1892 / 150 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Jun 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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Beantwortung auszugeben seien und zwar für die cine Hälfte der Betriebe an die Arbeitgeber, für die andere Hälfte an die Arbeitnehmer. Aushändigung und Einsammlung der Frage- bogen würde durch die Ortsbehörden erfolgen können. Die weitere Behandlung der Angelegenheit wird sich nah der Ansicht der Commission so zu gestalten haben, daß bis zum 1. Oktober d. J. die Fragebogen für jeden Bundesstaat von den Landes-Centralbehörden dem Kaiserlichen Statistischen Amt übersandt werden, daß das leßtere die eingegangenen Antworten zusammenstellt und daß auf Grund eines die Ergebnisse dieser Bearbeitung zusammenfasscnden Berichts die Commission in eine erneute Berathung des Gegenstands eintritt, um sih über die Vornahme mündlicher Vernehmungen oder sonstiger besonderer Ermittelungen s{hlüssig zu machen.

Die von einem Mitgliede angeregte Frage, ob es nicht weckmäßig sein - werde, {hon bei den thatsählihen Er- Tbcngen auh die organisirten Verbände zu be- fragen, wurde von der gge 88 mit Rücksicht darauf verneint, daß es niht wohl thunlich sei, alle derartige Verbände zu hören, daß die Befragung einiger aber zweifellos die Unzufriedenheit und das Mißtrauen der anderen erregen würde. Dagegen wurde ausdrücklich con- statirt, daß es jedem Verein wie jedem Privatmann freistehe, dem Reichskanzler oder der Commission im Anschluß an den Inhalt der Fragebogen, welhe jedermann zugänglih sein würden, AittoraGetbe Mittheilungen zu machen.

Die Erhebungen bezüglih des Handelsgewerbes empfahl die Commission einstweilen auf folgende fünf Zweige zu be- shränken: 1) Handel mit landwirthschaftlihen Producten ; 2) Handel mit Colonial-, Eß- und Trinkwaaren; 3) Tabak- und Cigarrenhandel; 4) Handel mit Manufactur- und Schnitt- waaren ; 5) die in der Gewerbestatistik als Handel mit ge- mischten Waaren bezeichneten Betriebe.

Nach Erledigung der Tagesordnung wurde von einem Mitgliede der Commission der Antrag auf Anregung ciner Untersuchung über die Arbeitszeit u. s. w. in der Hausindustrie gestelt. Ein anderes Mitglied beantragte, bei dem Reichs- kanzler die Vornahme lohnstatistisher Erhebungen in Vorschlag zu bringen. Der Vorsißende stellte in Aussicht, beide Anträge auf die Tagesordnung der nächsten Sizung zu seßen.

Seitens des Ministers der geistlichen 2c. Angelegenheiten

Dr. Bosse ijt den Provinzial-Schulcollegien und Regterungen am 24. Juni folgende Verfügung zugegangen: __ Der Erlaß vom 14. Mai d. JI., dur den die bisherige reversalische Verpflichtung der Seminaristen, nah Ablegung der ersten Lehrer- prüfung jede von der zuständigen Stelle ihnen zugewiesene Stelle im öffentlichen Schuldienste zu übernehmen, für die Zukunft von drei auf fünf Jahre verlängert wird, hat, wie mir bekannt geworden, an manchen Stellen eine irrthümliche A erfahren.

Selbstverständlich ist nicht beabsichtigt, die auf den bisher aus- gestellten NReversen beruhende Verpflihtung der Seminaristen und Lehrer einseitig zu erweitern. Der Erlaß bezieht sich vielmehr nur auf dicjenigen Lehrpersonen, welhe in Zukunft in ein Schullehrer- feminar eintreten und bei der Aufnahme den üblichen Nevers in der vorgeschriebenen neuen Fassung zu unterzeihnen haben.

___ Dem Landrath von Basse zu Burgsteinfurt is die commissarishe Verwaltung des Landrathsamts im Landkreise Hagen, Reg.-Bez. Arnsberg, übertragen worden.

Der Regierungs - Assessor Nollau zu Neuenhaus, Re- gierungsbezirk Osnabrück, ist der Königlichen Polizei-Direction A ogen und der Regierungs-Affsessor von Bötticher zu

olmirstedt dem Königlichen Polizei-Präsidium zu Königsberg zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Der heutigen Nummer des „Reichs- und Staats-Anzeigers“ ift eine besondere Beilage (Nr. 3), enthaltend Entscheidungen des Reichsgerichts, beigefügt.

Sachsen.

Dresden, 27. Juni. Jhre Majestäten der König und die Königin wohnten gestern Abend der feierlichen Ein- segnung der Leiche des am 24. Juni verstorbenen Ober- Kammerherrn, Wirklichen Geheimen Raths Grafen Vißthum von Ecfstaedt im hiesigen Trauerhause bei und kehrten nach Beendigung der Trauerfeicr nah Pillniz zurü.

Baden.

Karlsruhe, 27. Juni. Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin sind gestern Abend zu längerem Aufenthalt in St. Blasien eingetroffen und im dortigen Hotel und Kurhaus S Höchstdieselben wurden von der Bevölkerung mit Jubel begrüßt.

Der Geheime Rath Moriß Frey ist zum Ministerial- Director im Ministerium des Jnnern ernannt worden.

Hamburg.

Hamburg, 27. Juni. Der Senat hat die Mitgenehmi- gung der Bürgerschaft dazu beantragt, daß für die Her- itellung eines neuen Petroleumhafens ein Betrag von 1 224 450 M verwendet und auf dem Anleihewege gedeckt, auch der im laufenden Jahre voraussichtlich noch zur Ver- ausgabung gelangende Theilbetrag mit 200 000 # in den außerordentlihen Etat des Staatsbudc ets für 1892 nachträg- lich cingestellt werde.

Oesfterreih-Ungarn.

Der Kaiser Franz Joseph nahm, wie aus Brünn verilel wird, geltern Bormittag eine Revue Uber die gesammte dortige Garnison ab und besichtigte sodann das Garnisonsspital. Nachmittags besuchte der Kaiser die Landes- rettungsanstalt, die deutshe Staats-Gewerbeschule, das Depot des patriotischen Hilfsvereins, die böhmische Volksschule und sprach überall seine vollste Zufriedenheit aus. Auf seinen Fahrten begrüßten den Kaiser unausgeseßt jubelnde Zurufe der Bevölkerung. Abends erschien der Kaiser zum Diner und später zur Landes-Soiree.

Der Valuta-Aus\chuß des österreichishen Abgeord- netenhauses hat gestern die weitere Berathung des Münz- eseßes centsprehend der Regierungsvorlage erledigt und odann die Münzconvention mit Ungarn angenommen. Das vorgeschlagene Auftheilungs- Verhältniß der Contingente beider Reichshälften von 70 zu 30 wurde mit 17 gegen 13 Stimmen genehmigt.

Dem verstorbenen Reichsraths-Abgeordneten und ehe- maligen Justiz-Minister Dr. E widmete in der gestrigen Sißung des Valuta-Ausschusses , dessen Obmann Jaworski einen warmen Nachruf. Jm Namen des Kaisers sprach am Sonntag Mittag der Staatsrath Braun * der Wittwe das Beileid Seiner Majestät aus. Auch die Minister Graf Schoenborn, Graf Kuenburg, Marquis de Bacquehem und von Zaleski condolirten der Wittwe Herbst's; der Minister-Prasident Graf Taaffe ließ ihr schriftlich sein Bei- leid aus\sprehen. Die amtlihe „Wiener Zeitung“ widmet dem Verstorbenen folgenden Nachruf:

„Das österreichifhe Abgeordnetenhaus hät . cines seinex ältesten, verdientesten Mitglieder verloren, das sich zugleih der allzemeinsten

ochachtung erfreuté. Dr. Eduard Herbst, Kaiserliher und König- icher Geheimer Rath und Neichsraths-Abgeordneter der inneren Stadt Wien, is Sonnabend Nachmittag in seiner Vaterstadt Wien, um welche er sih ebenfalls hohe Verdienste erworben, nach cinem ehren- vollen und thatenreichhen Leben im Alter von 72 Jahren plößlih gestorben. Geboren am 9. Dezember 1820 als der Sohn eines Advocaten, studirte er in Wien die Rechte und trat, nachdem er 1843 zum Doctor promovirt worden war, bei der L See in den Staatsdienst. Nach mehrjähriger

ienstleistung in dieser Stellung und als Supplent an der Wiener Universität wurde er im April 1847 zum. ordentlichen Professor der Rechtsphilosophie und des Strafrehts in Lemberg ernannt, wo er ein Jahr lang auch als Rector der Universität fungirte. Jm Iahre 1858 wurde - er in gleiher Eigenshaft nach Prag überseßt. Während dieser Zeit entfaltete N au als juridisher Schriftsteller eine E N Thätigkeit. Von seinen wissenschaftlihen Arbeiten sind hervorzuheben: „Handbuch des österreichishen Strafrechts“, das shon mehrere Auflagen erlebte, und „Einleitung in das österreichishe Strafprozeßrecht“. Nach Erscheinen des Februar-Patentes von 1861 sowie bei allen späteren Wahlen bis 1889 wurde Dr. Herbst von den Landgemeinden der Bezirke Schluckenau-Hainspach in den böhmischen O entsendet (in den leßten Jahren vertrat er im böhmishen Landtag den Land- Ne Friedland) und in das Abgeordnetenhaus des Reichsraths gewählt, in welchem er dur seine Rednergabe und seine Kenntniß der staatlihen Verhältnisse außer der dank- baren Verehrung der politishen Freunde bald die Führerschaft der deutschliberalen Partei erlangte und auch die Achtung der Gegner van: Dr. Herbst betheiligte sih an allen wihtigeren Verhand- ungen, war Mitglied der meisten Ausschüsse und war hon in der ersten Session unter anderem Berichterstatter über die Bankacte und das Preßgeseß. Am 30. Dezember 1867 ward Dr. Herbst zum Justiz- Minister ernannt, wurde als solher von Seiner Majestät dem Kaiser durch Verleihung des Ordens der Eisernen Krone erster Klasse ausge- zeichnet und blieb auf diesem Posten bis 12. April 1870. Er hat als Minister mehrere wichtige Reformen im Justizwesen durch- geführt, so die Aufhebung der executiven Schuldhaft, die Ein- führung der Schwurgerichte für Preßdelicte, die Organisirung der Bezirksgerichte u. \. w. Bei seinem Rücktritt aus dem Cabinet wurde ihm die Würde cines Geheimen Raths verliehen. Aus dem Ministe- rium trat Dr. Herbst wieder in das volle parlamentarische Leben zurü. Bei den Reichsrathëwahlen von 1885 wurde er in der inneren Stadt Wien und von der Reichenberger Handelskammer ge- wählt. Er optirte für das Mandat seiner Vat:rstadt. Wien, welches bei den leßten Wahlen (5. März 1891) erneuert wurde. Als im vorigen Monat das Abgeordnetenhaus die Vorlage über die Wiener Verkehrs- anlagen berieth, spra Dr. Herbst zum leßten Male im Hause; er trat als erster Redner für die Vorlage ein und verfoht mit warmen Worten die Interessen sciner Vaterstadt Wien. Die Verehrung und Hochachtung, welche der nun heimgegangene Staatsmann genoß, gab ch vor anderthalb Jahren in den Glückwünschen und Theilnahme- bezeigungen fund, die ihm damals zur Feier seines 70. Geburtstages aus allen Kreisen der Gesellschaft zugingen.“

Großbritannien und Jrland.

Der König von Rumänien und der Herzog von Edinburg sind, von Calais kommend, gestern Abend 7 Uhr auf dem Bahnhof Charing Croß in London eingetroffen und von dem Prinzen von Wales und dem Prinzen Ferd |l- nand von Numänicn sowie von mehreren hervorragenden Persönlichkeiten empfangen worden. Eine zahlreiche Menschen- menge begrüßte den König durch lebhafte Zurufe. Die Begrüßung des Königs von Rumänien und des Prinzen von Wales war eine ganz besonders herzliche; der König küßte dem Prinzen wiederholt beide Wangen. E, begaben sich der König, der Prinz von Wales, der Herzog von Edinburg und Prinz Ferdinand von Rumänien zu Wagen nah dem Buckingham-Palast. E :

Der Herzog von Aosta ist von seinem Besuch bei der Königin in Windsor nah London zurückgekehrt. Vor seiner Abreise begab sich der Herzog nah der Albert-Gedächtniß- Kapelle und legte cinen Kranz auf den Sarg des Herzogs von Clarence nieder.

Auch der Marquis von Salisbury hat jeßt seinen Wahlaufruf erlassen. Das Schriftstück betont, nah dem dar- über vorliegenden Telegramm, daß die Politik der conservativen Regierung darin bestche, der arbeitenden Klasse mittels neuer Geseßge zu Hilfe zu kommen, welhe die von der Industrie verlangte Beständigkeit und das Vertrauen in diese niht gefährdeten. Sodann erklärt Lord Salisbury von neuem, daß, wenn man Homerule einführe, die Minorität in Jrland vielleiht zum Bürgerkriege getrieben werden könnte; er empfehle daher den Wählern reifliche Ueberlegung.

Das Befinden Gladstone’'s ist nah cinem Londoner Telegramm vom gestrigen Abend ein so zufriedenstellendes, daß er seine Wahlreise nah Midlothian fortsezen zu können hofft. Daß eine Frau n mit einem harten Stück sogenannten Jngwerbrots geworfen hat, gründet sih auf die Aussage eines Knaben, der neben ihr stand. Der Wurf traf die Hornhaut des linken Auges und die Nase, wo eine kleine Wunde entstand, die auch etwas blutete. Die Wunde ist inzwischen bereits fast ge- heilt. Ueber die von Gladstone in Chester gehaltene Rede liegen jeßt ausführlichere Mittheilungen vor. Danach bildete die Haltung der irischen Provinz Ulster den Kernpunkt der- selben. Den Marquis von Salisbury bezeichnete er als den „größten politischen Brandstifter des Landes“, weil er öffentlich Widerstand gegen das Gesey predige. Lord Salisbury erkläre, das Haus der Lords werde jedenfalls nie und nimmer eine Homerule - Bill genehmigen. Gladstone vermochte keinen Grund zur Auflösung des Parlaments darin zu erblicken, wenn das Oberhaus sh hartnäckig zeige. So etwas möge vielleiht ein Grund sein, dem Hause der Lords den Stand- punkt klar zu machen, aber nicht das Parlament aufzulösen. Im nächsten Parlament, so sagte Gladstone, werde er hoffent- lich eine solche ungeheuere Majorität für sih haben, daß die Jahrhunderte alte irishe Frage für alle Zeiten gelöst werden

würde. Auf dem Belfaster Meeting sci es sehr maßvoll zuz gegangen. Es sei allerdings zu beklagen, daß so viele presbyterianishe Geistlihe in Jrland die Gerechtigkeit der S der Homerule niht einzusehen vermöhten, ladstone meinte, die Katholiken Jrlands seien besonders frei von religiöser Bigotterie; dazu hätten sie zu viel gelitten. Wenn Lord Salisbury glaube, daß es allein in Ulster Handel, Landwirthschaft, Wohlstand, Fleiß und alle sonstigen Tugenden. ebe, so sei das eine starke Uebertreibung. Den Séhluß der ede bildete das Gemälde der Zukunft nah Durhseßung der omerule: Entstaatlihung der mwallisishen Kirche, Reform der chankgerechtigkeiten, ohne Entschädigung der Wirthe, und. Fürsorge für die Arbeiter.

Frankreich.

Jn der Deputirtenkammer brachte der Abgeordnete Cluseret, wie die „Frankf. Ztg.“ meldet, am Montag einen Geseßentwurf gegen Duelle ein und beantragte dafür die Dringlichkeit. Der Abgeordnete Rabier erklärte den Geseß- entwurf für identisch mit demjenigen, welchen Bischof Freppel in der leßten Session eingebraht habe; die Commission habe sich damals gegen eine Berathung des Ent- wurfs im Plenum ausgesprochen, stehe aber heute wieder der Kammer zur Verfügung. Die Kammer beschloß, den Geseßentwurf am Donnerstag zu berathen. Dem Senat hat Lecomte einen gleichlautenden Entwurf vorgelegt, der wie jener s{hwere Strafen (bis 12 Jahre Zuchthaus) beantragt. Die Kammer wird sih heute mit der Jnterpellation der Deputirten des Südens über die Handelsbeziehungen Spaniens zu Frankreich und mit der Anfrage des Deputirten Naquet über die Angelegenheit Grenier beschäftigen. Wie dem „W. T. B.“ aus Washington telegraphirt wird, hat die Regierung der Vereinigten Staaten auf Ersuchen Frankreichs den in dieser Angelegenheit mehrfach: genannten Militär-Attaché bei ihrer Gesandtschaft in Paris, Capitän Baru p, abberufen.

Aus Dahome liegen folgende neueren Nachrichten vor: Nach einer Meldung aus Porto-Novo machten die Dahomeer as E eine feindlihe Bewegung gegen Kotonu

in. Der Ober-Befehlshaber von Riou brach ort auf, um den Oberbefehl über Kotonu zu übernehmen, welches von 100 Tirailleurs vertheidigt wird. Die Verbindungen zwischen Kotonu und Porto-Novo sind gefährdet. Am Sonntag griffen die Dahomeer eine zur Bewachung des Kanals von Kotonu bestimmte Pirogue an.

Die Aussagen des anarchistishen Ehepaares Bricou eben, wie man der „Mgdb. Ztg.“ aus Paris berichtet, voll- tändigen Aufschluß über die Sprengung des Restau- rants Véry am Boulevard A Die Dynamitbombe- wurde, wie schon gestern mitgetheilt, in der Wohnung des Anarchisten Francis verfertigt; das Ehepaar Bricou, 9 Francis und ein gewisser Meunier begaben sich vor das Restaurant Véry, worauf Meunier in die Gastwirthschaft trat und die Dynamitbombe mit brennender Lunte hinter den Schenktish warf. Die Verbrecher harrten in der Nähe des Restaurants auf die Folgen ihrer That. Francis und Meunier flüchteten an demselben Abend nah London. Beide wurden am Sonntag in Gesellschaft des Anarchisten Gustav Mathieu in London verhaftet, und ihre Auslieferung gilt für nahe: bevorstehend.

Jtalien.

Der Papsst hat, wie der „Bayerische Courier“ mittheilt,. dem A Senestrey von Regensburg das erzbishöf- lihe Pallium verliehen. Der Kardinal Augusto Theodoli ist laut Meldung aus Rom gestern verstorben.

Spanien.

Ueber den Stand der Handelsvertrags-Unterhand- lungen Spaniens mit Frankreich und England weiß der Madrider „Liberal“ Folgendes zu melden: Zwischen Frank- reih und Spanien wäre eine Verständigung dahin erzielt, daß beide Mächte vom 1. Juli d. J. ab sih gegenseitig den Mi- nimaltarif gewähren. Mit England habe Spanien einen modus vivendi vereinbart, auf Grund dessen England der spanishe Minimaltarif zugestanden werde, während Spanien seitens Englands die Behandlung als meistbegünstigte Nation genießen solle. ;

Ueber die lange und stürmishe Sonnabendsizung der Deputirtenkammer wird der „Mgdb. Ztg.“ noh be- richtet: Anläßlich der Berathung über die neue An- leihe riefen die Republikaner stürmishe Zwischenfälle hervor. Pi y Margall erklärte, das Ministerium bringe durch seinen Zollkrieg mit allen Mächten Spanien an den Rand des Abgrunds; Salmeron griff in heftiger Weise die Monarchie an, wodur ein gewaltiger Tumult entstand. Die Sizung mußte viermal unterbrochen werden und dauerte bis 3 Uhr Morgens. i

Das Madrider Blatt „Clamor“ kündigt an: Spanien, Jtalien und England würden ebenfalls Kriegsschiffe nah Tanger entsenden, wenn Frankreich ein Geschwader dorthin beordern sollte.

Schweden und Norwegen. i Christiania, 27. Juni. Der König und die Königin sowie der Kronprinz und die Kronprinzessin sind hier ein- getroffen. Die Konsulats\a ce wird, den „Hamb. Nachr. zufolge, voraussichtlih erst morgen im Staatsrath verhandelt werden. Man hofft noch auf einen modus vivendli.

Amerika.

Jn der Republik Mexiko haben am 26. d. M. die ersten Wahlen für die Präsidentschaft stattgefunden und sind ohne S verlaufen. Der zweite Wahltag ist der 10. Juli. Nach den bisherigen Anzeichen zu ließen, wird, wie „R. B.“ meint, General Diaz wiedergewählt werden.

Afrika.

Die nach einer Depesche der „Morning Post“ in Mombasa eingetroffenen, in Nr. 147 des „R.- u. St.-A.“ kurz erwähnten Briefe der Capitäne Lugard und Williams über die Unruhen in Uganda sind auf dem Wege durch die deutsche Interessensphäre nah der Küste gelangt und über Sansibar nah Mombasa geschickt worden; in London sind sie am 13. Zuli fällig, Nah dem von der „Morning Ne mitgetheilten Auszuge trägt der aus Fort Aan (Menga) kommende Bericht des Capitäns e als Datum den 11. Februar und das in L deutschen Station Bukoba iu Victoria : See) auf ges Schreiben des Capitäns Williams den 7. März. Capita

Lugard meldet, daß die Ermordung eines protestantischen

äuptlings durch die Katholiken die Unruhen einleitete. Darauf lgte ein directer Ar der römisch-fatholischen oder fran- sischen Partei auf die Protestanten und Capitän Lugard's ort. Capitân Lugard beschreibt die Lage am 11. Fe bruar immerhin noch als eine fritishe, und die Be- schaffung des Proviants bereitete ihm besondere Schwierig- feiten. Nah dem Bericht Capitän Williams” edo, welher etwa einen Monat später datirt ist, wär die Krisis vorüber. Nach diesen MNahrichten wäre die französische oder „römisch-katholishe“ Partei die Free gewesen, wäh- rend die bisher bekannt gewordenen E der französi- hen Bischöfe, insbesondere des Bischofs Hirth, der mit dem König Mwanga und anderen Flüchtlingen nah Bukoba ent- fommen war, die Frage, von wem der rit ausgegangen war, offen gelassen hatten. Fn Nr. 135 des „R.- u. St.-A.“ wurde ein Brief des CapitänS Lugard aus dem August 1891 und ein Brief des englishen Missionars Baskerville aus dem Dezember veröffentliht, welcher den protestantischen Häuptling Melondo als von den Katholiken und dem König Mwanga bedroht und verfolgt hinstellte. Ob es dieser Häuptling war, mit dessen Ermordung der Krieg begann, ist noch nicht aufgeklärt. Der König und seine römisch-katholishen Rathgeber hatten, wie in dem lepterwähnten Brief ausg:füHrt wurde, vier Häuptlinge der katholishen Partei damit beauftragt, Melondo zu tödten und sein Eigenthum zu zerstören. Capitän Williams legte entschiedenen Widerspruch bei dem König ein und wies ihn auf die unaus- hleiblihen Folgen hin. „Wenn Melondo getödtet wird“, schrieb der Rev. Mr. Baskerville an die Kir enmissionsgesellshaft, „jo kommt es zum Krieg“.

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Parlamentarifche Nachrichten.

Orel, 20: U Dex Sladtriiler a. D. Julius Friedländer, NReichstags-Abgeordneter für Löwenberg und erster Director und Vorsißender des Aufsichtsraths der Breslauer Wechsler- bank, ist heute Vormittag gestorben.

Nr 20 des „CentralBEkatis der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Ax beiten, vom 25. Juni hat folgenden Inhalt: Die Architektur auf der diesjährigen Berliner Kunstausstellung. Vom Wettbewerb für die Entwässerung von Sofia. Herz Jefu-Kirche in Paris (Schluß). Moue feanzöfische Vorschriften über eiserne Brücken Ver- mishtes: Boissonnet - Stiftung. Preisbewerbu ngen um eine evan- gelishe Kirche in Conz-Karthaus bei Trier und um eine Brücke für den Victoria-Park in Berlin. Preisbewerbung um Pläne zu einer Synazoge in Königsberg i. Pr. Preisbewerbung um Baupläne für die Stadtbibliothek in Bremen. Preisbewerbung für die Aus- stattung von zwei kleinen Wohnungen mit Möbeln. Thalsperre bei Chemniß. «Gesammterzeugung von basishem Flußmetall. Transkaukasishe Eisenbahn. auchabführung auf den Londoner Untergrundbahnen.

Kunft und Wissenschaft.

Von dem Magnetishen Observatorium in Pots- dam erhalten wir folgende Mittheilung: __ Ziemlih lebhafte VeränDerungen des Erdmagnetismus sind am 27. Juni cr. zu verzeihnen. Die magnetische Störung begann gegen 6 UHr Morgens. und es dauerten die Schwankungen am Abend noch fort. Die Kenntniß dieser ploplih auftretenden . Ersheinutg ist für alle die- jenigen von Wichtigkeit, welche an einem solchen Tage Messungen an Galvanometern und Magnetometern an- stellen, da sie eine Fehlerquelle einführt, die dem Beobachter, welhem nicht die Möglichkeit einer Controle durh Hilfsinstrumente geboten ist, leiht entgehen kann. Vielfach er- strecken sich die Störungen über mehrere Tage, doch kann hierüber an dieser Stelle eine ausführliche Mittheilung nicht wohl gegeben werden, und es muß Interessenten anheim ge- stellt bleiben, sich um Auskunft an das Magnetische Observa- torium in Potsdam zu wenden. Diesem sind andererseits Mit- theilungen über Beobachtung etwaiger Nordlicht erschei- nungen willlomnen.

Die an Werken und Zeitshriftei zur Chemie und chemishen Technologie außerordentlih reihhaltige Sammlung des verstorbenen Professors Brun ner in Freiburg is in den Besiß des Antiquariats von Gustav F odck in Leipzig übergegangen.

In Stuttgart ist gestern früh Professor Ludwig Mayer, Vorstand der Staatssammlung wroürttembergisher Kunst- und Alter- thumsdenkmale, sowie Inspector Der Münz- und Medaillensammlung, im Alter von 41 Jahren nah \ch{roeren Leiden verstorben.

Die Akademie der W issenschaften zu Paris wählte laut Meldung des „W. T. B.“ von heute den beständigen Secretar der Berliner Akademie, Geheimen Regierungs-Nath, Professor der Astronomie Dr. Auw ers zu ihrem correspondirenden Mitgliede.

Zur wissenschaftlichen Erforschung der e des beim Abbruch der Domcurien gefundenen römi f chen Stadtthores in Köln ist, wie der „K. Z.* gemeldet wird, von dem Ober-Bürgermeister auf den Antrag der Stadt-Bauinspectoren Schultze und Steuernagel ein ent- \prehender Geldbetrag bewilligt worden. Die Nachforschungen ergaben bisher das vollständige Vorhandensein der Sockel des Thores mit ba Theilen der das Thor einrahmenden cannelirten Pilaster. Die

lankirung des Thores war bewirkt dur zwei weit vortretende qua- dratishe Thürme von 8 m äußerer Seitenlänge. Von der reichen Außen-Arcitektur des Thores haben si ferner noch eine mächtige Säulentrommel mit Basisprofil und ein dazu gehöriges korinthi\ches Kapitäl gefunden. Die Nachforsh ungen sollen noh einige Tage fort- geseßt werden, um womöglich den stadtseitigen Abshluß des Thores feslzustellen.

_ Aus Eski-Schehi r (Klein- Asien) wird dem „N. Wien. Tbl.“ geschrieben: Beim Bau der anatoli\chen Bahnen, sechs Stunden vor Angora, zwischen Kesiktasch und #Furunköi, hat man beim Sprengen von Felsen, die hart an die Stelle grenzen, wo der An orafun mit dem Ftansun zusammenfließen, eine Kirche entdeckt, die sih in einem 90 m hohen Felsen befindet. MêTan fand einen großen, etwa 20 m langen Hauptgang, in den von zroei Seiten ungefähr zwölf Zimmer münden. Diese Gemar haben eine Länge von drei Metern. Die Fenster, die von außen nur kleine Felslöcher zu sein sheinen, sind oon innen auf das Sorgfältigste ausgemeißelt. A m Plafond finden h) überall Steinrosetten, die mit großer Sorgfalt aus dem Yelsen herausgearbeitet sind. Arn Eingange zur Kapelle befindet le auf der einen Seite ein ebenfalls in den Stein gehauener ebensgroßer Engel mit herabhängenden Flügeln, während man die andere Figur auf der linken Seite des Portals nicht mehr genau crennen kann, Der Thür gegenüber, im Hauptgang, gewahrt man ein Areuy, das sih aus der Mitte eines brennenden Herzens erhebt. In Al Kapelle selbst stehen vier Steinrasten und zu beiden Seiten des 4 tars zwei große Lehnstühle ebenfalls aus Stein, Rosetten {hmücken uh hier den Plafond. Nur auf einer hohen Leiter konnte man in

das Innere dieses merkwürdigen Baues gelangen, der wahrscheinli En oder anderen Christen während der Christenverfolgungen gedient hat.

Land- und Forstwirthschaft.

Saatenstand.

Ueber den Saatenstand in Serbien erfahren wir Folgendes :

Infolge \tarker Regengüsse hat der Sommerweizen an manchen Stellen gelitten; au haben die in leßter Zeit vorgekommenen Ueber- \{chwemmungen in einigen Gegenden Mittel-Serbiens die Saaten von mehreren Tausend Hektaren vernichtet, Im übrigen i} der Stand der Felder ein guter und berechtigt zu den besten Hoffnungen.

Weizenernte in Vorder-Jndien.

Dem von dem indischen Agricultural Department unter dem 19. v. M. veröffentlichten Bericht über die diesjährige Weizenernte in der Präsidentschaft Bombay entnehmen wir Folgendes: : :

Die mit Weizen bebaute Fläche beträgt 2 620 000 Aer, das ist- 8,54 9/6 unter der Anbaufläche des Vorjahres und 10,55 9/9 unter der- jenigen des Durchschnitts der leßten fünf Jahre. Diese Abnahme der Anbaufläche hat ihren hauptsächlihsten Grund in dem Ausbleiben der Spätregen in dem Dekkan- und Karnätakgebiet. Jn leßterem Gebiet beträgt die Abnahme über 41 %. Der Totalertrag wird auf 543 495 englishe Tonnen geshäßt oder mehr als 27% unter dem des Vor- jahres. Freilich it diese Schäßung nur annähernd genau.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungss Maßregeln.

Wien, 28. Juni. Professor Drasche spriht, wie „H. T. B.“ berichtet, neuerdings in der „N. Fr. Pr.“ seine Ansicht dahin aus, daß die Cholera- Epidemie in Klein-Asien wegen des spärlichen Verkehrs und des Umstandes, daß die Cpidemie dort bereits seit fünf Jahren herrsche, für Europa weniger zu fürchten sei. Dagegen ver- diene der Ausbruch der Epidemie in Abessinien wegen _ ihrer Nähe bei den italienishen Colonien und wegen des regen Schiffsverkehrs mit Italien die größte Aufmerksamkeit. Die Cholera nehme mit Vorliebe den \chnelleren und bequemeren Sceweg; nahdem aber die Vorsichtsmaßregeln im Suezkanal als ganz ore pre zu betrachten seien, bestehe au von dorther keine bedeutende Gefahr.

St. Petersburg, 25. Juni. Zur Ergreifung von Maßnahmen gegen die Verbreitung der Cholera-Epidemie durh die Trans- faukfasishe Eisenbahn is vom Ministerium der Communi- cationen der Ober-Inspector mit dem Arzt der temporären Verwaltung der NRegierungs-Eisenbahnen dorthin abcommandirt worden. Nach der “Dem SUpector ertbetlte Jmtruction {t exr mit - fole genden Vollmachten ausgerüstet: Nah seinem Eintreffen in Tiflis tritt der Inspector sofort mit den Civilbehörden des Gebiets und dem Chef* der Transkaukasischen Bahn in Verbindung, zur Ergreifung von Maßnahmen gegen die Ausdehnung der Epidemie und nimmt eine genaue Inspection der Bahn in sanitärer Beziehung vor. Gleichzeitig organisirt er sofort eine Sanitätscommission unter seinem Vorsiß, wozu der Chef der Bahn, die obersten Betriebs- beamten, der Oberarzt der Bahn und die anwesenden Bezirks - Aerzte, sowie der Chef der Gendarmerie - Polizei- verwaltung der Bahn gehören. Die Commission ordnet auf der Basis der ihr ertheilten Borschriften die ihr nothwendig erscheinenden Maßnahmen gegen die Epidemie an und der Ober-Inspector beauf- tragt den Chef der Bahn sofort in derselben Sitzung mit deren Aus- führung. Er fordert gleichzeitig mit dem Arzt der Verwaltung die sorgfältigste Beobachtung der Anordnungen ver Commission von den Bahnbeamten und beantragt beim Bahnhof diejenigen Maß- nahmen zur Abstellung von Unordnungen oder der Fahrlässigkeit der Bediensteten, die er für erforderlih hält. Zusammen mit dem Chef der Bahn ordnet er die Vornahme von außerordentlichen Arbeiten zur Errichtung von weiteren Krankenstationen und die Her- rihtung von Waarenwaggons zur Krankenaufnahme an und endlich 4 er berechtigt, jeglihen Verkehr sowohl zwischen den Eisenbahn- stationen unter einander als mit den umliegenden Ortschaften zu ver- hindern, wenn es durch besondere Gefahr geboten erscheint.

Verkehrs-Anstalten.

Am Sonntag, 3. Juli d. J., kommt ein Sonderzug zu er- mäßigten Fahrpreisen von Berlin nah Dresden und Schandau über Zossen—Elsterwerda zur Beförderung. Er fäbrt um 7 Uhr Vm. vom Bahnhof am Askanischen Plaß ab und trifft in Dresden Alt- stadt 10,50, in Schandau 11,598 Vm. ein. Die Fahrkartenpreise be- tragen von Berlin nah Dresden 9 Ik1., 6 #4 Ill. Klasse, von Berlin nach Schandau 11,40 4 11.,, 7,60 (6 111. Klasse. Für Kinder im Alter von 4—10 Jahren werden Fahrkarten zum halben Preise vorausgabt. Die Rückfahrt kann innerhalb acht Tagen, bei Schnell- zügen gegen Lösung von Zuschlagkarten, beliebig über Nöderau oder Clsterwerda—Zossen erfolgen. Freigepäck wird nicht gewährt. Fahrt- unterbrehung ist nur bei der Nückfahrt in Dresden gegen Bestätigung seitens des Stationsvorstandes zulässig. Bei der Rückfahrt müssen die Fahrkarten abgestempelt werden. Der Fahrkartenverkauf erfolgt ab JO Un D L;

Wie alljährlich, so werden _ auch in diesem Sommer bei Beginn der Schul- und Gerichtsferien Sonderzüge zu ermäßigten Preifen von Berlin nah München, Kufstein, Salzburg, Reichenhall, Lindau, nah Frankfurt a. M., dem Rhein, Schwarzwald, den Reichslanden und der Schweiz, nah Stuttgart und Friedrichshafen zur Beförde- rung gelangen. Die O findet an folgenden Tagen statt: a. nah München, Kufftein, Salzburg, Reichenhall und Lindau am 8. Juli, 14. Juli und 2. August, b. nah Frankfurt a. M. und Basel am o D E U uno 0 Auaus e nah Suuttgart und Friedrichshafen, am 23. Juli d. Js. Die Züge nah München gehen jedesmal um 95 Uhr 35 Minuten Nachmittags, die Züge nah Frankfurt a. M., Basel vom 9. Juli und 6. August um 6 Uhr 20 Minuten Nachmittags, und der Zug nah Stuttgart um 6 Uhr Nachmittags vom Bahnhofe am Askanischen Flau ab. Die Züge nah Frankfurt a. M., Basel am 8. und 14. Juli werden vom Potsdamer Bahnhofe um 5 Uhr 27 Minuten Nachmittags ab- elassen. Die R Eisenbahn-Verwaltungen geben über diese Büge alles Nähere enthaltende Uebersihten aus, welche bei den Fahr- karten-Ausgabestellen unentgeltlih zu haben sind bezw. von dort gegen Einsendung des Portos bezogen werden können.

Vom 1. Juli d. J. ab bis auf weiteres befördert der vom Anhalter Bahnhof Morgens 7 Uhr 10 Minuten abgehende Schnellzug Nr. 6a nur noh Reisende, welhe über Elenas hinaus fahren. Da der Zug wegen seiner großen Geschwindigkeit nur eine bestimmte Wagenzahl befördern kann, ist die Anzahl der Meisenden, welhe zur Mitfahrt zugelassen werden können, eine beschränkte. Damit die Reisenden sich die Gewißheit verschaffen fönnen, ob sie mit diesem Zuge bestimmt befördert werden können, werden beim Stationsvorstande des Anhalter Bahnhofs am Tage vorher von 9 Uhr Vormittags bis 7 Uhr Abends Plazbestellscheine unentgeltlich an diejenigen verabfolgt, welhe im Besiß einer zu diesem Zuge gültigen Fahrkarte sind. Die Verausgabung dieser Scheine wird son früher geschlossen, wenn sämmtliche L E belegt sind. Reisende, welche von dieser Einrihtung keinen oder nit recht- zeitig Gebrauch machen, I auf Beförderung mit" dem Zuge nur Anspruch, soweit noch unbeseßte Pläße vorhanden sind. Fahrkarten werden am Schalter des Anhalter Bahnhofs {on am Tage vor dem Abgang dieses Schnellzugs von 8 Uhr Morgens an verkauft.

Am Sonntag, 3. Juli d. J.,, kommt ein Sonderzug zu ermäßigten Fahrpreisen von Berlin nah Coswig in Anhalt (Park von Wörliß) und Dessau zur Beförderung. Derselbe fährt um 6,20 Vorm. vom Bahnhof am Askanischen Pas b und trifft in Coswig 9,10, in Dessau 9,41 .Vorm. ein. ie Nückfahrt ist am 3. Juli d. J. nur mit dem Sonderzuge 10,0 Abends aus Dessau, 10,38 aus Coswig, 1,17 Nachts in Berlin, zulässig, dieselbe kann aber auh erst am 4. Juli d. J. mit sämmtlichen Personenzügen angetreten werden. Der leßte am 4. zur Benußung mit Sonderzugsahrkarten gültige E fonenzug von Dessau, welcher in Wittenberg Anschluß nah Berlin hat, fährt von Dessau 6,06 Nachm., von Coswig 6,40 Nachm., ab. Preis für E und Rüfahrt 5 # für die 11. und 3 K für die II1. Klasse.

æmbux«g, 28. Juni. (W. T. B.) Hamburg-Ameri- fanishe Padckectfahrt-Actiengesell schaft. Der Postdampfer „Bohemiîa“ ift heute Poren in Dover eingetroffen.

London, 27.-Juni. _ (W. T..B.) Der Castle-Dampfey „Lismore Castle“ ist gestern auf der Peters von den Cana- rishen Inseln abgegangen. Der Union-Dampfer „Gexwan ist gestern auf der Heimreise von Madeira abgegangen. G

28. Juni. (W. T. B.) Der Uniondampfer „Spartan“ ist gestern auf der Heimreise in Southampton angekommen.

Theater und Musfik.

Im Berliner Theater wird morgen Rosa Hildebrand als Gast die Rolle der Marquise de Pompadour in „Narciß* darstellen.

Der weit über die Grenzen feines engeren Vatexlandes bekannte Hof-Theatermaler Heinrich Brückner zu Coburg, geb. 1806, ift, wie die „Cob. Z.“ meldet, am 24. d. M. gestorben.

Mannigfaltiges.

Die Angelegenheit der ernèuten Begründung einer Gesammtvertretung der Studentenschaft an der hiesigen Universität hat dur den nachfolgenden Anschlag des Rectors einen vorläufigen Abschluß erhalten :

„Der Studentenschaft wird hiermit bekannt gemacht, daß bis zu dem Abschlußtermin der Aus\{ußwahl (Sonnabend, den 25. Juni, Abends) im ganzen 1212 Stimmen abgegeben und 22 Stimm- führer durch 1100 Stimmen beglaubigt worden sind, nämlih die folgenden Herren: stud. jur. Hugo Caro, stud. jur. Leo Davidsohn, stud. jur. Selmar Goldmann, stud. jur. Wolfgang Hercher, stud. jur. Paul Israel, stud. phil. Emil Ladewig, stud. theol. Johannes Lensh, stud. phil. Günther Maas, stud. jur, Wolfgang Mühlpfordt, stud. theol. Max Müller, stud. jur. Justus Olshausen, stud. med. Felix E stud. jur. Surt Schlichting, stud. theol. Richard Schöneberg, stud. med. Arnold Spuler, Dr. phil., stud. theol. Friß Iiedemann, stud. phil. Ernst Tiessen, stud. phil. Theodor Vahlen, stud. phil. Heinrih Wahler, stud. phil. Malvin Warschauer, stud. phil. Ernst Wendt, stud. phil. Ernst Wilke.

Die übrigen 112 Stimmen gehören zu Beglaubigungslisten, in denen die Anzahl der für je einen Stimmführer abçegebenen Stimmen die volle Zahl 50 nicht erreicht hat.

Obroohl es vielleiht möglih gewesen wäre, auf Grund ciner weiteren Verlängerung der Abschlußfrist um einige“ Tage den von den Saßungen geforderten Mindestbetrag der für die Aus\{hußwahl abzugeben- den Stimmen (etwa 1450 statt der wirklich abgegebenen 1212 Stimmen) noch zu_ erreichen, erschien es doch rathsam, seitens des Rectors eine Fristverlängerung, für welche übrigens au ein directer Antrag aus der Mitte der Herren Stimmführer fehlte, nicht weiter dar- zubieten. Es konnte weder der akademishen Behörde erwünscht, noch der Studentenschaft förderlih sn, wenn jeßt troy der innerhalb der fe wiederum hervorgetretenen leidenshaftlihen Gegensäße schließ- lih ein At zusammengebraht wurde, dessen innere Einigkeit und dessen Ansehen unter den Commilitonen durch die leßten Vor- gänge ernstlih in Frage gestellt gewesen wäre.

Es ist demgemäß auch auf die definitive Einreihung der Wahl=- listen für den Ausschuß selber durch die Herren Stimmführer ver- zichtet worden.

Der Rector beklagt es, daß die von ihm, auf lebhaftes Andringen aus der Mitte des mcht corporirten Theils der Studentenschaft, ge- nehmigten Versammlungen zur Berathung über die Wahlbetheiligung und über die rein \tudentishen Aufgaben des Ausschusses entgegen den verständigsten Absichten der Veranstalter durch die Erregtheit ihres Verlaufs den Bedenken gegen Gesammtvertretungen der Berliner Studentenschaft neuen Anhalt gegeben haben.

Gewiß darf aber die Hoffnung gehegt werden, daß bei dem nächsten ordentlichen Termin für eine saßungsmäßige Wahl des Aus- \chusses zu Anfang des kommenden Winter-Semesters die diesmal ge- machten Erfahrungen nicht verloren sein werden.

Diese Hoffnung begründet sich auch auf die zahlreihen Wahr- nehmungen von maßvoller Gesinnung und eifriger Hingebung an das Ganze, welche der afademishen Behörde im Verlauf der jeßigen Wahlbewegung aus den verschiedensten Gruppen der Studirenden entgegengetreten find.

IÍIm Interesse der Begründung und des Gedeihens gemeinsamer studentischer Einrichtungen wird überall, besonders aber an der hiesigen Universität, an welcher u. a. auch nahezu 600 Ausländer studiren, ein unbedingtes Zurüktreten nationaler und politischer Erörterungen bei Aus- \hußwahlen u. dergl. erforderlich sein. Es ist vollkommen selbstverständlich, daß ein studentisher Ausschuß an einer deutschen Universität troß des internationalen Charakters der Wissenschaft eine wesentlich deuts{ch- nationale A ist, und es ist niht denkbar, daß bei uns ein Ausschuß anderen Charakters in Action treten wird. Auf dieser festen Grundlage bietet sich aber für gemeinsames Wirken im Sinae der Vervolllommnung s\tudentisher Lebensführung und s\tudentischer Organisationen ein weites Feld.

Berlin, den 28. Juni 1892.

Der Rector. Foerster.“

Ein ehemaliger Spielkamerad des Kaisers Wilhelm 1.,, Veteran der Befreiungskriege, der am 2. Oktober 1795 zu Sas bei Potsdam geborene pensionirte Kanzleidiener der Königlichen Regierung zu Potsdam Gottlieb Spilling ist, wie hiesige Blätter berichten, am Sonntag Nachmittag auf dem Begräbnißplaß der St. Marcus- gemeinde in der Landsberger Allee zur ewigen Ruhe bestattet worden. Spilling, auf dem vormaligen Gut der Königin Luise als Sohn eines Küsters geboren, trat 1813 freiwillig in die Armee und wurde schon nah wenigen Wochen Unteroffizier. Später bekleidete er die Stellung eines Kanzleidieners bis zu seinem 70. Lebensjahre, worauf er sich pensioniren ließ und mit einem Nuhegehalt von monatli 60 16 anfänglich in Potsdam, später in Rummelsburg lebte. Vor zwei Jahren zog der greise Veteran nah Berlin; bei dem Umzuge traf ihn das Unglück, von einem Pferde geschlagen zu werden, doch die rüstige Constitution des Alten überwand nah kaum dreiwöchigem Krankenlager die {were Verleßung, die er erlitten. In Berlin wohnte Pn, dessen irau vor 28 Jahren bereits N bei dem Schuhmachermeister Menzel’shen Chepaar, Blumenstraße 67 a, das sih des Greises E annahm und ihn liebevoll pflegte. Spilling war bis zu seiner Todesstunde ein glühender Patriot und ein treuer Verehrer des Königlichen Hauses. Noch im Februar v. J. vermochte der Greis ein Kränzchen des Krieger- und Landwehrvereins „Königgräß“, dessen Mitbegründer und Ehrenmitglied er war, mit- zumachen, im April begannen die Kräfte des Veteranen zu s{winden.

Mit dem Abbruch des geschihtlich denkwürdigen Hauses Molkenmarkt Nr. 1, dessen westlicher Theil seit linger als adtiis

Jahren Siß des Königlichen Polizei-Präsidiums war, ist am Freitag begonnen worden.