1912 / 65 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Auswärtigen Amtes von Kiderlen-Waechter und vom Statt- halter von Elsaß-Lothringen. Die Bürgerschaft der Haupe und Residenzstadt beging den Geburtstag Seiner Königlichen Hoheit des Prinz-Regenten Nachmittags mit einem Festbankett im Alten Rathaus, zu dem sich die Minister von Breunig und von Knilling, Vertreter von Handel, Kunst, Wissenschaft u. a. eingefunden hatten. Der Oberbürgermeister von Borscht feierte den Regenten als einen Mann der Gerechtigkeit und Treue, als einen Charakter voll \ onniger Klarheit und Milde und als Freund seines Volkes. Jn der Residenz fand Nachmittags eine größere Hoftafel statt, an der die engere Familie Seiner Königlichen Hoheit des Prinz-Regenten teil- nahm. Während der Tafel brachte Seine Königliche Hoheit der Prinz Ludwig den Toast auf seinen erlauchten Vater aus, den dieser mit einem Trinkspruch auf seine Kinder, Kindes- kinder und Urenkel erwiderte. Wie in der Hauptstadt ist auch im ganzen Lande der Geburtstag des Regenten gefeiert worden. Jn Reichenhall fand unter zahlreicher Beteiligung und in Anwesenheit Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Franz von Bayern die feierlihe Enthüllung eines Denkmals des PrinzRegenten statt.

Hessen.

Jn der Zweiten Kammer kam es gestern vormittag zu dere Zwischenfall, über den „W. T. B.“, wie folgt, berichtet :

Nach der Nede des Abg. Dr. Fulda (Sozialdemokrat), der den Minister des Innern fortgeseßt aufs s{wersie angriff und beleidigte, ohne von dem Vizepräsidenten Korell zur Ordnung gerufen zu werden, verließen fämtlihe NRegierungsvertreter das Haus. Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte wurde auf Antrag des Abg. Osann be- ¡hlossen, eine Pause eintreten zu lassen, in der der Vorstand der Kammer mit der Regierung darüber verhandeln solle, auf welcher Grundlage wieder ein Zusammenarbeiten mit der Regierung ermöglicht werden könne. Nach etwa einstündiger Verhandlung des Vorstands der Kammer mit der Regierung und nach Beratungen der Fraktions- vorstände erschienen die Regterungsvertreter wieder im Saale. Der Btzepräsident Korell stellte auf Grund des Stenogramms die wieder- holten Beleidigungen des Abg. Dr. Fulda fest und erteilte ihm zwei Ordnungsrufe. Darauf gab er im Namen des Gesamtvorstandes der Kammer eine Erklärung ab, in der er seinem Bedauern wegen des Zwischenfalles Ausdruck gab. Sodann gaben sämtlihe Vorstände der bürgerlihen Fraktionen eine Erklärung ab in der sie ebenfalls den Vorfall aufs tiefste bedauerten. Der Minister des Innern von Hombergk dankte den bürgerlihen Parteien und erklärte, daß es ihm nah dem beleidigenden Verhalten Fuldas unmsöglih sei, in Zukunft sih jemals wieder mit ihm in eine Diékussion einzulassen oder ihm Antwort zu erteilen. Damit war der Zwischenfall erledigt.

Elsaß-Lothringen.

Die Zweite Kammer des Landtags hat gestern in zweiter Lesung den Etat des Ministeriums angenommen.

Wie „W. T. B.“ meldet, wurde der Posten von 44000 4 für geheime Ausgaben im Interesse der Polizet vom Zentrum, den Sozialdemokraten und den Demokraten gestriden, während die Liberalen und der lothringische Block fih der Abslimmung enthielten. Das Zentrum erklärte fh durch die Abgeordneten Haus und Wetterlé jedoch bereit, seinen Standpunkt einer Re- vision zu unterziehen, wenn dem Parlament eine Kontrolle zu- gestanden würde. Der Staatssekretär Freiherr Zorn von Bulach und der Unte: staatssekretär Viandel erklärten, das elsaß-lothringische Parlament solle niht s{lechter gestellt werden als andere Parlamente. Die Regierung würde Grkundigungen in anderen Staaten über deren Verhalten anstellen. Liberale und Lothringer Block wollen erst ab- warten, welche Stellung die Regierung in dieser Frage einnimmt.

Außerdem gab es eine lebhafte Debatte über die französischen Inschriften an Läden, Schaufenstern usw., deren Verbot von den Vertretern aller Parteien auf das energishste bekämpft wurde. Bet der dritten Lesung foll ein entsprehender Antrag gestellt werden. Der Unterstaatsfefretär Mandel erklärte, der Regierung sei die Notwendig- keit dieses Verbo!'s selbst sehr URGNIN E Sie könne aber wegen des möglihen Mißbrauchs zu Kundgebungen nicht darauf verzichten.

Oesterreich-Ungarn.

Zu Beginn der gestrigen Sißung des österreichi #chen Abgeordnetenhauses erklärte der Präsident Dr. Sylvester, er werde die in der leßten Sißung beschlossene Besprehung der JInterpellationsbeantwortung des Finanzministers über die Vor- genehmigung der Ausgabe neuer Aktien der Waffen- fabrik A.-G. vor Eingehen in die Tagesordnung vornehmen lassen.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erhob der Antragsteller Abg. Nitter von Panz gegen die Interpellationsbeantwortung des Ministers Einspruch. Er erklärte, daß die Genehmigung der Ausgabe von Gratitaktien an die Waffenfabrik A.-G. sowohl dem Wortlaut als auch dem Geist des Aktienregulativs widersprehe. Wenn er auch überzeugt sei, daß der Finanzminister in der ganzen Angelegenheit optima fide vorgegangen sei, so widerspreche doch das Vorgehen der Regierung der bisherigen strengen Auf- fassung und sei geeignet, die Industrie und die Volkswirtschaft im Auslande in üblen Ruf zu bringen. Der Redner erklärte, daß die Regierung durch ihr Vorgehen das Publikum der Aktien- \spekulation zutreibe und die Genehmtgung der Ausgabe von Gratis- aktien nihts anderes bedeute, als die Gesellschaft in der Steuerhinter- ziehung zu unterstüßen. Der Finanzminister Nitter v on Zaleski erflärte, er glaube, daß der Beschluß des Hauses über die Eröffnung der Debatte in dem Sinne aufzufassen sei, daß das Haus in dieser Sache Klarheit wolle. Die Negierung habe diese Klarheit gewiß nicht zu scheuen. Er habe bereits den Standpunkt der Negterung ausführlich dargelegt, von dieser Erklärung habe er nihts zurückzuziehen, ihr aber auch nicht viel hinzuzufügen. Der Minister widerlegte den Vorwurf, daß die Regierung die Waffenfabrik U4.-G. ungebührlich bevorzugt habe und stellte fest, daß die Uebertragung freier Reserven auf das Kapitalkonto, wenn freie Reserven in retdlihem Maße vorhanden seien, an si zu feinem Bedenken Anlaß gäbe. Er berief sich auf etne Reibe von Präzedenzfällen aus der Praxis und legte dar, daß diese Praxis auch von der Theorie bestätigt werde. Keines der europäischen _Handels- geseße verwehre ein derartiges Vorgehen. Das Ministerium habe das Ersuhen der Gesellsha!t um die Vorgenehmigung zur Ausgabe der Aktien raschestens erledigt, gerade um Spekulationen soviel als möglichst hintanzuhalten. Er begreife es daher nit, daß der Interpellant aus dieser Ras{heit und Vor- icht der Regierung einen Vorwurf mae. Er wüide vielmehr einen bes Vorwurf von solcken Personen begreifen der Interpellant gehöre niht dazu —, die es bereut-n, daß sie Ld einen günstigen Moment für einen guten F ng hätten entgehen lassen. (Zwischen1ufe des Abg. Ritter von Panz.) Bestimmte Tatsachen, fuhr der Minister fort, über irgendwelhe Mißbräuche seien ihm nicht zu Ohren gekommen. Die Regierung habe darauf Bedacht genommen, die Gelegenheit zu Mêißbräuchen tunlichst ein- zushränken. Der Minister ftellte fest, daß, falls ein Anlaß zur Besteuerung der neuen Aktien vorliegen sollte, eine Nach- besteuerung erfolgen werte. Das Vorgehen der Regierung sei weder mit einem Nachteil für den Staat noch für die Aktionäre verbunden. Daß gewisse Baissespekulanten niht auf ihre Nechbnung gekommen feièén, darum habe sih der Minister niht zu kümmern.

Darauf sprachen noch mehrere Redner zum Gegenstande, worauf die Teuerungsdebatte fortgeseßt wurde.

| gestiegen.

Großbritannien und Jrland. zt für das Rehnungsjahr 1912/13, tliht worden is}, {ließt insgesamt rl. a gegen 44 392 500 im (auteiben I. T.

Rechnungsjahr. L E „A .‘ meldet, sind in dem Flottenbauprogramm an Schiffsneubauten vorgesehen vier große Panzerschiffe, acht leichte gepanzerte Kreuzer, zwanzig Torpedobootszerstörer und eine An 2 von Unterseebooten und Hilfsfahrzeugen. Mlcafts estand wird um 2000 Mann vermehrt werden. Ju der Erläuterung, die der Erste Lord v Churchill dem Flottenetat beigegeben hat, eißt es: i

Der Flottenetat sei unter der Vorausseßung aufgestellt worden, daß die jeßigen Flottenprogramme der anderen Flottenmächte keine Erweiterungen erführen. Im Falle solcher Erweiterungen würde es notwendig fein, sowohl für die zu bewilligenden Mittel als auch für den Mannschaftsbestand einen Nachtragëetat einzubringen.

Die Schiffsneubauten werden 183 971 527 Pfd. Sterl. fosten gegen 15063 877 im laufenden Rechnungsjahre; davon sind 12 067 727 Pfd. Sterl. für die Fortseßung der Arbeiten an den bereits im Bau befindlichen Schiffen bestimmt und 1 903 800 Pfd. Stevl. für die Jnangriffnahme der Neubauten des neuen Programms. Der Prozentsaß der Neubauten, der in dem neuen Rechnungsjahr begonnen werden soll, ist größer als gewöhnlih; danah wird es möglich sein, den Bau der gesamten neuen Torpedobootszerstörer auf einmal zu be-

ginnen.

In der gestrigen Sißung des Unterhauses fragte der Abg. Fell (fonseroat v), welche Häfen oder welhes Gebiet Großbritannien im Austausch für die Walfischbai oder Sansibar im Zusammenhang mit dem Vorschlag einer Ver- einbarung über den Austausch jener britischen Häfen angeboten worden sei.

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Grey erwiderte laut Bericht des „W. T. B.*, nah seiner Meinung könne der Abg. Fell die Antwort, die er am 22. Februar erteilt hätte, niht gesehen haben. Er müsse ihn auf jene Aniwort verweisen, die, joweit als dieses Haus in Betracht omme, alle Besorgnisse beseitigen sollte.

Hierauf trat das Haus in die Debatte über das Heeres- budget ein.

Der Abg. Amery (Unionist) erklärte, daß das Land sich bezüglich der Armee noch genau în derselben Lage befinde wie vor dem Aus- bruch des südafrikanisWen Krieges. Der Parlamentsuntersekretär Seely erwiderte, es sei allerdings wahr, daß England im Jahre 1899 die kleine Ea, die notwendig gewesen sei, um Verstärkungen nah atal zu senden, nicht habe absenden können, ohne Truppen von Indien, Ceylon und den anderen östlihen Garnisonen wegzunehmen. Aber seither seien große Fortschritte gemacht worden. „Ich habe hier“, erklärte Seely, „eine Mappe für Amery, und ich will eine ähnlihe Mappe an alle Parlamentêmitglieder senden unter der Bedingung, daß sie als Geheimnis betrahtet wird, aus der ersehen werden fann, daß, wenn wir morgen Verstärkungen nah Natal senden müssen, wir dies tun können, ohne einen einzigen Mann von irgend einer öftlihen Garnifon zu entnehmen. Wir könnten in wenigen Tagen, wenn die Transport- \chiffe bereit find, 150 000 Mann, vollständig ausgerüstet mit Waffen, Munition und Vorräten, sowie Verstärkungen für drei Monate absenden. Amery hat unsere militärishe Bereitschaft sehr \harf angegriffen, wdäs, wenn man diese Angriffe für be- rehtigt hielte, eine sehr ernste Nückwirkung auf unsere Stellung in der Welt haben würde. Ich bin hier, um zu wiederholen, daß inner- halb weniger Tage nach dem Befehl zur Mobilmachung die Anzahl Tage ist hier in diesen Dokumenten angegeben 150 000 Mann ab- gesandt werden könneu. Das he vtet einen außerordentlichen Fort- \chritt in unserer L É b. 7s Amery die Zeit des süd- afuikanischen E mit de gtgenwtttigen vergleicht, - so heißt das mit dem Hause Scherz treiben.“

Die Effektivstärke der Armee wurde darauf bewilligt.

Frankreich.

Jn der gestrigen Sißung der Marinekommission des Senats begründete der Marineminister Delcassé den Gesetz- entwurf, betreffend das Flottenprogramm, und erklärte laut Meldung des „W. T. B.“, der Entwurf müsse bei der gegenwärtigen Lage in Europa allen Bedürfnissen Rechnung tragen; eine besondere Anstrengung könne nur dann notwendig werden, wenn eine der rivalisierenden Marinemächte eine solche mache. Die Kommission nahm sodann das Flottengesez an.

Nuf:land. Die Reichsduma begann gestern mit der Beratung des

Staatsbudgets von 1912.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ betonte der Präsident der Budgetkommission Alerejenko, daß die Budgetkommission durch Abänderungen der Vorlage bei voller Berücksichtigung der Volksbedürfnisse einen Ueberschuß der ordentlichen Ein- nahmen im Betrage von 232 Millionen erzielt babe. Auker- dem würden zur Deckung der außerordentlichen Ausgaben außer den für die Tilgung der Schaßscheine bestimmten 100 Millionen Nubel nicht, wie die Vorlage beantrage, 14,7 Millionen des freien Barbestandes, sondern 54 Millionen des Ucberschusses benußt werden. Das gegenwärtige Budget sei das dritte ohne Fehlbetrag. In einem Zeitraum von fünf Jahren sei es gelungen, über drei Milliarden für die Landeësverteidigung und die volle Wiederherstellung, ja Stärkung der Kriegsmacht anzuweisen, den Ausgaben für die Volksbildung die gebührende Stelle einzuräumen, den Anforderungen der Landorganisation und der Landwirtschaft zu genügen, die Bahnen in Sibirien zu entwickeln und die Lage der Beamten aufzubessein. Ferner seien die Summen zur Tilgung der Staatsschuld vergrößert worden. Das Budget von 1912 überste ge das Budget von 1907 um mehr als 500 Millionen, die allein in ordentlichen Auêgaben beständen. Dabei bleibe ein freier Barbestand von über 400 Millionen. Lie Staatsschuld werde, wenn die Schuld für die Warschau - Wiener Bahn nicht hinzugerehnet wird, am 1. Januar 1913 nur 953 Millionen mehr als am 1. Januar 1908 betragen. Die Summe der eingegangenen ordentlihen Einnahmen habe im Jahre 1911 die vom Jahre 1907 um 460 Millionen über- stiegen, und das sei ohne belastende Steuererhöhung und ohne be- deutende neue Sleuern erzielt worden.

Hierauf ergriff der Ministerpräsident Kokowzow das Wort und fübrte aus, daß das rufsishe Budget zum ersten Male eine Höhe von mehr als drei Milliarden Rubel erreihe. Die ordentlichen Ausgaben wüchsen duinchshnittlich um 80 bis 100 Millionen jäh:lich. Die Staatskasse werde dadurch jedoch nicht erschöpft und das Gleichgewiht des Budgets in Zukunft nit gefährdet. Selbst ein Mißwachs sei fast ohne Einfluß auf die Einnahmen. Die fünfjährige Arbeit der NReichsèuma habe bewirkt, daß die Einnahmen die Ausgaben um 1013 Millionen überstiegen. Dies habe die Deckung der außerordentliden Auegaben, die Bildung eines freien Barbestandes und die Tilgung von 205 Millionen Staates{chulden ermöglicht. Die Anleiheoperationen hätten dem freien Barbestande nur etwas mehr als 50 Millionen zugeführt. Die ordent- lihen Cinnahmen seien in vier Jahren um 20 %%% gewachsen. Es sei behauptet worden, das Branntweinmcnopol bilde die Grundlage des Staatsbudgets, jedoch habe das Monopol nur 7,8 %% der Einnahmen gebraht. Die Steuerlast, die für 1912 zehn Rubel 84 &opeken auf den Kopyf auëmache, sei seit 1908 nur um 38 Kopeken Von 150 Millionen Rubel, um die die Aus-

gaben der vier leßten Jahre gestiegen wären, entfielen 121 auf die Landesverteidigung. Die Ausgaben zu Kulturzwecken seien un 167 Millionen gestiègen, Davon entfielen 77 auf die Volksaufk[;, rung, 47 auf die Agrarorganisation und die Landwirtschaft. x Anleihen unnötig seien, das Staat-budget wachse und die Bedürfnisse freigebig befriedigt würden, \o finde dies seine Erklärung in der Finanz, lage, dem Finanzsystem und den Verhältnissen Rußlands. nabmen wühsen alijährlich um etwa 40 9%. Selbst unverbesserlide Pessimisten könnten einen Erfolg in der Umgestaltung des Wirt, schaftslebens niht in Abrede stellen. Nah 10 Jahren dürfte das ussische Budget vier Milliarden erreihen. Eine Erschütterung des Gleichgewichts sei nicht zu befürchten. Der Import und der Export ergäben ein Saldo von 407 Millionen zugunsten Rufß: lands. Nachdem der Ministerpräsident fodann darauf hingewiesen hatte, daß diese Tatsachen einen günstigen Ausblick in die Zukunft er.

öffnen, erklärte er, daß in den vier legten Jahren der Goldvorrat un

576 Millionen, der freie Baarbestand von 256 Millionen auf 969 Millionen gestiegen sei. Der Goldvorrat im Auslande betrag 413 Millionen. Auch die russischen Fonds hätten sich gebessert. De; Ministerpräsident gab sodann einen Ueberblick über die Tätigkeit de; dritten Neihsduma und {loß, die Duma könne auf den zurügelegten Weg ruhig zurückshauen und sagen: Feci, quod potui; faciant meliora potentes. Türkei.

Wie „W. T. B.“ meldet, hat die Pforte Nachrichten ex: halten, nah denen sich zwei italienische Kriegs\chiffe im Archipel befinden sollen. Man glaubt jeßt, daß ein Vorgehen

der Jtaliener gegen eine der Jnseln unmittelbar bevorsteht, M

Die Minister des Krieges, der Marine und des Jnnern hielten gestern unter dem Vorsiß des Ministers des Aeußern Ve& ratungen ab; der Kriegsminister hatte auch eine Besprechung mit dem Großwesir.

Der Minister des Jnnern hat die Wilajets Syrien, 4

Aleppo, Beirut und die Gouverneure von Jerusalem und dem

Libanon angewiesen, die Jtaliener, die heute nah Ablauf der F bei der Ausweisung gestellten Frist von 15 Tagen sih noch am N

Ort befinden, mit Gewalt aus dem Lande zu schaffen.

Jn einer sehr bewegten Sißung hat gestern, einer Meldung der „Neuen Freien Presse“ zufolge, die Revo: W lutionäre Versammlung in Kanea die Entsendung von zwei F Abgeordneten nah Griechenland, die Aufrechterhaltung de; öffentlichen Ordnung und die Bildung eines Ausschusses zur

Wahl einer vorläufigen Regierung beschlossen. Jm Auftrage des Präsidenten der Versammlung bewacht Gendarmerie di:

Die Konsuln traten sofort zu einer Beratung zu [E Die Anhänger von Venizelos erheben gegen die revolutionären Beschlüsse Einspruch. Troß dieser Ereignisse

Ministerien. fammen.

herrscht volllommene Ordnung.

Norwegen.

Jn der gestrigen Sißung des Storthings brachte, wie „W. T. B.“ meldet, der Abgeordnete Vik einen Antrag ein, 6000 Kronen jährlich für ein Amundsen zu übertragendes außerordentlihes Professorat an der Universität zu be willigen. Der Antrag wurde dem Budgetausshuß überwiesen. Der Ministerpräsident Bratlie teilte mit, daß die Regierung

beabsichtige, in den nächsten Tagen einen Antrag auf Be- F

willigung eines Betrages für die Expedition Amundsens ein- zubringen, damit Amundsen in den Stand geseßt werde, das Ziel zu erreichen, das er sich von Anfang an geseßt habe, nämlich zum Nordpol vorzudringen.

Amerika.

Das amerikanische Repräsentantenhaus hat in F B.“ be- F

seiner gestrigen Sißzung laut Meldung des „W. T. \chlossen, das Justizdepartement aufzufordern, sich darüber zu äußern, ob es zurzeit eine Untersuchung der Verhältnisse des Smelter Trusts durhführe, ob die American Smelting and Refining Company damit in Verbindung stehe und ob gerichtliche Verfolgung gegen sie beabsichtigt sei.

- Nach amtlicher Feststellung sind, obiger Quelle zufolge, in Chile zur DeputiertenTammer 28 Konservative, 27 liberale Demokraten, 23 Radikale, 21 Liberale, 14 Nationale und 5 Demokraten gewählt worden.

Asien. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Peking if Tangschaoyi zum Premierminister ernannt worden.

Afrika.

Wie „W. T. B.“ aus Casablanca meldet, ist die Kolonne Brulard am 9. d. M. 20 km südlih von Manzi von aufrührerishen Zemmurs angegriffen worden, die den Marsch der Kolonne von 10 Uhr Morgens bis Nachmittags um 5 Uhr durch verschiedene Angriffe aufzuhalten versuchten. Der Feind wandte sih schließlich mit erheblichen Verlusten zur Flucht. und 19 verwundet, unter ihnen drei Offiziere.

Der „Agence Havas“ wird gemeldet, ein spanische Abteilung in das Gebiet der Ahlshirif

östlih von Elksar eingezogen sei, und daß dieser Stamm die

anderen Stämme der Umgegend zusammenberufen habe, um über ihr Verhalten gegen die Spanier zu beraten.

Nach Meldungen der „Agenzia Stef i rüdten vorgestern früh zwei Bataillone Jnfanterie und eine Batterie Gebirgsgeshüßze aus den italienishen Verschanzunge! vor, um eine Kompagnie Pioniere, die mit der Herstellung eine neuen Forts beschäftigt war, zu beshüßen. Gegen 10 Uhr b& merkten sie eine Karawane, der sie mit einigen Kanonenschü)jen \hwere Verluste beibrahten. Gegen Mittag näherten fi größere Massen von Türken und Arabern 4 km der Stelle, wo die anlagen begonnen hatten. Die Jtaliener eröffneten eln heftiges Geschüßfeuer und sogleih entstand ein erbitterter Kampf, in dem die Jnfanterie mit zwei erfolgreichen Bajonetb angriffen den Angriff des Feindes aufhielt, der den italienischen rechten Flügel einzuschließen versuchte. le Nachmittags 4 Uhr. Nach großen Verlusten begann der Feind sih zurückzuziehen, verfolgt von dem Feuer der Ztaliener. Eine Stunde später war er vollständig verschwunden. Die Jtaliener hatten 13 Tote, darunter einen Offizier, und 73 Verwundete, darunter 3 Offiziere.

Die gestern mitgeteilten Meldungen des Kommandanten der türkishen Truppen vor Benghasi werden von der „UAgenz!ä Stefani“ als unwahr bezeichnet.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Neis tags und der Bericht über die gestrige Sißzung des Herren hauses befinden sih in der Ersten Beilage.

Die Ein, i

Auf französisher Seite wurden zwei Mann? getöte! [i

daß eine M

ani“ aus Tobrut

bis auf F Ftaliener neue Befestigung®

Der Kampf dauerte bis |

Der Reichsta g wandte sich in der heuti 25 Sizung, welcher der Staatssekretär e Jnnern Be Berbeia beiwohnte, nahdem er auf Grund ¿Gleuniger Anträge ohne Debatte die Einstellung \chwebender Privatklage- bezw. Strafverfahren gegen die Abgg. Nowicki, Baudert Er: Trt C e As Interpellation des N en Stre inis ch- äli

fohlenrevier it im rheinisch-westfälischen

Auf die Frage des Präsidenten erklärte der Staats- sekretär Dr. Delbrü ck sih bereit, die Jnterpellation morgen zu beantworten. Damit ist der Gegenstand für heute erledigt.

Hierauf wandte sih das Haus der ersten Beratung des Nachtrags zum Reichshaushaltsetat für 1911 zu, durh den für die erste Einrichtung des Direktoriums der Reichsversiche- rungsanstalt für Angestellte (1 Präsident, 2 Direktoriums- P für den Monat März 1912 3488 4 gefordert werden. i

Als erster Redner ergriff der Abg. Molkenbu r (Soz. wirs V gas dessen Ausführungen morgen mitzeteil N werden.

(Schluß des Blattes.)

ie Das Paus der Abgeordneten nahm in der heutigen (35.) Sigung, welcher der Justizminister Dr. Beseler bei- wohnte, zunächst in erster und zweiter Beratung die Geseßz- entwürfe, betreffend die Aenderung der Amtsgericht s- bezirke Dirschau und Preußisch Stargard, Mewe und Neuenburg, Dorum und Geestemünde, Deutsch Krone und Jastrow sowie der Landgerichtsbezirke Duisburg und Kleve, ohne Debatte an. h

Bei der dann folgenden ersten Beratung des Gesegz- entwurfs, betreffend die Aenderung der Amtsgerich ts- bezirke Barten und Rastenburg, erhebt

Abg. Gyßli ng (fortshr. Volksp.) gegen die Borlage Bedenken im Interesse des Amtsgerichts Mastenburg, Von diesem follten mehrere Ortschaften mit 784 Seelen fortgenommen und dem ‘Umts- gericht Barten zugeshlagen werden, weil angebli das Amtsgericht Rastenburg überlastet sei. Es müsse aber geprüft werden, ob die Aenderung nicht besser dadur vorzunehmen sei, daß das nicht voll beschäftigte Amtsgeriht Barten ganz aufgehoben und dessen Bezirk dem Amtsgeriht Rastenburg zuges{lagen werde. Gr, der Redner, beantrage deshalb die Ueberweisung der Vorlage an die JIustiz- kommission.

Ein Regier ungskommissar empfiehlt] demgegenüber die un- veränderte Annahme der Vorlage.

Die Abgg. Krause - Waldenburg (freikons.) und Böhmer (konf.)

1

erklären für ihre Partei die Zustimmung zur Vorlage.

e Antrag Gyßling wird gegen die Stimmen der Freisinnigen, der Polen und eines Teils der Nationalliberalen abgelehnt und die Vorlage auch sofort in zweiter Lesung an- genommen.

Darauf wird die zweite Beratung des Staats haushalts- etaás für das Rechnungsjahr 1912 bei dem Etat des Herrenhauses fortgesetzt.

: Abg. Hoffmann (Soz.): Im vorigen Jahre ist \{hon darauf hingewiesen worden, wie ungeheuer der Etat des Herrenhauses durch die Kosten des sienographishen Berichts belastet ist. Nun sind ja (00 # abgestrihen worden, es fönnte aber noch viel mehr gespart werden, ohne daß die Stenographen darunter zu leiden hätten. Die Fama hat von einem ‘angedrohten Streik der Stenographen des errenhauses erzählt. Es wäre ja entieglich, wenn wir nit er- sühren, was die Herren drüben reden. Ich glaube, es ginge sehr gut, für beide Häuser des Landtags ein gemeinsames Stenogravhenbureau einzurichten. Für die Schreibdamen ist eine Pauschalsumme von 300 M ausgeworfen, und zwar, wie es heißt, durch Vermittlung eines Bureaus. Man sollte der Frage näher treten, ob diese Damen nit direkt engagiert werden können, ohne daß der Unterneh x er den LWwen- anteil einsteckt. Seit der vorigen Session sind uns aus dem Herren- hause Dinge bekannt geworden, die, wenn sie wahr wären, einfa sfkandalös wären. Wir hoffen in dieser Beziehung auf Abhilfe bon dem neuen Herrenhauspräsidenten; der verflossene Herrenhaus- präsident hatte zu viel mit Sozialistentöterei zu tun, als daß er fich viel um die Geschäfte des Herrenhauses hätte bekümmern können. Die beiden RNehnungsräte des Herrenhauses sollen ihre täglide Dienstzeit von sech8 Stunden dazu ausnußzen, die Arbeiten für das Staatshand- buch fertigzustellen und die Arbeiten für den Johanniterorden zu er- ledigen. Der Kalkulator benußte den größten Teil seiner Dienst- stunden dazu, für die Güterverwaltung des Herrn von Manteuffel schriftlihe Arbeiten auf Kosten der Steuerzahler zu leisten. Der Hautinspektor, der Hauswart, der Buchbinder und 6 Boten werden in jedem Jahre 100 Tage beurlaubt, um auf der Rennbahn des Unionklubs tätig fein zu können. Der Direktor des Herrenhauses hat durh Bearbeitung des Staatshandbuchs mehrere tausend Mark Neben- verdienst. Die Handbücher werden nah allen Gegenden Deutsch- lands vershickt und auf Kosten des Etats ungezählte Zentner Pack- papier ge\chlagen; dagegen müssen wir protestieren. Der Fahrstuhl des Herrenhauses sollte ursprünglich zur Beförderung der Speisen bis zum 2. Stock nach den Festsälen durchgeführt werden, jeßt ist er bis zum Boden durchgeführt, damit der Hausinspektor für seine Hühner, Tauben und Kaninhen auf dem Dach Futter hinaufshaffen kann. Der Fahrstuhl is also niht nur für die Azung . der Herrenhauëmitglieder, sondern auch für Karnickel und Tauben errihtet. Von angestellten Hausarbeitern werden eine größere Anzahl Fuhren Erde auf das Dach befördert, wo der Vausinsp ktor etnen umfangrcihen Semüsegarten besißt. Es if} gewiß erfreulih, daß neben der Viehzuht auch dafür gesorgt ist, daß Kohl im Herrenhaus gebaut wird. Es wäre kein un- berehtigtes Verlangen, daß auch wir den Herrenhausgarten benußten. Auf dem Dache des Herrenhauses ist ein Hühne:stall und Kanincen- behälter gebaut worden. Das is vom etatrehtlihen Standpunkte aus unzulässig und vom Sicherheitsstandpunkt aus gefährlih. Selbst wenn wir einmal dem Herrenhause auf das Dach stiegen, müssen wir doch dagegen protestieren, daß das Oberstübchen des Herrenhaus: s so be- denklich überlastet wird. Ferner soll dec Botenmeister und Hausinspektor, nicht der Direktor, die Anstellung und Entlassung des gesamten Personals besorgen. Das ist auch unzulässig; es wüd über ungeheure Willkür geSagt, Diener, die mehr als 4 Wochen krank sind, werden ent- assen, ohne daß se einer Krankenkasse angehören; das ist auch einmal wieder ein ‘Bewets Ihrer sozialen Fürsorge. Für eine gründ- lihe Neinmachung des Herrenhauses würden wir gern die not- wendigen Mittel bewilligen; wir würden uns \ogar per)önlih an einer solhen Kulturarbeit beteiligen. Man könnte fogar eine sehr gründliche Ausleerung des Herrenhauses vornehmen. Jedenfalls haben diese kleinen Proben gezeigt, daß das Herrenhaus selbst für Ordnung und Sauberkeit im eigenen Hause zu sorgen und \sich nidt um unsere Angelegenheiten zu {ümmern hätte. (Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Ich bitte Sie, eine Kritik des Herrenhauses zu unter- lass»n.) Wir wollen alles aufbieten, damit jenes Haus drüben, jenes Mausoleum, in dem die Herren beigeseßt werden, gründlich ausgelüftet und von der Grabetluft und dem Leichengeru jene ammer galvanisierter Leichen befreit wird. (Präsident: Ich rufe ie wegen der leßten Aeußerung zur Ordnung.)

Der Etat des Herrenhauses wird genehmigt. (Schluß des Blattes.)

KNoloniales.

Expedition nah dem Bezirk Finsch{hafen (Deutsh Neuguinea). h

Bezirksamtmann Berghausen hat im September und Oktober des verflossenen Jahres mit dem „Komct“ sich nah Finschhafen be- geben und fand dort die. ein halbes Jahr vorher eingeführte Organi- sation als noch fest gefügt bestehen. Die Eingeborenen hatten über 16 000 Palmen innerhalb von acht Monaten wirtshaftsgemäß an-

evflanzt, und man traf auf Kokospflanzungen in zusammenhängenden

lâhen bis zu 20 ha. ;

Das Vorkommen von Gold in dem ap siO und seinen Nebenflüssen hat bekanntlih in den leßten Jahren verschiedene Gold- sucher in die Gegend geführt. Sie wurden in ihrer Tätigkeit durch die unsicheren politishen Verhältnisse recht behindert; andererseits ist jedo festgestelt worden, daß einzelne der dort sitzenden Stämme seit langem von der Kopfjägerei abgelassen haben. An der Sicherung des Landfriedens hat die Neudettelsauer Mission besonteren Anteil. Durch ihre Kenntnis der Eingeborenensprahe hat sie mit den ein!elnen Stämmen Fühlung gewinnen und auf fie einwirken können.

,_ Die genannte Expedition hatte keinen Zusammenstoß mit den Eingeborenen, obwohl sie einige Farbige als Geiseln mitnahm; sie sollen in Jahresfrist nach Erlernung der Sprache, und nachdem sie die Niederlassungen der Weißen kennen gelernt haben, in ihre Dörfer zurückgesandt werden. Die Ermordung Dammköhlers konnte nicht geahndet werden, da das Mordlager noch mindestens 14 Tagemärsche weiter landeinwärts liegt. 2

In Heft 2 vom Jahrgang 1912 der ,Kolonialen Rund- \chau“ (Herausgeber: Ernst Vohsen, Schrifileiter: Professor D. Weslermann, Verlag von Dietrih Reimer, Berlin) behandelt der einleitende Aufsaß die Zustände im belgisben Congogebiet, wo nah wie vor die Ausübung etnes freien Handels infolge der hohen Staats- abgaben fast unmögli sei. Die Belasturg des Handels habe gegen früher nit ab-, sondern zugenommen. No heute sei der belgische Staat der Haupthandeltreibende im belgishen Congogebiet. Es wird deshalb die Einberufung einer zweiten Congokonferenz befürwortet, die hon Geheimer Rat Dr. Hans Meyer auf Grund der auf seiner leßten oftafrikanishen Reise gemachten Erfahrungen angeregt hat. Das gleiche Heft enthält ferner einen Aufsaß von Staatssekretär a. D. Dr. Dernburg über „östliche Wirtschaftsfragen“, in dem die wirtschaftlihe und koloniale Tätigkeit Japans und ihre Bedeutung [ur Handel und Industrie Deutschlands beleuchtet werden. Professor Dr. Martin Hartmann behandelt in einer längeren Studie „die Mission und die Kulturvölker Vorderasiens“.

Statistik und Volk3wirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung,

Zum Bergarbeiterausstand im Ruhrrevier (vgl. Nr. 64 d. Bl.) wird dem „W. T. B.* gemeldet, daß das Belegschafts- foll der gestrigen Früh- und Nacbmittogsshichten 306 819 Mann betrug, angefahren find 131221 Mann, sodaß 57,230%/ gefehlt haben. Diese Zahlen geben jedo kein genaues Bild, da die Nackt- {it nicht berüsichtigt ist. Im ganzen werden etwa 200000 Berg- leute im Ausstand stehen. Der Arbeiter-Dreibund berief auf Donnerstagvormittag eine große Streikversammlung nah dem Schüßenhof in Bochum ein. Die Lage im Aus stands- gebiet hat sich infofern wesentliß geändert, als es vielfach bei der Einfahrt der vorgestrigen Mittags- und der gestrigen Frühshicht zu Unruhen gekommen ist, wobei die Schußt- mannschaften verschiedentlch vom Säbel Gebrauch machten. Die Arbeitswilligen werden vielfah verhöhnt, auch tätlich angegriffen, worüber eine ganze Reihe von Meldungen vor- liegt. Während stellenweise infolge dieser Vorgänge die Zahl der Ausständigen borgen erheblich wuchs, zeigte sich bei der Frühshiht ketne wesentliche zermehrung der Streikenden gegenüber vorgestern. Auf einzelnen Zechen ist die Frühshiht vollständig angefahren, auf anderen die Zahl der Arbeitenden sogar gestiegen, wobei es {ih um Zechen handelt, dite abseits vom Unruhegebiet liegen. Angesichts der b ä ufigen Gewalttaten wird in einer größeren Zahl der den Arbeitern nahestehenden Zeitungen militärisher Schuß gefordert. Die Zechenverwaltungen sind teilweise dazu übergegangen, die Früh- und Mittagsschicht zusammenzulegen. Nach Zeitungêmeldungen sind die Vertreter der nationalen Bergarbeitervereine in Essen zu- sammengetreten, um über die durch ten Ausstand geshaffene Lage zu beraten. Es wurde anerkannt, daß die Behörde große Vorkehrungen zum Schuße der Arbeitswilligen getroffen hat, doch wurde betont, daß der Schuß niht in der richtigen Form aus- geübt werde. Es sei notwendig, daß die Eingänge zu den Zechen von größeren Menschenansammlungen fret- gehalten würden, damit die Arbeitswilligen leichter zu ihren Arbeits- stätten gelangen könnten. Die Versammlung beaustragte sechs Mit- glieder, bei dem Essener Polizeipräsidenten die Wünsche der Berg- arbeitervereine vorzutragen. Es wird mitgeteilt, daß auf der Zeche „Neumühl“, „Deutscher Kaiser“ und , Westende“ gestern bei der Einfahrt große Massenansammlungen stattfanden. Ein Vertrauensmann des Christlißhen Gewerkvereins aus Lierich namens Friege, der auf der Zehe „Neumühl“ beschäftigt ist und zur Arbeit gehen wollte, wurde von der Menge hohgehoben und umhergetragen, wobei man rief: „Hoch der Streikbreher*. Auf der Zehe „Vondern“* wurden in der Nacht zum Dienstag aht bis zehn Arbeitern, die eingefahren waren, die Kleider und Stiefel zershnitten. Die christ- lihen Gewerfshaften haben sich unter diefen Umständen an die Behörden um besseren Schuß der Arbeitswilligen gewandt. In der Kolonie Dellwig der „Gute Hoffnungs-Hütte“ wurden Arbeitswillige von Frauen der Streikenden mit Steinen beworfen. Auf der Zeche „Brassert*“ in Marl wurde ein Arbeitswilliger in der Kantine von Streikenden überfallen und so zugerihtet, daß er dem Krankenhause zugeführt werden mußte. Ein anderer Arbeitswilliger wurde in seiner Wohnung von den Mitbewohnern überfallen und gleichfalls so mißhandelt, daß er in das Krankenhaus gebracht werden mußte. Zu \chweren Ausschreitungen kam es gestern abend in Dbermarxloh. Als eine Anzahl Arbeitswilliger von einem Polizeiaufgebot nah den Wohnungen begleitet wurde, entwidelte sch ein Kampf zwischen Streikenden und Polizei- mannshaften. Auh heute wurde die Polizei mit Steinen beworfen, und aus den Fenstern der Häuser wurden etwa 200 Shüsse auf sie abgegeben. Die Ladenbesiger sahen fich ge- ¿wungen, ihre Läden zu verbarrikadieren. Der Mob zertrümmerte die Straßenlaternen. Eine Laterne wurde umgeworfen und das ausströmende Gas angezündet. Erst nach mehreren Zusammen- stößen gelang es der Polizei, die Ruhe wieder berzustellen. Viele Polizeibeamte, unter ihnen zwei Kommissare, wurden dur ch Steinwürfe erheblich verleßt. Unter den Verleßzten be- findet sih auch ein zehnjährigec Knabe. Im Laufe des Nach- mittags weilte der Negterungspräsident Dr. Kruse aus Düssel- dorf auf dem Scauplaße der gestrigen Krawalle. In einer außerordentlichen dringenden Stadtverordnetenver- sammlung in Hamborn wurde bes{lossen, zu gestatten, daß für die Dauer des Ausstands die Gewerkschaft „Deutscher Kaiser“ eine Shußwehr von 52 Mann und die Zeche „Neumühl“ eine folhe von 22 Mann einrihtet, die aus Beamten der Gewerkschaft „Deutscher Kaiser“ gebildet wird. Die Schupwehren baben Polizeirechte und werden mit Pistolen und Polizeiknütteln ausge- statt. t. Jhre Aufgabe ist es, die Zechenanlagen und Arbeitswillize zu {hüßen, doch sollen fie nur mit Polizeibeamten auftreten. Im Laufe des Nachmittags wurden wiederum zahlreiche Verhaftungen vor- genommen. Von einer Heranziehung der Düsseldorfer Ulanen ist vorläufig Abstand genommen worden. Die Ham- borner Polizei ist durch ein zweites Gendarmerieaufgebot und durch Polizeibeamte aus den größeren Städten des Rbein-

landes verstärkt worden. Heute vormitiag war glles ruhig.

Aus Herne wird gemeldet: Als heute früh ein Schubßmannsaufgebot unter Leitung eines. Kommissars nah beendeter Einfahrt auf Zehe „Shamrock“ nah Zeche „Julia“ marschierte, wurde es auf der Nottbruchstraße von einer Menge Streikender mit Steinen beworfen und beschossen. Die Schugleute erwiderten das Feuer; ein Streikender wurde durch einen Schuß in den Kopf getötet. Vor den Zechen, die im Stadtgebiet Dortmund liegen, kam es ebenfalls beim Schicht- wechsel zu Ausschreitungen.

Aus St. Avold wird dem „W. T. B.“ gemeldet: Auf der Grube „Merlenbach* der Saar- und Mosel-Bergwerks- gesellschaft ist plöglih der Ausstand ausgebrohen. Gestern mittag sind von den rund 700 Mann der Belegschaft der Grube 50 angefahren. Die Streikenden, die ohne Kündigung die Arbeit nieder- gelegt haben, stellen die gleihen Forderungen wie die Arbeiter des Ruhrbezirks. In den sonstigen Gruben des Bezuks ist alles angefahren.

Der Arbeitgeberverband für das Scneidergewerbe, Ortsgruppe Cöln, beshloß, wie die „Rhein.-Westf. Ztg.* erfährt, die am Sonnabend ausgesperrten unorganisierten Schneider - gehilfen zum Teil wieder in Arbeit zu nehmen. Der Beschluß des Hauptverbands, auch die Gehilfen der Damen - \chnetidereien au8zusperren, wurde dort niht durchgeführt.

__ Aus Prag wird dem „W. T. B.“ gemeltet, daß nunmehr auch die deutsch-nationalen Bergarbeiter, deren Vertretung im Neichsrate eine Interpellation wegen der Auéstandsgefahr im Nordwestrevier mit dem Verlangen noch einer Lohnerhöhung ein- gebracht hat, eine Versammlung zur Beratung der Streikfrage auf den nächsten Sonntag einberufen hat. Ebenfo verfuhren die Berg - A Nane S O SE

Zum Ausstand der eng en Bergarbeiter (vgl. Nr. 64 d. Bl.) wird dem „W. T. B.* aus London gemeldet, daß die Be- ratung der Vertreter der Grubenbesigzer und der Bergarbeiter, die geftern unter dem Vorsiß des Premierministers Aéquith im Auswärtigen Amte stattfand, nach dreieinhalbstündiger Dauer auf heute vertagt worden ist. Eine Mitteilung über den Verlauf der Verhandlungen ift nit erfolgt.

Nach der Beendigung des vierundzwanzigstündigen Ausstands ift gestern, wie ,„W. T. B.“ erfährt, die Arbeit in den französischen Bergwerken überall wieder aufgenommen worden.

Infolge der Bergarbeiterausstärde in Deutschland und Eng- land hat au, wie dem „W. T. B.“ aus Brüssel berichtet wird, unter den belgishen Grubenarbeitern eine Gârung begonnen, weshalb der Nationalausschuß des Bundes der Berg- leute gestern zusammengetreten ist und beschlossen hat, die Fragen einer Mindestlöhnung, einer Lobnerhöhung um 15% und der Anerkennung des Bundes den vier Nevierversammlungen für Sonntag zur getrennten Beschlußfassung vorzulegen. Eine allgemeine Ver- jammlung soll am 24. März in Brüssel zusammentreten, um end- gültig über die zu treffenden Maßnahmen Beschluß zu fassen.

__ Unter den Dockarbeitern Gents bra, der „Köln. Ztg.“ zu- folge, am 11. d. M. ein Ausstand aus. Die Feiernden verlangen eine Lohnerhöhung von 1 Fr. für den Tag. ¿

(Weitere „Statistishe Nachribten" \. i. d. Zweiten Beilage.)

Wohlfahrtspflege.

„Zur Errichtung eines Feuerwehr-Erholungsheims erläßt ein Ausf{chuß einen Aufruf, in dem es u. a. beißt: „Auch in unseren Tagen ist der Beruf des Feuerwehrmannes troy aller Fort- schritte der gefahrvollsten einer, und die „Ebrentafeln* der Wehren füllen fih mit den Namen mutiger Opfer. Aber noch weit größer ift die Zahl derer, die bei dem Rettungswerke wenn nicht ihr Leben, so doch ihre Gesundheit einbüßen! Da hbelfend und lindernd einzugreifen, ist eine \höône und edle Pfliht. Gar mandther, der ohne forgíame Pflege, ohne die Möglichkeit eiter Erholung in gesunder Luft dahin- sieht, könnte den Seinen, könnte seinem Berufe erbalten bleiben, wäre eine Stätte vorhanden, die ibm Genesung verschaft. Und wie man seit langem {on für andere Berufe Erholungssiätten geschaffen hat, in denen der Kranke, befreit von allen Sorgen, in freier Natur gesundet, so follte auch den preußischen Feuerwebren ein folhes Heim nit fehlen, als Anerkennung für treue Pflichterfüllurg in ihrem {weren Berufe. Zu diesem Zwecke hat si eine Anzahl Männer und Frauen aus allen Ständen zusammengefunden, um die geseßlich gebundene Fürsorge durch die Gründung eines Feuerwehr- erholungsheims zu ergänzen. Zwei Gönner haben bereits ein in wald- reicher Gegend {ön gelegenes, zwölf Morgen großes Gelände geschenkt. Es gilt nun die Mittel für den Bau und für die Erhaltung des Heims zusammenzubringen. Oft baben unsere Mitbürger bewiesen, daß sie gegenüber den wirklihen Bedürfnissen unserer Zeit ein offenes Herz und eine ofene Hand haben; um fo mehr dürfen wir auf ein allgemeines Entgegenkommen rechnen, wo es sich um die Fürsorge für eine der volkstümlihsten und \egenêreihsten Einrihtungen unseres Vaterlandes handelt. Wir haben somit die gute Zuversicht, daß für unsere braven Feuerwehrleute jeder sein Scherflein mit Freuden geben werde; auch die fTleinste Zuwendung ist uns willkommen. Beiträge nimmt das Bankhaus Jacquier u. Securius, Berlin C 2, An der Stehbahn 3/4 (Postscheckonto Berlin Nr. 2224), entgegen. N

Kunst und Wifseuschaft.

Die diesjährige Generalversammlung der deutschen Shakespeare-Gesellshaft findet am 23. April im großen Armbrustsaale zu Weimar statt. Auf der Tagesordnung stehen die Erstattung des Jahresberihts durch den Präsidenten Professor Dr. Aloys Brandl, ein Festvortrag des Professors Dr. Geor Sarrazin von der Universität Breslau über „Shakespeare und deu Ma water und ein Vortrag des Dr. Paul Wisélicenns über die „Darmstädter Totenmaske des Dichters“. Am 23. April wird auf dem Hoftheater der „Hamlet* mit neuer Ausstattung auf einer stilisierten Bühne gespielt werden.

Die Geographische Gesellschaft in Christiania hat die angekündigte

Aufforderung an das n orwegishe Volk erlassen, Beiträge für Amundsens Nordpolexpedition zu zeichnen. _ Das Sthiff „Aurora* der antarktishen Erpedition Mawsons ist, «W. T. B.* zufclge, in Hobart angekommen, nahdem es die Expedition in der Antarktis gelandet bat. Die Ex- pedition fand keine Spur der Küste von Clarielond; sie hatte den Eindruck, daß das sogenannte Clarieland eine Eisschanze gewesen ift, die seit der Entdeckung durch Dumont d'Urville im Jahre 1838 auf- gebrochen is. Die „Aurora“ wird im Frühjahr na der Antarktis zurüdckehren.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Oesterr eickch.

Die K. K. Seebehörde tin Triest hat unterm 4. d. M. verfü daß, nachdem das Auftreten der Pest in Durban (Natal) amtli per e ist, die Herkünfte von dort na den Bestimmungen des eebehördlihen Rur dschreibens vom 12. August 1904 zu Sefaiithe sind. (Vgl. „Reich2anzeiger“ vom 1. Dezember 1904, Nr. 283.)

Türkei.

Der internationale Gesundheitêrat in Konstantinopel bat die für die Herkünfte von Mersina und von Yemen angeordnete ärztliche Untersuchung wieder aufgehoben.

Nah einer Mitteil v Realen in Kalk

ah einer ellung der Regierung in Kalkutta vom 17. bruar d. I. sind in den Häfen von Orissa gegen die Aa Hongkong und Bushire ankommenden Schiffe, wegen der daselbst herrshenden Pest, Quarantänemaßregeln an-

geordnet worden.