1892 / 77 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

oheit des Großßérzogs Ludwig TV., Mith ünd Mein Haus betroffen

t, ist von Meinem getreuen Volk aufrichtig getheilt worden. Die Dankbarkeit, Verehrung und Liebe, welhe der Hohe Entschlafene während seines allzukurzen Lebens fich insbesondere als Truppen- führer in \{werer Zeit blutiger Kämpfe und später während feiner neiEgeiegncen Regierung allenthalben erworben hat haben bewirkt, daß Sein ganzes Volk s\{merzerfüllt n sciner Bahre blickte. Zahlreiche Zuschriften ‘und Telegramme, Kundgebungen verschiedenster Art von Gemeinden, Körper- schaften und Vereinen, inébesondere den Kriegervereinen, sowie von Einzelpersonen aus allen Ständen gaben Zeugniß von aufrichtiger Trauer um Meinen Hochseligen Herrn Vater und von warmer Theil- nahme für Mich und die Prinzessinnen, Meine Schwestern. Pracht- volle Blumen und Kränze wurden als Zeichen treuen Gedenkens an der Bahre des Verewigten niedergelegt. Und nicht nur aus der engeren Heimath, sondern aus ganz Deutschland und weit über dessen Grenzen hinaus, ja aus fernen Welttheilen haben getreue Hefen und solche, die dem Hohen Entschlafenen im Leben näher traten, von ihrer Trauer um seinen Hintritt Kunde gesandt.

Wenn etwas im stande ist, Meinen und der Mitglieder Meines Hauses herben Schmerz um den erlittenen {weren Verlust zu lin- dern, so ist es die treue und hberzlihe Verehrung, welhe Wir dem Verewigten über Tod und Grab hinaus folgen sehen. Tief bewegt sage Ich darum allen, welche in diesen Tagen schwerer Heimsuchung an Unserem Leid Antheil genommen, innigsten Dank und bitte Gott von ganzem Herzen, daß Mir beschieden sein möge, Mein geliebtes Volk auf den unter Meines Hochseligen Herrn Vaters Regierung ein- Ut fenen Wegen in stetiger und gesegneter Entwickelung weiter- zuführen.

Ich ersuche Sie, diesen Erlaß zu veröffentlichen.

Darmstadt, den 27. März 1892.

Ernst Ludwig.

An den Staats-Minister Finger.

Ín dem Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Alfred von Edinburg, der, wie mitgetheilt, hier an einem Magenkatarrh erkranfte, ist nah dem Aus- spruch des Geheimen Raths Riegel in Gießen keine Verschleh- terung, sondern eher eine Besserung zu constatiren. Inde en wird doch, wie die „Darmst. Ztg.“ meldet, Shre Kaiserlihe Hoheit die Herzogin von Edin- burg mit den Prinzessinnen-Töchtern Marie und Victoria morgen Vormittag aus England hier eintreffen. Jhre Hoheit die verwittwete Erbprinzessin zu Anhalt trifft heute Nachmittag zum Besuch hier ein.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Weimar, 28. März. Der Landtag hat den Antrag auf Erlaß einer Ausführungsverordnung zur Gesinde- ordnung und Regelung des Gesinderechts im bürger- lihen Geseßbuch angenommen. Ein anderer Antrag, eine Progression im Steuergeses dahin einzuführen, daß die Steuersäße für die Einkommen zwishen 9000 bis 100 000 M annähernd gleihmäßig in angemessenen Stufen bis 4 Proc. steigen, wurde dem Finanz-Ausshuß über- wiesen. Seitens der Antragsteller, die für ihren Antrag namentlich den Gerechtigkeitsstandpunkt geltend machten, wurde die finanzielle Wirkung auf einen Mehrbetrag von 30: bis 38 000 M bei Zugrundelegung einer mäßigen Scala berechnet, auf 73 000 #4, wenn der im Herzogthum Meiningen eingeführte Steuertarif angenommen würde.

Gestern tagte hierselbst der Verband zur Besserung der ländlihen Arbeiterverhältnisse im Groß- herzogthum Sachsen. Jn den Kreis der Berathungen wurden, abgeschen von organisatorishen Angelegenheiten, namentlich Maßnahmen gegen die socialberokratisché Agitation auf dem Lande und Vorschläge über weitere Mittel und Wege zur Hebung des Verbandes gezogen.

Braunschweig.

_ Braunschweig, 28. März. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Albrecht von Preußen hat sich heute zu einem vierzehntägigen Aufenthalt nach Altenburg. begeben. In der Begleitung befanden sih die Hofdame Gräfin Pückler und der Ceremonienmeister, Kammerherr Graf von Keller.

Anhalt.

Dessau, 28. März. Der Landtag isst, wie der „A. St.-A.“ meldet, nah Beendigung der zweiten und dritten Lesung des Hauptfinanz-Etats vorgestern durch den Staats- Minidter von Krosigk geschlossen worden.

Hamburg. _ Hamburg, 29. Mrz. Auf Anordnung des Senats soll am 8. Mai d. J. in Erinnerung an den großen Brand von 1842 in allen Kirchen der Stadt und des Gebiets ein Dankfest begangen werden.

Oesterreich-Ungarn.

Die Ausgleichsfrage steht in der hierfür eingescßten Commission des böhmischen Landtags noch immer zur Verhandlung. Die Erklärung, welche der Statthalter von Böhmen Graf Thun am Donnerstag in der Commission über die Stellung der Regierung zu der Ausgleichsfrage abgegeben hat, und die wir in Nr. 74 d. Bl. vom 25. März wieder-

egeben haben, wird liberalerseits als ein Zeichen dafür ange- chen, daß die Regierung das Ausgleihswerk im Stiche lassen wolle, während die Wiener, der Regierung E Blätter betonen, aus der Rede gehe hervor, daß die Regierung nach wie vor an dem Gedanken und dem Wunsche des Ausgleichs festhalte. Jn der Commission sind bei den weiteren Erörterungen diese verschiedenen Standpunkte zum Ausdruck gekommen. Der deutsh-liberale Hallwih {hob in der gestrigen Sißung dem Großzgrundbesiß, der mit seiner Haltung das Vertrauen der Bevölkerung verloren habe, die Schuld an dem Scheitern des Ausgleihs zu und bezeichnete die Erklärun; der Regierun

in dieser Frage als „überaus zahm“; weiter f éberite er, da

die Regierung selbständig mit einer anderweitigen Abgrenzung und Errichtung von Gerichtsbezirken vorgehe. Der Vertreter des Großgrundbesißes Graf Bucquoy erklärte zwar, daß der Grundbesiß auch heute noch an dem Ausgleich festhalte, aber nur unter der Voraussezung, daß beide Volksstämme zu- stimmten ; er suche dahin zu wirken, daß keiner Partei Unrecht widerfahre. Zu einem Beschluß kam die Commission auch gestern nicht. L i :

Der Kaiser hat, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern in Budapest die Mitglieder der evangelisch-ref or- mirten Synode empfangen und ihnen“ gegenüber seine Genugthuung darüber ausgesprochen, daß die Synode ihr gesezgeberishhes Wirken zum Wohle der Kirche mit Besonnenheit und Umsicht fortseze. Der Kaiser versicherte die Synode auch fürderhin seiner Gnade und seines Schußes.

| Die Blätter wenden sih, wie der „Köln.

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_ Aus Triest kommt die Mittheilung, daß dort ein italièenisher Arbeiter E wurde, der mit einem Dampfer des Lloyd aus Griechenland nah seiner Heimath zurückehrte und im Besiße von aht an seinem Arbeitsorte entwendeten Dynamitpatronen betroffen wurde. Wie er angab, wollte er diese in seiner Heimath zu erlaubten Zwecken ver: wenden. Der Arbeiter wurde wegen Uebertretung der Dynamit- vorschriften dem Gerichte angezeigt.

Großbritannien und Jrland.

Der (wie hon in Nr. 75 d. Bl. telegraphisch gemeldet) am Freitag im Unterhause zur Verhandlung gelangte und mit gegen 162 Stimmen geo Antrag des Arbeiter- Abgeordneten Fenwick, den Mitgliedern des Unterhauses Diäten zu zahlen, findet bei der conservativen und liberal- unionistischen Presse durhweg eine abfällige, dagegen bei den liberalen und radicalen Blättern eine sympathische Beurtheilung. Die „Times“ äußert sih darüber, wie folgt:

„Seit vielen Jahren ift ein beträchtliches und stetig zunehmendes Contingent von Arbeiter-Abgeordneten nach Westminster entsandt worden, welches, wie allseitig zugestanden wird, ein sehr werthvolles Element in der Zusammenseßung des Hauses bildet. Es ist be- kannt, daß viele von ihnen nicht im stande sind, ihre Dienste ohne Entschädigung herzugeben, ein Umstand, welcher ihrer Wahl indeß nie im Wege gestanden hat. Sobald ihr Wahlkreis einmal zu_ der Einsicht gelangt war, daß sie die gewissenhaftesten Anwälte der Ziele der Wähler verkörperten, \hreckte er au nie davor zurück, ihnen die Mittel zu gewähren, ins Parlament zu gehen. Weiter ist es ziemlih sicher, daß der Umstand, S der parlamentarische Dienst unbezahlt ut, dazu beiträgt, eine große Zahl Abenteurer der {limmsten Art von den höheren Schichten des öffentlichen Lebens auszuschließen. Die Aenderungen der leßten Jahre haben mähtig zu dem Wachsthum

und der Entwickelung der gemeingefährlihen Schaar der pro-.

fessionellen Politiker beigetragen. Die Gewährung eines Stipendiums an alle diese, die sich ihre Wege zu einem Siß zu bahnen vermochten, würde die Anziehungskraft des Geschäfts bedeutend vermehren. Wenigstens in anderen Ländern ist dies die Folge gewesen, und wir haben es wahrsceinlich der Thatsache, daß die Mitglieder des Unter- hauses ihrem Lande ohne pecuniâre Belohnung dienen, „zu danken, daß sich das Unterhaus in so hohem Grade durch seine Ehrlichkeit, Redlichkeit und Intelligenz vor anderen geseßgebenden Körperschaften der Welt auszeichnet.“ :

Die „Daily News“ tritt dagegen entschieden für die Zahlung von Diäten ein, indem sie schreibt:

„Nicht unter den Arbeiter-Abgeordneten des Parlaments sind jene Skandale vorgekommen, welche unlängst im Unterhause die üblen Folgen von Habsucht und mißleitetem Ehrgeiz, von focialer und moralischer Corruption illustrirt haben. Die Diâtenzahlung an Ab- ge ist ein Princip, welches shon jeßt im Unterhause die Ober-

and besißt. Es fragt sih nur, ob die Wahlkreise oder der Staat-

das Geld liefern sollen und ob es zwei verschiedene Klassen von Ab- geordneten mit verschiedenen Bedingungen oder nur eine einzige, an eine gemeinschaftlihe Bedingung geknüpfte Klasse geben soll.“ Die Abstimmung über den Antrag Fenwick geschah, der „A. C.“ zufolge, streng nah Parteien. Gladstone war nicht anwesend; die liberalen Führer des Hauses Sir William Harcourt, Mr. Mundella, Mr. Campbell-Bannermann, Sir George Trevelyan und Mr. Stanhope stimmten dafür. Da- egen stimmten die liberalen Unionisten, mit Ausnahme von èr. Barclay und Mr. R. Chamberlain; Joseph Chamberlain war abwesend. Mit der Regierung stimmten die liberalen og A G. Lambert, Milnes-Gaskell und J. De O on,

Frankreich.

_ In Paris herrscht große Erregung über das vor- gestrige anarchistishe Attentat. Während die Ein- wohnerschaft den früheren Attentaten gegenüber ziemli ruhig geblieben war, beginnt sie jeßt r zu werden, - theils wegen der allgemeinen Gefahr, theils aus Besorgniß, eine Fortsezung der Attentate möchte den Fremdenbesu verhindern oder zahlreihe Abreisen zur Folge haben. (Na einem Telegramm der „Times“ sollen bereits 30 Proc. der Ausländer in den leßten drei Togen Paris verlassen haben.) e Blä : Ztg.“ berichtet wird, meist mit großer Erbitterung gegen die Anarchisten, die bedroht werden, daß die Bevölkerung bei Ergreifung an ihnen Lynch- justiz üben werde. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, p wenn auch nur die That eines Einzelnen vorliege, doch der ge- sammte Anarchismus nur dadurh möglich geworden sei , daß die Regierung seine Verbreitung und die Anpreisung der Propaganda durch die That gestaîtet habe. Regierungsfeind- liche Blätter werfen der Regierung heftig vor, daß die Polizei sich sowohl bei der Verhütung als bei der Entdeckung der Verbrechen ganz ungenügend erweise; dabei fallen deut- lihe Hinweise auf den 1. Mai, wo es noch ganz anders kommen fönne. Daraus wird dann gefolgert, daß Constans zurückberufen werden müsse, wenn Paris sich überhaupt der Ruhe erfreuen solle. Die Monarchisten dagegen werfen der Negierung vor, daß fie alle IOHaN auf die Verfolgun der Priester verwende und dabei der anaristischen, ungleich bedrohlicheren Gefahr nicht die entsprehende. Aufmerksamkeit leihe. Die Daltng der radicalen Blätter, wie „Justice“, ist gezwungen, sie suhen von den Verbrechen E wenig Lärm zu machen, weil sie befürchten, daß durch sie die Stellung derjenigen befestigt werden könne, die die Gefahr von der Linken her erkennen wollen.

Das Dynamitattentat vom Sonntag hat auch auf die Deputirtenkammer insofern eine Wirkung ausgeübt, als sie fich infolge dessen veranlaßt gesehen hat, die Berathung des Gesehes gegen die Urheber von Eigenthumsbeshädigungen durch Sprengstoffe zu beschleunigen. Die Dringlichkeitserklärung

ür das Geseg, das die Todesstrafe für den Urheber festsezt, zugleih aber bestimmt, daß die Angeber straffrei bleiben sollen, wenn eine Denunciation

vor der Ausführung des Verbrechens erfolgt, wurde in der gestrigen Sizung ohne Debatte angenommen. Außerdem brachte der Deputirte für Paris Emile Ferry den Antrag ein, nah welchem der Staat für alle durch Dynamitattentate verursahten materiellen Schäden aufzukommen hat. Emile Ferry beantragte die Dringlich- feit der Berathung für diesen Antrag. Der Minister-Präsident Loubet machte verschiedene Vorbehalte hinsichtlih des An- trags und protestirte gegen gewisse Jnsinuationén und Manöver der Presse, welche geeignet Fien, das Anschen der Regierung zu shwächen. Die Dringlichkeit für diesen Antrag wurde mit 252 gegen 244 Stimmen abgelehnt. Der Deputirte Dreyfus beabsichtigt in der Kammer einen Antrag zu stellen, dur welchen die Regierung aufgefordert wird, die Fabrikation und den Verkauf von Dynamit allein zu über- nehmen.

In der gestrigen Sißung des Municipalraths wies der Polizei-Präfect Lozé gegenüber einer Jnterpellation wegen der jüngstèn Dyanmitexplosionen darauf hin, daß die Urheber

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des Dynamitdiebstahls und die Urheber Attentate auf dem Boulevard St. Germain bis Sur es verhaftet worden seien. Was die Explosion it der Rue Clichy angehe, so sei den Miethern des betreffenden Hauses vorher keinerlei Drohung zugegangen, es sei deshalh auch kein Grund vorhanden gewesen, einen besonderen Ueber- wachungsdienst in Erwägung zu ziehen. Der Polizei-Präfect fügte hinzu, es seien ihm jeßt die erforderlichen Mittel für einen derartigen Ueberwachungsdienst zur Verfügung gestellt worden.

Die Behörden sowie mehrere Jngenieure durdsuchen im

fegenwärg ie Trümmer des von der Dynamitexplo

er Rue Clichy heimgesuhten Hauses. Bisher wurden kleine: Stahlsplitter gefunden. Arbeiter sind damit beschäftigt, das. Haus zu stüßen. Die Nahforshungen der Polizei nah dem Urheber der Explosion wurden die ganze Nacht fort- geseßt, ohne jedohch ein ernstlihes Resultat zu er- zielen. In Saint-Denis wurden gestern von der Polizei zwei Anarchisten verhaftet. j

__ Der Senat beschloß gestern, wie „W. T. B.“ berichtet bei Berathung des Gesehentwurfs zur Bes der täglichen.

Arbeitsdauer für Frauen und ädchen in den Fabriken mit 138 gegen 100 Stimmen, daß die Arbeitszeit

der Frauen und der Mädchen über 18 Jahre höchstens-

11 Stunden betragen solle.

Die Deputirtenkammer trat im weiteren Verlaufe der gestrigen Sißung in die Berathung mehrerer Nachtrags- credite für verschiedene Ministerien ein. Poincaré, Republi-

kaner, wandte sih gegen die übertriebenen Credite, die von

dem Kriegs-Ministerium gefordert würden, während die Lage keineswegs beunruhigend sei: er {lug der Kammer vor, diese Credite zu ermäßigen. den Ministerien des Jnnern, der Finanzen und der Colonien verlangt werden, wurden genehmigt. Pelletan be- antragte, mit Rücksiht auf die Wichtigkeit der Frage die Be- rathung der vom Kriegs-Ministerium geforderten Credite bis ged der Kriegs-Minister de Freycinet verlangte ofortige Berathung, die Kammer beschloß jedoch mit 280 gegen 252 Stimmen die Vertagung bis heute.

Nußland und Polen.

Der Präsident des Minister - Comités Bunge, dessen

Erkrankung bereits gemeldet wurde, leidet, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg erfährt, an Lungenentzündung. __ Der Erbauer der Us furi-Bohn, Ingenieur Urssati, ist am 24. d. M. nah Odessa abgereist und begiebt sih von dort nah Wladiwostok. Der Bau der Bahn gerieth, der „St. Pet. Ztg.“ zufolge, zeitweilig ins Stocken infolge er großen Schwierigkeit, das erforderliche O aus Sibirien herbci- zuschaffen. Binnen kurzem sollen die Arbeiten an der Kos- low-Ssaratow-Bahn beginnen; über die Wolga soll eine Brücke gebaut werden. Ferner gedenkt das Com- munications-Ministerium im Frühjahre die Regulirung des Don und seiner Nebenflüsse zu beginnen. Wie das ge- nannte Blatt hört, hat si eine franzöfische Compagnie bereit erklärt, ein neues Wasserverbindungssystem zwischen dem Donez. und der Oka anzulegen. Es soll eine neue Schiffahrts- linie längs dem Donez, dem Oskol und der Ofa organisirt werden, wobei leßtere mit dem Oskol durch einen neuen Kanal verbunden werden sol. Der Verkehr soll auf Dampfern von amerikanischem Typus stattfinden.

Nach Meldung aus Witebsk sind von den Anstiftern der Ausschreitungen und Plünderungen, die im vorigen August bei der Beförderung von Getreide nach den Nothstandsdistricten stattfanden, sowie von den Theil- nehmern daran nunmehr drei Angeklagte, gegen welche die Unter- suchung bei dem Bezirksgerichte geführt wurde, durch die Geschworenen freigesprohen worden. Von 49 in derselben Angelegenheit dem Friedensrichter über- wiesenen Personen wurden 11 freigesprochen und 34 zu Arrest von drei Wochen bis drei Monaten verurtheilt. Vier Angeklagte waren nicht erschienen. Gegen eine andere Anzahk von Personen, die bei denselben Excessen betheiligt waren, soll im April vor dem Appellationshof verhandelt werden.

__ Der General-Gouverneur von Turkestan soll, wie die „Mosk. Ztg.“ wissen will, die Befugniß erhalten, solhe Ausländer, die sih dort als shädlih oder gefährlich erweisen, aus diesem Gebiet auszuweisen.

Ftalien.

Die mit großer Spannung erwartete Debatte über die Eisenbahnvorlage hat, wie hon gemeldet, dem Mini- sterium Rudini ein neues Vertrauensvotum seitens der Deputirtenkammer eingetragen. Denn die am Sonn- abend vorgenommene geheime Abstimmung ergab für die Vorlage die bedeutende Majorität von 175 gegen 20 Stimmen. Wie {hon in Nr. 58 d. Bl. dargelegt wurde, mindert der Gesezentwurf die Ausgaben für neue

Eisenbahnbauten ganz erheblih herab und berührt daher

vielfach locale Jnteressen. Aus diesem Grunde wurde er von der Opposition lebhaft bekämpft, die ihrer ablehnenden Hal- tung auch dadurch Ausdruck gab, daß sie den Beschluß der Kammer, die Frage noch am Sonnabend zu erledigen, zum Dora nahm, um vor der Abstimmung den Saal zu verlassen.

Spanien.

Die Königin-Regentin hat gestern den neu ernannten

großbritannishen Botschafter Sir Drummond Wolff in Antrittsaudienz empfangen. Wie dem „W. T. B.“ aus Madrid berichtet wird, wurden bei dem Empfange sehr herzliche Worte ausgetauscht. Die Nede des Botschafters gab den Wünschen für das Wohlergehen des Königs, der Königlichen Familie und der spanischen Nation, sowie der Hoffnung Ausdruck, daß

die guten Beziehungen O beiden Ländern, welche"

sich auf gegenseitige Jnteressen gründeten, dazu beitragen würden, den allgemeinen Frieden zu befestigen.

Die seit längerer Zeit leidende Herzogin von Mont- pensier wurde laut Meldung aus Madrid gestern von einem ziemlich bedenklihhen Ohnmachtsanfall heimgesucht.

Schweiz.

Zur Lage der shweizerish-italienischen Handels- vertrags - Unterhandlungen verlautet nah neueren Depeschen der „Frkf. Ztg.“ aus Rom: es würden wahrscheinli in den nächsten Tagen mündliche Besprehungen stattfinden, um die leßten Schwierigkeiten zu beseitigen, die dem Abschlusse des Vertrages entgegenstehen. E S

In dem de GeA Konsulat in Zürich ist in der

‘Nacht vom Donnerstag zum Freitag v. W. ein Einbruch-

der :

Die Credite, die von:

E Zorden Dis Diebe jollen der „N. Zür. yerúübt worden e Die E L er Zürch

Geld und den Konsulatsstempel

entwendet haben. Sie erklommen die a und drückten

.“ zufolge 29 aßpapiere l . erste ge U ie beiden großen Fenster ein, wobei sie sich, nach den Blutspuren zu schließen, stark ver- lezten. Bisher nahm man an , daß Socialdemokraten oder Anarchisten die Thäter seien; nah einem der Bundesanwalt- schaft zugegangenen amtlichen Bericht liegen jedo hierfür bisher feine Anhaltspunkte vor, vielmehr scheint man es mit gewöhnlichen Dieben zu thun zu haben.

Griechenland.

Das griehishe Ministerium hat sich, wie Wolff's Burcau aus Athen erfährt, in leßter Zeit mit der Berathung von Maßnahmen beschäftigt, welche eventuell gegen das Organ des früheren Minister : Präsidenten Del yannis, die Zeitung „Proia“, wegen deren antidynastischer Haltung zu ergreifen wären.

E Rumänietì Die xrumänishé Regierung hat nah einem Telegramm

der „Köln. Ztg.“ sämmtliche verdächtigen bulgarischen Flüchtlinge auffordern lassen, Rumänien zu verlassen.

Amerika.

Zur Beringsmeer-Angelegenheit wird dem „Wolff- hen Bureau“ aus Washington O daß sih der Prä- sident Harrison über die leßte Antwort des englischen Premier-Ministers Marquis von Salisbury (vergl. die gestrige Nummer d. Bl.) e befriedigt geäußert und der Hoff- nung Ausdruck Legen habe, es werde dadurch eine baldige Verständigung herbeigeführt werden. :

In Argentinien hat die radicale Partei, wie der „Times“ aus Buenos Aires gemeldet wird, gedroht, sie werde bei der bevorstehenden Präsidentenwaht an die Waffen- gewalt appelliren.

Asien.

Nach über San Francisco aus Shanghai eingegangenen Meldungen des „W. T. B.“ sollen während des leßten Auf- standes in der Mongolei fast 8000 Aufständische mit dem Schwerte getödtet und 500 lebendig verbrannt worden sein. Im Ching-Chang-Gebiet wären 1300 Rebellen den Kaiserlich Sineiiihen Truppen in die Hände gefallen : 800 Feien niedergemeygelt, die übrigen verbrannt worden.

Parlamentarische Nachrichten.

Jn der heutigen (206.) Sißung des Reichstags, welcher“

die Staatssecretäre Dr. v'on Boetticher, Freiherr von Malgahn und Hollmann sowie der Königlich preußische Kriegs-Minister von Kaltenborn beiwohnten, wurde die dritte Berathung des Entwurfs eines Geseßes, be- treffend die Feststellung des Reichshaushalts - Etats für das Etatsjahr 1892/93, in Verbindung a. mit der dritten Berathung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine und der Neichseisenbahnen, und in Verbindung mit b. der Be- rathung des mündlichen Berichts der Commission für die Petitionen, betreffend die Erhöhung des Tabackzolls (Bericht- erstatter: Abg. Rimpau) beim Etat für die Verwaltung der Kaiserlihen Marine fortgeseßt.

Bei diesem Etat wurde zunächst folgender Antrag der

Abgg. Dr. Lingens (Centr.) u. Gen. behandelt: i Der Reichstag wolle beschließen: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, darauf hinzuwirken: daß den Offizieren und Mann- schaften des Neichsbeeres und der Kaiserlichen Marine an O niht nur möglihste Ruhe verschafft, sondern auch Zeit gelassen werde, soweit der Dienst es mcht verbietet, regelmäßig am Morgen-Gottesdienst theil zu nehmen.

Abg. Dr. Lingens (Centr.) begründete seinen Antrag damit, daß man auch bei der Arbeitershußgeseßgebung die Sonntagsruhe geregelt habe: dasselbe müsse auch für Heer und Marine Geber, da die militärishe Kirhenordnung .von 1832 veraltet sei. E E

Commissar des Königlich preußischen Kriegs-Ministertums, General-Lieutenant von Spit erwiderte, daß dasjenige, was die Resolution verlange, schon jeßt geshche auf Grund einer Garnisonvorschrift von 1888, welche dic Kirchenordnung von 1832 ergänzt habe. |

Staatssecretär Hollmann führte aus, daß au bei der Marine {hon alles Nöthige geschehen sei, um sicherzustellen, was die Resolution wünsche.

L Das Ordinarium des Marine-Etats wurde darauf be- willigt. i;

Bei den einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats der Marineverwaltung f t A die Abgg. Freiherr von Manteuffel (cons.), Graf von Behr (NRp.), Dr. von Bennigsen (nl.) und Ginossen, die in zweiter Berathung gestrihene Forderung von zwei Millionen Mark als erste Rate zum Bau der Kreuzer-Corvette K unverändert zu bewilligen. / s

Abg. Freiherr von Manteuffel (cons.) begründete den Antrag damit, daß es sich niht um eine Beseitigung der Kreuzer-Corvette K selbst handele, wenn der Antrag abgelehnt werde, die Forderung würde doch immer wieder gestellt werden müssen; durch die Verschiebung auf spätere Zeit würde atfo nur eine geringe Zinsensumme erspart. Dagegen würde die sofortige Bewilligung der herrschenden Arbeitslosigkeit steuern.

Abg. Dr. von Bennigsen (nl.) spra sich ebenfalls für den Antrag mit denselben Gründen aus. L: E

Abg. Graf von Ballestrem (Centr.) erklärte, daß die Centrumspartei troy der Vertheidigung der Forderung in

ate Lesung dur den Reichskanzler damit, daß die Ab- |

ehnung tausend Arbeiter des „Vulkan“ brotlos machen und dies wegen der in Stettin hon herrschenden Arbeitslosigkeit zu einem großen Unglück führen würde, nah erneuter Berathung auf dem ablehnenden Beschluß der zweiten Lesung beharren müsse und wieder gegen die Forde- rung stimmen werde. Der Bericht des Ober-Präsidenten von Pommern über die Verhältnisse in Stettin hel zu shwarz gefärbt gewesen, Arbeitslo)igkeit herrsche auch an vielen anderen Orten, und das Reich könne nicht einen }o ungewöhnlichen Schritt thun, zu Gunsten eines Ortes Arbeits- gelegenheit auf Reichskosten zu schaffen.

_ Staatssecretär Hollmann betonte nohmals, daß der Bau der Aae A für die Vertheidigung des Landes durhaus nothwendig sei und die verbündeten Regierungen

en größten Werth darauf legten, daß der Bau

sofort in Angriff genommen werde. Der Staats- secretär begründete sodann noch aus E e Gründen die Nothwendigkeit der Forderung, namentli unter Hinweis dar- auf, daß eine Anzahl von den vorhandenen Kreuzer-Corvetten wegen Unbrauchbarkeit auf dem Aussterbeetat ständen. Abg. von Kardorff (Np.) brachte den von fünfzig Mitgliedern des Hauses E Antrag auf namentliche Abstimmung über den Antrag Manteuffel ein.

Abg. Dr. Barth d sprah sich gegen die Forderung

aus, die seine Partei ablehnen werde. | E Abg. Graf von Arnim Cp.) sprach die Zustimmung seiner Partei zu dem Antrage Manteuffel aus.

Abg. Dr. Dohrn (dfr.) erklärte sih gegen den Antrag. Der Ober-Präsident von Pommern sei über die Arbeiter- verhältnisse nicht richtig unterrichtet gewesen; von einem wirk- lihen Nothstand könne keine Rede sein, denn der „Vulkan“ habe noch bis in den Sommer hinein Beschäftigung.

Abg. von Kosciels ki (Pole) sprah im Namen feiner Partei für den Antrag Manteuffel.

Abg. Riert (dfr.) erklärte sich gegen den Antrag und legte dagegen Verwahrung ein, daß die Gegner der Forderung der gun tlihen Wehrlosmahung des Vaterlands beschuldigt würden.

Die Abgg. von Henk (cons.) und Freiherr von Stumm (Rp.) sprachen für den Antrag Manteuffel. (Schluß des Blattes.)

Jn der heutigen (8.) Sißung des Herrenhauses- welcher der Vice-Präsident des Staats-Ministeriums, Staats- Minister Dr. von Boetticher, der Minister des Jnnern Herrfurth, der Justiz-Minister Dr. von Schelling, der Finanz-Minister Dr. Miquel, der Minister für Land- wirthschaft 2c. von Heyden, der Minister der öffent- lden Arbeiten Thielen und der Minister der geist- lihen u. \. w. Angelegenheiten Dr. Bosse beiwohnten, wurden die Geseßentwürfe 1) zur Ergänzung der Gesetze betreffend das Ruhegethhalt der emeritirten Geistlichen vom 15. März 1880 und betreffend die Fürs He für die Wittwen und Waisen der Geistlihen der evan- elishen Landeskirhe in den neun älteren D costngen der Monarchie, vom 15. Juli 1889 und 2) betreffend die Sterbe- und Gnadenzeit bei Pfarr- stellen, sowie die kirhliche Aufsiht über die Ver- mögensverwaltung der Kirchengemeinden inner- halb der evangelishen Landeskirche der älteren Provinzen der Monarchie gemäß dem Antrage des Berichter{tatters, Wirklichen Geheimen Raths von Kleist- Net ow in der vom Hause der Abgeordneten beschlossenen Fassung in einmaliger Schlußberathung ohne Discussion angenommen. Üeber die Petition der Wester- und Lintelermarscher Deichacht um Einstellung eines ihr als Darlehn zu gewäh- renden Betrages von 1161 000 F in den Staatshaushalts- Etat für 1. April 1893/94 behufs Besteinung des in der genannten Deichacht belegenen Seedeiches beantragte der Be- richterstatter h Etat und für Finanzangelegenheiten, Ober-Bürgermeister Zweigert zur Tagesordnung überzugehen. Hierzu erklärte der Finanz-Minister Dr. Miquel, die über Erwarten große Mehreinnahme aus der Einkommensteuer beweise die Noth- wendigkeit der Steuerreform, um die bestehende Doppel- besteuerung im Staate zu beseitigen. Wenn der Staat die Realsteuern der Gemeinde überlasse, müsse «eine Neform der Gemeindebesteuerung vorangehen. Jn der Form der Erhebung der Realsteuern könne den Ge- meinden volle Freiheit gelassen werden, nur müsse das rithtige Verhältniß zwischen Personal- und Realsteuern festgeseßt werden, damit nicht zu hohe Zuschläge zur Personalsteuer dieje Staats- steuer wieder demoralisirten. o

Das Haus beshloß gemäß dem Antrage der Commission.

Darauf wurde die Béraintna des Staatshaushalts-Etats E 4 d bei der Specialberathung fortgeseßt. (Schluß des Blattes.

Der Nachtrags - Etat über die strategischen Bahnen ist gestern Abend von der Budgetcom mission des Rei hs- tags gegen zwei Stimmen (Socialdemokraten) angenommen worden.

Die Wahlprüfungscommission des Neichstags beantragt, die Wahl des Abg. Lucius im vierten Wahlkreise des Regierungsbezirks Erfurt, über die in der Sißung vom 11. April 1891 die Entscheidung bis zum Eingang weiterer Ermittelungen ausgeseßt war, nunmehr für gültig zu erklären, dagegen die an demfelbeu Tage ausgeseßte Beschlußfassung über die Wahl des Abg. von Meyer- Arnswalde im ersten Wahlkreise des Regierungsbezirts Frankfurt noch ferner auszusetzen, um die Ermittelungen zu vervollständigen.

Nr. 13 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen AÄr- beiten, vom 26. März, hat folgenden Inhalt: Villencolonie Grune-

wald bei Berlin. 11. Villa in der Herthastraße. Landungëéstelle für Kaiserliche Salondampfer bci Spandau. Arbeitsbild einiger Hauptarten des Schnellbremsventils für die Einkammer-Luftdruck- bremse. Anordnung größerer Vershubbahnhöfe. Vermischtes : Neubau des Domes in Berlin. Genehmigung und Untersuchung

der Damvfkessel. Einführung einer Einheitszeit in Deutschland. Wettbewerb um einen Entwurf für die Canalisation von Sofia in Bulgarien. Bau der - Chignecto Schiffseisenbahn. Paul Srchachert 7.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die in Verfrahtungsbedingungen der Transportgesell-

]| schaften enthaltene Bestimmung: „Hat der Frachtführer laut befon-

derer Vereinbarung oder laut Havarie-Reglement die Haftung für Havarieschäden nit übernommen, so ist jede Haftverbindlichkeit desfelben, sie mag aus Ursachen erfolgt sein, aus welchen sie will, ausgeschlossen“ befreit, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, 1. Civilsenats, vom 13. Januar 1892, den Frachtführer nicht von der Haftung für eigenes grobes Versehen bezw. für das grobe Versehen seines Vertreters.

Die Verpflichtungen des Committenten gegen den Commissionär zur Erstattung von Auslagen, Vergütung für Arbeitsleistungen und Bemühungen u. dgl. m. sind, nah einem Urtheil des Reichsgericht, I. Civilsenats, vom 16. Januar 1892, regelmäßig am Orte der Handelsniederlassung des Committenten zu erfüllen und demgemäß au bei dem Gerichte dieses Ortes ein- zuflagen. Verfolgt aber dic Klage niht nur Ansprüche aus Com- missionsgeschäften, sondern auch Ansprüche aus einem längeren Geschäftsverkehr, welcher hauptsählich nach Art des Giro- verkehrs in Einzahlungen bei dem Banquier und in Auszahlungen für den Committenten gegen Checks desselben bestanden hat, so bildet

der Commission für den Staatshaushalts: -

regelmäßig die Handelsniederlassung des Banquiers den Erfüllungsort, an welchem die Ansprüche des Banquiers gegen seinen Committenten auf Einzahlung behufs Ergänzung des Guthabens einzuklagen find.

Kunft und Wissenschaft.

Die Müncheuer „Allgemeine Zeitung“ veröffentliht fol- genden Briefwechsel: :

1) Professor Theodor Mommsen an den Geheimen Ober-Regierungs-Rath und vortragenden Rath im Ministerium der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Althoff in Berlin:

„Charlottenburg, 11. März 1892. Hochgeehrter Herr Geheimer Rath! :

Sie legen mir die Frage vor, wie, ih persönlich mich zu der etwaigen vreußishen Berufung des Herrn von Cohausen in die Neichs- Limes-Commission stellen werde. S ;

Ich darf daran erinnern, . daß ih, als mir bei der im Jahre 1890 in dieser Angelegenheit nah Heidelberg zu berufenden Conferenz die Ehre erwiesen wurde, wegen der Auswahl der für Preußen zu bezeichnenden Persönlichkeit befragt zu werden, Herrn von Cohaufen dafür in Vorschlag gebraht habe und daß, wenn dieser, und wohl das Publikum überhaupt, seine Nichtberufung auf mi zurükführt, die öfentlihe Meinung hier wie so oft das Gegentheil des Nichtigen annimmt. Es war damals im Ministerium maßgebend, daß es bet dieser Conferenz niht so sehr darauf ankomme, die An elegenheit in ershöpfender Weise sachlich zu erörtern, als dem lebhaften und allgemeinen Wunsh nach elner solchen abs{hließenden Erörterung in möglihst autoritativer Weise Ausdruck zu geben. Dies hatte die Vertretung der beiden Akademien von Berlin und München sowie die des Großen Generalstabs veranlaßt, und es beruhte lediglih auf der Entschließung des Ministeriums, daß; der alleinige Vertreter, auf welchen die preußisdhe Regierung sich glaubte beshränken zu müssen, der rheinishen Universität entnommen wurde, damit auch deren Stimme in dieser unser Rheinland fo nahe berührenden Angelegenheit: zur Geltung komme. Ich habe dann weiter bewirkt, daß der neben Herrn von Cohausen die Naffsauer Untersuchungen führende Forscher Herr Jacobi an der Conferenz selbst mit berathender Stimme zu=« gezogen wurde, eine Theilnahme, welche man Herrn von Cohaufen felbstverständlih nicht antragen durfte. L L

Meinen wissenschaftlichen Bedenken gegen Herru von Cobausen's Arbeiten babe ih, lange che an die Limescommission edaht wurde, öffentlih Ausdruck gegeben, und als s fürzlih im Reichstag der „Un« dankbarkeit“ gegen diesen Forscher beschuldigt wurde, nit umhin ge-

fonnt, mein früher ohne Motivirung ausgesprochenes Urtheil zu bes gründen. Aber ih habe nie verkannt, daß Herr von Cohaufen, nicht janz mit Recht, aber auch nit ganz mit Unrecht, dem Publikum zux, Zeit als die. erste Autorität auf diesem Gebiete gilt und daß es insofern nahe lag, ihn in die Conferenz zu bes rufen. Ih persönlich würde weder damals Bedenken gehabt baben, mit Herrn von Cohausen gemeinschaftlih diese Angelegenheit zu behandeln, noch habe id jetzt ein solhes Bedenken; wenn wissen- \haftlite Differenzen das Zusammenwirken bei gemeinjamen De- rathslagungen verhinderten, fo würden zahlreihe Commissionen und alle Akademien unmöglich werden. d L 3

Demnach erwidere ih auf Ihre Frage ergebenst, daß, wenn Herr von Cobausen in die Reics-Limes-Commission berufen werden sollte, ih die von der Akademie mir zugedachte Vertretung: in derselben darum feineëswegs ablehnen werde. Erwünscht aber wäre es- mir, wenn gegenüber den irrigen Anschauungen des Publikums: meine thatsählihe Stellung zu dieser Angelegenheit demjelben. zur Kunde- gebracht würde.

In vorzüglicher Hochachtung öIhr ergebenster Mommsen.“

9) Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Althoff an Professor Theodor Mommsen:

„Berlin, 15. März 1892: Hochgeehrter Herr Profeffor!

Auf die gefällige Zuschrift vom 11. d. M. erwidere ih. Ihnen: ergebenst, daß die thatfächliche Darlegung, welche Sie über die Be- rufung der Heidelberger Limes-Conferenz geben, dem acteumäßigen Thatbestande durchaus entspricht und pel die von Ibnen angeregte Veröffentlichung auch mir um so unbedenklicher erscheint, als dieselbe boffentlih einer Verständigung unter den Freunden des großen Unter- nehmens förderlich scin wird.

In vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Althoff:

In der gestrigen, anläßlich des Stiftungstages abgehaltenen Festsißzung der Königlih bayerishen Akademie der Wissenschaften, der auch der Cultus-Minister Dr. von Müller beiwohnte, widmete, wie dem „W. T. B.“ aus München berichtet wird, der Präsident Professor von Pettenkofer nach Eröffnung der Sitzung zunächst dem verstorbenen Chrenmitgliede Dom Pedro von Brasilien einen anerkennenden Nachruf, während seitens der Secretäre für die verschiedenen Klassen der Akademie der übrigen in diesem Jahre verstorbenen Mitglieder ehrende Erwähnung geschah. Hierauf hielt Director Seeliger die Festrede, welche die allgemeinen Probleme der Mechanik des Himmels behandelte.

Die Goethe-Gesellschaft hält ihre diesjährige Gencral- versammlung am 11. Juni in Weimar ab. Es mag daran erinnert sein, daß Anträge, die dabei zur Berathung kommen sollen, ses: Wochen vor dem 11. Iuni an den Vorstand der Gesellshaft zu richten sind.

Mannigfaltiges.

Hamburg. Zum Untergang des Dampfers „Desterr o“ (vergl. Nr. 75 u. 76 d. Bl.) berichten die „Hamb. Nachr." noch, Folgendes: Der Dampfer „Oporto", von Lissabon und Oporto via Rotterdam kommend, fuhr am 23. d. M. Nachts in dichtem Nebel, sodaß er fortwährend Signale gab. Gegen 35 Uhr Morgens hörte man die fu en zweier anderer Dampfer. Alle drei Dampfer ant- worteten beständig mit der Dampfpfeife. Etwa um 4 Uhr gewahrte man durch den Nebel plößlich die Nothsignale eines der beiden Dampfer. - Der „Oporto“ hielt, dem Scheine der Signale folgend, fofort auf den Dampfer ab. Als man bis auf Sprehweite herangekommen war, hörte man auch deutlih Angstrufe von Frauen und Kindern. Capitän Swan vom „Oporto“ rief nah dem betreffenden Dampfer, der in- zwischen als der „Desterro*“ erkannt war, hinüber, ob er Beistand nöthig habe, was bejaht wurde. Kurz darauf kam dann ein Boot vom „Desterro" mit einem Offizier längsseit und ersuchte den Capitän des „Oporto“, in der Nähe zu bleiben, da der „Desterro" schnell sinke. Es stellte sih jeßt heraus, daß der leßtere Dampfer von dem

ampfer „Indra“, Capitän Payne, auf der Fahrt von Hamburg nad Cardiff, angerannt worden war. Die „Indra“ hatte den „Desterro“ mit großer Wucht an der Steuerbord- seite getroffen, und der gerade Steven der „Indra" hatte tief in den „Desterro“ hineingeshnitten, wodurch ein furcht- bares Loch vperursacht war, infolge dessen das angerannte Schiff sich {nell füllte. Es ist als ein Glück zu betraten, daß die Reisenden rößtentheils an der Backbordfeite scliefen, sonst wären unzweifelhaft Mensenlelson verloren. gegangen. Die „JIndra" war bald, nahdem die - beiden Schiffe von einander freigekommen waren, wieder im Nebel vberschwunden. Etwa zwei Stunden nah dem Zufammenstoß flärte sich das Wetter ‘auf und gewahrte man auf dem „Oporto“ die in der Nähe verbliebene „Indra“, die fis erstexem Schiff näherte. Man theilte mit, daß das Schiff sehr s{chwer beschädigt sei, namentlich sei der Ba vollständig eingedrückt; bald darauf seßte die „Indra*“ ihre Fahrt fort, vermuthlih um