1892 / 63 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 12 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Die Minister des Jnunern und für Handel und Gewerbe baben in der Frage der Verpflichtung der Schauspieler, Ballettänzer, Sänger u. st. w. zur Jnvaliditäts- und Altersversicherung des Reichsgeseßes vom 22. Juni 1889 an die Königlichen Regierungs-Präfidenten unter dem 14. Januar d. J. folgendes Cirkular HUGS:

Im Einvernehmen mit dem Herrn Reichskanzler ersuchen wir Euer Hochwohlgeboren ergebenst, gefälligst dafür Sorge zu tragen, daß die Shnen untergebenen Stellen bei der Frage, ob und inwieweit die bei Schauspielgefellschaften, Musikaufführungen und ähnlichen Unter- nehmungen beschäftigten Schauspieler, Ballettänzer, Sänger, Choristen, Musiker u. #. w. der Invaliditäts- und Alteréversicherung unterliegen, fortan von den nachstehend dargelegten Gesichtspunkten ausgehen.

Diese sind zur Gewinnung fester, in der Praris leicht zu befol- gender Grundsäße aufgestellt; ihnen liegt die Erwägung zu Grunde, daß das Geseß vom 22. Juni 1889 (Reichs-Geseßblatt S. 97) auf alle diejenigen anzuwenden ift, welche den Arbeitern in focialer Be- ziehurg annähernd gleich stehen und deshalb zu dem „Arbeiterstande im weiteren Sinne“ gehören.

Entscheidend für die Versichcrungévflicht der bezeihneten Perfonen ift der Charakter des Unternehmens, in welchem fie beshäftigt werden.

Bei Unternehmungen, mit welchen ein „höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft“ verbunden " ist, sind alle bei den be- treffenden Aufführungen auf der Bühne oder im Orchester verwen- deten Schauspieler, Sänger, Tänzer, Choristen, Musiker u. \. w. als befreit von der Versicherungspflicht zu behandeln, ohne Nücksicht darauf, wie die eigenen Leistungen des einzelnen Schau- \vielers u. \. w. zu beurtheilen sein mögen. Die Befreiung gilt da- Ler au für sole Personen, welche im Orchester bezw. Chor nur untergeordnete Dienste leisten. Umgekehrt is das Personal bei Musik- aufführungen, Schaustellungen, theatralishen Vorstellungen oder ähn- lichen Lustbarkeiten niederer Art, also von solchen Unternehmungen, „bei denen cin höheres Interesse der Kunst und Wissenschaft nicht ob- waltet“ als versiherungsvflichtig zu behandeln, und zwar eben- falls allgemein, ohne Rücksicht auf den Werth oder Unwerth der Einzelleistung.

Hiernach sind Versicherungsbeiträge nur für das Personal folcher Unternehmer von Musikaufführungen, Schaustellungen u. f. w. zu entrihten, für teren Unternehmungen nad) SS 53a, 33b, 59, Ziffer 4 der Gewerbeordnung eine Erlaubniß erforderlih bezw. ein Wander- gewerbeschein zu lösen und Wandergewerbesteuer zu entrichten ift. Dabei macht es, was den § 33a der Gewerbeordnung anbelangt, feinen Unterschied, ob der Unternehmer der Erlaubniß unmittelbar (als Schauspieler) oder mittelbar (wegen Hergabe des Raumes) bedarf.

Veber die Ertheilung der Erlaubniß nah § 33a a. a. O. be- findet in Preußen der Kreis- (Stadt-) Ausschuß, in den einem Land- freise angehörenden Städten von mehr als 10000 Einwohnern der Magistrat; die Erlaubniß nach § 33 þ. a. a. O. hat die Ortspolizei- bebörde zu ertheilen. Die Entscheidungen dieser Behörden werden also insoweit au für die Versicherungspflicht des Personals der be- zeidneten Unternehmungen maßgebend fein.

Die Unterscheidung nah der Art der Unternehmung ist aber nur für die Versicherung8pflicht derjenigen Perfonen von Bedeutung, die als SWauspleler 2. bei den Vorstellungen und Auf- b ritngen felbst mttwirten. Statisten, Lampen- anzünder, Garderobendiener, Portiers und ähnlihe zu niederen Dienstleistungen angenommene Perfoncn sind auch bei Schauspielunternebmungen von höherem Werth lediglich als Arbeiter oder Gehilfen zu behandeln und deshalb, soweit sie nicht etwa unter die Bestimmungen des Bundesraths über die Befreiung vor- übergehender Dienstleistungen fallen, allgemein versicherungs- vflihtig. Umgekehrt sind die bei Schaustellungen ohne künstlerische Bedeutung mitwirkenden Personen dann als befreit anzusehen, wenn fie, wie das insbesondere bei Musikbanden zuweilen vorkomnit, niht in einem Lohnverhältniß zu cinander stehen, fondern auf Theilung spielen. Denn in diesem Falle handelt es sich nicht um ein wirthschaftliches Abhängigkeitsverhältniß der einzelnen Mit- wiEenden zu einem einzelnen Betriebsunternehmer, sondern um eine Gesellstgft mehrerer selbständiger Betriebsunternehmer, bei denen nach allgemeinen Regeln die Versicherungspflicht ausgeschloffen ist.

Die (genannten „Specialitäten“, d. h. solche Personen, welche sid| bei den Productionen mit besonderen Kunstleistungen be- theiligen, snd in der Mehrzahl der Fälle als selbständige Gewerbe- treibende anzuschen und deshalb grundsäßlich von der Verficherungs- pflicht befüeit. Ausnahmen hiervon sind nur dann zuzulassen, wenn ein selbständiger Gewerbebetrieb offenbar niht vorliegt. Letzteres wird insbesondere dann anzunehmen fein, wenn ein auf die Dauer berech- netes persönliches Abhängigkeitsverhältniß vorliegt, wie es z. B. bei einem als Sypecialität fest engagirten Mitgliede eines Cirkus der Fall sein wird.“ Hinsichtlih der Diener und Gehilfen der „Specialitäten“ hat es bei den allgemeinen Vorschriften über die Versicherungsrflicht ledigli zu bewenden.

Der mehrfach erwähnie Nunderlaß der Minister des Jnnern, für Handel und Gewerbe und der geistlichen 2c. Angelegenheiten vom 16. November 1891 an die Königlichen Ober-Präsidenten wegen Regelung der Sonntagsruhe im gesammten Handelsgewerbe weist darauf hin, daß das Gescß von l. Juni 1891 den Polizeibehörden, Gemeinden 2c. bestimmte Befugnisse zur Regelung der Beschäftigung am Sonntag im gesammten Handelsgewerbe giebt und die Verwaltungsbehörden für gewisse Fälle Ausnahmen zulassen können. Zur Vor- bereitung der Ausführung jener in Z 105 enthaltenen Vor- schriften ist in dem Nunderlaß Folgendes bestimmt worden :

1) Die Regierungs-Präsidenten haben zu prüfen, welche Stunden der Sonn- und Festtage für die nah § 105 b Abs. 2 zulässige Be- schäftigung in thren Verwaltungsbezirken festzuseßen fein werden. Dabei ist folgenden Erwägungen rechnung zu tragen :

a. Bei Festseßung der Arbeitsstunden ist die für den öffentlichen Gottesdienst bestimmte Zeit jedenfalls soweit zu berücksichtigen, daß diese Stunden nicht in die Zeit des Hauptgottesdieustes und thunlichst auch nit in die Zeit solcher ® Nebengottesdienste fallen, während welcher nah den zur Zeit geltenden Vorschriften die Berkaufsstätten geshlossen sein müssen.

b. die Arbeitsstunden sind einerseits für größere Bezirke thun- lichst für Regierungsbezirke oder Provinzen —, andererseits für die verschiedenen Zweige des Handelsgewerbes möglihst einheitlich fest- zusetzen,

c. damit den in: Betraht kommenden Perfonen eine wirksame Sountagsruhe zu theil werde, wird der Beginn der zulässigen Be- schäftigungszeit möglichst früh, und das Ende derselben derart fest- zusetzen sein, daß der größere Theil des Nachmittags und der Abend frei bleiben. Ohne besonderen zwingenden Grund werden demgemäß die Arbeitsstunden sich nicht über zwei oder äußersten Falls dret Uhr Nachmittags hinaus erstrecken dürfen.

2) Da die Polizeibehörden die zulässige Beschäftigungszeit mit Ausnahme der in § 105 þ Abf. 2 Sat 3 gedachten Fälle nur insoweit festzuseßen haben, als nicht Gemeinden oder weitere Communalverbände durch statutarische Bestimmungen die Beschäfti- gung auf kürzere Zeit einschränken oder ganz untersagen, fo find be- reits jet von den Regierungs-Präsidenten die ihnen unterstellten communalen Verbände, also namentlich auch die Kreise, darüber zu hören, ob sie eine statutarische Regelung der Sonntagsruhe herbeizuführen beabsichtigen und zutreffenden Falls zu veranlassen, die zu erlassenden statutarishen Bestimmungen alsbald soweit vorzubereiten, daß ste un- mittelbar nah Inkraftsetzung der betreffenden Gesetzesvorschriften end- gültig beschlossen und ohne Verzug genehmigt werden können.

Bei der Berathung der Gewerbenovelle im Reichstage herrschte allgemeine Uebereinstimmung darüber, daß in den meisten größeren Städten eine über die geseßliche Regelung hinausgehende Sonntags-

rube ohne Beeinträchtigung der Handelsgewerbe und ohne Schaden für das Publikum gewahrt werden fönne, und eine dahin gehende Negelung nicht nur in den Kreisen der Handlungsgehilfen, ?ondern au von vielen selbständigen Gewerbetreibenden gewünscht werde. Die ftatutarishe Regelung der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe wird deshalb den größeren Gemeinden, insbefondere den Stadtkreisen, dringlich anzuempfehblen sein.

Des weiteren wollen Eure Excellenz gefälligst in Erwägung nebmen, ob etwa der Erlaß sftatutarisher Bestimmungen für die dortige Provinz rathsam erscheint, und event. mit den Organen der Provinzialverwaltung hierüber in Verhandlung treten.

Hinsichtlich des Verhältnisses der statutarischen Bestimmungen der verschiedenen Arten der Communalverbände zu einander bemerken wir, daß durch Statute weiterer Communalverbände die engeren Verbände nicht gebindert find, Beschränkungen der Sonntagsarbeit zu beschließen, welche über die Festseßungen jener Statute hinausgehen. Um Zweifel namentlich im Hinblick auf § 142 Abs. 2 der Gewerbeordnung zu vermeiden, empfiehlt es si, in den Entwurf der statutarischen Be- stimmungen für weitere Communalverbände cinen entsprehenden Ver- mert aufzunehmen.

3) Die Regierungs-Präsidenten haben auf Grund des Ergebnisses ibrer Prüfung (Ziffer 1) und unter Berücksichtigung der vorläufigen Entschließungen der Communalverbände (Ziffer 2) eine Uebersicht aufzustellen und einzureichen, aus welcher die in Ausficht genommene Negelung der an Sonn- und Festtagen zulässigen Arbeitszeit ersichtlich ist. Abweichungen von den unter Ziffer 1 aufgeführten Grundsäßen sind besonders zu begründen.

4) Für die einzelnen Regierungsbezirke ist eine Uebersicht der Fälle aufzustellen, in welhen nah den bisherigen Erfabrungen örtliche Verhältnisse an Sonn- und Festtagen einen erweiterten Geschäfts- verkehr in dem Maße erforderli machen, daß es angemessen erscheint, für alle oder für gewisse Zweige des Handelsgewerbes eine Ver- mebrung der Stunden, während welcher die Beschäftigung stattfinden darf, zuzulassen.

5) Die Regierungs-Präsidenten haben ferner cine Nachweisung derjenigen Handelsgewerbe aufzustellen, für welhe nah ihrer Meinung in ihrem Verwaltungsbezirke die Voraussetzungen für eine befondere Regelung gemäß § 105 e Abs. 1 a. a. O. vorliegen. Für jedes der betreffenden Gewerbe sind die für erforderlih erachteten Ausnahmen des Näheren anzugeben und ausführlich zu begründen. Wir bemerken hierzu, daß die in § 105 e Abs. 1 vorgesehenen Ausnahmen von dem Berbote der Sonntagsarbeit nah der Absicht des Geseßes und dem Wortlaut des Einganges dieses Paragraphen nur in folchen Fällen zu gewähren sein werden, in denen niht etwa lediglich Bequemlich- feitsrüsichten in Frage stechen, sondern dringende Gründe die Zu- lassung der Ausnahmen von dem gesetzlicen Verbote erforderlich er- scheinen laffen.

Die Gewerbe des Handels sind nah den Klassen und Ordnungen der Gruppe XVI1 der Gewerbestatistik von 1882 aufzuführen.

Bezüglich der Betriebe, welche ausschließlich oder vorwiegend mit dur Wind oder unregelmäßige Wasserkraft bewegten Triebwerken arbeiten, sowie der sonstigen unter § 105 e fallenden Gewerbe bleibt das Weitere vorbehalten.

6) Endlich haben sich die Negierungs-Präsidenten gutachtlich darüber zu äußern, für welhe Gewerbezweige und in welchem Umfange Ausnahmen vom Verbote des § 55 Abs. 1 der Gewerbeordnung zu- zulassen sein werden.

Die Regierungs-Präsidenten werden zur Förderung einer zweck- entsprechenden Ausführung der in Rede stehenden Bestimmungen auch die Mitwirkung der Handelskammern oder sonstigen kaufmännischen Vertretungen in Ansvruch zu nehmen haben. Es i} wünschenswerth, daß au Vertretungen der im Handelsgewerbe beschäftigten Personen oder in Ermangelung solcher Vertretungen einzelne geeignete folche Personen zur Sache gehört werden.

_ Der heutigen Nummer des „Reichs- und Staats-Anzeigers“ ist eine besondere Beilage (Nr. 1), enthaltend Entsch eidungen des Neichsgerichts, beigefügt.

S. M. Schiffsjungen-Schulschiff „Moltke“, Commandant Capitän zur See Freiherr von Erhardt, ist am 10. März in La Guayra eingetroffen und geht am 15. nach Aux Cayes (Haiti) in See.

S. M. Kanonenboot „Wolf“, Commandant Corvetten- Capitän Hellhoff, ist am 11. d. M. in Chinkiang einge- troffen und geht am 15. nach Shanghai in See.

Königsberg, 11. März. Der sehzehnte Provinzial- Landtag der Provinz Ostpreußen wurde heute Mittag durch den Vertreter der Königlichen Staatsregierung, Ober- Präsidenten Grafen Udo zu Stolberg-Wernigerode mit folgender Ansprache eröffnet:

Hochgeehrte Herren!

Die Hoffnung, welcher mein verstorbener Herr Amtsvorgänger zuleßt an dieser Stelle bei Verabschiedung des XVI. oftpreußischen Provinzial-Landtags Ausdruck gab, daß es ihm vergönnt sein möge, die Vertreter der Provinz bei ihrem nächsten Zusammentritte wieder- zusehen, hat sich leider nicht erfüllt. Wenige Wochen darauf ift dieser um die Provinz so hochverdiente Mann inmitten seines segensreichen Schaffens durch Gottes, des Allmächtigen, Willen aus dieser Zeitlich- feit abberufen worden.

Wie überall in der Provinz der Verlust des langjährigen theuren Oberhaupts Kundgebungen der tiefsten Trauer hervorgerufen hat, so drängt es auch mich, noch besonders von dieser Stelle auszusprechen, mit welcher Genugthuung es mich erfüllt hat, die unshätzbaren Ver- dienste dieses durch feine vortrefflichen Eigenschaften des Geistes und des Charakters, dur Thatkraft, wie durch wohlwollende Gesinnung, dur tiefes Verständniß für seine hohen Aufgaben wie dur selbstlose Hingabe an dieselben gleich ausgezeichneten Beamten in fo ungetheilter Weise anerkannt zu (den,

Sie, meine Herren, wollen das Andenken des Ober-Präsidenten von Schlieckmann, das mit der Geschichte unserer Provinz für immer verknüpft ist, au durch ein äußeres Zeichen an diesem Sammelpunkt der Vertreter der Provinz dauernd ehren.

Auch in Ihren Reiben, meine Herren, hat der Tod in dem ab- gelaufenen Jahre mehrere Opfer gefordert und Männer aus Ihrer Mitte genommen, welche lange Jahre hindurh an der gemeinsamen Arbeit für das Wohl der Provinz theilgenommen haben. Die dadurch entstandenen Lücken sind durch Neuwahlen ausgefüllt worden, über welche Ihnen die Verhandlungen vorgelegt werden.

Werfen diese trüben Ereignisse dunkle Schatten auf das ver- gangene Jahr, so bat es dem letzteren auch niht an glänzenden Licht- punkten gefehlt. i i

Mit den Gefühlen ehrfurhtsvollster, freudigster Dankbarkeit hat es uns erfüllen müssen, daß Seine Majestät der Kaiser und König auch in dem abgelaufenen Jahre wiederum unsere Provinz mit seinem Allerhöchsten Besuche wiederholt begnadigt hat, nicht allein um an den feit längerer ey Ihm liebgewordenen Stätten in unseren Wäldern Erholung zu suchen, sondern auch um in der alten Haupt- und Nesidenzstadt der preußischen Herrscher dem Denkmal die höhere Weihe zu geben, welches unter Allerhöchstseiner Beihilfe von den nun- mehrigen Bewohnern des alten Herzogthums Preußen dem Andenken an Seinen um diesen Landestheil so hochverdienten erlauhten Vor- fahren, den Herzog Albrecht errichtet worden ist und fo Gott will Dank Ihrer bereitwilligen Uebernahme der Unterhaltung auf die Provinz, für- fernste Zeiten ein S4hmuck des altehrwürdigen König- lichen Schlosses sein wird.

Mit großer Genu thuung durften wir es ferner be rüßen bald darauf in fürsorglihem Auftrage unseres Allergnädigsten La Ves herrn mehrere Seiner obersten Rathgeber die Provinz Ofty des- bereisten, um die eigenartigen Verhältnisse derselben aus eigener A schauung kennen zu lernen und diejenigen Maßnahmen vorzuber t n- welche zur Besserung mancher oft beklagter mangelhaften Zustände {T als nothwendig errveisen follten. e h

Die Früchte dieser Reise und der bei Gelegenheit derselben uy t Betheiligung Ihrer Vertreter im Provinzial-Aus\chusse, sowie atibe E hervorragender Männer der Provinz gepflogenen Berathungen t bereits nah verschiedenen Richtungen hin, vor allem auch in gu derungen, welche der der Landesvertretung zur Prüfung und Beschluß fassung vorliegende Staatshaushalts-Etat aufweist, zu Tage getret i Ueber weitere, die Interessen der Provinz wesentli berührende he geberishe und Verwaltungsmaßregeln sind die Verhandlungen noch nicht abgeslofsen. :

Auch bei Ihren bevorstehenden Berathungen, meine Herren, wer- den Sie sih mit einer hiermit zusammenhängenden Vorlage be Königlichen Staatsregierung zu beschäftigen Foen: welche die Mit wirkung der Provinzial-Verwaltung bei Verwendung außerordentlicher zur Förderung der oftpreußischen Land- und Forstwirthschaft auft: wendender Mittel, sowie eine entsprehende Ergänzung dieser letzteren seitens des Pronvinzial-Verbandes erbitten wird. E

Wenn nun außer diefer Angelegenheit und abgesehen von einigen Wahlen, Ihre Thätigkeit durch Vorlagen der Königlichen Staat regierung nicht in Anspruch genommen wird, fo werden doch au dieses Mal wieder zahlreihe Anträge um Gewährung von Beihilfen für eine Reihe von den verschiedensten Gebieten angehörigen gemein- nüßzigen Unternehmungen an Sie herantreten. O

Neben einer geringfügigen Erhöhung der bisher für die Unter- haltung der Versuchsmolkerei auf der Domäne Kleinhof Tapiau und der Aerbauschule zu Spitzings, sowie für den gewerblichen Central- verein der hiesigen Provinz geleisteten Zuschüsse werden u. a. au größere einmalige Beiträge zu den Kosten der im Laufe dieses Jahres in hiesiger Stadt im Interesse der Förderung des landwirthschaftlichen Fortschrittes von der deutschen Landwirthschafts-Gesellschaft zu ver- anstaltenden Ausstellung, sowie für die Erbauung einer Baugewerks- \chule bierselbst erbeten werden. Ich empfehle die hierauf bezüglidhen Anträge Ihrer wohlwollenden Berücksichtigung. : j

Außerdem werden Sie Gelegenheit haben, von dem bisher stets mit \o freigebiger Hand ausgeübten Rechte der Förderung von Kunst und Wissenschaft, sowie der Unterstüßung von Wohlthätigkeits-An- stalten und von anderen gemeinnüßigen Bestrebungen, deren Berechti- gung Sie zum größten Theil durch frühere Bav bereits an- erfannt haben, wiederum ausgiebigen Gebrauch zu machen.

Wie immer wird ein großer Theil Jhrer Zeit der Erledigung der eigenen Angelegenheiten des communalen Verbandes der Provinz

j N t E E E S J gewidmet sein. Auf diefem Gebiet werden Sie sich mit einer Vor- lage wegen Erlasses eines Provinzial-Statuts über die Veräußerung von der Provinz gebörigen Grundstüken minderen Werths, fodann mit erneuten Vorschlägen über die nothwendig gewordene Ausführung von Erweiterungsbauten bei dem Landeshause, wie auch mit der anderweitigen MNegelung der Besoldungsverhältnisse der Beamten fowohl der Centralverwaltung, wie auch verschiedener Anstalten der Provinzen zu beschäftigen haben. Endlich wird auch Ihre Beschlußfassung über eine abermalige Vermehrung des Be- amtenperfonals herbeigeführt werden, die sih vornehmlich bei den in Ausführung der Arbeiterversicherundsgeseße errihteten provinziellen Anstalten als unabweisbar herausgestellt hat. Wenn si, wie zu erwarten war, bei der Ein- und Durchführung der Alters- und In- validen-Versicherung zunächst erhebliche Schwierigkeiten herausgestellt haben, so glaube i) mi der Hoffnung hingeben zu dürfen, daß die Üeberwindung dieser Schwierigkeiten in niht zu ferner Zeit gelingen wird und daß alsdann die segensreihen Folgen dieses Gesetzes vor jedermanns Augen klar liegen werden.

Meine Herren! Sie ersehen aus dem Vorangeführten, daß die Anforderungen, welche an Ihre Thätigkeit nicht nur, sondern auch an die finanzi&ile Leistungsfähigkeit des Provinzial-Verbandes auch dieses Mal gest&\(t verden, keineswegs geringe sind. Gleichwohl werden Sie mit \Bfriedigung aus dein Ihrer Feststellung unterbreiteten Haushalts-Eütwurfe ersehen, daß, um den vorhandenen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, niht nur keine Erhöhung der Provinzialabgaben erforderlich ist, soudern daß vielmehr eine, wenn auch nicht beträht- liche, Herabseßung derselben \angänglich ift.

Sie wollen hierin einen erneuten Beweis dafür erblicken, daß die Angelegenheiten der Provinz und insbesondere auch die Finanz verwaltung derselben in durchaus geordneter Weise geführt werden.

Hochgeehrte Herren! Wenn ih Sie bei Ihrem Zusammentritt zu dieser gemeinsamen Arbeit herzlih willkommen heiße, fo drängt es mich, Seiner Majestät dem Kaiser und König, meinem Allergnädigsten Herrn, auch an dieser Stelle meinen allerunterthänigsten Dank dafür auszusprechen, daß Allerhöchstderselbe die Gnade gehabt hat, mich an die Spitze dieser Provinz zu stellen, welche mir eine zweite Heimath geworden ist.

Es ift mein ernster Wille, den Interessen dieser Provinz mit allen meinen Kräften zu dienen und ihre Wohlfahrt zu fördern. Wie sehr ih bei diefem Streben auch Ihres vertrauensvollen Entgegei- fommens bedarf, ist mir wohl bewußt. Wenn Sie mir, worum i hiermit bitte, Ihre Unterstüßung leihen werden, dann wird es, 10 hoffe ih, auch an dem Erfolge nicht fehlen. :

Mit diesem Wunsche erkläre ih kraft des mir ertheilten Aller- böten Auftrages den 16. Provinzial - Landtag der Provinz Oft preußen für eröffnet.

Der Alters- Präsident Bürgermeister a. D. Kinder Mehlsack übernahm hierauf den Vorsiß und hielt folgende Ansprache :

„Meine hochverehrten Herren! Es ist eine alte, {öne Sitte, bei Beginn des Provinzial-Landtags des Landesherrn zu gedentet, Wir thun das nicht etwa aus Gewohnheit, sondern aus innerem Herzensdrange. Sind wir doch so glücklich, Herrscher zu besitzen, un welche uns die ganze Welt beneidet! Unserem unsterblichen großen Heldenkaiser Wilhelm 1. haben wir es zu verdanken, daß da früher zerrissene, wegen seiner Politik verspottete Deutsche Reich gt einigt und auf eine seltene Höhe der Macht und des Ansehens ge braht wurde. Seine Majestät unser jeßiger Kaiser hat bei Seiner Thronbesteigung gelobt, dem Volk ein gerechter und milder Fürst zu sein, Gottesfurht zu fördern, für das geistige und materielle Wohl des Volks zu sorgen, dem Necht ein Wächter, dem Armen und Ve- drängten ein Helfer zu sein, den Frieden nach Innen und nach Außen zu \chirmen. In der kurzen Zeit Seiner Regierung hat Er Sich bemüht, Sein Programm ganz und voll zur Ausführung zu bringen. Der Kaiser ist Sih der hohen von der Vor- schung Ihm zugewiesenen Aufgabe voll bewußt, welhe dar besteht, das Deutsche Nei auszubauen und dessen I1- stitutionen auêzugestalten. Diese große Aufgabe is nur im Frieden erfüllbar und deshalb sind alle Scine Bestrebungen auf Erhaltung des Friedens gerichtet. Die fürzlih abgeshlo}senen Handelsvertragé find dazu angethan, das Band mit den verbündeten Fürsten un Völkern zu befestigen und dem Handel, Gewerbe und der Landwirth- schaft neue Bahnen und neue Bezugsquellen zu eröffnen. Die sociale Gesetzgebung verfolgt den Zweck, die Lage der arbeitenden Klassen z1 verbessern und die Kluft zwischen der besißenden und besitlosen Gesell- schaft auszufüllen und so den Frieden im Innern herzustellen. _

Meine Herren! Wir alle sind davon fest überzeugt, daß da ganze Sinnen und Streben Seiner Majestät darauf gerichtet ist, Set! Volk glücklich zu machen. Seine herrlichen Geistesgaben lassen Jhn nit ruhen und rasten, auf allen Gebieten des Lebens anregend und belebend zu wirken und den Impuls zum Besseren zu geben. Möge Gottes Segen ruhen auf Seinen Werken. Das ist unser Aller innigster Wuns, und so bitte ih Sie, mit mir einzustimmen in den Nuf: Seine Majestät der Kaiser und König lebe hoch!“

Begeistert stimmte die Versammlung ein. Nach A von geschäftlichen Angelegenheiten wurden der Ober-Mar cha

F Eulenburg-Prassen zum Ersten Vorsißenden, Gr eneral-Landschafts-Rath und Gutsbesißer Negenborn

Zweiten Vorsißenden durch Acclamation gewählt.

zum Danzig, 11. g Der Ober - Präsident der Provinz Restpreußen, Staats-V inister von Goßler hat in der Absicht, durh Schaffung neuer Verkehröwege das Gedeihen der Provinz U befördern, ein Rundschreiben erlassen, in welchem es der „Danz. Allg. Ztg.“ zufolge heißt: : Die Lage, in welcher sih die Landwirthschaft, der Handel und _…, Crdustrie Westpreußens befindet, legt den Verwaltungsbehörden , Prlicht auf, diejenigen neuen Einrichtungen des öffentlichen À tehrôwesens zu ermitteln und höheren Orts vorzushlagen, welche 7 dem heutigen Stande der Cultur die Wohlfahrt der Provinz edern geeignet sind. Auch scheint es nothwendig, in die Be- L bungen der Betheiligten, welche sich gern an die Centralbehörden m iore Abgeordneten mit Gesuchen wenden und Stimmung für chre Projecte machen, ohne auf die Interessen der übrigen Bewohner or Provinz Rücksicht zu nehmen, eine gewisse Ordnung zu bringen “nd die Projecte nah dem Maßstabe ihrer Bedeutung zu tlassifiziren.“ Der Ober-Präsident giebt dann folgendes Verzeichniß derjenigen Wasserstraßen und Eisenbahnen, deren Her- ç

1 E -- ° _ , elung im Interesse der Provinz angestrebt wird. Wasserstraßen.

1) Herstellung einer besseren Verbindung der unteren Weichsel mit dem Frischen Haff nah Regulirung der ueuen Mündung in der Richtung Siedlersfähre—Schiewenhorst durch Abschließung der Elbinger MWoichsel gegen die Weichsel, Einlegung einer Schleuse nah Maßgabe Pr projectirten Schleuse bei Einlage in die Coupirung, und durch N¿umung der Elbinger Weichsel ungefähr bis Fischerbabke. 2) Her- ¡tellung einer Verbindung zwischen der Elbinger Weichsel und dem Meichsel-Haff-Kanal. 3) Weitere Schiffbarmachung der Sorge_ und Thiene. 4) Herstellung einer Verbindung des Gebiets des Ober- ländischen Kanals mit der Weichsel (vom Geserichsce bei Dt. Eylau unter Benußung der Ofsa und der Trinke bis Graudenz). Von Graudenz Einlegung einer Kette oder eines Taues bis Brahemünde. (Augenscheinlih handelt es sih hier um die Einführung einer Schlepp- Hiffabrt, wie sie auf der Elbe schon besteht.) 5) Schiffbarmachung der Drewenz von Leibitsh aufwärts.

Eisenbahnen.

In Ausführung bezw. Vorbereitung sind folgende Linien: 1) Hohenstein-Ostpr.—Marienburg, mit Abzweigung nah Maldeuten; 5) von Miswalde nah Elbing; 3) von Nakel nah Konitz oder einem anderen geeigneten Punkt an der Linie Schneidemühl—Dirschau; 4) von Kallies nah Wulkow-Arnswalde, mittelbar für den Kreis Dt. Krone von Bedeutung: 5) von Fordon mit südliher Umgebung des Kulm- ees nah Schônsee.

Neugeplant werden rechts der Weichsel:

1) Der Ausbau der Weichselstädtebahn (Marienburg—Thorn) als Rollbahn : 2) Herstellung der Haffbahn (Elbing—Tolkemit—Frauen- burg—Braunéberg): 3) Herstellung einer Bahn von Miswalde über Riesenburg und Gr. Tromnau nach Jablonowo (Variante Miswalde —Rosenberg— Freystadt—Jablonowo); 4) Herstellung einer Bahn Marienwerder Gr. Tromnau Bischofswerder (Variante Freystadt alé Kreuzungspunkt); 5) Herstellung einer Bahn von Lessen nah Bischofswerder: 6) Herstellung einer Bahn Schönsee—Gollub.

Links der Weichsel werden geplant:

1) Bei Danzig: a. ein zweites Geleise zwischen Hohethor- und Legethor-Bahnhof; b. Verbindung des Bahnhofs Neufahrwasser mit dem Weichselbahnhof; ec. Erweiterung des Weichselbahnhofs strom- aufwärts: d. Verbindung des Legethor - Bahnhofs mit dem vrojectirten Vieh - und Schlachthof : e. Herstellung einer Bahn vom Legethor - Bahnhof nah Plehnendorf und an der Weichsel aufwärts nach der Coupirung der jeßigen Unterweichsel bei Siedlersfähre und Umwandlung der jeßigen Unterweichsel an Siedlers- fähre-Einlage-Neufähr in einen Hafenarm ; 2) Herstellung ciner Bahn von Rheda (Variante Neustadt) über Pußzig—Zarnowiß zum Anschluß an die Pommersche Bahn ungefähr bei Stolp: 3) Herstellung einer Bahn Bütow—Gostomie mit Abzweigung nach Karthaus und Berent (Variante Bütow, direct Berent, Abzweigung Berent—Karthaus); 4) Herstellung einer Bahn Koniß—Brust—Bütow oder nah einem anderen Punkte der Linie Bütow—Berent (Variante Konigz-westlich —Müskendorfer See-Bütow in der ungefähren Richtung der Chaussee Koniß—Bütow); 5) Herstellung einer Bahn von Fordon über Marimilianowo durch den Kreis Flatow nach Dt. Krone; 6) Her- stellung einer Bahn von Milewo (oder einem anderen geeigneten Punkte der Bahn Bromberg—Dirschau) nach Neuenburg; 7) Her- ¡tellung einer Bahn von Morroschin nah Mewe. j

Vayern. Z München, 11, März. Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent hat, wie „W. T. B.“ meldet, dem Finanz- Ninister Dr. Freiherrn von Riedel und dem Oberst-Hof- marschall Freiherrn von Malsen den St. Hubertus-Orden verliehen. J _ Einem heute aus Anlaß des morgigen Geburtstages Seiner Königlichen Hoheit des Prinz - Regenten ver- anstalteten Festessen der Reserveoffiziere wohnten auch Jhre Königlichen Hoheiten die Prinzen Leopold und Arnulf bei. 4 Die Kammer der Reichsräthe genehmigte heute mehrere Ctats. Der Antrag der Abgeordnetenkammer, die Personen- tarife herabzuseßen, wurde durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt. Der Voranschlag Poschinger's, die Staatsschuld theilweise in ein niedrig verzinsliches Prämien-Anleihen um- zuwandeln, wurde nicht berathen. „_ Die Kammer der Abgeordneten begann heute die Berathung des Forst - Etats. Der Referent Keßler gab dabei, wie der „Köln. Ztg.“ berichtet wird, einen Rükblick auf die Verwüstungen durch die Nonnenraupe. Der Finanz-Minister )r. Freiherr von Riedel rechtfertigte die Forstverwaltung. Man habe nichts vershwiegen, aber die große Gefahr folcher qplsenverbreitung nicht voliständig erkannt und unterschäßt. Man sei daher mit ungenügenden Mitteln in den Kampf ein- getreten. _Statt hundertweise hätte man “gleich anfangs hunderttausendweise Geld aufwenden sollen. Erst die Beob- ahtungen ‘des Ober - Forstraths Huber im Dürren- t Forst und dessen Erfahrungen mit Leimringen, A len die Feststellung eines richtigen Feldzugsplanes Znögliht und würden für alle Zeit ganz Deutschland von R jein. Die Holzabfälle seien pr unter Vermeidung qs allgemeinen Preissturzes günstig verkauft worden. Line hätten viele Bestände gerettet. Auch auf die Noth- peendigkeit einer größeren Dutcisorftums sei man erst durch le Erfahrung gekommen.

L Sachsen.

h Vresden, 11. März. Die Zweite Kammer erledigte eute dem „Dr. J.“ zufolge den Etat der Staatseisen- ahnen, der von der Finanz-Deputation mit der Maßgabe zur Genehmigung empfohlen wurde, daß die Ausgaben zu cnnen einer noch weitergehenden als in der Vorlage ent- go enen Aufbesserung der Stationsbeamten, welche die Depu- can mit der Staatsregierung vereinbart habe, um 210 480 M cryo9t würden. Der Etat wurde nah den Anträgen der

eputation genehmigt.

Badén.

Karlsruhe, 11. März. Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin hat, wie das „Bad. Wochenblatt“ berichtet, den Ober-Bürgermeister von Baden - Baden in Audienz empfangen und ihm ihren Dank für die Absicht der Stadt- gemeinde Baden ausgesprochen, ein Denkmal der Kaiserin Augusta zu errihten. Jhre Königlihe Hoheit beauftragte den Ober-Bürgermeister, den Ausdruck dieses Dankes auch den städtishen Collegien und der Einwohnerschaft zur Kenntniß zu bringen, mit dem Anfügen, daß die von der Stadt Baden kundgegebene treue Liebe und Verehrung für die hochselige Kaiserin Jhrer Königlichen Hoheit der Großherzogin zur auf- richtigsten Freude gereiche.

Der Zwe iten Kammer ist, der „Karlsr. Ztg.“ zufolge, ein Nachtrag zum Specialbudget des Ministeriums des Jnnern zugegangen, worin für Reisebeihilfen zum Besuch der Ausstellung in Chicago ein Betrag von 30000 6 ge- fordert wird. Nach der beigegebenen Begründung follen an weniger leistungsfähige Ausstellergruppen Zuschüsse zu den Kosten der Beschikung der Ausstellung gewährt, auch soll solchen Sachverständigen, von denen zu erwarten steht, daß die von ihnen gesammelten Erfahrungen dem Gewerbe und der Jndustrie des Landes in weiterer Ausdehnung zu gute fommen würden, der Besuch der Ausstellung durh Reise- beihilfen erleichtert werden.

Hessen.

Darmstadt, 12. März. Jn dem Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs war im Laufe des gestrigen Tages eine wesentliche Veränderung nicht eingetreten, die Nacht dagegen war, wie telegraphisch berihtet wird, un- ruhig. Der Puls, der, einer scit dem November v. J. be- stehenden Herzerweiterung entsprechend, bisher zwar unregel- mäßig gewesen war, aber an Kraft nichts eingebüßt hatte, ist während der heutigen Naht hwächer geworden. Dieser Nach- laß der Herzthätigkeit hat die bisher bestehende Lebensgefa hr erheblich gesteigert. (Vgl. die leßte Depesche.)

Anhalt.

Dessau, 11. März. Der Landtag beschloß gestern die Uebernahme von Grunderwerbungskosten für das Salzwerk Leopoldshall auf die Staatsschulden-Verwaltung und er- theilte für den Abschluß der Staats\schulden-Verwaltungskasse für 1890/91 Entlastung.

Oesterreich-Ungarn.

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Die heutige „Wiener Zeitung“ veröffentlicht die auf An- uchen erfolgte Enthebung des Bankgouverneurs von Moser von seinem Posten unter der gleichzeitigen Verleihung des Großkreuzes des Leopold-Ordens und die Ernennung des Professors Julius Kaug zum Gouverneur der Oester- reichisch-Ungarischen Bank.

Ueber die gestrige Sißung der österreichischen Valuta -Enguête - Commission liegt folgender Bericht des „W. T. B.“ vor: Der Experte Herhka sprach sich für die Goldwährung aus und bezifferte den erforderlichen Goldvorrath auf 500 Millionen ein)hließlich der vorhandenen Bestände. Die Valuta - Anleihe hätte nah Meinung dieses Experten etwa 312 Millionen zu betragen. Der Redner erklärte sih gegen die hinkende Währung, empfahl S iilber-Certificate mit beshränkter Zahlkraft des Silbers, wandte sich gegen den Umlauf sowohl von gedecktem als ungedecktem Staatspapiergeld und befürwortete ließlich den Umrechnungscurs: ein Gulden aleih 21/9 Frcs. und eine der gegenwärtigen entsprehende Münzeinheit.

Großbritannien und Jrland.

Prinz Leinvich von Battenberg, der jeit dret Wochen auf einer Lustfahrt im Mittelmeer an Bord seiner Yacht „Sheila“ begriffen is, wird sih, wie die „A. C.“ er- fährt, von Tunis über Corsica nah Hyèrees begeben.

Im Unterhause ha#te der Deputirte Mac Neill den Antrag eingebracht, daß in der Abstimmung über den Credit für die Vorarbeiten an der Mombasa-Eisenbahn am vorigen Freitag die Stimmen der Deputirten Pelly, Puelston und Burdett Coutts niht mitgezählt werden sollten, weil die Genannten als Directoren der Ostafrikanischen Compagnie bei dem Unter- nehmen interessirt seien. Dieser Antrag wurde in der gestrigen Sitzung mit 154 gegen 149 Stimmen angenommen, obgleich die Negierung ihn bekämpft hatte.

Die „St. James Gazette“ will wissen, die Regierung werde in nächster Zeit mit einer Bill über die Arbeiterfrage hervortreten, welche die Haftpflicht der Arbeitgeber schr ver- schärfe. Das Ergebniß der Londoner Grafschaftswahlen habe die längst gehegte Absicht beschleunigt.

Lord Rosebery hat beschlossen, bis zur Wahl eines neuen Präsidenten des Londoner Grafschaftsraths als Vorsitzender desselben zu fungiren.

Im Wahlkreise Ost-Belfast wurde an Stelle des seines Mandats für verlustig erklärten conservativen Abgeord- neten de Cobain der Conservative G. W. Wolff mit 4748 Stimmen in das Unterhaus gewählt; sein gleichfalls conservativer Gegner Charley erhielt 2697 Stimmen. Gustav Wilhelm Wolff ist, der „A. C.“ zufolge, ein geborener Ham- burger und Theilhaber der Schiffsbaufirma Harland und Wolff in Belfast.

Ueber cinen Landesverrathsprozeß, der gegenwärtig in Manchester verhandelt wird, liegt aus dem „W. T. B.“ folgender Bericht vor:

Ein ehemaliger Pionier-Sergeant, Namens Holden, erschien am 11. d. M. vor dem Polizeigeriht in Manchester unter der Anklage, mehrere Personen zu verrätherishen Mittbeilungen über die Ber- theidigungswerkfe von Malta verleitet zu haben. Der Staats- anwalt constatirte, daß der Angeklagte bei seiner Verhaftung im Be- griff war, nah Frankreich abzureisen, um dort aus der Hand ge- wisser Franzosen die Summe von 64 Pfund Sterling in Empfang zu nehmen. Die Verhandlung wurde vertagt. Der Richter lehnte die Freilassung Holden's gegen Bürgschaft mit Entschiedenheit ab.

Frankreich.

Der Minister des Auswärtigen Ribot empfing, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern Vormittag den Präsidenten und eine Abordnung der Pariser Handelskammer, welche dem Minister über die Schädigungen berichteten, die dem französishen Handel aus der Unterbrechung der handelspolitishen Beziehungen mit Spanien er- wüchsen.

Der Senat seßte gestern die Berathung über die Vor- lage, über die Errichtung von Universitäten fort. Der Minister des öffentlihen Unterrihts Bourgeois trat für die Vorlage ein, indem er sih auf das Beispiel der aus- ländischen, namentli der deutschen Universitäten berief, welche leßteren mit zur Begründung der Einheit Deutschlands bei- getragen hätten.

Ftalien.

Die Deputirtenkammer seßte gestern die Berathung des richtiggestellten Budgets fort und trat sodann in die Discussion über die von der Regierung vorgeschlagenen Finanzmaßregeln ein.

Portugal.

Die Kammer hat die Zolltarife endgültig angenom- men: die darauf bezüglihe Vorlage soll am Montag der Pairskammer zugehen.

Velgien.

In der NRepräsentantenkammer theilte der Minitster- Präsident Beernaert gestern mit, daß - der bisherige belgische Konsul in Luremburg durch einen diplomatischen Agenten erseßt werden werde.

Griechenland.

Wie dem „W. T. B.“ aus Athen berichtet wird, ver- lautet in dortigen unterrichteten Kreisen, die Regierung er- kenne die Nothwendigkeit einer Auflösung der Kammer an, da sie überzeugt sei, daß sie in derselben eine Majorität nicht erlangen werde: indessen werde sie den Ablauf der Ver- tagung abwarten und dann das neue Budget einbringen Die Regierung hat, wie es in einem weiteren Telegramm desselben Bureaus heißt, ein sechsprocentiges Goldan lehen im Betrage von 11 Millionen mit Lokalbanken abgeschlossen. Garantirt werde dieses Anlehen durch eine Steuer auf Eisen- bahnbillets und eine Steuer auf Dividenden der anonymen Gesellschaften.

Rumänien.

Der Finanz-Minister hat gestern laut Meldung des E D der Deputirtenlammer das BUdget des Verwaltungsjahres 1892/93 überreicht, worin für Verbesse- rungen und Neuanschaffungen in den verschiedenen Ministerien eine Erhöhung der Ausgaben um 91/5 Millionen für das Jahr 1892 eingestellt ist. Das Budget ist in Einnahmen und Ausgaben mit 179 700 000 Fr. im Gleichgewicht. Das Geseß über das Militär-Contingent für 1892 wurde mit 69 Stimmen gegen eine angenommen.

Serbien.

Die Declaration des Königs Milan ist, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern an die Abgeordneten vertheilt worden und wird in einigen Tagen in der Skupschtina zur Verlesung gelangen. Sie enthält nur die bekannte Resignation ohne Er- hebung einer Gegenforderung. Da aber eine solhe, obwohl siemnicht vor die Skupschtina gelangt, thatsächlich besteht, so beab- sichtigte der radicale Club, die Declaration gestern Abend noch- mals zu berathen und zugleich sich mit den Schwierigkeiten der Cabinetsfrage zu beschäftigen, um deren Regelung die Regierung sich angelegentlichst bemüht.

Bulgarien.

Die in Paris verbreiteten Stambulow's entbehren, wie „W. T. B.“ aus Sofia meldet, jeder Begründung. Stambulow dinirte vorgestern bei dem Prinzen Ferdinand im Palais und empfing gestern mehrere Persönlichkeiten in Audienz. Der Minister befindet sih vollständig wohl. Die Pforte hat der Ernennung Dimitrow’s zum bulgarishen Agenten in Konstantinopel die Zustimmung ertheilt. Die Ernennung wird in den nächsten Tagen veröffentlicht.

Afrika.

Nach einer neueren Meldung des „Standard“ aus Sansibar vom 11. März war die von demselben Blatt ge- brachte Nachricht von einer Niederlage der Truppen der British-ostafrikanishen Gesellshaft in Witu (f. Nr. 62) eine irrige. Vor vierzehn Tagen bereits hätten die englishen Truppen mit Eingeborenen ein Gefecht gehabt, in dem sie dem Feinde shweren Verlust beigebraht und ihn in die Flucht geschlagen hätten. Die Britisch-ostafrikanishe Ge- sellschaft habe nur einen Todten und vier Verwundete gehabt. L A r Nachricht von dem Verlust einer Maxim-Kanone sei falsch.

Nachrichten vom Tode

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (30.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanz-Minister Dr. Miquel und der Minister der geistlid en 2c. Angelegenheiten Graf von Zedliß beiwohnten, gingen die Geseßentwürfe, betreffend die Aufhebung von Stolgebühren für Taufen, Trauungen und kirchlihe Aufgebote in der evan- gelishen Landeskirche der älteren Provinzen der Monarchie, und betreffend die Aufhebung von Stol- gebühren für Taufen und Trauungen in der evan- gelish-lutherishen Kirche der Provinz Schleswig- Holstein sowie der Antrag des Abg. Dr. Porsch auf Ein- stellung des Strafverfahrens gegen den Abg. Das- bach ein.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1892/93 wurde im Etat des Ministeriums der geistlihen 2c. Angelegenheiten fortgeseßt, und zwar beim Kapitel 120 „Höhere Lehranstalten“ Titel 5, in welchem zur Durchführung des Normal-Etats von 1892 1400000 verlangt werden. Dieser Titel und die zum Normal-Etat ge- stellten Anträge waren mit dem Normal-Etat der Budget- commission überwiesen worden.

Die Commission beantragte nunmehr:

a. den Titel zu bewilligen, b. den Normal-Etat durch die Be- willigung für erledigt zu erklären, jedoch mit dem Ersuchen an die Königliche Staatsregierung, auch die über vier Jahre hinausgehende Thätigkeit als remunerirter Hilfslehrer sowie von der früheren Dienstzeit des Leiters einer Anstalt als wissenschaftliher Lehrer einen folchen Theil für anrehenbar zu erklären, daß ihm in feiner Stellung als Leiter ein gleih hohes Gehalt gewährt werden kann, wie es ihm zustehen würde, wenn er in der Stellung eines wissen- schaftlichen Lehrers geblieben wäre. (Der leßtere Beschluß entspricht Lier Antrag Kropatscheck.) Die anderen Änträge sollen abgelehnt werden.

Abg. Dr. Schul-Bochum (nl.) sprach sichgegen den Com- missionsantrag ans.