1892 / 64 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 14 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

R Se E D A A E E E L

Grlaubniß ist zu versagen, sofern wesentlihe in der Bau- und Be- triebsgenehmigung 3) gestellte Bedingungen nicht erfüllt sind.

& 16. Die Betriebsmaschinen sind vor ihrer Einstellung in den Betrieb und nach Vornahme erheblicher Aenderungen, außerdem aber zeitweilig der Prüfung dur die zur eisenbahntehnishen Aufsicht über die Bahn zuständige Behörde 18) zu unterwerfen.

8 17. Der Fahrplan und die Beförderungspreise sowie die Aen- derungen derselben find öffentlih bekannt zu machen. : i

& 18. Für die Angelegenheiten einer für den Betrieb mit Maschinenkraft eingerihteten Bahn, insbesondere für die Aufsicht über die Erfüllung der Bedingungen der Veit ist diejenige Landes- Polizeibehörde zuständig, we che bei der Genehmigung mitgewirkt hat. Die eisenbahntehnische Aufsicht steht der zur Mitwirkung bei der Ge- nehmigung berufenen Eifenbahnbehörde (S 2) zu, fofern nit der Minister der öffentlichen Arbeiten die Aufsicht einer anderen Eisen- bahnbehörde überträgt.

8& 19. Die Genehmigung erlisht, wenn die Ausführung der Bahn oder die Eröffnung des Betriebes niht innerhalb der in der Genehmigung bestimmten oder nachträglich gestellten Frist erfolgt.

8& 20. Die Genehmigung kann, abgesehen von dem Falle des Widerrufs 11), zurückgenommen werden, wenn der Bau oder Be- trieb ohne genügenden Grund unterbrohen oder wiederholt gegen die Bedingungen der Genehmigung oder die dem Unternehmer nach diefem Grseße obliegenden Verpflichtungen verstoßen wird.

& 91. Ueber die Zurücknahme entscheidet auf Klage der zur Er- theilung der Genchmigung zuständigen Behörde 2) das Ober-Ver- waltungsgericht.

8& 29. Bei Erlöschen, Widerruf oder Zurücknahme der Geneh- migung wird die für die Unterhaltung und Wiederherstellung öffent- licher Wege bestellte Sicherheit, soweit sie für den bezeihneten Zweck nit in Anspruch zu nehmen is, herausgegeben. Mangels anderweiter Vereinbarung hat der Wegeunterhaltungspflihtige die Wahl, die Wiederherstellung des früheren Zustandes, nöthigenfalls unter Be- seitigung der in den Weg eingebauten Theile der Bahnanlage, oder den unentgeltlichen Uebergang der leßteren in sein Eigenthum zu ver- langen. Auch abgesehen von dem leßteren Falle gehen folche Theile der Bahnanlage, wenn sie in dem Wege verbleiben, unentgeltlich in das Eigenthum des Wegeunterhaltungöpflichtigen über.

8 23. Inwieweit bei Erlöschen 19) oder Zurücknahme der Genehmigung wegen Unterbrechung des Baues oder Betriebes 20) die für den fristzeitigen Beginn oder die regelmäßige Fortführung des Baues oder Betriebes bestimmten Geldstrafen dem Staat verfallen, entscheidet unter Ausschluß des Nechtswegs der Minister der öffent- lichen Arbeiten.

L 24. Jede Bahnunternehmung der im § 1 bezeihneten Art ist verpflichtet, sich den Anschluß anderer Bahnen dieser Art gefallen zu lassen, sofern die Behörde, welhe die Genehmigung für die Bahn, an welche der Anschluß erfolgen soll, ertheilt hat, mit Rücksicht auf ihre Construction und thren Betrieb den Anschluß für zulässig er- achtet. Dieselbe Behörde entscheidet auh darüber, wo und in welcher Weise der Anschluß erfolgen soll, regelt in Ermangelung einer güt- lihen Vereinbarung die Verhältnisse beider Unternehmer zu cinander und seßt die dem erstgedahten Bahnunternehmer für die Benußung oder Veränderung seiner Anlagen zu leistende Vergütung vorbehaltlich des Nechtswegs fest.

8& %H5, Die Unternehmer von Bahnen der im § 1 bezeichneten Art können die Gestattung des Anschlusses ihrer Bahnen an Eisen- bahnen im Sinne des Gesetzes über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 verlangen, fofern der Minister der öffent- lichen Arbeiten mit Rücksicht auf die Construction und den Betrieb der leßteren den Anschluß für zulässig erachtet. Darüber, wo und in welcher Weise der Anschluß herzustellen ist, und über die Verhältnisse beider Unternehmer zu einander, insbesondere über die dem Eisenbahn- unternehmer für die Benutzung oder Veränderung seiner Anlagen zu leistende Vergütung entscheidet, in leßterer Beziehung unter Vorbehalt des Nechtswegs, der Minister der öffentlichen Arbeiten.

8 2%. Wenn cine Bahn unterster Ordnung nah Entscheidung des Staats-Ministeriums eine solche Bedeutung für den öffentlichen Verkehr gewinnt, daß sie als Theil des allgemeinen Eisenbahnneßzes zu behandeln ist, kann der Staat den eigenthümlichen Erwerb der- selben gegen Entschädigung des vollen Werthes beanspruchen.

8& 97. Der Erwerb erfolgt unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 42 Nr. 4a bis d des Geseßes über die Cifen- bahnunternehmungen vom 3. November 1838, mit der Maßgabe, daß bei Unternehmungen, welche niht im Besitze von Actiengesellschaften oder Commanditgesellschaften auf Actien find, der Berechnung der Entschädigung der Reingewinn nah den Bestimmungen des Ein- fommensteuergesezes vom 24. Juni 1891 (Geseß-Samml. S. 175), da- gegen bei Actiengesellschaften und Commanditgesellschaften auf Actien niht nur die als Actienzinsen oder Dividenden zur Vertheilung gelangenden, sondern auch diejenigen Beträge, welche als Neberschüsse im Sinne des § 16 des Einkommensteuergescßes zu erachten sind, der Berechnung des 25 fachen Betrages nah § 42 Nr. 4a des Eisenbahn- gesetzes zu Grunde zu legen, und daß, falls das Unternehmen noch nicht fünf Jahre im Betriebe war, für die Berechnung der Entschä- digung der Jahresdurhshnitt des bisher erzielten Reingewinnes maß- gebend ift, sowie daß es,' wenn eine Actiengesellschaft Unternehmer ist, nicht der Einlösung der Actien von den einzelnen Actionären, sondern nur der Zahlung der Gesammtentschädigung an die Gesellschaft bedarf.

8 28. Der Unternehmer i} verpflichtet, über jede Bahn, für welche ihm eine besondere Genehmigung ertheilt worden ift, dergestalt Rechnung zu führen, daß der Reinertrag derselben, und wenn der Unternehmer eine Actiengesellschaft is, die von derselben gezahlte Dividende daraus mit Sicherheit entnommen werden kann. Die Ver- nachlässigung dieser Verpflichtung begründet für den Staat das Necht, die Berechnung der Entschädigung nah dem Sachwerthe (§8 29 bis 31) zu verlangen. :

§ 29, Der Unternehmer kann Entschädigung nah dem Sach- werth verlangen, wenn das Unternehmen noh nicht länger als fünf- zehn Jahre im Betriebe is. Erfolgt die Erwerbung durh den Staat in den ersten fünf Jahren des Betriebes, so werden dem Sachwerth 90 9/09, erfolgt sie in den nachfolgenden zehn Jahren, so werden dem- felben 1099/6 zugeschlagen.

8 30. Im Falle der Entschädigung nah dem Sachwerth bilden den (Gegenstand des Erwerbes alle dem Unternehmen unmittelbar oder mittelbar gewidmeten Sachen und Rechte des Unternehmers, die For- derungen und Schulden jedoch nur insoweit, als dieselben nach beider- seitigem Einverständnisse auf den Staat übergehen sollen. Jn die zur Beschaffung des für das Unternehmen erforderlichen Perfonals und Materials geschlossenen Verträge tritt der Staat jedoh infoweit ein, als dieselben noch nicht erfüllt find. Für alle Bestandtheile-i}t der volle Werth zu vergüten. §31. Die Abschäßung und die Festseßung der Entschädigung für die Bestandtheile des Unternehmens (8 30) erfolgt nach einem von dem Unternehmer aufzustellenden Inventar, über dessen Nichtigkeit und Bosllständigkeit erforderlichenfalls zu verhandeln und von dem Bezirksausschusse zu entscheiden ift.

___§ 32. Die Festseßung der Entschädigung (§§ 27 und 29) er- folgt, vorbehaltlich des beiden Theilen zustehenden, innerhalb sechs Monaten nach Zustellung des Festseßungsbeschlusses zu beschreitenden Nechtswegs, durh den Bezirksausschuß unter sinngemäßer Anwen- dung der §8§ 24 bis 29 des Enteignungsgeseßes vom 11. Juni 1874. Der Bezirksausschuß if auch für das Vollziehungsverfahren zu- ständig.

__§ 33. Auf die Ermittelung der Entschädigung finden die §8§ 24 bis 28, auf die Vollziehung der Gnteignung die §§ 32 bis 37, auf das Verfahren vor dem Bezirksausschusse und auf die Wirkungen der Enteignung die §§ 39 bis 46 des Enteignungsgeseßes vom 11. Juni 1874 finngemäße Anwendung. Die Entschädigung für Bestandtheile des Unternehmens, welche im Inventar verzeichnet und bei Feststellung der Gesammtentschädigung berücksichtigt, bei der Vollziehung der Ent- eignung aber nit mehr vorhanden find, is von dem Unternehmer zurückzuerstatten. " Für Bestandtheile, welche bei Vollziehung der Ent- eignung über das Inventar vorhanden find, is auf Antrag des Unter-

nebmers von dem Bezirksausshusse nachträglich die vom Staat zu gewährende Entschädigung festzuseßen.

8 34. Heimfallöberecchtigten gegenüber greift das Erwerbungs- recht des Staats gleichfalls Plaß. Ihnen ist der volle Werth des Heimfallsrechts zu erstatten. :

8 35. Zur Anlegung von Bahnen in den Straßen Berlins und Potsdams E es Königlicher Genehmigung.

& 36. Die Bahnen sind verpflichtet, hinsichtlih der Beseßung der Subaltern- und Unterbeamtenfstellen mit Militäranwärtern, tnso- weit dieselben das 40. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, die für den Staatseisenbahndienst in diefer Beziehung und insbesondere bezüglih der Ermittelung der Militäranwärter bestehenden und noch zu erlassenden Vorschriften zur Anwendung zu bringen.

8& 37. Die Eisenbahnunternehmungen der im § 1 bezeichneten Art werden der Gewerbesteuer auf Grund des Gewerbesteuergeseßes vom 24. Juni 1891 (Geseß-Samml. S. 205) unterworfen. Auf sie finden die Bestimmungen des Gesetzes vom 27. Juli 1885, betreffend Ergänzung und Abänderung ciniger Bestimmungen über Erhebung der auf das Einkommen gelegten directen Communalabgaben (Gesetz- Samml. S. 327), soweit angängig und mit der Maßgabe Anwen- dung, daß solde Eisenbahnunternehmungen für Privateisenbahnunter- nehmungen im Sinne des § 4 a. a. O. nicht zu erachten sind.

8 38. Die Eisenbahnen der im § 1 0 oi Art unterliegen nachfolgenden Verpflichtungen gegenüber der Postverwaltung: 1) Die Unternehmer haben auf Verlangen der Postverwaltung mit jeder für den regelmäßigen Beförderungsdienst bestimmten Fahrt einen Post- unterbeamten mit einem Briefsack und, soweit der Plat reicht, auch andere zur Mitfahrt erscheinende Unterbeamte im Dienst gegen Zah- lung der Abonnementsgebühr oder, falls folche nicht besteht, der Hälfte des tavifmäligen Perfonengeldes zu befördern. 2) Die Unternehmer solher Bahnen, welche sih nicht ausshließlich mit der Personenbeförderung befassen, find außerdem verpflichtet, auf Ver- langen der Postverwaltung mit jeder für den regelmäßigen Be- förderungsdienst bestimmten Fahrt: a. Postsendungen jeder Art durch Vermittelung des Zugpersonals zu befördern, und zwar Briefbeutel, Brief- und Zeitungspackete gegen cine Vergütung von fünfzig Pfennig für jede Fahrt, die anderen Sendungen gegen Zahlung des Stückguttarifsaßes der betreffenden Bahn oder, fofern dieser Betrag A ist, gegen eine Vergütung von zwei Pfennig für je 50 kg und das Kilometer der Beförderungsstrecke nah dem monatlichen Ge- sammtgewichte der von Station zu Station beförderten Poststücke; þ. in Zügen, mit welchen in der Regel mehr als ein Wagen befördert wird, eine Abtheilung eines Wagens für die Postsendungen, das Be- gleitpersonal und die erforderlichen Postdienstgeräthe, gegen Zahlung der in den Artikeln 3 und 6 des Neichsgeseßes vom 20. Dezember 1875 (Neichs-Geseßblatt S. 318) und den dazu gchörigen Vollzugs- bestimmungen festgesezten Vergütung, sowie gegen Entrichtung des halben Stückguttarifsatzes der betreffenden Bahn einzuräumen. 3) Die Postverwaltung ist berechtigt, auf ihre Kosten an den Bahn- wagen einen Briefkasten anbringen und dessen Auswechselung oder Leerung an bestimmten Haltestellen bewirken zu lassen. 4) Die Unter- nehmer find verpflichtet, auf Verlangen zu gestatten, daß für Rech- nung der Postverwaltung Anschlußgleise zwischen ihrem Schienenneßz und den Postanstalten oder Bahnhöfen des Orts hergestellt, und daß in der Zeit, während welcher der Bahnbetrieb ruht, die Gleise der Bahn von der Postverwaltung gegen eine angemessene Bergütung zur Postbeförderung benußt werden. Erfolgt eine Einigung nicht, so wird die Vergütung durch Beschluß des Bezirksausschusses festgeseßt.

[T]. Sonstige Eisenbahnen.

8 39. Eisenbahnen, welche dem öffentlihen Verkehre nicht dienen, aber mit Bahnen, welche den Bestimmungen der Verfassung des Deutschen Neichs oder des Gesetßes über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 unterliegen, oder nah § 1 dieses Gesetzes ge- nehmigt sind, derart in unmittelbarer Gleisverbindung stehen, daß ein Uebergang der Betriebsmittel stattfinden kann, bedürfen, wenn sie für den Betrieb mit Maschinen eingerichtet werden follen, zur baulichen Herstellung und zum Betriebe polizeilicher Genehmigung.

& 40. Zur Ertheilung der Genehmigung 39) ift der Negie- rungé-Präsident, für den Stadtkreis Berlin der Polizei-Präsident, in NVerbindung mit der von dem Minister der öffentlichen Arbeiten be- zeichneten Cisenbahnbehörde zuständig. Berührt die Bahn mehrere Landes-Polizeibezirke, so bestimmt, wenn fie derselben Provinz an- gehören, der Ober-Präsident, falls sie verschiedenen Provinzen an- gehören oder Berlin dabei betheiligt ist, der Minister der öffentlichen Arbeiten im Einvernehmen mit dem Minister des Innern die zu- ständige Landes-Polizeibehörde.

§ 41. Die polizeilihe Prüfung erstreckt si 1) auf die betriebs- sichere Beschaffenheit der Bahn und der Betriebsmittel, 2) auf die technishe Befähigung und Zuverlässigkeit der Bediensteten, 3) auf den Schutz gegen schädlihe Einwirkungen der Anlage und des Betriebes. Soll eine Bahn, welche an eine dem Gesetze über die Cifenbahnunter- néhmungen vom 3. November 1838 unterliegende Eisenbahn Anschluß hat, von dem Unternehmer der letzteren angelegt und betrieben werden, so beshränfkft sih die Prüfung auf den Schuß gegen schädliche Ein- wirkungen der Anlage und des Betriebes.

G42 Zur N ut offentliher Wege bedarf es der Zu- stimmung der Unterhaltungspflichtigen und der Genehmigung der Wege-Polizeibehörde.

§ 43. Die Bestimmungen der §8§- 7 und 13 bis 16 einschließlich finden auf diese Bahnen gleihmäßige Anwendung.

§44 Polizeilihe Bestimmungen über den Betrieb auf solchen Bahnen können nur im Einverständniß mit der Eisenbahnbehörde

40) erlassen werden.

8 45. Die Genehmigung kann zurückgenommen werden, wenn wiederholt gegen die Bedingungen derselben verstoßen wird. Ueber die Zurücknahme der Genehmigung entscheidet auf Klage der Behörde 40) das Ober-Verwaltungsgericht. i Ó 46. Die cisenbahntechnische Aufficht und Ueberwachung der Anschlußgleise erfolgt durch diejenige Behörde, welcher diese Aufgaben bezüglich der dem öffentlihen Verkehre dienenden Bahn, an welche sie anschließen, obliegen.

§& 47. Die Bestimmungen der §8 39 bis 45 finden auf die- jenigen Bahnen, welche Zubehör eines Bergwerks im Sinne des all- gemeinen Berggesetßes vom 25. Juni 1865 (Geseß-Samml. S. 705) bilden, keine Anwendung. Durch die Bestimmung in § 46 wird das auf dem allgemeinen Berggeseßz vom 24. Juni 1565 (Geseßz-Samuml. S. 705) beruhende Aufsichtéreht der Bergbehörden gegenüber diesen Bahnen nicht berührt. E

Gemeinsame und Uebergangs-Bestimmungen. F 48. Der nach den Bestimmungen dieses Gesetzes erforderlichen

Sicherstellung bedarf es uicht, wenn das Reich, der Staat oder ein"

Communalverband Unternehmer ist. JImyvieweit in solchen Fällen von den Bestimmungen des § 11 abgesehen werden kann, wird ‘durch Anweisung des Ministers der öffentlichen Arbeiten bestimmt. |

§. 49. Gegen die Beschlüsse und Verfügungen, für welche die Landes-Polizeibehörden in Verbindung mit den Eifenbahnbehörden zuständig sind, und gegen die Beschlüsse und Verfügungen der eifen- bahutechnischen Auffichtsbehörden findet die Beschwerde an den Minister der öffentlihen Arbeiten statt. Jm übrigen greifen die nah den Bestimmungen der & 127 bis 130 des Gesetes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Geseßz-Samml. S. 195) zulässigen Rechtsmittel Plau. i i ___§ 950. Dieses Geseß tritt am 1. April 1893 in Kraft. Die Be- stimmungen des § 11 Abs. 3, der §§ 16 bis 18, 20 bis 38 und 44 bis 46 finden auf diejenigen der unter 1 und 11 bezeichneten Bahnen An- wendung, welche bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes be- standen. :

§ 951. Eisenbahuunternehmungen der im § 1 bezeichneten Art bedürfen bei wesentlichen Veränderungen des Unternehmens, der An- lage oder des Betriebes einer Genehmigung nah den Vorschriften dieses Gesebes. i :

§ 92. Mit der Ausführung dieses Geseßes werden der Minister der öffentlichen Arbeiten und der Minister des Innern betraut.

Die Begründung, welhe dem Gesezentwurf bei ist, lautet in ihrem allgemeinen Theil, a folgt: f beigegeben Neben denjenigen Nebenbahnen, welche, obwohl ; Bau- und Betriebsart als die Vollbahnen, doch Tel des alleaMerer Eisenbahnnezes bilden und demzufolge den Bestimmungen des Ge seßes über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 unter, stellt sind, entstehen in neuerer Zeit immer zahlreiher Bahnen id örtliher Natur, welche nicht als Glieder des allgemeinen Staats. bahnneyes gelten können, vielmehr bestimmt sind, an dasfelbe F davon nicht berührten Ortschaften anzuschließen. Für Kleinbahnen dieser Art is Einfachheit und Billigkeit des Baues und Betriebes, sowie die leihte Anpaßbarkeit an die Bedingungen des örtlichen Verkehrs eine Lebensfrage. Schon aus diesem Grunde werden an x die rehtlihen Anforderungen, welhe in Bezug auf Bau und Betrieß an die dem allgemeinen Eisenbahnneße angehörenden Bahnen gestellt werden, nicht erhoben werden können. Bisher entbehrten diefe Bahner unterster Ordnung einer besonderen geseßlichen Regelung. Ihre Rechts. verhältnisse find aber M E der allgemeinen Geseße und Ver- waltungsbestimmungen keineswegs befriedigend oder auch nur in einer jeden Zweifel ausshließenden Weise siher geordnet. Es liegt daher das Bedürfniß zu einem Eingreifen der Geseßgebung um - mebr vor, als Preußen hinsichtlich der Entwickelung dieses wichtigen Vex- fehrsmittels hinter manchen außerdeutshen Staaten und deutschen Nachbarländern zurückgeblieben is, während gerade in einem dem Verkehrsbedürfniß entsprehenden Nete solcher einfacheren und billigeren Verkehrsanlagen fo ziemlih die einzige Möglichkeit gegeben it, den ärmeren und minder verkehrêreihen Gegenden Preußens den Segen einer Eisenbahnverbindung zu theil werden zu lassen. :

Zu den Gründen, aus welchen das Privatkapital ih in geringerem Maße, als dies erwünscht und nah Lage der Sache möglich wäre, in Preußen Bahnunternehmungen der bezeichneten Axt zugewendet hat, wird auch die Unzulänglichkeit und Unbestimmtheit der Rechtsverhältnisse dieser Bahnen zu rechnen fein. :

Eine Gesetzgebung, welche sih das Ziel steckt, die öffentlichen Rechtsverhältnisse der Kleinbahnen im Zusammenhang zu ordnen wird von dem leitenden Grundsaß auszugehen haben, daß bei Wah- rung der betheiligten öffentlichen Interessen gleihwohl die Beschrän- fung und Belastung dieser Bahnunternehmungen auf das mit den Rücksichten des Gemeinwohls verträgliche geringste Maß zu beschränken ist, damit die kräftige Entwickelung dieses wichtigen Verkehrszweiges und die Betheiligung des Privatkapitals an demjelben niht gehin- dert wird. Aus diesem Grunde werden für die kleinen Bahnen dieser Art auch die bezüglichen Vorschriften für Nebenbahnen nicht zum Muster dienen können ; ihre Rechtsverhältnisse werden vielmehr selbst- e E der Natur und den Bedürfnissen derselben neu zu ordnen sein.

Dabei kommt zunächst die Abgrenzung gegenüber den dem allge- meinen Eisenbahnneße angehörigen, dem Geseße vom 3. November 1838 unterstellten Bahnen in Betracht. Hierbei wird namentlich bei der Schwierigkeit, eine unter allen Umständen zutreffende feste begriff- lihe Unterscheidung zwischen beiden Klassen von Bahnen zu geben, in der Ordnung der Zuständigkeit die nöthige Gewähr dafür zu bieten sein, daß einerseits diejenigen Bahnen, welche ihrer Bedeutung nah sich als Glieder des allgemeinen Cisenbahnneßes carakterisiren, demselben auh rehtlich angeshlossen werden, daß andererfeits auch alle Bahnen, bei denen dies niht der Fall is, von den damit zu- fammenhängenden größeren Beschränkungen und Belastungen frei bleiben.

Außerdem kommt das Verhältniß der Kleinbahnen zu den Eisenbahnen im engeren Sinne des Wortes vornehmlih noch nah zwei Richtungen in Betracht. Zunächst ist die Möglichkeit nicht aus: geschlossen, daß Bahnunternehmungen, welche bei ihrer Entstehung die Natur von Kleinbahnen haben, mit der Zeit sich zu einer Bedeutung fortentwickeln, welhe ihre Eingliederung in das allgemeine Eisen- bahnnet erfordert. Es wird daher die Möglichkeit einer folchen nachträglihen Aenderung der rechtlihen Natur des Unternehmens zu geben, zugleich aber {on im Interesse der Heranziehung des Privat- fapitals zu diesen Unternehmungen sorgsam darauf Bedacht zu nehm sein, daß durch die Veränderung der rechtlichen Natur des Unte nehmens dem Unternehmer ein materieller Schaden nicht zugefügt wit.

Sodann kommt die äußere Berührung mit dem allgemeinen Eisen- bahnneßze in Betracht. Bei Niveaukreuzungen gilt es, bei einen etwaigen Widerstreit der Interessen, den dem öffentlichen Verkehré- bedürfniß entsprehenden Ausgleich zu finden. Ferner is darauf BVe- dacht zu nehmen, den Kleinbahnen den Anschluß an das allgemeine Eisenbahnneß unter Beachtung der durch die Betriebsinteressen der diesem angehörenden Ba gebotenen Rücksichten zu er- möglichen.

Mit dem Betriebe auf einer bestimmten Bahn, bei welchem die Transportmittel auf anderen Wegen nicht frei verkehren können und auf metallener Unterlage laufen, wodurch die Beförderung von größeren Lasten zum theil mit größerer Geschwindigkeit ermöglicht wird, ist Gefahr für Leben und Gesundheit des Personals, der Passagiere und des Publikums, zum theil auch eine Schädigung benachbarter Grundstücke verbunden. Ii del Gebrauch von Maschinenkraft tritt ein weiteres Moment der Gefahr hinzu, während die häufig vorkommende Benußung der öffent- lichen Wege auch wichtige Interessen der Verkehrspolizei berührt. Es ist daher unerläßlih, den Bau und den Betrieb von Bahnen dieser Art von einer polizeilihen Genehmigung abhängig zu machen und in den wichtigsten Punkten einer laufenden Aufsicht zu unter- stellen. Dabei ist davon auszugehen, daß die polizeiliche Controle zwar wirksam einer Gefährdung von Leben und Gesundheit oder einer Beschädigung Dritter vorzubeugen haben wird, daß aber dur) E der Zuständigkeit und der Rechtsmittel die Gewähr dafür zu geben is, daß von den geseßlichen Befugnissen ein auch nach der technishen Seite hin sachgemäßer Gebrauch gemacht und ein für die Wahrung der betheiligten Interessen hinausgehendes Eingreifen der staatlichen Organe vermieden wird.

__ Obwohl Bahnunternehmungen dieser Art namentlich dann, wenn sie öffentliche Straßen benuyten, einen mehr oder minder mouopol- artigen Charakter gewinnen, so wird doch zur Vermeidung nicht un- bedingt nothwendiger Einwirkung der Staatsbehörden sowohl von einer staatlichen Prüfung der Bedürfnißfrage, als von einer folchen der finanziellen Sicherheit des Unternehmens im einzelnen abzusehen sein, und zwar ersteres um so mehr, als, wenn der Mitbewerb tnehrerer nicht gleihwerthiger Unternehmungen in Frage kommt, zu den als Straßeneigenthümer in der Regel betheiligten Communalverbänden das Vertrauen gehegt werden darf, daß sie unter den Concurrenten die e betheiligten Verkehrsinteressen entsprehendste Wahl treffen werden.

__ Dagegen is mit Rücksicht auf den häufig vorkommenden that: sächlichen Ausschluß der Concurrenz die staatliche Controle auch auf den Fahrplan sowie auf die Höhe und die Gestaltung der Fahrpreise zu erstrecken.

Nücksichten des Mitbewerbes bedingen ebenso die Regelung der Vorausseßungen, unter denen eine Kleinbahn sih den Anschluß einer anderen Kleinbahn oder eines Privatgleises gefallen zu lassen hat.

_ Ein erheblicher Theil der in Rede stehenden Bahnen wird auf die Benußung der Straßen und sonstigen öffentlichen Wege an- gewiesen sein. Es ist daher au unerläßlich, das Rechtsverhältniß der Bahnunternehmungen zu dem aus öffentlichem Nechte zur Straßen- oder Wegeunterhaltung Verpflichteten, d. h. nah preußishem Recht in der Regel einem weiteren oder engeren Communalverbande sach- gemäß zu ordnen. Dabei werden einerseits die Interessen der Wege unterhaltung fowie die materiellen Interessen der betheiligten Com- munalverbände, namentli nah der Richtung hin, sich durch ein an- gemessenes Entgelt oder dur Ausbedingung cines Heimfallrechts einen billigen Ausgleich für die auf die Siralenmilaten verwendeten

fie

Kosten zu verschaffen, ficher zu stellen, auf der anderen Seite aber eine Gewähr dafür zu geben sein, daß die Communalyerbände mit dieser Befugniß keinen Mißbrauch treiben und durch unangemessene Forderungen die Entwickelung der Bahnen unterster Ordnung nichk gefährden oder beeinträchtigen.

» Heranziehung der Bahnunternehmungen dieser Art zu den een 5 Staats wird unter dem Gesichtépunkte zu erfolgen haben, daß sie nicht der besonderen Besteuerung der dem Geseße vom 3. No-

nber 1838 unterstellten und durh dieses Geseß vielfach bevor- M Bahnen, sondern in gleicher Weise wie andere Unternehmungen, O enen das Privatkapital seine Verzinsung sucht, der allgemeinen Gewerbesteuer nah dem Geseßze vom 24. Juni 1891 zu unter- werfen fn den staatlichen Interessen, welche gegenüber den Bahnen nterster Ordnung in Betracht kommen, sind auch die Interessen des Reichs nnd zwar diejenigen der er a und der Reichs- oft- und Telegraphenverwaltung betheiligt. Auch diesen gegenüber d an dem leitenden Grundsatze festzuhalten sein, daß im Interesse der Nerkehrsentwickelung ‘die Beschränkungen und Belastungen der Kleinbahnen auf das mit der Wahrung der betheiligten Neichsinter- essen verträgliche geringste Maß einzuschränken sind, 2 Ebenso wie die E P der dem öffentlichen Ver- fehre dienenden Kleinbahnen find auch diejenigen der Privatgleise, welche an Bahnen aller Art, die dem öffentlichen Verkehre dienen, an- ließen, zur Zeit nicht nach ihrer besonderen Natur und nah ihren Bedürfnissen einheitlich geordnet. Es empfichlt sich daher, mit der Regelung der Rechtsverhältnisse der Kleinbahnen eine folche für jene Anschlußgleise, wenigstens soweit sie für den Betrieb mit Maschinen- traft eingerichtet sind, zu verbinden und dabei im Interesse der Ver- fehrsentwickelung leichfalls den Grundfaßz zur Geltung zu bringen, daß zwar den betheiligten Sicherheitsinteressen in vollem Umfange Rechnung zu tragen, aber jede dadurch nicht nothwendig bedingte Beschränkung und Belastung der bezeichneten Verkehrsunternehmungen ; iden sei. j I a N "Meichörechtliche Bedenken im Hinblick auf die Bestimmungen der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 stehen der Ordnung der Materie im Wege der Landesgesetzgebung aus dem Grunde nicht ent- gegen, weil nah § 6 der Gewerbeordnung Eifenbahnunternehmungen von deren Bestimmungen ausgenommen sind, und Bahnunter- nehmungen, welche dem öffentlichen Verkehre dienen, in diesem Sinne als Eisenbahnunternehmungen auch dann anzusehen sind, wenn sie ich lediglih auf den Betrieb von Straßenbahnen mit Pferden be- ziehen. Für die Anschlußgleise, welche den Charakter eines selbst- ständigen gewerblichen Unternehmens nicht haben, kommen aber nur die Bestimmungen der §S 16 ff. über die Genehmigung und Controle der Dampfkessel und Dampfmaschinen in Betracht, bezüglich deren der Entwurf sich innerhalb des der Landesgeseßgebung gelassenen Spielraums bewegt.

Statistik und Volk8wirthschaft.

Deuts her Landwirthschaftsrath.

Die Beschlüsse, welche der Landwirthschaftsrath am Freitag gefaßt hat, lauten: 4 l: N : L

1) Ueber R und N A nach Lebendgewicht für E4lahtvieh: 1. Die Lebendgewichtsnotirung ist die erstrebens- werthe Grundlage der Preisveröffentlichungen für Vich dur unsere Zdlachtviehhof- Verwaltungen. Die der Einführung dieser Paßregel entgegenstehenden Hindernisse allmählich zu befeitigen, erscheint als cine wihtige Aufgabe aller Körperschaften und Landes-Interessen-

vertretungen. 11. Da aber dieses Ziel nur allmählich wird erreicht werden können, und es dringend nöthig erscheint, die bei der üblichen Schlachtgewichts - Notirung theilweise _be- stehenden Mißstände rasch zu beseitigen, o wird beschlossen, den Vorstand zu beauftragen : l) daß obrigkeitliche Bor- riften erlassen werden: a. um eine ‘einheitlihe Form für die Feststellung des Schlachtgewichts auf allen öffentlichen

Sthlachtviehhöfen des Deutschen Reichs zu verlangen; b. um Fest- stellung des Preises für 50 kg Schlachtgewicht dur eine Commission vertrauenêwürdiger Personen, auf Grund einer möglichst großen Zahl von Verkaufsberichten und unter behördlicher Controle zu erlangen ; 9) daß die Schlachtviehhofs-Directionen ersucht werden, unter Zu- zichung von Landwirthen über einheitliche Gebräuche bei der Notirung und im Handel mit Schlachtvieh sih zu berathen und zu verständigen. [1]. Die landwirthschaftlichen Centralvereine Deutschlands find zu ersuhen: a. die Ausbreitung und Berallgemeinerung des Vieh- handels nah Lebendgewicht dadurch zu befördern, daß Sorge getragen werde, daß in jeder Gemeinde cine Viehwaage zur Aufstellung gelangt; b. den derzeitigen Mangel an verlässigen Preisnotirungen von Schlacht- vieh nah Lebendgewicht dadur zu mildern, daß in den _Vereinszeit- \hriften regelmäßig wiederkehrende Nachrichten über thatsächlich voll- zogene Kaufabschlüsse von Vieh veröffentliht werden: 3) auf die Probeschlachtungen bei Gelegenheit der Berliner Mastvich-Ausstellung die allgemeine Aufmerksamkeit der mästenden Landwirthe zu lenken und bei geeigneten Gelegenheiten solche Probeschlachtungen in Rücksicht

auf Ernährung, Nasse, Frühreife, Fleischqualität und -Quantität auch selbst zu veranstalten.

9) Ueber die Herbeiführung einheitliher Getreide-

Preisnotirung an den deutshen Börsen: 1. Der Deutsche audwirthschaftsrath erklärt: Das zur Zeit bestehende Preisnotirungs- wesen im deutschen Getreidehandel entspricht weder den vom allgemein bolkêwirthschaftlichen Standpunkt zu stellenden Anforderungen, noch den Interessen der Landwirthschaft, weil es nicht geeignet (0 Tan klares Bild der Preisbildung für die verschiedenen Getreidearten, je nah der Qualität derselben, zu geben und die Vergleichung zwichen den einzelnen Marktberichten vorzunehmen. Es besteht ein Be- dürfniß, klare Notirungen der Getreidepreise auf einheitlicher Grund- lage in Bezug auf Gewichts- und Qualitätsbezeichnung zu er- halten. Für die Qualitätsbezeihnung können allgemeine Angaben über Provenienz, Farbe u. ]. w. allein nicht genügen, es muß diesen vielmehr eine vermittels des Getreideprobers festgestellte Qualitätsgewichtsangabe beigefügt werden. Es erscheint hiernach er- forderlich: 1) für den Getreide-Terminhandel die an den preußischen Getreidebörsen zur Einführung gelangten Lieferungs- und Qualitäts- anforderungen einheitlih an allen deutschen Productenbörsen zur An- wendung zu bringen, sowie 2) zur Festseßung des Qualitätsgewichts des Getreides die neuen Getreideprober an allen deutfchen Getreide- märkten in Gebrau zu uchmen. 11. Der Deutsche Landwirthschafts- rath beauftragt seinen Vorstand: in Fortsetzung seiner bisherigen Be- strebungen auf diesem Gebiete sich behufs Anerkennung und Durchführung der vorstehend bezeichneten Forderungen sowohl mit den deutschen Staatsregierungen, wie mit den Vertretungskörperschaften des Handels und der Landwirthschaft in geeignete Verbindung zu seben.

3) Veber die Regelung des Handels mit käuflichenFutter- mitteln: In Anbetracht dessen, daß die Kenntnisse über die gifkigen Cigenschaften der zufällig in den Futtermitteln vorkommenden oder zur Verfälshung derselben zugeseßten Bestandtheile sehr wenig geklärt lind, sowie dessen, daß es völlig unbekannt ist, inwicfern gewisse Zu- 0e oder ein gewisser Zustand (Verdorbenheit,. Anwesenheit von Mikroorganismen) die Ausnutzung und Verwerthung folcher Futter- mittel beeinträchtigen, beschließt der Deutsche Landwirthschaftsrath, in Anerkennung der Wichtigkeit der Frage darauf hinzuwirken, daß geeigneten Orts Mittel bereit gestellt werden, um durch Zusammen- wirken der Veterinär-Institute und des Verbandes der landwirth- \haftlichen Versulhs\tationen im Deutschen Reich Untersuchungen zur Klârung diefer Frage zu ermöglichen, ferner den deutschen Veterinär- Instituten sowie dem Verbande der Versuchsstationen im Deutschen Reich von diesem Beschluß Mittheilung zu machen. e

In der leßten Sitzung am Sonnabend wurde mit 21 gegen 18 Stimmen folgender Antrag des Professors Dr. Orth angenommen : „Der Deutsche Landwirthschaftérath beschließt: dem Herrn Reichskanzler und den deutschen Bundesregierungen die diesjährigen Verhandlungen, betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung der Tuberculo se des Rindviehs, zur Kenntnißnahme zu übersenden und die Vitte auszu- \Þrechen, zu veranlassen, daß die dazu noch erforderlichen Unterfuchungen vollständig durchgeführt und möglichst bald soweit gefördert werden, um praktish gegen diese verheerende Krankheit unserer Hausthiere vorgehen zu können.“ Hierzu wurde noch einstimmig der folgende

Antrag des Freiherrn von Hammerstein (Mey) genehmigt : „Zur weiteren Abwehr der durch die Tuberculose und andere Krankheiten des Rind- viehs verursahten wirthschaftlihen Schäden ift eine allgemeine Ver- sicherung des Nindviehs in ganz Deutschland dringend wünschens- werth.“ Endlich wurde noch folgendem Antrag des Prof. Dr. Cchüß (Berlin) zugestimmt : „An die Staatsregierung die Bitte zu richten : dur amtlihe Versuche feststellen zu lassen, ob das Tuberculin zur Erkennung der Tuberculose am lebenden Thiere auch in der Praxis brauchbar ift.“

Betreffs Vermehrung von Delegirten im Deutschen Landwirthschaftsrath wurde folgender von einer Commission gestellter Antrag zum Beschluß erhoben: „Der Landwirthschaftsrath wolle beschließen: den Vorstand unter Hinzutritt von fünf zu wählenden Mitgliedern zu beauftragen, die Frage gründlich zu prüfen, ob und event. in welher Richtung es sih empfiehlt, eine grundsäß- lihe Aenderung der Bestimmungen in § 2 des Statuts, event. auch der Bestimmungen des F 9 des Statuts eintreten zu lassen und über das Ergebniß dieser Berathung der nächsten Plenarversammlung des Landwirthschaftsraths zu berichten.“

Zur Frage der Bekämpfung der Maul- und Klauen- \feuche gelangt folgender Antrag des Oekonomie-NRaths von Lan gs- dorf (Dresden) zur Annahme :

1. Der Deutsche Landwirthschaftsrath erklärt wiederholt

1) eine Abänderung des § 56 dêr Neichs-Gewerbeordnung dahin für wünschenswerth, daß die deutschen Landesregierungen ermächtigt werden, bei drohender Gefahr der Einschleppung und bezw. Weiter- verbreitung der Maul- und Klauenseuche den Verkehr mit Klauenvich im Umherziehen zu untersagen ; i i

92) die Anwendung der nach dem Reichs-Viehseuchengeseß vom 93. Juni 1880 zulässigen shärferen Maßnahmen unter Verschärfung der durch die Instruction gegebenen Auéführungsbestimmungen nicht erst bei Ausbruch einer Seuche, sondern als vorbeugendes Mittel schon dann für erforderli, wenn die Gefahr einer Sceucheneinschleppung droht ; 3) die möglichst rashe Veröffentlichung von Seuchenausbrüchen, unter Bezeichnung des Verbreitungsgebiets der Seuchen, die amtliche Kenntnißgabe hiervon auf dem kürzesten Wege an die Negierungen derjenigen Bundesstaaten, mit welchen ein regelmäßiger Viehverkehr aus der verseuchten Gegend stattfindet, sowte die amtliche Veröffent- lihung der sih im Seuchenstande vollziehenden Veränderungen in thunlichst kurzen Zeitabschnitten, für unentbehrlihe Hilfêmittel zur wirksamen Bekämpfung der Viehseuchen ; S

4) es ist die Pflicht und Aufgabe der landwirthschaftlihen Ver- eine, in den Kreisen der Landwirthe die Ueberzeugung zu verbreiten, daß die Verheimlihung der Seuche wegen der gefährlichen Folgen dem Schuldigen große Verantwortlichkeit auferlegt und als gewissen- loses Verfahren zu bezeichnen ift.

[1. Der Deutsche Landwirthschaftsrath erklärt ferner

5) die Zulässigkeit der Anordnung einer mehrtägigen Beobachtung von Händlervieh unter Stallsperre ist ein unentbehrliches Hilfsmittel zur Verhinderung der Seuchenvershleppung in Zeiten größerer An- \teckungsgefahr ; : S

6) zur möglichst raschen Veröffentlihung des Ausbruchs und Er- löshens von Seuchen empfiehlt sich die gemeinsame Benußung eines geeigneten amtlichen Organs durh alle mit der Ueberwachung des Seuchenstands betrauten Behörden des Deutschen Reichs. Ï

Im Anschluß hieran wurde noch folgender Antrag des Domänen- Naths Rettich (NRosenhagen) angenommen: ¿Dev Deutsche Land- wirthschaftsrath richtet an die Reichsregierung die dringende Vitte, sie möge von den in dem Seuchenübereinkommen für Deutschland noch verbliebenen Absperrungsbefugnissen den allerschärf\ten Gebrauch machen, so lange die Seuchen in Oesterreich-Ungarn nicht erloschen find.“ Behufs Bekämpfung des Nothlaufs der Schweine wurde endlich beschlossen: „Mit Hinblick auf die amtlich sest- gestellten großen Verluste durh die Nothlaufseuhhe erscheint nunmehr eine reichsgesezlihe Megelung für unabweisbar, und zwar nah der Richtung, daß a. die Nothlaufseuche der Schweine unter die Anzeigepflicht in Gemäßheit des Geseßes vom 93, Juni 1880 fällt; b. eine Entschädigung für die am Rothlauf ge- fallenen, wie auch polizeilih getödteten Thiere dem Eigenthümer ge- zahlt werde; e. hinsihtlih der Entschädigung die obligatorischen Versicherungsverbände unter voller Schonung der einschlägigen Ver- hältnisse und Einrichtungen der Einzelstaaten, wie auch besonders von deren Provinzen 2c. ins Leben gerufen werden ; d. und um die Inan- spruhnahme der beamteten Thierärzte auf ein thunlichst geringes Maß zu begrenzen, die Bestimmungen der §§ 11 und 15 des (Geselzes vom 93, Juni 1880 auch auf den Rothlauf auszudehiten find."

Zur Lage der Handweber.

Das Königliche Landrathsamt in Glatz erläßt folgende Bekannt- machung: „Das unterzeichnete Landrathsamt bringt hierdurch zur Keunk- niß, daß eine größere Anzahl von Knaben aus den Handweberdörfern des hiesigen Kreises die diesseitige Vermittelung behufs Erlangung der (Gelegenheit zur Erlernung eines Handwerks nachgesucht hat. Die ge- äußerten Wünsche umfassen fast sammtliche handwerksmäßige Berufs- zweige und befinden sich die betreffenden Knaben im Alter von 14 bis 16 Jahren. Weitere Anträge, dur welche voraussichtlich auch die Ge- legenheit zum Eintritt in ein landwirthschaftliches Dienstverhältniß nach- gesucht werden wird, stehen in Aussicht. Handwerksmeister, welche gencigt sund, einzelne der in Rede stehenden Webersöhne in die Lehre zu nehmen, sowie Landwirthe, und besonders bäuerliche Wirthe, welche den Wunsch haben, solhe in dauernden Dienst zu nehmen, werden A e ihre diesbezüglichen Absichten hierher mitzutheilen. Es wird \hließlich bemerkt, daß öffentliche Mittel, aus denen Beihilfen zur Zahlung des Lehrgeldes Lune zur Ausrüstung der Knaben bestritten werden fönnen, zur Verfügung stehen.“ Jm Kreise Waldenburg ist aus den für bedürftige Handweber und Spuler im dortigen Kreife im ver- flossenen Winter gesammelten Beiträgen ein Bestand von 764 A6. ver- blieben, der mit den dazugekommenen Zinsen die Höhe von 780 erreichte. Im Anfange dieses Jahres sind zur Unterstützung der vor- erwähnten Personen 730 Æ zur Beschaffung von Lebensmitteln und Feuerungsmaterial verwandt worden.

Zur g

Die am Sonnabend hier in Berlin abgehaltene Ver-

sammlung von Arbeitslosen (vgl. Nr. 63 d. Bl.) war stark besucht, verlief aber sehr ruhig. Nach einem Vortrage des socialdemokratishen Baumeisters a. D. Keßler über die Arbeiterausschreitungen wurde folgende vom „Vorwärts“ mit- getheilte Resolution angenommen: Die Versammlung der Ar beitsl osen im Baugewerbe er- flärt, daß die Krawalle in Berlin von den socialdemokratischen Arbeitern Berlins weder hervorgerufen sind, noch gebilligt werden. Sie sieht in den Krawallen den bedauerlichen Ausfluß der Skandal- sucht der in der Großstadt reichlid vorhandenen unsauberen und un- reifen Elemente, für welhe die Versammlung jede Verantwortung ablehnt. Die Versammlung erwartet, daß nunmehr durch ernste Maßregeln der Staats- und Communalbehörden der Noth der Arbeitslosen abgeholfen wird.“

Eine Resolution, in der gegen die Haltung des , Vorwärts“ Ver- wahrung eingelegt wird, wurde abgelehnt. Baumeister Keßler verlas zum Schlusse eine an den Magistrat zu rihtende Petition über die Errichtung ciner Arbeiterb örse auf Kosten der Stadt. Die Er- örterung dieser Petition wurde wegen der vorgerückten Zeit auf eine später einzuberufende Versammlung verschoben. E 3

" Frkf. Ztg. d Zur

Aus dem Saarrevier wird der Bergarbeiterbew egung geschrieben: Gegenwärtig tritt in den Bergarbeiter-Versammlungen, die im

Saarrevier abgehalten werden, als Hauptredner der socialdemo- fratishe Agitator Wesch aus Krefeld auf. Ob er seitens der Partei geschickt oder von den Führern des MRechtsschußz-

vereins verschrieben wurde, is niht aufgeklärt. Thatsache ift, daß

der Präsident des leßteren, Nikolaus Warren, in diesen Ver- sammlungen anwesend war und als Redner auftrat ; auch andere Vorstandsmitglieder des Rechtsshußzvereins nahmen das Wort. Eine dieser Versammlungen verfiel der polizeilichen Auflösung, da die An- hänger und Gegner der socialdemofratischen Ideen etwas hart an einander geriethen und der Tumult im Saal den überwachenden Gendarm Ausschreitungen befürchten ließ. S

Aus Essen meldet ein Telegramm des „D, K O) Da Ie Mitglieder des Bergarbeiterverbandes beshlossen haben, um die Koblenausfubr nah dem englischen Strikegebiet zu verhindern, feine Ueberschichten zu machen. i i

Der große Ausstand der Kohlengrubenarbeiter in England 0 am Sonnabend begonnen. Es liegen vorläufig folgende Wolff sche Meldungen vor: 4

Am Sonnabend bereits wurde mitgetheilt, daß in der Stadt und dem District Bolton die größeren Eisenwerke wegen der hohen Kohlenpreise geschlossen wurden. Vom gestrigen Tage wird _be- rihtet: Die strikenden Bergleute suchen die Kohlenträger an der Themse und am Tyne zu überreden, aus dem Ausland fommende Kohlen nicht auszuladen. Morgen und übermorgen werden belgishe Kohlenschiffe in London erwartet. Vom heutigen Tage endlich liegt folgende Meldung vor: Die Zahl der ausftändigen Berg- arbeiter beträgt in den Districten Man chester-60 000; Nordwales 10 000, Nottingham 20000, Brit ol 4000, Derby shire 25 000, Durham 90000. Zu diesen kommt eine große Anzahl Ausständiger in anderen Gegenden, sodaß die Gesammtzahl der Strikenden 300000 überschreiten dürfte. Der Strike wird nah der Meinung von Be- theiligten mindestens eine Woche, in einigen Districten vierzehn Tage dauern. l 2

Ueber die Vorgänge vor Beginn des Ausstandes sei nach der Londoner „Allg. Corr.“ noch Folgendes mitgetheilt :

Mit fast 10 Stimmen gegen eine haben die Bergleute von Durham beschlossen, sih an dem Strike der Kohlengrubenarbeiter zu betheiligen. Für die Arbeiter von Durham foll der Aufstand am Montag beginnen. Die Leute glaubten bis zum letzten Augenblick, daß die Bergwerksbesitzer infolge dieser entschlossenen Haltung ihre Kündt- gungen zurücknehmen würden, es war aber nicht der Fall. Sollte der Strike nur länger als eine Woche dauern, so werden Handel und Verkehr in dem District völlig gelähmt scin. In Schottland hat die Bewegung wenig Propaganda gemacht. Nur Stirlingshire wird feiern. Die schottischen Bergleute werden allerdings fortfahren, nur fünf Tage die Woche zu arbeiten.

Aus Charleroi wird der „Köln. Ztg.“ unter dem 19. März geschrieben :

Das Cinigungsamt der Kohlenwerke von Mariemont hielt mehrere Sitzungen ab, in welchen sowohl die Vertreter der Arbeiter wie der Nrbellgeber die Nothwendigkeit ciner Lohnherab - setzung anerkannten. Den Arbeitervertretern wurde Gelegenheit ge- geben, ih durch die Bücher von dem gewaltigen Nückgange der Kohlenpreise zu überzeugen. i

Nach Mittheilung des Statistishen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standes-Aemtern in der Woche vom 98. Februar bis incl. 5. März cr. zur Anmeldung gekommen : 949 Ebeschließzungen, 1047 Lebendgeborene, 29 Todtgeborene, 569 Sterbefälle.

Kunst und Wissenschaft. Nachdem bereits am 6. März auf dem Königlichen Magne-

tishen Observatorium in Potsdam eine erneute magnetishe Störung bemerkt worden war, it am

11. März wiederum eine solche Erscheinung aufgetreten, die einen bemerkenswerthen Umfang erreiht hat und mit einem plößlichen Ausbruh um 111/24 Uhr Abends des genannten Tages begann. Zunächst zeigte fich cine beträchtliche Zunahme der Horizontalcomponente der erdmagnetischen Kraft, verbunden mit einer Abnahme der Verticalkraft, später zeigte auch die magne- tische Declination lebhaftere Aenderungen, dieden Betrag von 1 Gr. zeitweise überschritten. Derartige Schwankungen der Magnetnadel dürften auch dem aufmerksamen Beobachter eines fest aufge- stellten guten Compasses oder einer Boussole nicht entgehen, welche Ansicht eine Bestätigung durch die Mittheilung etnes Beobachters zu Paderborn über die Erscheinungen vom 13. Fe- bruar d. J. erfahren hat. Die in Rede stehende Störung er: reichte eine wesentliche Abnahme am 13. März früh, es ist indeß nicht ausgeschlossen, daß die Schwankungen der Magnet- nadeln noch einige Tage anhalten.

Es verdient der Umstand Erwähnung, daß von der Störung am 13. Februar bis zu der vom 11. März fast genau 27 Tage verflossen sind, ein Betrag, der ziemlich genau der synodischen Rotationsdauer der Sonne entspriht, und es ist niht unmöglich, daß hierin Beweismittel für den inneren Zu- sammenhang der magnetischen Erscheinungen mit den Vor- gängen auf der Sonne zu erblicken sind, obwohl natürlich Zu- fälligkeiten nicht ausgeschlossen sind.

Zu der Störung vom 6. März tragen wir noch nach, daf dieselbe gleichfalls plöplih um 101/, Uhr Vormittags begann, und daß; Abends von mehreren Beobachtern Nordlicht bemerkt wurde. S i

Von der Sternwarte zu Göttingen wird uns zu derselben Angelegenheit geschrieben: Vermuthlich is in nörd- lihen Gegenden während der Nacht vom 11. auf den 12. März ein Nordlicht sichtbar gewesen. Von 11 Ühr Abends bis 3 Uhr Morgens sind im Göttinger Erdmagnetischen Observa- torium an dem Unifilar und Bifilar erheblihere Schwan- fungen der Nichtung und der Stärke der horizontalen erd- magnetischen Kraft erkannt, während das Quadrifilar nur geringe Aenderungen der verticalen Kraft zeigte. Ein Nordlicht hätte, auch wenn es vorhanden gewesen ist, in Göttingen niht gesehen werden können; der ganze Himmel war mit Wolken bedeckt und dihter Schnee fiel während der ganzen Nacht. Es würden dem Director des Observatoriuums in Göttingen, Geheimen Regierungs-Rath Schering, Mittheilungen über den Wetterumschlag zur Zeit dieses und zur Zeit des Nordlichts vom 28. Februar zum Zweck genauerer Untersuchung erwünscht sein, besonders auch aus entfernteren Gegenden, wie Schweden, Norwegen, Eng- land, Nußland, Nord-Amerika.

Land- und Forstwirthschaft.

Durch Verordnung vom 4. d. M. hat die norwegische Regierung dieEinfuhr von lebendenSchweinen und Pferden aus deutschen Häfen verboten.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs-- Maßregeln.

Natibor, 12. März. Die Pocken-Epidemie nimmt, wie D. B. H." meldet, einen für die oberschlesishen Jndustriebezirke kbe- denklichen Charakter an; infolgedessen ift die Paß-Ausgabe in Mys- lowitz auf ein Minimum eingeschränkt worden. An ämmdtlichen Grenzübergängen fand_ die Errichtung von Desinfectionskamnern statt.

Washington, 11. März. m landwirthschaftlichen Departe- ment is man nah einem Telegramm des „B. N.“ sehr beforgt wegen des Ausbruches der Maul- und Klauenseuche in Eng- land. Es werden nämlich viele Schafe von England nah den Ver-

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