, foll verwendet werden für den und den Zweck, für die Anstellung eines Professors, für die Erhöhung des Gehalts des Professors, aber dispositiv ift darüber niemals abgestimmt worden. Wenn Sie aber heute nun den Normal-Etat zu einer Anlage machen, dann gehen Sie von dieser bisher stets beobachteten Praxis ab. Sie sagen: ob- wohl es sih um Zushußverwaltungen handelt, wollen wir doch die Gehaltsfäße im einzelnen festsezen. Nun frage ich, is es angezeigt, diese schwierigen staatsrehtlichen Fragen bei dieser Gelegenheit lösen zu wollen, die sich an diesen Punkt knüpfen, die sich namentli auch ausdehnen auf die Stellung der Staatéverwaltung im Etatsreht zu denjenigen Corporativen selbständiger Persönlichkeit, deren Einnahmen und Ausgaben niht als Staatseinnahme anzusehen sind, während die Verfassung nur davon spriht, alle Einnahmen und Ausgaben des Staats auf den Etat zu bringen. Jch will hier nicht weiter auf die Sache eingehen. Ich frage: is nun praktisches Be- dürfniß vorhanden, in diefe präjudizirlichen und schwierigen \taatsrecht- lichen Fragen bei diefer Gelegenheit einzutreten 2? Sämmtliche Herren

Redner haben erklärt: fie hätten das Vertrauen zur Staatsregierunz daß, wenn .der Normal-Etat bewilligt wäre, in Gemäßheit desfelbey werde verwaltet werden. Und ich glaube, dies Vertrauen dürfen Sio wirklich auch zur Staatsverwaltung haben. Es ift ja ganz unmöglich daß irgend eine Staatsverwaltung anders verfahren fönnte. (&x. richtig!) Sie haben also in dieser Beziehung die volle Garantiz Würden Sie im nächsten Jahre aus den Erfahrungen, die in der Zwischenzeit gemacht sind, entnehmen, daß diese Grundsäte wie sie in dem Normal-Etat enthalten find, in mancher Beziehung zu ändern sind, so haben Sie immer wieder Gelegenheit Sre Antige u flellen Und auch die betreffende Summe zu ändern, wenn es erforderlich ist. (Bewegung links.) ‘Der Landtag is jedes Jahr in der Lage, wieder auf den Gegenstand zurückzukommen. Ich kann unter diesen Um- ständen nur dringend bitten, was ih schon bei früherer Gelegenheit gethan habe, alle diejenigen Anträge, die die Form einer directen Aß. änderung des Normal-Etats annehmen, schon aus diefen formellen Gründen zurückzuweisen. Die Budgetcommission hat ja ganz correct verfahren: sie hat die Staatsregierung aufgefordert, in bestiunmten Punkten den Normal-Etat * zu ändern, d. h., andere Grundsätze in Beziehung auf die Vertheilung der Mittel anzunehmen. Wir haben uns darüber geäußert; solhe Anträge sind ganz unbedenklih, aber Apn- träge, die den Normal-Etat wie einen Geseßentwurf he. handel, Valle M Ml ch« \UL Cortect. G D Glau ih, au der Herr Abg. Bachem ganz richtig darauf hin- gewiesen: wohin das führen folle, wenn in der Weise verfahren wird, wie der Abg. Rickert beantragt. Das würde do heißen, einen ganzen Geseßentwurf en bloc annchmen. Meine Herren, ist der Normal: Etat ein Geseßzentwurf, dann möchte er im einzelnen durberathen werden. Dann - müßte jedem Abgeordneten Gelegenheit gegeben werden, zu jeder einzelnen Position Anträge zu stellen. Hier it aber in Bausch und Bogen discutirt worden, also können auch feine Specialanträge gestellt werden.

Ich bitte Sie also, in diesem Sinne alle vorliegenden Anträge zu behandeln. (Bravo!) i

Abg. Nicker t (dfr.): Er habe die Absicht gehabt, {on in einem früheren Stadium der Berathung die Ueberweisung seines An- trages und den Tit, 5 an die Budgetcommission zu beantragen. Man habe ihm aber gerathen, die Rednerliste ers noch laufen zu lassen. Nunmehr beantrage er ausdrücklich, seinen Antrag und den Tit. 5 der Commission zu überweisen, umsomehr als der Abg. Bachem und der Finanz-Minister die Tragweite seines Antrags mißverstanden hätten. Es sei nicht entfernt davon die Rede, daß nun der Normal-Etat en bloc angenommen werden solle, sondern es handle sich um den Normal-Etat, der aus den Be- \chlüssen dieses Hauses hervorgehen werde. Das sei ja ganz \elbst- verständlich. Das Haus habe ein Necht, die Meinung der Commission darüber zu hören, ob hier eine Geseßesvorlage oder eine Denk: chrift in Frage sei. Der Finanz-Minister meine, die Frage könne erft beim Coömptabilitätsgeseß entschieden werden. (Vice- Präsident von Benda bittet den Redner, zur Geschäftsordnung zu sprechen.) Er dürfe do die Gesichtspunkte des Finanz-Ministers nicht unerwidert lassen. (Rufe rehts: Geschäftsordnung!) Die Frage müsse jeßt schon entschieden werden, weil fonst der Finanz-Minister sich auf Präjudizien berufen werde. Der Finanz-Minister habe gesagt, das Haus möchte ihm vertrauen (Nufe rechts: Geschäftsordnung!) Man könne ihn doch nicht hindern, dem Finanz-Minister zu antworten. (Widerspruh rechts.) Das Haus kTöune dies Vertrauen nit haben, weil, wenn das Herrenhaus eine andere Resolution annehme wie das Haus der Abgeordneten, dann die Regierung zwischen Thür und Angel stehen würde.

Abg. Graf zu

( Sehr

6 Limburg-Stirum (cons.): Die Regierung habe dem Antrag des Abg. Korsch, betreffend die Gehälter der Directoren, zugestimmt; obglei dieser Antrag cine Mehrausgabe enthalte, brauche er deshalb nicht der Budgetcommission überwiesen zu werden. Die anderen Anträge führten aber Mehrausgaben herbei, deshalb bitte er, sie sämmtlich) durch Uebergang - zur Tages- ordnung zu erledigen.

Abg. Korsch (cons.) hält diesen Ausweg niht für richtig. Vielleicht könnten einige Anträge in die Form ciner Nefolution ge- kleidet werden.

Abg. Freiherr von Huene (Centr.): Das Haus komme über die Frage wohl nicht anders hinweg als dadurch, daß es die Sade an die Budgetcommission zurückverweise. i

Gegen die Stimmen der Conservativen und Freiconser- vativen wird darauf der Normal-Etat mit allen eingegangenen Anträgen an die Budgetcommission verwiesen.

Zur Einführung der Versorgung der Hinterbliebenen der Lehrer und Beamten der höheren Lehranstalten find 321 487 eingeseßt, 297487 46 mehr als im laufenden Etat. :

Abg. Dr. Graf- Elberfeld (nl.) dankt dafür, daß diese Mehr- ausgabe eingestellt sei und dadur die Lehrer von der Beitragspflicht zur allgemeinen Wittwenverpflegungsanstalt befreit würden.

Der Titel wird bewilligt.

Das Haus vertagt sih darauf. Nächste Sizung Sonn- abend 11 Uhr. Auf der Tagesordnung steht die Fortsezung der zweiten Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts- Etats für 1892/93 und zwar: Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten.

Schluß 4 Uhr.

Nr. 6 des Amtsblatts des Reichs-Postamts hai folgenden Inhalt: Verfügung vom 3. März 1892: Austausch von Postyacketen mit Niederländish-Indien, den Straits-Settlements und Deutsch-Neu-Guinea.

Nr. 3 des Archivs für Post und Telegraphie- (Beiheft zum Amtsblatt des Reichs-Postamts, herausgegeben im Auftrage des Reichs-Postamts) hat folgenden Inhalt: 1. Actenstücke und Auffaße: Die Reichstagsberathungen über den Etat der Reihs-Post- und Telegraphenverwaltung für 1892/93. Das Telegraphenwesen 11 Holland und Belgien (Schluß). 11. Kleine Mittheilungen : Messung der Induction der Kabeladern auf einander. Das Bankwesen 11 China. III. Literatur des Verkehrswesens: "Traité de Législat10n et d’Exploitation postales par Paul Jaccottey, Professeu!- adjoint à l’école professionelle ezupérieure des Postes et des Télégraphes. Paris. Société d’Imprimerie et Librairie ad- ministratives et des Chemins de fer. 1891. 89 1017 Seiten.

Nr. 10 der Veröffentlihungen des Kaiserlichen Ge- sundheitsamts vom 8. März hat folgenden Inhalt: Personal nachricht. Gesundheitsstand. Mittheilungen über Volkskrankheiten, insb. Influenza. Gesundheitszustand und Sterbefälle im Januar. Sterbefälle in deutslhen Städten mit 40000 und mehr Ein- wohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkran- kungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl: in deutschen Stadt und Landbezirken. Geburten und Sterbefälle in Berlin, Elberfeld, Nürnberg, Dreéden 1891. Witterung. Thierscuchen in Rußland 1888. Rinderpest in der Türkei. Veterinär-polizeiliche PVcaß- regeln. (Großbritannien, Schweden.) Gesetzgebung u. !, w- (Preußen.) Begräbnißplätze. (Oesterreich.) Haarfärbungsbalsam- Arzncifabrikate von Nichter u. Co. (Galizien.) Haarfärbe- mittel. (Großbritannien). Arbeiterwohnungen. (Fortseßung.) Nechtsprehung. (Ober-Landesgericht Breslau und Landgericht Brieg.)

Thierhcilmittel. —— Verhandlungen von esetgebenden Körperschaften. Thees Reich.) Kuvppelei, Zuhälterthum N. f w. Desgl. Apothekenfrage. (Baden.) Kunstweinfabrikation. Vermischtes. (Desterreich.) Infectionskrankheiten. Sterbefälle in deutschen Srten mit 15000 und mehr Einwohnern, Januar. Desgl. in E Orten des Auslandes.

größeren s Nr. 2 des Ministerial - Blatts für die gesammte innere Verwaltung in den Königlih Preußische n Staaten (herauêgegeben im Bureau des Ministeriums des Znnern) bat folgenden Inhalt: I. Vrganisations - Sachen. Behörden und Beamte. Circular, Bestimmungen in Betreff der bei den Königl. Generalcommissionen_ beschäftigten Zeichner, Hilfszeichner, Meliora- nétecniker und Wiesenbaumeister. Vorschriften über Annahme und Ausbildung der Bureaubeamten bei den Generalcommifsionen und Syecialcommissionen. Verfügung, betr. den Titel des obersten tecmishen Beamten des hohbenzollernshen Landes-Communalverbandes. 11. Verwaltung der Communen, Corporationen und Institute. Befanntmachung, betr. ‘den Stadtfreis Müblhausen. Bekannt- machung, betr. den Stadtkreis Landsberg a. W. Circular, Berich tigung cines Fehlers in dem Muster zum Nachtrage zu dem Gemeinde- Einkfommensteuer-Regulative. Il. Polizeiverwaltung. A. Gendar- merie. Verfügung, betr. die Zahlung der Remontegelder eines ver- storbenen Gendarmen auf die Dauer des Gnadenguartals an die Hinterblicbenen. B. Versicherungswefen. Verfügung, betr. den Um- tausch von Quittungskarten bei der Invaliditäts- und Altersversicherung. Verfügung, betr. die Inbvaliditäts- 2. Versicherung der städtischen Nihmeiïter. Cirkular, betr. die Frage der Verpflichtung der Schau- spieler 2c. zur Invaliditäts- 2c. Bersicherung. N Verfügung, betr. die Auslegung des Reichsgeseßes vom 5. Mai 1886 über die Unfall- versicherung der im landwirthschaftlihen 2. Betriebe beschäftigten Personen. 1V. Verwaltung der öffentlichen Arbeiten. Cirkular, betr. die Vertragsbedingungen für die Ausführung von Hochbauten und Wasser- 2c. Bauten in Bezug auf -die Krankenversicherung der Arbeiter. Cirkular, betr. die Ausführungsvorschriften für die staat- liche Unfallversicherung in Bezug auf die Betriebe der Staats- bauverwaltung. V. Verwaltung für Handel und Gewerbe. Cirkular, betr. die Regelung der Sonntagéruhe im gesammten Handelsgewerbe. Cirfular, betr. Abstempelung der Nieten, mit denen das Fabrik- schild befestigt ist, bei Ausbesserung von Dampfkesseln.

Nr. 10 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Ar- beiten, vom 5. März hat folgenden Inhalt: Hydrometrishe Ver- suchéanstalt bei Santhia in Jtalien. Die Londoner Untergrund- bahnen. Pathologisches Institut der Universität Göttingen. Bau cines Parallel-Dammes am Columbia-Strom. Vermischtes: Louis Boissonnet-Stiftung. Betheiligung der deutschen Techniker an der Weltausstellung in Chicago. Beschlag für Pendelthüren. Uebelriehende Schornsteine. Versammlung des Vereins deutscher Portland-Cement-Fabrikanten. Eisenbahnunfall dur Postbrief- beutel. Die übertriebene Höhe der amerikanischen Häuser und die Feuerversicherungen. Tunnel der Croto?Wasserleitung bei New-

York.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Ein Rechtsanwalt, welcher infolge Ablebens des bisherigen Vertreters der Partei nach Verkündigung des Urtheils, aber vor vollständiger Beendigung der Instanz durch Urtheilszustellung, zum Prozeßbevollmächtigten bestellt ist und die Zustellung des Urtheils bewirkt, hat nach einem Beschluß des NMeichsgerichts, V, Civilsenats, vom 21. Oftober 1891 Anspruch auf die volle Prozeßgebübr.

Hat ein Schuldner bei Vereinbarung eines Accordes dem Gläubiger Nachzahlungen im Falle besserer Verhältnisse versprochen (sogen. Besserungsscheine gegeben), so hat er, nah einem Urtheil deé E A I. Civilfenats, vom 19. Dezember 1891, im Gebiete des gemeinen Nechts Nachzahlungen zu leisten, sobald dies aus feinem neuen Erwerbe ohne Beeinträchtigung des unentbehr- lihen Lebensbedarfs für ihn und seine Familie geshehen kann. Ist der für Einforderung einer Nachzahlung vorausgeseßte Eintritt entsprechender besserer Verhältnisse vom Gläubiger nachgewiesen, fo hat der Schuldner, welcher jeine Zahlungsfähigkeit negirt, zu beweisen, daß er dur die Nachzahlung in feiner geschäftlichen Eristenz gefährdet werde, indem ihm dadurch das zum Geschäftsbetriebe unbedingt er- forderliche Betriebskapital vermindert oder die Zahlung anderer dringender Schulden erschwert werde u. dgl. m.

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

__ Der § 132 des Landesverwaltungsgeseßzes vom 30. Juli 1883 bestimmt : :

Der Festsetzung einer Strafe muß immer eine schriftliche

Androhung vorhergehen : in dieser ist, sofern eine Handlung

erzwungen werden soll, die Frist zu bestimmen, innerhalb _ _ welcher die Ausführung gefordert wird. Ver Zweck dieser Vorschrift ist, wie das O.-V.-G. in der Entscheidung vom 11. Januar 1892 111 37 ausgesprochen hat, niht ein rein for- eller, fondern der, zu verhüten, daß die Person, welcher die Handlung bei Strafe aufgegeben wird, sih in Ungewißheit darüber befindet, bis wann sie die Handlung vorgenommen haben muß, wenn sie sih uicht der Festsezung der Strafe aussetzen will. Es bedarf daher feiner ausdrücklihen Angabe der Frist, wenn der Inhalt der Verfügung feinen Zweifel darüber läßt, bis wann die Handlung zu erfolgen habe.

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Die Jagdnutßung des gemeinschaftlichen Jagdbezirks Z. war verpachtet gewesen. In ciner Gemeindeversammlung wurde gegen die chZUmme des Grundbesißzers W. beschlossen, die Jagdpachtgeld er in die Gemeindekasse fließen zu lassen. W. erhob Einspruch, dann Klage mit dem Antrage, den Gemeindevorstand zur Vertheilung der Dachtgelder und Herauszahlung des Antheils an ihn zu verurtheilen. Vle Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen, das Ober-Verwal- gaigsgericht wies in dem Urtheil vom 8. Februar 1892 I1l 127 die Albion mit folgender Ausführung zurück: Der Kläger erkennt an, daz die Zulässigkeit seiner Klage auf den § 106 des Zustäudigkeits- ge!eßes, lautend :

Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend die von der Ge- meindebehörde oder dem Jagdvorstande festgestellte Ver- tbeilung der Erträge der gemeinschaftlichen Jagdnugßung, be- shlicßt die Gemeindebehörde bezw. der Jagdvorstand. Gegen Den Des inder. , die RMidde. . .- Matt. gegrundet werden fönnte und daß die in § 106 gegen die vom Ge- meindevorstand „festgestellte Vertheilung“ der Erträge ge- gebene Klage nur zulässig ist, wenn eine Vertheilung diefer Erträge th gestellt worden ist. Er sicht aber eine Feststellung der Ver- 2 eilung au in der Ueberweisung der Erträge an die Gemeindekasse pi Veckung von Gemeindeausgaben. Hierin irrt er. Unter der Fest- "ellung einer Vertheilung kann nur die Bestimmung des jedem ein- E eR Jagdinteressenten zukommenden Antheils verstanden “erden. Eine solche Bestimmung liegt in der Abführung der Erträge an die Gemeindefasse zur Deckung von Gemeindeausgaben nicht.

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Statistik und Volkswirthschaft.

L Deutscher Landwirthschaftsrath. gea C! der gestrigen Sitzung wurde in Betreff der Maßregeln Be die Miß bräuche der Speculation im Getreide- lo auf den Antrag des Dr. von Frege (Abtnaundorf) be-

„Das Getreidetermingeschäft ist in seinem gegenwärtigen! Um- fang und Betrieb nicht geeignet, gesunde Wechselbeziehungen zwischen dem Abgabebedürfniß der Producenten und dem Aufnahme- bedürfniß der Consumenten herbeizuführen, weil es der „mo- dernen Speculation“ allezeit möglih ist, über die zukünftige Ge- staltung des Markts und Preises „Meinungen“ hervorzurufen, die ih nur zu häufig als unbegründet erweisen. So verdunkelt das gegenwärtige Zeitgeschäft die natürlihen Wechselbeziehungen zwischen Vorrath und Bedarf und leitet dieselben auf die willkürlihen Bahnen von fünstlihem Angebot und künstlicher Nachfrage über. Indem das Termingeschäft ungleih mehr als der Handel in effectiver Waare die Ausnußung bezw. Herbeiführung von Preiëéschwankungen möglich macht, werden gerade die Landwirthe in dem Kampfe des Angebots mit der Nachfrage der s{chwächere Theil sein und es wird zu ihren Ungunsten die Preisbildung herabgedrückt werden, wei

1) die wirthschaftlihe Lage der Landwirthschaft auf \{leunigen, unter bestimmten Vorausseßungen geradezu zwangsartigen Absatz der Producte hindrängt, / i __ 2) die Abgabebedingungen (im Vergleih mit der börsenmäßigen Bewegung der Producte von Ort zu Ort) dur die Verkehrspver- hältnisse für die Landwirthschaft unverhältnißmäßig ershwert find,

3) die vereinzelte Stellung der ländlichen Producenten ihnen bisher die Möglichkeit entzogen hat, gleiß dem vereinten Angebot großer Börsenspeculanten durch ein zweckmäßiges Anpassen des An- gebots an die Nachfrage auch ihrerseits auf die Regelung der Preis- bildung einzuwirken.

Alle diese Erwägungen zwingen naturgemäß zu der Forderung, die Zwangslage des landwirthschaftlihen Einzelangebotes zu beset- tigen unk dasselbe durch eine entsprechend organisirte Zusammen- fassung gegen das Börsen- und Fernangebot widerstandsfähiger zu machen.“

Zu derselben Frage wurde ferner noch folgender Antrag des Herrn von Graß (Klanin) angenommen :

„L. Das börsenmäßige Getreidetermingeschäft an sich ist au für den soliden Getreidehandel nothwendig. 11. Ebenso nothwendig ist aber auch die Beseitigung der schweren, durch das Getreide-Termin- geschäft für Production, Consum und den reellen Handel hervor- gerufenen Mißstände und der Ausschreitungen unsolider sogenannter Börsencomptoirs, die sich mißbräuchlich den Namen Bankgeschäft beilegen. Die spielerartigen Unternehmungen selb aber, welche sich in die Gestalt reeller Termingeschäste kleiden, wurzeln in erster Linie in der ungesunden Ausbildung des Creditwesens, der jeßt uncontrolirbaren Stellung des Börsencommissionärs, der Zulassung des außerhalb der Börse stehenden Privatpublikums zu Termin- (Differenz-) Geschäften und dem Mangel an das folide Geschäft schüßenden und das unsolide inhibirenden Börsen- ordntingen. 111. Es ergiebt sich daher die Nothwendigkeit, das bérsenmäßige Termingeschäft “in Producten einzig auf den berufs- mäßigen Händler- bezw. Börsenhändlerstand zu beschränken. Solche Geschäfte sind daher, soweit sie niht zwishen Börsenhändlern abge- schlossen sind, für unklagbar zu erklären. Etwa schon für die Aus- führung folher Geschäfte Geleistetes („Devot“ !) kann innerhalb eines Jahres nah Ausführung des Geschäfts zurückgefordert werden. „Ge- \chäftsbedingungen“ oder „private Usancen“, welhe für den Börsenverkehr bestehende oder zu erlassende Bestimmungen des Handelsrehtes - außer Kraft seßen, sind als rechtsun- wirksam zu bezeichnen. Das Institut der Prämiengeschäfte ist aufzuheben, etwa abgeschlossene derartige Geschäfte sind verboten und event. zu ahnden , sei es auf dem Wege der Börsendiéciplin oder demjenigen einer strafgesezlihen Vorschrift. Soweit die im Börsen- verkehr zu Tage tretenden Mißstände auf dem Wege der Gesetzgebung

nicht zu beseitigen sind, muß eine straffere event. au dur die Bestellung von Staatscommissaren zu verstärkende Selbstver- waltung der Börsenorgane verlangt werden. Insbesondere sind für die Zulassung und Erlaubniß zum Börsenbesuh höhere Anforde- rungen zu stellen, als es bis jeßt der Fall gewesen ift, und zwar dies sowohl was die moralischen wie geschäftlichen Garantien für die Geschäftsgebarung eines ehrbaren Kaufmannes angeht.“

Weiter wurde folgender Antrag angenommen: „Der Deutsche Landwirthschaftsrath beschließt: Im Anschluß an die Handelsverträge sind zwischen den betreffenden Staaten Conventionen anzustreben, welche die Tarife der Bahnen und der Wasserwege regeln.“

Zum Schluß wurde auf den Antrag des Freiherrn von Hövel (Herbeck) bezüglich der Staffeltarife mit 34 gegen 17 Stimmen folgender Beschluß gefaßt: „Der Deutsche Landwirthschaftsrath spricht seine Ansicht dahin aus, daß mit dem Fortfalle der für die Ein- führung der auf den preußischen und sähsis{chen Eisenbahnen an- geordneten Staffeltarife für Getreide und Mühlenfabrikate ent- scheidend gewesenen Verhältnisse auch die erwähnten Ausnahmetarife in Wegfall kommen sollten“.

Zur Arbeiterbewegung.

Der „Kölnischen Volkszeitung“ zufolge sollen am 13. d. M. im Ruhrrevier große Versammlungen der Berg- leute zwecks Erörterung der gegenwärtigen Lage stattfinden, Die Führer hätten beschlossen, für die bevorstehenden Knappschaftswahlen eine umfassende Agitation ins Werk zu seven Nah einem DSelegramnt der „Magdb, 2tg. aus Bochum hat der Verbandsvorstand Schröder einen Aufruf an die deutschen Bergleute erlassen mit der Auf- forderung, die englishen Ausständigen zu unterstüßen, indem sie Ueberschichten zu deren Nachtheil verweigerten.

In einer in Stettin im Saale der Grünhofbrauerei „Bo“ abgehaltenen, von etwa 1500 Personen besuchten socialdemo- Ératishen Volfksversammlung wurde, wie der „Voß. Ztg." mitgetheilt wird, bezüglih der diesjährigen Maifeier auf die Schwierigkeiten hingewiesen, am 1. Mai, da dieser auf einen Sonntag fällt, cin größeres Local zur Abhaltung einer allgemeinen Feier zu erhalten. Es wurde eine Commission gewählt, die dafür sorgen soll, daß die in den verschiedenen Localen zu veranstaltenden Kundgebungen einen gleichartigen Charakter tragen.

In Oderberg i. M. tagte am vergangenen Sonntag eine Volks- versammlung, an welcher ca. 400 Personen theilnahmen. Genosse Treuherz (Berlin) referirte unter reichem Beifall über die Ursachen der heutigen Arbeitslosigkeit. Gegner meldeten fich zur Discussion nit. In einer Nesolution erklärte sh dann die Ver- sammlung mit den Ausführungen des Meferenten voll und ganz einverstanden und verpflichtete sh, mit allen ibr zu Gebote stehenden Mitteln für die Verwirklichung der socialdemokratischen Ziele cinzutreten. Eine zweite Resolution, welche der bisherigen Tactik der Parteileitung vollklommen beistimmte und das Vorgehen der sogenannten „Unabhängigen“ verurtheilte, gelangte ebenfalls zur Annahme.

Die Arbeitslosen Elberfelds hielten vorgestern in einer Stärke von etwa 400 Personen eine Versammlung ab, in der, weil den Beschäftigungslosen von keiner Seite geholfen werde, beschlossen wurde, Petitionen an alle Krieger-, patriotishen und Gewerkschaftsvereine zu richten und diese um Unterstützungen zu bitten. Endlich beschloß man, \o- fort in corpore zum Rathhause zu ziehen und vor demselben Aufstellung zu nehmen, au daß eine Deputation von drei Personen zu dem Herrn Ober-Bürgermeister gehen und diesen bitten sollte, sich die Zahl der Arbeitslosen cinmal durchs Fenster anzusehen. Der Beschluß wurde E ausgeführt, do zogen si die Theilnehmer zurück, als die Polizci erschien.

Zur Steuerung der in Eisenach immer mehr um sich greifenden Arbeitslosigkeit hat der Ober-Bürgermeister Dr. Euken bekannt ge- macht, daß das Stadtbauamt angewiesen ist, so vielen Arbeitskräften wie nur möglich Gelegenheit zur Beschäftigung, insbefondere am Straßenbau, zu geben.

Hier in Berlin fand am Mittwoch eine socialdemokra- tishe Volksversammlung für den fünften Neichstagéwahlkreis statt, in der über die Maifeier verhandelt wurde. Es gelangte

folgende, vom „Vorwärts“ mitgetheilte Resolution zur Annahme: Die Versammlung erklärt gemäß dem Brüffeler Beschluß, für den Acht - stundentag, sowie für den nationalen und internationalen A rbeiter - \chuß einzutreten; fie erklärt sich am Maifeiertag zu betheiligen, in dem Bewußtsein der Solidarität des Proletariats der ganzen Erde. Ein Aufruf an die Frauen und Mädchen Berlins und Umgegend, der von der „Agitationscommission für die Frauen Deutschlands“ unter- zeichnet ist, fordert zur Gründung eines Frauen-Bildungs- vereins für Berlin und Umgegend auf. Die Vereinsvorträge sollen die wirthschaftlihen Zustände, die Literatur, die neuesten Er- gebnisse der Naturwissenschaften und, soweit es geseßlih zulässig ift, offentlih-rehtlihe Dinge behandeln. 5

Ein Prager Telegramm des „D. B. H.“ vom gestrigen Tage theilt mit, daß die Belegschaft des Wilhelmsschachtes (Vgl. die gestrige Nr. 61 d. Bl.) bis auf 84 Mann wieder eingefah - ren ift. Die Rube wurde nicht gestört.

Aus Venedig wird der „Voss. Ztg.“ unter dem 10. d. M. telegraphish gemeldet: Die Noth unter den beschäftigungslofen Arbeitern ist sehr groß. In den leßten Tagen haben auf der Piazza Manin und dem Campo San Paolo wiederholt drohende Anfamm- lungen stattgefunden. Gestern fielen Ausschreitungen vor der Nedaction des Volksblatts „Corriere del Mattino“ vor, welches die Arbeiter- agitation verurtheilt hatte. Die erregte -Menge bewarf die Fenster mit einem Steinhagel und wollte das Local stürmen. Die Quästur nahm Verhaftungen vor. Wie der „Vorwärts“ berichtet, striken die Cigarrenarbeiterinnen der Königlichen Fabriken in Venedig von neuem. Das Ministerium ordnete an, daß die Arbeiterinnen, die bis zum 14. März die Arbeit niht wieder aufgenommen hätten, definitiv entlassen seien. :

Ueber den bevorstehenden großen Ausstand der eng- lishen Bergleute liegen folgende neuere Mittheilungen vor:

Wie der „Boss. Ztg.“ vom gestrigen Tage berichtet wird, erklärten ih die Grubenarbeiter von Durham in einem zweiten Wahl- gange mit großer Stimmenmehrheit zu Gunsten eines Ausstandes und gegen Lohnherabseßung.

Die schottischen Bergleute haben einer vom Wolff’shen Bureau mitgetheilten Reuter’]{hen Meldung zufolge mit Ausnahme derjenigen von Sterlingshire beschlossen, von einer allgemeinen Einstellung des Betriebes abzusehen, statt dessen aber die Arbeit auf fünf Tage in der Woche zu beschränken.

Infolge des drohenden Strikes der Kohlenarbeiter baben die Be- fißer der Clevelander Hütten angefangen, die Hochöfen aus- zulöschen. Man erwartet, daß bis Sonnabend von 83 Oefen 70 außer Betrieb geseßt sein werden.

Wie ein Wolff’sches Telegramm aus Cadix meldet, ist der Prozeß gegen die Theilnehmer an den anarchistischen. Kund- gebungen vom 1. Mai 1891 am Mittwoch zu Ende geführt worden. Alle Angeklagten wurden freigesproch'en und sofort in Freiheit geseßt; in dem Augenblick, wo sie das Gerichtsgebäude verließen, veranstalteten ihre anarchistishen Genossen eine Kund- gebung gegen die Gendarmerie. Leßtere mahte von den Waffen Gebrauch: einige Anarchisten wurden verwundet, mehrere verhaftet.

Kunst und Wissenschaft.

Sonder- Ausstellung der Werke von Gustav Spangenberg in der, KöntgliWwen Nattonal - Galerie.

4+ Als im November vergangenen Jahres Gustav Spangenberg aus seinem werkthätigen, echt deutschen Künstler- leben abberufen wurde, versuchten wir an dieser Stelle, in knappstem Umriß ein Bild der äußeren Entwickelung des Menschen und Künstlers zu zeihnen. Die unlängst in der Königlichen National-Galerie eröffnete Sonder- Ausstellung von Werken sciner Hand giebt willklommene Gelegenheit, das Bild seiner künstlerishen Entwickelung etwas weiter aus- zuführen. Das hier gebotene reihe Material an Zeich- nungen, Oelstudien, unvollendeten und vollendeten Gemälden gewährt uns einen tiefen Einblik in die Werkstatt des ent- \hlafenen Meisters, der bei aller Anspruchslosigkeit seines künstlerischen Auftretens echt deutsch empfand und gestaltete, wie wenige seiner Genossen. Wer die von Magnussen modellirte Porträtbüste Spangenberg's betrachtet, dem wird neben dem ehrlichen gemüthvollen Blick des Auges insbesondere ein feiner, halb shmerzlicher Zug um den Mund als beson- deres Kennzeichen dieses Kopfes auffallen. Eine tiefinnerliche Natur, abhold jeder Effecthascherei und jeder Geziertheit des Wesens, |priht aus diesen Zügen. Und seine Werke bestätigen diesen Eindruck seiner Persönlichkeit; auch wo ste das von den Reizen der modernsten Malerei empfindlih gemachte künstlerishe Auge niht zu fesseln ver- mögen, greifen sie an unsere Seele als Dffenbarungen cines tiefen Gemüthslebens. Nur in einigen wenigen Zeichnungen aus der Jugendzeit scheint es, als hätten phantastische Ein- drückte seine fünstlerishe Einbildungskraft gebannt: aber bald Dee ene de, unde Detlertet ab: ee M Wed -eleqiOher SGiinmmung die fast allen seinen Schöpfungen gemeinsam find. Die Empfindungswelt der venetianishen Meister des fünf- zehnten Jahrhunderts zog den schon in fxühester Jugend in Jtalien heimischen Künstler, der 1857 zum zweiten Male nach Venedig und Rom pilgerte, besonders an. Eine Heilige Magdalene, die er nah einem Bilde Giovanni - Bellini’'s in Venedig copirte (Nr. 101 des Katalogs), legt von dem tiefen Ver- ständniß für diese Kunst beredtes Zeugniß ab. Aber schon vor seinem zweiten Aufenthalte in Jtalien hatte er in Antwerpen und Paris in dem neu erweckten Stil der Historienmalerei sein Jdeal gefunden. Freilih war es ihm nicht gegeben, die dramatisch bewegten Scenen deutscher Vergangenheit mit Pinsel und Palette zu verherrlichen ; er sah in der Neformation, deren Darstellung er sich später mit besonderer Vorliebe zuwandte, in erster Linie die Vertiefung und Verinnerlihung deutschen Volksgeistes, das Erwachen des Sinnes für die stillen Freuden der Hauslichkeit, und in diese intimen Regionen führen uns seine Reformationsbiider mit vielem Glück ein. Luther im Kreise seiner Familie (Nr. 11) oder als Knabe im Hause der Frau Cotta (Nr. 10), mit seinen Freunden beim gelehrten Handwerk (Nr. 12), Hans Sachs, den Hausgenossen seine Schhwänke vor- lesend (Nr. 13) das sind die liebenswürdigsten Schöpfungen dieser Art. Der Einzug Luther's in Worms (Nr. 14), ein Bild, das der Königsberger Kunstverein für die Ausstellung dargeliehen hat, will uns dagegen etwas frostig erscheinen, die Freude am Einzelnen hat die Kraft der Anordnung gelähmt, die Gewissenhaftigkeit des historischen Porträtmalers stand einer großzzügigen Ausgestaltung des Stoffes im Wege. Ganz bei er Sache aber finden wir Spangenberg, wenn es gilt, die Gestalten der deutshen Volkssagen und Märchen aus ihrem Zauberschlaf zu wecken. So in dem Bildercyklus von der Königstochter und dem Niesen, der das eigne Heim des Künstlers zu chmücken bestimmt war, dem Rattenfänger von Hameln (Nr. 5) und den Bleistiftskizzen zu Grimm's Märchen Nr. 230—241). - Daneben macht sich aber ein Zug seiner mpfindung geltend, der wohl mit in herben Lebens- erfahrungen und Schicksals\schlägen seine Erklärung findet ; als der unerbittlihe Tod ihm kurz hintereinander zwei