1892 / 140 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Jun 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Ï dem Antrage der i angenommen Ties tit «ber, daß der Besat Les antes L S Verschlehterung sei. Eine Ausnabmestellung für die Landgenzein unter 3000 Seelen sei durchaus nicht mehr gerechtfertigt ; er würde gern für die ursprüngliche Regierungsvorlage ftimmen, wenn diese Überhaupt noch Aussicht auf Annahme im anderen Haufe bâtte.

Minister des Jnnern Herrfurth: :

Ich möchte in diesem Stadium der Berathung auf eine Erörte- rung der Frage überhaupt niht mehr eingehen, ob der § 2, der im Abgeordnetenhause diesem Geseßze neu hinzugefügt worden if, eine Verbesserung oder eine Vershlehterung desselben euthält. Nachdem Ihre Commission einstimmig sih dafür entschieden hat, diesen Paragraphen in seinen wesentlihen Bestimmungen anzu- nehmen, jetcch die Aenderung eintreten zu laffen, daß die Seelenzahl von 3000 auf 2000 herabgeseßt werde, und da ih nah den Erklärungen der beiden Herren Vorreèner wohl annehmen fann, daß das Haus mit großer Majorität diesem Beschlusse der Commission beitreten wird, kann ih mich darauf befränken, die Erklärung zu wiederholen, die die Königliche Staatsregierung im andern Hause und in der Commission Ihres Hauses abgegeben hat- nämli, daß sie schwere Bedenken getragen haben würde, dem Geseyze ¿uzustimmen, wenn der § 2 unverändert angenommen wäre, daß fie darin nach den Erklärungen des Herrn Kriegs-Minifters im ändern Hause eine Gefährdung der militärischen Intereffen gesehen haben würde, daß sie aber na den Veränderungen dexr Zahlen- grenze, welhe die Commission vorgeshlagen bat und die au von den beiden Herren Vorrednern empfohlen worden ift, dem §2 ihrer- seits zustimmt und bei Seiner Majestät die Allerhöchfte Sanction dieses Gesetzes zu beantragen bereit sein wird.

S 2 wird nach dem Antrage der Commission mit großer Mehrheit angenommen.

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Bei § 3 erklärt Ober-Bürgermeister Struckmann, daß _ die Stellung der Stadtsergeanten eine solche sei, daß man ihre Thâtig- keit nit als wesentli mechanische Dienstleistungen betraten könne, sodaß sie nit unter § 3 fielen, sondern unter § 4, d. h. es follten für diese Stellen niht aus\f{ließlich, sondern nur zur Hälfte Militär- anwärter berufen werden.

Minister des Jnnern Herr furth:

Meine Herr en! Dem Wunsche des Herrn Ober-Bürgermeisters Struckmann, dem er in seinen lezten Worten Ausdruck gegeben hat bin ih Rechnung zu tragen sehr gern bereit. JIch glaube, wir be: finden uns über die Frage niht in einer Differenz, ob überhaupt Militäranwärter auss{ließlich bezw. vorzugsweise für die ftädtischen Polizeisergeantenstellen zu verwenden seien, sondern es handelt si ledigli um die Frage, ob diese Verwendung erfolgen solle auf Grund der Bestimmung des § 3 Nr. 2, oder auf Grund der Be- stimmung in § 5.

Nun muß ih anerkennen, daß \ich aus dem Wortlaut des Ge- seßes diese Frage nit ohne weiteres entsheiden läßt; es ist eine quaestio facti, die in jedem cinzelnen Falle wird zum Auêtrag gebracht werden müssen, und ich glaube, sie wird nit einmal überall und für alle Gemeinden gleichmäßig entschieden werden können, vielleiht fogar nit einmal gleihmäßig entshieden werden Éênnen innerhalb einer und derselben Gemeinde für alle Stellen. I darf daran erinnern, daß auch bei der Königlichen Schußmannschaft man den Unterschied gemacht hat zwischen den Criminalschußleuten und den übrigen Schußleuten, sodaß man auch berechtigt sein würde, innerhalb der städtischen Polizeiverwaltung einen ähnlichen Unterschied zu machen zwischen denjenigen, welde mit {wierigeren Functionen beauftragt werden, und denjenigen, deren Beschäftigung im wesent- lichen in mcchanisen Dienstleistungen besteht.

Ich bin fehr gern bereit, bei den Bestimmungen, die auf Grund des § 16 zur Ausführung dieses Gesetzes zu erlassen sein werden, diese Frage in erneute Erwägung zu ziehen, und namentlih aub den Re- gierungs-Präsidenten anheim zu geben, in jedem einzelnen Falle eine genaue Prüfung eintreten zu lassen. Im großen und ganzen für die Mehrzahl der Polizeisergeanten, glaube ih aber, ist anzunehmen, daß fie diefelbe Stellung haben wie die Königlichen Schußmänner, und in Betreff derer is allerdings bei der Aufstellung der Grundsäße von 1882 davon ausgegangen worden, daß sie, soweit fe nicht Criminak- shußmänner seien, zu denjenigen gehören, deren Obliegenheiten im wesentlihen in mechanischen Dienstleistungen be- stehen.

_ Darauf wird der Rest der Vorlage en bloc angenommen; nie muy wegen der Aenderung im § 2 nochmals an das Abgeordnetenhaus gehen. :

Es folgt die wiederholte Schlußberathung über die Lan d- gemeindeordnung für Shleswig-Holstein. h

Der Berichterstatter Ober-Bürgermeister Fuß weist darauf hin, daß in der Commission sich kein grundsäßlicher Widerspruch geltend gemacht habe ; die Commission habe einstimmig die Annabme der Vorlage empfohlen. Im Plenum habe sich vor Pfingsten ein grundfäßlicher Widerspruch erhoben, und die Debatte habe drei Mit- glieder der Commission bewogen, gegen die Vorlage zu stimmen. Troy- dem glaube er als Berichterstatter die Annahme der DOLOE auch jeßt noch empfehlen zu sollen, namentlich da sie im Pleuum mit Mehrheit bereits angenommen fei. Die Gegner der Vorlage wollten die Provinz Schleswig-Holstein mit der ihnen selbst unangenehmen Vorlage noch verschonen; aber die Provinz gehöre nunmehr 25 Jahre dem Staat an, und der Provinzial-Landtag habe die Vorlage ge- wünscht. /

Geheimer Regierungs-Rath Bredt empfiehlt die en bloc-An- nahme der Vorlage. s : s __ Graf Klinckowstroem verwahrt sich dagegen, daß vor Pfingsten

eine Ueberrumpelung stattgefunden habe; Herr Zweigert habe den Auêdruck allerdings naher in Ueberrashung umgewandelt, aber die fortschrittlihe Presse habe lediglih mit der Ueberrumpelung tweiter earbeitet. Redner verwahrt sich dagegen, daß er in der früheren Debatte ein vom König fanctionirtes Geseß fritifirt habe; das ent- spreche seinen Lebensgewolnheiten nicht, sei aber durchaus nicht ver- boten, denn fonst fönne man fein altes Gefeß durch ein neues er- seßen. Er habe das Recht des freien Wortes im Haufe und mache davon Gebrauch bei Vorlagen, die ihm nicht gefielen. Gr hoffe, daß die Aeußerung des Ministers gegen ihn auf einem Miß- verständniß berube, und daß er dur eine dahin gehende Erflärung die Debatte wieder in sachliche Bahnen leiten werde. ( Beifall.)

Minister des Jnnern Herrfurth:

Meine Herren! Jch kann meinerseits mi mit den heutigen Ausführungen des Herrn Grafen von Klinckowstrecem nur vollständig einverstanden erklären. Jch meine, die Stellung, die erx den Mit- gliedern der beiden Häuser des Landtags gegenüber der bestehen- den Gesetzgebung vindicirt, ist eine vollständig zutreffende, ebenso wie die Königliche Staatsregierung selbs ja auch dem beftehenden Geseßzeszustand gegenüber dieselbe Stellung einnimmt. Denn das ift richtig: jeder neue Geseßentwurf, den die Staatsregierung der Beschluß- fassung des Landtags unterwirft, enthält cine Kritik des bis dabin

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bestehenden Rehtszustandes, den zu ändern, der Gesetzentwurf bestimmt ift. Also nah dieser Richtung trifft, glaube ih, das Mißverständniß, das angeblih untergellaufen is, in erster Linie nicht mi, fondern vielleiht im höheren Maße diejenigen Herren, die in meinen Worten einen Vorwurf gegen ihre persönlihe Stellung zu den Maßnahmen Seiner Majestät des Kaisers und Königs haben sehen wollen. Jh erkenne vollständig das Recht eines jeden Mitgliedes der beiden Häuser des Landtags an, diese Kritik an dem bestehenden Recht ebenso zu üben, wie an Geseßesvorlagen, die Jhnen zur Berathung und Beschlußfassung vorgelegt werden. Ich habe und das ift, glaube ih, aus meinen Worten, die Herr Graf von Klinckowstroem vorgelesen hat, auch zu erkennen nur meinerseits damals abgelehnt, überhaupt in eine Erörterung über die Vorzüge oder Nachtheile der Landgemeindeordnung vom 3. Juli v. J. einzutreten. Ih habe ge- sagt, dieses Gesez is im vorigen Jahre von beiden Häusern angenommen, isff turch Allerhöchste Sanction ein Theil des beftehenden öffentliden Rechts geworden; auf eine Erörterung über principielle Fragen dieses Geseßes lasse ih mi jeßt nicht mehr ein; ih beschränke mi lediglih auf den vorliegenden Gesetzentwurf, der dieses Gesetz als ein bestehendes Recht hinnimmt und es in eine neue Provinz einführen will. Ich habe ausdrücklich, um auch meine einleitenden Worte noch hinzuzufügen, gesagt: «Meine Herren, Herr Graf von Klinckowstroem hat vrin- cipielle Bedenken und Gründe provinzieller Natur gegen die F Annahme der Landgemeindeordnung für die Provinz Shleswig- Holstein geltend gemacht. Was seine principielle Stellung anlangt, fo glaube ih, müssen wir dieses Gesey als einen Theil des be- fiehbenten Rechts hinnehmen.“ Ich habe dabei allerdings vorausgesetzt, daß Herr Graf von Klinckow- stroem, der im vorigen Jahre, wenn ih mich reckt erinnere, gegen die Landgemeindeordnung gestimmt hat, an seiner vrincipiellen Stellung zu diesem Geseß dadur, daß es in der Geseßsammlung abgedruckt worden ist, nihts weiter geändert hätte; ich babe es aber abgelehnt, auf irgend fölhe Fragen ebensowenig wie er das ja speciell von si hervorgehoben hat einzugehen, und habe mih nah diesen einleitenden Worten in meiner übrigen Rede ledigli auf die Fragen provinzieller Natur beschränkt. Nun will ich, nachdem ih das Stenogramm nohmals gelesen habe, anerkennen, daß er seine principielle Stellung nicht einmal in der Weise, wie ih sie aufgefaßt habe, constatirt hat, sondern \sich namentli darauf bezogen hat, daß wir noch keine Erfahrungen mit dieser inzwischen Geseß gewor- denen Landgemeindeordnung gemacht haben und haben machen Éönnen. Nach dieser Richtung habe ih ihm ja auch soviel zugegeben : das ist rihtig, wir haben solche Erfahrungen zur Zeit noch nit gemacht, wir können sie niht gemacht haben, wir werden sie aber und das ist das andere Moment in ihrem vollen Umfange au ert nach einer Reihe von Jahren machen, und wenn wir diese Erfahrungen in ihrem wvollen Umfange abwarten wollen, müssen wir die Fortführung der ganzen Land- gemeindeordnungs-Geseßgebung auf eine längere Reihe von Ja hren sistiren, und dazu babe ih binzugefügt : das ist nicht der Standpunkt der Staatsregierung. Die Staatsregierung ist, als sie die Landgemeindeordnung füc die sieben östlichen Provinzen im vorigen Jahre einbrachte, von der Ueberzeugung ausgegangen, daß sie eine wesentliche Verbesserung des bestehenden Rechtszustandes mit diesem Gese berbei- führen werde; fie glaubt dieses Ziel für die östlichen Pro- vinzen erreiht zu haben und sie will dieses selbe Ergebniß dann auch auf dem gleihen Wege für die Provinz Schleswig-Hol- stein, in welcher gleihartige Verhältnisse obwalten, berbeiführen.

Meine Herren, ih möchte hier eine kurze Bemerkung einschalten. In den lehten vierzehn Tagen, also seit der vorigen Berathung, habe ih auf Grund der von mir veranlaßten Ermittelungen doch son Nachrichten erhalten, die man als Erfahrungen in Betcef dieser Landgemeindeordnung bezeichnen fann, allerdings nit als positive Erfahrungen, aber als negative nah der Richtung bin, daß ein großer Tkeil der Besorgnisse, die von den Gegnern der Landgemeindeordnung bei deren Berathung gehegt wurden, sih als unbegründet erwiesen haben, und daß die Vedenken, die gerade von diesem Standpunkt aus gegen die Landgemeindeordnung geltend gemacht worden sind, einer thatsählihen Begründung entbehren. Einer der wesentlichsten Punkte der Landgemeindeordnung war die Ausdehnung des commu- nalen Stimm- und Wahlrechts auf di: nicht Angeses- senen, und es war von einem großen Theil der Gegner dieses Reform- werks die Befürchtung ausgesprohen worden, es würde dadur ein UVebergewiht der nicht Angesessenen über die Angesessenen her- beigeführt werden, es würde eine Majorisirung des an- gesessenen Bauernstandes durch die nicht Angesessenen eine Folge dieser Gesetzgebung sein. Nun, meine Herren, hat fich, nahdem inzwishen die Wahlen zu den Gemeindevertretungen stattgefunden haben, herausgestellt, daß, abgesehen von einem Bezirk, von dem ih die Zahlen noch nit erhalten habe, im ganzen in den östlichen Provinzen die Zabl der Gemeinten, in denen eine gewählte Gemeindevertretung in Zukunft über die Verwaltung der Gemcinde- angelegenheiten zu beschlicßen bat, fich vervierfaht hat. Es war bis jeßt, abgesehen von dem einen Bezirk, in 1915 Gemeinden eine gewählte Gemeindevertretung vorhanden. Diese Zahl hat ih nach Einführung der neuen Gemeindeordnung auf 7850 erhöht. Fn diesen beinahe 8000 Gemeinden beträgt die Zahl der gewählten Ge- meindevertreter über 100 000, die Zahl der nicht Angesessenen beträgt wenig über 2000, also nur etwa 29% der gewählten Gemeinde- vertreter gehören den niht Angesessenen an. Man hat damals, um ein Vebergewiht der nihtangesessenen Gemeindevertreter gegenüber der angefessenen Bevölkerung zu vermeiden, in das Gesetz die Bestimmung aufgenommen, daß niemals mehr als ein Drittel der Mitglieder der Gemeindevertretung niht angesessen sein dürfe. Nach dem Ergebniß der inzwischen stattgehabten Wahlen hat sich die in dieser Bestimmung ausgesprochene Befürchtung als gänzlih unbegründet erwiesen.

Im übrigen will ih es heut, ebenso wie vor 14 Tagen, - ver- meiden, auf die materiellen Bestimmungen der Landgemeindeordnung vom 3.-Juli v. J. näher einzugehen. Jch will nur hervorheben, daß der Provinzial-Landtag der Provinz Schleswig-Holstein sowohl in der Commission wie im Plenum sih mit überwältigender Majorität für die Einführung des Gesetzes in dieser Provinz erklärt hat unter Ab- lehnung der Anträge auf Verschiebung des Einführungstermins, daß demnächst im andern Hause die Commission mit allen gegen eine Stimme und daß das andere Haus selbst mit sehr großer Ma- jorität und unter Zustimmung vieler, die im vorigen Jahre gegen das

Gese gestimmt haben, sich für das Gesep ausgespr ohen bat und endlih Ihre eigene Commission si einstimmig mit dem Gesetze ej,

verstanden erklärt hat. Hiernach glaube ih die Berehtigung zu baben,

den Wunsch auszusprechen, daß au dieses hohe Haus mit großer Majorität, wenn eine Einstimmigkeit nicht zu erzielen ift, den Ge. seßentwurf annehmen möge. (Bravo!)

Geheimer Regierungs-Rath Bredt verweist auf die Verhand, lungen des Provinziallandtags von Schleswig-Holftein, in denen dis Nothwendigkeit der Vorlage von allen ten anerkannt worden sei. Auf dieses Votum habe Herr von Maltahn bei der früheren Berathung mit Recht großes Gewicht gelegt; boffentlich werde das Haus sih beute nur von sachlichen Erwägungen leiten [afen und die Vorlage mit großer Mehrheit annehmen.

,_ Freiherr von Manteuffel verwahrt sich dagegen, daß ibn und seine Freunde bei der früheren Berathung andere als sahlihe Gründe geleitet bätten ; das fönnten nur persönlihe Gründe sein; es sei aber niht einmal angedeutet, gegen welche Person sich dieselben richteten. Die sachlichen Gründe hätten darin bestanden, daß man keine genügenden Erfahrungen gemacht habe ; in sei er mit dem Grafen Klinckowstroem, der ein grundsäßlicer Gegner der E, sei, während er ibr zuge- stimmt habe, E einig. Das Votum des Provinzial-Land, tags könne sie in ihrer Auffassung nicht beirren. Warum wolle man die Landgemeindeordnung unter allen Umständen jeßt einführen, während das zu erwartende Gesetz über die Communalkbesteuerung wieder alles umändere? Bis zur Erledigung dieses Gesetzes bâtte man do warten follen. Die vom Minister gegebenen Zahlen seien er- freulich, aber er fürdte, daß mit der Zeit der Einfluß der Besitenden doch mehr ges{chwäht werden werde, als es bisher gesehen sei, weil die Gemeinden noch nit darüber beschlossen bâtten, ob die Ein- kommen unter 900 Æ zur Steuer herangezogen werden sollten.

Minister des Jnnern Herrfurth:

Ich wollte nur in Betreff der lezten Worte des Herrn Freiherrn von Manteuffel darauf hinweisen, daß ein anderes Verfahren in Betreff der Wahlen zur Gemeindevertretung überbaupt gefeßlih gar niht zulässig gewesen sein würde, und zwar niht zulässig gewesen sein würde infolge des Umstandes, weil gerade in dem angegebenen Sinne eine Beftimmung der Regierungsvorlage im andern Haufe und demnächst in diesem Hause und zwar auf Antrag von Freunden des Freiherrn von Manteuffel geändert worden ist.

Geheimer Regierungs - Rath Bredt bleibt bei feinen früheren Ausführungen. 5

Graf von der Schulenburg-Beetßendorf bält es für be-

denflich, die Landgemeindeordnung, die die seßbafte Bevölkerung schâdige, allzu schnell in anderen Provinzen einzuführen: er stimme deshalb gegen die Vorlage. Ober-Bürgermeister Becker erkennt es dankbar an, daß endlich im Osten die Landgemeindeverhältnisse geordnet seien. Man babe dies schon bei der Kreisordnung thun wollen. Gegen die Kreis- ordnung feien dieselben Unkenrufe laut geworden und sie habe sih glänzend bewährt. Principieller als der Provinzial-Landtag braude das Haus nit zu sein. Das Haus müfse der Regierung dankbar sein für die Vorlage und wünschen, daß sie auf dem betretenen Wege fortshreite. Bis zum Communalsteuergeseß zu warten, würte äußerst bedenklich sein.

Minister des Jnnern Herrfurth:

58 ist bereits von dem Herrn Verredner die etwas sehr eigen- thümliche Auslegung fritisirt worden, die Herr Graf von der S®ulenburg den Beschlüssen des Schleëwig-Holsteinishen Provinzial- Landtags hat zu tbeil werden lassen. Herr Graf von der Sculen- burg meint, wenn man diese Verhandlungen lese, käme man zu der Meinung, daß der Provinzial - Landtag sage: ja, ein Shaden wird uns dech einmal zugefügt werden, das können wir leider niht bindern; dann wollen wir aber den Scaden sobald als möglich haben. Wie lautet nun aber die officielle Er- klärung des Provinzial-Landtags ? Dieselbe sagt in der Einleitung : cs ist allgemein dankend anerkannt worden, daß die Borlage mit den angeführten Aenderungen den befonderen Verhältnissen der Pro- vinz Nehnung getragen hat. Es werden dann diese einzelnen Be- stimmungen durchgegangen, und in der Endabstimmung über die ganze Vorlage hat der Provinzial-Landtag mit allen gegen zwei Stimme beschlossen, sein Gutachten dahin abzugeben, daß der Land- tag mit der Vorlegung des vorliegenden Gesegzent- wurfs einverstanden ist. Nun, meine Herren, i glaube, die Worte sind so klar und deutli, daß keine Auslegung im stande ift, den entgegengeseßten Sinn ihnen beizulegen.

Graf von der Shulenburg-Beetzendorf bestreitet, die Kreisordnung si glänzend bewährt habe. : A

_ Freiherr von Maltahn bedauert, daß Herr Bredt ihn seiner Abstimmung am 1. Juni wegen öffentlich gelobt habe; er sei, wie seine politischen Sreunde, nur der eigenen Ueberzeugung gefolgt.

Die Vorlage wird darauf gegen etwa 20 Stimmen en bloc angenommen. E : :

Schluß 3 Uhr. Nächste Sibung Freitag, 12 Uhr. Auf der Tagesordnung stehen: der mündliche Bericht der 1X. Com- mission übcr den Geseßentwurf, über das Dienstein- kommen der Lehrer an den nichtstaatlihen öffent- lihen höheren Schulen, und der mündliche Bericht der Commission für den Staatshaushalts-Etat und für Finany Angelegenheiten über den Entwurf eines Geseßes, wegen- die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaushalts Etat für das Jahr vom 1. April 1892/93 (Herstellung einer Wasserleitung für den westlichen Theil des oberschlesischen Industriegebiets).

Haus der Abgeordneten. 75. Sißung vom Mittwoch, 15. Juni.

Der Sizung wohnen der Finanz-Minister Dr. Miquel und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bei. j Die zweite Berathung des Geseßentwurfs, betreffend dic Eisenbahnen unterster Ordnung, wird fortgesegt. Die Berathung war gestern bis zum § 37 gelangt. Abg. von Tiedemann-Bomst beantragt die Einfügung folgendes §8 37a: - Die auf Grund des Allerböchsten Erlasses vom 16. September 1867, des Gefeßes vom 7. März 1868, des Gesetze? vom 11. März 1872 und der SS§ 2 und 3 des Gesetzes vom 8. Juli 1875 den dort genannten Provinzial- und Communal-Verbänden überwie]enen Kapitalien und Summen können auch zur Förderung des Baucs von Kleinbahnen verwendet werden. ; ; In Verbindung mit diesem Antrage wird die von der Commission beschlossene Resolution erörtert : i Der Regierung zur Erwägung anheimzugeben, ob die Er weiterung der Verwendungszwecke im § 4 des Provinzialdotationt- geseßes von 1875 auf die Fürsorge für den Bau von Loca gu u E ano von e, und Kreislocalbahnen | Vege der Gesetzgebung herbeizuführen sei. Abg. Bb ner (eon): Seine Partei bedauere, dem Antrag€

viele und kostspielige

* en Titemann nicht zusiimmen zu können. Sie sei

gedan! vinzen und Kreife sich Se gs R noch

i un e , ob fie t Chauffeen“ bauen wollten. Aber sie bätte doch wichtige Bedenken dagegen, daß son E cine derartige Bestimmung in das Gese aufgenommen werde. Namentlich in den östlichen

ovinzen seien auf Grund des Pa Ie }eyes nur die größeren Chausseen gebaut worden, während ärmere Landestbeile dieses Vortheils nit in hinreihendem Maße theilhaftig geworden seien. Gebe man nun den Provinzialverbänden die Befugniß, die Mittel aus den Dotationsfonds nunmehr zum Bau von Kleinbabnen zu verwenden, fo liege die Gefahr vor, daß die ärmeren Landestheile auch in Zukunft zu Gunsten der wirthschaftlih stärkeren der Bahnen verlustig gingen. Es müßten also Garantien geschaffen werden, daß die wirthshastlichen Interessen genügend gewahrt würden.

Abg. von Eynern (nl.): _Er sei im Princip für den Antrag von Tiedemann, halte ihn aber für überflüssig. Die Provinzialordnung bindere ait, son jeßt Gelder aus den Dotationsfonds zur Unter- stüzung des Baues von Kleinbabnen zu verwenden. Wenn aber in cinzelnen Provinzen Zweifel darüber bestehen sollten, dann fei er bereit, dem Antrage zuzustimmen, bitte ihn aber dann zu erweitern und unter die zulässigen Verwendungszwecke auch den Bau vocn Secundärbahnen aufzunehmen. E

Abg. Dr. Lieber (Centr.): Er habe eigentli fcine Bedenken gegen den Antrag; indessen da solche gewichtigen Cinwände dagegen erhoben seien, müsse er doch dagegen stimmen. , Doch sei er nicht abgeneigt, für eine im Sinne des Antrages von Tiedemann erweiterte Resolution zu stimmen, nur habe er Bedenken dagegen, daß eine diesbezüglihe Vorschrift in daë Gesez aufgznomnien werde. Seine Partei wolle der Regierung und den Provinzial-Landtagen Zeit zur Erwägung laffen. E

Abg. Dr. Hammacher (nl.): Der Abg. von Eynern sei von einer falschen Vorausseßung ausgegangen, wenn er meine, die Pro- vinzen könnten schon jeßt Dotationsgelder für den Bau von Klein- resp. Secundärbahnen verwenden. Der Antrag von Tiedemann wolle nihts anderes, als eine Erweiterung der Verwendungszwecke der den Provinzen zufließenden Dotationen. Zur Zeit fei es unzulässig, diefe für den Bau von Babnen zu verwenden. Hier folle den Provinzial- behörden lediglich die Möglichkeit dazu eingeräumt werdeh. Wenn nun in den öôstlihen Provinzen noh ein folher Mangel an Chausseen herrshe, dann werde man doch zu den Provinzialbehörden das volle Vertrauen haben können, daß fie von der ihnen eingeräumten Befugniß feinen Gebrauch machen würden. :

Abg. von Tiedemanna-Bomst (freiconf.): Daß fein Antrag überflüssig sei, könne er nicht zugeben, da nicht in allen Provinzen Dotationsgelder zum Bau von Bahnen verwendet werden dürften. Weshalb die Conservativen gegen seinen Antrag stimmen wollten, könne er sih nit erklären, und besonders die Worte des Abg. Höppner kflängen im Munde eines der Herren, die scnst so sehr für die Selbstverwaltung eingetreten seien, wie ein _den Provinzialverwal- tungen ertheiltes Mißtrauensvotum. Gegen seinen Antrag fönnten durchaus feine berechtigten Bedenken vorgebracht werden.

Abg. Ridckert (dfr.): Er verstehe die Einwendungen von der rehten Seite nicht. Die Herren hätten doch die Provinzialverwal- tung vorwiegend in der Hand und fürchteten, ihren eigenen Ge- nosjen erweiterte Rechte in die Hand zu geben! Bei der Berathung des Dotationsgeseßes fei auch die Berechtigung der Provinzialver- waltung ausgesprohen worden, zur Durchführung der Kreisordnung Beihilfen zu gewähren ; aus dieser Facultät habe sih nit die ge- ringste Schwierigkeit ergeben. Ebenso wenig könne eine den Provinzial- Selbstverwaltungsbehörden im Sinne des Antrages ertheilte Be- rechtigung Bêdenfen gegen sih haben. Es sei gar niht mehr nötbig, der Regierung und den Provinzial-Landtagen erst Zeit zu geben, sich mit der Frage zu befaften. Die Regierung habe do schon in den 70er Jahren eine entsprechende Vorlage gemacht, die eine {wache Majorität des Hauses in dritter Lesung abgelehnt babe: in den Provinzen habe man überall den lebhaften Wunsch, zu der Möglich- feit zu gelangen, für den Bau von Localbabnen Beihilfe zu gewähren. Auch jeßt scheine die Staatsregierung ja dem Grundgedanfen des Antrages geneigt. Es würde sehr erwünscht sein, wenn der Minister eine diesbezüglihe Erklärung abgeben wollte.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen:

Meine Herrea! Wenn ih au nit glaube, daß die Einfügung des Antrages von Tiedemann in das Geseß für die nähste Zukunft weittragende praktishe Folgen haben wird, so fann ih dech nit ver- kennen, daß es der einfaste und praktischse Weg ist, diejenigen Be- denten wegzuräumen, die in einzelnen Provinzen noch jeßt gegen die Verwendung der Dotationen zu derartigen Zwecken bestehen; daß aber eine derartige Verwendung nüßlih und angebraht ist, darüber fann der Eisenbahn-Minister niht im Zweifel scin. (Sehr rihtig) Ich habe also meinerseits kein Bedenken gegen den Antrag von Tiedemann. Es ist mir auch bekannt, daß mein College der Herr Minister des Innern ebenfalls keine Bedenken gegen den Antrag hat.

Abg. Ludowieg (nl.): Der Bau von Kleinbahnen werde am besten den Provinzialverwaltungen unterstelit, da diefe über das jedes- malige Bedürfniß und die geeignetste Art der Auéführung das rihtigste Urtheil hätten. Er bitte daher, für den Antrag von Tiedemann zu stimmen.

Abg. Dr. Lieber (Centr.): Alle Redner wollten den Pro- vinzialverwaltungen die Möglichkeit eröffnen, die Dotationsfonds auch zur Erbauung von Kleinbabnen zu verwenden. Der Streit bestehe nur darüber, ob das s{on in diesem Gesetz geschehen solle, oder ob die Staatsregierung durch eine Resolution aufgefordert werden folle, eine Vorlage desselben Inhalts- demnächst zu machen. Er habe anfangs {were Bedenken gegen den Antrag von Tiedemann gehabt, und eine Reibe seiner volitishen Freunde wählten die Reso- lution als den rictigeren Weg. Er habe den Eindruck gewonnen, als ob die Saße mit Gewalt hier durch das aus gedrückt werden solle, um jede Bedenklichkeit, die da- gegen auftreten fönne, im Keime zu erstickden. Es werde ihm in der That shwer, für den Antrag von Tiedemann zu stimmen, er müsse jedoch zugeben, daß aus der Verschiebung der gefeßlihen Firirung des Ge- dankens die Gefahr entstehen fönne, taß es überhaupt nit zu einer geseßlichen Fixirung komme. Die Resolution setze diese allen Möglich- feiten aus, woBl seitens des Staats-Ministeriums als seitens der beiden Häuser des Landtags. Darum fei es besser, man see die Bedenken zurück und entscheide sih für die augenblidcklihe Regelung der Frage. Er und, wie er glaube, die Mehrheit seiner politischen Freunde, würden daber für den Antrag von Tiedemann stimmen.

Abg. Höppner (cons.): Seine Partei wolle mit ihrem Antrag durchaus féêin Mißtrauen gegen die Provinzialverwaltungen documen- tiren, es handele sih vielmehr ganz einfah darum, ein woblverberei- tetes Geseß zu erlassen, und dazu gehöre, daß Klarheit darüber ge- schaffen werde, ob die Provinzen Mittel aus den Dotationsfonds zum Kleinbahnbau verwenden fönnten und ob die Regierung eine folche Verwendung für zulässig halte. Der Minister babe ih zwar in diesem Sinn ausgesprochen, er hâtte aber gern auch eine Erklärung des Ministers des Innern darüber gehört. Eine Garantie gegen mißbräuhliche Verwendung würde darin liegen, daß da, wo Chaufsee- bauten nôthig seien, zu Kleinbahnbauten feine Gelder aus Dotations- Tonds verwandt werden dürften. s . Geheimer Ober-Regierungs-Rath Höpfker: Der Minister der öffentlihen Arbeiten habe bereits erflärt, daß seine Erklärung auch im Namen des Ministers des Innern abgegeben fei; nachdem aber der Abg. Höppner jeßt troßdem noch einen Zweifel auêgesprochen babe, ob der Minister des Innern mit der Annahme des Antrages von

tedemann einverstanden sein werde, sehe er sich veranlaßt, namens des Ministers des Innern und in dessen Auftrag ausdrücklich zu er- klären, daß er gegen die Aufnahme des Antrages von Tiedemann in den vorliegenden Gesetzentwurf keinerlei Einwendung zu erheben habe. bg. von Eynern (nl.): Nach den wiederholten Erklärungen

der Minister, die über die Verwendbarkeit der Dotationéfonds zu

| n ließen, werde au er für den Antrag nen. Allerdings schon aus Wortlaut der ovinzialordnung, wona der Dotationsfonds zu Meliorationen ver- wendet werden solle, {ließen fönnen, daß auch die Verwendung für Kleinbahnen nicht ausgeschloffen sein folle, und infofern könne der T von Tiedemann eigentli überflüfsig erscheinen, aber nahdem einmal Zweifel laut geworden seien, sei es beser, die Bestimmung auédrüdlich im Geseß zu baben. Uebrigens babe auch {on bisher die Provinz Hannover keine Bedenken gegen die Verwendung von Provinzialgeldern zu Kleinbahnbauten gehabt, sie habe eine Kleinbahn in Ostfriesland aus Provinzialfonds unterstützt.

Der Antrag von Tiedemann wird darauf mit großer Mehrheit angenommen; dagegen stimmen nur einige Mitglieder des Centrums und der größere Theil der Conservativen. Die Resolution der Commission ist damit be- citigt. -

S 38, der dic Verpflichtungen der Kleinbahnen gegen- über der Postverwaltung präcisirt, wird ohne Debatte ange- nommen. i

_ Abschnitt IT. des Gesetzes, S8 39 bis 47, behandelt die Privatanschlußbahnen, die ebenfalls, sofern sie mit Maschinen- betrieb eingerichtet werden, zum Bau und zum Betrieb der polizeilihen Genehmigung bedürfen... :

Bei Sg 39 bemerkt

Abg. von Tiedemann-Bomsft (freiconf.): In der Commission habe cr beantragt, die Frage der Ertheilung des Enteignungsrechts an Unternehmer von Privatbahnen in diesem Geseßz ausdrüdcklich zu regeln, namentlich mit Nüfsicht auf folde Bahnen, die nur von einem einzigen Interessenten und zu dessen Nußen angelegt seien, und auf die man möglicher Weise die Bestimmungen des Expropriations- geseßes von 1874 nit werde anwenden zu dürfen glauben. Nach- dem aber die Regierungêvertreter in der Commission dieser seiner Besorgniß entgegengetreten seien, sehe er jeßt von einer Wieder- bolung seines Antrages ab und bitte nur die Regierung um eine authentishe Erklärung über diesen Punkt.

Geheimer Ober - Regierungs - Rath Gleim: Wenn für eine Privatanshlußbahn ein öfentlihes Interesse in Frage komme, werde das Staats-Ministerium an. Allerhöchster Stelle die Ertheilung des Enteignungêrehtes beantragen. Einer besonderen geseßgeberischen Bestimmung bedürfe es dazu nicht, da folche Maßregeln als ein natür- liches minus in dem majus des Erpropriationégeseßzes überhaupt ent- halten sei. Es sei niht zu befürchten, daß es den Unternehmern von Privatanf{lußbahnen nah Erlaß dieses Geseßes schwerer werden werde, den nöthigen Grund und Boden zu erwerben, als vorher ; denn es bedürfe in Zukunft allerdings einer Genehmigung seitens der Behörde, aber diese müsse ertheilt werden, wenn den polizeilichen An- forderungen Genüge geschehen fei.

Abg. Dr. Hammacher (nl.): Die Frage des Enteignungsrechts sei allerdings für die Kleinbabnen von großer Bedeutung, aber nah diefer Erklärung fönne man für jeßt auf eine besondere Formu- lirung der Materie in diesem Gese verzichten und sih mit der An- wendung des Enteignungêegeseßes von 1874 begnügen. Bei den Bahnen, die nur einem einzigen Unternehmen dienten, könne die Anwendbarkeit dieses Gesetzes allerdings insofern fraglih erscheinen, als es nur bei einem vorhandenen öffentlichen Interesse Anwendung finden folle, und die gedahten Werke resp. deren Bahn nur dem Specialinteresse eines Einzelnen dienten; aber da s{ließlich von dem Gedeihen eines solchen Werkes oft die Ernährung der Ein- wohner der ganzen Gegend abhänge, könne man auch hier wobl nah den in der Commission von der Regierung ab- gegebenen Erklärungen ein öffentlihes Interesse für vorliegend erahten und das Enteignungsrecht gewähren. Wie "übrigens die Gewährung des Enteignungsrehtes da, wo es sich um die Re- gulirung schon bestehender Straßen handele, schon jeßt an die Re- gierungs-Prâsidenten delegirt sei, so müsse man au für die Zukunft eine theilweise Delegation an sie bei dem Bau von Kleinbabnen anstreben. Im Augenblick sei es nicht angezeigt, diese Sache schon jeßt in das vorliegende Gefeß hineinzubringen, doch werde man aus der Handhabung des Gesezes lernen müssen, inwieweit in Zukunft in diefer Richtung vorgegangen werden müsse.

Danach wird 8 39 angenommen, die S8 40—42.

S 43 überträgt der Behörde die Aufficht über Privat- anshlußbahnen in rein cisenbahntehnishem Sinne.

Abg. von Strombeck (Centr.) wünscht diese Aufsicht über Pri- vatans{lußbahnen auf denselben Ümfang ausgedehnt zu sehen, wie die über alle Kleinbahnen, und stellt cinen dahin gehenden Antrag.

Abg. Dr. Krause (nl.) erklärt sich gegen diesen Antrag, da bei ledigli privaten Interessen dienenden Bahnen eine über das Maß des Eisenbahntechnishen hinausgehende behördlihe Aufsicht ungerechtfertigt fei. :

S 43 wird nah dem Antrage von Strombeck angenommen, desgleichen die S8 44—46. E

Nach § 47 soll das Aufsichtsrecht der Bergbehörden gegenüber den als Zubehör eines Bergwerks nah dem Berg- gejeße von 1865 ih darstellenden Bahnen dur die Vor- schrift, wonach die eisenbahntehnische Aufsicht und Ueber- wachung der Anschlußgeleise der Eisenbahnbehörde obliegt, nicht berühri werden.

Abg. Eng els (freicons.) beantragt, die eisenbahntechnis{e Aufsicht auédrücklich auf die Anschlußgeleise der s{malsvurigen Bahnen zu beschränken.

Geheimer Ober-Negierungs-Nath Freiherr von Zedliß: Der Antrag sei zur Ecreichung des von dem Antragsteller gewollten Zwedes überflüssig. Auch wenn der Antrag niht angenommen werde, ïonne das Geseß feine andere Wirkung baben, als daß Grubenbahnen, die mit öffentlihen Bahnen in Verbindung ständen und dieselbe Spurweite hâtten, sodaß die Betriebsmittel von den einen auf die anderen übergehen fönnten, und die mit Maschinenkraft betrieben würden, unter die Auffiht der Eisenbahnbehörde gestellt werden. Auf die übrigen Grubenbahnen werde es keine Anwendung finden.

564 Dr. Hammacher (nl.) findet ebenfalls den Antrag unnöthig.

Abg. Engels (freicons.) zieht nah den Erklärungen des Com- missars seinen Antrag zurü. S E

S8 47—52, Einleitung und Ueberschrift des Gefeßes, werden unverändert angenommen. : /

Die Commission beantragt ferner folgende Resolution :

Die Erwartung auszusprechen, daß der Staat ih an Klein- bahnen mit Geldmitteln betheiligen werde, wenn es sich um Auf- schließung wirthschaftlich s{wächerer Gegenden handelt.

Abg. Bunzen (freicons.) beantragt, die Beihilfe des Staats nicht auf die Aufs{hließung der wirthschaftlich s{wächeren Gegenden zu be- schränken, fondern zur Erreichung eines möglichst großen volkêwirth- schaftlihen Nuzens die Staatsunterstüßung auch der Anlage solcher Bahnen in Landestheilen zuzuwenden, die nit gerade zu den wirth- shaftlich s{chwächeren gehörten. Es werde das erreiht werden, wenn man in dem Antrage der Commission sage: „namentlich wenn es fich um Aufschließung“ u. f. w. handelt.

Abg. Dr. Gerlih (freicons.) will den Commisßonêantrag dabin erweitern, daß gesagt werden folle: 1) wenn es sich um Aufschliezung wirthschaftlih schwächerer Gegenden handelt: 2) der Staat als Besißer der Haupteisenbahn an der Herstellung folcher Verkehrêzubringer ein finanzielles Interesse hat.

Abg. Humann (Centr.) wird für die Resolution der Commission stimmen, wünsht aber von dem Minister eine Erklärung, daß die Staatsregierung in Uns diejenigen Bahnen bauen werde, die wegen ihrer Unrentabilität weder irgend eine, Corporation, ncch ein Privatunternehmer bauen fönne.

Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen: Meine Herren! Diese Erklärung, die der Herr Vorredner von

ebenso ohne Debatte

mir -erwariet, bin ich zu meinem Bedauern nit im stande abgeben zu können. Er erwartet von mir die Erklärung, daß die Königliche Staatsregierung auch in Zukunft diejenigen Bahnen bauen wolle, die wegen ihrer Unrentabilität weder irgend eine Corporation, noch ein Privatunternehmer baut. Daß das in einem-Einzelfalle, dann, wenn es zur Hebung der wirthschaftlihen Verhältnisse des betreffenden Landestheils sih als nöthig erweisen sollte, geshehen wird, darüber kann fein Zweifel sein ; aber eine allgemeine Erklärung, daß in jedem einzelnen Fall fubsidiär die Staatsregierung eintritt, wenn kein anderer eine Bahn bauen will, ja, meine Herren, das zu erklären bin ih nicht im stande.

Abg. Bunzen (freicons.): Die Verabschiedung dieser Vorlage werde allseitig mit großer Freude begrüßt werden. Bisher sei der Bau on Kleinbahnen in Preußen hinter anderen Staaten zurückgeblieben: Desterreih z. B. besitze bereits 146 Localbahnen. Um nun den Nuven dieser Vorlage möglichst weiten Kreisen zugänglich zu machen, babe er beantragt, die Beihilfe des Staats niht zu beschränken ca diejenigen Fälle, wo es sich um die Aufscließung wirthschaftli shwächerer Gegenden handele. S ei S

Abg. Dr. Gerlick@ (freiconf.): Der Staat von diesen Kleinbahnen einen Vortheil, weil sie ihm einen großeren Verkehr zubrächten. Die Interefsenten ihrerseits würden aber folhe Bahnen nicht bauen können, wenn sie nit eine namhafte Unterstüßung vom Staate bekämen. Beispiellos sei dieses Verlangen nicht, denn der Staat habe bereits wiederholt sogar für Chaufseebquten im Anschluß an Eisenbahnen Beihilfen gewährt. In diesem Sinne habe er seinen Antrag gestellt. A

Abg. Dr. Krause (nl.) kann nur für die Resolution der Com- mission stimmen. Die wirtbschaftlih stärkeren Gegenden möchten die Kosten für ihre Kleinbahnen selbft aufbringen. /

Abg. Dr. Hammacher (nl.): Das Kleinbahnsystem könne nur dann si kräftig entfalten, wenn Staat, Provinzen und Gemeinden harmonisch zusammenwirkten, und es sei gar niht abzusehen, weshalb

die Antragsteller gerade den Staat herau®griffen. Warum follten nicht die Provinzen eintreten? Ihm komme die ganze Sache wie eine Improvisation vor, um dem bedrängten Herzen Luft zu machen.

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Die Resolution der Commission sei nur eine homöovatkbische.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Jch kann mi nur den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Hammaher anschließen. Ich sehe die Sache so an, daß die Aufgabe, die hier gestellt wird, Kleinbahnen herzustellen, an und für sih und vorzugsweise im Gegensaß zu der Aufgabe, Vollbahnen und zum theil auch Secundärbahnen herzustellen, eben nicht Aufgabe des Staats ist, sondern es ift eine locale Aufgabe, die wesentlich durch Localinteressenten, durch die Nächstbetheiligten in erster Linie erfüllt werden muß. Ich habe schon im Herrenhause ausgesprochen, daß aus diesem Gesichtspunkte durchaus nicht folgt, daß der Staat in feinem Falle die Herstellung von solhen Kleinbahnen mit seinen Mitteln unterstüßt, wenn er das Interesse für ein allge- meines hält und wenn auch feine fonstigen Bahninteressen da- durch gefördert werden. Aber ein Grundsaß fann daraus nicht gemacht werden, es ist nit eine. Principalaufgabe des Staats, wie die großen durchgehenden Linien berzustellen ; es ist cine Aufgabe der Localitäten. i

Meine Herren, diesen Gesichtspunkt möchte ih berbbrheben auch gegen die Resolution der Commission, die an und für sih ja nicht viel bedeutet, aber auf die doch einmal zurückgegriffen werden fann, je nah dem Interesse, welches irgend jemand hat, eine fo dunkle und eigentlich vielsagende«oder auch nichtsfagende Resolution in seinem Sinne zu interpretiren. (Sehr richtig !)

Meine Herren, wenn die Resolution \sich darauf beschränkt, die Erwartung auszusprechen, daß namentlih da, wo es sich um das Aufhelfen zurückgebliebener Landestheile handelt, der Staat mit seinen Mitteln einschreiten soll, so wäre dies an und für sich auch {hon genau so gut eine Aufgabe der Provinz. Aber es ist nach der anderen Seite au zu eng gédriffen. Jch kann mir sehr wohl denken, daß auch da, wo es si um diesen Fall garniht bandelt, sondern wo der Staat z. B. das Interesse wesentlih darin findet, daß seinen Hauptbahnen Verkehr dur eine folche Tertiärbabn zugeführt wird, und zwar neuer Verkehr, es dann fogar in seinem finanziellen Interesse liegt, das Zustandekommen einer folhen Tertiärbahn zu unterstützen. Also Sie treffen garniht alle in Frage kommenden Fälle dur die Resolution. Ich glaube, daß in der Sache zwishen Ihrer An- shauung und der Staatsregierung eine fo große Differenz nicht ift. Es wird si finden, ob wir im Etat im einzelnen # alle Verhältnisse, die dabei in Betracht kommen, es gestatten, Zu- shüsse aufnehmen, um eine einzelne Bahn zu bauen ; aber generell Summen in den Etat einzustellen zu Zwecken, denen, die zuerst kommen und stärker drängen, zu helfen, das halte ih im bhöchsten Grade für unzweckmäßig.

Von diesem Standpunkt aus möchte ih aber glei noch eine weitere Bemerkung mahen. Jch habe gesagt, nach meiner Meinung ist die Herstellung der Localbahnen wesentlich Aufgabe der localen nächstinteressirten Kräfte. Daraus folgt von selbst, das die Bildung von großen Actiengesellshaften, welche den Zweck verfolgen, hieraus ein rentables Geschäft zu machen, welche hoffen, daß ifinen die ren- tabelsten Linien concessionirt werden, ohne Rüfsiht auf die localen Interessen, während die weniger rentablen den Kreisen, Communen und Nächstbetheiligten überlassen bleiben vom Staat keine Begün- stigung erfahren wird. Ich sehe die Sache so an, daß wobl die Form der Actiengesellshaft in vielen Fällen zweckmäßig fein kann, daß es aber erwünscht ist, daß die Districte, die Provinzen, die Kreise, die Gemeinden dabei ein entsheidendes Wort in Bezug auf die Art des Betriebes, auf die Tarifirung, auf die Art der Herstellung u. sw. mitzusprehen haben, und das würde gefährdet werden, wenn die ganze Sache durch eine große, über das ganze Land fich erstreckende Actien- gesellschaft ohne solche locale Organisation gemacht wird.

Abg. von Eynern (nl.) spricht seine Zweifel an der Zweckmäßigkeit von Resolutionen der vorgeschlagenen Art überbauvt aus. Die vorliegende Resolution \stoze ledigli offene Thüren ein, babe aber eine eigentlihe Bedeutung nicht. Es sei unangebraht, solche homöopathishe Refolutionen zu beschließen. Werde ein Staats- interesse bei der Unterstüßung einer solchen Kleinbahn nachgewiesen, so werde auch der Landtag eine Unterstüßung bewilligen.

Abg. Dr. Gerlich (freicons.): Die Provinzen könnten deshalb nicht subsidiär herangezogen werden, weil sie keinen Nußen von der Sache hätten, sondern der Staat. Er habe sich über die Versicherung des Ministers gefreut, die er bezüglich der Actiengesellshaften abgegeben habe, andererseits halte er ihm das alte Wort entgegen: „Wer nichts bat, bei dem ist nihts, dem wird auch das Wenige genommen, was er hat“.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ih möchte doch das Mißverständniß aus den Aeußerungen des Herrn Vorredners nicht auffommen laffen, als wenn ih gesagt hätte, der Staat würde nicmals in die Lage kommen,