1892 / 184 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 06 Aug 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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Wakhl derselben ist erforderlichenfalls von Aufsihtswegen sofort zu veranlassen, sobald die berichtigte Liste (s. oben 1 5) mehr als 40 Stimmberechhtigte nahweist. Bei geringerer Zahl kann die Bil- dung einer Gemeindevertretung durch Ortsstatut eingeführt oder im öffentlichen Interesse durch den Kreisaus\{uß angeordnet werden (§8 49 Abs. 1 und 2).

Da, wo bereits jeßt eine Gemeindevertretung besteht, behält es dabei nah Maßgabe des § 147 Abs. 1 sein Bewenden.

2) Zusammenseßung; Wabl der Gemeindeverordneten.

Die Gemeindevertretung besteht außer dem Gemeinde-Vorsteher und dessen Stellvertreter wenn mehrere Stellvertreter vorhanden find, dem ersten Stellvertreter aus Gemeindeverordneten, welche von den Stimmberechtigten aus ihrer Mitte auf sechs Jahre gewählt werden. Die Zahl der Gemeindeverordneten beträgt mindestens sechs, fann aber durch Statut auf 9, 12, 15, 18, 21 oder 24 erhöht werden (8 49 Abf. 3). Eine Erhöhung der Zahl der Gemeindeverordneten wird zweckmäßiger Weise nur in denjenigen Gemeinden in Anregung zu bringen fein, bei denen umfangreiche communale Aufgaben zu löfen find, oder ein größeres Gemeindevermögen zu verwalten ist.

Nicht wählbar sind die in § 53 bezeichneten Personen.

__ Die Wahl erfolgt nah dem Dreiklassensystem nah Maßgabe der SS 50, 51, wonah jeder Stimmbere(htigte in seiner Klasse eine Stimme hat, jede Klasse ein Drittel der Gemeindeverordneten wählt, ohne an die Angehörigen der Klasse gebunden zu sein. Mindestens zwei Drittel aller Mitglieder der Gemeindevertretung müssen Angesessene sein; die hiernach zulässige Zahl der zu wählenden Nichtangesessenen wird auf die drei Klassen nah Maßgabe des § 52 möglichst gleich vertheilt. Die Wahlen erfolgen auf sechs Jahre. Es schcidet, wenn die Zahl der Gemeindeverordneten sechs beträgt, alle drei Jahre aus jeder Klasse die Hälfte, wenn die Zahl der Gemeindeverordneten größer ist, alle zwei Jahre von jeder Klasse ein Drittel der Gemeinde- verordneten aus und wird die Gemeindevertretung durch neue Wahlen ergänzt. Die näheren Bestimmungen über die Wahlen sind in §8 54 bis 64 enthalten.

Was die Wahl nah Wahlbezirken betrifft, fo ist zu beachten, daß die Bildung der letzteren sih auf alle oder einzelne der drei Klassen erstrecken kann, jedoch immer nur für folhe Klassen zulässig ist, welhe mehr als 500 Wähler umfassen 51 Abs. 1).

3) Beschlußfähigkeit, Vorsitz, Sißungen, Geschäftskreis.

Die Gemeindevertretung ist bes{chlußfähig, wenn mehr als die Hâlfte der Mitglieder anwesend ist 106 Abs. 2). Unentschuldigtes Ausbleiben fann durch Ortsfstatut nah Maßgabe der Vorschriften in 8 112 unter Strafe gestellt werden.

Im übrigen kommen in Betreff des Vorsißes, der Zusammen- berufung, der Abhaltung der Sißungen und des Geschäftskreises die für die Gemeindeversammlung gegebenen Bestimmungen zur Anwen- dung (f. oben 1).

IIT. Der Gemeinde-Vorsteher und die sonstigen Gemeindebeamten. 1) Wahl des Gemeinde-Borstehers: Geschäftskreis.

Der Gemeinde-Vorsteher wird von der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) aus der Mitte der Gemeindeglieder gewählt. Die Wahl erfolgt durch Stimmzettel nah näherer Bestimmung der S8 76 bis 83. Die Wahlperiode beträgt sechs Jahre, kann aber, und zwar auch bei den zur Zeit des Inkrafttretens der Landgemeinde- ordnung im Amt befindlihen Gemeinde-BVorstehern, nah Ablauf der ersten drei Jahre auf zwölf Jahre erstreckt werden 75 Abs. 1). Die Wahl bedarf sowohl bei der ersten Wahl als bei einer Ver- längerung der Wahlperiode der Bestätigung durch den Landrath, welche nur unter Zustimmung des Kreisausschusses versagt werden kann (S 84).

s ift, erforderlichenfalls von Aufsichtswegen, darauf zu halten, daß rechtzeitig vor Ablauf der Wahlperiode die Neuwahl vorge- nommen und deren Bestätigung herbeigeführt wird, da nah Ablauf der Wahlperiode die Amtseigenschaft des früheren Gemeinde-Vor- stehers niht mehr besteht, Amtshandlungen deshalb niht mehr von thm, sondern nur von feinem Stellvertreter vorgenommen werden können.

Der Gemeinde-Vorsteher führt die laufende Verwaltung der Ge- meinde: der Kreis seiner Geschäfte ist hauptsächlich in § 88 bestimmt. Er ist Organ des Amtsvorstehers (§§ 90, 91).

2) Stellvertreter.

Dem Gemeinde-Vorsteher steht behufs seiner Unterstützung und Vertretung ein Stellvertreter zur Seite. Die Zahl der Stellvertreter kann durch Ortsstatut bis auf sechs vermehrt werden. Wo die Zahl der Stellvertreter nah der bisherigen Ortsverfassung zwei oder mehr, aber n’cht mehr als sechs betragen hat, verbleibt es hierbei bis zu anderweiter ortsstatutarischer Festseßung. Ortsstatuten oder Orts- verfassungen, nah welchen die Zahl der Stellvertreter mehr als sechs beträgt, treten außer Kraft. Vater und Sohn sowie Brüder dürfen nicht gleichzeitig Gemeinde-Vorsteher und Stellvertreter sein. Die Stellvertreter werden auf sechs Jahre gewählt; wegen der Wählbar- keit, der Wahl und der Bestätigung gelten im übrigen die in Be- treff des Gemeinde-Vorstehers gegebenen Bestimmungen (§8 74 Abs. 2

bis 5, S 75). 3) Ehbrenamtliche Stellung.

Das Amt des Gemeinde-Vorstehers und der Stellvertreter ift ein EChrenamt, für das keine Besoldung gewährt wird. Der Gemeinde- Vorsteher hat den Ersaß seiner baaren Auslagen und die Gewährung einer mit seiner Mühbewaltung in billigem Verhältniß stehenden Ent- schädigung zu beanspruchen. Den Stellvertretern kommt in der Regel nur der Ersatz ihrer baaren Auslagen zu 86).

4) Besoldete Gemeinde-Vorsteher.

In Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern und in den Koogsgemeinden des Kreises Tondern kann die Gemeindevertretung die Anstellung eines besoldeten Gemeinde-Vorstehers beschließen, dessen Wahl auf zwölf Jahre erfolgt und niht auf die Gemeindeglieder beschränkt ist 75 Abs. 2). Die Anwendung dieser Bestimmung wird sich, da dem Amt des Gemeinde-Vorstehers der Charakter cines unbesoldeten Ehrenamts thunlichst zu erhalten ist, auch bei größeren Gemeinden nur in dem Fall empfehlen, wenn der Umfang der Ge- meindeverwaltung ein derartig gesteigerter ist, daß er die Kräfte einer ehrenamtlihen Verwaltung übersteigt und die Anstellung eines Berufs- beamten unentbehrlich erscheinen läßt. Liegt jedoch dieser Fall vor, so ist es auh die Aufgabe der Aufsichtsbehörde, diese Einrichtung in den bezüglichen Gemeinden in Anregung zu bringen, falls diese si nicht aus eigenem Antrieb hierfür entscheiden.

9) Andere besoldete Gemeindebeamte.

Für einzelne Dienstzweige oder Dienstverrihtungen kann nah S 117 überall die Anstellung besoldeter Gemeindebeamten (Gemeinde- Einnehmer, Gemeindeschreiber, Gemeindediener u. \. w.) von der Ge- meinde beschlossen werden. Die Anstellung der Gemeindebeamten hat durch den Gemeinde-Vorstcher zu erfolgen. Es kann aber, wo die Anstellung von Gemeindebeamten bisher auf Grund der Wahl der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) erfolgt ift, das Verfahren durch Ortsftatut (Gemeindestatut) auch ferner beibehalten werden. Inwieweit die besoldeten Geoemeinde- beamten staatlicher Bestätigung unterliegen, bestimmt sh nah den besonderen Geseßen. Wegen der Gehalts- und Pensionsverhältnisse derselben enthält § 118 die näheren Vorschriften. Ueber die Cautions- leistungen des Gemeinde-Einnehmers hat die Gemeinde zu beschließen.

IV. Der Gemeindevorstand.

Einführung des Gemeindevorstands; Geschäftskreis.

__ In größeren Gemeinden kann nah § 74 Abs. 6 durch Ortsstatut ein aus dem Gemeinde-Vorsteher und den Stellvertretern bestehender collegialisher Gemeindevorstand eingeführt werden. Dem Gemeinde- vorstand können nah 89 Abs. 1 durch das Ortsstatut folgende Geschäfte und Befugnisse des Gemeinde-Vorstehers, alle oder einzelne, übertragen werden: _

a, die Beschlußfassung auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend das Necht der Mitbenußung der öffentlihen Gemeindeanstalten und der Theilnahme an den Gemeindenußungen (8§§ 9, 71);

. die Obliegenheiten des Gemeinde-Vorstehers, bei der Bildung von Wakhlbezirken für die Wahl der Gemeindeverordneten 951);

. die Vorbereitung der Beschlüsse der Gemeindeversammlung oder Gemeindevertretung 88 Abs. 4 Nr. 2);

. die Ausführung der Gemeindebeschlüsse, die laufende Verwal- tung des Vermögens und der Einkünfte der Gemeinde sowie der Gemeindeanstalten, für welche eine besondere Verwaltung nicht besteht, und die Beaufsichtigung der Gemeindeanstalten, für waRE eine besondere Verwaltung eingeseßt ist 88 Abs. 4 Me Dl:

. die Anweisung der Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde und die Beaufsichtigung des Rechnungs- und Kassenwesens 883 Abs. 4 Nr. 4);

, die Vertheilung der Gemeindeabgaben und Dienste und die Anordnungen wegen ihrer Einziehung und Ausführung 88 Abl, Nr 89)

. die Aufstellung des Voranschlags 119 Abs. 1) und

. da, wo ein besonderer Gemetnde-EGinnehmer bestellt ist, die Vor- Pun der von ihm einzureihenden Gemeinderehnung 120 D. 2).

Ueber das Verfahren des Gemeindevorstands trifft § 89 in

Abs. 2 bis 4 die näheren Bestimmungen.

Die Einrichtung eines collegialischen Gemeindevorstandes ist an eine Mindestzahl der Einwohner niht geknüpft. Für die Frage seiner Einführung werden neben der Einwohnerzahl und dem Umfang der Geschäfte auch noch andere, inébefondere persönliche Verhältnisse in Betracht zu ziehen sein, und es wird stets ciner näheren Prüfung im einzelnen bedürfen, ob es den Intereffen der Gemeindeverwaltung entspricht, die oben erwähnten Geschäfte einem Collegium an Stelle eines Einzelbeamten zu übertragen.

In Gemeinden, deren Verhältnisse einfach und gleich- artig gestaltet sind und deren Eimoohner der Hauptsache nah Landbau treiben, kann troß beträhtliher Seelenzahl die laufende Gemeindeverwaltung meist sehr wohl von einem Einzelbeamten geführt werden. In Gemeinden mit verwickelteren Verhältnissen und vorwiegend \tädtishem Charakter, wie nament- lih in manchen Vororten größerer Städte, wird andererseits oft die Einführung eines collegialishen Gemeindevorstands zur Förderung des Gemeindelebens und zur Hebung der Gemeindeverwaltung dienen können. Insbesondere wird sie häufig einen angemessenen Uebergang von der Landgemeindeverfassung zur städtischen Verfaffung in solchen Orten bilden, deren Entwickelung auf die Verleihung der leßteren hinweist.

Ob hiernach die Einführung eines collegialischen Gemeinde- vorstands zulässig und zweckmäßig ist, hat in erster Linie die Ge- meinde selbst bei Beschlußfassung über das gemäß § 74 Abs. 5 noth- wendige Ortsstatut, demnächst aber auch der Kreisausshuß bei Er- theilung der nach § 6 Abs. 2 für das Ortsstatut erforderlichen Genehmigung zu prüfen.

B. Das Abgabewesen der Landgemeinden.

Die Beiträge, welche von den Landgemeinden behufs Erfüllung ihrer Aufgaben erhoben werden können, heiden sih in Abgaben (im engeren Sinne), Gebühren undDien ste; die Abgaben wiederum in directe und indirecte. Directe Gemeindeabgaben können nah § 11 nur vom Einkommen, vom Grundbesiße und vom Gewerbe- betriebe erhoben werden. Durch diese Bestimmung ist indessen nicht beabsichtigt, andere Gemeindeabgaben, welche bisher erhoben und zuweilen den directen beigezählt worden sind, insbesondere die Hunde- steuer, zu beseitigen; bei dem ohnehin s{chwankenden Begriff der directen und indirecten Steuern steht vielmehr nihts im Wege, folche fortan den indirecten Gemeindeabgaben beizuzählen und weiter zu erheben.

Daß die Corporationen ihre Ausgaben zunächst durch die Ein- nahmen aus ihrem Vermögen zu decken und nur zur nothwendigen Ergänzung derselben Abgaben erheben sfollen, ist ein allgemeiner Verwaltungsgrundsatz, welcher für das Gemeindeabgabenwesen der Landgemeinden in § 10 ausdrücklich Aufnahme gefunden hat und streng zu beachten ist.

I. Gemeindeabgaben vom Einkommen. 1) Abgabepflicht : Befreiungen.

Den Gemeindeabgaben vom Einkommen unterliegen :

a. die physishen Personen, welche in dem Gemeindebezirke einen Wohnsiß haben 22 Abs. 1 Nr. 1), sowie nach Maßgabe des § 22 Abs. 2 diejenigen, welche einen die Dauer von drei Monaten über- steigenden Aufenthalt nehmen ;

b. Actiengesellshaften, Commanditgesellschaften auf Actien, Berg- gewerkschaften, eingetragene Genossenschaften, deren Geschäftsbetrieb über den Kreis ihrer Mitglieder hinausgeht, und juriftische Perfonen, welche in dem Gemeindebezirke Grundbesitz, gewerbliche Anlagen, Eisenbahnen oder Bergwerke haben, Pachtungen, stehende Gewerbe, Eisenbahnen oder Bergbau betreiben, hinsichtlih des ihnen aus diefen Quellen zufließenden Einkommens, desgleichen der Staatsfiscus bezüglih des Einkommens aus den von ihm betriebenen Gewerbe-, Cisenbahn- und Bergbau- unternehmungen, sowie aus Domänen und Forsten 22 Abs. 1 Nr. 2; § 1 Abs. 1, 2 des Geseßes vom 27. Juli 1885 Gesetz- Samml. S. 327 —);

c. auswärtige physishe Personen, welche in dem Gemeindebezirke Grundbesiß, gewerbliche Anlagen, Eisenbahnen oder Bergwerke haben, Pachtungen, stehende Gewerbe, Cisenbahnen oder außerhalb einer Gewerkschaft Bergbau betreiben (Forensen), hinfichtlich des ihnen aus diesen Quellen zufließenden Einkommens 22 Abj. 1 Nr. 2; § 1 Abs. 3 des Geseßes vom 27. Juli 1885).

Hinsichtlih der Befreiungen von den Einkommensabgaben treffen die §S 29 bis 31 Bestimmung.

2) Zuschlagsabgaben der Staatseinkommensteuerpflichtigen.

Die Heranziehung der unter 1a bezeichneten Personen erfolgt durch Zuschläge zur Staatseinkommenfteuer. Diejenigen Personen, welhe nicht mehr als 900 M Einkommen haben und daher feine Staatseinkommensteuer entrihten 5 des Einkommensteuergesetzes vom 24, Junt 1891 Geseg - Samml. S. 1755 =—), werden zu einem fingirten Principalsaße behufs Berehnung des Gemeindezushlags nach näherer Vorschrift des § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 75 des Einkommensteuergeseßes ver- anlagt; diese Personen können indessen und zwar sowohl alle Per- sonen von niht mehr als 900 Æ Einkommen, als die von einem ge- ringeren Betrage des Einkommens an abwärts von der Heran- ziehung ganz frei gelassen oder, während im allgemeinen der Procent- sat des Zuschlags zur Staatseinkommensteuer ein gleicher sein muß, zu einem geringeren Procentsaß herangezogen werden; der auf Fret- lassung oder geringere Heranziehung lautende Gemeindebes{chluß bedarf der Zustimmung des Kreisausshusses.

Die Heranziehung der unter 1b bezeichneten juristishen Personen und Gesellschaften u. #. w. erfolgt gleichfalls durch Zuschläge zur Staatseinkommensteuer, soweit sie Staatseinkommensteuer entrichten ; es sind dies nah § 1 Nr. 4 und 5 des Einkommensteuergeseßes :

die Actiengesellshaften, die Commanditgesellshaften auf Actien und die Berggewerkschaften, welhe in- Preußen einen Sitz haben, die eingetragenen Genossenschaften, deren Geschäfts- betrieb über den Kreis ihrer Mitglieder hinausgeht, und die Consumvereine mit offenen Läden, sofern leßtere die Rechte juristisher Personen haben.

Hierbei ist zu bemerken, daß der für die staatliche Besteuerung dieser Gesellshaften vorgeschriebene Abzug von 37 9% des Actien- kapitals 2c. für die Berechnung der Gemein deabgaben nicht statt- findet, vielmehr das volle Einkommen ohne diesen Abzug heranzuziehen it G 16. Abl. 1 mv 3 «D:

3) Besondere Gemeindeabgaben vom Einkommen.

Die übrigen juristishen Personen und Gesellschaften u. f. w., welche zwar niht dem Staat, aber der Gemeinde gegenüber abgabepflihtig sind, sowie die unter 1 c bezeichneten Forenfen können durch Gemeinde- beschluß nah Maßgabe der §§ 1 bis 6 des Gesetzes vom 27. Juli 1885 zu besonderen Abgaben vom Einkommen herangezogen werden. Bei Ermittelung des jährlichen Reineinkommens ift im allgemeinen nah

den für die Abschäßung zur Staatseinkommensteuer geltenden Grund- säßen zu verfahren 3 Abs. 1 a. a. O.). 4) Doppelbesteuerungen. In Ansehung der Vermeidung von Doppelbesteuerungen des Einkommens kommen nah § 25 überall die Bestimmungen der §S 7 bis 11 des Gefeßes vom 27. Juli 1885 zur Anwendung.

IL. Gemeindeabgaben vom Grundbesiß.

1) Zuschlagsabgaben und besondere Abgaben.

Die Gemeindeabgaben vom Grundbesiß fönnen als Zuschläge zur staatlihen Grund- und Gebäudesteuer nah den Gesetzen vom 21. Mai 1861 (Geseß-Samml. S. 253 und 317) und 11. Februar 1870 (Gesez-Samml. S. 85) sowie der Verordnung vom 28. April 1867 (Gesez-Samml. S. 543) oder als besondere Gemeinde- abgaben von Grund- und Gebäudebefiß erhoben werden. Die Ge- staltung solcher besonderen Grund- und Gebäudeabgabe: ift den Gemeinden vorbehaltlich der Genehmigung des Kreisausschusses und, soweit erforderli, der Centralbehörden überlafsen. Es dürfen jedoch derartige Gemeindeabgaben niht im Widerspruch stehen mit all- gemeinen und insbesondere den vom Staat in der Ordnung seines Steuerwesens zum Ausdruck gebrachten Grundsäßen, sondern sie müssen sih nah Maßgabe dieser Grundsäße als zweckEmäßig und angemes}en darstellen. Unter dieser Vorausseßung sind z. B. zulässig Abgaben in Gestalt einer Hausfteuer, einer Gebäudefteuer nah Maßgabe der Brandkassentare u. a.

2) Abgabepflicht ; Befreiungen.

Abgabepflichtig sind nah § 23 die innerhalb des Gemeinde- bezirks belegenen Grundftüfe und Gebäude, foweit sie nicht nach § 26 befreit find.

Was zunächst die von der staatlihen Grund- und Gebäude- steuer Befreiten zu oöffentlihen oder gemeinnüßigen Zwedcken bestimmten Grundstücke betrifft, fo sind dieselben, nah den Grundsätzen der Cabinets-Ordre vom 8. Juni 1834, gemeindeabgaben- frei, soweit sie es bisher gewesen sind, aber, soweit davon bisher Gemeindeabgaben entrihtet worden, zu deren Fortentrihtung verpflichtet. Diejenigen unbebauten Grundstücke, welche nach dem 1. April 1893 zu öffentlichen oder gemeinnüßigen Zwecken bestimmt werden, erlangen mit der Staatssteuerfreiheit auch die Freiheit von den Gemeindeabgaben. Die nah dem 1. April 1893 in die Benußung für derartige Zwecke übergehenden Gebäude sind dagegen, troß der Staatssteuerfreiheit, zur Fortentrichtung der- jenigen Gemeindeabgaben verpflichtet, welche fie bisher geleistet haben.

Bei Anwendung dieser Bestimmungen ist davon auszugehen, daß die Befreiung der daruntex fallenden Grundstücke von der Staats- steuer die Vorausfeßzung für ihre Befreiung von den Gemeinde- abgaben bildet. Ein vom Fiscus erworbenes und früher anderweitig benußtes Grundftück genießt daher weiter die Freiheit von Gemeindeabgaben erst vom Zeitpunkte seiner Verwendung zu öoffentlihen und gemeinnüßigen Zwecken ab. Andererseits sind von den fiscalischen Gebäuden nur diejenigen Gemeinde- abgaben fortzuentrihten, welhe von ihnen am 1. April 1893 oder zur Zeit ihrer späteren Erwerbung durh den Fiscus entrichtet werden. Fallen jene Abgaben fort, so können die Gebäude nicht etwa zu anderen als den früher von ißnen getragenen Gemeindeabgaben heran- gezogen werden, sondern sie müsen von allen Gemeindelasten frei bleiben. Insbefondere hört die Abgabepflicht unbedingt und für immer mit dem Abbruche des Gebäudes, an welchem fie haftet, auf.

Die Dienstgrundstücke der Geistlichen, Kirchendiener und Volks\chul- lehrer sind nah §26 allgemein von den Gemeindeauflagen befreit, so- weit nicht die Dienftgrundftücke der Geistlichen observanzmäßig bisher zu diesen Auflagen herangezogen worden sind. Die Quartierleistungs- vfliht derartiger Gebäude wird jedoch durch diese Vorschrift nicht berührt, da die Quartierlast keine Gemeindeabgabe bildet und ihre selbständige Regelung im Neichsgefeß vom 25. Juni 1868 (Neichs- Ges.-Bl. S. 523) und im Neichsgefeß vom 13. Juni 1873 (Reichs- Geî.-Bl. S. 129) findet. :

Die auf einem besonderen Nechtstitel beruhenden Befreiungen einzelner Grundstücke von den Gemeindeabgaben bleiben nach 8 27 in threm bisherigen Umfange fortbestehen. Die Gemeinden sind jedoch berehtigt, diefe Befreiungen durch Zahlung des zwanzigfahen Jahreswerthes nach dem Durch- \hnitt der leßten zehn Jahre vor dem 1. Januar desjenigen Jahres, in welchem die Ablösung beschlossen wird, abzulösen. Steht ein anderer Entschädigungsmaßstab fest, fo hat es hierbei scin Be- wenden.

ITI. Gemeindeabgaben vom Gewerbebetrieb e. 1) Zuschlags8abgaben und besondere Abgaben.

Die Gemeindeabgaben vom Gewerbebetrieb e können gleichfalls entweder als Zuschläge zur Gewerbesteuer nah dem Geseße vom 24. Juni 1891 oder als bef ondere Gemeindeabgaben vom Gewerbe- betriebe erhoben werden. Lettern Falls ift es nicht nöthig, alle stehenden Gewerbe gleichmäßig zu den Gewerbeabgaben heranzuziehen, sondern diese können au) auf einzelne stehende Gewerbe beschränkt werden. Insbesondere ist es z. B. zulässig, kleinere handwerksmäßige Gewerbe- betriebe von besonderen Gemeindegewerbeabgaben ganz frei zu lassen und diese auf größere Actien- oder Fabrikunternehmungen zu be- schränken. Im übrigen gilt wegen der Festseßung besonderer Ge- werbeabgaben das unter I1[ bezüglih der besonderen Abgaben vom Grundbesiße Gesagte.

2) Abgabepflicht : Gewerbebetrieb in mehreren Bezirken.

Der Gemeindeabgabe vom Gewerbebetriebe unterliegen die inner- halb des Gemeindebezirks betriebenen stehenden Gewerbe.

Erstreckt sich der Betrieb des Gewerbes auf mehrere Gemeinde- bezirke, so erfolgt die Besteuerung nah Maßgabe des auf jeden der Bezirke entfallenden Theils des Betriebes 24).

Bei dieser Vertheilung ist zu unterscheiden zwischen den Zuschlägen zur staatlihen Gewerbesteuer und den besonderen Gemeindeabgaben vom Gewerbebetriebe. Bei den ersteren wird die Zerlegung des Steuersatzes in die auf die einzelnen Betriebsorte entfallenden Theilbeträge nah Maßgabe des § 38 des Gewerbesteuergeseßzes vom 24. Juni 1891 von dei die Staatssteuer veranlagenden Steueraus\{husse bewirkt, und es ist fodann lediglich dieser Theilbetrag den Gemeindezushlägen zu Grunde zu legen. Wo dagegen eine besondere Gemeindeabgabe vom Gewerbebetriebe besteht, müssen die Bestimmungen über diese Abgabe erforderlihen Falls zugleich Vorschriften über die Behandlung eines Gewerbebetriebes, der sich über mehrere Gemeinden erstreckt, enthalten. So lange es an solhen näheren Vorschriften fehlt, bieten die für die Staatsgewerbesteuer bestehenden Vorschriften einen Anhalt für finngemäße Anwendung. Die Grundsäße des Gesetzes vom 27. Juli 1885 können dagegen nicht ohne weiteres zur Anwendung gebracht werden, da sie sih auf die Einkommensbesteuerung, nicht aber auf die hier in Frage stehenden Ertragssteuern beziehen.

IV. Verhältniß der directen Gemeindeabgaben (vom Einkommen, vom Grundbesitz, vom Gewerbebetrieb) zu j i einander.

__ Nach §12 sollen nit einseitig vom Einkommen, oder vom Grund- besiß, oder vom Gewerbebetriebe Gemeindeabgaben * erhoben werden ; fondern es foll wenn überhaupt in einer Gemeinde directe Gemeinde- abgaben erhoben werden eine gleichzeitige Belastung dieser drei Steuerobjecte, und zwar innerhalb gewisser Verhältnißgrenzen, statt-

finden. e 1) bei Erhebung von Zuschlägen.

Bei Erhebung von Zuschlägen zur Staatssteuer darf die Belastung der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer nit stärker sein als die der Einkommensteuer, und es müssen andererseits die Grund- und Gebäude- steuer und die drei ersten Klassen der Gewerbesteuer mindestens mit der Hälfte des Procentsazes herangezogen werden, mit welchem die Einkommensteuer belastet wird. Innerhalb dieser Grenzen is nach § 12 Abs. 2 die Heranziehung der Genen teuergattungen nah verschiedenen Procentsäßen zulässig. Auch kann die Klasse 4 der Gewerbesteuer sowie die Betriebs\steuer 59 des Gewerbesteuergeseßzes vom 24, Juni 1891) ganz freigelassen werden.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Z 184,

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

2) bei Erhebung von besonderen Abgaben vom Grundbesiß und Gewerbebetrieb.

Werden statt der Zuschläge zu den Staatssteuern besondere Gemeindeabgaben von Grundbesiß und Gewerbebetrieb erhoben, so müssen diese Abgaben, soweit sie den Grundbesitz belasten, so bemessen werden, daß ihr Gesammtauffommen zum Gesammtauffommen der Gemeindeeinfommensteuer in demselben Verhältniß steht, welches bei Erhebung der Abgaben vom Grundbesiß in Gestalt von Zuschlägen zur Staatssteuer festgehalten werden müßte 12 Abf. 3). Um zu vrüfen, ob diese Vorschrift erfüllt ift, muß das Procentverhältniß zwischen dem Gesammtauffommen der Gemeindeabgaben vom Grund- besiß und dem Gesammtauffommen der staatlichen Grund- und Gebäudesteuer berechnet und mit dem Procentsaßz verglichen werden, mit welchem die staatlihe Einkommensteuer belastet wird. Wenn der erstere Procentsaß den vollen Betrag des leßteren übersteigen oder den halben . Betrag des leßteren nicht erreichen sollte, so würden die Grundsätze, nah denen die besondere GVemeindeabgabe vom Grundbesite bemessen wird, nicht im Einklang mit dem Gesetze stehen. Die Erhebung dieser Abgabe würde daher unzulässig fein. Vor Ein- führung aller besonderen Gemeindeabgaben vom Grundbesitz ist dem- gemäß durch Probeveranlagungen festzustellen, ob niht ein folches Mißverhältniß eintreten wird, und wo solche besonderen Ab- gaben vom Grundbesiße bestehen, ist alljährlih an der Hand des Abgabenauffommens von neuem zu prüfen, ob die Fortentwickelung der Verhältnisse niht demnächst das Eintreten des vom Geseß gemißbilligten Zustandes besorgen läßt, und in diesem Fall eine rechtzeitige Abänderung der Abgabevorschriften herbeizuführen. Eine gleihe Vorschrift darüber, in welhem BVer- bâltniß die Belastung des Gewerbetriebes zur Belastung des Ein- fommens bei der Erhebung besonderer Gewerbeabgaben stehen müsse, ist dagegen im Geseß nicht enthalten.

V. Mehr- oder Minderbelastung einzelner Theile des Gemeindebezirfs oder einzelner Klassen der Gemeinde- angehörigen bezüglich der directen Gemeindeabgaben.

Nach § 14 i} eine Mehr- oder Minderbelastung eines Theils des Gemeindebezirks oder einer Klasse der Gemeindeangebörigen insoweit gestattet, als es sih um die Aufbringung der Bedarfsfumme für die Herstellung und Unterhaltung folcher Einrichtungen handelt, welde in besonders hervorragendem oder in besonders geringem Make dem einzelnen Theile des Gemeindebezirks oder der einzelnen Klasse der Gemeindeangehörigen zu gute fommen. Diese Maßnahme fann immer nur als eine Ausnahme betrachtet werden, welche nur dann gerechtfertigt erscheint, wenn besondere Einrichtungen zu Gunsten einzelner, wie z. B. ein eigener Nachtwachtdienst für. einzelne entferni gelegene Ausbauten, getroffen werden müssen, oder wenn cs si darum handelt, Straßen-, Entwässerungs-, Beleuchtungs- und Trottoiranlagen auszuführen, welche außergewöhnliche Kosten ver- ursahen und vorzugsweise den Hausbesißern oder einem Theile von ibnen zu gute kommen. Die Bestimmung des § 14 darf nicht ver- allgemeinect und insbesondere nicht dazu benußt werden, die sogenannte Zweckbesteuerung als regelmäßiges Verhältniß in das Gemeindeabgaben- wesen einzuführen. Von der im § 13 der Kreisordnung vom 26. Mai 18§8 acordneten Mehr- oder Minderbelastung einzelner Kreistheile unterscheidet sih die Bestimmung im § 14 dadurch, daß fie keine Be- messung der Mehr- oder Minderbelastung nah Quoten der betreffenden Abgabe verlangt.

VI. Indirecte Gemeindeabgaben. 1) Verbrauchs8abgaben und andere indirecte Abgaben.

Indirecte Abgaben können die Landgemeinden gemäß § 15 inner- halb der dur die Reichsgeseße gezogenen Grenzen erheben; sie haben hierdurch eine Befugniß erhalten, welche sie bisher entbehrten. Die in Betracht kommenden reicsgeseßliden Bestimmungen finden si bauptsächlich im Artikel 5 Nr. 11 § 7 des Zollvereinigungsvertrags Vom 8. Juli 1867 (B:G Bl, S. 816 und in dem Nei@)s- geseßze, betreffend die Abänderung dieses Vertrages, vom 27. Mai 1885 (N.-G.-Bl. S. 109). Indirecte Abgaben von den zum Ver- brauch bestimmten Erzeugnissen können danach die Landgemeinden \o- wobl durch Zuschläge zu den Reichs- und Staatssteuern als in Ge- stalt besonderer Abgaben nur von solchen Gegenständen, welhe zum örtlihen Verbrauche bestimmt sind, und nur unter den im Artikel 5 Nr. IT 8 7 a. a. O. näher bezeichneten Einschränkungen erheben: Die im Artikel 5 unter Il a. a. O. enthaltene weitere Einschränkung für die Abgabenerhebung von solhen ausländischen Erzeugnissen, welche bereits bei der Einfubr mit mehr als 15 Groschen vom Centner (3 M von 100 kg) belegt werden, is dagegen für Mehl und andere Müblenfabrikate, für Backwaaren, Fleisch, Fleishwaaren und Fett sowie für Bier und Branntwein durch das Gesey pom 27. Mai 1885 (R.-G.-Bl. S. 109) beseitigt. Die sonstigen Beschränkungen des Vertrages vom 8. Juli 1867 sind jedo in Kraft geblieben und, soweit sie die Abgaben von Bier, Essig und Malz he- treffen, dur § 44 des Reichsgeseßes wegen Erhebung der Brausteuer vom 31. Mai 1872 (N.-G.-Bl. S. 153) ausdrücklich bestätigt.

Außer den Verbrauchsabgaben kommen als indirecte Abgaben für die Landgemeinden hauptsächlich in Betrabt die Hundesteuer, deren Erbebung dur § 15 den Landgemeinden der Provinz SchleS8wig- Holstein ermöglicht wird, und die Lustbarkeitsabgaben.

Abgesehen von den in den Neichsgesezen und in besonderen preußischen Geseßen enthaltenen Vorschriften, ist die Einführung indirecter Gemeindeabgaben, sofern diese nur mit den allgemeinen im preußischen Staat geltenden Besteuerungsgrundsäßen im Einklang steben, vorbehaltlich der Bestätigung der Aufsichtsbehörden L. 16, 19 in das freie Ermessen der Gemeinden gestellt.

2) Abgabepflicht ; Befreiungen.

Die indirecten Gemeindeabgaben werden anläßlich der die Abgabe- vfliht begründenden Vorgänge oder Zustände im Anschluß an diese und ohne NRücksicht auf die Person des Pflichtigen erhoben. Es besteht nur die in § 32 vorgesehene Befreiung bezüglih der Militärspeiseeinrihtungen und ähnlicher Militäranstalten. Zu ihrer Erläuterung wird verwiesen auf § 11 der Verordnung vom 25. September 1867 (Geseßz-Samml. S. 1648) und die Aller- böchsten Cabinets-Ordres vom 12. August 1824 (von Kampt, Ann. S. 1200), vom 13. Februar 1836 (a. a. O. S. 151), die Ministerial- Erlasse vom 28. Oktober 1824 (a. a. O. S. 1201), vom 7. Februar 1825 (a. a. O. S. 270), vom 6. März 1825 (a. a. O. S. 270) und vom 12. Mai 1837 (a. a. O. S. 452). Außerdem gilt für die Hunde- steuer der Militärpersonen die Bestimmung in Nr. 7 der Aller- höchsten Cabinets-Ordre vom 29. April 1829 (von Kamp, Ann. X11, S. 354).

VII. Gemeindegebühren.

1) Gebühren und den Gebühren verwandte Abgaben. 1

Die Gebührenerhebung der Landgemcinden regelt § 17. Derselbe bezeichnet als „Gebühr“ ein von der Gemeinde erhobenes Entgelt für die Benußung der von ihr zu öffentlichen Zwecken bereit gehal- tenen Einrichtungen und Anstalten und der von ihr gewährten Leistungen. Die Landgemeindeordnung trifft für die Bemefsung solcher Gebühren keinerlei weitere Anordnungen; sie bebt aber au die Be- shränkungen, welche sih aus dem allgemeinen Staatséinteresse ergeben, oter welche in anderen besonderen Geseßen ausgesprochen find, nicht

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

1892.

Berlin, Sonnabend, den 6. August

auf. Solche bes{ränkenden Bestimmungen finden sich z. B. für Schlachthauégebühren im-§ v des Gesetzes, betreffend die Errichtung öffentliher Schlachthäuser, vom 18. März 1868 (Gesez-Sanml. S. 277), für Marktstandëgebühren im § 2 des Gesetzes, betreffend die Erhebung von Marktstandsgeld, voin 26. April 1872 (Geseß- Samml. S. 513), für Brücken-, Wege-, Fähr- und Hafengelder im Artikel 22 des Zollvereinigungsvertrages vom 8. Juli 1867 (B.-G.-Bl. S. 81).

Den Gebübren verwandt sind die im § 72 vorgesehenen Abgaben für die Theilnahme an den Gemeindenußzungen (Eiukaufsgelder) und die Beiträge, welche auf Grund des § 15 des Gesetzes, betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Pläßen, vom 2. Juli 1875 (Gescß-Samml. S. 561) vor den Unternehmern der Straßen- anlagen oder den an eine neue Straße angrenzenden Eigenthümern für die Freilegung und Einrichtung der Straße zu leisten sind. -

Die Gebühren sind von allen zu entrichten, welche die gebühren- pflichtigen Einrichtungen, Anstalten und Leistungen der Landgemeinden in Anspruch nehmen.

2) Privatrechtlihe Beiträge an die Gemeinde.

Nicht zu den Gebühren gehören folche Geldleistungen, welche zwar auch ein Entgelt für gewisse Nußungen und Genüsse darstellen, aber nicht auf öffentlih-rechtlicher Grundlage „ruhen, sondern auf cin rein vprivatrechtlihes Verhältniß zurückzuführen find, wie z. B. die Kur- taxen und Musikbeiträge, welche seitens der cine Badeanstalt unter- haltenden Gemeinden von ihren Besuchern -in derselben Weise ge- fordert werden, wie sie ein Privatmann als Besißer der Badeanstalt fordern könnte.

VIIT. Gemeindedien ste. 1) Hand- und Spanndienste.

Die Landgemeindeordnung kennt, entsprechend dem bisherigen Zu-

stande, Hand- und Spanndienste. Eine Beschränkung der Gemeinde-

zwede, für welche solWe Hand- und Spanndienste erfordert werden können, besteht niht. Dagegen folgt aus § 18 Abs. 1, daß eine Verbindlichkeit der Pflichtigen zur Leistung von Gemeindediensten unbeschadet der Bestimmungen im § 147 Abs. 1 überhaypt nur in denjenigen Land- gemeinden besteht, in denen eine solche Verpflichtung durch Gemeinde- beschluß eingeführt wird; ein fsolher Beschluß betrifft das Gemeinde- verfassungsreht und ist demnach als cine statutarishe Anordnung an- zusehen, welche nah § 6 Abs. 2 der Genehmigung des Kreisausschusses bedarf.

Bei den Bestimmungen über Verpflihtungen der Gemeinden, welhe Dritten gegenüber dur) Hand- und Spanndienste zu erfüllen find, behält es fein Bewenden.

2) Leistung in Natur oder nah dem Geldwerth. i;

Eine Unterscheidung hinsichtlich der Leistung der Gemeindedienste besteht zunächst insofern, als dieselben nah dem Beschlusse der Ge- meinde entweder in Natur oder ibrem abzus{ätenden Geldwert he nach zu leisten sind. Wird die Leistung in Geld als Negel ède- lossen, so handelt es sich um eine der Genehmigung d reis- auéshusses bedürfende \tatutaris{e Anordnung 18 Abs. 2).

3) Gemeindedienstpfliht: Befreiungen.

Im Falle der Naturalleistung sind gleihmäßig handdienst- pflichtig alle diejenigen, welche“ directe Gemeindeabgaben zu entrichten haben (f. B I 1), eins{ließlih der etwa wegen eines niht mehr als 900 M betragenden Einkommens freigelassenen Gemeindeabgabepflich- tigen, \pann dien stpflihtig dagegen unter diesen nur die gespann- haltenden Grundbesitzer, und zwar nah dem Verhältnisse der Anzahl der Zugthiere, welhe die Bewirthshaftung ihres Grundeigenthums erfordert. Das Nähere bestimmt §18 Abs. 3, 4 und 8. Nach Abs. 7 Éonnen die Naturaldienste mit Ausnahme von Nothfällen durch taug- liche Stellvertreter geleistet werden. l:

Im Falle der G e ldleistung sind dienstpflichtig alle zur Leistung von directen Gemeindeabgaben Verpflichteten nah näherer Bestimmung n SIS A S ur 6:

Wegen der Befreiung der Geistlihen, Volkss{ullehrer, Kirchen- diener, Beamten und Militärpecsonen von dem Gemeindedtenste ent- halten §§ 29, 30 die näheren Bestimmungen.

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1X. Feststellung der Abgaben, Gebühren und Dienste Ñ und des Maßstabs im allgemeinen. 1) durch Gemeindeumlageordnungen.

Nach § 20 Éönnen die Landgemeinden über die Aufbringung der Gemeindeabgaben und Dienste Gemeindeumlageordnungen beschließen. Unter „Gemeindeumlageordnung“ versteht das Gese etne umfassende, auf die Dauer berechnete Regelung der zu leistenden Abgaben und Dienste; eine solhe Regelung ergeht zur Ergänzung des objectiven Nechts im Wege der Selbstgesctzgebung (Autonomie) und steht im Gegensatz zu den auf die Abgaben und Dienste bezüglichen, im Wege der Selbstoerwaltung ergehenden Einzelbeschlüssen. Gemeindeumlage- ordnungen gehören demnach fotmell zu den Statuten 6) und be- dürfen dementsprehend wie § 20 ausdrücklih hervorhebt der Genehmigung des Kreisausschusses. Sie bieten den Vortheil, daß sie einen dauernden, dem wiederholten Interessenkampfe entrückten, allseitig erwogenen und vom Kreisauëshuß nachgeprüften Nechts- zustand schaffen, welcher so lange “gilt, als er nit auf demselben Wege aufgehoben oder abgeändert ist. Außerdem kommt in Betracht, daß die Umlageordnungen geeignet sind, über die dem Abgabe- und Dienstpflichtigen obliegenden Erklärungen, betreffend Ab- und Zugang, Steuerquellen, steuerlihe Vorgänge u. a., nähere Vor- schriften zu geben, und daß das Geseß gestattet, gegen Zuwiderhand- lungen Ordnungéstrafen bis 10 # in den Umlageordnungen anzu- drohen, was die Durchführung derselben sichert und erleichtert. Die verwirkten Ordnungsstrafen sind vom Gemeinde-Vorsteber einzuziehen.

Menn die Einrichtung der Umlageordnungen wesentlich darauf be- rechnet ift, das Abgaben- und Dienstewesen in der Gemeinde er- \{öpfend und gleichzeitig zu regeln, so {ließt dies doh nicht aus, ibren Inhalt auf einen Theil desselben, z. B. auf die indirecten .Ab- gaben oder die Gemeindedienste, zu beshränken und den übrigen Theil besonderen Umlageordnungen oder besonderer Beschlußfassung zu über- lassen. Den Charakter einer Umlageordnung haben au die auf die Dauer berechneten Festseßungen der Gemeinde, betreffend die Er- hebungen von Gebühren 17). 2

Gegen den die Genehmigung einer Umlageordnung betreffenden Beschluß des Kreisaus\chusses steht nah der allgemeinen Regel die Beschwerde an den Bezirksausschuß ofen. Gegen den auf Beschwerde ergebenden Beschluß des Bezirksausschusses steht, abweichend von der allgemeinen Regel, dem Vorsißenden aus Gründen des öffentlichen Interesses noh die Einlegung der weiteren Beschwerde an die Minister des Innern und der Finanzen nah Maßgabe des § 123 des Landes- verwaltungégesetzes ofen 19 Abs. 1, § 20). ] :

Werten durch cine ÜUmlageordnung besondere (d. h. nit dem Zusthlagssystem entsprechende) directe oder indirecte Gemeindeabgaben neu eingeführt oder in ihren Grundsäßen verändert, so_ist zu dem Ge- nehmigungsbes{chluß die Zustimmung der Minister des Innern und der Finanzen einzuholen 19 Absatz 2, § 20).

Ein Zwang zur Einführung der Umlageordnungen besteht nicht. .

s wird jedoch den Aufsichtsbehörden empfohlen, die Gemeinden über die Vortheile solher Ordnungen zu belehren, sie zu deren Erlaß an- zuregen und ihnen zu diesem Zweck durch Anleitung behilflih zu sein. Bei der Beschlußfassung des Kreisausschusses und des Bezirksaus- {usses wegen Genehmigung von Gemeindeumlageordnungen haben die Vorsitzenden forgfältig darauf zu achten und dahin zu wirken, daß

die Bestimmungen dieser Ordnungen dem Gesetze, der Gerechtigkeit und dem Bedürfnisse entsprechen, und gegen ungeeignete Beschlüsse fofort die obenbezethneten Nechtêmittel cinzulegen.

2) durh Einzelbeschlüfse.

Insoweit eine dauernde Festsetzung durch eine Gemeindeumlage- ordnung nicht getroffen i}, verordnet das Geseß in Betreff der directen Gemeindeabgaben (vom Einkommen, vom Grundbesiß und vom Gewerbebetrieb), daß die Gemeinde hierüber für das einze Steuerjahr welches in Gemäßheit des Geseßes vom 29, Juni 1876 (Geseßz-Samml. S. 177) zweckmäßig auf den 1. April bis 31. März zu bestimmen ift innerhalb der drei ersten Monate desselben Beschluß zu fassen hat 21 Abs. Y. Inwieweit ein solcher Beschluß zu sciner Gültigkeit der Genehmigung des Kreisaus\husses bedarf, erbellt aus § 16. In Betreff dér B sck{werde gegen den auf die Genehmigung bezüglichen Beschluf der unter Umständen erforderlichen Zustimmung der Minister gil oben bezüglich der Umlageordnung Erörterte 19).

Kommt dieser Vorschrift entsprechend ein gültiger Beschluß in Betreff er directen Gemeindeabgaben innerhalb der drei ersten Monate des Steuerjahres nicht zu stande, so ist fr das erste Steuerjabr der Bedarf

r Gemeinde dergestalt durch Zuschläge zu den directen S steuern aufzubringen, daß der Pxrocentsaß des Zuschlags zur Gru und Gebäudesteuer und zu den drei obersten Klassen der Gewerbe- steuer die Hälfte des Preocentsaßes des Zuschlags zur Staatseinkommen- steuer beträgt 21 Abs. 2), die vier’e Klasse der Gewerbesteuer und die Betriebsabgaben 59 des Gewerbesteuergeseßes vom 24. Juni 1891) aber frei bleiben. Für die nachfolgenden Steuerjahre gilt, wenn innerhalb der ersten drei Monate ein neuer gültiger Beschluß nicht zu Stande kommt, der Maßstab des Vorjahres, mag dieser auf einem Gemeindebeschlusse beruhen oder niht 21 Abs. 3).

Was die indirecten Abgaben betrifft, so wird es kaum vor- fommen, daß bei dem Fehlen einer darauf bezüglichen, für die Dauer berechneten Ümlageordnung die Erhebung von indirecten Abgaben für einen einzelnen Fall oder für ein einzelnes Steuerjahr beschlossen wird. Sollte es dennoch vorkommen, fo bedarf der s Genehmigung des Kreisausshusses nach § 16 Nr. 4. zulässigen Beschwerde und der erforderlichen Zustimmung zilt das oben in Betreff der Umlageordnung Erörterte 19). :

Einzelbeschlüsse in Betreff der Erhebung von Gebühren be- dürfen der Genehmigung des Kreitausschusses gemäß § 17.

Inwiefern bei dem Fehlen einer bezüglihen Umlageordnung die Gemeindebeshlüsse in Betreff der Art und Weise der Leistung der Gemeindedienste und ihrer Vertheilung auf die Pflichtigen der Ge- rehaigung des Kreisausshufses bedürfen, erhellt aus § 18 Abf. 2 und 6. Wegen der Beschwerde gilt das oben in Betreff der Umlage-

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ordnungen Erörterte 19 Abs.

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X. Feéststel ( “Unten Lei gen: Bebännts- machung, Zc gster Be ibung, Rechtsmittel.

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Die Feststellung der einzelnen Leistungen (Abgaben, Gebühren, Dienste) ist nach Maßgabe der Gemeindeitinlageordnungen, der Gemeindebes{blüsse oder nach d@n hilfsweise zur Anwendung ge- langenden geseßlihen Maßstabe durch den Gemeinde-Borsteher oder, wo ihm dies Geschäft übertragen ist, den Gemeindevorstand zu be- wirken 88 Nr. 8). /

Für diese Feststelluig sind, namentlich was die directen Ge- meindeabgaben betrifft, die eingehenden Vorschriften des § 33 wegen des Beginnes und Erlöschens der Abgabepflicht zu beachten.

2) Bekanntmachung.

Sodann hat der Gemeinde-Vorsteher in Betreff der directen Gemeindeabgaben auch für die gehörige Bekanntmachung der Leistungen an die Pflichtigen Sorge zu tragen. Dieselbe ist je nach befonderen Vorschriften des § 34 dur ortsübliche Bekannt- machung der zur Erhebung gelangenden Zuschlagsprocentsäße, durch Auslegung der Hebeliste während eines Zeitraums von zwei Wochen nach ortéübliher Bekanntmachung des Beginns und Endes der Aus- legefrist und näherer Bezeichnung der zur Auélegung bestimmten Näume oder durch besondere Mittheilung an die Pflichtigen zu bewirken.

Eine Offenlegung von Hebelisten, aus denen die von den ein- zelnen Pflichtigen zu entrichtenden Staatseinkommensteuerbeträge ersichtlich sind, darf nicht stattfinden.

Zu den Gemeindediensten werden die Pflichtigen durch ortsübliche Bekanntmachung oder besondere Mittheilung aufgefordert.

3) Zahlungstermin.

Die Zahlung der directen Gemeindeabgaben hat nach erfolgter Bekanntmachung in den ersten aht Tagen cines jeden Monats und, sofern die Erhebung in mehrmonatlichen Raten durch Gemeindebeschluß angeordnet wird, in den ersten aht Tagen des Hebemonats zu erfolgen ; durch Gemeindebeschluß kann. für jeden Hebemonat ein bestimmter Steuererhebungstag festgeseßt werden; Vorausbezahlung bis zum ganzen Jabresbetrage ist zulassig 35).

Hinsichtlich der indirecten Abgaben, der Gebühren und Dienste be- durfte es in den vorstehenden Beziehungen feiner besonderen geseßlichen Vorschriften. Hinsichtlih der in Natur zu leistenden Dienste if ver- ordnet, daß, sobald der Pflichtige säumig ist, der Gemeinde-Vorsteher die Dienste durch Dritte leisten lajsen und die dadur entstehenden Kosien von den Pflichtigen fordern fann 36 Abs. 2); “der § 132 des Landesverwaltungsgesetzes findet hier, da es sih nicht um einen Act der allgemeinen Landesverwaltung handelt, keine Anwendung.

4) Beitreibung. :

Alle Abgaben, Gebühren, in Geld zu leistende Dienste und nah Leistung durch einen Dritten in eine Geldshuld umgewandelte Dienste sind im Nichtzahlungsfalle dur den Gemeinde-Vorsteher imVerwaltungs- zwangsverfahren nach der Verordnung vom 7. September 1879 beizu- treiben 36). Auf andere Forderungen, welche der Gemeinde auf Grund eines privatrehtlihen Titels zustehen, findet das Verwaltungs- zwangsverfahren keine Anwendung.

5) Rechtsmittel.

Fn Betreff aller dieser Lasten ist ein Rechtsmittel zuläsfig, weldhes bei dem Gemeinde-Vorsteher anzubringen ist, und worüber derselbe zu beschließen hat. Die Landgemeindeordnung bezeichnet dieses Rechtsmittel in § 38 im wörtlihen Anschluß an die Ausdrucktweife in § 34 des Zuständigkeitsgeseßes als „Beschwerden und Einsprüche, betreffend die Heranziehung oder die Veranlagung zu den Gemeinde- lasten“; eine Ünterscheidung von Bedeutung hat indessen hierdurch für das im allgemeinen als „Beschwerde“ bezeichnete einheitliche Rechtsmittel nicht aufgestellt werden sollen. Für die Anbringung des Nechtsmittels bei dem Gemeinde-Vorsteher sind in Betreff der G e- meindeabgaben Fristen vorgeschrieben. Die Frist beträgt für die directen Abgaben drei Monate von erfolgter Bekanntmachung ab, für den Anspruch auf Zurüczahlung zu viel erhobener indirecter Gemeindeabgaben ein Jahr vom Tage der Versteuerung ab 37).

Der Gemeinde-Vorsteher hat über die Beschwerde zu beschließen und einen Bescheid zu ertheilen. Gegen diesen Bescheid ist binnen zwei Wochen nach der Zustellung, für deren Beurkundung in jedem Falle Sorge zu tragen ist, die Klage an den Kreigauss{chuß zulässig; gegen die Entscheidung des Kreisaus]schusses ist die Berufung an den Bezirks- aus\chuß, gegen dessen Entscheidung die Revision an das Ober-Ver- waltungsgeriht zulässig (§§ 38, 144: S8 82 ff., 93 ff. des Landes- verwaltungsgeseßes). Die Rechtsmittel haben keine aufschiebende

Wirkung 38 Abs. 5).

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