1892 / 198 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 23 Aug 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Pläne für diescs Schiff, das den Namen „Morse“ er- hält, sind von dem Jngenieur Roma Zotti angefertigt worden, der auch die Pläne für das Untersee-Boot „Gustave-Zédé“ geliefert hat, das gegenwärtig in Toulon gebaut wird. Der „Morse“ soll größer werden als der „Gymnote“, das erste französische Unter- jee-Boot, aber kleiner als der „Gustave-Zédé“. Jm Marine- Ministerium scheint man überzeugt zu sein, daß diese neuen Schiffe einem Seekriege große Dienste zu leisten bestimmt sind, und es soll deshalb beabsichtigt sein, deren Zahl nah und nah zu vermehren.

Rußland und Polen.

Nachstehender Tagesbefehl an die Truppen der Garde und des St. Petersburger Militärbezirks vom 6. (18.) August d. J. wurde vom „R. Jnw.“ und dem „Reg.-Boten“ gleich- zeitig veröffentlicht:

Seine Majestät der Kaiser hat Mich Allergnädigst am 6. August d. I. mit folgendem Allerhöchstem Rescript zu beehren geruht:

Eure Kaiserliche Hoheit !

Mit besonderem Wohlgefallen verfolge Ich jederzeit Ihre be- sondere Sorgfalt für die gute Organisation der Ihnen anvertrauten Truppen und die kriegerishe Ausbildung derselben. Die unter dem Befehl Eurer Kaiserlichen Hoheit im Lager von Krassnoje Sselo versammelten Truppen der - Garde und des St. Peters- burger Militärbezirks präsentirten st|\{ch Mir auf der Parade und bei den Manövern in einem ausgezeichneten Zustand. Ungeachtet der ungünstigen Bedingungen diefes Sommers haben Sie es verstanden, durch Ihre berzlihe Fürsorge, sogar bei den ver- stärkten Lehrübungen, die Gesundheit der Mannschaften mustergültig zu bewahren; Ich fand sie muthig, ausdauernd und von böchster Bravour beseelt. Die Einführung der neuen Waffe hat ebenfalls die besondere Aufmerksamkeit Eurer Hoheit auf fh gezogen und haben Sie unermüdlich die ganze Zeit der Lagerübungen persönlih der Unterrihtung der Trupven mit dem rechtzeitig ausgearbeiteten tactishen, durch die neue Waffe be- dingten Verfahren gewidmet. Die Kampfbereitschaft der Feld: und Neserve-Truppentheile vervollklommnend, haben Eure Hoheit auch die Einberufung der Reservisten und Landwehrmänner, sowie die für die allgemeine militärische Organisation des Staats so wichtigen Iocalen Truvpenverwaltungen einer persönlichen Prüfung unterzogen.

Die nübßlichen, sorgfältigen und eifrigen Bemühungen Eurer Kaiserlichen Hoheit und Ihrer Mitarbeiter ergeben in jedem Jahre immer fruhtreihere, von Mir aufrihtig gewürdigte Nesultate. Ich halte es für Meine Pflicht, für diese Eurer Kaiserlichen Hobeit Meine tiefe herzlihe Erkenntlichkeit zu äußern.

Ihr Sie von Herzen liebender und danfkarer Bruder

Alexander.

Krassnoje Sselo, den 6. August 1892.

Durch den an Meine Person gerichteten Allerhöchsten Dank sind die Bemühungen Meiner Collegen belohnt. Der uns allen theure Kaiserlihe Dank wolle daher unsere cinmüthigen Bestrebungen zur weiteren allseitigen Ausbildung der Truppen verdoppeln.

Ich kin den Generalen und Stabs- und Ober-Offizieren herzlich erftenntlih für ihren ausgezeichnetcn Dienst, den Untermilitärs aber sage ih herzliden Dank für ihren musterhaften Eifer und ihre gute Führung.

Dieser Tagesbefehl is in den Compagnien, Batterien und Commandos zu verlesen.

Ober-Commandirender, General-Adjutant Wladimir.

Die neuc Session des Reichsraths beginnt Anfang Oktober. G

fans. Be SMmwadronen,

Wie die „Now. Wr.“ erfährt, werden seiner Be- rathung u. a. Entwürfe unterliegen, betreffend eine neue Ver- ordnung über Wasserstraßen und Chausseen : die Pensionirung der Volksschullehrer: eine neue Apotheker-Ordnung: Reform der Dorfpolizei; eine Verordnung über den Sanitäts- und Medizinaldienst auf Eisenbahnen und cine Novelle zum Preß- geseß. N i

Im Finanz-Ministerium sollen die Vorarbeiten für die bevorstehende Steuerreform demnächst zum Abschluß gebracht werden.

Jtalien.

Die Einnahmen der italienishen Seczollämter überstiegen laut Meldung des „W. T. B.“ aus Rom in der Zeit vom 1. bis 20. August die Einnahmen des entsprechenden Zeitraums im Jahre 1891 um 2 Millionen.

Schweiz. In Bern ist, wie schon telegraphish gemeldet, gestern der vierte „Weltfriedens-Congreß“ eröffnet worden. Der Congreß dauert bis zum 27. August, und ihm wird unmittel- bar undan dem gleichen Ort die „interparlamentarishe Fricdens- und Schiedsgerichts-Conferenz“ folgen. Die erste Sizung des GSriedens - Congresses wurde, der „Frkf. Ztg.“ zufolge, mit einer Begrüßungsrede des zum Vorsißenden gewählten Bundesraths Ruchonnet und Ansprachen der Delegirten ausgefüllt. Namens der sehr spärlich erschienenen Deutschen sprah Dr. Richter - Pforzheim, der darauf hinwies, daß lediglih die freisinnigen Parteien Deutschlands die Jdee der Schiedsgerichte aufgenommen und die Nothwendigkeit ciner volksthümlichen Agitation dafür betont hätten, da nur cine solhe den schließlichen Sieg der Jdce bringen könne. Für den Wiener Verein sprach Baronin von Suttner, welche der Meinung entgegentrat, daß die Wiener Vereinigung lediglich cine Damenvereinigung sei. Sie wies auf das leb- hafte Jnteresse hin, das die Arbeiten der Vereinigung in der Presse und im Publikum fänden. Auch namens der ameri- kanischen Vereine sprah eine Dame, Frau Locwood. Die rumänischen Studenten betonten in ihrer Ansprache ihre Be- shwerden gegen Ungarn. Nachmittags begann die Berathung der Tagesordnung. i

Belgien.

Der Verwaltung des unabhängigen Congostaats sind nah cinem Brüfseler Telegramm des Wolff chen Burcaus neuerdings Nachrichten aus Yakoma vom 21. Juni zuge- gangen, aus welchen hervorgcht, daß zwischen den franzö- sischen Behörden und denen des Congostaats feinerlci ernstliches Zerwürfniß bestand. 80 km unterhalb von Yakoma, auf dem rechten Ufer des Kotto liege aber das Gebiet, in welchem Poumayrac mit 30 Genossen das Schisal Crampel’s erlitten haben solle.

Der frühere belgische Min.ster des Innern Nolin- Jacquemyns, Mitglied des Jnstituts für internationales Recht, hat sih der „Köln. Ztg.“ zufolge am 20. d. in Liver- pool nach Bangkok eingeschifft, um demnächst seinen neuen Posten als Minister des Auswärtigen und allgemeiner BVerather des Königs von Siam anzutrcten.

Rumänien.

Der Thronfolger Prinz Ferdinand wird sich dem- nächst zum Besuch seiner Eltern n2ch Sigmaringen begeben.

Serbien.

Die decn Regenten zur Genehmigung unterbreitete Ministerliste ist folgende: Avakumovics Präsidium und Acußeres, General Bogicsevics Krieg, Eisenbahndirector Stojanovics Finanzen, Alkovzics öffentlihe Arbeiten, Boschkovics Cultus und Unterriht, Ribara§ Jnneres, Neliczkovics Justiz, Goojdics Handel. Die Vereidigung der neuen Minister sollte nah ciner Meldung des „W. T. B.“ noch gestern erfolgen.

Zu dem Cabinetswechsel „SrdbL. “:

Oesterreih-Ungarn könne mit freundlihem Interesse und ohne Aufregung, frei von leidenschaftlicher Parteinahme für diese oder jene Parte1, die fernere Gestaltung der Dinge verfolgen. Stets sei es der Wunsch Oesterreichs gewesen, das Nachbarköniareich ernst und emsig an* der der Negelung feiner häuëlihen Verhältnisse arbeiten zu sehen. An einer guten und wohlwollenden Nachbarschaft habe es Serbien seitens Oesterreih Ungarns niemals gefehlt und werde es niemals fehlen. Das Kampfgetricbe der Parteien in Serbien lasse die österreihis{- ungarische Monarchie falt. Wenn dem liberalen Cabinet die Con- solidirung der inneren Verhältnisse Serbiens gelinge, so werde gleichmäßig den Dank Serbiens und des Auslandes verdienen.

Amerika.

Präsident Harrison hat dem „N. B.“ zufolge am 20. d. M. eine Proclamation erlassen, wonach Wieder- vergeltungszölle von den canadishen Schiffen, wenn sie amerikanishe Kanäle passiren, erhoben werden sollen. Die in der lezten Session des Congresses genchmigte Congreßacte verleiht ihm das Recht zu dieser Maßregel.

Der Schaßsecretär der Vereinigten Staaten Foster hat sih, wie nach einem Wolff schen Telegramm aus Washington verlautet, dahin geäußert, daß er infolge der Goldver- shiffungen feinerlei Schwierigkeiten befürchte, da der Gold- vorrath 110 Millionen Dollars betrage. Es würden daher feine Maßnahmen zur Verhinderung der Goldverschiffungen getroffen werden. :

Nach einer neueren, über Paris eingegangenen Meldung aus Buenos- Aires (vgl. d. gestr. Nr. d. Bl.)

bemerkt das Wiener

| | ) hat der Prâä- sident der argentinishen Republik Pellegrini sein Ent- lassungsgesuh wieder zurückgezogen.

Asien.

Der Londoner „Standard“ meldet aus Shanghai: Dice russische Regierung habe dem chinesishen Vertreter in St. Petersburg, welcher Aufklärungen über das Eindringen Rußlands in das Pamirgebiet forderte, geantwortet, die Expedition des Obersten Janow bezwee lediglich die Erforschung jener Gegend, Rußland würde keinen Theil des Pamirgebietes bcsegzen.

Afrika.

Zu dem Aufstande der Angheras in Marokko wird dem „N. B.“ aus Tanger berichtet: Der Gouoerneur von Tanger begab sich am 20. d. M., Morgens, nah dem Cidi- Talkha-Heiligthum, um dort mit den angeschensten Kabylen des Wodras-, Benimsuar- und Gibelhabib-Stammes zu ver- handeln und deren Vorschläge“ zur friedlihen Bei- legung des Aufstandes der Angheras entgegenzunehmen. Villigt der Gouverneur die Vorschläge, so werden \ih die Stammesoberhäupter zu den Angheras begehen und sie zu veranlassen suchen, die Bedingungen anzunehmen. Stimmen auch die Angheras zu, so wird der Gouverneur die Friedens- bedingungen dem Sultan unterbreiten. Das Kaiserliche Schreiben, welches Kerdudi, der Secretär des Sultans, vor einigen Tagen den oben erwähnten Stämmen vorlas, ent- bot zehn Aelteste jedes Kabylenstammes nah Fez, um dem Sultan ihre Beschwerden vorzulegen. Der Sultan versprach ihnen persönliche Sicherheit und erklärte, er wolle gerccht gegen dic Angheras verfahren. Es heißt wiederum, daß der Führer des Aufstandes, Hamam, aus dem Lande der Angheras entflohen ist. : i ; |

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Hat in der Zeit zwischen der Anmeldung und der Be- fanntmackŒung der Anmeldung einer zu patentirenden Erfindung ein Anderer diese Erfindung in Benußung genommen, so macht er sih, nah cinem Urtheil des Reichsgerichts, 11. Strafsenats, vom 29. März 1892, durch die dolose Fortseßung der Benußung nah

N pf A A R R A az M 1tnoToho8 T A der Bekanntmachung aus § 34 des § atentgeleßes strafbar.

Statiftik und Volkswirthschaft.

hschaftlihe Zwangsversteigerungen in Bayern.

189i wurden in Bayern 921 landwirthschaftlihe An-

wesen mit ciner Gesammtgrundfläche von 7282 ha zwangsweise ver-

steigert. Hie befanden sich 740, d. i. 80% fleinere An-

wesen (bis zu 10 ha), 178, d. 1. 19,3%, mittlere Anwesen (über

10 bis 100 ha) und 3, d. i. 0,3 9/0, großere Anwesen (über 100 ha).

Die vrersteigerten kleineren Anwesen machten 2351,65 ha (oder

J 9/0) aus, die mittleren 4330,28 ha (oder 59,5%) und die ößeren Anwesen 600 ha (oder 8,2 09/9) aus.

Im ganzen bat sih eine Besserung der Verhältnisse ergeben : denn während 1891 nur 921 landwirth\chaftlihe Anwesen zwangë- weise versteigert wurden, betrug deren Zahl im Jahre 1890: 1198 und in der Zeit von 1880 bis 1889 im Durcschnitt 1878. Ebenso hat sich auch die versteigerte Grundfläche vermindert: im Jahre 1891 betrug diese, wie angegeben, 7282 ha, im Sahre 1890: 7971 ha, und în der Periode 1880/89 im Durchschnitt 14 020 ha.

er mi » Grundbesit ift der Fläche nah stets am meisten an den Zwangs eigerungen betbeiligt gewesen, nämlich im Fahre 1891: 59,5 9%, 1830: 60,7%, im Durbschnitt von 1880/89: 593 9/ Für den i en Grundbesitz stellen sich die Verhältnißzahlen wie folgt: 1891: 32,390, 1890: 39,39, 1880/89 im Durd\chnitt 39,8 9%. er größere Grundbesiy ift überall am wenigsten betheiligt gewesen, im C 1891 mit 8,2 9/6, im Iahre 1890 gar nit, und 1880/89 in mit 4,9 9/0.

Zur Arbeiterbewegung.

___ Die Aussperrung der Brauerci-Gehilfen und Arbeiter durch die Mehrzahl dec Hamburger Braucreien ijt beendet: die Verhandlungen der Cartell - Commission mit den Brauerei-Dircctoren führten, wie der Berliner „Volks-Ztg.“ aus Hamburg geschrieben wird, zu dem Resultat, daß die Arbeiter, soweit thunlich, wieder aufgenommen wurden. Das von den Dircctoren unterzeichnete Schriftstück hat folgenden Wortlaut :

Die unterzeichneten Brauereicn baben nach aufgehobenem

veott beschlossen, den Wünschen der Cartell - Commission entgegen

o Ido 5 - i M s aa H 4 4 en, indem fie die am 16. August entlassenen Brauer und

Hilfsarbeiter wieder in Arbeit nehmen, soweit noch Stellungen offen sind, auch ihren Angesteliten nach wie vor völlige Freiheit der Bewegung in politisher sowie in gewerkschaftliher Beziehung zu gewähren.

In Frankfurt a. M. beschlossen der „Frkf. Ztg.“ zufolge die Former in einer nur s{chwach besuchten Versammlung, in der es si um Gründung einer Organisation handelte, sich der Frankfurter Verwaltungsstelle des Allgemeinen Deutschen Metallarbeiterverbandes anzuschließen, nahdem der An‘chluß an den Deutschen Former-Ver- band als nit vortheilhaft bezeihnet worden war.

Hier in Berlin verhandelte eine allgemeine Buch- druckerversammlung am 17. d. M. u. a. über die Maß- nahmen der Arbeitgeber in der Tarifangelegenheit. Es wurde, wie der „Vorwärts“ mittheilt, eine von Herrn Besteck ein- gebrachte Entschließung angenommen, in der es heißt :

Die Versammlung der Berliner Buchdruckergehilfen lehnt die Zumuthung der Principale ab, zu einer Zeit, wo die Mieths- und Lebensmittelpreise für den Arbeiter geradezu unerschwinglich geworden sind, mitzuwirken, daß der bisherige Lohn noch mehr gekürzt wird. Sie erklärt, nie und nimmer den von den Principalen angedrohten, fast in allen seinen Paragraphen reducirten Tarif anzuerkennen, und mat es jedem Gehilfen zur Pflicht, überall da, wo er es er- zwingen fann, nur nach dem 1890er Tarif zu arbeiten, bis mit der organisirten Gehilfenshaft in legaler Weise Vereinbarungen ge- troffen sind.

Eine öffentliche Versammlung der Maurer und Pußzer Berlins faßte folgende, von den Blättern mitgetheilte Ent- shliezung in Bezug auf die Organisationsfrage:

Die Verfammlung der Maurer Berlins erklärt: Da die wirth- schaftliche Lage der Maurer eine immer s{lechtere wird, erstens : In fernerer Zukunft mögen alle persönlichen Streitigkeiten bei Seite bleiben ; zweitens: Um die angegebenen Mängel zu beseitigen, ver- pflihten sih sämmtliche Collegen, sh dem Centralverband der Maurer Deutschlands anzuschließen, um einheitlich einer noch weiteren Unterdrückunrg entgegentreten zu fönnen.

Aus Malmö berihtet cin Telegramm des „D. B. H.* über den focialistishen Arbeiter-C ongreß: Der Congreß be- \chloß, die Errichtung von sfandinavishen Fachvereinigungen und die Aufnahme aller Hilfsarbeiter in diese zu empfehlen; fernor spra sich der Congreß für die Agitation unter den Land- arbeitern aus, um ihre öfonomishe Lage wirklich heben zu fönnen, und beschloß, am 1. Mai 1893 eine Kundgebung zu ver- anstalten. In der Ausstandsfrage wurde die größte Vorsicht bei den zu veranstaltenden Ausständen und statt ihrer der Boycott empfohlen. Ein engerer Zusammens{luß aller skandinavishen Arbeiter- vereintigungen zur gegenseitigen Unterstüßung wurde für durchaus nöthig crflärt.

Aus Mons meldet ein Telegramm des „H. T. B.* vom beutigen Tage: Gestern hat cin französisch - belgischer Grenz» zwishenfall stattgefunden. Als die gewaltsam aus Lieoin ver- triebenen belgishen Arbeiter nach Eleuges zurückehrten und die hiesige Bévpölkerung auf den Gesichtern die Spuren der erlittenen Gewaltthätigkeiten sah, wurde beschlossen, Repressalien gegen die dortigen Franzosen zu nehmen. Unter Vorantragung einer rothen Fahne, mit der Inschrift: „Tod den Franzosen!“ zogen die Erregten nach den Wohnungen der französishen Pächter, Beamten und Arbeiter, wo größere feindsclige Kundgebungen stattfanden. In- folge der Tumulte verlassen viele Franzosen die Stadt: da weitere Nubestörungen befürchtet werden, ijt die Polizeimannschaft verstärkt worden.

Aus New-York wird dem „H. T. B.* vom beutigen Tage gemeldet: Der Gouverneur von Nashville (Tennessee) verlangte und erbielt vom Kriegs-Minister einen Waggon Munition. Der Führer der Grubenarbeiter, der den Capitän Anderson ge- fangen genommen hatte, wurde troß Aufhissens der weißen Fricdent- fahne gestern Abend von den Soldaten in Coalcreek gehängt. Aus Buffalo wird gemeldet, daß die Strikenden wiederum drei Eisenbahnzüge mit Waaren zum Entgleisen gebracht baben. Es werden weitere Unruhen befürchtet, daher sind die Truppen verstärkt worden.

Kunft und Wissenschaft.

n Mainz ift am 20. d. M. die anläßlih der bevorstehenden Hauptversammlung der Katholiken Deutschlands veranstaltete Aus - stellung für _christlihe Kunst im Afademiesaale- des dortigen Kurfürstlichen Schlosses in Gegenwart von Vertretern des Staats, der Stadt und der Geistlichkeit feierlich eröffnet worden. In sieben Sälen des Schlosses sind, wie die „Köln. Ztg.* berichtet; etwa 1000 Kunstgegenstände, zumeist aus ältercr Zeit, bis hinauf in das zehnte Jahrhundert, vereinigt, sodaß die Ausftellung des Sebenêwerthen die Fülle bietet. Der ‘Gesammtwerth der Gegenstände wird auf nabezu cine Million Mark veranschlagt. Ueber dem Eingang zu der Ausstellung prangt zwischen Tannengrün und den Farben der deutschen Bundes\taaten das Kunst-Wapven mit der Inschrift Ars longa. Auch die Aufgänge im Schloß sind mit gutem Geschmatck geziert, die Auë- stellung selbst ift vortrefflih geordnet. Alles Handwerksmäßige - ist grund- säglich ausgeschlossen. Aus den Kirchen von Köln, Düsseldorf, Franffurt, Mainz u. |. w., aus Klöstern und den Beständen von Familien sind cine Menge von Kunstschäßen beigebracht, deren Beshauung sonst nur dem Auge weniger gestattet ist. In der ersten“Abth:ilung, Artitektur, finden sih preisgekrönte Entwürfe für Kirchenbauten, Altäre u. f. w.; die zweite Abtheilung, Malerei, nimmt erklärlicher Weise cinen besonders breiten Raum ein: alte und neue Zeit sind darin vertreten. Von Frankfurt sind altspanishe und altitalienisce Oelgemälde eingeliefert; Deger, Ittenbah, Overbeck, Phil. Veit, E. von Steinle, K. Bauineister-München, Peter Halm-München, Professor Seiß-Rom fehlen nicht. In der dritten Grurve, Golt- und Silbersmiedekunst, haben sich namentlich Gabriel Hermeling-Köln und Aug. Witte-Aahen durch tunstvoll entworfene und gearbeitete Altargeräthe, Religuienschreine 2c. betheiligt. In dieser Gruppe sicht man Kirchengeräthe aus dem 10., 13. und 15. Jahbrbundert, Sachen von hobem Kunstwerth, zum theil mit Brillanten und Email besent. Auch die Paramentik, Weberei und Stierei sind in den Kostbar- keiten ‘von Kirchen und Klöstern vortreflih vertreten. Eine der St. Lambertikirche in Düsseldorf gehörige Casula von Lyoneser gold- und filberdurhwirktem, mit Blumen gemustertem Damast aus dem Ende des 16. Jahrhunderts hat 20 000 . Werth: an einem anderen, schadhaften Meßgewand aus dem 15. Jahrhundert soll die Wiedcr- berstellung 15 000 Æ fosten. Auch die Holz- und Elfenbcin- schnigerci ist_sehr würdig vertreten; so sind insbesondere Hausaltär und andere Schnigarbeiten niederrhbeinisher, Calcarer und Kölni cher Schule, werthvolle Elfenbein-Crucifire, mehrere Altäre, darunter cin Kaiîtenaltar aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus dem Nachlasse des Geistlichen Raths Münzenberger-Frankfurt a. M., auß- gestellt; dazu kommen prächtige Glasmalereien, Kirchenfenster, herr- liche Mofaikarbeiten, darunter besonders ein St. Georg-Nitter und der Bodenbelag aus dem Chorumgang des Kölner Doms, Kunft- s{losser-, Gürtler- und Druck-Arbeiten (unter leßteren ein Neudrud der Mainzer Chorbücher von 1671 und 1673 von Joh. Falk 111. Mainz), altchristliße Münzen und cin vierstimmiges harmonisches Kirchengeläute.

Von unferem Nachbarplanecten Mars, der in diesen Tagen die ganze astronomishe Welt angelegentlich beschäftigt, sind wieder, wie die „Nat. Ztg.“ mittheilt, einige neue Beobachtungen zu melden. Auf dem Lickschen Observatorium ‘in Kalifornien sind bis Mitte August viele der fog. Kanäle des Märs, welhe Schiaparelli 1877 entdcckte, auf den Karten verzeihnet worden. Kein Kanal fien in- dessen doppelt zu sein. Am 17. d. M. aber fertigten die Professoren

S

=6 V 4+ 4

. Campbell und Hufsey ganz unabhängig von cinander Zeichnungen an,

welche beweisen, daß der auf Schiaparelli’'s Karte als doppelt ange- gebene Kanal wirklich doppelt ift.

Land- und Forftwirthschaft.

Ernteaussichten in Rußland.

Nach dem von dem landwirthschaftlihen Departement beim Domänen - Ministerium veröffentlichten Bericht über die Ernteaussihten zu Mitte Juli a. St. wird die Winterweizen- ernte im europälshen Rußland (50 Gouv.) auf ca. 9 Millionen Tschetwert = 75 Proc. ciner mittelguten, die Roggenernte auf ca. 112 Millionen Tschetwert =95 Proc. einer mittelguten geschäßt. Jn Polen gestaltet sih die Winterkornernte besser als mittelgut und im Kaukasus sehr reihlich. Hinsichtlih der Sommer- fsaaten läßt sich mit ziemliher Bestimmtheit annehmen, daß das Ernteergebniß für Weizen und Mais weit über mittel sein wird. Die Hafer- und Gersteernten werden wahrscheinlich nahe an mittelgut fein. :

Dem erwähnten Berichte war folgende Uebersicht über die im Jahre 1892 zu erwartende Roggenernte, ausgedrüt im Procentverhältniß zu einer gleih 100 angenommenen Mittel- ernte, beigefügt:

Gouvernements: I. Shwarzboden- Zone. trale Ackerbau-Gouvernements:

1) Cen ' - el 90, Tüla 85, Riäsan 90, Tambow 110,

Kursk 65, O Woronesh 50. i 2) Centrale Wolga-Gouvernements:

V. Taurien 110, JIekaterincélaw 70, 90. 5) Südwestlihe Gouvernements: Podolien 70, Kiew 90, Volhynien 110. 6) Kleinrufsishe Gouvernements: ow 65, Tschernigow 110, Poltawa 45. T1. Niht-Schwarzboden-Zone. 1) Industrielle Gouvernements:

Wladimir 110, Moskau 120, Kaluga 100, Twer 110,

110, Koftroma 110.

2) Weißrussishe Gouvernements:

Mohilcw 120, Minsk 110, Witebsk 100, Smolenëk 120.

3) Ural-Gouvernemcent®s:

Wiatka 105, Perm 105.

4) Nördliche Gouvernement:

Wologda 105, Archangelsk 110.

5) An Seen gelegene Gouvernements:

Olonez 105, Nowgorod 110, St. Petersburg 105, Pifcw

6) Littauishe Gouvernementé:

Wilno 100, Kowno 85, Grodno 110.

7) Baltische Gouvernementé:

Kurland 90, Livland 90, Estland 95.

8) Polen: TIB: M i 9) Kauftafus:

Kubansches Gebiet 125, Tersches Gebiet 110.

Gouvernement Stawropol 120.

Wie uns von gut informirter Seite gemeldet wird, dürfte die Schäßung der Noggenernte auf insgesammt 112 Millionen Tschetwert etwas hoch gegriffen sein. Es werden thatsächlich nur etwa 100 Millionen, also etwa 80 Proc. ciner Durch- schnittsernte, zu erwarten fein.

Ucber die diesjährige Ernte in Spanien erfahren wir Folgendes: E

Bei der jegzt beinahe beendeten Aberntung hat sich heraus- gestellt, daß die noch im vorigen Monat gehegte Hoffnung, er Ernte-Ertrag werde ein normaler sein, eine trügerische gewesen ist. Wohl in Folge der Weststürme im Monat Mai und darauf folgender, von anhaltender Trockenheit begleiteter Hige ist der Körnerertrag, insbesondere bei Roggen und Gerste, ein überaus s{hwacher, während andererscits Stroh im Ueberfluß vorhanden sein wird. ;

Was die einzelnen Gegenden anbelangt, so lauten die am 12. d. M. durch die Handelsblätter veröffentlichten Ueber- fichten aus Andalusien (Provinzen Granada, Cordoba, Malaga, Cadix, Sevilla, Huelva) und Neucastilien (Provinzen Ciudad Neal, Guadalajara und Cuenca) vollständig— auch bezüglich des Ertrags an Wicken und grauen Erbscn unbefriedigend. Jnsbesondere soll der Körnerertrag in der Provinz Malaga cin minimaler und selbst die Bohnenernte dort mißrathen sein. Dagegen scheinen in Altcastilien die Verhältnisse etwas günstiger zu liegen und die Ernte der Provinz Zaragoza wird übercin- stimmend als eine gute bezeichnet. .

Da die Getreidevorräthe wie alljährlih um diese zeit geringe sind, so sieht man besonders im Süden Spanien, von wo bereits vielfah Proben ausländischen Ge- treides bestellt worden sind, der Zukunft niht ohne Befürch- tungen entgegen, und aus Malaga werden ungestüme Wünsche betreffs Herabseßung des Einfuhrzolls auf Weizen laut.

Dieser Sachlage entsprechend, halten sih die Preise nicht nur auf ihrer bisherigen Höhe, sondern infolge der Erwartung, daß Spanien ciner beträchtlihen Getreidezufuhr benöthigen wird, macht sih eine Steigerung der Preise ausländischen, vorzüglich russischen Getreides bemerkbar.

s Trier vom 20. August wird der „Frkf. Ztg." gemeldet: Di leßten Wochen bat die Traubenreife so gefördert, daß

Weinberge in zahlreihen Ortschaften an der Mosel son morgen geschl ossen werden.

GesundheitEwesen, Thierkrankheiten und Absperrung®- Maßregeln.

Verkreitung von Thierseuchen im Deutschen Neich im Juli 1892,

(Nach amtlichen Mittheilungen ; für Preußen und Braunschweig licgen Nachweisungen nur über Maul- und Klauenseuhe vor. Aus Neuß j. L. ist ein Bericht nicht eingegangen.)

Fâlle von Roß (Wurm ) sind festgestellt ‘in je 1 Gehöft der Bezirke Augsburg, Donauwörth und des Veterinärbezirks Parchim.

Die Maul- und Klauenseuche hat an Verbreitung erheblich zugenommen, sowohl in geogravhischer als örtlicher Beziehung. Ver- \hont geblieben sind, wie im Vormonat, der preußische Negiecungs- bezirk Gumbinnen, ferner Mecklenburg-Streliz, das oldenburgische Fürstenthum Lübeck, Schaumburg-Lippe, Reuß a. L. und das Lübeckishe Staatsgebict; außerdem der Regierungsbezirk Sig- maringen uno das oldenburgishe Fürstenthum Birkenfeld. Bemerkenswerth zugenommen hat die Seuche in den Regierungê- 2c. Bezirken Königsberg, Danzig, Marienwerder, Potsdam, Frankfurt, Stettin, Köslin, Stralsund, Posen, Bromberg, Breélau, Minden, Arnsberg, . Koblenz, Düsseldorf, Pfalz, Oberpfalz, Mittelfranken, Unterfranken, Bauten, Dresden, Leipzig, Zwickau, Schwarzwaldkreis, Lreiburg, Karlsruhe, Mannheim, Starkenburg, Oberhessen, Sachsen - Meiningen, Herzogthum Gotha, Schwarzburg - Sonder®-

haufen, Lippe, Unter-Elsaß, Ober-Elsaß. Eine erbeblihere Ab- nahme weisen nach die Regierungs- 2c. Bezirke Oppeln, Schleswig, Hildesheim, Osnabrück, Köln, Oberbayern, Jagstkreis, Nhein- befsen, Lothringen. Am Schlusse des* Berichtsmonats waren noch starf betroffen die Regierungs- 2c. Bezirke Königsberg, Danzig, Marienwerder, Potsdam, Frankfurt, Stettin, Köslin, Posen, Bromberg, Breslau, Liegniß, Magdeburg, Merseburg, Hildesheim, Münster, Minden, Arnsberg, Cassel, Koblenz, Düsseldorf, Aachen, Unterfranken, Freiburg, Karlsruhe, Mannheim, Starkenburg, Melen- burg-Schwerin, Sachsen-Weimar, Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Herzogthum Gotha, Unter-Elsaß, Ober-El}aß, Lothringen. :

Die Lungenseuhe wurde festgestellt in je 1 Gehöft der Kreishauptmannschaft Zwickau und des Regierungsbezirks Nieder- bayern.

Ausbrüche von Schafr äude sind gemeldet worden aus e meinden von Oberfranken, 8 Gemeinden von Oberbessen und 3 Ge meinden von Sachsen-Coburg-Gotha.

j Dänemark.

_Durch Befanntmahung des Königlih dänishen Justiz- Ministeriums vom 15. August ‘1892 is cine Quarantäne für die- jenigen Schiffe angeordnet worden, welhe aus russischen Häfen der Ostfee und des finnishen Meerbusens, sowie aus finnischen Hafen- pläßen kemmen oder mit von dort fommenden Schiffen auf der Reise in Berührung gewesen sind. Gleichzeitig ist die Einfuhr von Lumpen, gebrauhter Watte, Kraßwolle und Papierabfällen, Haar, Häuten, Obst, Grüngewächsen und Blumen, ferner von gebrauchter Leibwäsche, gebrauhten Kleidungsstücken und gebrauhtem Bettzeug (soweit diese Gegenstände niht zum Reisegut von Schiffspassagieren gehören) aus den bezeihneten Häfen nach Dänemark verboten worden. Fur die aus denselben als Reisegut eingeführte gebraudhte Leibwäsche, Kleidungéstücke und Bettzeuge hat eine Reinigung unter öffentliher Controle stattzufinden. * Die in ungewashenem Zustande vorgefundene Leibwäshe, Bettzeuge und wollenen Kleidungéstüe find, fofern sie niht auf der Stelle zurükge\hickt werden, zu ver- brennen.

Brasilien.

Der brasilianishe Minister des Innern hc vom 25. Juli 1892 den General-Inspector pflege ermächtigt, alle im Hafen von Ri Postschiffe (Paquete) nah dem Q Grande zu verweifen.

s Verordnung fengesundheits- T

Aufstralicn.

Durch Bekanntmachung des Gouverneurs zu Sydney vom 6. Juli 1892 ist angeordnet worden, daß die von Colombo, sei es direct, sei es über Zwischenhäfen kommenden Schiffe, mit Rücksicht auf die dort berrschende Poenkfrankheit bei Ankunft in der Colonie Neu-Süd- Wales fo lange in Quarantäne gehalten werden sollen, bis sie von dem zuständigen Gesundheitsbeamten zum freien Verkehr zugela}en werden.

Hamburg, 22. August. Die Erfranfkungsfälle mit choleraähnlihen Erscheinungen haben, wie „W. T. B.“ be- richtet, in den leßten Tagen einen bedeutenden Umfang i gestern sind 27 Fälle vorgekommen, einige mit {nell gende tödtlihen Ausgange. Auch heute Vormittag sind wieder mehrere Meldungen von neuen Erkrankungen eingelaufen. Die Sanitäts- colonnen zur Bedienung der Krankenwagen sind verstärkt worden, damit die Erkrankten sofort in das Krankenhaus gebracht werden können. Ein Fall von afiatisher Cholera ist biëher niht vor- gekommen.

Paris, 22. August. 9 dortigen Gefängniß zwei Perf

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Paris, 23. August. J:

tah Meldungen aus Rouen sind i onen an der Cholera gestorben. 1 der gestrigen Sißung der Akademie der Wissenschaften theilte Pasteur dem „W. T. B.“ zufolge mit, daß die von dem russis/chen Arzte Hafkine an seine eigenen Perfon und an drei anderen Perfonen vorgenommenen Impf- versuche gegen die Cholera zu- Ergebnissen geführt hätten, die zu weiteren Versuchen ermuthigten.

St. Petersburg, 22. August. Nach amtlicher Meldung sind im Kreise Ljublin bis zum 19. d. M. 34 Personen an der Cholera erfranft und 13 gestorben.

Brüssel, 22. August. Die Sanitätsc T. B.“ zufolge, festgestellt, daß ähnlihen Fälle keinen epi und deéhalb beschlossen, auch ferner Hafen von Antwerpen auszustellen.

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Verdingungen im Auslande.

Numänien. . . September, 3 Uhr. Ackerbau - Ministerium in Bukarcst. ing von 50 000 kg Schwefelkohble. September, 3 Uhr. General-Direction der Staatêmonovole Callea Victorieri Nr. 133 zu Bukarest. Lieferung von 295 000 kg Taback von verschiede Z

nen orten.

Theater und Musik.

Lessing- Theater.

Felir Philippi's Schau})viel „Das alte Lied“, d

fast zwei Jahren scine erste Aufführung im Deutschen Theater erk ist gestern Abend auf der Bühne des Lessing-Theaters erschienen. Die Hauptrolle wurde von Fräulein M. Reisenhofer, also derselben Künstlerin, getragen, die {hon bei der wirtlihen „Première“ dur ihre Darstellungëfraft den Erfolg des sonderbaren Schauspiels ge-

sichert hat. S Jeder der drei Acte, die das Leben der vornehmen, leihtfertigen

Müßiggängerin ohne Geist und ohne Herz enthüllen bis zu ihrem

Tod durch die Hand des Gatten, is mit ungewöhnlihem Bühnen- geschick aufgebaut. Der derbîte Realismus wird zu empfind}amer RNomantik in einen so frapxanten Gegensaß gestellt, daß, so lange man unter der Macht des Dichters steht, die Wirkung unausbleiblih ist. Daß aber trotz aller technishen Geschicklichkeit das „alte Lied“ feinen hohen und dauernden Kunstwerth besißt, tritt markant hervor, wenn man das Schauspiel zum zweiten Male an sich vorüberziehen läßt. Die Hohlheit und Reizlosigkeit der Gestalten, die Dürftigkeit und Aeußerlihkeit der Motivirung des Conflicts, die Nüchternheit der Sprache fallen, wenn der Reiz der Neuheit, das erwartungévolle Gefühl gegenüber dem Unbekannten und Unenthüällten verschwunden ist, grell ins Auge. Der Titel des Stückes „Das alte Lied“ steht in feiner Milde in frassem Widerspruh zu dem Inhalt, der die Zuschauer einen Blick in die s{chmusigen Abgründe des Berliner Lebens werfen läßt. Die Darstellung war fast tadellos; in der Hauptrolle entwielte Fräulein Reisenhofer wie früher ihr eigenartiges, befonders der Berkörperung einer bestimmten Gattung von Frauencharakteren.günstiges Talent; einschmeichelnden sinnlichen Reiz, vollendete Genußsucht und Empfindungsleerheit stellt sie fast unübertrefflich dar. Frau Petri als leihtfertige Dame vom Ballet giebt der erstgenannten Künstlerin an Natürlichkeit der Darstellung solher Typen nichts nach und Frau von pöllnig überrashte durch die starke Lebenéfähigkeit, die fie der vom Verfasser derb, fast brutal gezeichneten Frau Nowak einflößte. Das gute Kind nnd ehrbare Mädchen gab Fräulcin Sauer mit ehrlicher Naivität. Herr Sauer ist als Darsteller vornehmer Lebemänner bewährt und verkörperte die Gestalt des Banquiers Rahden sehr glücklich. Als betrogener Ehemann und blutiger Rächer seiner Chre spielte Herr Molenar mit einfahen und doch charakteristishen Accenten. Herr Schönfeld (Frit Nicolai) gab den treuherzigen Liebhaber durhaus ansprehend, aber es fehlt ihm das Maß, wenn aus der aufrichtigen Empfindung der Mannesmuth und Mannesstolz emporwachsen soll.

Im Königlihen Schauspielhause hat infolge der

c au! Iubiläums-Matinée der Privat-Theatergesellshaft Urania eine Ver-

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legung der Vorstellungen für nähsten Sonnabènd und Sonntag statt- finden müssen. Zur Vorfcier des Geburtstages Goethe's wird am Sonnabend „Faust“ gegeben mit Herrn Adolf Klein als Mephistopheles; Sonntag, zur Geburtstagsfeier Goethe's geht neu einstudirt „Iphigenie in Tauris“ in Scene.

Im Berliner Theater, das, wie {hon mitgetheilt, Sonn- tag, den 28. d. M., Nachmittags, mit der Aufführung von „Iphigenie auf Tauris“ (Anna Haverland in der Titelrolle) die neue Spielzeit eröffnet, geht am Abend desfelben Tages „Minna von Barnhelm“ in Scene. Von den neuen Mitgliedern der Bühne wird darin u. a. Werner der den Berlinern von seiner früheren hiesigen Wirksaméeit noch unvergessene Ernst Formes debütiren, der nun in den Verband des Berliner Theaters eingetreten ift.

Fräulein Ottilie Collin, welhe von der Direction des Fr iedrich- Wilhelmstädtischen Theaters ein Verlängerung ihres Urlaubs erhalten hatte, nimmt am Sonnabend ihre tünstlerishe Thätigkeit als Saffi in der Strauß’schen Operette „Der Ziêsznerbaron“ wieder auf.

Im Kroll’schen Theater singt Signorina Prevosti morgen, Mittwoch, zum erften Male die Partie der Rosine im „Barbier von Sevilla“. Als Einlage wird die Künstlerin zum Vortrag bringen „Couplets du Mysoli“ aus der Oper „La Perle du Brésil* von eelicien David und den Bolero a. d. Oper „Die Sicilianishe Vesper* von Verdi. Am Donnerstag geht, vielfahen Wünschen ent- sprechend, „Das Glökchen des Eremiten“ von Maillard zum ersten Male in diefer Saifon in Scene. Der neu engagirte Baritonift Herr Moor tritt darin als Belamy zum ersten Male auf.

Im Thomas-Theater werden die Vorbereitungen für die shon erwähnte Novität „Ein Spiegel“ von Nestor de Tière, deuts von Adolph von Ziegesar, cifrigst betrieben. Der Einführung auf der deutschen Bühne stellten sih deshalb Schwierigkeiten entgegen, weil das Schauspiel in vlämischer Sprache geschrieben ist und zwei Dialekt- arten aufweist : das Hochvlämische und das Niedervlämische. Bei der

Uebertragung ist nun das Hochvlämishe ins Hochdeutshe, das Niedervlämische ins Plattdeutsche überseßt. Director Junkermann wird in dem packenden Lebensbild auf Wunsch des Verfassers, der ihm das Stück nur unter dieser Bedingung überließ, eine hochdeutshe Cha- rafkterrolle spielen, was ihm nit {rwer werden fann, da er befannt lih lange Jahre als Charakterdarsteller Mitglied der Stuttgarter Hofbühne war.

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/ „Parsifal“-Aufführung zu Ende. Das Bühnenfestspielhaus war, den „M. N. N.“ zufolge, vollständig ausverkauft und das zum großen Theil aus Engländern, Amerikanern und Franzosen bestehende Publikum von der vorzüglichen Wiedergabe tief ergriffen: Nach Schluß des Festspiels erhob sich ein tosender Beifall, der minutenlang anhielt. Die meisten Künstler und Fremden haben noch mit den Abendzügen Bayreuth verlassen.

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ayreuther Festsviele gingen am Sonntag mit der N

Mannigfaltiges.

bmal, das Seine Majestät der Kaiser und

im Februar d. I. verstorbenen Flügel-Adjutanten

von Ziuewiß auf dem“ Matthäi-Kirhhof bier

errihten jen, ist, wie die „N. Pr. Ztg." mittheilt, -+ jest (s in Sandstein ausgeführt und besteht aus einer

auf deren Dah in der Mitte ein Kreuz errichtet ift.

des Daches, an der Wand, is das Wappen der Familie

von Zißewiß angebracht, darunter stehen die Worte: „Kaiser Wilbelm 11. und Sein Hauptquartier ißrem tiefbetrauerten treuen Kameraden.“ Weiter unten sind drei Granitvlatten nebeneinander an der Wand eingefügt, auf deren mittelster folgende Worte eingemeißelt sind: „Cölestin v. Zißewiß, Oberst-Licutenant und Flügel-Adjutant Sr. Maj. des Kaifers und Königs, geboren 23. Februar 1847, gestorben 27. Februar 1892. Ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt Ein fkunstvolles Eisengitter umshließt den {chön gepflegten Grabhügel, auf dem am Sonntag, wo das Grabmal zum ersten Male fertig zu sehen war, zahlreiche und Kranze niedergelegt

wurden.

Der Neubau der Interims - Hof- und Domkirche in der Oranienburgerstraße unweit des Monbijou-Plazes ift der „N. Pr. Ztg.“ zufolge in feinen Ümfafsungswänden fertig und es werden die Puß- arbeiten begonnen. Das während der Baues des neuen Gotteshauses am Lustgarten der Domgemeinde dienende Kirchlein ist ein einfaches, rechteckiges Gebäude, in seinen Hauvtmessungen 30 m lang und 16,5 m breit, in Eisenfahwerk mit Ziegelauëmauerung. Die Längs- ase der Kircbe läuft von Osten nah Westen. Dem Hauptschiff parallel ist auf der Südseite ein 25 m langes und 5,10 m breites Zeitenschiff angegliedert. Der Eingang für das Publikum erfolgt 1 der Oranienburgerstraße aus. Für die Kaiserlihe Familie und Oof ift der Zutritt vom Monbijou-Garten aus dur einen E- it Treppenanlage, dem auf der anderen Schmalseite des ein zu der Empore des leßteren und zu der e führender Treppenthurm entspriht. Auf der ff - Empore is ein Abtheil mit 40 Pläven für \ angeordnet. Inêgesammt wird die Interims-Domkirche 900 Pläye enthalten, davon etwa 100 auf der Empore. An der Monbijou-Schmalseite ist außer dem Treppenthurme für den Hof cin Wartezimmer und eine Sacristei angelegt. Haupt- und Seiten- if find unterfellert: als (überwölbte) Gruft zur interimistishen Aufnahme der Särge aus der alten Dom-Hohenzollern-Gruft. Unter- halb der Anbauten (Sacristei) u. s. w. wird die Heizungsanlage ihren Plaß finden. Die Innenwände erhalten Gipspuß mit architektonischer Gliederung zur Erzielung einer guten Afustik. Wie das genannte Blatt meint, wird die Kirche voraussichtlich am 18. Oktober, dem Geburtstag weiland Seiner Majestät des Kaifers Friedrih, in feier- licher Weihe feiner Bestimmung übergeben werden.

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Die Zakl der an das NRohrsvystem der städtishen Wasser- werke von Berlin am Schlusse des Etatsjahres 1891/92 an- geshlossenen Grundstücke betrug 22180. Diese haben sih gegen das Vorjahr um 2,69 9/9 vermehrt. Von den Entnahmestellen waren Ende März 1892 aus verschiedenen Gründen 144 Stü abgesperrt. Die Bevölkerung der am Schlusse des Etats- jahres 1891/92 mit Wasser verforgten Grundstüde jedes Grundstück zu 72,9 Einwohner gerechnet betrug 1 606 424 Per- sonen; die Zabl der mit städtishem Leitungêwasser versorgten Ein- wohner hat \ih gegen das Vorjahr um 42427 Perfonen oder 2,71 9% vermehrt. Das in der Zeit vom 1. April 1891 bis 31. März 1892 in die Stadt geförderte Wasserquantum betrug 36 379 747 cbm, davon entfallen auf die untere Zone 30 783 539 cbm, auf die obere Zone 5 596 208 cbm. Von den in die Stadt geförderten 36 379 747 cbm Wasser sind im ganzen geliefert worden 1) für den cigenen Betrieb 267 640 cbm = 0,736 9/0, 2) unent- geltlih für öfentlihe Zwecke 4 008263 cbm = 11,018 9/0, 3) gegen Zahlung 32 103 844 cbm = 88,246 9/4. Da im Etatsjahr 1890/91 35 411 022 cbm Waffer in die Stadt gefördert worden sind, so hat der Gefammtverbrauch des abgelaufenen Etatéjahres fih um 2,45 9%, die Zakl der Wasserabnehmer dagegen um 2,71 9/9 vermehrt.

Die tropishe Hitze der leßten Tage hat in den städtischen Flußbadeanstalten einen bisher noch nicht dagewesenen Andrang zur Folge gchabt. Wie wir hören, badeten in den vorhandenen 16 Bassins in der vergangenen Woche 101 201 Personen, und zwar 69 009 männlihe und 32192 weiblihe. Der stärkste Verkehr fand am leßten Sonnabend statt. Es badcten an die'em einen Tage 22 373 Personen.

Der diesjährige Stralauer Fifchzug ift heute eröffnet worden.

Curxhaven, 19. August. Hier in der Nähe vollzog sh heute

1 ein seltenes Ereigniß. Unsern Hafen verließ, wie der „Köln. Ztg.“

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