1892 / 76 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 28 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Theil der Kosten übernehmen. Im Laufe der Zeit hat sich nun herausgestellt, daß der Antheil, den der Staat übernommen hat, ein zu Gunsten dieser Städte verhältnißmäßig zu großer is; und dieser ganze Geseßentwurf hat weiter keine Bedeutung, als hier die entsprechende Ausgleichung zu machen. Einer der Herren Redner hat gesagt, der jeßige Zustand beruhe ja {hon auf einer langen historischen Entwickelung, Nun diese ist doch nit so alt; ihre Entstehung is noch in vieler Gedächtniß, sie beruht auf dem Geseß von 1850. Also von einer historish eingewurzelten Thatsache kann hier noch nicht die Rede sein. Wohl aber hat die Erfahrung gelehrt, daß auch in den übrigen Städten, bei welchen der Staat keine Kosten übernimmt, fondern die gesammten Kosten den Städten überläßt, die Polizeikosten in so erheblißhem Maße ge- stiegen sind, insbesondere durch die Vermehrung der perfonellen Kosten, daß nun eine große Ungleichheit mit den Städten mit Königlicher Polizeiverwaltung besteht, in welchen der Staat die gesammten per- sönlichen Kosten allein trug und die Stadt die sachlichen, daß man hier zu einer Ausgleichung schreiten mußte. Wie wird nun die Aus- gleihung bewirkt? So, daß diese Städte, die hier so {recklich neu belastet werden sollen, um etwa 41 4 pro Kopf noch immer günstiger stehen werden, als diejenigen Städte, die die Polizei ganz auf eigene Kosten zu erhalten haben.

Meine hochverehrten Herren, diesen einfahen Gedanken bitte ih festzuhalten, cer widerlegt alle Deductionen von Unbilligkeit und Un- gerechtigkeit, und zwar um fo mehr, als der Staat bei Auflegung von Lasten immer nach der Leistungsfähigkeit sfih rihten muß, und ih meine, daß diese großen Mittelstädte, für die hier hauptsächlih plädirt wird, trotz der großen und leider wahsenden Concurrenz, die Berlin ihnen macht, im großen und ganzen leistungsfähiger sind als die kleinen Landstädte, die die Polizeikosten allein tragen müssen. Jch meine, sieht man sich die Sache aus diesem allgemeinen Gesichtspunkte an, fo fann man wirklich niht behaupten, daß der Staat hier un- gerecht vorgeht, daß eine gegensäßlihe interessirte Vertretung des platten Landes diesen großen Städten gegenüber stattfände. Diese Ansicht habe ih vertreten, als ich noch Ober-Bürgermeister war, wie ih sie heute vertrete. Nun steht die Sache aber so, daß jene Herren es so darstellen, daß man den Städten eine gewisse capitis deminutio bereitete, indem man ihnen einen Theil der Selbstverwaltung, die ihnen eigentlich gehöre, entzogen hätte, und die finanzielle Begünstigung erscheint somit als eine baare Entschädigung für den ideellen Nachtheil, der diesen Städten durch die Entziehung der vollen Königlichen Polizeigewalt zugefügt ift. Ich babe {hon gesagt, die Königlihe Staatsregierung geht damit um, die Wohlfahrtspolizei diesen Städten zu übertragen, also diese capitis deminutio, wie die Herren fich ausdrücken, zu vermindern und nur die Sicherheitspolizci im wesentlihen in der Hand des Staats zu behalten, also der Zustand der Städte wird ja an der Hand dieses Gesetzes besser, niht {lechter. Ich bin voll- ständig überzeugt, daß, wenn den hier in Frage stehenden mittleren und größeren Städten, die bisher eine volle selbständige Polizei nicht zehabt haben, die Frage vorgelegt wird, ob sie bereit sind, auch die Sicherheitspolizei zu übernehmen, so werden sie es ablehnen, felbst wenn sie eincn finanziellen Vortheil davon hätten, aber sie würden es erst recht ablehnen, wenn ihnen nun die Sicherheitspolizei würde übertragen werden und unter denselben Be- dingungen, unter denen sie alle übrigen Städte übernommen haben, unter Uebernahme der vollen Kosten. Jh möchte die Herren fragen, 9b sie bereit seien, die gesammte Polizei zu übernehmen gegen Ueber- ahme aller Kosten? (Zuruf: Ja wohl!) Ich glaube nicht, daß viele Städte gefunden werden, die diefe Uebernahme beschließen würden. Sollte ih mich aber irren, so sind doch die Städte keine [ouveränen Körper. So sehr ih ein Freund der Selbstverwaltung hin, insbesondere der städtishen Verwaltung, so können doch folche Fragen nicht allein nah den localen und finanziellen Interessen der ‘inzelnen Städte entshieden werden, fondern dafür find die großen Staatsinteressen maßgebend. Ih möchte wissen, wohin es führen sollte in den Grenzstädten, wo die Königliche Polizei weit hinaus ‘reift über das Weichbild der Stadt, wenn da dem Staat die ganze Zicherheitspolizei aus der Hand genommen würde. Ebenso ‘inseitig ist es ja, wenn die Herren sagen: was geht uns die Verbesserung der Gendarmerie an, eine Verbesserung der Polizei auf dem Lande kann uns ja gleichgültig sein, wir haben unsere cigene Polizei genügend gut eingerihtet. Meine Herren, ob auf dem Lande ‘ine gut organisirte Armenverwaltung besteht, ist für die Städte von ver größten Bedeutung, und ob die gesammte Sicherheit in dem ganzen aImfkreis um die Stadt durch eine gute Gendarmerie auf dem Lande ¡ewährleistct wird, ist für die Städte ein ganz ungemeines Interesse.

Wenn nun weiter darauf hingewiesen wird, die Bestim- mung in Absaß 2 wäre verleßzend für die Städte, weil hier über ie Art der Verwendung eine Bestimmung getroffen ift, so ist das auch nicht ganz zutreffend, selbs nicht nach dem Wortlaut des Paragraphen. Denn es heißt hier ausdrücklih: Ueber die Verwen- dung der Beträge wird durch den Staatshaushalt alljährlich Bestim- mung getroffen. Sollte sich daher herausstellen, daß eine Vermehrung der Gendarmerie, wie sie in Aussicht ge- nommen ist, nicht nöthig ist, so sind wir dur diesen Paragraphen durchaus nicht gebunden, denn entscheidend ift der Inhalt des Staatshaushalts. Das kann doch gar nicht bestritten werden und geht aus der Petition der kleinen \{lesishen Städte doch deutlih genug hervor, daß sie ganz damit zufrieden sind, wenn ihre locale Polizei dur die staatlihe Gendarmerie unterstüßt wird, und daß das selbst den Kosten der einen eigenen Stadtkreis bildenden Städte zu gute fommt, wenn in den Vororten die Gendarmerie mitwirkt, das kann gar feinem Zweifel unterliegen. Wie dies also verleßend sein kann für die betreffenden Städte, ist mir durchaus nicht ersichtlih. Ich bin überzeugt, es kommt den Städten allerdings zu gute.

“Nun haben die Herren, sowohl der Herr Ober-Bürger- meister Becker als der Herr Ober - Bürgermeister von Bres- sau, sich namentlich darauf bezogen, daß die Gesammt- fosten der Polizeiverwaltung in denjenigen Städten, welche Königliche Polizeipräsidien haben, dadurch, wenn auch ohne zahlenmäßige Berehnungsmöglichkeit, größer würden, weil fie zu allerhand Ein- richtungen von der Königlichen Polizeiverwaltung gedrängt würden. Auf welchen Gebieten der Polizei findet denn angebli dieses Drängen statt? Nicht auf dem Gebiet der reinen Sicherheitspolizei da hat ja der Staat die Entscheidung allein —, fondern wesentlich auf dem Gebiet derjenigen Verwaltungszweige, die unmittelbar auch nah meiner Auffassung in cinem fast untrennbaren

Zusammenhang mit der Wokhlfahrtspolizei stehen; auf dem Gebiet der Gesundheitspolizei, der Baupolizei, der Gewerbepolizei, da mag dies Drängen bestehen und da soll ja gerade dur dies Geseß Wandel ge- schaffen werden, da wollen wir ja gerade den Städten zu Hilfe fommen, da erkennt die Staatsregierung vielleiht zum ersten Mal an, daß diese Zweige naturgemäß zu der Selbstverwaltung der Städte gehören. Also auch nah dieser Richtung hin, glaube i, kommt dieses Geseß den Städten grade zu gute.

Ich möchte daher dringend bitten, lassen wir uns nicht irre machen durch diese allerdings schr sahkundigen und beredten Dar- stellungen, sondern sehen wir uns den Kernpunkt des ganzen Gesetzes an und nehmen wir die Regierungsvorlage an, so wie sie liegt! (Bravo !)

Minister des Königlichen Hauses von Wedell: Mit den Klagen der großen Städte stehe im eigenthümlihen Widerspruch die neue Veranlagung zur Einkommensteuer, die namentlich in Berlin ein erheblihes Mehr ergeben habe. Darin liege ein ausreihender Ersatz für die angeblihen Mehrbelastungen. Daß die Verwendung von Gendarmen in den Städten zu Mißständen führe, glaube er niht ; solhe Verhältnisse beständen hon mehrfach. In Magdeburg sei das Nachtwachtwesen gut organisirt; es würden dort auch wohl die meisten Nachtwächter in den Staatsdienst übernommen werden fönnen. Er müsse beinahe annehmen, daß der Ober-Bürgermeister Becker die Annahme der Vorlage wünsche, denn sonst könne er, wenn sie abgelehnt werde, nachher bedauern, daß sie heute nicht angenommen sei, denn die gg glaube er, würden sih in nächster Zeit Pet Er bitte den Finanz-Minister, in diesem Qu nicht zu paren. Der Antrag des Ober-Bürgermeisters Becker würde dem o eas keine Besserung, sondern eine Mehrbelastung von 86 000 M ringen.

Ober-Bürgermeister Becker bestreitet die leßte Behauptung des Vorredners. Die Ueberweisung der Wohlfahrtépolizei könnte den Städten angenehm sein, wenn nur niht dabei immer gewisse Vor- behalte gemacht würden in Bezug auf die Befugnisse der Königlichen Polizeibehörde. Warum sollten denn die Gendarmen nur in den Bororten, nicht in den großen Städten verwendet werden ? Könne denn ein Bürgermeister nicit ebenso gut ein paar Gendarmen regieren, wie ein Landrath? Wenn man die Gendarmen in den Städten mit eigener Polizei verwenden wolle, dann erleichtere man diese direct.

Minister des Jnnern Herr furth:

Zu dem érsten Theil des Antrages des Herrn Becker muß ich zunächst noch einmal darauf hinweisen, daß die Königliche Staats- regierung im Jahre 1889 gegenüber der Herabseßung der Säße, welche vom anderen Hause beschlossen wurden, erklärt hat, die Ermäßigung sei zu weitgehend, und die Regierung könne darin nur eine Ab- \chlags8zahlung erblicken. Es ist ferner die Berebnung unrichtig, welche Herr Ober-Bürgermeister Becker aufgestellt hat. Er hat seine Zahlen so gruppirt, daß er sagt: Zu denjenigen Kosten, welche in den übrigen Städten die Polizeiverwaltung verursaht, rechne ih, um zu einem anderen Ergebniß zu kommen, auch noch die Kosten commu- naler Einrichtungen hinzu, namentlich die Kosten der Feuerwehr. Wenn er noch weiter herunter kommen wollte, so könnte er ja auch die Kosten für die Markthallen, Schlachthäuser u. \. w. zulegen, dann würde {ih vielleiht ein noch höherer Saß herausrechnen lassen. Jch halte daran fest: was die eigentlihen Kosten der Polizeiverwaltung anlangt, so kommen namentlich die größeren Provinzialstädte um mehr als 40 „§ pro Kopf besser weg als diejenigen, welche die Polizei als communale Einrichtung haben.

Was den zweiten Theil des Antrages anlangt, so ist die Staats- regierung keineswegs davon ausgegangen, daß ein Ober-Bürgermeister weniger geeignet sei, die Gendarmen zu beaufsihtigen und ihnen dienst- lihe Aufträge zu ertheilen wie der Landrath; aber sie ist davon aus- gegangen, daß die Einrichtung der Gendarmerie in einem Stadtkreise einen anderen Charakter hat als in Stadtgemeinden im Landkreise. In den Stadtgemeinden der Landkreise wird der Gendarm keineswegs ausschließlich für die Stadt verwendet, sondern die Stadt wird in seinen Patrouillenbezirk eingereiht, und die Thätigkeit des Gendarms fommt gleichzeitig der Stadt und auch dem platten Lande zu gute. Das würde in den Stadtkreisen ausgeschlossen sein. Sodann aber is ein anderes Moment maßgebend, daß nämli diese größeren Städte eine fest organisirte Polizei-Erecutive haben, in die fih die Gendarmen nicht einfügen lassen, und wenn die Gendarmen neben derselben thätig sein sollen, so würde das zu Frictionen führen. Uebrigens is auf die Beibehaltung oder Streichung der Worte ein besonderer Werth aus dem Grunde nicht zu legen, weil ja in dem Geseß dispositive Bestimmungen über folche Einrichtungen überhaupt nicht getroffen sind, sondern nur eine Perspective gegeben is nah der Richtung hin, was die König- lihe Regierung ihrerseits mit den überschießenden Summen machen will. Die Absicht, welche hierbei die Staatsregierung verfolgt, hat, ih glaube, fast den einstimmigen Beifall des anderen Hauses gefunden, und auch in Ihrer Commission war man in Bezug auf diesen Punkt mit dem Vorschlage der Staatsregierung vollständig einverstanden. Ich mêchte deshalb bitten, beide Anträge abzulehnen und den §1 unverändert anzunehmen.

Gegen die Stimmen der Bürgermeister wird der Antrag Becker abgelehnt und § 1 unverändert angenommen.

Bei § 4 wirft Ober-Bürgermeister Bötticher die Frage auf, ob die Grundstücke, welhe unentgeltlich hergegeben werden follten, Eigenthum der Stadt blieben, ob die Stadt bei Zerstörung eines Ge- bâäudes durch ein elementares Ereigniß es neu aufzuführen habe und

ob endlich, wenn ein Theil eines Gebäudes der Polizei zur Verfügung gestellt sei, das Gebäude von der Stadt veräußert werden könne.

Minister des Jnnern Herrfurth:

Die erste Frage, wer Eigenthümer bleibt, beantworte ih genau in dem Sinne des Herrn Ober-Bürgermecisters Bötticher: Eigenthümerin bleibt die Stadt, der Staat hat nur das Nuztungsrecht, und zwar nur auf die Dauer des Bedürfnisses.

Die zweite Frage, ob die Stadt in dem Falle, wenn durch elementare Ereignisse das Gebäude zerstört werden würde, verpflichtet sein würde, ihrerseits es auf ihre Kosten wieder herzustellen, kann ih in Uebereinstimmung mit ihm nur mit „Nein“ beantworten.

Was aber die dritte Frage anbelangt, so weiche ih in Beant- wortung derselben von ihm ab; die Stadt ist nicht befugt, Gebäude, welche ganz oder theilweise für polizeilihe Zwecke benußt werden, ihrerseits zu verkaufen, ohne sich vorher mit dem Fiscus zu einigen, weil der Fiscus Nußnießer ist. Aber es wird in folchen Fällen unshwer gelingen, eine solhe Einigung herbeizuführen.

Beim § 6 fragt Ober-Bürgermeister B e cker, was unter Wohlfahrts- polizei zu verstehen sei; er verstehe darunter die Bau-, Gewerbe-, aud vie D und Marktpolizei; daneben habe man aber den Städten auh die Feld-, Forst-, Jagd- und Fischereipolizei angeboten, die wohl nicht dazu gehörten. PBedauetid sei die Widerruflichkeit der

Uebertragung der Wohlfahrtspolizei; man müsse aber annehmen, daß

dabei mit Wohlwollen werde verfahren werden. Bedenklicher sei

die Kostenfrage. Wenn der Staat nur das erlasse, was er selbst

spare, dann würden die Städte neben den Kosten aus dem Gesege di osten der Wohlfahrtspolizei tragen müssen. Man folle die K E

anrechnen, welche die anderen Städte aufwendeten. osten

Minister des Jnnern Herrfurth:

Meine Herren! Drei Punkte sind es, die der Herr Ober-Bürger- meister Becker zur Sprache gebracht hat. Zunächst die Frage, was unter Wohlfahrtspol izei zu verstehen sei. Meine Herren, das ist eine so überaus bestrittene Frage, daß, wenn wir sie rein theoretish hier behandeln und zum Austrag bringen wollten, der Wuns der Städte, für die nächsten Jahre mit dem Gesetz verschont zu bleiben, allerdings wohl in Erfüllung gehen dürfte, (Zuruf: sehr rihtig!) Praktisch gestaltet sich ja die Sathe viel einfaher. Zur Wohlfahrtspolizei gehören alle diejenigen Zweige der Polizei, die niht zur Sicherheitspolizei gehören. Der Begriff „Sicherheitspolizei“ selbst ist in dem Landesgeseß als folher wenn auch nit in besonderer Definition, festgestellt und in bra ziemlich zweifellos. Im übrigen ist aber das, worauf es Herrn Ober, Bürgermeister Becker ankommt, bereits ausführlich und deutlich in der Begründung auf Seite 23 ausgesprochen. Es ist da gesagt, daß nit allein die Bau-, Gewerbe-, Markt-, Schul-, Feld-, Jagd- und Forst polizei, sondern auch die Gesundheitspolizei als Zweig der Wohl. fahrts8po lizei anzusehen sei.

Wenn er nun bedauert hat, daß nicht unwiderruflih die Uebertragung der Zweige der Wohlfahrtspolizei an die Städte erfolgen solle, ‘so kann ich nur sagen, wir fönnen und dürfen nicht auf das Recht des Widerrufs, so lange das Gesetz vom 11. März 1850 maßgebend bleibt, verzihten. Jh habe übrigens aus- drüdlich die Erklärung abgegeben und kann sie hier nur wiederholen und damit kann sih au der Herr Ober-Bürgermeister Becker beruhigen —, daß bezüglih der Zweige der Wohlfahrtspolizéi, die wir den Städten schon jeßt übertragen haben, von dem Reht des Widerrufs bisher noch niemals Gebrauh gemacht worden ist, und auch in Zukunft wird nur dann, wenn ganz erheblihe Unzuträglichkeiten in der communalen Verwaltung dieser Zweige der Polizei sih herausstellen follten, von dem Necht des Widerrufs Gebrauch gemacht werden.

Was nun aber seinen Antrag anlangt, so bitte ih um Ah- lehnung desselben, weil er erstens überflüssig, zweitens ir- rationell und drittens für die Gemeinden selber \chäd li i, Er ist überflüssig; denn wie der Herr Referent bereits hervor- gehoben hat, geht aus der Tabelle hervor, daß in weitaus den meisten Fällen die Summe, welhe der Staat spart, gleich ist der Summe, welche die Stadt aufzuwenden hat.

Es ist ferner dieser Antrag, die Höhe der Ermäßigung nach dem Durchschnitt der Kosten, welche in den übrigen Städten entstehen, zu berechnen, irrationell; denn das Gesetß der großen Zahlen fann man eben nur in Anwendung bringen auf die Gesammtkosten der Polizei, nicht aber auf solhe einzelner Zweige, welche von den individuellen Verhältnissen der betreffenden Städte vollständig ab- hängig sind. Wie wollen Sie, wenn man, ich will mal sagen, in Magdeburg die Hafenpolizei übernehmen wollte, die Kosten berechnen? Nach den Kosten, die für die Häfen in Barmen und Elberfeld entstehen, oder etwa nah den Kosten, die in Altona oder Kiel entstehen? Das eine wäre ebenso falsch wie das andere und der Durchschnitt ist auch nicht rihtig. Bei den Fragen der Kosten der Marft- und der Veterinärpolizei kommt es wesentlich darauf an, ob Markthallen vorhanden sind, oder offene Märkte, ob Schlacht- häuser, Viehhöfe vorhanden sind oder nicht. Solche Kosten lassen sih nur individuell berehnen, niht nah dem Durchschnitt.

Endlich aber würde ein folhes Amendement für die Städte au \chäâdlich sein. Ich habe im anderen Hause, und der Herr - Finanz-Minister hat in diesem Hause erklärt, daß die Staatsregierung bereit ist, den Städten auf ihren Antrag die: verschiedenen Zweige der Wohlfahrtspolizei zur eigenen Verwaltung zu über- tragen. Ih wiederhole diese Erklärung; aber ich muß doch sagen, wir würden uns erheblih bedenken, ob wir diese Zusage er- füllen fönnten, wenn das Amendement des Herrn Ober-Bürgermeisters Becker angenommen wird, wenn also die Gefahr eintritt, daß der Staat bei der Abgabe der Zweige der Wohlfahrtspolizei noch besondere Kosten übernchmen müßte, wenn mehr abgezogen würde von dem Beitrag der Städte, als die Ersparniß des Staats beträgt. Ich glaube, es würde das dazu dienen, daß gerade der Zweck, der mit diesem Paragraphen erreiht werden soll, und der ja von den Stadtgemeinden mit besonderer Freude begrüßt wird, nicht erreicht würde. Ich kann deshalb auch im Interesse der Stadtgemeinden selbst nur bitten, das Amendement abzulehnen.

8 6 wird unverändert angenommen; der Antrag Beer wird abgelehnt.

Ober-Bürgermeister Becker und Genossen beantragen einen Zusaß, wonah die Nachtwachtbeamten, soweit sie niht von dem Staate übernommen werden, vom Staate penstonirt werden sollen.

Ober-Bürgermeister Selke hält die Erklärungen der Regierung in dieser Frage nicht für genügend und empfiehlt deshalb die Annahme des Antrages, weil sonst die Städte überbürdet würden.

Minister des Jnnern Herrfurth:

Meine Herren! Jch muß zunächst zugeben, daß auf Seite 24 der Motive \sich ein Druckfehler befindet, indem es „städtische“ statt „preußische“ Verwaltung heißen muß. Der Druefehler ist {limm, wenn auch nicht ganz so {limm, wie der in dem Antrage des Herrn Vorredners enthaltene, der das directe Gegentheil besagt von dem, was der Herr Antragsteller hat sagen wollen.

In der Sache selbst möchte ih betonen: mit dem 1. April 1893 geht niht das Nahtwachtwesen, sondern nur die Tragung dek Kosten des Nahtwachtwesens auf den Staat über. Im übrigen kann ih die Erklärung wiederholen : wir sind bereit und sehr gern be- reit, alle diejenigen Nachtwachtbeamten, welhe sich irgendwie brauchbar erweisen, für den Dienst eines Königlichen Nachtwacht- wesens zu übernehmen. Wir haben selbst sehr großes Interesse daran, weil wir mit Einführung dieses Gesetzes so viele Stellen von Schub? männern werden beseßen müssen, daß es sehr shwer halten wird, die dazu erforderlihen Personen zu bekommen, da seit Einführung der Unter- offiziersprämien si die Zahl der Anwärter crheblich vermindert hat. Bezüglich der Personen, welche wir in den Staatsdienst übernehmen, übernehmen wir sfelbstredend au die Pensionszahlung, aber bezügli der übrigen fann dem Staat nicht zugemuthet werden, seinerseits die etwaige Pension zu zahlen. Ich glaube zunächst, die Sache wird

praktis nicht von großer Bedeutung sein, da, soviel mir bekannt ift, alle diese Beamten auf Kündigung stehen, und da die Angabe des Herrn Ober-Bürgermeisters Selke, daß ein Beamter, weldem vertragsmäßig Pensionsberehtigung zuge- sichert sei, der aber auf - Kündigung stehe, jedesmal Pension verlangen könne, sobald ihm gekündigt werde, unrichtig ist; derartige Erkenntnisse sind“ weder vom Ober-Verwaltungsgeriht noch vom Ober-Tribunal ergangen. Im übrigen will ich dahingestellt sein lassen, wie sich im einzelnen Falle die Pensionsberehtigung gestaltet ; in der Regel wird nah dem Dienstvertrage verfahren werden müfsen. Aber allgemein und unbestritten gilt der Grundsaß, daß sowohl der Staat als die Gemeinde nur verpflichtet ift, für die Dienste, die der Mann dem Staat oder der Gemeinde geleistet hat, Pension zu zahlen, und wir können dem Staat nicht zumuthen, daß er Pensionen zahlt für Dienste, die niemals dem Staat, sondern nur der Gemeinde geleistet worden sind. Ich bitte Sie um Ablehnung auch dieses Amendements.

Dien aper Bender: Die Nachtwahtbeamten ftünden jegt zu ihrem Bezirk in gewissen Beziehungen, weil sie die Schlüssel der betreffenden Häuser hätten. Man solle bei der Aenderung deshalb porsihtig und \chrittweise vorgehen und niht die Beamten rüc{sichts- los auf die Straße segen.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ich theile das Gefühl des Herrn Vorredners, daß allerdings bei einem rüdsihtslosen Verfahren bei Gelegenheit des Vebergangs des Nachtwachtwesens auf den Staat hier erhebliche Härten entstehen können; aber es hat bereits der Herr Minister des Innern ausdrücklih gesagt und ih theile diese Auffassung durch- aus: bei dergleichen Uebergängen muß \{honend und milde verfahren werden, und das wird der Staat thun.

Nun liegen die Verhältnisse aber so verschiedenartig und so zufällig verschieden, daß es unmöglich ist, hier dieses Amende- ment zu § 8 anzunehmen. In den meisten Städten, die mir bekannt sind, sind die gewöhnlihen Nachtwächter Leute, die nur im Nebendienst die Nachtwache besorgen, Handwerker oder Per- sonen, die von ihrer Arbeit leben, die niemals !pensionirt wurden. Selbst wenn sie lange im Dienst wären, hat man sih nicht genirt, ihnen zu kündigen; es war eben ein Nebengeschäft, und so wird es wohl in fast allen Städten sein. Davon sind unterschieden die häufig definitiv angestellten Aufsihtsbeamten und ih weiß nicht ein- mal, worauf das Amendement zu § 8 eigentlih sih be- zicht, wenn es spricht von Nachtwachtbeamten —, diejenigen Personen, welhe die Oberleitung, die Controle in der Nacht ausüben, sie sind allerdings vielfach Militäranwärter und wer- den in fast allen Fällen geeignete Personen sein, um fie au beizu- behalten, wenn das ganze Nahtwachtwesen in Staatsverwaltung über- geht. Da werden also gar niht so erheblihe Schwierigkeiten ent- stehen.

Meine Herren, wenn Sie den § 8a so annehmen, so Éönnten die Städte, wenn sie wollen, da wir darauf nicht einwirken können, in der Zwischenzeit ihren sämmtlichen Nachtwächtern Pensionsbereh- tigung beilegen, und der Staat wäre gezwungen, dies zu respectiren. So glaube ich, die Herren stellen sich die Sache doch zu gefährlih vor. Jh habe die Ueberzeugung, daß das alles gar niht so schnell gehen wird, plößlich das Nachtwachtwesen zu über- nehmen, weil, wie der Herr Minister des Innern uns {hon mit- getheilt hat, es zur Zeit gar nicht so leiht ist, in so kurzer Zeit die geeignete und nothwendige Anzahl von Schußleuten anzustellen ; es wird deswegen {hon naturgemäß die Staatsverwaltung dazu gedrängt, in Bezug auf die Qualification der Nachtwachtbeamten etwas wohl- wollend die Sache zu behandeln, weil es an erfahrenem fonstigen Personal fehlt.

Die anderen kleinen Fragen in Betreff der Hausshlüssel ih glaube, sie haben wenig Bedeutung. (Heiterkeit.) Wenn man mal genau erwägen will, was in dieser Beziehung nüßlicher ist, daß die Leute nicht so leiht bei nachtschwärmender Zeit, wie man in Westfalen sagt, in die Häuser kommen können, als wenn das Gegentheil der Fall ift, fo weiß ih nicht, was man mehr befürworten foll. Wenn der Herr Ober-Bürgermeister von Breslau gesagt hat, es verwachse der staat- lihe Polizeibeamte nicht so innig mit den Einwohnern seines Ne- viers, so hat die Sache doch ihre zwei Seiten. Die Beseßung der Reviere wechselt oft, und da habe ih selbst die Erfahrung gemacht, wie heilsam und nothwendig das is (Sehr richtig!); eine gewisse Kenntniß der Personen und Sachen muß ja der Polizeibeamte haben, aber wenn er zu lange in dem Nevier bleibt, dann wird die Freund- haft oft größer als der Diensteifer. (Heiterkeit. Sehr richtig !)

Minister des Jnnern Herrfurth:

] Meine Herren! Ih möchte nur zwei kurze Entgegnungen auf die Ausführungen des geehrten Herrn Vorredners machen. Wir werden tin Zwischenstadium in Betreff der Uebernahme des Nachtwacht- wesens auf den Staat niht vermeiden können. Ich sage, wir werden es Leider nicht vermeiden können. Unser Bestreben wird natürlih sein, möglichst bald den Zustand herbeizuführen, der in den Motiven alb das wünschenswerthe Ziel hingestellt worden ist, aber es is wegen Mangels an den erforderlichen Perfonen iweifelhaft, ob dieses Ziel sofort oder in fehr kurzer Zeit erreicht werden fann.

Was die zweite Ausführung des Herrn Ober - Bürgermeisters Selke in Betreff der Pension der auf Kündigung angestellten Beamten anlangt, so glaube ih, daß allerdings die von ihm erwähnten Er- kenntnisse doch anders lauten, daß sie nämli eine Pensionsberechti- gung nur dann statuiren, wenn neben der penf ionsfähigen Dienstzeit auch die Dienstunfähigkeit vorliegt. Es soll ur, so viel ich mih erinnere, verhindert werden, daß lemand in einem Zeitpunkt, in welhem er bereits das volle Recht auf Pension hat, durch eine nachträglihe Kündigung dieses Rechts verlustig gehen soll, dagegen wird einem Mann, der zehn und sünfzehn Jahre gedient hat, wenn er sich Ordnungswidrigkeiten zu hulden fommen läßt, oder wenn sonstige Gründe vorliegen, er aber noch dienstfähig ist, gekündigt werden können, ohne daß ihm eine ênsion gezahlt werden muß. Das ist, soweit ich mich der be-

/ treffenden Erkenntnisse erinnere, zweifellos.

bâtt Ober-Bürgermeister Selke: Die Erklärungen des Ministers

stadt eine Beruhigung herbeigeführt; , es werde also ein Zwischen-

B lum geschaffen werden, in welchem alle diese Dinge geregelt

erden fönnten.

e Der Antrag wird darauf abgelehnt. Das Geseg wird Mugen unverändert nah den Beschlüssen des

Hauses der Abgeordneten angenommen; die ein- egangenen Petitionen werden für erledigt erklärt. chluß 5 Uhr.

Statistik und Volkswirthschaft.

Die Vertheilung der preußifhe g BEpditerina nach dem j NReligionsbekenntnisse 1871—1890, s

Die Zahl der Angehörigen der einzelnen Religionsgemeinschaften,

welche am 1. Dezember der Jahre 1871, 1880, 1885 und 1890 im

preußischen Staatsgebiet (einschließlich des Herzogthums Lauenburg,

jedoch ohne Helgoland) durch die Volkszählungen ermittelt worden

ind, betrug : eligionsgemeinschaften: 1871 1880 1885 1890 16 040 685 17 627 658 18 244 405 19 230 376

Evangelische Kirche Römisch-katholische 8 268 301 9204930 9620326 10251 477 1 388 1353 1437 1 360

tirche E taholise

1 601 4361 4711 4 514 13 950 13 849 13 951 13 833

irche Brüderkirhe (Herrenh.)

: 8818 16402 92735 923969 1372 9 175

Mennoutten 3 321 3.232

Baptisten . ._ En lite und \chottische o A 13 023 16 981 adet 2

tre S Methodisten und

L 2208

15 496 | 21828/ 20 273

1210 58

Ouäker Apostolische 3 039 L E 325 601 363 790 366 575 372 058 Bekenner anderer Religionen . . 72 285 149

(Irving. Deutsckctboli sche E Freireligiöse . Disfivenmtet ) E 328 Mit unbestimmter An- gabe des Bekennt- nisses 16 1243 9191 9 871 Ohne Angabe des Be- fenntnifses O 4 389 22 006 1 357 1 492 Zusammen 24693 139 27 279 111 28 318 470 29955 281

1 800 3 691 19 437

Sonstige Christen . . 54 Juden ;

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Dortmund meldet ein Wolff sches Telegramm vom heutigen Tage, daß der „Dortm. Ztg.“ zufolge bei den Knappschafts- Aeltestenwahlen im allgemeinen der Ma „alte“ Bergarbeiter-Verband hegte.

Wie der „Vorwärts“ berichtet, haben die Steinbildhauer in Dresden ihren Ausstand beendet und die Arbeit wieder aufge- nommen, da ihnen sämmtliche Forderungen bewilligt worden sind.

Unter den Schiffern, die in der Nähe von Rüdersdorf lagern, um von dort den Kalk der Rüdersdorfer Kalkwerke abzu- fabren: ist der „Nordd. Allg. Ztg.“ zufolge ein Ausstand ausgebrochen ; die etwa 200 betheiligten Schiffer widerseßen sih der neuen Verlade- und Fahrordnung. . O |

Hier in Berlin erklärte sih, wie wir einem Bericht des „Vor-

wärts“ entnehmen, eine Versammlung der Möbelpolirer Berlins und der Umgegend mit den Beschlüssen des Halberstädter Gewerk- \chaftscongresses einverstanden ; sie erblickt in der Bildung von In- dustrieverbänden, in welhen den Branchenvereinigungen vollständige Bewegungsfreiheit gelassen wird, die beste Organisationsform und will für Bildung einer Section des Holzarbeiter-Industrie-Berbandes eintreten. Der Verein Berliner Militär schneider, dem Klein- meister, Hausindustrielle und Gehilfen angehören, hat sich, wie die „Nat. Ztg.“ berichtet, vor Kurzem in einer Petition an den Reichskanzler Grafen von Caprivi mit der Bitte gewandt, bei dem Submissionsverfahren hinsihtlih der Lieferungen von Kleidungsstücken für das Militär, Post und Polizei, den Zuschlag davon abhängig zu machen, daß den Arbeitern (Kleinmeistern, Hausindustriellen) ein auskömms- lider Lohn und annehmbare Arbeitsbedingungen gewährt werden; event. möge die Regierung solchen Lieferanten den Vorzug eben, die in eigenen, größeren Betriebswerkstätten die Kleidungsstücke erstellen lassen ; endlih wird der Reichskanzler gebeten, in Erwägung zu ziehen, ob es niht mögli sei, die Lieferungen den Militär- \chneidern direct zu übertragen. Als Motiv führt die Petition ins- besondere ungenügende Lohnsäße und schädliche Hausarbeit an.

Aus Ba sel berichtet der Berner „Bund“, daß das social- demofratische Parteicomité im Juni zusammentreten wird, um sich über das weitere Vorgehen wegen des „Rechts auf Arbeit“ zu verständigen. i

Lord Durham, der viel angefeindete Besißer der großen Kohlengruben in der Grafschaft Durham, läßt in den Zeitungen befannt machen, wieviel er als Besißer des Grund und Bodens für die Tonne Kohlen und wieviel der Bergmann für seine Arbeit erhält. Lord Durham bezieht danach als „Royalty“ (Regal-Abgabe) 35 d für die Tonne, der Bergmann bekommt 1 sh 15d bis 1 sh 35d für die Tonne (2000 Psd. Sterl.). Der Londoner muß, wie die „Allg. Corr.“ hinzu- fügt, allerdings 20 sh bis 30 sh für die Tonne zahlen. :

In Australien kommen seit längerer Zeit und an verschiedenen Orten größere Bewegungen unter den beschäftigungslosen Arbeitern zur Erscheinung. Aus Melbourne berichtet die Londoner „Allg. Corr.“ nach einer Reuter-Meldung vom 295. d. M. : Eine Abordnung der Arbeitslosen begab sih zum Premier- Minif#er und ersuhte ihn um Errichtung eines staat- lichen Stellennahhweisungs-Bureaus an Stelle des von der Heilsarmee eingerichteten Bureaus, das aufgehoben werden E Der Minister Shiels erwiderte, die Regierung habe ihr Möglichstes gethan, die Zahl der Arbeitslofen in Melbourne zu verringern, und das sei ihr auch in großem n gelungen. Er wolle dem Vorschlag, ein staatlihes Stellennahweisungs-Bureau zu_ gründen, eingehende Erwägung schenken. Ferner wird aus Sydney vom 20. März mitgetheilt: Heute marschirten die Arbeitslosen in langem Zuge durch die Stadt. as vorausgetragene Banner zeigte die Inschrift: „Arbeit oder Brot für Weib und Kind.“ Es ging alles in Ordnung von statten.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Die Schweinesperre auf dem Städtischen Central- Viehhof ist, wie die „Allg. Fl.-Ztg.“ mittheilt, soeben wieder aufgehoben worden.

St. Petersburg, 25. März. Ueber Leprafälle im St. Petersburger Gouvernement schreibt die „St. Pet. Ztg.“ : „Bei der leßten Versammlung des Congresses der St. Petersburger Landschaftsärzte stellte die Section für epidemishe Krankheiten einen Bericht vor, der weit über die Kreise der Fahwissenshaft von enormer Wichtigkeit ist. Es handelt sih darum, daß in drei Kreisen des St. Petersburger Gouvernements von den Landschaftsärzten Le rafälle unter der Dorfbewohnerschaft constatirt wurden. er Landschaftsarzt Dr. Prochorow hat in sechzehn Dörfern des Jamburgschen_ Kreises 93 Lepröse registrirt, Dr. Petersen constatirte drei Fälle im Kreise Zarskoje Sselo tund fieben Fälle im Gdowschen Kreise. Was die sechzehn Dörfer des Jamburgshen Kreises an- betrifft, so ist das Erscheinen der Lepra dort um so wich- tiger, als gerade in diesen Dörfern zahlreihe Pfleglinge des St. Pete eaee Findelhauses bei den Väuerinnen ausgezogen werden. Nach eingehender Berathung des hohwichtigen Berichts der Section faßte der Sorgen _nacstehende cls: 1) foll die Sammlung von Daten über die Lpröfen nah dem Kartensystem von den Landschaftsärzten in allen Kreisen fortgeseßt werden; 2) foll das Projekt cines Leprosoriums für das Gouvernement St. Petersburg in

Anregung gebraht werden. Die Kosten einer solhen Anstalt können nicht sonderlih groß werden, da das Leprosorium vor der Hand auf ca. 30 Patienten berechnet werden kann, was bei der glücklicherweise geringen Verbreitung dieser furhtbaren Krankheit für das Gouvernement ausreichend wäre.“

Handel und Gewerbe.

Das Verbot der Salzeinfuhr in Venezuela (Art. 3 des Zollgesezes vom 28. März 1889) hat durch Ministerialdecret vom 16. v. M. insofern eine Einschränkung erfahren, als dur leßteres die Einfuhr von Steinsalz zum Lecken für Thiere gestattet worden ist. : ;

Mit Rücksicht auf die diesem Salze beigemessenen heil- kräftigen Eigenschaften ist für dasselbe der Zollsay der Nr. 338 des dolltariss mit 1 Bol. 25 Cts. für dgs Kilogramm Brutto- gewicht festgeseßt worden.

Täglihe Wagengestellung für-Kohlen und Koks an der Ruhr und in Dberschlesien. An der Ruhr sind am 26. d. M. gestellt 9165, nicht reht- zeitig geftellt keine Wagen. i j In Oberschlesien sind am 26. d. M. gestelli 2999, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

j _ Zwangsversteigerungen. /

Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin stand am 26. März 1892 das Grundstück in der Slbingeriteale 13, dem Maurermeister Carl Seiffert hier gehörig, zur ersteigerunss Nutungswerth 13 800 6; Mindestgebot 16 500 4; für das Meist- gebot von 174 000 wurde der Kaufmann Richard Schäffer zu Groß-Lichterfelde Ersteher. S

Berlin, 26. März. (Wochenberiht für Stärke, Stärke fabrikate und Hülsenfrüchte von Max Sabersky.) Ia. Kartoffelmehl 33—334 #Æ, Ia. Kartoffelstärke 33—335 F, ITa. Kartoffelstärke und -Mehl 31—31} #4, feuchte Kartoffel- stärke loco und Parität Berlin 18,40 4, Fabriken bei Frankfurt a. O. zahlen frei Fabrik 17,70 M, (ete Syrup 37—37è , Capillair - Syrup 38—38} , Capillair - Export 39—395 A, Kartoffelzucker gelber 37—37} M, do. Capillair 383—39 A, RNRum-Couleur 50—51 XûM, ier-Couleur 49—50 #4, Dertrin,

elb “und weiß, Ia. 40—42 Æ, do. secunda 37—39 M, eizenstärke (fleinst.) 37—38 Æ, Weizenstärke (großst.) 45—46 A, Hallesche und Schlesishe 45—46 4, Reisstärke (Strahlen) 47 bis 48 M, do. (Stücken) 43—44 4, Mais-Stärke 37—38 1, Schabe- stärke 32—33 #, Victoria-Erbsen 22—26 #, Kocherbsen 21——29 M, grie Erbsen 22—26 #, Futtererbsen 16¿3—175 A, Leinsaat 2—23 M, Linsen, große 40—54 Æ, do. mittel 24—38 A, do. kleine 16—24 Æ#, Gelber Senf 18—30 4, Kümmel 36—40 M, Mais loco 13—13F M, Sen 17{—184 4, Pferdebohnen 16# bis 18 M, inländische weiße Bohnen 19—20 A, weiße Flachbohnen 22—-25 M, ungarische Bohnen 174—18} Æ, galizishe und russische Bohnen 16—17 4, Wien 133—15# H, Hanfkörner 223—234 M, Leinkuchen 17—17§ Æ, Weizenschale 11—113 #, Noggenkleie 11F bis 12 4, Rapskuchen 14—143 #4, Mohn, blauer 50—60 A, do. L 60—80 M, Hirse, weiße 21—24 A Alles per 100 kg ab Bahn bei Partien von mindestens 10 000 kg.

In der ordentlihen Generalversammlung der Bank für Rheinland und Westfalen vom 26. td. M. wurde die Bilanz genehmigt, Entlastung ertheilt und die am 28. d. M. zahlbare Divi- dende auf 549% = 16.50 Æ pro Actie festgeseßt. :

Wie die „Hamb. Börsenh.“ mittheilt, hat die Anglo-Deutsche Bank in Hamburg eine 43 9% pupillarishe Helgoländer Anleihe im Betrage von 600 000 4 zu einem Curse von 1029/9 übernommen. Der Aufsichterath der Farbwerke von Höchst hat be- \{hlossen, der am 23. April stattfindenden Generalversammlung für 1891 eine Dividende von 26 09/9 vorzuschlagen. /

Leipzig, 26. März. (W. T. B.) Kammzug-Termíin- handel. La Plata. Grundmuster B. per April 3,40 4, per Mai 3,421 M, ver Jun! 3,45 , per Juli 3,45 #4, per August 3,45 M, per September 3,477 M, per Oktober 3 50 , per November 3,50 M, per Dezember 3,50 #4, per Januar 3,50 , per Februar 3,590 4 Umsay 75 000 ke.

Wien, 26. März. (W. T. B.) Die Gesammteinnahmen der Orientbahnen betrugen in der Woche vom 26. Februar His 3. März 1892 245 435,08 Fr., vom 1. Januar bis E le 1892 1379 145,78 Fr, zusammen seit Beginn des etriebsjahres 1 624 580,86 Fr. auf einer Länge von 1265 km.

London, 26. März. (W. T. B.) An der Küste 6 Weizen» ladungen angeboten. :

28. März. (W. T. B.) Die Getreidezufuhren be- trugen in der Woche vom 19. bis 25. März: Engl. Weizen 2526, fremder 19 763, engl. Gerste 2641, fremde 13189, engl. Ee 19 623, fremde —, engl. Hafer 305, fremder 31 948 Qrts., engl. Mehl 20 350, fremdes 108 973 Sack und 250 Faß.

New-York, 26. März. (W. T. B.) Die Börse war durhweg bis zum Schlusse schwah. Der Umsay der Actien betrug 170 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 3 200000 Unzen geschäßt. Die Silberverkäufe betrugen 26 000 Unzen.

Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 9 648 492 Doll. gegen 14 646 585 Doll. in der Vorwoche, davon für Stoffe 1 933 025 gegen 2621 879 Doll. in der Vorwoche.

Verkehrs-Anstalten.

Bei Post-Packetsendungen nah Helgoland is die Beifügung von eigentlihen Zoll-Jnhaltserklärungen nicht mehr erforderlich ; dagegen muß der Jnhalt der Pakete auf der Begleit-Adresse kurz angegeben werden.

Zur Einführung einer Einheitszeit in Deutschland.

Das „Centralblatt der Bauverwaltung“ schreibt: „Am 1. April d. J. kommt die mitteleuropäishe Zeit im äußeren Dienst, also auch in den veröffentlichten Fahrplänen, auf den Bahnhofsuhren u. \. w., bei den bayerischen, württembergischen und badishen Staatseisenbahnen, bei den rechts des Rheins liegenden bayerischen Privat- bahnen und bei den Reichseisenbahnen in Elsaß- Lothringen zur Einführung. Gleichzeitig wird die mittel- europäische Zeit abgekürzt allgemein mit M. E. Z. be- zeichnet auch für den inneren Telegraphendienst im ganzen Umfang des E Ba R, sowie für den ge- sammten Postdienst in denjenigen Theilen des Reichspost- gebiets eingeführt, in welchen e Einheitszeit im äußeren Eisenbahndienst Gültigkeit erlangt. : :

Aus wichtigen inneren Gründen war es nicht angängig, die mitteleuropäische Zeit von demselben Zeitpunkt ab auh im äußeren Dienst der übrigen Eisenbahnen Deutschlands, ins- besondere bei den oreußischen Staatseisenbahnen einzuführen. Es ist aber jeßt bestimmt, M die Einführung der mittel- europäischen geit auch im äußeren Dienst sämmtlicher preußischen Eisenbahnen am 1. April 1893 erfolgen soll. Da die gleiche Maßregel auch für die übrigen Eisen- bahnen Deutschlands mit Sicherheit zu erwarten ist, so wird von dem genannten Tage ab für alle Eisenbahnen Deutschlands dieselbe einheitliche Zeitrehnung im inneren und äußeren Dienst durchgeführt.“

Königsberg i. Pr., 28. März. (W. T. B.) Dem Eis-

breher is es nah hartem Kampfe gelungen, das Eis zu durch-