1892 / 191 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Aug 1892 18:00:01 GMT) scan diff

der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des: „Reichs-

und taats-Anzeigers“ wird das Gesetz: über Kleinbahnen j

und Privatanshlußbahnen vom 28. Juli 1892 ver- öffentlicht.

Angekommen:

Seine Excellenz der Minister des Königlichen Hauses von Wedell, vom Urlaub; = L y

Seine Excellenz der Staats- und Kriegs-Minister, General- Heueant Sh Kaltenborn-Stachau, aus der Schweiz.

Abgereist:

Seine Excellenz der Staats- und Finanz-Minister Dr. Miquel, nah dem Harz;

Seine Excellenz der Staats-Minister und Minifter der öffentlihen Arbeiten Thielen, nah Tirol;

der Präsident der Hauptverwaltung der Staatsschulden von Hoffmann, nah Helgoland;

der Ministerial-Director im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten, Wirkliche Geheime Ober-Regierungs-Rath Dr. Kuegler, nah Tarasp.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 15. August.

Jhre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin wohnten gestern Vormittag einem von dem Hofprediger Wendlandt in der Orangerie geha Gottesdienst bei.

Heute früh um 7 Uhr begaben Sih Seine Mazestät vom Marmorpalais zu Pferde nach dem Bornstedter Felde, wohnten dort zunächst den Uebungen der Garde-Cavallerie- Brigade bei und führten sodann Allerhöchstselbst Exercitien und Gefechtsevolutionen im Divisionsverbande aus. Um 111/94 Uhr nach dem Marmorpalais zurück- gekehrt, empfingen Seine Majestät Seine Durh- auht den Fürsten zu Stolberg, den Chef des Geheimen Civilcabinets von Lucanus und den Präsidenten des Evan- gelishen Ober-Kirchenraths Barkhausen zu gemeinsamem Vortrag und nahmen im Anschluß hieran die regelmäßigen Marinevorträge entgegen.

Am 17. August, Vormittags 111/4 Uhr, findet im hiesigen Königlichen Schlosse die feierlihe Nagelung und Weihe und daran anschließend im Lustgarten die Uebergabe der dem Füsilier-Bataillon 3. Garde-Regiments z. F. zu verleihenden neuen Fahne statt.

Der Kaiserlihe Botschafter am österreichish-ungarischen Hofe Prinz Reuß ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Ürlaub nah Wien zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen.

Der Gouverneur von Mainz, General der Jnfanterie von Reibniß ist mit Urlaub hier eingetroffen.

Der Commandeur der 1. Garde-Jnfanterie- Division, General-Lieutenant von Holleben, der Chef der Landes- Aufnahme, General-Lieutenant Schreiber und der Director des Waffen-Departements im Kriegs-Ministerium, General- Lieutenant Müller sind nah Berlin zurückgekehrt.

Der Königlich bayerische Gesandte am hiesigen Aller- höchsten Hofe teh von Lerchenfeld-Köfering ist vom Urlaub zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Wirklihe Geheime Ober - Regierungs-Rath Dr. Schneider im Ministerium der geistlihen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten ist aus der Schweiz angekommen.

S. M. Kreuzer-Corvette „Alexandrine“, Commandant Capitän zur See von Franßzßius, ist am 13. August in Shanghai l und beabsichtigt, am 21. August von dort aus die Reise fortzuseßen.

Schweidniß, 13. August. Seine Königliche Hoheit Prinz Albrecht von Preußen, Regent von Braunschweig, trifft, wie die Schweidnißer „Täglihe Rundschau“ berichtet, am Mittwoch, 17. d. M., zum Besuch der hiesigen Jn- dustrie- und Gewerbe-Ausstellung hier ein.

Nienburg, 13. August. Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Oldenburg, der gestern Abend hier eintraf, hatte, wie dem „Hann. Cour.“ gemeldet wird, heute bei der Besichtigung der 19. Cavallerie-Brigade das Unglück zu stürzen und sih eine leihte Quetshung des Rückens zu- «zuziehen.

Vayernu.

Seine Königliche Hoheit der Prinz Christian zu Schleswig-Holstein ist zum Kurgebrauhch in Kissingen eingetroffen. j

Der commandirende General des II. bayerishen Armee- Corps, General der Jnfanterie von Parseval begeht morgen sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum. 1827 geboren, trat General von arseval am 17. August 1845 aus dem Cadetten-Corps als Junker in die Armee und Wurde „am 29. Dliober 1820 «General der. Zl “fanterie. Mit Einrehnung von drei Kriegsjahren zählt er 50 Dienstjahre. Den Feldzug 1870/71 gegen Frankreich “machte er als Generalstabs-Officier im Stabe des 1. Bayerischen E Ss mit und wurde mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse

ecorirt.

Schwarzburg-Sondershausen. Sondershausen, 13. August. Der Landtag hat, wie das „Reg.- u. Nachr.-Bl.“ mittheilt, in seiner gestrigen Sitzung das zwischen dem Ministerium und dem Bergwerks-

Unternehmer H: L. Brügman aus Yrünninghausen beï Dort- mund’ am 26: Juli 1: abgeshlo Uebereinkommen über die Ausbeutung der Kalisalzkager bei Sondershausen einftimmig angenommen. ' i

Großbritaunien und Frland.

Die englischen Blätter bringen die mannigfacsten einander widersprechenden Vermuthungen über diezu erwartende Zusammen- sezung des neuen Cabinets. Soviel erscheint jedoch ficher, daß es Gladstone niht möglih fein wird, der Königin bei seinem bevorstehenden Besuch in Osborne son die voll- ständige Liste seines Ministeriums zu unterbreiten. Da Lord Rosebery sih aufs Land begeben und an den Besprechungen, welche die Führer der liberalen Partei vorgestern und gestern gepflogen, nicht theilgenommen hat, so ist in London das Ge- rücht verbreitet, er werde in das neue Ministerium nicht ein- treten. Die Beseßung der Hauptposten wird, wie man an- nimmt, noch vor dem 18. August bekannt gemacht werden, da am Donnerstag die nöthigen Ersaßwahlen für die neuen Minister ausgeschrieben werden follen. Gladstone will an demselben Tage nah Hawarden gehen; cine Vertagung des Parlaments ist daher nicht vor dem 20. oder 22. August zu érwarten. i : : |

Die „Arbeiterpartei“, welhe jeßt im Schoße- der liberalen Partei in der Bildung begriffen ist, dürfte nah der Schäßung des „Standard“ etwa 100 bis 120 Mitglieder ählen. Wie das genannte Blatt erfährt, wird sih die Partei nicht verpflichten, bestimmte Vorlagen durchzuführen, sondern ihr Hauptzweck wird nur der sein, dafür zu sorgen, daß die Arbeiterfragen niht auf unbestimmte Zeit wegen anderer Punkte des Gladstone’shen Programms verschoben werden. Die Mitglieder wollen der Homerule den ersten Plaß einräumen, wünschen aber nicht, daß die irische Frage die Zeit des jezigen Parlaments monopolisire. Der Arbeiter-Abgeord- nete Keir-Hardie hat in der Donnerstags-Sizung des Parlaments ein Amendement zur Adresse eingereiht, worin er beantragt, eine Herbsttagung zur Berathung von Arbeiter- fragen abzuhalten.

Frankreich.

Der Präsident Carnot hat nah dem „Temps“ an den König von Griechenland folgendes Telegramm nah Aix- les-Bains gesandt: E

„Ich lege Werth darauf, Eurer Majestät bei Jhrer Ankunft in Frankreih meinen Willkommgruß zu entbieten, und hoffe, daß Sie von dem abermaligen Aufenthalt in Aix-les-Bains befriedigt fein werden. Jch freue mich darüber, daß mir die Gelegenheit geboten ist, die Versicherung meiner Gefühle aufrichtiger Freundschaft zu Eurer Majestät erneuern zu können.“ i i A S

Der Präsident der Republik wird am 16. September bei Montmorillon die Shlußparade über das IX. und XITI. Armee-Corps abhalten, die En Poitiers undLimoges in diesem Jahre große Manöver haben. Der Kriegs- und der Marine-Minister, der Chef des Großen Generalstabs, General de Miribel, und die ausländischen Offiziere werden sih dem Präsi- denten Carnot anschließen. General Cook, Mitglied des Ober- Kriegsraths, wird die beiden von den Generalen Villain und de Launay befchligten Corps vorführen. An den Manövern nehmen auch die beiden aus dem VIIT. und XII. Corps gebildeten Cavallerie-Divisionen und die beiden gemischten Divisionen der Territorial-Armee theil. E |

Die „Tablettes des deux Charentes“ äußern sih über die Flottenmanöver im Mittelmeer folgendermaßen:

„Der erste Theil der Manöver bestand in der Aufgabe, alle zwischen Nizza und Marseille gelegenen Häfen zu bombardiren und zu zerstören. Der Hauptangriff richtete sih auf Toulon, Marseille, „die Semaphoren und die neben dem Ufer herlaufende Eisenbahn. Das Programm wurde genau durchgeführt; jedes Fort wurde zusammen- geschossen, die Besaßungen der Torpedoboote landeten und sprengten alle Eifenbahnübergänge und alle Semaphoren wurden zerstört. Das alles würde niht viel Mühe gemacht haben, wenn die Torpedoboote des Gegners nit gewesen wären: der Jean Bart wurde viermal, der Sfar viermal, das Admiralshif einmal und zwei andere Panzerschiffe je zweimal „torpillirt“. Die Torpedoschiffe erfüllten vollständig thre Aufgabe, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß in Kriegszeiten diese kleinen Schiffe die Herren der Küste sein werden. Nur die {nellen Kreuzer scheinen befähigt, ihrem Angriff zuvorzukomnien.“

JFtalien.

In Rom hat am Sonnabend eine Versammlung von Delegirten mehrerer demokratisher Vereine statt- gefunden, in welcher, wie „W. T. B.“ meldet, eine Tages- ordnung zur Annahme gelangte, der zufolge das Volk auf- gefordert werden soll, die Agitation zur Abschaffung der Garantiegeseze und des ersten Artikels der Verfassung („Der Katholicismus is die Staatsreligion““) wiederaufzunehmen. Der römische Gemeinderath foll ersucht werden, den Elementar- unterricht vollständig zu verweltlichen. i /

Der „Osseratore Romano“ ist wegen eines Artikels, welcher verschiedene in der Staatsverfassung begründete Ein- rihtungen angreift, gestern Nacht beshlagnahmt worden.

Rumänien.

Das provisorishe englisch-rumänishe Handels- übereinkommen ist am 13. d. M. unterzeihnet worden ; beide Staaten gestehen sih die Vortheile der meistbegünstigten Nation zu. Das Uebereinkommen ist auf unbestimmte Dauer mit einjähriger Kündigung geschlossen.

Bulgarien.

Die „Agence Balcanique“ verbreitet folgende Meldung aus Konstantinopel:

Dem bulgarischen Minister-Präsidenten Stambulow war bei seiner ‘Ankunft am Freitag früh ein höherer Hafenbeamter bis Buyukdere entgegengefahren, wo der Minister-Präsident das Schiff ver- ließ und durh den Secretär des Sultans begrüßt wurde. Stambulow wohnte sodann der Ceremonie des Selamlif bei und wurde um 4 Uhr Nachmittags von dem Sultan in Gegenwart des bulgarischen Agenten in Privataudienz empfangen. Der Empfang dauerte eine halbe Stunde und war ein sehr herzlicher. Der Sultan bealückwünschte den Minister-Präsidenten zu der Art, in welcher er die Angelegenheiten Bulgariens verwalte und leite. Er erklärte, daß er großes Interesse für das Fürstenthum bege, und empfahl Stambulow, seinen Rathschlägen zu folgen. Die Anerkennung des Prinzen Ferdinand werde er aussprehen, wenn der günstige Augenblick dazu gekommén sei. Stambulow dankte dem Sultan und versicherte, seinen Rathschlägen gemäß handeln zu wollen ; denn das bulgarishe Volk sei überzeugt, daß -. seine Interessen mit denen der Türkei innig verknüpft seien. Die Anerkennung des Prinzen Ferdinand, den das Volk von Herzen liebe und in jeder Beziehung bodsdbthe. überlasse er der Entscheidung des Sultans. Der Sultan sprah den Wunsch ‘aus, das bulgarische Volk möge bei feiner Liebe zum Prinzen Ferdinand verharren. Bei der Verabschiedung überreichte der Sultan Stambulow eine mit Diamanten reich beseßte Tabak-

dose und sagte, es_ werde: wohl bald der Aagenblick kommen, wo er Stambulow eigenhändig: einen hohen Orden überreihen werde. Nach der, Audienz machte mbuülow dem M gamen Exarchen einen Besuch. Auf Kaiferlihen Befehl gab der Groß-Vezter am Frei- tag Abend Stambulow zu Ehren: ein Diner und- unterhielt si bet dieser Gelegenheit lange Zeit mit ihm. Am Sonnabend Abend kehrte Stambulow mittels Sonderzugs nah Sofia zurü. Amerika.

Jn Boston wurde am 11. d. M. der „Marblehead“, der elfte Krenzer, welcher füx die Marine der Vereinigten Staaten gebaut worden ist, vom Stapel gelassen. Das Schiff hat eine Länge von 257 Fuß, eine Breite von 37 Fuß und legt 18 Knoten in der Stunde zurü. E.

Ueber den Aufstand in Venezuela hat der „New- York Herald“ Telegramme aus Trinidad erhalten, denen zufolge dic Jusurgenten nah einem blutigen Treffen die Stadt Ciudad Bolivar eingenommen haben. Die Regierungs- truppen sollen in dem Kampf 500 Mann verloren haben, darunter mehrere Generale; au die Aufftändischen hätten be- trächtliche Verluste gehabt, aber keine Generale eingebüßt. Die Einnahme der Stadt sei den Aufständischen durch List gelungen. Sie hätten fih einige Zeit nah Beginn des Kampfes. tn fchein- barer Vermirrung zurückgezogen. Als darauf die Regierungs- truppen ihre Vers@aneitiigen verließen, um den eo zu ver- folgen, seien sie plöglih auf eine Referve der Aufftändischen gestoßen und nach erbittertem Kampfe vollständig aufgerieben worden. Die Aufständischen hätten hierauf Bolivar und Soledad, ohne auf Widerstand zu stoßen, beseßt.

: Afien. Y Ueber die Stellung, welche China zur Pamirfrage einnimmt, wird dem „Reutershen Bureau“ aus Tientsien vom 14. August gemeldet: Jm Tsungli-Yamen erkläre man, über das Vorgehen der Rusfen in Pamir liege ein amtliher Bericht überhaupt nicht vor. Auch gehöre die An- gelegenheit zunächst nicht in den Amtsbereih des Tsungli- amen; sie ressortire zunächst von dem Gouverneur von Thinesish-Turkestan, dem die ganze Verantwortlichkeit dafür obliege. : Nach einer Meldung desselben Bureaus aus Simla vom Sonnabend hätte der Emir von Afghanistan auf den Vorschlag der indischen Regierung, eine Mission zur eter eung der Lage nah Afghanistan zu senden, geant- wortet: Obwohl er eine solhe Mission längst gewünscht habe, könne er doch Ort und Zeit für die Zusammenkunft nicht bestimmen, da er gegenwärtig von dem Aufstande der Hazaras vollauf in Anspruh genommen sei.

Afrika.

Ueber die Vorgänge im Congostaat (vergl. die leßten Nummern d. Bl. unter „Belgien“) hat das „Reuter'she Bureau“ eine aus Sao Paolo de Loanda vom 13. August datirte Depesche erhalten. Danach wären die Truppen des Unabhängigen Congostaats bei Benakamba am Lomani, im Südwesten des Bakuba-Landes, von den Arabern vernichtet und Hodister drei Tage lang gefoltert und dann enthauptet worden; nur zwei Europäer seien entkommen. Als die wahre Ursache des Araberaufstandes. wird dem Brüsseler „Patriote“ in einem mit der leßten Post ein- gegangenen Briefe aus dem Tanganyika-Gebiet der Umstand bezeichnet, daß alle arabishen Häuptlinge in einem von Mekka ausgegangenen Befehl aufgefordert worden seien, gegen die Europäer in Central-Afrika überall den „heiligen Krieg“ zu beginnen. ;

Nach einer aus Tanger in Paris eingegangenen Meldung haben die Truppen des Sultans von Marokko am Sonnabend Morgen die Angheras von neuem angegriffen und in die Flucht getrieben.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Gutsbesizer Kirhammer, Mitglied des Rei hs- tags für den 6. niederbayerishen Wahikreis (Kehlheim), ift am 10. d. M. in Neuhausen gestorben.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Redaction des focialdemokratischen Centralblattes „Vorwärts" richtet an die Parteigenossen einen Aufruf, in dem sie alle Fabrik- arbeiter auffordert, die seit dem 1. April d. J. von den Arbeitgebern eingeführten Arbeitsordnungen zu fammeln. Die gesammelten Arbeitsordnungen sollen, wie in dem gestrigen Leitartikel des Blattes ausgeführt wird, nah einer örtlicben Bearbeitung durch die Gewerkschaften oder Parteiblätter an die Redaction des „Vorwärts“ weitergegeben werden, die sie in S mit dem Parteivorstand einer Schlußbearbeitung unterziehen und alsdann veröffentlichen will, u so „eine Musterkarte der privaten Fabrikgeseßgebung“ zu ¡jefern. : :

In Glauchau findet, wie die „Voss. Ztg.“ mittheilt, Mitte September d. J. ein Congreß der Textilarbeiter und -Ar- beiterinnen Sachsens statt. Auf der Tagesordnung steht neben dem Bericht des Agitations-Comités der Bericht der Delegirten und die Stellungnahme zu den Beschlüssen des Halberstädter Gewerk- \chafts-Congresses.

Aus Solingen wird der „Elb. Ztg.“ unter dem 12. d. M. geschrieben: Auf der im. Bau enes Eisenbahnstrecke NRem- \heid—Solingen strifken die Erdarbeiter bei Feld-Meigen- Windfeln, weil ihnen der Tagelohn von 2,80 4. zu niedrig ift. Nachdem ibnen dann 40 pro Tag mehr bewilligt worden find, E vierzig Mann die Arbeit wieder aufgenommen, ebensoviel stehen noch aus.

In Leipzig wurde einer öffentlichen Versammlung ‘der Buch- druckergehtlfen mitgetheilt, daß der frühere Vorfißende der örtlihen Tarifcommission Leipzigs, der Buchdrucker Schöps8, troß mehrfacher Mahnungen seine Schuld an [die _Tarif- commission niht beglihen und die” an ihn gerichteten Erinnerungen gar nicht beantwortet habe. Die Versammlung beschloß, wie das Chäni, Tgl.“ mittheilt, die Regelung dieser Angelegenheit der Tarifcommission zu übertragen. Weiter wurde über die mangel- hafte Zahlung der Tarifsteuer dur die Gehilfen geklagt und der von den Prin:ipalen neu ausgearbeitete Lohntarif einer abfälligen Be- sprechung unterzogen. : E

In Reichenbach i. Schl. haben, wie aus einer Ankündigung im „Vorwärts“ hervorgeht, 36 Arbeiter einer Cigarrenfabrik am 5. d. M. wegen Lohnkürzung die Arbeit niedergelegt. :

In einer Budapester Mittheilung der „Elbf. Ztg.“ wird aus

B Se über große Feldarbeiterstrikes berichtet. 7H

Der Wiener „N. Fr. Pr.“ wird hierüber geschrieben: Die Feld arbeiter in ginz Slavonien haben während der'Eritezeit die Arbeit eingestellt und sind nit zu bewegen, au gegen doppelten Lohn, die Ar- beit wieder aufzunehmen. Die Grundbesißer erleiden dadurch einen groyent

Schafen, weil die Frucht nicht abgemäht werden kann. Auf ganzen Flächen steht die Weizenfrucht noch in Halmen, und es giebt Orte, wo die Weizenernte, die hon Ende Juni in Angriff genommen wer- den sollte, noch gar nicht begonnen hat. An dieBeilegung des Ausftandes ist nicht so leicht zu denken, zumal von auswärts kein uzug von Feldarbeitern zu erwarten steht. Auf jenen Fluren, wo die Fruht abgemäht wurde, kommen faft jeden Tag Brände vor, da die Arbeiter die aufgehäuften Garben anzünden. Der größte Theil der Oekonomen Slavoniens, deren Saaten zum großen Theile durch die den ganzen Sommer anhal-

„tenden Ueberschwemmungen ohnehin fehr arg geshädigt wurden, ist

nun dur den Ausstand der Feldarbeiter um nahezn die ganze dies- jährige Ernte gekommen. i

us Malmö meldet ein Telegramm des „D. B. H.“: Der vierte skandinavische socialistishe Arbeitercongreß foll hier vom 18. bis 20. d. M. tagen. Unter den Einladenden find tie dänischen Socialistenführer P. Knudsen und I. Jensen. Es find bisher Vertreter für 50 dänische, 10 norwegische und 60 {hwedische Vereine angemeldet worden. Es wird ein harter Kampf zwischen den rg pt und den radicalen Socialisten erwartet.

Aus Paris berichtet ein Wolf’sches Telegramm vom heutigen Tage: Eine etwa 3500 Theilnehmer zählende Versamm- lung der Kutscher aller hiesigen Fuhrwerksgesellschaften bes{chloß nahezu einstimmig, zu \triken. Es wurde die Lofung ausgegeben, heute niht anzufahren. :

Ein vom „Wolff’shen Bureau“ wièdergegebenes Telegramm aus Naf hville (Tennessee) meldet, daß nah dort vorliegenden Nach- rihten Bergarbeiter in Tracy-City, erbittert über die Ver- wendung von Sträflingen in den dortigen Bergwerken, am Sonn- abend das Gebäude, in dem die Sträflinge untergebracht waren, in Brand geseßt haben. Die Sträflinge, 350 an Zahl, seien von den Bergarbeitern in einen Eisenbahnzug über- geführt und die Bahnbeamten durch Drohungen mit dem Revolver gezwungen worden, den Zug nah auswärts abzulassen. ‘Einige Meilen von Tracy City hätten die Sträflinge den Zug in zwei Theile getheilt und zu entfliehen versuht. Hierbei seien zwischen ihnen und den Bahnbeamten Schüsse gewechselt und eine Person ge- tödtet, cine andere verwundet worden. Weitere Meldungen seien noch mi Z is Oen, da die Bergarbeiter die telegraphishen Verbindungen zerstört hätten.

Ueber diè Lage einiger Industrien im Regierungs- bezirk Aachen ‘wird von dort geschrieben :

Die Lage der Eisen-Industrie war im leßten Quartal eine zufriedenstellende; es fehlte niht an Aufträgen, und namentlich die ‘Eisengießereien, Maschinen- und Kesselfabriken haben nicht nur für den Augenblick, sondern auch für die nähsten Monate noch aus- reichende Beschäftigung. Das bedeutende Schienen-Walzwerk Rothe Erde des Aachener Hütten-Actien-Vereins ift infolge erhöhter Nach- frage nah Eisenbahnmaterial für das Ausland in vollem Betriebe.

In der Leder- Industrie is neuerdings eine allgemeine Belebung des Geschäfs zum Ausdruck gekommen. Für die diesjährige Lohernte war die Witterung der leßten Wochen ee günstig und man ist in vollem Umfange mit der Aufarbeitung beschäftigt. Der Preis der Lohe ist niht unbedeutend gesunken, die Qualität soll etwa um 15 9% besser sein als die der Producte der leßten Jahre, sodaß die Fabri- kanten in diesem Jahre mehr Lohe einkaufen und bei dem niedrigen Stande der Wildhäute auf ein gutes Geschäft hoffen können.

Die Lage der Papier - Fabrikation ist augenblicklich eine ziemli gute und der Betrieb fast durchweg ein reger, In den meisten

tablissements nimmt die Zahl der Arbeiter stetig zu.

Arbeiterwohnungen.

Die „Gemeinnützige Baugesellschaft für Aachen und Burtscheid“ hat drei Arbeiterwohnhäuser, mit deren Einrichtung vor Jahresfrist begonnen worden ift, fertig gestellt, und diese sollen nunmehr in Be- nußung genommen werden. Die Häufer enthalten insgesammt 144 Zimmer, welche gegen einen monatlichen Miethépreis von 414 bis 6M für ein Zimmer an Arbeiterfamilien, in erster Linie an solche mit großer Kinderzahl, vermiethet werden sollen.

Handfertigkeits3unterricht.

Der vor vier Jahren in K öln eingeführte Handfertigkeitsunterricht für Knaben erlangt, wenn au langsam, stetig weitere Ausbreitung. Zu Beginn des laufenden Schuljahres wurden zwei neue Werkstätten eröffnet. Um die Erfolge des Unterrichts allgemein zur Anschauung zu bringen und dadur die Eltern anzuregen, auch um die Aus- bildung von Hand und Auge ihrer Kinder bemüht zu sein, hat der Verein für erziehlihe Knabenarbeit eine Ausstellung der in den ver- e Cursen des Unterrichts angefertigten Gegenstände ver- anstaltet.

Kunst und Wissenschaft.

_ Ueber einen neuen und einzig dastehenden Ichthyosaurus- ‘Fund, der geeignet ift, unsere Kenntniß von dieser seltsamen Thier- gruppe, besonders in Beziehung auf ihre äußere Gestalt, wesentlih zu erweitern und umzugestalten, giebt Professor Eberhard raas im „Neuen Irhrbuch für Mine- ralogie 2.“ einen Bericht, dem Folgendes entnommen ist: Das Stück, das aus den unershöpflichen 0 Na der Po- sidonomyenschiefer von Holzmaden bei Kirhheim unter Teck in Württemberg stammt, wurde von dem rührigen Sammler B. Hauff gefunden und auf das sorgfältigste präparirt; von diesem hat es das Königliche Naturaliencabinet in Stuttgart Ende Juni erworben. Das Petrefact stellt einen Ichthyosaurus der gewöhnlichen Art (J. quadriscissus) von 1,10 m Länge in fsfeitliher Lage dar. Wie gewöhnli is das Skelett vollständig im Zusammenhang ge- blieben, wenn auch flach gepreßt. Das Neue an dem Funde aber liegt darin, daß außer dem Skelett noch Bestandtheile der Haut und des Fleisches erhalten sind, die als dünne, meist {warz gefärbte Lage auf der Schiefetplatte sichtbar werden. Derartige Hautbestand- theile waren {hon früher gefunden und sind von Professor Fraas untersuht und beschrieben worden, aber -noch niemals lagen sie in einer folhen Vollständigkeit vor. Zunächst fällt auf dem Rücken die mächtige, 0,11 m hohe Rükenflosse auf, die nahezu ein gleichseitizes

Dreieck bildet. Sie war offenbar sehr fleishig, denn sie hinterließ eine

mehrere Millimeter die, mit Schwefelkies imprägnirte Lage, welche sih leiht aus dem Schiefer herausschälte. Hinter der Flosse folgen große Hautlappen auf dem Nücken und Schwanz, die am meisten an die entsprehenden Gebilde mancher Salamander und Reptilien erinnern. Drei dieser Lappen sind wohkerhalten und zeigen gleichmäßig einen unteren {warz gefärbten Theil, der wahrscheinlich ausschließlich aus Fleisch bestand, während der obere Theil bräunlih und glänzend glatt erscheint und offenbar einen festen, viel- leicht aus Hornsubstanz' bestehenden Dorn darstellt, der gleichsam als Reiter auf dem Hautlappen auffaß. Das größte Interesse aber nimmt der Schwanz in Anspruch. Derselbe ersheint nämli als eine mädtige zweilappige Flosse, deren Spannweite am hinteren Ende 0,24 m beträgt. Troßdem diese Flosse lebhaft an die Schwanzflosse eines Fisches erinnert, darf sie doch

nah Fraas mit einer solchen niht verglihen werden. Man

muß vielmehr annehmen, daß sie aus der Verschmelzung einer sehr weit nah hinten gerückten Rüenflosse mit dem lappenförmigen Schwanzende hervorgegangen ist. Hierfür spriht vor allem der Umstand, daß die Wirbelsäule niht vor der Flosse endigt odet nach oben abgebogen ist, sondern \ich gleihmäßig bis zum äußersten Ende des unteren Lappens (dem Schwanzende) erstreckt. Von den beiden paarigen Flossen, die das Thier an Stelle der Vorder- und Hinter- Aiedmaßen trug, ifinen sih die vorderen durch ihre Breite aus. le Hinterflossen haben kaum die halbe Größe der Vorderflofsen. Die Beckengegend zeigt eine starke Entwickelung der Fleisch- theile und andere Cigenthümlihfeiten, die vielleiht damit zusammen- Angen, daß die Ichthyosaurier lebendig gebärende Thiere waren. Die äußere Gestalt des Ichthyosaurus läßt sich nunmehr mit an-

nähernder Sicherheit angeben, und das Bild, das wir uns von dem iere zu haben, ift jeßt ein wefentlich anderes als früber. Aus dem merkwürdigen und den Zweckmäßigkeitsgrundsäßzen der Natur wenig entsprechenden Ungeheuer, -als das es in älteren Darstellungen ersien, ist ein Thier geworden, welches in seiner äußern Gestalt, genau wie im Skelette, oberflählih betrachtet, die größte Aehnlichkeit mit einem Tische aufweist, bei näherer Untersfuhung aber seine aus- gesprochene Reptiliennatur nicht verleugnet. In Edinburg hat in der Woche vom 3. bis 10. August die British Association getagt. Der Schlußrede Lord Kelvin's zu- folge war die diesjährige Zusammenkunft für die Wissenschaft be- sonders erfolgreich und bedeutend. Einer der wichtigsten Beiträge wurde, wie die „Köln. Ztg.“ berichtet, über elektrishe Messungen durch den Wirklichen Geheimen Rath, Professor von Helmholßtz aus Berlin geliefert. Er mahte Mittheilungen über feine Be- mühungen, eine Substanz zu entdecken, die dem elektrishen Strom dauernd Widerstand leistet. Na seinen Beobachtungen leistet Draht einen sehr s{lechten Widerstand, er empfahl daher gewisse Mischungen, besonders Manganin. Die von einem Comité der Affociation be- fürwortete Anwendung einer Quesilbersäule von 14,4521 g als Nichtmaß fand seine Zustimmung, und er beantragte die inter- nationale Einführung derselben. Der berühmte Physiker seßte die große Bedeutung dieser Einführung für praktische - sowohl wie für wissenschaftlihe Zwecke auseinander. Bei Gelegenheit einer Empfangsfeierlihkeit für die ausländischen Gâste in der Universität wurde die Rede des Professors von Helmholtz mit besonderer Begeisterung von den Studenten aufgenommen. Er spra über die große Anzahl schottisher Studenten an deutshen Universitäten, besonders in Heidelberg und Berlin, und empfahl dringend die Einrichtung von Universitäts-Comités, welhe ausländishen Studenten in hilfreicher Weise entgegenkämen und ihnen das Studium an fremden Universitäten erleihterten und verschönten. Er machte ferner die Be- merkung, daß gegenwärtig in Europa nur Kunst und Wissenschaft die Hauptfriedensträger seien und daß eine auf diese Weise hergestellte Verbrüderung der begeisterten Jugend aller Nationen von größtem Segen für den Fortschritt und Frieden der Völfer sein könnte. Der Fürst von Monaco und einige französishe Gäste sprachen sich in gleichem Sinne aus. Ein anderer Deutscher, welcher lebhaften An- theil an den Versammlungen, besonders in der geologishen Abthei- lung, nahm, war Freiherr von Richthofen.

Die Kaiserlich russische Geograpbishe Gesell - schaft hat nah der „Now. Wr.“ eine ganze Reibe von Arbeiten zur Klarstellung der Frage der rationellsten Jrrigation von Stevppengebieten unternommen. Zu diesem Zweck entsandte sie den Ingenieur Hellnzann nah Egypten, Algier, Italien und Frank- rei, wo derselbe einshlägige Studien maht und den Modus der Bewässerung ausfindig machen foll, der sih zur Anwendung in den central-asiatishen Steppengebieten empfiehlt. Ferner wird die Gesell- schaft den Ingenieur Rauner, der inr vorigen Jahre eine der Hell- mann’schen ähnliche Expedition gemacht hatte, in diesem Herbst nah Merw fenden, wo demnächst Bewässerungsarbeiten im Murgab-Bassin beginnen sollen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs8®- , Maßregeln.

Auf dem städtishen Central-Schlachthofe in Berlin sind im Monat Juli cr. 34313 Schw eine gegen 37 537 im Juli v. J. auf Trichinen untersucht werden. Davon sind 14 Stük wegen Trichinen und 88 Stück wegen Finnen als zur mens{chlihen Nahrung ungeeignet zurücgewiesen worden. L

Lemberg, 13. August. Die officielle Landeszeitung erhält aus Warschau die als authentisch bezeihnete Mittheilung, daß in RNussishch-Polen bisher niht ein einziger Cholerafall constatirt worden sei.

S. O, 14. August. In St. Petersburg sind nah amtliher Meldung gestern dreizehn, in Moskau am 11. und 12. d. M. je zwei Personen an der Cholera gestorben. In Nishny-Nowgorod kamen am Freitag neunzehn und in Astrahan vier Cholera-Todesfälle vor; in Baku am 11. August ein Cholera-Todesfall, in Charkow am felben Tage siebzig Cholera-Todesfälle. Eine Abnahme der Epidemie wird aus den Gouvernements Wladimir, Kasan, Kostroma, Poltawa und Nijäfan berichtet.

Verkehrs-Anstalten.

Laut Telegramm aus Aachen ist die zweite englische Post über Ostende vom 13. d. M. ausgeblieben. (rund: Zugverspätung in England.

Bremen, 14. August. (W.T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Werra“ hat am 12. August Abends die Reise von Gibraltar nah New-York fortgesezt. Der Postdampfer „Ohio“, nach Brasilien bestimmt, hat am 12. August Abends St. Vincent passirt. Der Postdampfer „Dresden“, nah New-York bestimmt, hat am 13. August Mittags Lizard passirt. Der Postdampfer „Baltimore“ ist am 13. August Morgens in Antwerpen angekommen. Der Postdampfer „Weser“ hat am 13. August Morgens die Reise von Antwerpen nach Bremen fortgeseßt.

E 14. August. (W. T. B.) Hamburg-Ameri- fanishe Packetfahrt-Actiengefellshaft. Der Postdamvfer „California“ ist, von Hamburg kommend, gestern Abend in New - York eingetroffen.

Triest, 13. August. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Poseidon“" ist heute Nachmittag hier eingetroffen.

London, 13. August. (W. T. B.) Der Castle-Dampfer „Hawarden Castle“ ift beute auf der Ausreise vonSouthamvton abgegangen. Der Castle-Dampfer „Norham Castle“ hat heute auf der Heimreise Plymouth, und der Caîstle - Dampfer „Warwick Castle“ gestern auf der Ausreise die Canarischen Inseln passirt. )

15. August. (W. T. B.) Der Union-Dampfer Ger- man“ ist auf der Ausreise am Sonnabend von Southampton abgegangen.

Theater und Musik.

Friedrich - Wilhelmstädtishes Theater.

Die komische Operette „Prinz Methusalem“ von Johann Strauß, welhe am Sonnabend im Friedrih-Wilhelmstädtischen Theater zur ersten Aufführung kam, war für dasselbe eigentlich feine Novität, denn bereits vor beinahe anderthalb Decennien is das Werk in dem alten Haufe in der Schumannstraße öfter gegeben worden. Das dem heutigen Geshmack wenig mehr zusagende Tertbuch hat man durch allerlei Anspielungen und zum theil sehr derbe Wie localen und actuellen Charakters wieder einigerinaßen genießbar zu machen gesucht. Uin fo E ist die Musik, in der der berühmte Wiener Tanzcomponist mehrere originelle Treffer aufzuweisen hat. Dazu gehören außer dem bekannten Walzerliede des Ceremonien- meisters „Schöner Mai“, den reizvollen Duetten des Prinzen und der Prinzessin : „O, ihr glücklihen Alpenrosen“ und „O, du mein Îdeal“, au mehrere Ensemblescenen, vor allem der wirklich geistvoll erfun- dene Nachehor der Banditen mit dem um sein Honorar betro-

enen Componisten Trombonius, ferner der höchst effectvolle Pif-Paff-Chor der selbs von dem nachfolgenden Knallerbsen- uintett an durhschlagender Wirkung kaum überboten wird. Die Titelrolle wurde von Fräulein Cornelli graziós gespielt und gesungen ; ihr Generalslied mußte sie sogar auf stürmisches Verlangen zweimal wiederholen. Ihre Partnerin in der Roke der Pulcinella, Fräulein Kluge, litt offenbar unter der Befangenheit des ersten Auftretens, die sich in den Duetten öfter nachtheilig. hörbar machte, spielte aber ‘recht zierlih. Die drastishen Chargen der beiden Herzoge Sigismund und Cyprian, sowie der Herzogin Sophistika wurden von den HerrenEwald und Wellhof, sowie Fräulein Schmidt sehr erheiternd

dargestellt. Herr Ewald fand mit dem Vortrage des eingelegten Couplets

vom „Tipferl auf dem J“ noch befonderen Rg Aud AETLROREnE

des Herrn Steiner war ‘eine gute fomif{he Leistung. Das Publikunr

zeigte sih den ganzen Abend über recht animirt und rief, wenn au

vergebli, zu wiederholten Malen nah dem Director, der die Operette

mit Geshmack und Geschick im Rococo-Costüm inscenirt hat. Thomas-Theater.

August Junkermann, der vor einigen Monaten im Belle- Alliance-Theater gastirte, um dem Publikum Friß Reuter'she Ge- stalten auf der ühne zu verkörpern, begann am Sonnabend im Thomas-Theater ein Gastspiel mit einem von ihm selbst zusammen- gestellten Friß Reuter-Ensemble. Er eröffnete den vorgestrigen Abend mit einer kurzen Ansprache in Prosa, in der er den Zweck seiner Aufführungen darlegte. Durch die dialektische Mundart, in der Friß Reutex's Werke geschrieben, seien sie nur einem Bruchtheil des deutschen olfes zugänglih; er wolle dur seine Vorstellungen weitere Kreise mit Reuter's Gestalten bekannt und sie ihnen lieb und werth machen. Junkermann rief mit diesen einleitenden Worten, die E einige launige Reuter-Citate abgeschlossen wurden, lebhaften Beifal! hervor; wenn man feine Bearbeitung und Wiedergabe Regter'scher Werke von diesem Standpunkt aus betrachtet, kann mär* seinem Beginnen wohlwollende Theilnahme nit versagen. Die Kenner der plattdeutshen Mundart werden dur die Uebertragung der epischen und lyrishen Werke Reuter's ins Dramatishe niht befriedigt werden; es geht bei der Umarbeitung ein gutes Theil der Lebens- frishe, der reinen Poefie und des rührenden Humors ver- loren. Wem aber der Urquell von Reuter's Dichtungen vershlofsen ift, der wird immer noch mit Wohlgefallen und frohem Genießen die einfachen, mens{chlich warm und wahr empfindenden Gestalten der Reuter'shen Muse in dieser minder. werthvollen Be- arbeitung an si vorüberziehen lassen. Der Schay an Poesie und Humor ist eben fo reich und groß, daß viel davon fortgenommen werden kann, und daß doch noch genug übrig bleibt, um ein naives Menschenkind zu erfreuen.

Nach dem Prolog trug A. Junkermann einige kleine Gedichte ernsten und scherzhaften Inhalts vor, die jedes Mal zum Shluß dur ein lebendes Bild illustrirt wurden. Der Vortrag zeichnete sih durch Schärfe und Klarheit, durch dramatische Lebendigkeit und behaglihe Laune aus; die gestellten Bilder wurden vom Publikum mit \türmischem Beifall aufgenommen und befestigten den Eindruck, den der Vortrag hervorgebraht hatte. Der Recitation folgte die Aufführung einiger dramatischer Gedichte. „Möller Voß“, der Erzählung „Ut de Franzosentid“ entnommen, erschien am weni sten geschickt bearbeitet. Die Rührseligkeit tritt zu breit an die Stellé der cinfachen, wahren Empfindung, aber Junkermann hat fich darin eine vortrefflihe Rolle zurecht geschnitten, in der er seine E und fein ausgestaltete Kunst, von tiefer Rührung plöglih zur derben Komik überzugehen, breit und an- shaulih entrollen kann. Leider fand fih unter feinen Lens niemand, der ihm im Spiel nur einigermaßen ebeibürtig ist. Stürmische Heiterkeit erregte der Schwank „Du drögst de Pann weg“; die derben handgreiflihhen Zuthaten der Dramatisirung erschienen besonders wirksam. A. Junkermann spielte den grimmigen shnauzbärtigen Schuster mit guter Laune. In dem leßten Schwank wirkte er als Jochen Päsel schon dur seine urkomishe Maske, durh das dumme breite Gesicht mit den vergnügt blinzelnden Aeuglein, die Gutmüthigkeit und Selbstgefälligkeit ausstrablen.

Der Erfolg des zweiten Abends kam äußerlih noch stärker zur Geltung als der des erften. Es gelangte „Onkel Bräfig“ zur Darste u eine der föstlihsten aller Reutergestalten. Mit ihr ist der Bearbeiter am glimpflihsten umgegangen. Der Grund- quell frößliher Laune, der in dieser Gestalt ruht, konnte niht ganz vershüttet werden, er bricht und strahlt überall durh, und fo lange ‘Onkel Bräsig auf der Bühne ift, und niht die Nebenfiguren, so lange herrshte \tets Heiter- keit im Hause. Alle übrige® Personen dienen eben nur zur Ver- mittelung und Ausfüllung. Junkermann's Bräsig ist noch von dem leßten Gastspiel her in gutem Gedächtniß. Behagliche Laune, gut- müthiger Scherz, fast noch Jugendfrishe des Herzens vereinigen Hs in dieser angegrauten, behäbigen und noch immer zu lustigen Streichen aufgelegten Figur. Es ist Schade, daß Junkermann wieder der Einzige ist, der im Reuter-Ensemble wirklich plattdeutsh sprechen kann. Fräulein Schaß als “va Nüßler spielte ganz brav, aber der Dialect wollte ihr niht so glatt, wie es nöthig wäre, über die Lippen fließen. Mit den Leistungen des Fräu- lein Lindner als der gnädigen Frau, und des Herrn Ruhbeck in der Rolle des leihtsinnigen, dem Spiel verfallenen Axel von Ram- bow konnte man zufrieden sein. Auch die Gestalt des alten Moses fand in Herrn Peters einen ganz tüchtigen Darsteller. An Uebertreibung litt die Wiedergabe des Triddelfiß durch Herrn Ferd. Meyer; er entfaltete die Beweglichkeit eines Clowns und fand auch damit öfters Anklang. Als Jochen Nüßler zeigte Herr Robert Guthery eine gute Maske, andere Anforderungen werden an diefe Rolle nicht geftellt.

Das Königliche Schauspiel nimmt seine Thätigkeit Frei tag, den 19. August, wieder auf. An - diesem Tage gelangt „Die Jungfrau von Orleans" zur Darstellung. Am Sonnabend geht in neuer Einstudirung das Lustspiel „Donna Diana“ in Scene, welchem am Sonntag die erste Wiederholung folgt. Die Beseßung ist folgende: Don Diego: Herr Nesper, Donna Diana: Fräulein Poppe, Donna Laura: Frau von Hochenburger, Donna Fenise: Fräulein Lindner, Don Cefar: Herr Matkowsky, Don Luis: Herr Müller, Don Gaston : Herr Herter, Brin: Herr Purschian, Florette: Fräulein Kramm.

_Im Kroll’\chen Theater wird bei der auf Mittwoch angeseßten „Wiederholung der Gounod'’shen Oper „Margarethe“ mit Herrn Emil Göge als „Faust“ die Titelrolle von Fraulein Gadskt gefungen werden. Am Donnerstag findet das erste Auftreten des Herrn Vittorio Edmondi in Verdi's „Maskenball“ statt.

Infolge der andauernden Zugkraft der Posse „Fräulein Feld- webel“ im Adolph Ernst-Theater haben bereits über vierzig auswärtige Bühnen das Stück zur Aufführung erworben. Für München und Wien wird die Posse localisirt, für Shweden und Holland übersetzt.

Hans von Bülow hat vor kurzem einen Brief an Maestro Verdi gerichtet, in welchem er fein vor vielen Jahren über Verdi's Schöpfungen ausgesprochenes Be Urtheil zurücknimmt. Diefer Brief Bülow's hat nach dem „Berl. Fremdenblatt“ folgenden Wort- laut: „Hochverehrter Maestro! Jch bitte Sie, der Beichte eines bekehrten Sünders wohlwollendes Gehör schenken zu wollen. Der Gefertigte hat sich vor achtzehn Jahren ciner publicistischen Unthat gegen den leßten der fünf Könige der modernen italienishen Musik schuldig gemacht; er hat es aber und wie oft tief bereut und sh darüber bittere Vorwürfe gemacht. Als der Unterfertigte jene Unthat beging, welche Sie in Ihrer Groß- herzigkeit wohl längst vergessen haben, befand er sich in einem Zu- stande geistiger Verwirrung. Gestatten Sie, daß ih sofort dieses mildernden Umstandes erwähne: meine Sinne waren von ultra- wagnerianischem Fanatismus geblendet. Sieben Jahre später hat \ih allmählih das Licht der Erkenntniß Bahn gebrohen. Der Fanatismus hat si «gereinigt und ist zum Enthusiasmus geworden. Fanatismus ist trübes Petroleumliht, Enthusiasmus aber hellstrahlende Elektricität! In der intellectuellen moralishen Welt ist Licht gleih- bedeutend mit Gerechtigkeit. Nichts wirkt zerstörcnder als die Un- gerehtigkeit, nihts unerträgliher als Toleranz, wie {hon jener große, edelmüthige Philofoph Giacomo Leopardi fagte. An den Punkt der Erkenntniß gelangt, wie mußte ih mir da Glück wünschen, wie haben sich mir da die künstlerischen Genüsse. des Lebens bereichert! Jh begann mit dem Studium Ihrer leßten Tonwerke „Aïda*, „Othello“ und „Requiem“, wovon letzthin felbst eine {wache Aufführung mi bis zu Thränen gerührt hat. Ih habe diese Werke studirt, nicht nach dem Buchstaben, welcher tödtet, sondern nah dem Geiste, wel

* belebt! Nun, großer Meister, bewundere ih Sie, liebe ih Sie!