1892 / 65 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 15 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Lu ¿0 Wi 24 Ti 5

Abg. Rickcrt (dfr.): Ihm werde gesagt, daß in Hörde der Land- ratb und der Kreis-Schulinspector der Auflösung der Simultanschule widersprochen hätten. Daß der Minister die Selbständigkeit der Regierungen anerkenne, sei ibm lieb; die Negierungen ihrerseits sollten nun auch die Selbständigkeit der Lehrer achten und sie niht wie dumme Jungen behandeln.

Minister der geistlihen 2c. Zedlitz:

Fh möchte zunächst dem Herrn Abg. NRickert bezüglich der statistis@en Fragen antworten und ihn darauf hinweisen, daß, folange öberbauvt über das öffentlihe Volkss{hulwesen genaue statistishe Er- bebungen stattfinden das ift, soweit ih mi erinnere, seit fünfzehn Jahren der Fall —, diese Erhebungen in demselben Schema, sodaß sie cine Vergleichung zulassen, in fünfjährigen Perioden stattgefunden baben. Im vorigen Jahre war diese fünfjährige Periode wieder abgelaufen, und die Bearbeitung der Statistik ist im Gange und wird ebenso, wie es im Jahre 1886 der Fall gewesen, in die Oeffentlichkeit gebraht werden und den Häusern des Landtags zur Kenntniß zugehen. Ich glaube, wer sih die Mühe genommen hat, die Statistik von 1886 durd)zulesen, wird sowohl nah ihrer Eintheilung in einen allgemein referirenden, die gesammten Verhältnisse des Volkss{hulwesens voll- fommen flarlegenden Theil wie nah ihren Specialtabellen mit der Meinung nicht zurühalten, daß das cin Werk statistisher Thätigkeit ist, welches fih durchaus allen anderen auf ähnlichen Gebieten an die Seite zu stellen vermag. Im übrigen bin ih ja nicht das berufene Organ, um gegenüber den Bemängelungen, die etwa gegen das Statistishe Amt und gegen die Statistik in Preußen erhoben werden, mich der letzteren anzunehmen, und vor allen Dingen fehlen mir die Mittel, um etwaigen Bemängelungen Abhilfe zu schaffen.

Ich möchte nun noch ein paar Zahlen ergänzend hervorheben, weil wir mal bei der Statistik sind, die vielleicht niht ohne áíInteresse für die Herren sind. Nach der Seelenzahl der Bevölkerung

famen im Jahre 1821 auf eine Lehrkraft 405 Evangelische und 660 Katholiken; 1871 stellte sich das Verhältniß so, daß auf eine Lebréraft bei dem evangelishen Bekenntniß 460, bei dem katholischen 535 kamen, 1888 416 bei den Evangelischen und 463 bei den Katho- lifen. Das sind bezüglih der allgemeinen Verhältnisse die Zahlen, die ih im stande bin, Ihnen anzugehen.

Was nun die Schulkinder betrifft, so hatten wir 1871 auf eine Lebrkraft 72 evangelische bezichentlißh 83 fkatholische Kinder, 1886 70 evangelische beziehentlih 79 Tatholische Kinder, 1888 65 evan- gelische beziebentlih 74 fatholishe Kinder. Ich glaube, diese Zahlen zeigen eine procentual stärker fortschreitende Besserung der Verhältnisse überhaupt, ganz besonders aber und das möchte ih hier hervor- heben, weil so häufig über die imparitätishe Behandlung geklagt wird der katholischen Schulverhältnisse.

Meine Herren, Herr Rickert ist nun nohchmal auf die Debatte von vorhin eingegangen. Bezüglich Hörde will ih nicht zurücfhalten : ih bedauere, die Quellen nicht nennen zu können, aus denen fich meine Beurtheilung des Falles zusammenseßt. Jch bin in der Lage, wenn die Herren geneigt sind, dies für unzutreffend zu erahten, die Ver- antwortung auf mich persönlich zu übernehmen.

Was die weitere Bemängelung des Herrn Abg. Nickert wegen meiner Stellung zu den Regierungen und wegen der Stellung der Negierung zu den Lehrern betrifft, so möchte ih do, um feine Irrthümer aufkommen zu lassen, zunächst hervorheben, daß nicht i

Angelegenheiten Graf von

es gewesen bin, der den Ausdruck „anschnauzen“ für den gegen- seitigen Verkehr zwischen den MNMegierungen und den Lehrern gebrauht hat, natürlich auh nicht zwishen den Ministern

Und den Regierungen. (Aba. - Nickert: Nen) Nein! (Heiterkeit.) Jch glaube, es ist auch bisher in der preußischen Verwaltung nicht Sitte gewesen, daß die einzelnen Stadien derselben sih in derartigen Formen einander gegenüber bewegten. Das führt mih denn aber auh zu dem Punkt, gegen den ich hier ganz entschieden Verwahrung einlegen muß und zwar namens der mir unterstellten Behörden. Ich glaube, daß es

durchaus unzutreffend ist, von den Regierungen zu behaupten, dal fle die Lehrer, ih will mal sagen, .schlecht odex - per- sönlih indifferent behandeln. (Sehr gut! rechts.) Jch glaube,

in der preußishen Verwaltung i es ein geradezu sprich- wörtlicher Vorzug der oberen Organe gewesen, daß sie als ihre erste Pflicht das Eintreten für ihre Untergebenen ansehen (sehr gut! und Bravo! rechts), und ih muß doch sagen : das ift wirklich ich bitte, Herr Nickert unerhört, daß Sie unsern Regierungen cinen der- artigen Vorwurf machen, ohne ihn im einzelnen unter Beweis zu stellen. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Abg. Rikert (dfr.): Der Vorwurf sei begründet in dem \teno- graphischen Bericht vom 7. März 1892. Wenn der Minister noch mehr Beweise haben wolle, wolle er ihm noch weitere stenogravhische Berichte aufweisen. Es sei unerhört, daß die Regierungen in dieser anmaßenden Weise den Lehrern gegenüber treten.

Der Titel wird darauf bewilligt.

_ Zur besonderen Förderung des deutschen Volks\chulwesens in Posen und Westpreußen sind 600 000 # (20000 A mehr als im laufenden Etat) ausgeseßt.

Abg. Rickert (dfr.) fragt, ob aus diesem Fonds auch die 300 4. Zulage bezahlt würden an die Lehrer, welche aus den westlichen Provinzen nach dem Osten verseßt worden seien. Es werde behauptet, daß die Maßregel der Verseßung aus dem Westen sih niht be- währt habe. j

_Ministerial-Director Dr. Kügler: Die Zulage werde aus diesem Fonds bewilligt. Es sei 1886 ein Lehrermangel vorhanden ge- wesen, der jetzt beseitigt sei, sodaß man von der Verseßung nach dem Westen vorläufig Abstand genommen und keine Zulage mehr gewährt habe, dafür aber eine allgemeine Aufbesserung der Lehrerverhältnisse angebahnt habe.

Abg. Rickert (dfr.): Wenn die Sache jeßt abgeschlossen sei, dann sollte man den Titel verschwinden lassen. y j _ Abg. von Czarlinski (Pole): Viele Lehrer seien aus dem Osten „tm Interesse des Dienstes" nah dem Westen verseßt worden ; da der Minister anerkannt habe, daß die Lehrer uiht ganz ihrer Heimath entfremdet werden sollten, so dürfe man wohl hoffen, daß die Zurückversezung aus dem Westen nah dem Osten erfolgen werde.

Der Titel wird bewilligt.

Zur Verstärkung des Fonds Zur Förderung des deutschen Volks\chulwesens in den Provinzen Westpreußen und Posen, jowie im Regierungsbezirk Oppeln sind 50 000 F ausgeseßt.

Abg. Eberhard (cons.): Der zu seinem Wahlkreise gehörige Kreis Groß - Wartenberg, früher Polnisch-Wartenberg geheißen, fei der Mittelpunkt der Sachsengängerei; die Greise und Kinder allein blieben zurück. Den heimischen Besiyern bleibe nihts übrig, als Arbeiter aus der Nachbarprovinz Posen zum Ersaß zu gewinnen. Diefe Ersaßmänner seien fast nur der polnishew Sprache mächtig. Die Sachsengänger vertrauten ihre Kinder der Obhut alter Frauen an, die den Kindern das Polnische beibrähten. Dadurch werde das polnische Element in Groß-Wartenberg vermehrt. Die Kinder kämen in die

Schule, ohne daß fie ein Wort Deutsch verständen. Die Verbältnifîc fcien also ebenso ungünstig wie in Westpreußen, Pofen und Oppeln. Für dic Lehrer seien die Verhältnisse noch s{chwieriger, weil an ihre Schulen derselbe Maßstab angelegt werde, wie an die deutschen Sdulen im Bezirke. Es würde zweckmäßig sein, in den utraguistischen Kreisen des Regierungsbezirks Breslau den Lehrern ebenfalls eine Remuneration auszuwerfen.

Ministerial-Director Dr. Kügler: Die Unterrichtsverwaltung habe bereits vor mehreren Jahren die Localbehörden auf die Ver- hältnisse in den Kreisen Groß-Wartenberg und Namslau hingewiefen und sich bereit erklärt, soweit die Diépositionsfonds ausreichen, Zulagen zu bewilligen. :

Abg. Szmula (Centr.): Nach den Ausführungen des Abg. Gberhard müsse man annehmen, daß der Kreis Wartenberg im Sommer ganz ausgestorben sei. Es gingen aber aus jedem Dorfe nur Wenige, meist Ünverheirathete, weg. Wenn wirklich fünf oder zehn Kinder von ihren Eltern unter Aufsicht von polnischen alten Frauen zurügelassen würden, folle deshalb dem Lehrer glei eine Zu- lage gemahht werden ? Das ganze System habe sich überhaupt nicht bewährt, denn die Zahl der polnishen Kinder habe sich ganz erheblich vermehrt.

Abg. Eberhard (cons.): Der Vorredner kenne die Verhältnisse im Kreise Groß - Wartenberg nicht: er solle fih erst über die Verbältnisse erkundigen. Er (Nedner) fönne kein Wort von dem zurücknehmen, was er vorgebraht habe. Statistishe Angaben fönne er allerdings nicht vorbringen. Was er gesagt habe, beruhe auf den Ausfagen der Lehrer und auch seiner eigenen Ueberzeugung.

Der Titel wird bewilligt A

Es folgt das Kapitel 122: Kunst und Wissenschaft. Beim Titel 1: Kunst-Museen in Berlin bedauert

Abg. Biesenbach (Centr.), daß die Kunst immer noch ein Stiefkind des preußischen Staats sei; der Etat dafür sei niht erheblich vermehrt worden. Preußen solle sih das kleine Bayern als Muster nehmen. Wenn die Kunst ihre Aufgabe erfüllen und den Sinn des Volks für das Ideale und Schöne heben solle, dann müsse sie auch vom Staat unterstüßt werden. Gehe die Kunst nah Brod, dann stelle sich der Künstler in den Dienst des großen Haufens. Da- durch werde die Kunst herabgezogen. Man ftönne schon die Gefahren voraussehen, welchen die Kunst ausgeseßt sei; sie zeigten sih schon auf dem Gebiet des Nomans, des Theaters u. s. w. Die Kausfkraft und die Kauflust des Volks seien in Bezug auf die Kunstgegenstände auf ein Minimum reducirt. Es sei eine große Noth unter den Künstlern entstanden, namentlich auch, weil die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika für Kunstwerke fehr bobe Zölle ecrhöbten. Der preußische Staat habe zur Förderung der Kunst nur 300 000 A. ein- gestellt, davon blieben für die Staffeleimalerei und Sculptur nur 140 000 M übrig. Das fei so, als wenn ein Mann von 100 000 46 Einkommen 5 4. für die Kunst ausgebe. Der Ankauf von Gemälden, die Unterstützung von fünstlerishen Unternehmungew habe wegen des Geldmangels abgelehnt werden müssen. Preußen habe niht einmal cine historishe Porträtsammlung und stände in der Geschichtsmalerei binter allen anderen Völkern meilenweit zurück. Der liebenswürdigen Beredsamkeit des Cultus-Ministers werde es wohl gelingen, dem Finanz-Minister die Mittel abzushmeicheln oder abzuringen.

Abg. Dr. Virchow (dfr.): Der Vorwurf, den der Vorredner erhoben habe, dürfe sih nicht allein gegen den Staat richten. Der Staat fönne, doch unmögli alle Künstler in seinen Dienst nehmen ; es werde dankbar aufgenommen werden, wenn auch den jüngeren Kreisen Aufträge ertheilt würden. Durch die amerikanishe Zollpolitik fei allerdings auch unsere Kunst betroffen worden: aber wer fci {huld an dieser Zollpolitik? Das s{ußzöllnerische Vorgehen Deutschlands! Nedner führt daun aus, daß der große Sammelfonds : Kunst-Museen in Berlin, etwas mehr \pecialisirt werden müsse: denn das Museum für Völkerkunde z. B. könne man doch nicht zu den Kunst-Museen rechnen, und troßdem stehe es unter derselben Verwaltung. Das komme namentlich bei der Verwendung des Dispositionsfonds s{hmerzlich zur Erscheinung. Es fehle in den ethnologishen Sammlungen manches, was nothwendig vorhanden sein müsse, um die Entwicklung des Menschengeschle{ts zu veranschaulichen. Es hätten oft Privatpersonen eintreten müssen, um den Verkauf von gewissen Dingen nach dem Aus- lande zu verhindern. Nedner weist ferner darauf hin, daß ein großes deutsches National-Museum fehle: an dessen Gründung folle der Minister denken, wenn wieder einmal eine bessere Zeit gekommen sei.

Abg. von Meyer- Arnswalde (b. k. F.): Er habe immer für dic Künstler gesprochen, aber bisher keinen Erfolg erzielt. Er habe im Neichétage cinen Antrag auf Vermehrung der Reichsfonds für die Kunst gestellt. Vielleicht würden scine Anregungen bezüglich der Kunst erst ebenso spât Erfolg haben, wie seine Anregungen bezüglich der Vermehrung der Gendarmen. Diese leizteren sammten schon aus dem Jahre 1872 und hätten erst jeßt Erfolg gehabt. Für die Kunst im allgemeinen feien rund 5 000 000. ausgeworfen, alfo viel weniger, als für höbere Lehranstalten und Universitäten. Die drei Millionen würden verwandt für die Kunstschule, die Bureaukratie und die Samm- lungen; für lebende Künstler werde nichts ausgegeben. Daß der Staat für die Kunstschule allein sorge, sei nicht ausreichend. Der Staat bilde ja Juristen u. #. w., auch Parlameuntarier aus und gebe den meisten nachher auch eine Anstellung. Die Künstler könnten aber

nahher sehen, wo sie blieben. Die Communen würden ih nicht zum Mäcenatenthum ausbilden; der Staat sei der eigentliche Mäcen. Auch die Ausgaben des Erxtra-

ordinariums seien nicht für Tebende Künstler bestimmt. Die Locali- täten der Kunstschule seien vollständig unzureichend. Man folle endlich eine neue Kunst-Akademie bauen. Der Einzige, der für die Kunst etwas thue, sei Seine Majestät der Kaiser, der Bilder für die National-Galerie angekauft habe, dem man nicht genug dankbar sein könne. (Zustimmung rechts.) Sparsamkeit sei sehr löblich, aber auf diesem Gebiete entspreche sie niht der Aufgabe des Staats. Hoffentlih werde sich das ändern, wenn der Finanz-Minister die Mehreinnahme aus der Einkommensteuer zur Verfügung habe und wenn er die lex Huene beseitigen werde. Er rufe den beiden Ministern seinen Neujahrswunsch zu, dem Finanz-Minister: Landgraf, werde weich! und dem Cultus-Minister : Landgraf, werde hart !

__ Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedlitz:

Der Herr Abg. von Meyer hat bereits darauf hingewiesen und mit Zahlen ausgeführt, daß es nicht nur der zur Discussion stehende Titel ist, welcher die Aufwendungen des preußishen Staats für die Kunst enthält, fondern daß es gerechtfertigt ist, diejenigen Verwen- dungen mit in Rechnung zu stellen, welche für Kunstzwecke im allge- meinen, für Unterricht, für Museen und derartige Dinge im Etat figuriren. Ich bin sogar der Meinung, daß man ceigentlich noch Theile aus anderen Ressorts mit in Anrechnung bringen müßte, wie beispiels- weise wenn bei der Ausführung von Bauten deren künstlerislße Aus- gestaltung über das nothwendige Maß der Zweckmäßigkeit hinaus geht. (Sehr richtig.)

Also so vershwindend klein und so dürftig sind doch wohl die Summen nicht, wie es von dem ersten Herrn Nedner bezeichnet wurde. Aber das erkenne ih bereitwillig an, daß diese Summen gegenüber der Entwickelung unseres Budgets und vor allem gegenüber dem Culturbedürfnisse unseres Landes und Volks sehr gering sind. Sie werden es daher begreiflich finden, daß ich meinerseits die Mah- nung : Landgraf werde hart! auf diesem Gebiete außerordentlich danf- bar und beifällig entgegennehme. Ich werde mich bemühen, selbst „meine liebens8würdige Beredsamkeit“ (Heiterkeit) meinem verehrten Collegen von der Finanz gegenüber noch s\chärfer zur Geltung zu bringen, wie das bisher {on der Fall gewesen ist. Aber auf allzuviel Erfolg rehne ih dabei niht. (Heiterkeit.)

Nun will ih, meine Herren, Jhre Zeit nicht länger in Anspruch

nehmen. Nur ein paar Worte gestatten Sie mir noch kurz bervorzu- heben. Der erste Herr Redner hat darauf hingewiesen, daß 2s eins bedenklihe Erscheinung der Ießtzeit sei, daß dic Kunft, um nah Brot zu gehen, fich dem Gewerbe nähere. Jch glaube, Sie haben es g ausgedrückt; ih glaube, Sie haben ausdrücklich darauf hingewiesen daß dic Künstler, welche einen idealeren Beruf hätten, {ließli É. zwungen würden, auf dic Herstellung verhältnißmäßig unbedeutender Dinge si einzulassen. In dieser Bezichung kann ih nun den Auf.

fassungen des geehrten Herrn wenn er das gemeint bat nit beitreten. Jh bin umgekehrt der Meinung: cs ist eine in Deutschland bedauerlihe Erscheinung, daß

Künstler von Ruf und Bedeutung und Talent so fehr s{chwer an die

Herstellung solcher Gegenstände gehen, welde das täglihe Leben {müden und vor allen Dingen auch den kleinen Börsen zugängli; find. Meine Herren, wir müssen uns doch immer das vergegenwärtigen : cinen wirflich ausgiebigen Markt für Kunsterzeugnisse kann {ließli nur die funstverständige und zugleich wohlhabende breite Mafe der Bevölkerung geben. Erhöhen Sie die Summe des Etats um sehr bedeutende Procentsäße, Sie werden in dieser Beziehung nie dem Bedürfnisse genügen: und wenn andere Staaten in ihrer wirth\chaft- lihen Entwicfelung in früherer Zeit glücklicher gewesen sind als wix und dadurch auch die Kunst auf eine höhere Stufe gebradt haben, so if dics nach meiner Auffassung durch den Umsftnd begründet worden, daß eben dort früher in den breiten kunstverständigen Schichten die Mittel zur Verfügung standen, um der Kunst lohnende Beschäftigung zu geben.

Ein zweiter Punkt, den derselbe Herr Abgeordnete zur Svrache gebracht hat, betrifft die Bemängelung bei der Genehmigung von Lotterien. Ich bemerke, daß Lotterien niht zu meinem Refsort ge- hören: aber wenn es richtig is, daß bei der Genehmigung von Lotterien die Einstellung von Kunsterzeugnifsen als Gewinne verboten ist, so würde ich die Anregung dankbar benußten, dem im Interesse meines Nessorts entgegenzuwirken. Es ist mir dies aber bisher un- bekannt geblieben.

Meine Herren, cine kleine Wiederholung meines eben gestellten Satzes, daß der Staat niemals in der Lage sein würde, seine Fonds zum Anfauf von Kunsterzeugnissen so zu erhöhen, daß er“ allen Be- dürfnissen genügen fönnte! Wenn Sie ih erinnern, daß in diesem Winter cin einziges Bild, was wahrscheinlich vielen von Ihnen be- fannt ist, ein Tizian: „Die irdische und die himmlische Liebe“ von einem Privatmann für sechs Millionen Francs angekauft worden ist, daß augenblicklich für cinen allerdings ja werthvollen Becher einer preußischen Stadt die Summe von 250 000 # geboten ist, um in Privatbesitß überzugehen, und daß ih. Ihnen noch cine ganze Reibe von solchen Beispielen geben könnte, so werden Sie mir zugeben : mit derartigen Anforderungen und Vermögen zu concurriren, kann der Staat niemals in Aussicht nehmen. Das ist ganz unmöglich: ec bat die Verpflichtung, für die Kunst freie Bahn zu schaffen, das ift feine principale Aufgabe, und da ist für uns allerdings noch viel zu thus übrig.

um sie aufzustellen; wir fkönnen diese werthvollen Kunst- shäßze überhaupt gar niht zur Kenntniß des Publikums bringen : mein verehrter Herr Nachbar wird das noch näher ausführen fönnen, wie wir diese Dinge unter Schuppen hinstellen müssen. Also, wenn Sie mir eine Anregung geben wollen, fo, glaube ih, ift sie nach dieser Nichtung do noch etwas nöthiger, als nach der der Er- höhung der Kaufsumme.

Auch der Hr. Abg. von Meyer hat einen Punkt nicht berührt. Die Kauffummen des Etats erhöhen fih dur Allerhöchste Bewilli- gungen in jedem Jahre noch ganz erheblih. Es i} bekannt und das betrifft die moderne Kunst für die Jubiläuméêausstellung von 1886 hat Seine Majestät aus scinem Dispositionsfonds- (Zurufe) ic bitte um Entschuldigung, au in diesem Jahre ift wieder eine Summe von 100 000 Æ über den Etatsfonds hinaus von Majestät verwendet worden, um moderne Bildwerke anzukaufen.

Wes dann die Kunstschule betrifft, fo glaube ih nunmehr ver- sichern zu dürfen, daß {hon in hoffentlih recht naher Zukunft die jetzigen, wie auch ih anerkenne, unhaltbaren Zustände einer Neu- regelung entgegengebßen und daß der Neubau einer Kunstschule in naher Ausficht steht.

Soweit der Herr Abg. Virhow dann einige Verhältnisse der Museumsverwaltung zur Sprache gebracht hat, bitte ich den Herrn General-Director, das Wort zu nehmen, weil ich diesen Verhältnissen niht nahe genug stehe, um dieselben zu überschen und um meinerseits darüber sprechen zu können.

§ General-Director der Museen Dr. Schöne erklärt, daß für die vorderasiatishe Kunst etwas geschehen sei, indem man die Ergeb- nisse der Ausgrabungen von Privatlcuten angekauft habe. S@neller habe man in dieser Beziehung nicht vorgehen können. i | Abg. Gras zu Limbu rg-Sttrum mahnt zur Sparsamkeit, die bei den jeßigen Finanzverhältnissen abfolut nothwendig fei. i:

Abg. Goldschmidt (dfr.): Vor einiger Zeit habe im Kunst- gewerbe-Museum eine Ausstellung deutscher Glasmosaiken stattgefun- den. Diese Kunst sei seit Jahrhunderten in Vergessenheit gerathen gewesen und erst vor dreißig Jahren in Venedig wieder aufgelebt. Es sei mit Freuden zu begrüßen, daß auch hiesige Künstler den Ver- such unternommen hätten, diese herrlihe Kunst auch bei uns einzu- führen. Kein Gemälde halte gegen Wind und Wetter besser Stand, leuhte für alle Ewigkeit in dem Glanze seiner Farben, als das in Glasmosaik hergestellte. Wie wenig die Frescomaierei dem Schmuc unserer öffentlichen Gebäude diene, wie wenig sie den Unbilden der Witterung trote, das sche man an den Wandgemälden in der Vor- halle unseres Alten Museums: Gemälde, die fortwährend E und dabei immer unzulänglicher Reparaturen bedürften. Er glaube, es sci Aufgabe des Staats, eine solche aufstrebende Künst zu fördern, nicht allein durch Zuwendung von Mitteln, sondern durch Aufträge für unsere öffentlichen Gebäude. Was in der Förderung diefer Kuni geschehe, komme der heimischen Kunst, dem heimischen Kunstgewerbe, dem heimischen Wohlstande zu gute. e

Abg. Dr. Meyer (dfr.) wendet sih gegen den Abg. Biesenbach, der mit seinen Ausführungen über das Ziel binanda ale: habe. Der Geschichtsmalerei sei dic heutige Zeit abgeneigt, und es würde eine ungesunde Entwicklung sein, wenn man diese Richtung dur Prämien _unterstüßen wollte. Die Kunst folle unterstüyt werden, aber der Staat solle niemals der einzige Mäcenas fein. i

Der Titel wird bewilligt. Darauf wird die weitere Be- rathung vertagt. Schluß nah 5 Uhr.

e eIner

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Skaals-Anzeiger.

M Gde

[ “4 ——

Berlin, Dienstag, den 15. Mz

Versteuerte Rübenmengen, sowie Einfuhr und Ausfuhr von Zueker im deutschen Zollgebiet im Monat Februar 1892.

1892.

L AAEE M S L E

L Einfu e: E Ausfubr: Zahl : e P 3 f î [5 5 i e Med orl » - , x - der unmittelbar in den | von Niederlagen | zusammen uoous auf a von Niederlagen : aus dem freien Verkehr : . oto J lr : ) on * N freien Berktebr: d C eN : U a T E E Nerwalt S - Betrieb | L e Quer M Or E | E ares uer fin! Nüben- R EMerl Roaffini I FRnt A R trter Zucker der Vergütungsklasse | Uer, )efind- oluUven- Maffinirter| Naffinirter Naffinirter Naffinirter| .z Maire tr welGer Dei e. g Nat ® Robzuer Nassinirte Nobzuker N Nobzuker D Nobzucker Rod _—_ fürwelen ch ¿ lichen 4 A 2 R ier 2ucker foine S menge. Zucker i Zuker S Zucker f Zucker : Zucker eine Nüben- aller aller aller : aller : aller f : Nora bin 1 r d [ler a b C Yergutung zuer- aller aller aller aller | aller : ewährt Fabrik Art L Art Art. Art. E Gera on S S 1887) E Fabriken. Art. Es Art. 8 Art. Art. des Geseßes vom 9. Juli 1887| “ij ñ O Ke erlo Preußen. S A A - f: E Provinz SsWreußen. E -— = E —- F 33 2274 E Be e A e eien 22 —— 22 3814 16 292 28 730 ) 625 Í Brandenburg E T7 E E 3 S E H E Ey F E S 5 " E M A S S S A En A 2 "7 529 x C E 7 Dome s L 3 67D —- 1 1 —— 7 DO2 ) 778 59 & L D i de s S —— S E 5 T T F : Se -— —— - Ó Sachsen, einschließl. der Fürstl. shwarzburg. ; , | 5 c F 947 D202 | c S j S L | M S L N E Ünterherrschaften 15 247 203 2 _—_ _2 n Tas a p ü Schleswig-Holstein | 4 D2 —_ 53 1 1 - 39| E 3 e Ü Ae e s S 18/ H E 18 O : ) A x Ua a E l A L S 3983 G San 1 220 5 9 8 O 23 D E F E T, L Dea A E 22 420 136 42 15 136 57 —— —— L COO 3 460 1923 } Summe Preußen 18 289 518 T1 50 D 68 202 118 3019 1 434 18/529 (3 021 Fo L02 1876 ) U S S 78 33 78 83 ; , 1 O E == S 3 D 47 13924 31 578 —- Württemberg 1 40 750 #== F L E E E E S _ S A O S 1 67 110 | (9 30 30 30 } 542 - Hessen 2 50 135 5) 30 [ 131 ¡ 222 -—- E —-- —- a e S 8 E A E l : Mete S S = F H E 14 306 Thüringen, einschließl. der Groß- herzogl. säch). Aemter Allstedt | ats E. E E - E Uo Den S E F S F E S E | Da I E E T E E E i S - - B E E S —- 13 13 S S L —= E Anhalt . E 1 5 835 _— | —— S a E U _= —— 5 | H A A —— E 253 1 i Bremen E L P E 38 1 33 1 336 125 230 1 26 417 4 625 64 —— C S 11 9 -—— El 39 3/399 1 857 6 622 4991 172928/ 12231 623 3 G H -— 181 -— 181 197 4 Ali —- 44 | 44 t S. N _ s Ueberhaupt 23 453 348 497 89 315 152 812 241 21 256 35 044 25 431 496] 291 674| 144 134 2 569 1 Hierzu in den Monaten August N e l 2 : 1891 bis Januar 1892 i 94 426 674 11 748 8 938 T 209 12 968 19 057 21 9061 O7 O 9191391 181825 9 1511 2 653 504! 1 101 658 99 214 108 Zusammen in den Monaten August | y S E : i: 7 1891 bis Februar 1892 . e 94 880 022 12 27 9 027 7 594 3 120 19 S869 22147} 279054} 3541831 207 256 9 647] 2945 178 1 245 (92 24 783 125 In demselben Zeitraum d. Vorjahres 106 147 574 13 55 20 533 C2 11 802 21 486 32 335] 180 490 14 421 61 065 6 (221 2 0900 916 1 242 504 928 099 * 204

I

*) Die Abweichungen von der vorjährigen Uebersicht beruhen auf nachträglich eingegangenen Berichtigungen.

Berlin, im März 1892.

Kaiserliches Statistisches Amt. von Scheel.

Parlamentarische Nachrichten.

Dic dem Hause der Abgeordneten zugegangenen Entwürfe 1. eines Gesetzes, betreffend die Aufhebung von Stolgebühren für Taufen, Trauungen und kirh- lihe Aufgebote in der evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen der Monarchie, Il. eines Ge- seßes, betreffend die Aufhebung von Stolgebühren für Daufen Und Lrauungen in der cuauge s lutherischen Kirche der Provinz Schleswig-Holstein, lauten :

I;

Ar tikel 1. Das anliegende Kirchengeseß für die evangelische Landeskirche der älteren Provinzen, betreffend die Aufhebung von Stolgebühren für Taufen, Trauungen und kirchlihe Aufgebote, vom . . .. 189 . wird, soweit es eine Belastung der Kirchengemeinden zu Gemeindezwecken 3) und soweit es die Ausschreibung einer Um- lage für landeëfirhlihe Zwecke 11 Absag 2) anordnet, auf Grund des Artikels 16 Aksaß 3 des Gesetzes vom 3. Juni 1876 hierdurch bestätigt. ; : : :

Artikel 2. Die nah § 2 Absay 1 des Kirchengeseßes zu fassenden Beschlüsse der kirchlichen Gemeindeorgane bedürfen zu ihrer Gültigkeit nit der Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde (Artikel 24 Nr. 4 des Gesetzes vom 3. Juni 1876).

Artikel 3. Dem nach § 11 des Kirchengeseßes zu bildenden landesfirchlihen Fonds wird vom 1. Oktober 1892 ab zur Gewährung von Beihilfen an Kirchengemeinden, welche die Entshädigungsrenten für aufgehobene Stolgebühren dur Umlage aufbringen müssen, seitens des Staats cine dauernde, vierteljährlih im voraus zahlbare Rente im Betrage von jähßrlih 1 250 000 46 überwiesen. |

_ Artikel 4. Gegen die nah den §§ 7 und 10 des Kirchen- gesetzes zu treffenden Festseßzungen ist der Nechtsweg ausgeschlossen, soweit es sich nicht um die Verfolgung der im § 10 erwähnten Rechte solcher Geistlichen oder Kirchenbeamten handelt, welche sich zur Zeit des Infrafttretens des Kirchengeseßes im Amt befinden. Wird einer außergerihtlich oder gerichtlih geltend gemachten For- derung auf Stolgebühren der Einwand entgegengeseßt, daß dieselben nach den §8 1 und 2 Absatz 1 des Kirchengeseßes aufgehoben seien, fo ist darüber die Entscheidung im Rechtswege nur alsdann zulässig, wenn vorher die Entscheidung des Provinzial-Consistoriums in Gemäßheit des § 2 Absatz 2 ergangen ist. Die Frist zur Beschrei-

tung des Nechtsweges beträgt dreißig Tage; sie beginnt mit der Zu-

c

tellung der Entscheidung des Provinzial-Consistoriums.

Aulag e.

E Kirwemgeleß, c betreffend die Aufhebung von Stolgebühren für Taufen, Trauungen und kirchliche Aufgebote.

§ 1. Die Verpflihtung zur Entrichtung von Stolgebühren für Taufen und Trammgen in ortéüblih einfahster Form sowie für usgebote wird aufgehoben. «F 2. Was in den einzelnen Gemeinden nah den bestehenden Tarxsätzen als ortsüblich einfachste Form der Taufen und Trauungen id gelten bat, wird, sofern sih hierüber Zweifel ergeben, durh Be- luß der vereinigten Gemeindeorgane festgestellt. ieser Beschluß

bedarf nach Anhörung des Kreis-Synodalvorstandes der Genehmigung des Provinzial-Consistoriuums. Entsteht im einzelnen Falle darüber Streit, ob eine Stolgebühr ungeachtet der Bestimmung des § 1 zu entrichten ist, so entscheidet der Kreis-Synodalvorstand nah Anhörung des Gemeinde-Kirchenraths (Presbyteriums) und auf erhobene Be- {werde das Provinzial-Consistorium. Diese Beschwerde ist nur binnen dreißig Tagen nach Zustellung der Entscheidung des Kreis- Svnodalvorstandes zulässig. Eine weitere Beschwerde findet nicht statt.

8 3. Die Stellen der Geistlihen und übrigen Kirchenbeamten find für den ihnen durh die im § 1 vorgesehene Aufhebung der Ge- bühren entstehenden Ausfall der Einnahmen von der Kirchengemeinde durch eine Rente zu entshädigen. Diese Rente ist vierteljährlich im voraus zahlbar. :

& 4. Diejenigen geistlihen Stellen, deren JIahreseinkommen außer freier Wohnung und Stolgebühren mindestens 6000 46 beträgt, sid von der Entschädigung ausgenommen. Auch die geringer dotirten Stellen erhalten die Entschädigung nur insoweit, als das Einkommen einshließlich der Entshädigungsrente nicht über die vorstchend an- gegebene Höhe binausgeht. Die auf den Stellen zur Zeit des Inkraft- tretens dieses Gesetzes im Amt befindlichen Geistlichen bleiben für ibre Amtsdauer in derselben Weise zu entschädigen, wie sonst die Stellen, insoweit sie niht auf Grund des § 54 des Geseßes vom 9. März 1874, betreffend die Beurkundung des Perfonenstandes und die Form der Eheschließung, entschädigt werden.

8 5. Die Höhe der Entschädigungsrente bestimmt fih nah dem Durchschnitt der Solleinnahme aus den aufgehobenen Gebühren für die in den Jahren 1886 bis einschließlich 1890 in der Gemeinde voll- zogenen Handlungen Ist diese Durchschnittéeinnahme nicht mehr zu ermitteln, so ist die Höhe der zu gewährenden Entschädigungsrente unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der Zahl der in den angegebenen Jahren überhaupt vorgekommenen Fälle von Taufen, Trauungen und Aufgeboten durch Schäßung zu finden. /

8 6. Solchen Kirchengemeinden, in welhen in unmittelbarer Folge des Inkrafttretens dieses Gesetzes und in Ermangelung eines ausreichenden und verfügbaren Ueberschusses der Kirchenkasse eine Um-4 lage ausgeschrieben oder erhöht werden muß, wird aus dem im § 11 bezeichneten landesfirhlichen Fonds als Beihilfe ein Zuschuß ge- währt. Die Beihilfe besteht in demjenigen Theil der von einer Ge- meinde aufzubringenden Entschädigungsrente, welcher den Betrag von vier Prozent dés Einkommensteuersolls der einkommensteucrpflichtigen Gemeindeglieder im Rechnungsjahre des Inkrafttretens dieses Gesetzes übersteigt. Die hiernah aus dem im § 11 bezeichneten landesfirch- lichen Fonds zu gewährenden Zuschüsse sind in vierteljährlichen Theil- beträgen im voraus zu zahlen. :

S 7. Die Festseßung der in den §§ 3 bis 5 vorgesehenen Ent- schädigungsrenten sowie der nah § 6 aus dem landesfirhlihen Fonds zu gewährenden Zuschüsse erfolgt durch das Provinzial-Consistorium. Gegen dessen Entscheidung i} binnen drei Monaten nah Zustellung der Festscßungsverfügung die Beschwerde an den evangelischen Ober- Kirchenrath zulässig. In den Fällen der §§ 4 und 5 sind vor der Entscheidung des Consistoriuums die Betheiligten (Stelleninhaber und Gemeinde-Kirchenratl)) sowie der Kreis-Synodalvorstand zu hören.

§ 8. Diejenigen Kirchengemeinden, in welchen 1) die Kirchen- fassen bisher die im § 1 diëses Gesetzes bezeichneten Gebühren ftatt der berechtigten Geistlichen bezw. Kirchenbeamten zu beziehen hatten, oder 2) nah dem 1. Januar 1874 diese Gebühren freiwillig ganz

oder theilweise abgelöst sind, erhalten gleichfalls aus dem im § 11 be- zeichneten landesfirchlihen Fonds eine Beihilfe, welhe nach den in den 8 5 bis 7 aufgestellten Grundsäßen mit der Maßgabe zu er- mitteln und festzuseßen ist, daß in dem zu Nr. 2 bezeichneten Falle an Stelle der Jahre 1836 bis einschließlich 1890 die leßten fünf Kalenderjahre vor der Ablösung treten. Diese Beihilfe ist ebenfalls vierteljährlih vorauszubezahlen.

8& 9. Nach Verlauf von fünf Jahren nah Inkrafttreten dieses Gesetzes soll eine Revision bezüglich . der Entschädigungsrente und der Beihilfe unter Berücksichtigung der inzwischen etwa eingetretenen Veränderungen und gemachten Erfahrungen erfolgen. Die näheren Bestimmungen hierüber sowie über ectwaige Wiederholungen diefer Revision bleiben firhenge|eßzlichex Regelung vorbehalten.

§ 10. Aus Anlaß der Errichtung neuer Pfarrstellen und von Parochialtheilungen können durch die zu diefen Anordnungen zustän- digen Behörden auh die Entschädigungsrenten 5) und Beihilfen (8 6) verhältnißmäßig vertheilt werden, jedoch unbeschadet der etwaigen Nechte der zur Zeit des Inkrafttretens dieses Geseßzes im Amt be- findlihen Geistlichen und fonstigen Kirchenbeämten.

8 11. Bebufs Gewährung der in den §§ 6 und 8 vorgesehenen Zuschüsse wird ein landeékirhliher Fonds gebildet, in welchen die staatlicherseits für die Zwecke der Stolgebührenablösung zu gewährende Neunte fließt. Sofern die Staatsrente zur Deckung der aus diesem Fouds zu gewährenden Zuschüsse nicht hinreicht, ist der Fehlbetrag zunächst dadur zu deen, daß die nah § 6 Absatz 2 zu gewährende Beihilfe nur denjenigen Gemeinden zu theil wird, welche mehr als 59% des Einkommensteuersolls für die Entschädigungsrente aufzu- bringen haben würden. Sollte auch die Herabminderung der

Beihilfe den Fehlbetrag niht beseitigen, so ist derselbe durch Umlage von den Kirchengemeinden der Landeskirche

in Gemäßheit der für die Umlage zum Pensionsfonds geltenden Bestimmungen aufzubringen. Die Höhe dieser Um- lage ist dur den Evangelischen Ober-Kirchenrath unter Mitwirkung des General-Synodalvorstandes zu bestimmen. Etwaige Ersparnisse an der staatlicherseits zu gewährenden Rente verbleiben dem zu bildenden landesfirhlihen Fonds. Die Verwendung dieser Ersparnisse zur Er- leihterung ärmerer Gemeinden bei Aufbringung der von denselben zum Zwecke der Aufhebung von Stolgebühren zu übernehmenden Ent- \chädigungsrente bleibt bis zur fkirchengeseßlihen Regelung der Be- stimmung des Evangelischen Ober-Kirchenraths unter Mitwirkung des General-Synodalvorstandes überlassen. i i :

§ 12. Die Festseßung des Zeitpunktes, mit welchem dieses Gefeß in Kraft tritt, bleibt Königlicher Verordnung vorbehalten.

L

Artikel 1. Das anliegende Kirchengesez für die evangelifch- lutherishe Kirche der Provinz Schleswig-Holstein, betreffend die Auf- hebung von Stolgebühren für Taufen und Trauungen, vom . ; 189 . wird, soweit es eine Belastung der Kirhengemeinden zu Ge- meindezwecken anordnet (§8 3 bis 5 und 10 Abfay 2), auf Grund des Artikels 26 Ahsaz 2 des Geseßes vom 6. April 1878 (Gefeßt- Samml. S. 143) hierdurch bestätigt. i '

Artikel 2. Die nach § 2 Absatz 1 des Kirchengeseßes zu fassenden Beschlüsse der kirhlichen Gemeindeorgane bedürfen zu ihrer Gültigkeit niht der Genehmigung der s\taatlihen Aufsichtsbehörde (Artikel 32 Nr. 4 des Gesetzes vom 6. April 1878).