Ministerium des Königlichen Hauses.
Dem Gutsadministrator Reinhold Pil in Sternaliß (Kreis Rosenberg O. S.) ist der Charakter als Königlicher Ober- amtmann beigelegt worden.
Justizministerium.
Dem Senatspräsidenten, Geheimen Oberjustizrat Lossen
bei dem Oberlandesgericht in Frankfurt a. M. und dem Amts- erihtsrat, Geheimen Justizrat Amelung in Rauschenberg ist
die nachgesuchte Dienstentla}sung mit Pension, dem Landrichter Dr. Siesfind in Essen die nahgesuhte Entlassung aus dem Justizdienst erteilt. : L
Der Rechtsanwalt Cronheim in Schrimm ift zum Notar ernannt.
Jn der Liste der Rechtsanwälte sind gelöscht : die Rechts- anwälte Justizrat Dr. Waetcke bei dem Landgericht in Altona, von Wysocki in Dt. Wilmersdorf bei dem Amtsgericht in Charlottenburg und Bartla.u bei dem Amtsgericht in Pinne.
Mit der Löschung des Rechtsanwalts, Justizrats Dr. Waetcke in Altona in der Rechtsanwaltsliste ist zugleih sein Amt als Notar erloschen. Ñ /
Jn die Liste der Rechtsanwälte sind eingetragen : die Rechtsanwälte Bartlau aus Pinne bei dem Amtsgericht in Königshütte, Dr. Hein aus Berlin bei dem Amtsgeri t in Barby, die Gerichtsassessoren Dr. Nudell Jsay bei dem Kammergeriht, Dr. Paech bei dem O erlandesgeriht in Königsberg i. Pr., Dr. Konrad Rudolph bei dem Landgericht T in Berlin, Dr. Erih Pollack bei dem Landgericht ITT in Berlin, Dr. Leo Nast außer bei dem Amtsgericht in Char- lottenburg, zugleih bei dem Landgeriht TII in Berlin, Dr. Karl Bauer bei dem Landgericht in Dortmund, Rosenthal bei dem Amtsgericht in Ahlen und der frühere Gerichtsafsefsor Dr. Pohl bei dem Landgericht I in Berlin. :
Der Landgerichtsdirektor Dr. Kirsten in Gleiwi ist gestorben.
Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.
Der Hegemeistertitel wurde folgenden Förstern verliehen :
Butter in Vinnenberg, Oberförsterei Münster, Forstver- waltungsbezirk Minden;
Fiege in Dalheim, Oberförsterei Dalheim, Regierungs- bezirk Minden :
PRagendarm in Atteln, Oberförsterei Dalheim, Re- gierungsbezirk Minden;
Thönies in Hardehausen, Oberförsterei Hardehausen, Regierungsbezirk Minden.
In der Dritten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs- und Staatsanzeigers“ wird eine Genehmigungsurkunde, betreffend eine Anleihe der Carl Zeiß-Stiftung in Jena, veröffentlicht.
Nichfamiliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 16. Dezember.
Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute vormittag im Neuen Palais bei Potsdam die Vorträge des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, Großadmirals von Tirpit, des Chefs des Admiralstabs der Marine, Vizeadmirals von Heeringen und des Chefs des Marinekabinetis, Admirals von Müller entgegen.
Die vereinigten Ausschüsse des Bun desrats für Rehnungs- wesen und für Zoll- und Steuerwesen sowie der Ausschuß für Rechnungswesen hielten heute Sißung.
Der Königlich dänishe Gesandte von Hegermann- Lindencrone hat Berlin verlassen. Während seiner Ab- wesenheit führt der Legationssekretär Kruse die Geschäfte der Gesandtschaft.
Der Regierungsassessor Freiherr Löw von und zu Steinfurt in Hadersleben ist der Königlichen Regierung in Frankfurt a. O. zur weiteren dienstlihen Verwendung über- wiesen worden.
Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Scharn- * horst“ mit dem Chef des KreugergeGwaders und S. M.
Tpdbt. „S 90“ am 12. d. M. auf Wusung-Reede und S. M. S. „Tiger“ am 15. d. M. in Tfingtau eingetroffen.
Oesterreich-Ungarn. ,
Das österreichische-Abgeordnetenhaus hat gestern laut Meldung des „W. T. B.“ das von der Regierung vor- gelegie sechsmonatlihe Budgetprovisorium mit 276 gegen 180 Stimmen angenommen. Ein Antrag, das Pro- visoriuum auf vier Monate zu bewilligen, wurde abgelehnt. In dem Budgetprovisorium wird die Regierung zur Auf- nahme einer Anleihe im Betrage von 177 Millionen Kronen ermächtigt ; davon sind rund 130 Millionen für Eisen- bahnanlagen und 20 Millionen für die Ausgestaltung des Telephonwesens eingestellt. Ein Resolutionsantrag des all- deutshen Abg. Malik, in dem die Regierung aufgefordert wird, unverzüglich einen Gesegentwurf einzubringen, durch den das bisher bestehende Verbot der Wiederverehelichung kfatholisher Geshiedener aufgehoben wird, wurde in erur pad Abstimmung mit 198 gegen 167 Stimmen ab- : gelehnt.
Hierauf beantwortete der Ministerpräsident Graf Stürgkh die Înterpellationen über den Rüdcktritt des früheren Generalstabschefs Freiherrn Conrad von Hößen- dorf und die daran gefnüpften Fragen der auswärtigen : Politik.
Der Ministerpräfitent -ftellte zunächst fest, daß ter Träger der Krone ein duch die Werfafsuag 1hm aus\chließlich vorbehaltenes Recht
babe, als oberster Kriegsherr die Person des Chefs des Generalstabes, ebenso wie alle anderen i litärishen Funktionäre nach seinem Er- messen auszuwählen. Der Rücktritt des Freiherrn Conrad von, Högtendorf sei übrigens keineswegs auf Ursachen zurückzuführen, wie fie in verschiedentlichen , insbesondere au auf Fragen der auswärtigen Politik anspielenden publizistishen Erörterungen angenommen worden seien. „Die Regierung ist“, so fuhr Graf Stürgkh fort, „in der Lage zu erklären , A die Grundlagen der äußeren Politik der Monarchie, wie sie seit Jahren wiederholt durch den Minister des Aeußern vor den Delegationen sowie durch meine Amtsvorgänger vor den_ beiden Häusern des Reichsrats unter der Zustimmung dieser Körperschaften dargelegt wurden, auch beute unverändert fortbestehen. Ich muß es bei diesem Anlaß neuerlich mit allem Nachdruck zurückweisen, wenn in der Interpellation der Sozialdemokraten die Behauptung, als ob in ein- flußreichen Kreisen angebli gewifse gegen diese traditionelle Politik gerihtete Strömungen vorhanden wären, dazu benüßt wird, ein Mit- glied des Kaiserhauses auf hôdst unparlamentarische Weise in die Debatte zu ziehen. Ih betone ferner nahdrücklich, daß die maß- gebenden Faktoren, denen die Sorge für die Wehrfävigkeit der Monarchie anvertraut ist, über die in dieser Richtung zu treffenden Maßnahmen sih in vollkommenstem Einvernehmen befinden. Schließ- li möchte ich noch gegenüber einzelnen Ausführungen der Inter- vellanten mit aller Bestimmtheit erklären, daß die auswärtige Lage gegenwärtig keinerlei Momente aufweist, die uns der Verpflichtung entheben würden, die auf die Erhaltung des Friedens gerichtete Politik der Monarchie mit ruhiger Festigkeit und mit gebotener Folgerihtigkeit des Handelns auch weiterhin zur Geltung zu bringen.“
Der Sozialdemokrat Seiß beantragte, über diese Inter- pellationsbeantwortung die Besprechung zu eröffnen. Dieser Antrag wurde abgelehnt. s R
Dem Abgeordnetenhause ist ein Dringlichkeitsantrag der Polen zugegangen, in dem das Auswärtige Amt auf- gefordert wird, bei den Signatarmächten der Wiener Kongreß- afte von 1815 zur Wahrung der nunmehr durch die russische Regierung gefährdeten Unantastbarkeit der Grenzen von Kongreßpolen Schritte einzuleiten.
Frankreich.
Die Deputiertenkammer nahm in der gestrigen Sißung die Verhandlung über das deutsh-französishe Ab- fommen wieder auf.
Nach dem Bericht des „W. T. B.* erklärte der Abg. Vaillant (geeinigter Sozialist), das Abkommen bedeute das Ende des Alpdrucks eines Krieges. Frankreih müsse das Bindeglied zwishen England und Deutschland sein. Des weiteren trat er für die entente cordiale und die französish-spanishe Freundshaft ein und erhob gegen die fkriegerishen Reden Einspruch, die im leßten Sommer von gewissen Mitgliedern der Regierung gehalten worden seien. Er tadelte Delcassé wegen der Rede, die er bei der Flottenshau in Toulon gehalten habe. Vaillant stellte ferner se}t, daß Deutschlant in der marokkanishen Frage eine sich gleihbleibende Politik getrieben habe, während die französische Politik widerspruchs8- voll gewesen sei und ein doppeltes Gesicht gezeigt habe. Der Redner verlas sodann Erklärungen von Nouvier, Léon Bourgois und Pichon, um festzustellen, daß die Haltung der französisden Regierung den Erklärungen ihrer Leiter niht entsprochen habe. Er maŸte auf den Widerspruch aufmerksam, der ¡wishen der von der Kammer ange- nommenen Tagesordnung und der in Marokko befolgten Politik be- stebe, und \{chloß, indem er eine vollftändigere Internationalisierung Marokkos empfahl. /
Der Abg. Ferry, Mitglied der radikalen Linken, gab feinem Zweifel daran Ausdruck, ob das Abkommen Marokko von allen politischen und wirtschaftlichen Dienstbarkeiten, mit denen es belastet gewesen sei, befreit babe. Er fritisierte die Klausel des Abkommens, die Ach auf die gb en bezieht, und sagte, diese Kláusel Deutschland wieder seinen Weg in die sranzösishe Politik in Marokko bineinfinden werde. Ferry bedauerte, daß die französishe Diplomatie den Bau der Bahn von Tanger nach Fes nicht zu der von ihr gewünshten Zeit erreicht habe, da ja Franfkreih doch das Geld dafür geben werde, und daß die französishe Industrie niht mehr erreiht habe. Darauf kritifierte er die Klausel, die ch auf die Eisenbahnen und die Berggeredtsame bezieht, und erklärte, daß der marokkanishe Boden mit seinen Lasten Franfreih bliebe, die Bodenshäße aber mit ihrem Ertrage ihm ver- loren gingen. Ferry {loß seine Rede mit der Befürchtung, daß das Abkommen nicht álle Gefahr einer Verwicklung für die Zukunft ver- shwinden lasse. Gegenwärtig sei das beste Mittel, um dem Frieden ¡u dienen, sih für jede Eventualität bereit zu balten.
Der Aba. Delahaye, Mitglied der Rechten, griff den Minister- präsidenten Caillaux an, weil er zu viel Engegenfommen gegenüber Deutschland gezeigt habe, tadelte heftig die äußere Politik der Ne- gierung und wandte sih gegen Delcassé wegen seiner Geheimverträge. Zu wiederholten Malen bedauerte er die Abwesenheit des Minister- präsidenten, der im Augenblick nicht im Sitzungésaale anwesend sei. Es gebe in Frankrei fast 40 Millionen chauvinistischer Reaktionäre, die die Aufgabe nationalen Grund und Bodens nicht fo leiht hinnähmen wie die Finanzleute. Ohne den Funken in das Pulverfaß zu s{leudern, hätte man auf die Entsendung eines Schiffes mit der Entsendung eines anderen Schiffes antworten können. Man bätte dann einer- seits eine weniger hberrishe, andererseits eine weniger unterwür fige Haltung beobachtet. Delahaye führte weiter aus, daß allen europäischen Zwistiafeiten in Marokko Tür und Tor geöffnet bleibe, und betonte den Wert der abgetretenen Gebiete am Congo. Für Spanien stände die Tür zu einem großen Reiche offen. Als der Redner Caillaux und Rouvier als Finanz- und Geldleute binstellte, ertönte auf der Linken der Zwischenruf : Nespektieren Sie die Toten! Da Privatgesprähe die Stiwmme des Redners zeitweise übertönten, verließ Delabaye die Tribüne mit der Bemerkung, er werde feine Rede am nächsten Tage fortsetzen.
Der Abg. Millerand, der nunmehr das Wort ergriff, sagte, eine Idee werde seine Worte leiten: die Haltung des Landes bei den jüngsten Ereignissen. Das Land habe, so führte er aus, im Verlauf der Spannung in diesem Sommer einmütig eine Haltung bewahrt, die für seine Vertreter eine Lehr: und ein Beispiel sein sollte. Die Kammer \{hulde es ihm, mit der größten Kaltblütig-
feit zu verhandeln, obne fich zu irgend einer Erregung fortreißen zu lassen und ohne auf andere Stimmen zu
bôren, als die der nationalen Ehre und der Interessen des Landes. Das Ausland müsse wissen, daß es in Frankreich gegenüber Fragen der auswärtigen Politik weder in der Kammer noch im Lande Parteien gebe. Der Redner erklärte fodann, daß er entschieden für die Annahme des Abkommens sei, und fuhr dann fort: Frankreich er- balte das Protektorat über Marokko unter Bedingungen, die die Kammer prüfen werde. Sei das Protektorat zu teuer bezablt worden? Habe man es vorschnell gekauft? Man könne tarüber streiten, aber niemand würde zu behaupten wagen, daß dieses Protektorat für Frankreich nicht eine Notwendigkeit sei und nicht der Tradition seiner Politik entspree. Die Politik der Republik kenne wohl die Größe und Folgerihtigkeit ibrer Ziele. Niemand könnte dafür eintreten, daß Frankrei, nachdem es dieses Protektorat erlangt habe, cs wieder aufgeben könnte, um zu versuchen, es morgen wieder zu erlangen. Der Entshluß der Kammer, das Abkommen anzunehmen, müfje sie dazu fübren, keine Unflarheit fortbestehen zu lassen, damit die Regierung morgen stark genug sei, um aus diesem diplomatisden Instrument den größtmöglihen Nutzen zu ziehen. Die Abtretung eines Teils des Congos sei für Frankreich eine grausame Ver- stümmelung und ein empfindlicher Verlust. Man habe Befürchtungen über die Absichten Deutschlands gehegt. Wozu diese beiden Zipfel ? L babe man gefragt. Der Minisier des Aeußern habe die Kammer * darüber beruhigt. Was die Zukunft des belgiihen Conges betreffe,
so jei es unbegreiflih gewesen, daß man über dieses Gebiet habe ver-
fügen fönnen, ohne Belgien zu befragen. Die Achtung vor dem Recht der Neutralen müsse ein Hauptgrundfaz der französischen Politik bleiben. E bemefsse die Verpflichtungen, die es gegenüber den anderen Mächten habe, niht nah der Größe ihrer militärischen Macht. Nach dem großen Opfer, das Frankreich im Congo gebracht habe, fönne es Deutschland in keiner Form eine weitere nts{âdigung zugestehen. Deutschland könne nit außer dem BORgoverran noŸ obendrein in Marokko Sonderreckte verlangen. Durch den os werde in Marokko die wirtschaftliche Ba eingefüh Die deutshen Staatsangehörigen würden dieselben Nechte enießen wie die aller anderen Nationen. Nicht weniger und nicht ele: Die Marokkanishe Staatsbank bleibe ohne Zweifel bestehen, aber Frank- reih habe darin eine besondere Stellung. Man werte die Mitbille der Zeit brauchen, um das Land von den frémden Einrichtungen zu befreien, die \sich dort befänden. Das Abkommen werde sein, was Frankreich daraus mache. Seine Aktion in Marokko müsse klug sein und dürfe nicht einer Eroberung gleihen; es müsse si hüten, eine furchtbare Revolte des Volks- empfindens hervorzurufen. Das Verhältnis zu Spanien müsse auf der Grundlage des geschlossenen Abkommens mit Rücksicht auf die spâtern Ereignisse in Wahrung französischer Interessen, aber ohne Preisgabe der herzlihen Freundschaft geregelt werden. Nur werde eine Verständigung zwishen den Mächten unerläßlich sein, damit Spanien Herr in seiner Zone bleibe. Millerand erklärte weiter, es sei natürli, daß England ih in die Verhandlungen gemischt habe. Er würdige die Freundschaft Englands, aber das eigene Interesse sei der gemeinsame Maßstab der Einzelnen wie der Staaten. Es wäre eine schlechte Vorbereitung des Landes für furhtbare Möglich- keiten, fubr Millerand fort, wenn man es mit Hirngespinsten hinhalten wollte. Frankreich dürfe diejenigen, die in s{weren Stunden an seiner Seite gestanden hätten, niht enttäushen. Es müsse seinen Freundshaften und seinem Bündnis, die gegen niemand eine Spiye hâtten, treu bleiben. Millerand spra sodann seine Befriedigung über die Vertragsbestimmung aus, die für den Fall von Streitigkeiten die Anrufung des Haager Schied8gerichtëshofes in Aussicht nehme. Das beweise, daß Frankreih keine Hintergedanken habe. Der Friede sei für Frankreich das sichersle und das er- wünschteste Mittel zur Entwicklung seiner Ideen. Aber es verstehe darunter nicht den Frieden obne Ehre und werde ihn nie darunter verstehen. Jm Vertcauen auf seine Stärke, sicher seiner Freundschaften und seines Bündnisses, weil die Freunde und der Ver- bündete ‘wüßten, daß auch sie auf Frankrei zählen könnten, sei Frankrei gleihermaßen ents{chlofsen, die Nechte anderer zu ahten und seinen eigenen Rehten Achtung zu vershaffen. Es werde diesen Vertrag halten mit dem forglihen Bemühen, alle Konfliktsmögli keiten zu vermeiden, aber mit dem B aus dem Vertrage alle gegebenen und nüßlihen Folgerungen zu ziehen.
Die Beratung wird heute fortgeseßt.
Rußland.
Die Reichsduma beriet gestern in geheimer Sißung das neue Gese zur Regelung der Wehrpflicht. Wie „W. T. B.“ meldet, lebnie die Duma mit 150 gegen 70 Stimmen einen Oppositionsantrag ab, die Wehrpflichtvorlage an eine be- sondere Kommission zu verweisen, und ging zur Beratung der einzelnen Artikel über. Die Abstimmung über eine Tages= ordnung wurde auf die nächste Sißzung vertagt.
Spanien.
Der französishe Botschafter Geoffray hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, abermals eine Unterredung mit dem Minister des Aeußern Prieto gehabt, der auh der englische Botschafter beiwohnte.
Portugal.
In der Deputiertenkammer hat gestern der Marine- minister einen Geseßzentwurf, betreffend die Erneuerung der Flotte, eingebracht.
Serbien.
Die S kupschtina hat in ihrer gestrigen Sißung das Budget des Ministeriums des Aeußern angenommen.
Im Laufe der Debatte hatte der Ministerpräfident Miko- wanowit\ch auf die Ausführungen des Vorredners Novakowitsch, des Führers der Fortschrittspartei, laut Bericht des „W. T. B.* erklärt, die allgemeine Lage sei derart ernst, daß niemand wissen könne, wie fie sich im Frübjahre gestalten werde. Deshalb müsse Serbien vorsihtig sein wie Bulgarien und Griechenland.
Für die Balkanstaaten \{heine es wünschenswert, daß die europäishen Mächte ih in die Balkanfragen nicht einmengten.
Gegenüber der Behauptung des Fortschrittlers Marinkovitsh, der serbishe König sei in Paris mehr als ehemaliger französiïher Leut- nant denn als Herrscher Serbiens begrüßt worden, was cherlih in Deutschland ungern gesehen worden sei, erklärte der Ministerpräsident, daß der König Peter in Paris als rrsher Serbiens empfangen worden sei. Daß hierbei auch die Dienstleistung des Königs im französischen Heere hervorgeboben worden wäre, könnte keinen Wider- spruch in Serbien erregen. Auch in Deutschland, wo militärische Tugenden in hohem Maße geshäßt würden, fei man über die Ehrung des serbishen Königs nicht ungehalten gewesen.
Amerika.
Der amerikanische Staatssekretär Knox hat an den Führer der demokratishen Partei im Repräsentantenhause Underwoord einen vom „New York Herald“ veröffentlichten Brief gerichtet, in dem er, „W. T. B.“ zufolge, eine Bevollmächtigung des Präsidenten Taft zu durhgreifenden Tarifmaßregeln fordert, um der unterschiedlichen Behandlung ein Ende zu machen, die gewisse fremde Länder der amerikanischen Einfuhr noch angedeihen ließen. Knox führt Beispiele einer solchen unterschiedlihen Behandlung jeitens Belgiens, Deutschlands, Jtaliens, Oesterreih-Ungarns, Portugals und Bulgariens an und empfiehlt die Anwendung von Vergeltungszöllen, um ihr entgegenzutreten. Jn einigen Fällen werde es vielleicht not- wendig sein, Zuschlagszölle von 5 bis zu 25 Prozent auf einige Artikel zu legen, oder man könne die gesamte Ausfuhr einer Nation nah den Vereinigten Staaten bábecei Säßen wie denen des bestehenden Minimaltarifs unterwerfen. Jn Fällen \{hwererer Art könne sogar ein Einfuhrverbot notwendig sein.
Afrika.
Wie „W. T. B.“ meldet, lagen gestern aus Tripolis, Ainzara, Tadjura und Homs keine neuen Nachrichtèn vor. Kundschafter und Flieger bestätigen, daß das Gebiet nördli von Azizie fast völlig vom Feinde geräumt ist. Ein Teil der Türken soll sich in Garian, ein Teil in Azizie befinden.
Die „Agenzia Stefani“ teilt mit, daß der türkische Kriegs- minister eine Depesche des Kommandanten der türkischen Truppen in Benghasi veröffentlicht habe, die besage, daß die Jtaliener Dumdumgeschosse und andere Explofivgeschosse verwendeten, die dur die internationalen Uebereinkommen verboten seien. Diese
durch den türkishen Minister veröffentlichte Nachricht entbehre aber jeder Begründung.
Koloniales.
Die neue Regierungsstation auf den Admiralitäts- inseln (Deutsch Neuguinea).
Die von der Schutzgebietéverwaltung {hon lange angesirebte Er- rihtung einer Regierungsstation auf den Admiralitätsinseln ist, nah- dem im Etat für 1911 die Mittel hierfür bewilligt waren, nunmehr verwirkliht worden. Durch Bekanntmachung des Gouverneurs von Deutsch Neuguinea vom 1. Oktober d. I. wurden die Admirali- tätsinseln und die Westlihen Inseln, die bisher zu dem Bezirke des Bezirksamts Rabaul (Neu Pommern) gehörten, von diesem abgetrennt und zu einem neuen, selbständigen Stationsbezirk vereinigt. Die neue Station wurde am 25. Oktober d. I. am Seeadlerhafen, im Osten der Hauptinsel der Admirali-
sgruppe, errihtet; fie führt den Eingeborenennamen der Ad- miralitätsinseln Manus als amtliche Bezeichnung. Das Personal der Station besteht aus einem Stationsleiter, einem Polizeimeister, einem Sanität8gebilfen und fünfzig eingeborenen Polizeifoldaten. Die Station if dem Gouvernement unmittelbar unterstellt. O
Die Admiralitätsinseln sind etwa 2500 qkm groß; die eingeborene Bevölkerung wird auf etwa 30 000 Seelen geshäßt. Die Eingeborenen sind den übrigen Stämmen des Bismarck-Archipels an eistiger Befähigung überlegen; fie sind jedoeh noch Kannibalen und Fbr friegeriid. Blutige Stammesfehden sowie Uebergriffe auf die in ibrem Gebiete ansässigen Weißen und deren Arbeiter waren bis in die letzte Zeit hinein an der Tagesordnung. Diese Zustände bedingten zahlrei traferpeditionen, die aber, da die Schuldigen fi stets in das undur(hdringliche Innere der Inseln zurückzogen, einen nachaltigen Grfolg nit haben konnten. Der neuen Station, die auf den Inseln selbst festen Fuß fassen kann, wird es eher gelingen, den Landfrieden herbeizuführen. Daneben wird es die Hauptaufgabe der Station fein, die Eingeborenen noch mehr als bisher zur Arbeit auf den Pflanzungen der Weißen geneigt zu machen und ihre eigene Produktion zu heben. Fn den leßten Jahren hat \ich auf den Admiralitätsinseln eine rege Se entwidelt; besonders die Firma Hernsheim u.
o. in Matupi hat umfangreiche Kokospalmpflanzungen angelegt und unterhält mehrere mit je einem Europäer belegte Stationen. Es it anzunebmen, daß diese Entwicklung rasch fortshreiten wird.
Die Westlichen Inseln, die ebenfalls zum Gebiete der neuen Station gehören, liegen nordwestlich von Je8 Admiraliätsinseln und umfassen mehrere kleine, auf einen weiten Flähenraum zerstreute Fnfelgruppen, die zusammen nur etwa 100 qkm groß sind und von ciner chwahen, dem Ausfterben verfallenen Eingeborenenbevölkerung bewohnt werden. Der größte Teil der Inseln ist Eigentum der pena Heinrih Rudolph Wahlen und von diefer mit Kokospalmen
flanzt. Der Siß der Firma befindet sich auf Maron in der
Hermits-Gruppe. (Deutsches Kolonialblatt.)
Statistik und Volkswirtschaft.
Die deutsche überseeische Auswanderung im November 1911 und in dem gleihen Zeitraume des Vorjahrs.
Es wurden befördert deutsche Auswanderer im Monat November über 191
1 1910
Dea L E 080 L 124 i E 767 deutsche Häfen zusammen . . 1250 1 894 fremde Häfen (soweit ermittelt) 231 272 überhaupt . . . 1481 2166.
Aus deutschen Häfen wurden im November 1911 neben den 1250 deutshen Auswanderern noch 20 696 Angehörige fremder Sn gert; davon gingen über Bremen 10 700, über Ham-
g .
Zur Arbeiterbewegung.
In der am 6. Dezember in Dresden unter dem Vorsiß des Kandtagêabgeordneten Dr. erd abgehaltenen Vorstands- figung des Deutschen Industrieshuyßverbandes wurden 66 Streik- und Aus\perrungsfälle mit insgesamt 131 410 ausgefallenen Manntagen auf Grund des Berichts der mit der ein- gehenden Prüfung beauftragten Kommission als entschädigungsberechtigt anerkannt. Die Beratung der argen Gegenstände der Tagesordnung mußte vertagt werden. Dem eutshen Industrieshußverbande gebör?n zurzeit 52 industrielle Arbeitgeberverbände, darunter 12 Reichs- und 20 Landes- oder Bezirksverbände an. Der Anschluß mebrerer bedeutender Branchenverbände ftebt für die nähste Zeit in Ausficht. Die Mitgliederzahl hat sich auf 2760 Betriebe mit einer Lohnsumme von rund 230 Millionen Mark gehoben. -
(Weitere „Statistishe Nachrichten“ \. i. d. Ersten Beilage.)
Kunst und Wissenschaft. *
Das Museum für Meereskunde ist während der Feiertage am 2. Weihnachtstage und Sylvester von 12 bis 4 Uhr geöffnet, am Heiligabend und am 1. Feiertage sowie am Neujabrêtage ges{lofsen. Im übrigen gelten die allgemeinen Bestimmungen über die offentliche Besuchszeit.
In der Deutsh-Asiatishen Gesellshaft sprah gestern Oscar Iden- Zeller über das Thema: , Meine Durhquerung von Oft- und Nord-Sibir ien“; ein Gebiet, von dem bisher wenig befannt geworten ist. Der Vortragende behandelte vier Neise- abshnitte: die Flußfahrt von Katshuga an der Lena bis Jakutsk; die Schliitenreise von Jakutsk über das Werchojanische Gebirge zum asiatischen Kältepol unter 67 ° 34‘ n. Br., 133 °- 51‘ s. L.; die Fahrt von Werchojansf durch die Wildnis zu den Ufern: der Kolyma und {ließlich die Durhquerung der Tschufktshen Halbinsel von Nishny Kolymsk zur Beringstraße. Er hat die Reise unter ganz außer- ewöhnlihen Umständen zurüdckgelegt. So war er nacheinander Elößerknect auf der Lena, Begleiter des Polizeichefs von Wer- hojansf, Hilfépostillon, und bei Bewältigung der vierten Reise- etappe arbeitete er als Knecht unter den heidnishen, nomadisierenden Tschuktschen. Es liegt auf der Hand, daß ein Reisender, indem er sih den jeweiligen Verhältnissen anpaßt und mit den Eingeborenen in engste Füblung tritt, auch eine genaue Kenntnis von Land und Leuten
d zu eigen mat, und so bot denn auch der Vortrag viel neue
inzelbeiten über das Leben in jenen fernen Gegenden. Der 3000 Werst lange Weg Irkutsk— Iakutsk ist ohne Schwierigkeit zurück- zulegen, davon etwa 300 Werst zwischen Irkutsk und Werchojansk im Postwagen; von dort fährt man auf dem Postdampfer über Witinsk nach Jakutsk. Während des Winters (Mitte Oktober bis Mitte April) wird die ganze Reise mit Pferdeshlitten auf dem Eise der Lena in etwa 10 Tagen zurückgelegt. Von Witimsk aus ist Gelegenheit, den Witim mit einem Dampfer au ârts fahrend, die ostsibirishe Goldgräberzentrale Bodaibo zu besuchen; die Gold- finden arbeiten dort mit den neuesten Maschinen und ihr Betrieb ist
hnend. Ein anshaulihes Bild entwarf der Vortragende von
afutsf, das unter dem 62° n. Br. liegt, als äußerster Vorposten der
ivilisation zu beirahten und berühmt ist als Stapelplayz für alle aus Nord-Ost Sibirien kommenden wertvollen Felle. In Jakutsk werden au die Rer iierkarawanen zusammengestellt, die während des Winters in monatelangen Märschen über das werhosanische Gebirge und unter Ueberwindung des 1600 m hohen Tukulanpasses bis zu den Ufern der Jana, Indigi:ka und Kolyma vordringen und alle Niederlassungen jenseits des Polarkreises mit Nahrungsmitteln ver- sorgen, denn über Jafkutsf hinaus ift Ackerbau niht mehr möglich. Der Vortragende schilderte verschiedene Völkerfckaften, deren Gebiete er durdquert batte, und entwarf ein recht günstiges Bild von den Jakuten, jenem großen ural-altaischen Stamme, von dem sh au
die Tataren igen. Wir finden fie zwischen Jakutsk und dem nördlichen Én sie find im wesentlichen Viehzüchter und s: die von ihnen gezühteten Pferde und Renntiere werden mit
orliebe gefauft. In der Nähe des Eismeeres treiben sie au Fischerei und sind Hundezüchter. Der Vortragende ließ dann die Jakuten, Tungusen, Lamuten und Jukagiren an den Hörern vorüberzieben und diese in jener Hütten und Zelte eintreten. Er s\childerte, wie er mit ihnen die Wildnis durstreift und an ihrem schweren Kampfe ums Leben teilgenommen habe; er führte in Gebiete jenseits aller Kultur, wo die Bäume immer fleiner und fümmerliher werden, bis in die Pschaunberge, wo selbst ein armseliger Strauß nicht mehr gedeihen kann, und wo er, vom Morgen bis zum Abend auf Renntiershlitten durch die Einsamkeit ziehend, sich mit Poi dem Ostende Sibiriens näherte. Eine große Zahl vorzüglicher Lichtbilder gab dem Vortrage eine willkommene Ergänzung. /
Literatur.
Der kürzli ershienene 149. Jahrgang des Gothaischen Genealogishen Hofkalenders nebst diplomatisch - statiftischem Fahrbuch bringt die Bildnisse des spanischen Königépaares und des Prinz-Regenten Luitpold von Bayern fowie das des verstorbenen russischen Miaisterpräsidenten Stolypin. Eine ganze Reibe fürstliher Häuser wurde in die Ill. Abteilung des Hofkalenders neu aufgenommen: die neuen öôsterreihischen Fürsten von Thun und Hohenstcin und von Weikersheim, der ungarische Fürst Festetics von Tolna, die italienishen Castelcicala und Monteleone und- endli die polnischen Fürsten Puzehna (Kozielsf). Im Gebilde der Staaten Europas und der anderen Weltteile traten feine wesentlichen abgeschlossenen Aenderungen im ablaufenden Jahre ein, die im Kalender zu berücksihtigen gewesen wären. Die diplomatischen und statistischen Angaben konnten für alle Länder der Welt, mit Aus- nabme von Chile und Spanien, von denen Angaben nicht rechtzeitig eingingen, ergänzt werden. Wohl noch nie konnten in einem Jahr- gang des Hofkalenders die Ergebnisse so zahlreicher fast gleich- zeitiger Volkszählungen vorgelegt werden wie in diesem Jahrgang. Mitgeteilt fonnten werden die Ergebnisse der Zählungen im Deutschen Reiche, in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Bulgarien, Dänemark, Großbritannien, British Indien, British Südafrika, Canada, Australien und einigen fleinen Kolonien, Luxemburg, Meriko, Norwegen, Oesterrei - Ungarn, Schweden, in der Schweiz, in Spanien und Kreta. Von China lagen noch niht die Er- gebnisse aller Provinzen vorz - von Italien und Serbien konnten erst die vorläufigen Ergebnisse für den ganzen Staat und für die Provinzialbhauptstädte mitgeteilt werden. Noch -nicht festgestellt waren die Ergebnifse der Zählungen in Belgien, in Frankrei und in den meisten seiner Kolonien. Brasilien hat die für 1911 geplante Zählung hinau8geshoben, während über die beabsichtigte Zählung in Argentinien nichts zu ermitteln war. Ueber die Finanzen, den Handel und Ver- fehr der einzelnen Staaten fonnte ein so umfangreihes Material neu verarbeitet werden, daß nur wenige der älteren Angaben stehen ge- blieben sind.
Der 85. Jahrgang des Tashenbuchs der Gräflichen t geshmüdckt mit dem Bilde des Generalfeldmarschalls Alfred
afen von Schlieffen, konnte durch Artikel über die Gräflichen Häuser Horn, Hülsen (Hülsen - Haeseler), T1I1. Linie, Krockow, Lónyay, C., Nani - Mocenigo und Podewils - Dürniz bereichert werden. Die Redaktion des Taschenbuchs weist darauf hin, daß Berichtigungen und Ergänzungen jederzeit entgegengenommen und obne Erlegung einer Gebühr aufgenommen werden. Auch die Einstellung neuer Familien erfolgt vollständig kostenlos, sobald die den Grafentitel begründende Urkunde im Original oder in beglaubigter Abschrift vorgelegt wird, vorausgesezt, daß die Erhebung in den Grafenstand oder seine Anerkennung _bezw. Bestätigung durch einen deutschen Fürsten bezw. eine deut\che zuständige Behörde (Oester- rei einbegriffen) erfolgte.
In dem 62. Jahrgang des Taschenbuchs der Freiherr- lichen Häuser, der mit dem Bildnisse des Generals der Infanterie S von Plettenberg ges{chmüdt ift, wurden Artikel über folgende
amilien neu aufgenommen : Beshwitz, 11. Linie, — Beust, I. Linie (Wiederaufnahme), — Müllenheim-Rechberg, A., c.,, — Münchhausen, A. Weiße Unie, 1., — Schletnig, Il. Linie, — Schwarzenberg und Hohbenlandsberg, — Thavonat, — Ungern-Sternberg, A. Für Be- rihtigungen und die Aufnahme neuer Familien gelten dieselben Be- stimmungen, die oben hinsihtlich des Taschenbuhs der Gräflichen Häuser mitgeteilt worden sind.
Der vorliegende 13. Jahrgang des Taschenbuchs der ur- adeligen Häuser ist mit dem Bildnis des Admirals von Holtzen- dorf geschmüdt. Der Bestand wurde durch Artikel über sieben in ihrem Personalbestand zum Teil sehr umfangreihe Geschlechter ver- mehrt. Es sind das die furländishen Behr, die uckermärkischen Buch, die Gagern, Preen, Salish, Unruh und Vietin hof gen. Scheel. Zur Aufnahme in das Uradlige Taschenbuch ist erforderlich der Nachweis, daß ein sicheres Mitglied des Geschlechts in irgend einer Urfunde vor 1350 genannt worden ift, ferner die Beschreibung des Wappens, die Aufstellung der Stammreihe (von Vater auf Sohn) und die möglichst vollständige Angabe des Personalbestandes im 18., 19. und 20. Jahrhundert, au der Zweige, die mittlerweile erloshen find. Alle männlichen Geschlehtsmitglieder, die, ohne Nakommen zu hinterlassen, verstorben sind, ebenso die Familientôöhter werden nah ihrem Tode nur noch einmal im Taschenbuch erwähnt. :
Dem 6. Band des Briefadeligen Taschenbuchs ist das Bild des Großherzoglich hessishen Ministers des Innern von Hombergk zu Vach vorangestellt. Der in diesem Taschenbuch darzustellende Stoff ist derart angewachsen, daß er von diesem Jahre ab in zwei Bände hat zerlegt werten müssen. Aehnlich wie das hon bei dem freiberrlihen Taschenbuch durchgeführt wurde, wird vom Jahrgang 1912 an in die „geraden“ Jahrgänge der ältere Briefadel, in die „ungeraden“ der junge Briefadel aufge- nommen werden. Als Grenze ¡wishen altem und jungem Briefadel ist der 6. August des Jahres 1806 angeseßt, an dem das alte Deutsche Reich rômischer Nation aufgelöst worden ist. Nach dieser Zeit stand allen souveränen deutschen Fürsten das Recht zu nobilitieren zu, or agg dies vorber nur einzelne (so Bayern und Preußen) erreicht atten.
Es sei {ließlich noch darauf aufmerksam gemacht, daß jedem Bande der genealogischen Taschenbücher für 1912 ein Verzeichnis aller derjenigen Häuser angeheftet ist, die im Hoffkalender, in den Taschen- büchern der Gräflichen, Freiherrlihen, Uradeligen und Briefadeligen Häuser bisher genealogisch dargestellt worden find.
— Mit dem 20. soeben ershienenen Bande der „Klassiker der Kunst“, der die Gemälde Hans Holbein des Jüngeren (9 #) bringt, hat sih die Deutsche Verlagéanstalt in Stuttgart ein besonderes Verdtenst erworben. Seit dem Erscheinen des eingehenden, zwei- bändigen Werkes „Holbein und seine Zeit" von Woltmann sind etwa 30 Jahre verflossen; die späteren Arbeiten über den Meister von Leithäuser, H. A. Schmid, Knackfuß_ Goette, Many und His befassen sih niht mit der gesamten Kunst Holbeins. Da lag ein wirkliches Bedürfnis nah einer neuen Darstellung vor, die den in den legten
ahrzehnten gemachten Fortschritten der Kunstgeschichte Rechnung trägt. er Herausgeber des vorliegenden Holbein-Bandes ift der Direktor der Baseler Kunstsammlungen, Professor Ganz, einer der besten Holbein-Kenner der Gegenwart. Er gibt im des Buches neben einer Schilderung des Lebens Holbeins eine feinfinnige Charakteristik seiner Kunst als Maler, ihrer Entwicklung, Zusammenbänge und Wirkungen. Der Kunsthistoriker wird in der Darstellung eine Fülle wertvoller Erläuterungen, Zeitbestimmungen und Nachweise finden. n 252 Abbildungen werden dann die erhaltenen Gemälde des eisters lüdckenlos vorgeführt; unter ibnen befindet sih eine Anzahl bisher nicht nachgebildeter, fast unbekannter Werke die, in privaten Sammlungen des Auslands, namentli Englands, zerstreut, der wissenshaftlihen Forshung ziemlich un- zugänglih waren. Ferner sind die untergegangenen Monumental- malereien nach alten Kopien und Stichen wiedergegeben; sämtliche Stiche des berühmten Kupferstehers Wenzel Hollar sind dazu heran-
gezogen, und ein Anhang gibt, wie au in den früheren Bänden der „Klassiker der Kunst", die Hauptstücke unter den zweifelhaften oder: Holbein d. I. zu Unrecht zugeschriebenen Werken. Die Güte der iw diesen Sammlungen wiedergegebenen Bilder ist an dieser Stelle wiederholt rühmend eee, es sei daher nur betont, M dieser Band si auch in diefer eziehung den früheren würdig anschließt. E. AEpEien Arbeiten Holbeins find einem besonderen Bande vor-
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— Der 13. Jahrgang des von dem Kapitänleutnant a. D. B. Weyer herausgegebenen Tashenbuchs der Kriegsflotten für 1912 ist im Verlag von I. F. Lehmann in München erschienen. Die Flottenlisten find in ihm bis Ende November d. J. auf dem Laufenden erhalten ; der Bilderteil ist vielfa erneuert und vermehrt. Die wichtigsten marinepolitishen Ereignifse des Jahres sind wieder im 2. Teil besprochen worden. Das Kapitel ,Marineartillerie“ wurde zum Teil umgearbeitet. Den Abschnitt „Seeinterefsen“ hat der Direktor des staatswissenshaftlichen Instituts der Universität Kiel, Professor Dr. Harms übernommen. Das mit 925 Schiffsbilderù, Skizzen und Schattenrissen ausgestattete Tascenbuch kostet geb. 5 #.
Jagd.
Dienstag, den 19. d. M., findet Königliche Parforce- jagd statt. Stelldichein: Nachmittags 1 Uhr, auf dem Wege von Staaken nah Döberiß am Sicherheitsstand 1. Der Zug, ab Berlin Lehrier Bahnhof 11 Ühr 10“ Vormittags nach Dallgow-Döberiß und zurück, verkehrt nicht mehr.
Theater und Musik.
Deutsches Theater.
Man weiß nicht recht, war es ein Erfolg oder Mißerfolg, den das Drama „Offiziere“ von Friy von Unruh, das gestern zum ersten Male auf der Bühne des Deutshen Theaters ersien, davon- trug: Klatscher und Zischer waren ziemlich glei verteilt. Indessen den fritishen Beurteiler des Stüs darf das wenig bekümmern, ihn geht nur das Werk als solches an und die Frage, ob es Hoffnungen zu erwecken geeignet ist oder nicht. Diese Frage ist troy aller Fehler, die diese Érstlingsarbeit aufweist, entschieden zu Veiabes weil ibr Verfasser die Welt mit den Augen des Dichters ansieht. Ob freilih feine Lorbeeren auf dramatishem Felde wahsen werden, läßt fih heute noch nit ermefsen ; das wird davon abbângen, ob er die Meisterschaft, die in der Beschränkung liegt, erlangen, ober das rein Handwerkliche der dramatischen Kunst sih zu eigen machen wird. Noh strebt er in die Breite, verliert sich in der Absicht, möglichst lebensgetreu zu schildern, in umständlihe Einzelheiten, schwelgt zuweilen ganze Akte lang in Stimmungen, die ih, so tief fie auch empfunden sind, ihm unbewußt, auf der Bühne in lange, leere Strecken verwandeln und die Sehnsuht nach dem Rotstift wahrufen. Und doch muß man den offenbar sehr jungen Verfasser, der sh nah den Aktshlüfsen dem Publikum zeigte, um seiner selbst willen lieb gewinnen und möchte wünschen, daß er Selbstkritik genug besäße, die seinem Drama an- baftenden Mängel zu erkennen und aus seinen Fehlern zu lernen. Was besonders angenehm an ihm berührt, ist seine völlig tendenzfrete
rt, Menschen und Dinge anzuschauen. Diese Offiziere, die er im Frieden in der Garnifon und als Kämpfer in Südwestafrika vorführt, sind nit berkêömmlihe Typen und Schablonen, niht mit der Absicht, irgend eine These zu verfehten oder gekünstelte patriotishe Gefühle zu erweden, fonstcuierte Gestalten, sondern Menschen von Fleisch und Blut, wenn sie auch freilih aus der Sphäre heraus zu verstehen find, in der sie leben und si bewegen. Etwas vom Geiste Kleists \pürt man in ihnen, an dessen „Prinzen von Homburg“ man unwillkürli erinnert wird, nicht zum mindesten dadurch, daß zum Schluß der Held des Stücks, ohne den Befehl des Obersten abzuwarten, aus eigener Verantwortung das Leuchtkugelsignal zum Angriff auf die Hereros gibt und den Sieg entscheidet, den er selbst, von einem feindlihen Geshoß
etroffen, niht mehr erlebt. Der Konflikt zwishen Tatendrang und Pflicht, der in der Brust dieses jungen Leutnants tobt, wird noch durch die Liebe zu seiner Braut, der Tochter des Obersten, die ihm als Krankenschwester ins Feld folgt, vershärft. Eine der bestgesehenen Figuren des Stüds ift ferner ein Oberleutnant, der sein Herz eben- falls an die Oberstentohter verloren hat, sein Gefühl aber als entsagender Held und getreuer Kamerad des Vorerwähnten sorgfältig verbirgt und den Tod im Gefeht sucht und findet. Auch unter den vielen anderen Offiziersgestalten, die in übergroßer Zahl durch das Stück geben, ist manche gut beobachtet und mit sicheren Strichen hingestellt. Aber diefe Vorzüge können die feblerhafte Komposition des Gesamtwerks niht wettmachen, von dessen sechs Bildern man einzelne, wie z. B. den langen, auf dem Schiffe spielenden Aft, glatt streichen könnte, ohne der Handlung irgend einen wesentlichen Bestandteil zu nehmen. Auch sonst ist in den einzelnen Szenen noch sebr viel Ueberflüssiges und Unklares, das den Gang der Handlung lähmt und das Verständnis niht eben fördert. Selbst die beste Aufführung — und sie war gestern durhaus gut — fönnte darüber niht bhinwegkommen. Die vornehmsten Kräfte der Reinbardtbübhnen wurden ins Treffen geführt. Friedrih Kayßler gab die Hauptrolle des jungen tatendurstigen Leutnants von Scchlichting anfangs vortreflich, später vielleiht etwas zu wild und draufgängerisch. Ein Kabinettstück feiner Charakteristik bot Paul Biensfeldt als dessen entsagungsvoller Nebenbuhler. Séhlicht und packenod spielte Paul Wegener den Oberst, und die problematishe Rolle eines leihtsinnigen, im Frieden seiner Spiel- schulden wegen verabschiedeten Offiziers, der als Kriegéfreiwilliger den Feldzug mitmacht, fand in Herrn Bassermann einen interessanien Ver- treter, wenn es ihm auch nicht gelang, die Widersprüche des Charakters zu lösen. In der Rolle der Oberstentoter führte sih Cornelie Gebühr als sympatbishe Künstlerin ein. Unter den anderen zahlreihen Mit- wirkenden find noch die Herren Diegelmann, Waßmann, Liedtke, von Winterstein, Ebert bervorzubeben. Von eigenartigem Stimmungs- reiz waren die Dekorationen; besonders das Schiffsverdeck unter klarem Sternbimmel und die afrikanischen landschaftlihen Bilder. — Der Aufführung wohnten Ihre Königlichen Hobeiten der Herzog von Coburg und der Prinz August Wilhelm mit ihren Gemahlinnen bei.
Im Königlihen Opernhause wird morgen, Sonntag, „Der Rosenkavalier* wiederholt. Fräulein Ober fingt zum ersten Male die Titelrolle. In den übrigen Hauptrollen sind die Damen Denera, Dux, Rothauser, von Scheele-Müller sowie die Herren Knüpfer, Hoffmann, Henke und Sommer beschäftigt. Dirigent ist der General- musikdirektor Dr. Muck. Weitere Wiederholungen des „Nosenkavaliers“ finden an den Tagen Mittwoch sowie Freitag der nähsten Woche statt. Außerdem bringt der Spielplan noch Wiederauffübrungen von „Don Juan“, mit Frau d’Albert als Donna Anna, Herrn Mang als Leporello, sowie von „Tristan und Jsolde“, mit Herrn Maclennan zum ersten Male als Tristan. Der am Sonntag, den 17. d. M., beginnende Vorverkauf umfaßt sämtlihe im Spielplan angekündigten Vorstellungen bis einshließlich 28. d. M.
Im Königlichen Schauspielhause geht morgen, Sonntag, neueinstudiert, als 284. Abonnementsvorstellung die 1. und 2. Ab- teilung von Friedrich Hebbels „Nibelungen“ in folgenter Beseßung in Szene: „Der gehörnte Siegfried“, Vorspiel in einem Aufzuge: König Gunther: Herr Geisendörfer, Hagen Tronje: Herr Kraußneck, Dankwart, dessen Bruder : Herr Mannstädt, Gifelher: Herr Boettcher, Gerenot: Herr Werrack, Volker, der Spielmann: Herr Keßler, Rumolt, der Küchenmeister: Herr Eichholz, Siegfried: Herr Staege- mann, Ute: Frau Buyze, Kriemhild, ihre Tochter: Frau Willig. — Zu diesen Personen treten in „Siegfriets Tod“, Trauerspiel in fünf Auf- zúgen, noch hinzu : Brunhild, Königin von Isenland: Frau Poppe, Frigga, ibre Amme : Fräulein von Arnauld, ein Kaplan: Herr Eggeling, ein Kämmerer : Paris, Recken: die Herren Winter, Koh und Stange. Die Dichtung ist von Herrn Regisseur Patry in Szene gesept. — Am Montag werden die beiden Stücke H. von Kleists „Robert Guiskard“ und „Dec zerbrochene Krug", denen Goethes „Geschwister“ vörausgehen, aufgeführt. Der am Sonntag, den 17. d. M. beginnende