1892 / 76 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 28 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Y av gr E Be L É Ne M IR T E E E E Ep ia L: Irr Sf ge:

denjenigen des Chefs des Civil-Cabinets und die Vorträge der Marine entgegen.

In der am Sonnabend unter dem _Vorsiß des Vice- Präsidenten des Staats-Ministeriums, Staatssecretärs des Innern Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenarsizung er- theilte der Bundesrath dem Entwurf ciner Verordnung, be- treffend die Verpflihtung der Arbeitgeber zur Mit- theilung der Zahl der in Fabriken und diesen gleich- stehenden Anlagen am 1. April beschäftigten Arbeiterinnen, dem Entwurf eines Gesetzes wegen Feststellung eines Nach- trags zum Reichshaushalts-Etat für 1892/93 und dem Gefeß- entwurf, betreffend die Vergütung des Cacaozolls bei der Ausfuhr von Cacaowaaren, die Zustimmung. Außerdem wurde über die geshäftlihe Behandlung mehrerer vom Reichs- tag überwiesener Petitionen Beschluß gefaßt.

Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Baden, General-Major und Commandeur der 4. Garde-Jn- fanterie-Brigade und Chef des 5. Badischen Infanterie-Regi- ments Nr. 113, ist vom Urlaub hierher zurückgekehrt.

Der Kaiserlihe Gesandte am Königlich belgischen Hofe, Wirkliche Geheime Rath Graf von Alvensleben, ist vom Urlaube nah Brüssel zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Königliche Gesandte in Hamburg Freiherr von Thielmann hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit von Hamburg fungirt der Legations-Secretär von Bülow als Geschäfts- träger.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Fürstlich shaum- burg-lippishe Regierungs-Präsident Spring ist hier ange- kommen.

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S. M. Kreuzer „Bussard“, Commandant Corvetten- Capitän Gerß, wird am 1. April von Auckland aus eine Nundreise durch die deutshen Schußgebiete in der Südsee antreten.

Wiesbaden, 24. März. Jn der heutigen öffentlichen Sißung des Communal-Landtags des RNegierungs- bezirïs Wiesbaden wurde zunächst beschlossen, die unter B 2 getroffene Schlußbestimmung der durch Communal- Landtagsbeshluß vom 27. März 1888 festgestellten Grund- säge über die Bewilligung von Zuschüssen aus dem Wegebaufonds zur Ausführung von Gemeindewegebauten aufzuheben und der Bezirksverwaltung die Ermächtigung zu ertheilen, die auf Grund der eben gedachten Schlußbestimmung bis jegi zurückbehaltenen Zehntelbeträge der ständischen Zu- \hüsse an die betreffenden Gemeinden auszuzahlen. Sodann wurde der Antrag des Landesausschusses wegen Bildung einer besonderen Rechnungs-Prüfungscommission abgelehnt, und be-

1 ven Undeëauéshuß zu beauftragen, dem näcsten Communal- Landtag ein Statut vorzulegen behufs Errichtung einer Bezirks- commission nah Maßgabe des § 72 der Provinzial-Ordnung zum Zweck der Prüfung der Jahresrechnungen,

9) für dieses Statut folgende Bestimmungen cinzuhalten: a. die Commission soll aus drei Mitgliedern bestehen, welche theils Juri theils finanztenisch gebildet sind; Þ. für jedes Mitglied ift ein Ste vertreter zu wählen; c. die Mitglicder und Stellvertreter dürfen weder dem Communal-Landtag noch dem Landesausshuß an- gehören: d. die Mitglieder und Stellvertreter werden auf eine bestimmte Reibe von Jahren von dem Landtag ge- wählt: e. die Entshädigungen für die Mitglieder werden von dem Communal-Landtag festgestellt; f. die Commission hat das Ergebniß ihrer Prüfung dem Landesaus|chuß zu unterbreiten; g. die Geschäftsordnung der Commission wird von dem Landesaus\chuß fest- ge?eht.

“Dem von dem Landesausshuß entworfenen Reglement, über die Unterbringung hilfsbedürftiger Geistestranfken, Fdioten 2c. in Anstalten auf Grund des Geseßes vom 11. Juli 1891 wurde mit geringen meist redactionellen Aenderungen die Genehmigung ertheilt, ebenso auch dem Antrage des Landes- auss\usses, ie versuchsweise errichtete Landarmenanstalt zu Hadamar nah dem 1. Oktober 1892 fortbestehen zu lassen. Alsdann wurden die Neuwahlen zum Landesausshuß voll- zogen. Zum Vorsißenden des Landesausschusses wurde dur Acclamation der Ober-Bürgermeister Dr. von Jb ell wieder- gewählt und ebenso auch die sämmtlichen ausscheidenden vier Mitglieder des Landesaus\shusses. Von den ausscheidenden vier Stellvertretern wurden die drei noch lebenden wiedergewählt, und an Stelle des vierten, inzwischen verstorbenen, der Bürgermeister Schäfer zu Alpenrod. Nachdem darauf der leßte Gegen- stand der Tagesordnung : Resolution der Wegebaucommisston, über Förderung des Gemeindewegebaues, dur Annahme des von dem Abg. Velde gestellten Antrages, den Landesaus- {uß zu beauftragen, die Frage, mit welchen Mitteln dem Bedürtniß ciner baldigen zweckmäßigen Ausgestaltung des

e bineten fv genügt werden könne, einer näheren Prüfung

zu unterziehen und dem nächsten Communal-Landtag eine Vorlage hierüber zu unterbreiten, zur Erledigung gekommen, wurde der Communal-Landtag durch den \tellvertretenden Landtags- commissar , Regierungs-Präfidenten von Tepper-Las ki mittels nachstehender Ansprache geschlossen:

Meine Herren!

Der Schluß der heutigen Sitzung und der diesmaligen Sißungs- periode des Communal-Landtags bedeutet zugleich den Ablauf Ihrer ersten sechsjährigen Wahlperiode nah Erlaß der Provinzial-Ordnung.

Es würde zu weit führen, wollte ih in diesem Augenblick einen analysirenden Rüblick werfen auf die einzelnen großen Fortschritte und Errungenschaften, welhe der Bezirksverband während diefer D auf allen Gebieten der communalen Selbstverwaltung Ihrer Thätigkeit zu danken hat. Wobl aber glaube ich im Namen der Königlichen Staatsregierung ausfprehen zu dürfen, daß Sie das Ver- trauen und die Hoffnungen, welche die Staatsregierung an das Fort- bestehenlassen der Communal-Landtage der Provinz Hessen-Nassau als selbständiger Verwaltungskörver geknüpft hat, voll gerecht- fertigt haben. Keine der Befürchtungen, welde über das Zusammenschweißen von Vertretungen der verschiedenen territorialen Bestandtheile des Regierungsbezirks mit - zum theil aus- einandergehenden Interessen anfänglich wohl hie und da

ebegt worden sind, haben sich erfüllt und niemals ift, selbst im iderstreit dieser Interessen, der Friede und der collegialishe Geist in ihren Verhandlungen gestört worden. Auch Ihre diesjährigen Ver-

Sri fd li tir M Gia rade mes t

handlungen sind von dem gleichen Geiste getragen gewesen, und die rasche und einbellige Erledigung Ihrer diesmaligen Geschäfte bildet einen shönen Schlußstein der verdienstvollen Thätigkeit während der DOUEINEIAN e E S

Auf Allerhöchsten Befebl {ließe ih hiermit den 26. Communal- Landtag des Regierungsbezirks Wieêëbaden.

Bayern.

München, 8. März. Das Staats-Ministerium des Innern wird, der „Allg. Ztg.“ zufolge, dem Landtag noch in dieser Session einen Geseßentwurf, betreffend die Aus- führung der vom Reichstag jüngst angenommenen Novelle zum Krankenkassengesesß, zugehen asen.

Der Oberst-Stallmeister Graf von Holnstein hat aus Gesundheitsrücksichten seine Entlassung eingereicht.

Sachsen.

Dresden, B. März. Die Erste Kammer nahm dem „Dr. J.“ zufolge ‘Veute den Gesezentwurf über die Statuten der Universität Leipzig mit einer geringen Ab- weihung bei dem Statut über die Allgemeine Wittwen- und Waisenkasse nah der Fassung der Zweiten Kammer an.

: Vaden.

_ Karlsruhe, 26. März. Jn dem Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs schreitet, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, die Besserung stetig fort; zwar war in der vergangenen Nacht der Schlaf dur Husten vielfach unter- brochen, aber der Zuste und die Temperatur sind normal und der fkatarrhalishe Zustand ist in der Lösung begriffen.

Jn der heutigen Sizung der Ersten Kammer wurde der Geseßentwurf über die Pfandrehte für Jnhaberpapiere nah den Beschlüssen der Zweiten Kammer einstimmig an- genommen. Anläßlih der Berathuna über den Antrag des Freiherrn von Hornjtein und Genossen auf Befreiung der landwirthschaftlichen Hilfsgebäude von der Besteuerung wur eder Beschluß der Commission, dieKammer wolle an die Großherzogliche Regierung das Ersuchen richten, die Frage einer Umgesta tung der Ertragssteuern auf Grund von wirklihen Reinertrags- berechnungen und mit Befreiung der landwirthschaftlichen und gewerblichen Hilfsgebäude in Erwägung zu ziehen, einstimmig angenommen.

Oldenburg.

(H.) Oldenburg, 26. März. Zur Feier des heutigen Geburtstags Jhrer Königlichen Hoheit der Großherzogin, an der Stadt und Land in Mens und Anhänglichkeit theilnehmen, haben alle öffentlichen Gebäude und eine große gal von Privathäusern Flaggenschmuck angelegt. Seine Hoheit der Herzog von Sachsen-Altenburg traf gestern Abend zum Besuch am Großherzoglichen Hofe ein.

Sachsen-Coburg-Gotha,

Coburg, 26. März. Seine Hoheit der Herzog hat angeordnet, daß zur Erinnerung an den Tag seiner Ver- mählung vor fünfzig Jahren am 3. Mai d. J. ein öffentlicher Gottesdienst in allen Kirchen und cine Schulfeierlichkeit in allen Schulanstalten der Herzogthümer Coburg und Gotha abgehalten werden joll.

Reuß ä. L.

—+ Greiz, 26. März. _ Seine Durchlaucht der Fürst ist gemäß der von Höchstdemselben bei Eröffnung des legten ordentlichen Landtags ee Absicht, den fünfund- zwanzigsten Jahrestag seines Regierungsantritts außer Landes zu verleben, bereits heute Mittag von hier abgereist.

Oesterreich-Ungarn.

Der Minisier des Auswärtigen Graf Käálnoky ist gestern aus Pest wieder in Wien eingetroffen.

Jn der vorgestrigen Sißzung des böhmischen Land- tags fam es nah der „Presse“ bei der ersten Lesung eines Antrags des Abg. Dr. Herold über die Rechtsverhältnisse der Lehrer zu stürmishen Scenen. Der Abg. Dr. Herold besprach nämlich bei diesem Anlaß auh das Verbot der Comenius- Feier und griff den Unterrichts - Minister in maß- loser Weise an. Auf den Jungczechen - Bänken wurden diesen Angriffen aufs geräuschvollste applaudirt. Der Oberst-Landmarscha ll bezeichnete die Aeußerungen Herold’s als höchst unshicklich. Auch der Abg. Masaryfk griff den Statthalter an und erklärte, Böhmen werde sich nicht be- ruhigen, ehe nicht die kleinlihen Chicanen aufhörten.

Auch im shlesischen Landtage kam am Sonnabend die Comenius - Angelegenheit zur Sprache. Der Landes-Präsident erwiderte auf cine Jnterpellation, er habe die Abhaltung ciner Comentus-Feier am czechischen Privatgymnasium in Troppau nit genehmigt, weil für eine Mittelschule ein entsprechender Anlaß zu einer en Feier niht gegeben erscheine; gegen die Absicht aber, an der Troppauer Lehrer-Bildungsantitali, als an einer pädagogischen Anstalt, einen Schulvortrag zu Ehren Comenius* zu ver- anstalten, werde nichts eingewendet.

Zu dem Verbot der Comenius-Feier für Mähren hat der Minister von Gautsch, der „Köln. Ztg.“ zufolge, erklärt, daß sih gegen die Feier wichtige, in historischen That- sachen begründete Bedenken erhoben hätten, und daß es nichi möglich sei, der Schuljugend die Bedeutung des Comenius a!s Reformator auf dem Gebiet der Pädagogik zu verdeutilichen.

Der tiroler Landtag nahm in seiner vorgestrigen Sizung einstimmig den dringlichen Antrag an, die Regierung aufzufordern, im Fnteresse des tiroler Viehexports nach Ungarn, Deutschland, der Schweiz und Jtalien und zur Verhütung ciner Wiedereinshleppung der Ninderpest die Grenzsperre gegen Rumänien aufrecht zu halten.

Im ungarishen Unterhause wies am Sonnabend der Finanz-Minister Dr. Wekerle in Beantwortung der Interpellation über die Vereinsthaler auf das Uebereinkommen zwischen Oesterreih und Deutschland hin und erklärie, es sei ausgesprochen, daß bei Einziehung von Silber- münzen ungarischer Prägung gelegentlich der Valutaregulirung auch die öjterreichischerseits übernommenen Vereinsthaler bei Vertheilung der Lasten in Betracht kommen würden. Er werde über die Angelegenheit bei der Verhandlung des Finanz- Budgets dem Reichstage Bericht erstatten. Die Antwort des Finanz-Ministers wurde zur Kenntniß genommen.

Großbritannien und Frland.

Der amiliche Schriftwehsel zwishen Groß- britannien und den Vereinigten Staaten wegen der Beringsmeerfrage, einschließlich der zwischen dem 8. Fe- bruar und dem 26. März dieses Jahres ausgetauschten

Depeschen, ift, laut Meldung des „W. T. B.“, gestern in London veröffentlicht worden. Jn der leßten darin enthaltenen vom 26. d. M. datirten Depesche erklärt der Marquis von Salisbury: er werde einem ähnlichen modns vivendi wie dem im vorigen Jahre vereinbarten ustimmen, nachdem der zwishen Großbritannien und en Vereinigten Staaten hinsichtlich der schiedsrichterlichen Entscheidung der Beringsmeerfrage vereinbarte Vertrag rati- ficirt sei, und wenn die Vereinigten Staaten sih bereit erklä- ren würden, die Frage des den Rg Ie oder amerikanischen Fischern durch das Fischereiverbot zugefügten Schadens einer schiedsrihterlichen Entscheidung zu unterwerfen. Jy- guihen seien die __ englischen Fischer benachrihtigt worden sie nur auf ihre eigene Gefahr hin die Fischerei betreiben fönnten. Nach dem ebenfalls gestern veröffentlichten Vertrage über die schiedsrichterlihe Entscheidung der Berings- meerfrage wird das Schiedsgericht aus sieben Mitgliedern bestehen, von denen je zwei von England und den Vereinigten Staaten, die drei anderen dur den Präsidenten der Fran- zösischen Republik, den König von Jtalien und den König

pon Schwedenund Norwegen ernannt werden. Das Schiedsgericht

wird in Paris zusammentreten.

Die Arbeitscommission schreitet in der Erledigung ihres Werks rüstig vorwärts. Wie die „Daily News“ ver- nimmt, ist der Ausschuß A mit der Untersuhung der Lage des Bergbaus und der Bergleute nahezu fertig, desgleichen der Ausschuß B mit seinen Erhebungen über die Schiffsindustrie. Auch der Ausschuß C, welchem mit der Textilindustrie der Hauptantheil an der Arbeit zugefallen, hat die Berathungen in gedeihliher Weise gefördert.

Frankreich.

In der Sitzung des Senats vom 25. d. M. brachte der Senator Fresneau eine Interpellation ein über die Errichtung eines Lehrstuhls für Positivismus am Collège de France und legte, der „Köln. Ztg.“ zufolge, dar, daß aus offentlichen Mitteln eine Richtung nicht unterstüßt werden dürfe, die sich im Gegensaß zu den Bestrebungen der großen Mehrzahl der Franzosen befinde. Der Unter- rihts - Minister erklärte, der Lehrstuhl, von dem Fresneau spreche, sei für die allgemeine Geschichte der Wissenschaften bestimmt und von dem objectiven Gelehrten Lafitte eingenommen. Das Collège de France sei eine vom Staat gegründete Anstalt zur Erforshung aller wissenschaft- lihen Wahrheiten. Der Senat nahm darauf die einfache Tagesordnung an.

Die Deputirtenkammer nahm, wie „W. T. B.“ be- rihtet, am Sonnabend den Geseßentwurf an, wodur die Conventionen und das Uebereinkommen des Welt- postvereins, die am 4. Juli 1891 in Wien abgeschlossen wurden, genehmigt werden. Bei der Berathung der Jnter- pellation über die jüngst vorgekommenen Tumulte in der Kirche St. Merry während der Predigt eines Priesters, gegen die mehrere in der Kirche anwesende Socialisten laut protestirt hatten (siehe Nr. 74 des „R.- u. St.-A.“ vom 2. d. M.), nahm der an Stelle des ver- storbenen Bischofs Freppel gewählte Msgr. d’ Hulst für den Priester das Recht, Predigten zu halten, in Anspru. Die Katholiken könnten wohl die Republik anerkennen, eine revolutionäre Doctrin aber niht annehmen. Der Minister- Präsident Loubet erklärte P die Regierung werde nicht zulassen, daß die Kanzel zu einer politischen Redner- tribüne umgewandelt werde. Sollten die Geseze nicht aus- reichen, so werde die Regierung die Kirche schließen lassen. Ueber eine Predigt eines irishen Jesuiten, welcher über die Armee beleidigende Aeußerungen gethan hatte, befragt, erwiderte Loubet , der betreffende Prediger werde ausgewiesen werden. Schließlih wurde eine Tagesordnung, welche die Erklärung der Regierung billigt und die leßtere auffordert, die Geistlichkeit zur Beobachtung der Gesetze der Republik zu verpflichten, mit 354 gegen 116 Stimmen angenommen.

Die mit der Prüfung des Gesezentwurfs über die Be- strafung von Dynamit-Attentaten betraute Commission hat beschlossen, cine Bestimmung aufzunehmen, wonach das Niederlegen von Explosivstoffen auf öffentlichen Wegen mit dem Tode bestraft werden soll.

Nach einem der „Magd. Ztg.“ zugegangenen Telegramm hat der Minister des Jnnern Loubet am Sonnabend den 2 zur Ausweisung von 47 fremden Anarchisten unter- zeichnet.

Gestern Vormittag hat, wie „W. T. B.“ meldet, inPar is in dem Hause Rue Clihy 39, das der General-Pro- curator Bulloz bewohnt, der die Voruntersuchung gegen die Anarchisten von Lavallois leitet, eine Dyna- miterplosion stattgefunden. Die angerichteten Verheerungen sind bei weitem größer als die der vorangegangenen Explosionen. Das, Haus ist bis auf die vier Mauern zerstöri worden. * Die Treppe ist bis zum fünften Stockwerk zertrümmert. Das eiserne Gitter an der Rampe des Hauses is} verbogen, der Treppenflur eingestürzt und ver- wüstei, in allen inneren Räumen find die Thüren und Fenster aus den Angeln gerissen, die Bekleidung der Wände ist zerfebt, die Móbeleinrichtung zerstört. Auch die Fensterscheiben und Läden der benachbarten Häuser sind gesprengt. Die Explosion wurde, wie sih herausgestellt hat, hervorgerufen durch eine 3 bis 5 kg Dynamit fassende zerbrochene Schachtel, dic in drei bis vier Kapseln Zündpulver enthielt. Dieîe Kapseln waren dur eine Zündschnur verbunden. Kein Siüd des Sprengwerkzeuges wurde wieder aufgefunden. Die Zahl der Verleßten beträgt insgesammt sechs, darunter eine Frau, die schwere Verlezungen davongetragen hat. Getödtet wurde niemand. Der Urheber des Attentats soll entflohen sein. Ein junger Mann, der im Augenblick der Explosion an dem Hause vorübergegangen is, will einen Menschen gesehen haben, der eilig das Haus verließ und dabei äußerte, es sei unnöthig, die Feuerwehr zu holen, es handle sich nur um einen Scherz. Die Explosion hat in der Stadt außerordentliche Erregung hervorgerufen. Die Gerichts- behörden sind am Thatorte 1n Thätigkeit, wohin sich auch die Minister Loubet und Ricard begeben A Die Polizei ist der Meinung, daß es sich’ um einen Racheact der Anarchisten

egen den General-Procurator Bulloz handle, und daß Ravachol, der das frühere Attentat beging, auch der Urheber dieser ien a :

Auf einem Fenster des Gendarmeriegebäudes zu Jvry bei Varis wurde ein Rohr gefunden, das mit einem halb verbrannten Zünder verschen war. Das Rohr enthielt heftig wirkende Explosivstoffe.

Die große Beunruhigung der Bevölkerung- welche durch die leßten Explosionen hervorgerufen ist, findet

ihren Ausdruck in den Blätten, die durhweg constatiren, daß

die Situation eine sehr ernste sei. Viele tadeln die Regierung und die Polizei wegen Mangels an einer energischen zielbewußten Action. Das „Jour- nal des Débats“ verlangt vor allem eine ent- schiedene Unterdrückung der anarchistishen Propaganda, die nicht genug überwacht sei. Die Organe der conservativen Partei greifen das Ministerium auf das heftigste an, das gegen arme Priester die Strenge der Geseße handhabe, die Elemente der Unordnung jedoch ermuthige. Andere Journale sprehen ihre Befürchtung wegen des I. Mai aus und hegen die Besorgniß, die Einshüchterungen seitens der narchisten könnten den von leßteren beab- sihtigten Erfolg haben; mehrere Hausbesiger Jen bereits dem Richterstande. ner gen Miethsparteien gekündigt unter Hinweis auf die jüngsten Attentate. Eine An ahl von De- putirten beabsichtigt, einen rag einzubringen, na

welchem der Staat für die "ea olche Ex plosionen

verursahten materiellen S äden aufzukommen

abe. / Eine gestern Abend in der” Kirche zu Belleville zwischen zwei Predigern stattgehabte olemite Conferenz hat neuerdings zu Unordnungen und Ausschreitungen Anlaß geboten. Die Socialisten und Anarchisten brachten Hochrufe auf die Commune aus und riefen: „Nieder mit den Jesuiten!“: die Gläubigen erwiderten mit reli- giósen Gesängen. Jnfolge des Tumults sah sich die Polizei zum Einschreiten genöthigt, doh gelang es ihr nur \hwer, die Ordnung wieder herzustellen. Die Ausschreitungen wurden außerhalb der Kirche noch einige Zeit fortgeseßt.

Nukß:land und Polen.

Infolge der Erkrankung des Präsidenten des Minister- comités, Bunge ist der Vorsiß im Comité dem Minister für Volksaufklärung Deljanow übertragen worden.

Jn der katholischen Kirche zu St. Petersburg hat, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern die feierlihe Bekleidung des neuernannten bishöflihen Primas, Metropoliten K 08- lowsfy mit dem Pallium fstattgefunden. Der Primas leistete den Eid der Treue für den Kaiser in russisher Sprache. Gleichzeitig fand die Weihe des Prälaten Symon zum Bischof statt.

Ftalien.

Die Deputirtenkammer hat in ihrer Sonnabend- sizung die Berathung der Ia erge troz aller Obstructionsversuche der Linken zu Ende geführt und ¡ie Vorlagein geheimer Abstimmung mit 175 gegen 20 Stimmen angenom- men. Ueber den Verlauf der Eapung wird dem „W. T. B.“ berichtet: Bei Fortsezung der Berathung der Vorlage ver- langte der Deputirte Zanolini von der Linken, daß die Sißung wegen der vorgerücten Stunde auf Sonntag vertagt werde (Rufe: „Nein !“). Die Kammer, vom Präsidenten befragt, beshloß darauf die Fortseßung der Verhandlung. Unter großem Lärm des Hauses verzichtete Zanolini auf das Wort, Zanar- delli aber erklärte, nahdem die Majorität Zanolini ver- hindert habe, seine Rede zu verschieben, werde fh die Oppo- sition der Abstimmung enthalten. Nachdem hierauf Crispi, Lanardelli und mehrere Deputirte der äußersten Linken den Saal verlassen hatten, erfolgte die geheime Abstimmung mit dem oben gemeldeten Resultat.

Die Königin von Sachsen traf, dem „W. T. B Zu folge, am Sonnabend früh in Mailand ein und reiste nah furzem Aufenthalt von dort nah Mentone weiter.

Spanien.

Jn einem gestern abgehaltenen Ministerrath wurde, wie man dem „W. T. B.“ aus Madrid meldet, das Ausg abe- budget endgültig festgestellt. Das Budget veranschlagt die herbeizuführenden Ersparnisse auf 12 Millionen Pesetas.

Schweiz.

Die spanische Regierung hat, wie der Berner „Bund“ mittheilt, zur Führung der Handelsvertirags-Unter- handlungen mit der Schweiz als Delegirte be- zeichnet: den Unter-Staatssecretär im Finanz-Ministerium J, Navarro Reverter als Präsidenten, den Minister: Resi- denten Dupuy de Lome als Vertreter des Ministeriums des Auswärtigen und Julian Castedo, Chef der Ad- ministration in der General - Zolldirection, als Ver- treter des Finanz-Ministeriums. Der Bundesrath hat zu Delegirten ernannt: den früheren Bundes-Präsidenten Welti, den General-Konsul Lardet in Madrid und den Großrath Gema S in St. Gallen. Die Delegirten werden sich nach Madrid begeben, wo die Unterhandlungen nächstens eröffnet werden sollen.

In den italienisch-\{chweizerischen Handels ver-

trags-Unterhandlungen ist, wie man der „Frff. Ztg.“ aus Bern meldet, eine Verständigung erzielt über Wein, Süd- rüchte, Gemüse, Vieh und alle übrigen italienishen Producte von Bedeutung. Der Bundesrath sei seinerseits zu Concessionen geneigt für frishe Trauben, Reis, Wermuth und kleinere Schweine. Er verlange aber, daß über diese und andere Punkte in Anbetracht ihres technishen Charakters in Zürich contradictorishe Unterhandlungen stattfänden. Jtalien fordere dagegen, daß die Schweiz unverzüglih und ohne Discussion die Zalienishen Forderungen gutheiße.

___ Der Abschluß der eidgenössishen Staatsrechnung für das Jahr 1891 weist folgende Hauptziffern auf: 69 041 927 Frs. Einnahmen und 73012038 Frs. Ausgaben, also 3970 111 Frs. mehr an Ausgaben. Unter Abzug des Einnahme-Ucberschusses von 1890 verbleibt noch ein Mehr an Ausgaben für 1891 von 3037 241 Frs.

Serbien.

In der vorgestrigen Sizung der Skupschtina wurde der „Wien. Ztg.“ zufolge der neue Zolitarif, nachdem der Minister-Präsident Pafics ihn befürwortet hatte, ohne weitere Debatte in erster Lesung angenommen. Die gleiche Erledigung fand der Geseßentwurf über die Zulassung fremder Versicherungs-Gesellschaften. : v

__ Sämmtliche Blätter, mit Ausnahme des „Odjek“, sprechen die Ueberzeugung aus, daß mit der in der Skupschtina er- folgten Beseitigung der Jnterpellation Masics wegen des dem Mini L er-Präsidenten PVasics vorgeworfenen Hoch- und Landesverraths wagen des serbisch - bulgarischen Krieges im Jahre 188 diese Angelegenheit keineswegs als ab- gethan zu betrachten sei.

Afien.' Der Emir von Afghanistan hat seine geplante Reise nah England zwar noch nicht angetreten, jedoch inzwischen

ein eigenhändiges Condolenzshreiben an die Königin Victoria anläßlih des Todes des Herzogs von Clarence und Avondale gerichtet. Der Brief and sih, wie die „A. C.“ mittheilt, in einem Etui aus reinem Golde und wurde mit großem Pomp von Kabul nah Peshawur und von dort über Kalkutta nah London gesandt.

Parlamentarische Nachrichten.

Jn der heutigen (205.) Sißung des Reichstags, welcher die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Malgzahn, Freiherr von Ma -schall und Hollmann so- wie der Königlich preußishe Kriegs-Minister von Kalten- born beiwohnten, eigte der Präsident von Leveßow den Ein- gang einer Vorlage, betr. die Vergütung des Cacao-Zolls

ei der Ausfuhr von Cacao-Fabrikaten, an.

Bei der ersten Berathung des Nachtrags-Etats, der zunächst 9 643 000 K für den Ausbau strategisher Eisen- bahnen verlangt, erklärten sich alle Redner, die Abgg. Dr. Hammacher (nl.), Hahn (cons.), Dr. Orterer (Centr.), von Kardorff Cp e Hinze (dfr.) für die Ver- weisung der Vorlage an die udgetcommission, welcher der Königlich preußische Kriegs-Minister von Kaltenborn und der Staatssecretär Dr. von Boetticher alle Gründe für das Bedürfniß dieser Vorlage im Jnteresse der Landesvertheidigung und ihr Einbringen noch am Ende der Tagung nachzuweisen sich bereit erklärten.

Die Verweisung an die Budgetcommission wurde nahezu einstimmig beschlossen.

Alsdann wurden in Fortsezung der dritten Berathung des Reihshaushalts-Etats für 1892/93 die Etats für den Reichstag, den Reichskanzler und die Rei chs- fanzlei ohne Besprehung unverändert genchmigt.3

Beim Etat des Auswärtigen Amts gab der Staatssecretär Freiherr von Marschall auf eine Anfrage des Abg. Dr. von Marquardsen (nl.) die Erklärung ab, daß das Aus- wärtige Amt die deutschen Delegirten, welhe die deutschen Besißer portugiesisher Staatsanleihen ver- träten, nahdrücklich in ihren Ansprüchen unterstüßte, und daß die portugiesische Regierung das ernstlihe Bemühen zeige, die entstandenen Schwierigkeiten möglichst zu über- winden. Ein billiger Ausgleich sei zu hoffen, doch werde es ohne Verluste niht abgehen und das deutshe Publikum eine Mahnung zur Vorsicht bei der Anlage seines Kapitals in ausländishen Werthpapieren erhalten.

Auf eine weitere Anfrage des Abg. Grafen von Kanißt (cons.) erwiderte der Staatssecretär, daß das Verzeichniß der meistbegünstigten Staaten seit Abshluß der Handels- verträge einer Revision unterworfen, Rumänien und Portugal aus ihnen gestrichen seien, und daß der Bundesrath von der ihm bis zum 1. Dezember d. J. ertheilten Vollmacht, die Vortheile der neuen, Handelsverträge gegen angemessene Gegenleistung zu gewähren, Gebrauch machen werde.

Hieran fnüpfte sich cine sehr eingehende Besprehung, an der sich die Abgg. Graf von Kaniß (cons.), Dr. Barth (dfr.), Broemel (dfr.), Moeller (nl.) betheiligten. (Schluß des Blattes.)

Jn der heutigen (7.) Sißung des Herrenhauses, an der der Präsident des Staats-Ministeriums Graf zu Eulen- burg, der Vice - Präsident des Staats - Ministeriums Dr. von Boetticher, der Minister des Jnnern Herr- furth, der Justiz-Minister Dr. von Schelling, der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Bex kepi ch, der Finanz-Minister Dr. Miquel, der Minister für Land- wirthschaft 2c. von Heyden, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen und der Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse theilnahmen, ergriff vor Eintritt in die Tagesordnung der Präsident des Staats- Ministeriums Graf zu Eulenburg das Wort und gab die- selbe Erklärung namens des Staats-Ministeriums ab wie im Hause der Abgeordneten. (Siehe unten.)

Auf der Ag stand zunächst die einmalige Schlußberathung der Denkschrift über die Ausführung des Gesezes vom 2W. April 1886, betreffend die Be- förderung deutscher Ansiedlungen in Den Po vinzen Westpreußen und Posen für das Jahr 1891, über die Herr von Graß berichtete, der ausführte, daß in den zahlreihen Angeboten von Gütercomplexen, die der Com- mission zum Ankauf gemacht würden, der Beweis dafür liege, daß die Landwirthshaft im Nordosten Preußens sih in einer schlechten Lage befinde. Er hob hervor, daß der Ansiedlungs- commission aus der Uebernahme der zwischenzeitlihen Ver- waltung eine große Last erwachsen sei. Sein Antrag ging dahin, die Denkschrift in Uebereinstimmung mit dem Ab- geordnetenhaus durch Kenntnißnahme für erledigt zu crflären. (Schluß des Blattes.)

In der heutigen (42.) Sigung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Präsident des Staats-Ministeriums Graf zu Eulenburg, der Minister des Jnnern Herrfurth, der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Ber- leps\ch, der Finanz-Minister Dr. Miquel, der Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden und der Minister der geistlichen u. f. w. Angelegenheiten Dr. Bosse beiwohnten, erklärte vor Eintritt in die Tagesordnun

Minister - Sag raf zu Eulenburg: Meine Herren! Der Mittheilung, welche Jhnen über Personal- veränderungen im Staats - Ministeriuum zugegangen ist, möchte ih Folgendes hinzufügen: Die Vereinigung der Aemter des Reichskanzlers und des Präsidenten des preußischen Staats - Ministeriums bringt, wie nicht erst in neuerer Zeit bekannt geworden ist, ein Maß von Arbeit und Verantwortung mit sih, welches die Kräfte auch des Leiningen Mannes vorzeitig aufzureiben geeignet ist. O fommt, daß die Stellung des Reichskanzlers eine freiere wird, wenn dieselbe von Zwischenfällen unabhängig wird, welche allein preußische Angelegenheiten betreffen. Wenn vifje Erwä- gungen dazu geführt haben, das Amt des Reichskanzlers von dem des Minister-Präsidenten zu trennen, so ist dadurch, daß der Reichskanzler Minifter der auswärtigen An- gelegenheiten und Mitglied des preußischen Staats- Ministeriums bleibt, Fürsorge getroffen, daß die einheitliche Leitung der auswärtigen ngelegenheiten und das bisherige gegenseitige Verhältniß des Reichs und Preußens nicht beein- trächtigt wird. Was sodann den Jhnen R Gesetz- entwurf über die Volksschule ogen [e hat die Erörterung im Hause und im Lande scharfe Gegensäße hervortreten lassen, welche sich bisher unvermiitelt gegenüberstehen. Auch die

Berathungen Jhrer Commission haben zu ciner Verständigung niht geführt (Widerspruh rechts und im Centrum), und die Aussicht, daß sich eine solche werde erreichen lassen, mes G Da unter diesen Umständen ein befriedigendes Ergebniß nicht zu erwarten ist (Widerspruch rechts und im Centrum), verzichtet die Königliche Staatsregierung auf die Fortsezung der Berathung des Geseßentwurfs (lebhafter Beifall links, Zischen rets), und behält es der weiteren Erwägung vor, wann und in welcher Weise innerhalb des durch die Verfassung gege e. Rahmens auf die Angelegenheit zurüc{zukommen jein wird. (Beifall links, Zischen rets.) L Ÿ

Abg. Rickert (dfr.) erklärte zur Geschäftsordnung, daß er sofort um das Wort gebeten habe, um auf die Rede des Minister-Präsidenten zu antworten; der Präsident habe ihm niht das Wort ertheilt. Er behalte sich deshalb vor, bei nächster Gelegenheit auf die Rede zurückzukommen. :

In dritter BLra tuns wurde der Geseßentwurf zur Ergänzung der Geseze, etreffend das Ruhegehalt der emeritirten Geistlihen yom 15. März 1880, und betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Geistlichen der evangelischen Landes- firhe in den neun älteren Provinzen der Monarchie vom 15. Juli 1889, angenommen. :

Der Gesegentwurf, betreffend die äußere Heilighal- tung der Sonn- und Festtage in den Provinzen Schleswig-Holstein, Hannover und Hessen-Nasjsau sowie in den Hohenzollernschen Landen, wurde nach kurzer Debatte, an der sich die Abgg: Im Walle (Centr.), Sack (cons.), Fráncke- Tondern (nl.), Hansen Ge UnD von Rauch haupt (cons.), sowie der Minister für Han! el und Gewerbe Freiherr von Berleps\ch betheiligten, in erster und zweiter Berathung angenommen.

Ohne Debatte wurde in erster und zweiter Berathung der Geseßentwurf, betreffend die Aufhebung älterer in der Provinz Hessen-Nassau geltender geseßlicher Be- stimmungen über die Untersuchung des Schlacht- viehs und die Ausstellung von Viehgesundheits- scheinen, angenommen.

Der Gesetzentwurf, betreffend die Entschädigung für an Milzbrand gefallene Thiere wurde nah furzer Debatte, an der sih die Abgg. Freiherr von Erffa (cons.), Knebel (nk.), Dr. Osftrop (Centr.), Sombart (nl.), Dr. Gerlich (freicons.) und von Schalsha (Centr.) betheiligten, unter Ablehnung eines Antrages des Abg. Knebel, die zweite Berathung von der Tagesordnung abzuseßen, in erster und zweiter Berathung angenommen.

Es folgte der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Auf- hebung der Befreiung von ordentlichen Personal- steuern gegen Entschädigung.

Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Centr.) wünschte eine nähere Prüfung über die Höhe der vorgeschlagenen Ent- shädigung und beantragte deshalb die Ueberweisung der Vor- lage an eine Commission von 21 Mitgliedern.

Abg. Nickert (dfr.) erkannte einen Rechtsanspruh der Neichsunmittelbaren auf Steuerfreiheit niht an und sprach ih daher gegen die Vorlage aus.

General-Steuer-Director Burchart erklärte, daß das neue Einkommensteuergesez das Recht auf Entschädigung für Aufhebung der Steuerfreiheit anerkannt habe. Ueber die Be- messung der Entschädigung werde in der Commission genauer Aufschluß gegeben werden. ,

Die Abgg. von Rauchhaupt (cons.) und von Tiede- mann-Bomf\t (freicons.) meinten, daß es sih hier um wohl- erworbene Rechte handle, waren mit der Lag Ent- schädigung einverstanden und beantragten die Ueberweisung an die Budgetcommission.

Nachdem sich auch Abg. Dr. Friedberg (nl.) für Com- missionsberathung ausgesprochen hatte, wurde die Vorlage an die Budgetcommission überwiesen.

Schluß 11/2 Uhr.

Beim Reichstag is folgender Antrag der Abgeordneten des Centrums Gröber, Letocha und Gen. eingegangen: Der Reichstag wolle beschließen : an Stelle des von den Abgg. Dr. Pieschel und Gen. beantragten Gesetzes, betreffend Aufführung der justificiren- den Cabineté-Ordres in den Bemerkungen des Rechnungshofes des Deutschen Reichs zu den allgemeinen Rechnungen über den Reich®- haushalt, dem nachstehenden Gesetzentwurf die verfafsungsmäßige Zu- stimmung zu ertheilen:

Die Bestimmungen des Gesetzes vom 4. Januar 1892 (Reichs- Geseßbl. S. 1) erbalten folgenden Zusatz: In den Bemerkungen des Rechnungshofs des Deutschen Reichs zu der allgemeinen Rechnung über den Jahreshaushalt sind die im Gnadenweg ergangenen Erlafse, auf Grund deren Beträge verausgabt oder in Ausgabe belassen oder zu vereinnahmende Beträge niedergeschlagen worden find, dem Neichs- tag zur Kenntniß zu bringen. Hiervon ausgenommen sind diejenigen Erlasse, welche si auf den Dispositionsfonds des Kaisers zu Gnaden- bewilligungen aller Art oder auf die für Gnadenbewilligungen beson- derer Árt bestimmten Etatstitel beziehen und cine Etatsüberschreitung nit enthalten.

Die Reichstagscommission zur Vorberathung des Gesetz- entwurfs über die Bestrafung des Sklavenhandels hat heute den von der Regierung vorgelegten Entwurf unverändert ange- nommen, jedoch folgenden § 6 angefügt: „Dieses Geseß tritt mit dem Tage seiner Verkündigung in Kraft und gilt bis 1. Oktober 1895.“ Zuglei wurde folgende Nes olution angenommen: „Den Reichskanzler zu ersuchen, innerhalb der _im § 6 bestimmten Frist Vorsorge zu treffen, daß in den deutshen Schutgebieten die gesammte, die Sklaverei betreffende Materie geseßlih geregelt werde.“

Dem Hause der Abgeordneten ist beute die Secundär- bahnvorlage zugegangen.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die Bestimmung der §8 971, 972 des Preuß. Allg. L.-R. 1, 11, daß bei unbeweglichen Sachen der Werkmeister in Ansehung der darin verwendeten Materialien und Arbeiten ein Vorrecht hat, welches er auf die Sache auch ohne die Einwirkung des Schuldners eintragen lassen kann, findet, nah einem in Uebereinstimmung mit einem früheren Urtheil vom 13. Februar 1890 ergangenen Urtheil des Reichsgerihts, VI. Civilsenats, vom 21. Dezember 1891, auch auf die Forderung eines Werkmeisters aus der Anfertigung von Materialien ffir einen Bau Anwendung, felbst wenn das Verbauen dieser Materialien von ihm niht übernommen worden ist.

Theater und Musik.

Königliches S auspielhaus.

Die erste Hes des fün engen Dramas „Cromwell“ brachte dem Verfasser, Herrn Eduard Tempeltey, einen ziemlich starken, wenn au zum Schluß kräftig bestrittenen Erfolg ein; er

mußte fast nah jedem Aufzuge dankend vor der Gardine erscheinen.