1892 / 66 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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üge 138), auf die Ausnahmen von den geseßlichen Be- itimmungen für cinzelne Betriebe (§S 138 und 139), auf die Aufsicht der Orts-Polizeibehörde in Betreff der Arbeitsbücher und der Beschäftigung der Arbeiterinnen und der jugendlichen Arbeiter (S 139b), auf statutarishe Bestimmungen (8 142) und auf die Ausdehnung der Fabrikgesezgebung auf andere Betriebe (8 154) bezieht. Diese Ausführungs-Anweisung und die zugehörigen Formulare find allen Orts-Polizeibehörden zugesandt und im Verlage von Fr. Kortkampf in Charlotten- burg ershienen. Wir theilen daraus den auf die Arbeits- ordnungen bezüglichen Abschnitt unter „Statistik und Volks- wirthschaft“ mit.

Die Anmeldungen für die deutshe Abtheilung auf der Wel t-Ausstellung in Chicago laufen noch immer in reihlihem Maße ein. Die auch bei früheren Aus- stellungen beobachtete Erscheinung, daß ein großer Theil von Ausstellern erst in leßter Stunde seine Betheiligung erklärt, macht sich auch jeßt wieder bemerkbar. Der Grund hierzu wird wahrscheinlich in dem Gedanken zu finden sein, daß uns noch fast ein Jahr von der Eröffnung der Aus- stellung trennt, ohne daß dabei die für die planmäßige Vor- bereitung der Arbeiten verhälinißmäßige Kürze des Zeit- raums in Nückssiht gezogen wird. Die im gegenwärtigen Augenblick bereits ziemlich geförderten Raumvertheilungs- arbeiten lassen erkennen, daß der Deutschland zuertheilte Raum, namentlih derjenige in der Jndustrichalle, durch die bereits vorliegenden Anmeldungen reihlich in Anspruh ge- nommen ist. Auf eine Berücksichtigung der nun- mehr noch eingehenden Anmeldungen, welhe immer- hin auf Kojien ‘ver bisherigen Aumelder exsolgen

würde, kann daher nur noch insofern gerechnet werden, als die angemeldeten (Gegenstände von besonders hervorragender Be- deutung und demnach zur Ergänzung des Gesammtbildes der deutshen Abtheilung werthvoll und unentbehrlich sind.

Der Fürst Karl Egon zu Fürstenberg, erbliches Mitglied des Herrenhauses, General der Kavallerie à la ente der Armee, ist, nach einer Meldung des „W. T. B.“, gestern Abend in Paris, wohin er sh vor wenigen Tagen begeben hatte, an der Lungenentzündung gestorben.

Merseburg, 15. März. Der Provinzial-Landtag der ProvinzSachsen ist nach der „Magdb. Ztg.“ heute durch den Königlichen Commissar, Ober-Präsidenten von Pommer- Esche geschlossen worden. Der Vice-Präsident, Ober-Bürger- meister von Magdeburg, Geheimer Regierungs - Nath Bötticher brachte darauf ein Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König aus, in das alle Anwesenden dreimal begeistert cinstimmten.

Bayern,

München, 16. März. Jhre Mazestäten der König und die Königin von Württemberg machten, wie die „Allg. Ztg.“ berichtet, vorgestern Nachmittag Besuche bei den Mitgliedern der Königlichen Familie. Um 4 Uhr Nachmittags fand im Könialihen Wintergarten Familientafel und 1m Speisesaal des Königsbaues Marschallstafel für das Gefolge und den Ehrendienst statt. Abends besuchten Jhre Majestäten die Vorstellung im Residenz-Theater und nahmen sodann an einer Abendgesellschaft bei Jhren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin Leopold theil, wo auh Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent erschien. Gestern Abend um 81/4 Uhr haben Jhre Majestäten München wieder verlassen. Auf dem Bahn- hofe waren, wte „W. D. B. meidet, Zhre Koniglichen Hoheiten der Prinz-Regent und sämmtliche Prinzen und Prinzessinnen anwesend: die Verabschiedung war eine sehr herzliche. Der König ist nah Stuttgart zurückgereist; die Königin hat ih nah Schloß Hohenburg begeben.

Seine Königliche Hoheit der Prinz Ludwig sowie die am hiesigen Hofe und zugleich für das Großherzogthum Hessen mitbeglaubigten Gesandten Württembergs und Ruß- lands sind heute früh nah Darmstadt abgereist.

Die Kammer der Abgeordneten seßte gestern, wie der „Koln. Ztg.“ berichtet wird, die Berathung des Forstt- Etats fort, wobei eine Neihe von Rednern mehr und billigere Streu verlangt.n. Der Finanz-Minister sagte die Ent- sendung von Commisfsaren im nächsten Frühjahr zu persönlicher Besprechung mit den Berechtigten zu.

Sachsen.

Dresden, 15. März. Die Erste Kammer erledigte heuie, wie das „Dr. J.“ meldet, den Bericht über die Ver- waltung und Vermehrung der Königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in den Jahren 1888 und 1889, in- dem ste sih durch denselben für befriedigt erklärte. Die Zweite Kammer nahm in der Schlußberathung den Entwurf der revidirten Gesindeordnung bis zu § 40 mit ciner Reihe von Ab- änderungen an, welche die Deputation mit der Staats- regierung vereinbart hatte und die in der Hauptsache be- zwecken, den Dienstboten einen noch größeren Schuß zu verschaffen.

Württemberg.

Stuttgart, 15. Marz, Der „Sl.-A. f.-W.“ istin-der Lage, cinen Erlaß des Ministeriums des Innern an die Stadtdirection Stuttgart und die Oberämter vom 1. März d. J. mitzutheilen, welher die Einführung der mittel- curopätshen Stuhetiiozeit am 1. April d, F. zum (egenstand hat. Dieser Erlaß lautet:

___ Im Hinblick auf die mit dem 1. April 1892 erfolgende Ein- fübrung der nah dem fünfzehnten Längengrad öftlich von Greenwich fich richtenden mitteleuroväishen Einheitszeit in dem inneren und außeren Dienste der württembergishen Staatëeisenbabnen und im Dienste der Post- und Telegraphenverwaltung, welche der bisher in Württemberg maßgebenden Ortszeit bezw. der mittleren Stuttgarter Zeit um 23 Minuten voraus is, wird es sih zur Anwendung von Mißständen niht vermeiden lassen, die für den Dienst der Verkebréanstalten angenommene Zeit auch it übrigen bürgerlichen Leben zur Einführung zu bringen. Die Bedeutung dieser Maßregel erheischt, als über den Bezirk der einzelnen Gemeinden hinausgreifend, eine einheitlihe Regelung. Es ift daher den Gemeindebehörden zu empsehlen, vom 1. April 1892 an die für das bürgerliche Leben in den Gemeinden maßgebenden Uhren nach der Uhr der nâchstgelegenen Eisenbahnstation oder Postanstalt zu richten. BVics wird zur Folge haben, daß die- Uhren, welche bisher nah

der „mittleren Stuttgarter Zeit“ gerihtet waren, in der Nacht

vom 31. März auf 1. April 1892 um 23 Minuten vor- zurücken sein werden. Auch wird von der bevorstehenden Einführung der mitteleuropäishen Einheitszeit und der dadur bedingten Vor- rückung der Uhren die Einwohnerschaft durch öffentliche Bekannt- machung in geeigneter Weise zu verständigen sein.

SHef}sen.

Darmstadt, 15. März. Seine Majestät der Kaiser wird sich, wie die „Darmst. Ztg.“ meldet, bei den Beiseßungs- feierlihkeiten durch Seine Königliche Hoheit den Prinzen Heinrich von Preußen vertreten lassen; außerdem werden der General-Adjutant General-Lieutenant von Wittich und der Flügel-Adjutant Oberst-Lieutenant von Scholl hier eintreffen. hre Majestät die Kaiserin Friedrih, Jhre Königlichen Hoheiten die Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen und die Prinzessin Margarethe von Preußen sowie Seine Hoheit der Erbprinz von Sachsen-Meiningen treffen morgen hier ein. Seine Majestät der König von Württemberg, Seine Königlihe Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, Regent von Braunschweig, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Oldenburg und Seine Hoheit der Herzog vonSachsen-Altenburg werden durch besondere Abgesandte vertreten sein.

Die Ordnung für das Leichenbegängniß wurde heute Nachmittag bekannt gemacht. Danach findet die feierliche Einsegnung durch den Ober-Hofprediger Bender Donnerstag, Vormittags 11 Uhr, im Audienzsaale des neuen Palais statt. Darauf wird sih der Leichenzug durch die Wilhelminen-, Rhein- und Alexanderstraße ag der Nosenhöhe bewegen, wo Hofprediger Ehrhardt die Leiche einsegnen wird. Die Trauerparade steht unter dem Befehl des General-Majors Lademann, Commandeurs der 50. Infanterie - Brigade. Die in Parade stehenden Truppen bestehen aus: je zwei Schwadronen des Garde-Dragoner-NRegiments Nr. 23 und des Leib-Dragoner-Regiments Nr. 24, zwei Bataillonen des Leib- Garde-Jnfantere-Regiments Nr. 115, einem Bataillon, welches aus den Leib-Compagnien der Jnfanterie-Regimenter Kaiser Wilhelm Nr. 117 und Nr. 118 zusammengeseßt ist, drei Batterien des Feld-Artillerie-Regiments Nr. 25 und einer zusammengeseßten Compagnie des Train-Bataillons Nr. 25.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 15. März. Der Landesaus!Quß hat in seiner heutigen Sizung den Etat für 1892/93 in dritter Lesung angenommen.

Oesterreich-Ungarn.

__ Scine Majestät der Kaiser ist gestern von Miramar wieder in Wien eingetroffen. Jhre Majestät die Kaiserin hat gestern die Reise nah Corfu angetreten.

__ Der Erzherzog Eugen hat sich als Vertreter des Kaisers bei den Leichenfeierlichkeiten gestern Abend nach Darmstadt begeben.

In der gestrigen Sitzung der österreihishen Valuta- Enquête-Commission erklärte sih der Vertreter der Lemberger Universität als Bimcetallist und wünschte die Prägung von Goldstücken zu zchn Gulden jeßigen Geldes und die Contingentirung des Silberumlaufs mit vier bis acht Gulden pro Kopf. Profcssor Menger (Wien) empfahl, mit der Feststellung der Werthrelation und der Goldprägung zu warten, bis der nöthige Gold- vorrath erworben wäre und der Edelmetallmarkt sein Gleich- gewicht wieder erlangt habe. Betreffs der Werthrelation dürfe sich übrigens ein Umrechnungscurs von 2 Fr. 5 Cents empfchlen: die Prägung von Münzen aus Nickel sei entschieden zu verwerfen.

Großbritanuien und JFrland.

Die Königin hat ihre Abreise nah Hyères auf nächsten

Sonnabend verschoben. 5

_Das „Court Circular“ vom 13. d. M. widmet dem verstorbenen Großherzog von Hessen einen Nachruf, in welchem es heißt: :

Ein neuer s{chwerer Schlag hat die Königin durch den Verlust des geliebten Schwiegersohnes Ihrer Majestät, des Großherzogs von Hessen, betroffen, dessen Todesnachriht die Königin heute Morgen erreichte. Der’ Großherzog, dessen Verlust die Königin wie den eines eigenen Sohnes empfindet, war von der ganzen König- lichen Familie innig geliebt. Seit 1878, dem Todesjahre der theuern Tochter Ihrer Majestät, der Großherzogin von Hessen, hatte er die Köntgin mit seinen. mutterlosen und jeßt verwaisten Kindern alljähr- lih besuht. Erst im 55. Jahre stehend, war er ein ausgezeichneter General und bei seinen Unterthanen, über welche er höchst weise und milde regierte, sebr beliebt. Das traurige Ereigniß hat sich am Jahrestage des Todes Kaiser Alexander’s 11. ven Rußland, Vaters der erzogin von Edinburg, zugetragen. Ihre Kaiserlihe und Königliche Hoheit ist Cousine des verstorbenen Großherzogs im erstem (rade.

Der Prinz und die Prinzessin von Wales sind, der „A. C.“ zufolge, mit der Wahl von Cap Martin an der Riviera zum Aufenthaltsort sehr zufrieden; die Familie des Thronfolgers wird voraussihtlich einige Wochen dort verweilen.

Der Herzog von Connaught ist gestern früh über Paris zu den Beisezungs-Feierlichkeiten nah Darmstadt ab- gereist, der Herzog von Edinburg, Prinz Christian zu Schleswig-Holstein und der Kammerherr Earl of Gosford als Vertreter des Prinzen von Walcs wollten ih am Abend cbendorthin begeben.

Bei der Berathung des Marine-Budgets im Unter- hause beshwerte sih in der Montagssißung Oberst Hill darüber, daß die Admiralität das Marine-Artillerie-Freiwilligen- Corps aufgelöst habe. Der Marine-Minister, Lord George Hamilton erklärte, dies sei auf einstimmige Empfehlung der betreffenden Commission geshehen. Admiral Field beklagte den Mangel sowohl an Offizieren wie an Mannschaften, der im Jahre 1892 bei der Vollendung der Aus- Lena des Flottenprogramms cintreten müsse. Lord Hamilton erwiderte, daß mehr Personal zur Ver- fügung stände, als man geglaubt hätte. Würden seine Vor- \hläge angenommen, so würde die Flotte im Jahre 1894 voll- ständig bemannt sein. Shaw-Lefevre erhob Beschwerde darüber, daß die auf Privatwerften gebauten Kriegsschiffe nicht zeitig genug abgelicfert würden. Der Marine-Minister ent- gegnete, cs jeien niemals Schiffe so schnell fertig gestellt worden, wie in den lezten Jahren. Hierauf wurde der Posten von 3520 000 Pfd. Sterl. für das Perfonal der Marine (74100 Mann und Jungen, einshließlich der Küstenwächter und Marine- soldaten) bewilligt.

Jn der gestrigen ersten Sißung des neuen Lond pra Ap wurde Lord Rosebery formell E Vorsitzenden gewählt. i

Frankreich.

Jn einem gestern früh abgehaltenen Ministerrat unterzeihnete der Präsident Carnot, wie „W. T. B.“ meldet einen Geseßentwurf, wonach in dem Strafgesezbuch für dis Zerstörung von fremdem Eigenthum mittels ex- plosiver Stoffe die Todesstrafe festgeseßt werden soll, fowie ferner cinen Geseßentwurf, na welchem für gewisse aus den Vereinigten Staaten eingeführte Waaren die Vergünstigung des französishen Minimal{- tarifs Anwendung finden soll, wogegen seitens der nord- amerikanischen Union Zollfreiheit gewährt wird für Rohstoffe, die seitens Frankreihs nah den Vereinigten Staaten exportirt werden und im Artikel 3 der Mac Kinley- Bill aufgeführt sind.

In der vorgestrigen Sitzung des Senats trat Bardou- für die Vorlage wegen Neuordnung des Universitätswesens ein. Der Redner schilderte die Vorzüge des neuen Systems und meinte, man wolle weniger dem Staate Rechte entziehen als vielmehr den Universitäten neue gewähren. Nachdem Goblet gegen und Royecre für den Entwurf gesprochen hatten, vertagte sih das Haus.

In der Deputirtenkammer interpellirten gestern Camille Dreyfus und Marius Martin, Deputirte von Paris, den Minister des Junnern anläßlih der Explosionen und wünschten zu wissen, welche Mafß- regeln die Regierung für die Sicherheit der Bevölkerung ergreifen werde. Der Minister erwiderte, man dürfe die Bedeutung der Vorfälle niht übertreiben: fie seien übrigens Frankreih und Paris niht allein eigenthümlih. Zur Sicherung der Bewohner habe die Regic- rung die erforderlihen Maßregeln ergriffen. Die Kammer werde begreifen, daß dic Regierung jeßt nihts mehr sagen könne. Nach Erledigung dieses Zwischenfalls legte der Justiz- Minister auf den Tisch des Hauses den Geseßentwurf über Attentate mit Sprengstoffen (siehe oben) nieder.

Die Untersuchung bezüglih der Explosion in der Lobau-Kaserne wurde die ganze Nacht bis gestern Morgen fortgeseßt. Die Beschädigungen find weniger erheblih aks diejenigen, die bei der Explosion am Boulevard St. Germain vorkamen. Aufgefundene fkfupferne Sprengstücke lassen darauf schließen, daß die Urheber des Attentats sch ciner Melinit- Cartouche bedient haben, wie solche in der Armee gebräuchlich sind und die mit 200 g eines cxplosiven Chlorsalzes gefüllt zu sein, außerdem auh Eisenstücke zu enthalten pflegen. Es wurden einige Personen bemerkt, die im Augenblicke der Explosion die Flucht ergriffen, man glaubt jedoh, daß diese nicht die Urheber des Attentats, sondern Passanten gewese: seien, die durch die Detonation erschreckt wurden. Nus den bisher gefundenen Anzeichen will man schließen, daß das Attentat in der Kaserne Lobau ursprünglih gegen die Polizei-Präfectur gerichtet gewesen sei. Als aber die Urheber des Attentats die Präfectur wohlbewacht gesehen, hätten sie sich nach der Kaserne Lobau gewandt. Jm Laufe des heutigen Vormittags werden bei allen als Anarchisten bekannten Personen Haussuchungen vor- genommen werden. Jedes Jndividuum, bei dem Sprengmittel gefunden werden, wird festgenommen und in Hast behalten werden. Von 30 Haussuchungsbefehlen be- ziehen sich die meisten auf ausländische Revolutionäre. Zum Schuße der Denkmäler sind besondere Maßnahmen getroffen worden. Alle Militärposten haben Verstärkungen erfahren.

Die Einfuhr Frankreichs im Februar dieses Jahres betrug 484 Millionen Fr. gegen 429 Millionen Fr. im Februar des Vorjahres, die Ausfuhr 261 Millionen Fr. gegen 284 Millionen Fr.: die Einfuhr von industriellen Rohstoffen hat gegen den gleihen Monat des Vorjahres eine Abnahme von 27 Millionen Fxr., die Ausfuhr von Fabrikerzeugnissen cine solhe von 30 Millionen Fr. erfahren.

Aus einer Pulvermühle bei Chambéry, die cinem Unternehmer von größeren Arbeiten gehört, sind 32 Dy- namitpatronen gestohlen worden.

Nußland und Polen.

Im Ministerium der Communikationen stehen nah der „St. Pet. Ztg.“ verschiedene Veränderungen bevor. Es heißt u. a., daß die gegenwärtige Kronsbahnen-Verwaltung ganz aufgehoben werden und ihre Competenzgegenstände dem Eisenbahn-Departement des Finanz-Ministeriums überwiesen werden sollen. Das legtere Departement soll in zwei Abthei- lungen getheilt werden, indem aus ihm cin besonderes Tarif- Comité ausgeschieden wird, an dessen Spiße der Wirkliche Staatsrath Maximow stehen, während das Eisenbahn-Departc- ment im engeren Sinne von dem Wirklichen Staatsrat! Romanow verwaltet werden soll.

Das neue Gesctz über die Börsenmakler ist, der „Nh. Sh.“ zufolge, vom Reichsrath bestätigt worden. Das Gesetz bestimmt u. a. Folgendes: Die Makler werden in allen Hafenstädten in vom Minister zu bestimmender Anzahl von den Börsen: Comités gewählt, und zwar aus russischen Unter- thanen, die eine gründlihe theoretishe und praktische commmercielle Bildung besißen. Jrgend welche commerciele Operationen für eigene oder fremde Rechnung sind ihnen unbedingt untersagt.

Wie das „Memeler Dampfboot“ von gut unterrichteter Seite erfährt, hat die russishe Regierung die Concession zum Bau einer Eisenbahn von Krettingen nah Mo0s- zeiken ertheilt. Hierdurch würde die Eisenbahn Memel- Bajohren Anschluß an das russishe Eisenbahnneyz erhalten und somit eine neue Verkehrsstraße zwishen Preußen und Nußland hergestellt werden.

Ftalien.

Bei Fortseßung der Debatte über das richtiggestellte Budget gab in der gestrigen Sizung der Deputirten- fammer der Schaßsecrcetär Lu zzatti eine Darlegung der von ihm bewirkten bezw. noch geplanten Ersparungen. Nad dem Bericht des „W. T. B.“ äußerte sih Herr Luzzatti wiC folgt: Das Werk der Regierung hinsichtlih des Programms der Crsparungen sei vollständig geglückt. Die erlangten Er sparnisse der Budgetjahre 91/92 und 92/93 ließen sih jo zu? jammenfassen: Die Ersparnisse bei den effectiven Ausgaben und die verminderten Ausgaben bei den Eisenbahnen betrügen 178/3 Millionen. Die absolute Besserung im Budget belaufe sich na Abzug der Zunahme der unvermeidlichen Ausgaben für dic Staatslasten auf ungefähr 1351/5 Millionen. Den Erwartungen?

: t entsprochen hätten die Einnahmen aus den Zöllen. Die BN rant dieser sei der guten Getreideernte, der es Entwickelung der nationalen Jndustrie und auch dem ge- ringeren Verbrauche von Baumaterial zuzuschreiben. Leßterer entspreche der eingetretenen wohlthätigen Reaction gegen die früheren Excesse auf diesen Gebieten und dem entwickelteren Sparsinne des Volks. Wenn die Vermin- derung der Einnahmen andauere, so werde die Regierung neue Maßregeln treffen. Bis dahin verlange er Vollmachten zur Revision der Verwaltungskörper und der Vollendung größerer Reformen. Der Export habe in den leßten zwei Monaten zu- enommen. Es sei kein Grund vorhanden, von dem Programm der Ersparungen sowie von der Enthaltung von neuen Aus- gaben für Eisenbahnbauten sih zu entfernen. Die Durh- führung des Programms, welches das Cabinet aufgestellt habe, sei bevorstehend; der Herstellung des Gleichgewichts im Staats- haushalte nähere man si zusehends. (Beifall rechts und im Centrum.) Schließlich sprach sich der Schaßsecretär für die Anwendung der Weinclausel des österreichishen Ver- trags aus. Sodann wurde die Debatte geschlossen, und es begann die Berathung der zu dem Budget beantragten Tagesordnungen, deren im ganzen sieben eingebracht worden waren. Eine von neun radicalen Deputirten unterzeichnete Tagesordnung trägt die Namen der Deputirten Cavalotti, Cavallini, Louis Ferrari, und richtet fih gegen neue Steuern, billigt aber eine Umbildung des Steuersystems und größere Ersparungen, hauptsächlich bei den Militärausgaben.

Nach einer Meldung des „Hamb. Corr.“ aus Rom hat der zum Botschafter in Berlin ausersehene Graf Taverna die Erklärung abgegeben, der Vertreter eines Berliner Blattes, welcher ihn neulich besuchte, habe von ihm seine Biographie verlangt: die Politik sei in dem Gespräche nicht berührt worden.

Zu den Handelsvertrags - Unterhandlungen Jtaliens mit der Sch weiz wird aus Rom berichtet, daß der \chweizerishe Gesandte BVavier dem Minister-Präsidenten Marchese di Nudini gestern die Antwort der Eidgenossen- schaft auf die leßte Note Jtaliens überreicht hat. Der Minister- Präsident hat sich die Prüfung derselben vorbehalten.

Die durch ein französisches Blatt verbreitete Nachricht, daß Jtalien die Ausprägung neuer Silbermünzen beab- sichtige (f. d. gestr. Nr.), wird von der „Agenzia Stefani“ auf das bestimmtejte für unbegründet erklärt.

Die wegen studentisher Unruhen geschlossen gewesene Universität in Rom is gestern ohne Zwischenfall wieder eröffnet worden.

Schweiz. 5 Nachdem dr Bundesrath gestern seine Forderungen bezüglich der Reduction des französischen Minimaltarifs fest- gestellt hat, ist der ceidgenössishe Gesandte in Paris, laut Meldung des „W. T. B.“ aus Bern, nunmehr beauftragt worden, die einleitenden Schritte für den Beginn der Unter- handlungén mit Frankreich zu thun.

Niederlande.

Das Utrechtsche „Dagblad“ will wissen, daß den General- staaten binnen kurzem ein Gesegentwurf über Verstaat- lihung aller niederländischen Bahnen und ihren Be- trieb durch den Staat zugehen werde.

Velgien.

Die mit der Prüfung der Anträge bezüglih der Ver- fassungsrevision betraute Central-Commission hat, wie dem „W. T. B.“ aus Brüssel berihtet wird, nunmehr mit 5 gegen 2 Stimmen beschlossen, den das sogenannte Königsreferendum betreffenden Entwurf der nächsten con- stituirenden Versammlung zu überweisen, jedoch unter zwei Einschränkungen : - Erstens soll von dem Referendum gegen noh niht von der Kammer genehmigte Geseßze kein Gebrauh gemaht werden und sodann sollen die Mitglieder der Kammern, ungeachtet ihrer in den Sectionen vorgenommenen Abstimmung, die Freiheit der Meinungsäußerung únd der Abstimmung für die weiieren Berathungen dieser Frage behalten. S

Das Befinden des seit längerer Zeit erkrankten Ministers des Auswärtigen, Fürsten von Chimay, hat sich neuer- dings so vershlimmert, daß ihm am 14. d. M. die Sterbe- jacramente gereiht wurden.

Serbien.

_ Die Declaration des Königs Milan wird von der serbischen Presse überaus abfällig beurtheilt. Der „Odjèk“ allein feiert den Verzicht Milan's auf seine Rechte als eincn Triumph des neuen NRegimes. Wahrscheinlih wird die De- claration heute in der Skupschtina berathen werden. Gestern Abend sollte, wie „W. T. B.“ berichtet, abermals eine Sizung des radicalen Clubs stattfinden, weil mehrere Nadicale auch gegen die vom Ausshuß abgeänderte Declara- tion stimmen wollen, welche eigentlich die Ausweisung Milan's decretire. Der liberale Club beshloß, sich an der Debatte in der Skupschtina zu betheiligen und die Competenz der Stupschtina zur Schaffung eines Gesetzes, welches gegen die Verfassung verstoße, zu bestreiten.

Amerika.

__ Prôsident Harrison hat, laut Kabeltelegramm aus Washington vom 14. d. M. mittels Proclamation angekündigt, daß Nicaragua zum Abschluß eines Gegenscitigkeits-Ver- trags mit den Vereinigten Staaten auf Grund des neuen

Tarifs bereit ist. A _ Der Berichterstatter des „Philadelphia Ledger“ in Washington weiß zu melden, daß höchst wahrscheinlich noch im Laufe dieser Congreßtagung zwei neue Staaten in die Union werden aufgenommen werden. Das Repräsentantenhaus ist für die Aufnahme von Arizona und Neu-Mexiko; bei Utah sollen g°*wiße Vorbehalte eintreten. Der Bundes-Senat andererseits wünscht Arizona und Oklahama zu Staaten erhoben zu schen, ijt aber dagegen, daß Neu-Meriko ‘ein Staat werde, weil die Bevölkerung dieses Territoriums aus zu unwissenden Spanisch- Amerikanern bestehe. Gegen die Aufnahme von Utah wird als Grund angeführt, daß es zum größten Theil von Mor- monen bewohnt sei, und von Oklahama meint das Reprä- sentantenhaus, daß es dort an einer seßhaften Bevölkerung fehle. Es dürfte, wie es am Schluß des Artikels heißt, zu einem Compromiß zwischen den beiden Häusern kommen, wo- nah Arizona und Ofklahama in den Staatenbund auf- o iggdias werden, aber erst nah der nächsten Prästdentschafts- van 40h einer Meldung der „Times“ aus Buenos-Aires 19. d. M. hat Uriburu cs in leßter Stunde abgelehnt, Provijorish das Finanzportefcuille im argentinischen

Cabinet zu übernehmen. Die Führer der beiden Parteien des Landes, darunter General RNoca, behaupten, wie es in dem Telegramm weiter heißt, daß die WahlSaenzPena's zum Präsidenten gesichert sei.

Asien.

Aus Rangun in Birma wird dem „R. B.“ berichtet, daß der unter dem Namen Prinz Minlaung bekannte Jnsurgentenhäuptling, welcher der Rädelsführer bei einer Meuterei im Gefängniß von Akyab war, nebst fünf anderen Meuterern zum Tode verurtheilt worden is, während sein Vater mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft wurde.

Afrika.

Aus Sansibar wird dem „R. B.“ gemeldet, daß dort am 14. d. M. eine Verordnung erlassen worden sei, welche bestimmt, daß alle Einfuhr- und Ausfuhrproducte, welhe ausscließlich für die im Gebiet des Sultans von Sansibar bestehenden Missionen bestimmt sind, keinen Zoll zu zahlen haben.

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Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (195.) Sißung des Reichstags, welcher der Ministerial-Director Lohmann beiwohnte, wandte sich die Specialdiscussion der Novelle zum Krankenkassen- geseß dem § 6a zu, welcher die Gemeinden ermächtigt, zu beschließen, 1) daß freiwillig der Kasse beigetretene Mit- glieder erst sechs Wochen nah dem Beitritt Krankengeld er- halten sollen; 2) daß Versicherten, welche die Kasse durch Betrug geschädigt oder sich die Krankheit vorsäßglih oder durch schuldhafte Betheiligung an Schlägereien oder Rauf- händeln, durch Trunffälligkeit oder geschlehtlihe Aus- shweifungen zugezogen, das Krankengeld garnicht oder nur theilweise zu gewähren ist; 3) daß Versicherten, welhe im Laufe eines Jahres dreizehn Wochen lang Krankengeld erhalten haben, im Laufe der nächsten zwölf Monate Krankenunterstüßung nur für die Gefsammtdauer von dreizehn Wochen zu gewähren ist ; 4) daß Krankengeld allgemein oder unter bestimmten Vorausseßungen schon vom Tage der Erkrankung an sowie für Sonn- und Feiertage zu zahlen ist: 5) daß auch Familienangehörige mit versichert werden dürfen: 6) daß die ärztlihe Behandlung, die Lieferung der Arzneien und die Kur und Verpflegung nur durch bestimmte Aerzte, Apotheker und Krankenhäuser zu gewähren find. Ferner follen die Gemeinden ermächtigt sein, Vorschriften über die Krankenmeldungen, über das Verhalten der Kranken und über die Krankenaufsicht zu erlassen und eventuell Ordnungs- strafen bis zu 20 F zu verhängen. N

Auf einen Antrag der freien Commission sollen in Nr. 2 die Worte „durch Betrug geschädigt oder“ erseßt werden durch die Worte „durch eine mit dem Verlust der bürgerlichen Ehren- rechte bedrohte strafbare Handlung geschädigt haben, für die Dauer von zwölf Monaten seit Begehung der Strafthat, sowie daß Versicherte, welche“ u. s. w.

Die freisinnigen Abgg. Dr. Hirsch und Dr. Gutfleisch wollen in Nr. 2 die Worte „oder geshlehtlihe Aus- shweifungen“ streichen.

Abg. Dr. Höffel (NRp.) will in Nr. 4 den Text dahin ander, daß „Krankengeld Won vom esten oder zweit Tage nah dem Begun der Erwerbs- Unabiate J0wie für Feerlage zu: zahlen L“ In Ziffer 6 will derselbe Antragsteller die Bezahlung der durch Jnanspruchnahme anderer Aerzte, Apotheken und Kranken- häuser entstandenen Kosten außer in dringenden Fällen auch dann durch die Krankenkasse erfolgen lassen, wenn die Arbeits- stätte des Versicherten sich außerhalb des Kassenbezirks befindet.

Die Antragsteller und verschiedene andere Redner, die Abgg. Hitze (Centr.), von Strombeck (Centr.), Molken- buhr (Soc.), Singer (Soc.), Freiherr von Stumm (Rp.) b:theiligten sih an der Besprechung.

Der Commissar des Bundesraths Geheime Ober - Re- gierungs - Rath von Woedtke erklärte sih gegen alle Ab- änderungsanträge mit Ausnahme des von der freien Com- mission eingebrachten. Das Haus entschied sih in diesem Sinne.

Bei Schluß des Blattes war die Verhandlung bis zum S 26 (Ueberversicherung) vorgerückt.

In der heutigen (33.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanz-Minister Dr. Miguel und der Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedliß beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1892/93 im Etat des Ministeriums der geistlihen x. Angelegenheiten beim Kapitel 124 „Cultus und Unterricht gemeinsam“ fort- geseßt. ,

Sei dem halbjährlichen Betrage von 750 000 F des Staatszuschusses für die evangelische Landeskirche als Beihilfe zur theilweisen Ablösung der Stolgebühren bat derx Abg. Dr. Sattler (nl.) als Referent der Budgetcommission den Minister um eine Erklärung, daß diese Summe nur verwendet werden solle, wenn die in dieser Sache zu erlassenden Gesetze vom Landtag genehmigt würden. i;

Der Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedliß gab diese Erklärung ab.

Abg. Richter (dfr.) erklärte sih gegen diese Forderung, weil nicht auch sofort für die katholische Kirche in gleicher Weise gesorgt werde und weil die anderen Confessionen, auch die jüdische, bei dieser Staatshilfe leer ausgingen. Die Finanz- lage sei jeßt für eine solhe Ausgabe zu ungünstig, und cs bestehe weder eine rechtlihe noh eine moralische Ver- pflihtung zur Ablösung der Stolgebühren, da die Geistlichen bereits durh die Alterszulagen entschädigt seien. Weder in der evangelishen noch in der katholischen Kirche schne man sich fo schr nah der Aufhebung der Stolgebühren. :

Der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedliß wies auf die 1890 vom Hause beschlossenen Resolutionen hin, welche cine alsbaldige Regelung der Stolgebührenfrage verlangten. Das Ersuchen um die Erhebungen über die Stol- gebühren sei an demselben Tage an die evangelischen und die katholishen Kirchenbehörden gerichtet, die Erhebungen seien aber erst seitens der ersteren abgeschlossen. Sobald sie auh für die fatholishe Kirhe abgeschlossen seien, werde sofort mit den Bischöfen über die weiteren Modalitäten verhandelt werden. Es handele sich nicht um eine Unterstüßung der Kirche, sondern um eine Maßregel social-ethisher Natur. Breiten Volksschichten solle der Zu- sammenhang mit der Kirche erhalten werden.

Abg. von Jagow (conf.) sprach si. für eine sofortige Beseitigung des jeßigen s{hreienden Uebelstandes aus, auch R nicht sogleih den Katholiken ebenfalls ihr Recht werden önne.

Abg. Dr. Enneccerus (nl.) sprah für die Bewilligung der Forderung und behielt sih sein Urtheil über den mate- riellen Jnhalt der betreffenden Geseßentwürfe vor.

Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Centr.) wollte eben- falls für die Position stimmen, ohne damit jedoch seiner Stellungnahme zu den Geseßentwürfen zu präjudiciren,

Abg. von Eynern (nl.) beklagte es, daß die von den Synoden angenommenen Geseße niht vom Landtage geändert werden könnten, denn der Westen sei in dieser Frage gegen den Osten benachtheiligt. Die ganze Frage follte noch auf ein Jahr vertagt werden, um sie dann zugleich für die katholische Kirche zu regeln. »

Die Abgg. Stöcker (cons.) und Stengel (freicons.) sprachen sich für die Bewilligung der Pofition aus.

An der weiteren Debatte betheiligten sich“noch wiederholt der Minister der geistlihen u. f. w. Angelegenheiten Graf von Zedliß, der Finanz-Minijter Dr. Miquel und der Abg. Richter (dfr.).

Darauf wurde die Position bewilligt.

Beim Kapitel „Medizinalwesen“ wünshte Abg. Olzem (nl.) eine Regelung des Apothekenwefens und des Geheim- mittelwesens.

Geheimer? Medizinal-Rath Dr. Pistor stellte eine Vorlage darüber in Aussicht.

__ Abg. Dr. Graf-Elberfeld (nl.) wünschte eine Besser- stellung der preußishen Medizinalbeamten und Erlaß einer Aerzteordnung.

Ministerial-Director Dr. Bartsch äußerte fich im Auf: trage des Ministers in wohlwollendem Sinne gegenüber diesen Wünschen.

Abg. Dr. Langerhans (dfr.) wollte den Aerztekammern feine Disciplinarbefugnisse einräumen und empfahl sodann die Einführung der obligatorischen Leichenschau. (Schluß des Blattes.) :

Nr. 4 des Archivs für Post und Telegraphie (Beiheft zum Amtsblatt des Neichs-Postamts, herausgegeben im Auftrage des Reichs-Postamts) hat folgenden Inhalt: 1. Actenstücke und Aufsäße: Die Berathung des Wiener Weltpostvertrages im Reichëtag. Die Entwickelung des Post-, Telegraphen- und Fernsprebwefens im Ober- Postdirectionsbezirk Leipzig in zehn Jahren (1880 bis 1890). Er- kenntniß des NReichsgerichts über die Frage, ob die Städt-Fernsprech- stelle einer Privatverfon unter die zu éffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanlagen fällt. Vor fünfzig Jahren. 11. Kleine Mit- theilungen: Statistik des ésterreichischen Post- und Telegraphenwesens vom Jahre 1890. Umfang des Postpäckereiverkehrs während der MWeihnachtszeit 1891 in den Städten des Neichs-Postgebiets mit mehr als 50 000 Einwohnern. Das internationale Telegraphenwesen im Fahre 1891. Ill. Literatur des Verkehrswesens: Der kleine Stephan. Ein Hilfsbuch fürs Publikum. Post- und Telegraphen- Handbuch mit farbigem Anhang. Bearbeitet von C. H. Schmidt, Postsecretär. Ausgabe 1891/92. Zweite verbesserte Auflage. Verlag von Gerhard Kühtmann, Dresden 1891. 2 Bände 8 9, 94 und 148 Seiten.

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Der § 53 der Gewerbeordnung giebt dem Verwaltungs- rihter die Befugniß, die in § 33 bezeichnete &enehmigung zum Be- triebe der Schankwirthschaft zurück zu nehmen, wenn aus Handlungen oder Unterlaffungen des Inhabers der Mangel derjenigen Eigenschaften klar erhellt, welhe bei Ertheilung der Genehmigung vorausgeseßt werden mußten. Eine diefer Eigenschaften ist die fort- geseßte Fernhaltung, Nichtförderung der B öllerei; die Völlerei fördert aber nicht nur derjenige, welcher der Unmäßigkeit im Genusse geistiger Getränke Vorschub leistet, sondern auch der, welcher die von dem Gesetze dem Genusse geistiger Getränke gezogenen Grenzen überschreitet. Eine solche Grenze zieht der § 365 Abs. 2 des Reichs-Strafgesetzbuchs, indem er verbietet, daß ein Wirth das Verweilen seiner Gäste über die ge- botene Polizeistunde, d. h. die ®on der Polizei vorgeschriebene Stunde, dulde. Diese Vorschrift verfolgt wesentlih den Zweck, die übermäßige Ausdehnung des Wirthshauslebens und damit den übermäßigen Genuß geistiger Getränke zu beschränken. Db bei der Ueberschreitung der Polizeistunde im Einzelfalle eine Unmmnäßigkeit der Gäste vorgelegen bat, “it dabei ohne Belang. (Erl d. O.-B-.G. v. 1, Febr: 1892 TIT. 107.)

In der Entsch. des O.-V.-G. vom d. Februar 1891 (Entsch. Bd. 20 S. 313) war der Grundsatz aufgestellt worden, daß gegen das in 8 187, Tit. 9 Thl. 1. A. L.-R. enthaltene Verbotsgeseß:

„Auch in Privatflüssen, worin Mehrere die Fischerci- gerechtigkeit haben, darf niemand, der nicht ein besonderes Necht dazu erworben hat, dur Verseßung des Flusses ober- oder unterhalb den freien Gang der Fische hindern." Nechte durch Verjährung niht erworben werden können. Der Gerichtshof hatte sih dabei auf den Zusammenhang des § 187 mit dem § 186 und auf das Marginale zu den §§ 184—190: „Polizei- gesetze bei Ausübung der Fischerei“ gestüßt. In einer neueren Ver- waltungsstreitsacze war diese Begründung bemängelt worden, doch ift das O.-V.-G. in dem Urtheil vom 2. Januar 1892 [111 1046 dabei stehen geblieben. Insbesondere wurde an der Hand der provinziellen Gesetzgebung seit 1690 nachgewiesen, daß die früheren Vorschriften in Betreff der Beseitigung der Hindernisse für den Wechfel der Fische in niht geschlossenen Gewässern öffentlich - rechtlicher Natur seien und daß sih an diese die ebenfalls öffentlih-rehtlihe Be- stimmung des § 20 des Fischereigeseßes vom 30. Mai 1874 anschließt.

In demselben Urtheil findet sich noch folgende Ausführung:

Der Arm der Havel, in dem sich das den beanstandeten Aal- fang enthaltende Müblengerinne befindet, if, weil mit den übrigen Theilen der Havel in einer für den Wechsel der Fische geeigneten Weise in Verbindnng stehend, sowohl nah Landrecht als nah dem Fischereigeseß ein nicht geschlossenes Gewässer, auf welches der 8187 1 9. A. L.-N. wie der § 20 des Fischereigeseßes Anwendung findet, gleihgiltig, welhen Namen das Gewässer hat, ob es der Hauptstron oder ein Arm desselben is. Auch eine Abzweigung eines größeren Flusses fällt unter obige Gesctesvorschriften und die Frage, ob die ständige Fischereivorrihtung dice Hälfte des Gewässers über- schreitet, rihtet fich nicht nah der Gesammtbreite des Hauptstromes einschließli der Abzweigungen, sondern darnach, ob gerade das Ge - wässer, indem sich die ständige Fischereivorrichtung befindet, über die Hälfte für den Wechsel der Fische gesperrt ift.

Verkehrs-Anstalten.

Laut Telegramm aus Aachen ist die zweite eng- lishe Post über Ostende vom 16. d. M. ausgeblieben. Grund: Sturm im Kanal.

Auf den Linien der Großen Berliner Pferde-Eisen- babn - Actien - Gesellschaft sind im Monat Februar 1892 9 508 503 Personen befördert und dafür 1 072 633,40 S oder durch-

\chnittlich auf den Tag 36 987,36 H. eingenommen worden. Die