1892 / 102 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 29 Apr 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Reichskanzler von Centrums Gnaden u. \. w. Seine are habe Feine Veranlassung, till zu fein. Sie sei ih bewußt, daß ihre Ge- sinnungsgenossen seit langen Jahren hier seien, daß sie manchen Mi- nister hatten vorübergehen sehen. Die Regierung solle sih sagen, daß es doch wohl niht unwichtig sei, von einer ]o hen Partei unter- stützt zu werden. Denn das übrige Rechencrempel für die Mehrheit sei ein so schwankendes und werde nah den nächsten Wahlen vielleicht anders aussehen als jeßt. Seine Partei habe also ein gewisses Selbst- bewußtsein, und man könne es ihr niht übel nehmen, wenn fie auch der Regierung gegenüber das zum Ausdruck bringe. Das Schulgefetz abe immerhin die Bedeutung, daß es ein Bollwerk gewesen sein würde zum Schuße der crist- lichen Ans{auungen im Volk, in der Gesellshaft und im Staate. (Zustimmung rechts.) Deshalb bedauere seine Partei, daß es nit errihtet sei. Wenn er dem abgetretenen Minister den Ausdruck des Vertrauens nachgerufen habe, so solle man daraus nicht \{licßen, daß das Centrum den neuen Ministern Miß- trauen entgegenbringe. Der neue Cultus-Minister habe bereits im Sédrenhause seinen Standpunkt charakterisirt. Die Anerkennung, die er im Herrenhause gefunden, fei ihm in weiten Kreisen im Lande zu theil geworden. Seine Worte hätten wirklich beruhigend gewirkt bei allen Freunden des Schulgeseßes. (Zustimmung rechts.) Der Minister-Präsident habe keine Gelegenheit genommen, sich über das Schulgesez zu äußern. Er habe sich bloß negativ eingeführt. Er (Redner) möchte aber indirect das Vertrauen, was er auch ihm ent- gegenbringen möchte, dadurch rechtfertigen, daß er sich sage: Die beiden Herren, der Cultuës-Minister und der Minister-Präsident, seien zusammen in das Ministerium eingetreten. Er könne si nicht denken, daß der Cultus-Minister, indem er jene Worte gesprochen, nicht die Ueberzeugung gehabt habe, daß er damit nicht in Widerspruch mit dem Minister-Präsidenten gestanden habe. Es thue ihm leid, daß er den streng avodictish hingestellten Säßen des Minister-Präsidenten gegenüber die dieser vor Ostern hier ausgesprochen habe, seine Ansichten etwas deutlich aus\preWen müsse. Der Minister-Präsident habe darauf hingewiesen, daß es sich gezeigt habe, daß die beiden Stellen nicht wobl in einer Hand zweckmäßig bleiben könnten, daß dies die Kräfte eines Mannes aufreiben müsse. Als ob etwa gar nichts vorgefallen sei! Er habe weiter gesagt, bei den Erörterungen hier im Hause und im Lande feien sehr scharfe Gegensäße hervorgetreten, die sich bisher un- vermittelt gegenüber gestanden hätten. Glaube er denn, daß diese Gegensäße durch die Zurücfßziehung der Vorlage vermittelt werden fönnten, in einem Augenblick, wo die Socialdemokratie immer mehr zunehme, wo der Unglaube, die sog. Cultur (Lachen links) sich breit mache? Der Staat müsse den Kampf gegen den Unglauben führen, wenn er nicht in den wesentlihsten Eigenschaften sich selbst aufgeben wolle. (Zustimmung *im Centrum und rechts.) Das Volksschulgese

würde in diesem Betracht eine Fahne gewesen scin, um die sich alle Freunde der hristlihen Schule hätten shaaren können, und dann würde man erst haben sehen fönnen, wer die Majorität im Lande habe. (Abg. Rickert: Lösen Sie doch auf!) Er habe nicht auf- zulöfen. Seine Partei komme wieder, was aber rechts und links wiederfomme, das wisse man nicht. Die Commission solle nit zur Verständigung geführt haben! (Zuruf links: Schr richtig!) Sehr unrichtig! Was gehört zur Verständigung ? Eine ?2/4- oder 5/6: Mehr- heit? Die Landgemeindeordnung sei gegen die Stimmen der Con- servativen angenommen worden mit einer nit erheblichen Mehrheit. Auch das Einkommensteuergeseß sei in vielen Bestimmungen mit ge- ringer Mehrheit angenommen worden. Man bekomme eben den Eindruck, daß es bei manchen Vorlagen heiße: Wenn ich nur über- haupt die Mebrheit habe; bei anderen Vorlagen aber: Ih muß eine gewisse Mehrheit haben . . mit den Mittelparteien, nicht wahr ? (Heiterkeit.) Wer seiner Sanel die Verständigung mit den Mittel- parteien zumuthe, muthe ihr zu, ihre eigenen Grundsäße aufzugeben. Bezüglich der Zustimmung des Centrums sei man sonst nit fo \dwierig gewesen. Die Landgemeindeordnung, die Handelsverträge seien nur dur das Centrum zur Annahme gebraht worden. (Zu- stimmung rechts.) Troy mancher Bedenken sei das Centrum bereit gewesen, Alles zu thun, um das Schulgeseß zu Stande zu bringen; und die Conservativen hätten wohl dieselbe Ab- iht gehabt. (Widerspruch bei den Freiconservativen.) Gr bätte allerdings die Erklärung des Herrn von Nauchhaupt etwas \{ärfer gewünscht. Das Bedenken bezüglich der Privatschulen hâtte man wohl zu beseitigen vermoht; auch an den 9 Millionen würde das Gefetz nicht gescheitert sein. Die einzige Differenz fei bezüglich der Dissidentenkinder gewesen, wo die Conservativen von der Vorlage ab- gewichen seien; das könne doch aber niht der Grund der Nicht- verständigung sein. Wenn man lediglich dahin trachte, daß den Kin- dern nur möglichst wenig Religion beigebracht werde, dann fei aller- dings eine Verständigung niht möglich. Ohne Religion fei keine Cultur mögli. Die Vorgänge in Paris seien die höchste Uncultur. Was der Minister-Präsident gesagt habe, stehe also mit den Thatsachen in vollstem Widersvruh. Er glaube aber die Hoffnung aussprechen zu dürfen, daß, wenn auch das Volksschulgeseß zurück- gezogen sei, doh der Minister-Präsident und das Staats- inisterium im christlih-conservativen Geiste die Leitung der Schule weiter führen würden. Seine Partei werde unter allen Umständen das Recht auf religiösen Unterricht in der Schule verlangen und weiter dafür kämpfen, und se hoffe dabei auf Gott und das fatholishe Volk. (Lebhafter Beifall im Centrum.)

Präsident des Staats-Ministeriums, Staats-Minister Graf zu Eulenburg:

Meine Herren! Es hatte in meiner Absicht gelegen, in den Fragen, welche die Schulgeseßgebung betreffen, dem Herrn Cultus- Minister nicht vorzugreifen. Die leßte Rede nöthigt mih aber, auf diesen Gegenstand mit einigen Worten zurückzukommen, zwar nicht in Beziehung auf seinen eigentlichen Inhalt, aber in Beziehung auf den Verlauf, den die Sache genommen hat, und in Beziehung auf die Erklärung, die ich vor einem Monat hier vor Ihnen abgegeben babe. Meine Herren, ih bitte Sie, Folgendes in Betracht zu ziehen. Als der Herr Cultus-Minister und ih in das Amt traten, da war das Volfsschulgeseß bereits in eine Lage gerathen, daß es sich kaum mebr um eine weitere Berathung desselben handeln konnte. (ODho! rechts und im Centrum.) Meine Herren, ih glaube nicht, daß ich damit etwas sage, was irgendwem zu nahe tritt. Nachdem der Herr Cultus-Minister Graf Zedlitz seinen Abschied genommen hatte, konnten Sie nit erwarten, daß irgend ein Cultus-Minister, und wenn er sonst noch fo sehr mit dem Grafen Zedlitz übereinstimmte, ohne weiteres in die weitere Berathung dieses Geseßentwurfs würde eintreten fönnen. Das war die Situation, in der wir in unser Amt traten. Wenn ich also die Erklärung abgab, daß die Königliche Staatsregierung auf die weitere Berathung des Geseßes fein Gewicht lege, so war das nichts als das Facit aus der vorhandenen Situation, an deren Herbeiführung wir in keiner Weise mitgewirkt hatten. Ich glaube also, daß es nicht zutreffend is, wenn man uns daraus einen Vor- wurf macht und nun zu deduciren versucht, daß die Erklärung, die ih hier abgab, den Thatsachen niht entspreche.

Der Herr Freiherr von Huene hat vielleicht niht mit Unrecht bei dieser Gelegenheit die Frage aufgeworfen wiewohl ih geglaubt hätte, daß dies aus meiner Erklärung sih von selbst beantwortete —: was denn in diesem Fall unter Verständigung gemeint sei. Nun, meine Herren, ih weiß so gut wie Sie Alle, daß bei großen Gesetzen ‘die Fragen schließlich nur dur Abstimmung entschieden werden fönnen, sowohl im einzelnen wie im ganzen. Es giebt aber Fälle und ein solcher is bei diesem Volksfhulgeseß nit zum ersten Mal eingetreten —, wo man si die Frage vorlegen muß, ob, wenn die

Entscheidung demnächst durch Abstimmung erfolgt, ein Ergebniß dar- aus erzielt wird, mit dem man zufrieden sein kann wie ih mi damals ausdrüdte: ein befriedigendes Ergebniß. Meine Herren, die Meinungs- verschiedenheiten im Lande und die Gegensäße werden durch Abstim- mungen nicht ausgeglichen und nicht beseitigt. (Sehr richtig!) Davon bin ih vollkommen durchdrungen : der Kampf wird weiter geführt werden auf diesem Gebiete, so lange ein politisches Leben besteht. Daher ist es für die Staatsregierung von großer Bedeutung, ob, wenn au durch Abstimmung, wenn auch im Fortbestehen der Gegensäße, dur ein großes Gesez ein Ergebniß erzielt wird, mit welchem auch der unterliegende Theil sich zufrieden geben kann, wenigstens einst- weilen. (Bewegung.) Ja, meine Herren, die größten Gesetze, die wir haben, find auf diesem Wege zu stande gekommen; sie haben das Ende der Meinungsverschiedenheiten niht herbeigeführt. Aber sie haben eine Grundlage geschaffen, auf der man leben kann. (Widerspruch.) Meine Herren, wollen Sie das bestreiten? Ich kann es Ihnen nicht verwehren; aber Sie müssen mir erlauben, daß ih die Ansicht hier aus\prehe, von der man bei der Behandlung dieses Gegenstandes aus- gegangen ist. Ihnen bleibt die Kritik; wir haben aber das Recht und die Pflicht, die Ansicht darzulegen, welche hierbei obgewaltet hat. (Sehr richtig! Bewegung.)

Meine Herren, das war die Befürchtung, daß man auf dem Boden des vorliegenden Entwurfs und ih bitte Sie, das fest- zuhalten: ih habe in meiner Erklärung allein von dem vorliegenden Schulgeseßentwurf gesprohen in der weiteren Berathung nicht zu einem Resultat kommen würde, welches in diesem Sinne ein befriedigendes genannt werden könnte. (Sehr rihtig! Widerspruch.)

Meine Herren, das is ein Fall, der jeder Partei und jeder Parteigruppirung gegenüber einmal eintreten kann; er ift auch kein unerhörter. Jch bitte, auf einem verwandten Gebiet Sie an einen Vorgang erinnern zu dürfen, welcher in gleicher Weise aufgefaßt wurde, wenn er au im Ergebniß etwas anders verlief. Jch bitte Sie, sih an die Berathung der Novelle zu den Kirchengeseßen vom Jahre 1886 zu erinnern. Damals sagte Fürst Bismarck im Herren- hause:

Die Regierung muß ih die Aeußerung über die einzelnen Punkte bis dahin vorbehalten, wo sie in der Lage sein wird, zu übersehen, welhes die Gesammtwirkung in allen Parteien des Landes sein wird und bis zu welcher Linie der Concessionen- zu gehen ihr die Majorität des gesammten Landes erlauben wird. Sie wird bis zu dieser Grenze bereitwilligst gehen; es kann aber nit verlangt werden, daß sie sih mit der Majorität aller Parteien in Unfrieden verseßen solle. Nicht an der öffentlihen Meinung, fon- dern an dem Ausdruck der Stimmung des Volks, wie er in den beiden Häusern des Landtags die Möglichkeit hat, sih amtlich zu erkennen zu geben, wird es sein, die Grenzlinie zu bestimmen, bis zu welcher die Staatsregierung gern und bereitwillig gehen wird.

Nun, meine Herren, das is ein Vorgang, der damals gar keinen Anstoß gefunden hat und der damals dazu führte, daß eine Novelle, welche den Frieden weiter anbahnte, zu stande gebraht wurde. Ich habe das nur angeführt, um die Auffassung zu rechtfertigen, von der aus man geglaubt hat, ein befriedigendes Resultat von der Weiterberathung dieses vorliegenden Geseßentwurfs nicht erwarten zu dürfen.

Daß mit der Zurückziehung dieses Gesezeniwurfs ein Präjudiz für die Stellung der Regierung in den s{hulpolitischen Fragen nicht gegeben ist, das, glaube ich, bedarf keiner näheren Ausführung, sondern ist in der Erklärung, die ih damals abgegeben habe, vollkommen deutlich ausgesprochen. (Hört, hört!) Ich habe gesagt, daß die weiteren Schritte auf diesem Gebiete weiterer Erwägung vorbehalten bleiben müßten. Und daß eine folche nähere Erwägung in der That er- forderlih if und niht in der kurzen Zeit abgeschlossen sein fann, die damals vorlag und die bis heute verflossen ist, ich glaube, meine Herren, daß Sie bei einiger Gerechtigkeit das werden zugeben müssen. Nachdem zweimal hintereinander Schulgeseßentwürfe in folche Schwierigkeiten gerathen sind, wie es der Fall war, da ist es doch in der That sehr angezeigt, daß man auf das sorgfältigste überlegt, in welcher Weise dieser Gegenstand weiter zu fördern und zu behandeln ist allerdings nicht, wie der Herr Freiherr von Huene wohl nicht im Ernst andeutete, durch Nichtsthun. Das fällt uns nicht ein. Wir wissen, daß da sehr wichtige Aufgaben zu lösen sind; und wir werden ohne Rast, aber auch ohne Hast an die Lösung derselben herantreten. (Bravo!)

Meine Herren, wenn ih jet auf den Gegenstand übergehe, welcher eigentlih heute hier zur Verhandlung steht, nämlich auf den Nachtrags-Etat, so darf ih mit Befriedigung constatiren, daß sämmt- liche Herren, die bis jeßt gesprochen haben, eine materielle Bemängelung der Sache kaum ausgesprochen haben. Ih glaube daher, daß ich in dieser Beziehung nihts weiter zu sagen brauche.

Um so mehr dagegen ist in Frage gestellt worden, ob die Ein- rihtung, welhe in der Organisation des preußischen Staats- Ministeriums jeßt getroffen is, zweckmäßig sei. Jch möchte zunächst den Herrn Abg. Rickert bitten, von der Ansicht abzugehen, als ob diese Organisation eine provisorishe wäre. Ich glaube auch recht zu verstehen, wenn ih annehme, daß er weniger gemeint hat, es sei diese Organisation eine provisorishe, als es sei feine dauernde; es fönne leiht der Fall eintreten, daß von dieser Einrichtung wieder abgegangen würde. Nun, meine Herren, da kann ih zunähst nur sagen, wie Herr von Huene mehrmals gesagt hat: Abwarten! Das, was die weitere Entwickelung in Zukunft jemals bringen wird, das heute vorauszusagen, ist keiner von uns im stande. Aber ih glaube, meine Herren, daß die getroffene Einrichtung nicht den Keim in sich trägt, eine vorübergehende oder anfehtbare zu sein. Ich glaube Ihnen den Nachweis führen zu können, daß die Ein- rihtung in der That von der Art ist, daß sie, soweit die Trennung des Amts des Minister-Präsidenten von dem des Reichskanzlers in Betraht kommt, in der That die Vorausfeßzung der Dauer in sich trägt.

Sie werden si erinnern, daß zur Zeit, als Fürst Bismarck die beiden Aemter in sich vereinigte, kaum ein Tag, möchte ih sagen, sicher feine Woche verging, in der nicht darüber geklagt wurde, daß alle Einrichtungen des Reichs und Preußens speciell auf diese hervorragende Persönlichkeit zugeschnitten würden, und daß es ganz unmöglich sein würde, daß irgend ein Nachfolger die Aemter vereinigt fortführen könnte, wie er es gethan hat. Nun, meine Herren , dieses damalige Urtheil hatte, wenigstens was die Häufung der Geschäfte und der Verantwortung betrifft, viel für sh, und Sie können daher nicht erstaunen, daß, wenn nunmehr ein Anlaß vorliegt, diese Frage zur

Erörterung zu bringen, sie in der Richtung entschieden wird, daß eine Entlastung der Aemter als nothwendig erachtet wird.

Nun kann man ja sagen, die Sache sei wesentlich eine Perfonen- frage. Davon ist soviel rihtig, daß den Anlaß zu der Erwägung, wie diese Frage zu entscheiden sei, eine Personenfrage gegeben hat ; aber ih bitte Sie doc, die Bedeutung diefer Personenfrage nit zu über-, schäßen. Ich glaube keinen Widerspruch zu finden, wenn ih fage, daß die Zahl der Personen, welche geeignet und geneigt find, das Amt des Reichskanzlers zu: übernehmen, nicht groß ist (Sehr richtig !), und noch mehr glaube ich Ihrer Zustimmung gewiß zu fein, wenn ih sage: es ist dringend erforderli, daß in der Person des Reichs- fanzlers, in dessen Hand die Leitung unserer auswärtigen Politik und unserer Beziehungen zum Deutschen Reich liegt, nicht ein häufiger Wechsel eintritt. (Sehr richtig!) Ich wenigstens kann Ihnen sagen, daß für mich diese Erwägung ganz wesentlih bestimmend gewesen ist, mein Amt zu übernehmen, um das Verbleiben des Herrn Reichs- fanzlers in dem seinigen zu erleihtern.

Fragt man sich nun, welches die Nachtheile sind, die entstehen fönnten aus der Trennung dieser beiden Aemter, so glaube ih, daß es {hwer ist, solche nahzuweisen. Zunächst bin ih der Meinung, daßdie Interessen des Reichs und Preußens so sehr in gleicher Rich- tung laufen, daß beide so sehr auf einander angewiesen sind, daß in dieser Beziehung ein Widerstreit {wer vorkommen wird. Ferner bitte ich Sie, den Umstand nicht gering zu achten, daß sowohl der Reichskanzler als scin Stellvertreter Mitglieder des preußischen Staats-Ministeriums sind und bleiben. Und endlih, meine Herren, glauben Sie, daß Staatsmänner im Reich oder in Preußen dazu übergehen könnten, bewußt cine Politik zu treiben, welhe zum Nach- theil des anderen gereichen fönnte? Ich halte das für ausgesclofen- Zuzugeben ift, daß nicht zwar über die Ziele, aber über die Mittel und Wege zur Erreichung derselben Meinungsverschiedenheiten ein- treten können, und es mag ferner zugegeben werden, daß der Zwiespalt in einer Brust leihter auszugleichen is, als wenn Meinungsver- schiedenheiten zwishen zwei Männern entstehen. Aber, meine Herren, wenn man in diesen ernsten Dingen vollkommen überzeugt ift, daß ersprießlihe Resultate nur aus einem vertrauensvollen Zusammen- wirken hervorgehen können, dann, glaube ih, ist doch die Hoffnung, ja die Zuversicht vorhanden, daß sich das wird erreichen laffen, und ih bezweifle, was die gegenwärtig in Betraht kommenden Per- sonen betrifft, nit, daß ein solhes Zusammenwirken, wie es angebahnt ist, auch fortbestehen wird.

Wenn man aber den Fall seßt, daß Meinungsverschiedenheiten vorkommen werden, so waren solche au bisher nicht ausgeschlossen, und zwar zwischen dem Minister - Präsidenten und dem Staats- Ministerium. Die Folgen aber, die bei einer ernsten Differenz dieser Art eintreten konnten, waren bisher, daß, wenn nicht das preußische Staats-Ministerium, dann der Minister-Präsident und zugleich auch der Reichskanzler weihen mußten, während jeßt nur eines dieser beiden Aemter vacant zu werden braucht, was für den Fall fritisher Lagen, wie mir scheint, nicht ohne wesentlihe Be- deutung ist.

Nun hat der Abg. Rickert die Frage angeregt, in welcher Weise die Beziehungen Preußens zum Reich formell sih gestalten. Ich glaube zunächst darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß bestimmte Reglements in dieser Beziehung nicht bestehen. Ih kann aber auf Grund der Praxis und auf Grund der Vorschriften, welche für das preußishe Staats-Ministerium bestehen, Folgendes anführen. Der Herr Abg. Rickert hat ganz mit Recht hervorgehoben, daß die preußischen Stimmen im Bundesrath instruirt werden vom preußishen Minister des Auswärtigen, Der preußishe Minister der auswärtigen Angelegenheiten ift wie bisher der Herr Reichskanzler; er is preußischer Bevollmächtigter im Bundesrath, und daraus ergiebt si von selbst, daß er die preußishen Stimmen zu führen hat, und zwar in allen laufenden Geschäften nach seinem Er- messen. Ebenso sicher ist aber au, daß er in allen wichtigen An- gelegenheiten und namentlich in allen geseßgeberischen Angelegenheiten, die von Preußen ausgehen, \ih in Uebereinstimmung hält und halten muß mit dem preußischen Staats-Ministerium. Damit, glaube ih, is genügend Vorsorge getroffen; denn der Fall, daß der Reichskanzler als preußisher Minister der auswärtigen Angelegen- heiten in einer Weise handeln sollte, welche ihn in Conflict bringt mit dem preußischen Staats-Ministerium, is nicht vorauszusehen, der müßte auf böswilliger Absicht beruhen. Denn eben in solchen Fällen, wo ein Zweifel besteht, muß er sih der Zustimmung des preußischen Staats-Ministeriums vergewissern; er wird es thun, wie er es bisher gethan hat. Es ist dann noch erwähnt worden: die Stellung des preußischen Minister-Präsidenten ohne Ressort. Dies ist nah meiner Ueberzeugung keine grund\äßliche, sondern eine Zwecmäßig- feitsfrage, welche au in den constitutionellen Ländern je nah den Umständen verschieden entschieden worden ist. Selbst in den Län- dern, wo man der einen oder anderen Gestaltung im allgemeinen den Vorzug giebt, kommen zahlreihe Ausnahmen vor; 3. B. in England, wo die Regel ist, daß der Premier nit zugleih ein Ressort bekleidet, ist im gegenwärtigen Augenblick eine solche Ausnahme vorhanden, indem der Premier zugleih Minister der auswärtigen An- gelegenheiten ist. Bei uns ist größtentheils, der Zeit nah wenigstens, das Entgegengeseßte befolgt worden, in der Regel hatte der BVor- sißende des Staats-Ministeriums zugleih ein Ressort inne; aber wir haben doch schon fünf- oder sechsmal längere oder kürzere Ausnahmen von dieser Regel gehabt. Jh kann daher nur wiederholen: nach meinem Dafürhalten handelt es sich hier um eine Frage der Zweck- mäßigkeit, die je nah sachlichen und persönlichen Umständen im einzelnen Fall zu entscheiden ist. Die Entscheidung hierüber is ein Recht der Krone, und ih glaube von allen Seiten gehört zu haben, daß Sie in der Ausübung dieses Rechts der Krone keine Schwierigkeiten bereiten werden.

Daß übrigens der Vorsiß im preußischen Staats-Ministerium nicht bloß darin besteht, in der einzelnen Sißung die Verhandlungen zu leiten und die Stimmen zu zählen, das, glaube id, bedarf keiner weiteren Ausführung. Es is die Aufgabe des Vorsißenden des preußishen Staats-Ministeriums, für einen gleihmäßigen und gleicher Richtung sich bewegenden Gang der Geschäfte zu sorgen und die Gesammtverantwortung des Staats-Ministeriums, wo nöthig is, zu repräsentiren. Jh glaube also, daß die von einigen Seiten geäußerte Meinung, daß dieses Amt ein so unbedeutendes fei der Begründung entbehrt. (Bravo ! rechts.)

Minister | der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Nach den von dem Herrn Minister-Präsidenten foeben auch über den Volksschulgeseßentwurf und die daran ange- knüpften Fragen abgegebenen Erklärungen wird es vielleiht am ge- eignetsten sein, wenn ih die Erklärung, zu deren Abgabe auch der Abgeordnete Rickert aufgefordert hat, gleih im Anschlusse an das eben Gehörte hier abgebe. Jch möchte das um so mehr thun, als, wie ich ja wohl kaum ausdrülih zu versichern brauche, zwischen dem Herrn Minister-Präsidenten und mir in Bezug auf die eben bezeichneten Fragen die vollkommenste Uebereinstimmung besteht, sodaß ih kaum wüßte, was ic in dieser Beziehung noch hinzuzufügen bätte.

Meine Herren, ich darf vorausshicken, daß ih auch ohne ausdrückliche Aufforderung, mich wenigstens in allgemeinen Zügen über die Gedanken, mit welchen ich in das Ressort eingetreten bin, zu äußern, es für unnatürlih halten würde, wenn id, obwohl ja der Nachtrags-Etat mit den Angelegenheiten meines Ressorts nicht in einem ganz unmittel- baren Zusammenhange steht, bei diefer Gelegenheit hätte s{chweigen wollen. Allein ich muß doch um die Erlaubniß bitten, ausdrücklich zu bemerken, daß Sie programmatishe Erklärungen über Einzelheiten der principiellen Ressortverwaltung von mir heute \{werlich werden erwarten fönnen. Meine Herren, was würden auch der Landesver- tretung derartige Erklärungen nüßen? Jch könnte sie heute nur ab- geben auf Grund einer Verwaltung von wenigen Wochen, und wenn ih mich wirklich dazu wollte hinreißen lassen, auf Grund der ersten flüchtigen, so zu sagen impulsiven Eindrücke, die ich gewonnen habe, hier derartige Erklärungen abzugeben, so könnten sie mir freilih später parlamentarisch einmal sehr unbequem werden. (Heiterkeit.),

Aber, meine Herren, der Landesvertretung würde damit fehr wenig gedient sein; denn wenn ih mich jeßt geirrt hätte und wenn id Erklärungen abgegeben hätte, von denen ih nachher überzeugt“ fein würde, sie beruhten auf falshen Vorausseßungen, so würde mir als ehrlichem Manne doch nihts anderes übrig bleiben, als vor Sie hin- zutreten und Ihnen offen zu sagen: ih habe mi geirrt, ih muß mich corrigiren. Und ih bin fest überzeugt, daß ih, wenn ih fo handelte, auch bei Ihnen weiter fommen würde als mit einer falschen Confequenzmacherei, die {ließlich doch nur einen formalen Werth hat und mit der fachlich niht weiter zu kommen ist. (Bravo! rechts.) l

Ganz etwas Anderes, meine Herren, ist es aber, wenn der Wunsch besteht, daß ih darüber ein Wort sage, wie die Unterrichtsverwaltung, nachdem die Staatsregierung erklärt hat, auf die Weiterberathung der leßten Schulgeseßvorlage keinen Werth mehr zu legen, ihren Aufgaben nunmehr gerecht zu werden gedenkt.

Meine Herren, das derf ih wohl von vornherein annehmen, daß die Vorlegung eines neuen Schulgeseßentwurfes in diesem Augenblick und zunächst von mir nicht erwartet werden darf. Wir kommen eben aus der Zeit eines erregten Kampfes heraus, und die großen und s{hwierigen Fragen, um die es sih auf diesem Gebiete handelt, find dabei, zum theil wenigstens, unentschieden geblieben. Nun glaube ih zwar, wenn ih mich in den Wahrnehmungen, die ih in diesen ersten Wochen meiner Verwaltung gemacht habe, nicht völlig irre, daß jeder Unterrichts-Minister in Preußen, er mag heißen, wie er wolle, über furz oder lang auf den Wunsch zurückommen wird, gewisse wichtige Zweifel, die auf dem Wege der Unterrichtsverwaltung liegen, duxch eine klare geseßlihe Ausgestaltung gelöst und den Weg der Unterrichtsberwaltung dadur erleichtert zu sehen. Indessen, meine Herren, das wird mir jedermanu, wenn er nicht ganz ungerecht gegen mich sein will, zugeben müssen, daß es nah einer Verwaltung von wenigen Wochen unmöglich ist, über diese ent- scheidenden Fragen diejenige thatsächlihe Information zu gewinnen, die ‘gerade auf diesem Gebiete für ein gewissenhaftes, geseßgeberisches Vorgehen erforderlich is. Vorlagen dieser Art, meine Herren, lassen ih niht in wenigen Tagen zusammenstoppeln; sie wollen überlegt, sie wollen erwogen sein, und zwar dergestalt, daß der Minister, der sie einbringt, seine ganze Persönlichkeit dafür einzuseßen in der Lage ist. (Sehr gut!) Denn anders kann man ein Volks\chulgeseß über- haupt nicht vorlegen.

Nun it die Frage aufgeworfen, und fie liegt ja nahe genug, und Tiegt ganz befonders, wie Sie -mir wohl zugeben werden, auch für mich nahe genug, ob es denn niht wenigstens möglih gewesen wäre, ein fogenanntes Volksschuldotationsgeseß aus der Vorlage, um den Zeitungs8auësdruck zu gebrauchen, „herauszushälen“ und jeßt noch einzubringen. Meine Herren, wenn ein Dotationsgeseß seinen Zweck erfüllen soll, wenn es einen geebneten und 10: U sagen gepflasterten Weg für die Verwaltung und Weiterent- wicklung des Volks\{hulwesens schaffen sfoll, dann muß das Dotationsgeseß in erster Linie die Fragen entscheiden: wer soll in Zukunft der Schulunterhaltungspflichtige sein? welhen Umfang soll diese Pflicht haben? welcher Einfluß foll dem Träger der Schul- unterhaltungspfliht auf die Verwaltung des Schulvermögens oder wenigstens auf die Externa der Schule eingeräumt werden ? und wie ist es mit dem Schulvermögen überhaupt? Nun, meine Herren, kann darüber doch nit der mindeste Zweifel sein, daß wir mit der Jn- angriffnahme oder ih will lieber sagen mit der von meiner Seite in einer jeßt zu machenden Schuldotationsvorlage zu treffenden vorläufigen Entscheidung dieser Fragen, mit einem Schritt wieder in den Bann- kreis des großen prinziviellen Schulstreites hineinverseßzt sein würden. (Sehr rihtig) Dieselben Gründe, welhe der Vorlegung eines Volks\chulgeseßes zur Zeit entgegenstanden, hindern mich daher, wenigstens alsbald cinen auf die Dotation der Volksschule bezüglichen Geseßentwurf einzubringen.

Dazu kommt aber noch ein sehr erheblihes Weiteres. Es liegt auf der Hand, meine Herren, daß die Frage der Dotation der Schule, mag man sie so eng oder so weit fassen, wie man will, augenscheinlih im engen Zusammenhang steht mit dem voraussichtlich für die nächste Session des Landtags bevorstchenden Abschlusse unserer Steuerreform. (Sehr richtig!) Erst daraus werden sich die Grundlagen für das künftige Schuldotationsgeseß ergeben, und es bleibt, da ih auf die Frage zur Zeit nicht näher eingehen kann, nur übrig, in Bezug auf die Frage ob, kann ih kaum sagen, denn ih glaube, es wird ohne Frage kommen aber wann und wie die Königliche Staatsregierung in der Lage sein wird, ein Schuldotations- geseß und ein Volks\{hulgeseß wieder vorzulegen, uns vollständig freie Hand vorzubehalten.

Meine Herren, aus dieser Erklärung ergiebt sich ganz von selbst der Weg, der für die Unterrichtsverwaltung in der nächsten Zeit vor- geschrieben ist, nämlich der Weg einer ruhigen, \sachlihen, gerechten Und unparteiischen Verwaltung an der Hand der durch die Verfassung

gegebenen Directiven, der bereits bestehenden Geseße und einer lang- jährigen, zum Theil fast cinen gewohnheitsrehtlihen Charakter tragenden Verwaltungspraris.

Ich verkenne gewiß die großen Schwierigkeiten nicht, die dieser Weg hat, Schwierigkeiten, die in diesem Augenblick vielleicht noch größer sind, als sie früher waren; denn, meine Herren, die Gegensäße sind geshärft. (Sehr wahr!) Ich erfahre das ja täglih auch in der Verwaltung, aber ih habe mir sagen müssen, wenn es bisher mögli gewesen ift, auf diesem Wege zu immerhin doch anerkanntermaßen günstigen Ergebnissen in der Entwickelung unseres Volksschulwesens zu kommen, dann wird es doch wenigstens eine Zeit lang auch weiter thunlich sein, diesen Weg zu gehen. Die Unterrichtsverwaltung wird unablässig bemüht sein, auf dem Verwaltungswege auch ferner die Besoldung der Volksschullehrer zu fördern; wir werden auf dem Wege, auf den uns das Geseß vom 26. Mai 1887 gewiesen hat, weiter gehen; wir werden die Möglichkeit, die Beshlußbehörden ver- zusvannen, wieder benußen, und ih hoffe, wie wir doch in sehr vielen und erheblihen Fällen, namentlich bei größeren Städten, auf diesem Wege bereits wichtige Ergebnisse €erreiht haben, daß es uns da, so lange bis die Mittel in größerem Umfange bereit gestellt sein werden, gelingen wird, auch ohne ein neues Geseß weiter zu kommen. Ih würde es mir zur größten Freude gereichen lassen, wenn ih gerade auf diesem Gebiete in der Lage wäre zu beweisen, daß au auf dem Verwaltungswege sich manches erreichen läßt, was in der Geseßzesvorlage als Ziel ins Auge gefaßt war.

Meine Herren, ih verkenne ja gar niht, daß der Weg der Ver- waltung sehr viel bescheidener ist als der, wenn ih jeßt mit einem fertigen Gese hätte vor Sie hintreten können; aber, meine Herren, auf der anderen Seite {eue ih mich auch gar nit, bescheidene Wege zu gehen, wenn sie, wie es hier zur Zeit und nach Lage der Ver- bältnisse, wie sie einmal sind, der Fall is, durch die Umstände ge- boten sind, und wenn sie Auësicht bieten, auf ihnen wenigstens vor- wärts zu fommen. So hoffe ih die künftige Geseßgebung vorbereiten zu helfen und die großen und schwierigen Fragen des Ressorts einer gedeihlichen Lösung entgegenzuführen. An der von mir im Herren- bause abgegebenen Erklärung habe ich nihis zu ändern, nichts hinzuzufügen und nichts zurückzunehmen. Sie entspriht durchaus der Wirklichkeit. JIch bin mir dabei der großen Verantwortlichkeit, die auf meine Schultern gelegt ist, vollflommen bewußt, und ih werde diese Verantwortlichkeit mit allen ihren Consequenzen tragen, selbst- verständlich auch der Landesvertretung gegenüber.

Ich weiß, meine Herren, es sind die idealsten und darum die vitalsten Interessen unseres Volkes, die der Pflege der Unterrichtsverwaltung anvertraut sind. Hat die bisherige Verwaltung und das wird mir ja von allen Seiten versichert, und ih glaube, es auch aus den Worten des Herrn Abg. Rickert herausgehört zu haben es verstanden, weit- herzig und gerecht auch den confessionellen Interessen nah Maßgabe unserer Verfassung gerecht zu werden, dann werden Sie das hoffe ih zuversihtlich in dieser Beziehung au die Continuität mit der bisherigen Verwaltung nicht zu vermissen haben. (Bravo!) Gewissens- zwang ist das legte, was ih will. Jch glaube nicht, daß es eine Partei in diesem Hause giebt, die formellen Gewissenszwang haben will. Er ist auf dem Gebiete der Kirche und jedenfalls auf dem religiösen Gebiete überhaupt verwerflih und führt auch nicht zu irgend einem brauchbaren Ergebniß. Was ich vielmehr will und was ih wollen muß, weil das dem Geist der preußischen Unterrichtsverwaltung entspricht, das ist eine versöhnlihe und ausgleihende Wirksamkeit, die zu einer Ver- ständigung zu führen geeignet ist. Ich werde auch in Bezug auf die Art des politischen Kampfes und der Stellung gegenüber den politischen Gegnern, in Bezug auf welche der Herr Abg. Rickert meinem Herrn Amtsvorgänger gewiß verdientes Lob gespendet hat, es mir jederzeit zur Ehre gereichen lassen, in die Fußstapfen meines Herrn Amts- vorgängers zu treten. (Bravo!) Dankbar werde ih sein, wenn ich mi bei dieser s{chwierigen Aufgabe auch der wohlwollenden Unter- stützung der Landeêvertretung werde erfreuen dürfen. (Bravo!)

Abg. Hobrecht (nl.): Bezüglich der Vorgänge vor Ostern habe er zu bemerken, s seine Lage damals nur peinlih gewesen fei, weil seine Freunde ihn im Stich gelassen hätten. Daß die conservative E fich damals ebenso ausgtiebig wie heute an der Debatte hätte

etheiligen können (Heiterkeit !), bezweifle er niht; es gebe ja in ihr wobl auch Redner, die ohne ersihtlihe Ermüdung einige Viertel-

stunden über diese Dinge reden könnten, wie über manche andere Dinge.

Er fei gerade von der Ueberzeugung ausgegangen, daß die conservative Partei weniger der Gefahr ausgeseßt gewesen sei, mißverstanden zu werden, als die seinige. Da er jedo die seinige für die allerunbethci- ligtste in diefem Falle gehalten habe, so habe er nicht den mindesten Anstand genommen, den Antrag auf Abseßung der Be- rathung des Nachtrags-Etats von der Tagesordnung zu stellen. Gegen den Nachtrags-Etat habe seine Partei nihts einzuwenden. Sie wise, wie die Verbindung des Reichskanzler-Amts mit dem des preußischen Minister-Präsidenten in der Geschichte entstanden sei. Den Charakter einer dauernden Verfassungseinrihtung habe diese Verbindung nicht erhalten. Es seien damals Gründe persönlicher Art gewesen, die zur Trennung und nachher zur Wiedervereinigung geführt hätten. Die sahlihen Gründe lägen einmal in den Rücksichten auf die Bedürf- nisse des Reichkanzlers, dann in den Nücksichten auf die Bedürfnisse des preußischen Staats-Ministeriums. Im Reichstage habe man all- emein der Meinung Ausdru gegeben, daß man abwarten müsse. Die

rage, ob es niht möglich sei, innerhalb der Reichsverwaltung einen anderen Ausweg zu finden zur Erleichterung des allerdings überbürde- ten Reichskanzlers, gehöre in das Gebiet der NReichspolitik. Ein Bedenken aus preußischen Verhältnissen gegen die Bewilligung des Nachtrags-Etats liege nicht vor. Man fönne fogar zweifelhaft fein, ob nicht vom particularistish-preußishen Standpunkt aus die Trennung ein Vortheil sei. Die Gefahr von Reibungen wachse allerdings da- durch. Für seine Partei sei die Veränderung in den Ministerien von hoher Bedeutung, weil die Krisis im Reich im Anschluß an eine preußische Krisis zum Austrag gelangt sei. (Sehr richtig !) Er habe auch das Be- dürfniß, dem früheren Cultus-Minister Grafen Zedliß nahzufagen, daß er nicht nur seine eigene Sache vertreten, sondern auch den Motiven der Gegner gr u werden gesucht habe. Das Bedauern über den Fall des 5 olf ulgeseßzes sei aber nur von einer leinen Minderheit im Volke, und felbst unter den Conservativen nur von Denjenigen getheilt worden, welche immer darauf ausgegangen seien, aus der preußischen konservativen Partei ein evangelishes Centrum zu machen. (Sehr richtig! links.) Seine artei erblicke in der Zurückziehung die Be- seitigung einer großen Gefahr, man sei in einen den inneren Frieden

ohne Noth aufs tiefste (enden Kampf hineingelangt. (Sehr

richtig!) Seine Partei habe den festen Glauben gehabt, für eine gute Sache zu streiten und freue si, daß sie, nachdem sie sich lange fast Oi a Lg mit materiellen Interessen beschäftigt, hier einmal vor eine ernste Frage idealen Inhalts gestellt worden fel. Wenn auch ihre Anträge in der Commission immer in der Minorität geblieben seien, so habe sie sih doch darauf gefreut, hier in einer Plenarsißung die Gründe ihres Widerspruchs flar und deutlich vorzutragen. Ein Triumphgefühl über den Abbruch dieser Verhandlungen habe sie also keineswegs empfunden, aber die Landesinter effe hätten dadurch ge-

wonnen. Seine Partei sei dem König dankbar dafür, daß er den

Kampf beendigt habe; denn an eine Verständigung fei niht zu denken ewesen: man sei auf ein Gebiet gekommen, wo alle Disputationen die Menschen immer weiter entfernten und fie niht zusammenbrächten. Es sei eben fein Gesetz denfbar, das die Ansprüche der Kirche zuglei

begrenze und befriedige. (Sehr richtig! links.) Man werde fi

darauf beschränken mü}jen, die äußeren Berbältnisse der Schule gesehz- lich zu regeln. Wenn die Staatsregierung sich darauf beschränken wolle, so werde seine Pärtei sie dabei knjersiügen sie hoffe, daß das Dotationsgeseg gemaht werden könne ohne Berührung der confessionellen Fragen. Die Societätsshulen würden sih ohne Geseß- gebung zum großen Theil in Gemeindeshulen haben umwandeln lassen, was um so leichter gewesen sein würde, als die Gemeindeschulen auf die confessionellen Verhältnisse Rückfsiht nähmen. Den Religions- unterriht in der Schule wolle seine Partei auch aufrecht erhalten, aber immer werde sie den Versuch bekämpfen, den stetigen Ent- wickelungêgang der Schule zu unterbrechen durch die Einführung einer Doppelberrschaft über die Schule. Das Volk sei in den weitesten Kreisen auf die Gefahr aufmerksam gemaht worden, die hierin liege, und es sei durh das Gesetz eine feaftvolle Aeußerung des Volkswillens herbeigeführt. Er müsse seine Freude darüber aus-

nahestehenden Parteien ein besseres Verhältmß eingetreten sei als früher. (Beifall.) Abg. von Kardorff (freicons.): Der Abg. Rickert habe es be- dauert, daß es ihm durh die Vertagung dieser Berathung vor den Ferien nicht möglih gewesen sei, seine Rede vor vier V ochen zu halten. Er (Redner) sehe nicht, was in seiner heutigen Rede #0 wichtig gewesen sei, daß es überhaupt bätte gesagt werden müßen. Die Gründe, welche ihn und seine Fraction zur Vertagung bestimmt hätten, habe er damals dargelegt und brauche sie heute nicht zu wiederholen. Die heutigen Erklärungen des Abg. von Rauchhaupt ließen manches zu wünschen übrig. Er bedauere, daß seiner Partei niht Zeit gelassen sei, diejenigen Gegensäge, die ihr gegenüber- gestanden hätten, zu- überwinden. Unter den Gegensäßen habe sich ja auch seine (des Nedners) Partei befunden. Er bedaucre also, daß er diese niht habe überwinden fönnen, und ferner, daß keine Ver- ständigung möglih gewesen sei, die eine befriedigende Lösung hâtte herbeiführen können. Eine Verständigung, mit wem denn? Seine (des Redners) Partei könne doch nur annehmen, daß die Ver- ständigung aus\{ließlich mit dem Centrum gesucht worden sei," und nicht mit ihr. Ihr habe es so vorkommen wollen, als ob heute eine \chärfere Tonart angeschlagen werde, als ob eine shärfere Nichtung in der conservativen Partei die Oberhand gewonnen habe. In der conservativen Presse werde es gewissermaßen als Sport betrieben, die Mischmasch-Parteien an die Wand zu drücken. Im Gegensaß zu der in diefen Blättern ausgesprochenen Ansicht sei er der Meinung, daß auf dem Indemnitätsgeseß nah 1866 die Größe Deutschlands beruhe. Nur die „Conservative Wochenschrift“ \{lage eine etwas andere Tonart an. Er sei überzeuat, daß der Abg. von Rauchhaupt persönli den Wunsch gehabt habe, auchß mit den Freiconservativen eine Verständigung herbeizuführen, aber diesen sci leider von der Stim- mung, die der Abg. von Nauchhaupt repräsentire, nichts zu Ohren gekommen. Die Herren hätten auch nicht den leisesten Versuch ge- macht, eine Verständigung berbeizuführen, sie würden fich dadur au mit den Herren vom Centrum in Widerspru geseßt haben. In der Commission sei der Gang bei der Berathung des Volks- \hulgeseßentwurfs regelmäßig so gewesen, daß, wenn der Abg. von Huene gesagt habe, dieser Antrag sei für das Centrum unannehmbar, er auh von den Conservativen fallen gelassen worden sei. Er glaube, wenn der Abg. von Rauchhaupt von Anfan ‘an an den Berathungen theilgenommen hätte, die Situation heute eine andere sein würde. Hätte er aber später noch etwas daran ändern wollen, so würde ihm dasselbe Schicksal wie Herrn von Helldorf geblüht haben. So s{chlecht, wie Herr von Helldorff, sei noch nie ein Mitglied von einer Fraction behandelt worden ; das liege wohl mit an seinem Eintreten für die Handelsverträge. Er (Redner) habe die Situation so aufgefaßt, daß ein festes Bündniß zwischen den Deutschconservativen unddem Centrum geschlossen worden sei, den Gesetzentwurf mit kleinen Aenderungen nicht principieller Natur durczubringen, um die Mittelparteien einmal gründlich an die Wand zu drücken. Weiter sei von einem Mitgliede der Deutsch- conservativen, dem Abg. von Izenplitz, in einer Versammlung in Breslau behauvtet worden: wenn die Deutschconservativen eine so \hroffe Haltung den Freiconservativen gegenüber eingenommen hätten, fo sei daran das Vorgehen des Freiherrn von Zedliß huld. Ab- gesehen davon, daß es nit angebracht sei, fich bei so wichtigen poli- tishen Dingen durch persönliche Nücfsichten leiten zu lassen, müsse er ausdrücklich betonen , daß der Abg. Freiherr von Zedliß nur die- jenige Grenzlinie festgestellt habe, die in Uebereinstimmung mit der Fraction habe festgehalten werden müssen. Er habe das auh nit in einer {rofen Form gethan, fondern rein fachlich. Er (Redner) habe die Hoffnung auf eine Verständigung von vorn- herein aufgegeben, als die erste Erklärung des Grafen Zedliß, sein starker Angriff auf die Nationalliberalen, hier erfolgt sei, und die Aeußerung des Grafen Caprivi, in der er die Christen und die Atheisten in Gegensaß gestellt habe. Er habe die Vorlage wie alle großen Vorlagen , welche die angeblihe Stagnation der Geseßgebung beseitigen sollten, für einen Fehler gehalten. Fürst Bismarck würde das Goßler’she Schulgeseß, das das Centrum habe verleßen müssen, die Landgemeindeordnung, die ernste Differenzen zwischen National- liberalen und Conservativen verursaht habe, und au das GCinkommen- steuergeseß wohl nicht in dieser Form eingebraht haben; er würde si gehütet haben, bei den verschiedenen Parteien damit Anstoß zu erregen. Innerhalb der conservativen Partei, der er (Nedner) felbst früher angehört habe, und die er seit threm Bestehen hier und im Reichstage kenne, habe sich eine gewisse Wandlung voll- zogen. (Widerspruch rechts.) Das finde am Besten seinen Ausdruck darin, daß die Herren selbst jeßt ihre Statuten ändern wollten. Er fenne die Strömungen innerhalb der Fraction reht gut. Wie weit man in ihr von demjenigen, was bis jeßt die conservative Partei aufrecht erhalten habe, jeßt s{chon abgewichen sei, davon liefere das Sculgesez, soweit es bis dahin zur Annahme gelangt gewesen sei, einen Beweis, besonders in der Frage, welche die \tädti- \hen Sculdeputationen betreffe. Die Conservativen hätten kein Be- denken getragen, hier das allgemeine Wahlrecht einzuführen. Glaubten die Herren denn, sie würden hindern können, daß in anderen Zweigen der Communalverwaltung das allgemeine Wahlrecht eingeführt werde, wenn fie hier ihre Zustimmung dazu gäben? Seine Partei habe ihre Zustimmung dazu nicht geben können. Auch habe den Traditionen der conservativen Partei die Reise widersprochen, welche der Abg. Stöer unternommen habe, um den Antisemiten gegen den Candidaten der Cartellvarteien im 22. sähsischen Reichstags-Wahlkreise durch- zubringen. Er habe für den Abg. Stöer sehr viel übrig, er erkenne an, daß er den Muth habe, seine Meinung ofen zu äußern, und au daß er oftmals deswegen maßlos angegriffen worden sei. Aber er müsse doch gestehen, daß er solche Angriffe gewissermaßen zum theil felbst provocirt habe. Wenn er das liberale Bürgerthum \o angreife wie er es vor furzem im Reichstag gegen den Abg. von Bennigsen gethan habe, so dürfe er sich auch über eine sharfe Antwort nicht wundern. Er erkenne dankbar an, daß der Abg. Stöcker in landwirthschaftlihen Fragen seine Ansichten oft unterstüßt habe, und habe überhaupt für seine Richtung ein großes Verständniß. Dies gehe daraus hervor, daß er seine erste politische Bildung us junger Referendar in Kreisen erhalten habe, die damals sehr gehaßt gewesen seien, in den Kreisen von Stahl und Gerlah. In einer E eung. habe er sich aber von diesen Kreisen später getrennt. r Habe für sein spâteres Leben die Ansicht mitgenommen, daß eine Ge oe iten 48 hierarhishen Bestrebungen allzu fehr dieses S N R Aus diesen Gründen glaube er, daß H tian aegen Buri eine Gefahr in sih getragen und den A ; O gen ein zu grobe Feld eingeräumt habe. enn man ge er socialdemokratishen Gefahr gegenüber müsse die

Schule kirchlih gehalten werden, fo verweise er darauf, daß der Abg. Stöcker dem Abg. Windthorst gegenüber bemerkt hate, de Shule könne auf den religiösen Sinn der Bevölkerung im Vergleich zum.

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sprechen, daß bei diesen Berathungen zwischen seiner und den ihr

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