1912 / 67 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

treter keines Staats verdrofsen abseits fden würden, \ondern daß das gefamte n in bewährtec vaterlandsliebender Opferwilligkeit die mit den Wehrvorlagen verbundenen Lebensinteressen der Monarchie ge- bührend würdigen werde.

Der Landesverteidigungsminister Georgi betonte hierauf die drin- gende Notwendigkeit der Wehrreform zur Ausgestaltung der Wehrmacht und der unerläßlihen bedeutenden Erhöhung des Rekrutenkontingents und hob hervor, daß hinsihtlich der Dienstpflichterleihterungen der Entwurf von keinem Nene gele der anderen Großmächte übertroffen werde. Die Völker esterreih - Ungarns wollten keinen Krieg, dürften aber einen àäufgezwungenen nicht zu scheuen brauchen und im Verein mit den treuen Verbündeten den gewünschten Frieden Dcs und erhalten können. Die Vorlage sei finanziell durhführbar , die neue Miltïtärstrafprozeßordnung entsprehe den modernen Prinzipien; er bitte um eine sachliche Würdigung und rascheste Erledigung der Vorlagen.

Großbritannien und Frland.

_Nach dem ba 4: i g dia Plan wird der Erste Lord der Admiralität Church ill den Marineetat am 18. d. M. im Unterhause einbringen, falls nicht die durch den Ausstand in der Kohlenindustrie geschaffene Lage eine Aenderung dieses Planes erforderlih macht

Jm Unterhause fragte gestern der konservative Abgeordnete Fell an, ob die im Namen einiger Großmächte der hinesishen Regierung durch die Banken ge- leisteten Vorschüsse die Billigung der britischen Regierung gefunden hätten, und ob die Regierung in dieser Hinsicht irgend welche Verpflichtungen übernommen habe.

Wie „W. T. B.“ meldet, erklärte der Staatssekretär des Aus- wärtigen Amtes Grey, indem er den ersten Teil der Anfrage bejahte, daß die Regierung ketne Haftung für diese Vorschüsse über- nommen habe. Sie habe aber die daran beteiligten englishen Finanz- gruppen dahin verständigt, daß, falls Schwierigkeiten über die Rück- zahlung entstehen sollten, fie sich der Unterstüßung der englischen Regierung versichert halten könnten.

Frankreich.

Die deutsch-französischen Abkommen vom 4. No- vember 1911 sind gestern im Amtsblatt veröffentliht worden.

Der Ministerrat beriet gestern über die Haltung, die die Regierung bei der Beratung der Jnterpellationen über Marokko einnehmen solle. Wie „W. T. B.“ meldet, erklärte sih der Justizminister Briand, der der Kammer eine tat- sächliche Berichtigung geben wollte, bereit, auf das Wort zu verzichten, um rückschauende Erörterungen zu vermeiden. Der .Ministerpräsident Poincaré wird im Namen der Regierung eine Erklärung abgeben.

Rußland.

Wie der St. Petersburger Telegraphenangentur aus Paris gemeldet wird, ist an die russishen Bankiers die Aufforderung zur Beteiligung an den Vorschüssen gerichtet worden, die von seiten des englisch-französisch-deutsh-amerikanischen Konsortiums der vorläufigen chinesishen Regierung ge- leistet werden. Die russishe Regierung willige in eine Teil- nahme der russischen Bankhäuser an diesem Finanzunternehmen, jedoch unter der Bedingung, daß es als ein von den gemein- samen chinesischen Anleihen unabhängiges Unternehmen betrachtet werde und daß die Mächte sofort mit einander in Unterhandlungen über die Ausführungsbedingungen dieser Anleihen treten. Die russische Regierung \{chlägt vor, daß vor Abschluß der erwähnten Unterhandlungen Vorschüsse an China nur auf Grund eines Uebereinkommens der interessierten Mächte erteilt werden.

: In der gestrigen Sißung der Reichsduma ant- wortete der Ministerpräsident Kokowzow einer Reihe von Oppositionsrednern, die die Regierung scharf angegriffen hatten, E er laut Bericht des „W. T. B.“ unter anderem aus- führte :

E Es sei grundfalsch, zu behaupten, daß die Regierung die Schaffenskraft des Volkes beenge und die Volksseele verderbe. Würde die Regierung die Schaffenskraft des Volkes beengen, so würde das Reichsbudget nicht drei Milliarden übersteigen und eine jährliche Steigerung der Einnahmen um viele Millionen aufweisen. Das russische Volk werde demjenigen folgen, dem es dur historishe Schicksale zu folgen gezwungen sei. Der Weg, auf den es die Opposition führen wolle, gehe über Wiborg durch Mordbrennereien zur Zwangsenteignung des Land- besißes. Das russische Volk habe diesen Weg nicht eingeschlagen, weil es wisse, daß es einen Führer habe, der es durch die ganze russische Geschichte geführt habe. Am Vorabend des Jubiläums des Be- freiungskrieges von 1812 und der 300jährigen Negierung des Hauses Romanow möge die Opposition niht im Namen des russischen Volkes reden, denn sie habe dazu keine Vollmacht. Das russishe Volk werde dem russishen Zaren folgen, der es zur Arbeit, zur Ordnung und zum Ruhme führen werde.

Jtalien.

Jn Nom und in allen Städten des Landes haben gestern nah Meldungen des „W. T. B.“ großartige loyale Kund- gebungen stattgefunden, aus denen hervorgeht, wie allgemein die Erregung Über den verbrecherischen Anschlag auf den König Victor Emanuel und die Freude über seine Erreitung ist. Alle Zeitungen bringen Artikel, in denen die Herrschereigen- schaften des Königs hervorgehoben werden und das empörende Attentat gebrandmarkt wird. Aus allen Teilen Jtaliens wie aus dem Auslande erhält der König tausende von Depeschen. Nach der Nückkehr des Königspaares vom Pantheon in den Quirinal begab sich der Ministerpräsident Giolitti in den Palast, um den König zu beglücckwünschen. Als Doyen des diplomatischen Korps über- mittelte der französishe Botschafter dem Zeremonienmeister Glüdckwünshe für den König im Namen des diplomatischen Korps. Der Papst gab gleichfalls seinem tiefen Schmerz über den Anschlag auf den König Ausdruck. Die im Quirinal aus- gelegten Listen find mit Unterschriften der Minister, der Bot- schafter und Gesandten, der hohen Beamten und Parlamentarier sowie vieler Bürger bedeckckt.

In der Deputiertenkammer, deren Tribünen überfüllt waren, berichtete der Ministerpräsident Giolitti, der mit sämtlichen Ministern erschienen war, zu Beginn der gestrigen Sizung dem Hause, das sich erhoben hatte, über das Attentat und erwähnte dabei auch die Vorstrafen des Urhebers, der u. a. wegen Mißhandlung seiner Eltern bestraft sei. Zum Heile Zialiens habe Gott das Leben des vielgeliebten Herrsherpaares bewahrt, dessen Charaktereigenshaften und Tugenden von der ganzen Nation bewundert würden. (Einstimmiger, lang andauernder Beifall, auch auf der Linken. Wiederholte Rufe: Es lebe der König! Die Tribünen {lossen sich der Kund- gebung der Kammer an.)

Darauf ergriff der Kammerpräsfivent Marcora das Wort und sagte. er habe vem König sofort die tiefgefühltesten Glücfkwünsde und- die Entristung der Kammer und des Landes, dessen getreuer Dolmetsch die Kammer sei, zum Ausdruck gehracht. Er wiederhole vor der ge-

treue Gefährtin des Königs gewesen set, und der Königin-Witwe. Mar- cora {loß mit einer Wiederholung der Worte, die der König am Tage seiner Eidesleistung als Souverän gesprochen, daß sein erster Gedanke dem Volke geltè und daß er Gott zum Zeugen anrufe, daß er dem Wohl des Vaterlandes seine eigene Person, fein Herz und seinen Geist zur Verfügung telle. (Andauernder Beifall.) Das älteste Mitglied der Kammer Lacava gab der Entrüstung über das Attentat Ausdruck und {lug vor, die Kammer solle sich noch heute in COTPOre in den Quirinal begeben, um die Ergriffenheit der ganzen Nation zum Ausdruck zu bringen und gerade jeßt ihre Anhänglichkeit und Ergebenheit gegen den König und die Königin zu versihern. Sonnino äußerte ebenfalls Abscheu und Entrüstung über das Attentat gegen die Perfon des Königs, dem man die größte Ehrerbietung schulde, gerade in einem Augenblick, wo Tausende von Brüdern ihr Leben für die Ehre der Fahne in. die Schanze s{hlügen. Der Redner forderte sodann auf, fih um \o einiger um den Thron zu s{haren, und wünschte, daß diese Shande wieder gutgemaht werde durch ver- doppelte Anstrengungen, das Vaterland stärker und gesitteter zu machen. Er bitte Gott, daß der König seinem Lande noh lange Jahre erhalten bleiben möge, und erinnerte daran, daß der König in seiner ersten Rede vor der Kammer zur Eintraht von Monarchie und Parlament für den Fortschritt des Landes aufgefordert habe. Er {ließe si voll dem Vorschlage Lacayas an. (Lebhafter, zustimmender Beifall.) Darauf erklärte Pantano S E wegen der großen Güte und hohen Wetsheit des Monarchen hätte er niemals denken können, daß ein Italiener seine Hand gegen seinen König bewaffnen könne. Diese Tat könne nur die Tat eines Irsinnigen sein. Im Namen aller seiner Freunde der Linken {ließe er sich den Worten der Vorredner an. (Lebhafter Beifall.)

Der Vorschlag Lacavas wurde einstimmig durch Akkla- mation angenommen und die Sißung auf heute vertagt.

Im Senat wurde des Königs und der Königin in ähn- liher Weise gedacht wie in der Kammer.

Der Ministerpräsident Giolitti und der Präsident Manfredi gaben ihrer Entrüstung über die Tat und ihren Glückwünschen für das Herrscherpaar Ausdruck und die Senatoren brachen in endlose Hochrufe ‘auf die Majestäten und das Haus Savoyen aus. Der Bot- schafter in Paris Tittoni wies in seiner Eigenschaft. als Vertreter Italiens im Auslande darauf hin, daß von überallher italienische Herzen auch jenseits der Gebirge und Meere in einem Geiste und Sinne mit den Bewohnern Italiens Grüße der Ergebenheit und Liebe an den König und die Königin richteten.

Am Nachmittag wurden die Läden geschlossen und der öffentliche Verkehr eingestellt, um einer großartigen Volks- kundgebung Raum zu schaffen, die sih vor dem Parlament, wo der Präsident Marcora eine mit brausendem Beifall auf- genommene Ansprache hielt, und vor dem Quirinal vollzog. Als der König und die Königin mit den kleinen Prinzen und der Prinzessin Giovanna auf dem Balkon des Palastes er- schienen, brach die gewaltige Volksmenge in begeisterte, niht endenwollende Hochrufe aus. Um 3/5 Uhr er- shienen die Deputierten in feierlihem Zuge, an der Spiße der Kammerpräsident sowie der Ministerpräsident Giolitti mit den Ministern und Unterstaatssekretären. Unter den Abgeordneten bemerkte man auch die Sozialisten Bissolati, Bonomi und Cabrini sowie den Republikaner Bellacqua. Die Minister und Deputierten betraten gemeinsam mit den Senatoren, die gleichfalls erschienen waren, den Thronsaal des Quirinals, wo die Präsidenten des Senats und der Kammer den König und die Königin beglückwünschten. Die Majestäten drückten ihre tiefe Dankbarkeit für die Kundgebungen der Deputierten und der Senatoren sowie der römischen Bevölkerung aus. Beim Verlassen des Saales brachten die Deputierten ünd Senatoren ein dreifahes Hoch auf den König und die Königin aus. Große Volksmassen füllten bis zum Abend den Plaß vor dem Quirinal und gaben ihrer Freude über die Errettung des Königspaares in immer neuen, lebhaften Kundgebungen Ausdruck. Der König und die Königin mußten sih mehrmals auf dem Balkon zeigen, jedesmal von stürmischen Huldigungen begrüßt.

Der von dem Attentäter Dalba verwundete Major Lang ist gestern abend operiert worden. Die Kugel, die ihn getroffen hatte, ist entfernt; sein Befinden ist zufriedenstellend.

Jn einer Note der „Agenzia Stefani“ wird erklärt, daß alle Nachrichten, die von Zeitungen über das Verhör des Dalba veröffentliht werden, nicht glaubwürdig sind, weil die Unter- suhung dem Geseze gemäß geheim ist.

Spanien.

Der spanische Minister des Aeußern Garcia Prieto und der französishe Botschafter Geoffray hatten gestern eine neue Zusammenkunft.

Amerika.

Das amerikanische Repräsentantenhaus hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, den von dem Senatsausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten entworfenen Antrag angenommen, der den Präsidenten ermächtigt, die Ausfuhr von Waffen nah Mexiko zu verbieten. ;

Nach Blättermeldungen aus Asuncion haben die Revolutionäre ein Abkommen unterzeichnet, das dem Bürgerkrieg ein Ende macht.

Afrika.

Wie vom „W. T. B.“ aus Tunis gemeldet. wird, hat der Generalresident energische Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Nuhe getroffen, die durch die Feindseligkeiten zwischen den Eingeborenen und den Jtalienern in wahsendem Maße gefährdet ist. Er ließ die sieben panislamitischen Urheber des gegen die Straßenbahnbediensteten gerichteten Boykotts festnehmen, drei von ihnen ins Gefängnis bringen und vier ausweisen. Außerdem wurde gegen sieben- Jtaliener ein Ausweisungsbefehl erlassen. Der Befehlshaber der Besaßzungs- truppen, Céaoral Pistor lud auf Grund der ihm durch den Belagerungszustand zustehenden Befugnisse den Herausgeber des Blattes „La Tunésienne française“ wegen eines gegen die Araber gerichteten heftigen Artikels vor und erteilte ihm eine nachdrücklihe Verwarnung.

Meldungen der „Agenzia Stefani“ zufolge seßten die italienishen Truppen am 12. d. M. ihre Arbeiten auf dem Hauptplateau bei Tobruk fort, ohne vom Feinde behindert zu werden, der sich in großer Entfernung hielt. Mitteilungen, die an das Kommando gelangt sind, bestätigen, daß der Feind in dem Kampfe vom 11. d. M., an dem er in einer Stärke von 5000 Mann mit zahlreichen regulären türkischen Soldaten teilnahm, {were Verluste hatte.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sißzung des Reichs- tags und der Bericht über die gestrige Sißung des Hauses der Abgeordneten befinden sih in der Ersten und Zweiten

samten zivilifiecten Welt die Huldigung der Kammer vor dem Hause Savoyen, dem König, der Königin, die anch bet dieser Gelegenheit die

Beilage.

Die heutige (27.) Sißung des Reichstags, wel der Staatssekretär des Jnnern Dr. Delbrück ba bute, Fer öffnete der Präsident Dr. Kaempf mit der Verlesung dex folgenden Depesche, die er von dem Präsidenten der italienischen Deputiertenkammer Marcora erhalten hat:

__ Ich mache mich zum getreuen Dolmetsh der Gedanken der italienischen Deputiertenkammer, indem ih Jhnen hierdurch den leb, haftesten Dank für die herzliche Kundgebung des Neichstags anläßlih des fluchwürdigen Attentats aussprehe, eine Kundgebung, die die gegenseitigen Gefühle der Sympathie zwishen beiden Völkern von neuem befkräftigt.

Von dem preußischen Kriegsminister, General der Infanterie von M RgeN ift folgendes Schreiben eingegangen : ie mir soeben aus „Oldenbergs Korrespondenz“ bekannt ge- worden ist, hat der Herr Abg. Südekum in der Sitzung des Netchs, tags vom 12. d. M. gelegentlih einer Erörterung über Betätigung vex Een Beamten im Privatdienst u. a. folgendes aus- geführt :

„Es handelt sich hier eben weit mehr um eine Moral- als um eine Taktfrage. Es zeigt sich in diesen Dingen eine Larxheit der Gesinnung, die wir aufs allerenergishste bekämpfen müssen. Wenn wir erleben müssen, daß der Präses der Artillerieprüfungskommission einen Sohn bei derjenigen Firma hat, mit der er amtlich das ganze Jahr zu tun hat, so ist das außerordentlih bedenklich."

Nach meinen sofort eingeleiteten Ermittlungen hat der Präses der Artillerieprüfungskommission, Generalmajor Sieger, nur einen Sohn, der gegenwärtig als Leutnant im JInfanterieregiment Nr. 117 dient. Auch auf den vorigen Präses der Artillerieprüfungskommission General der Artillerie Kehrer, der vom 19. 8. 1903 ab diese Stelle innehatte, trifft nach meinen Ermittlungen die von dem Herrn Abg. Südekum gemachte Ausführung in keiner Weise zu. Ih beshränke mich darauf, festzustellen, daß die Behauptung des Abg, Südekum den Tatsachen nicht entspricht.

Da ih in nächster Zeit nicht die Gelegenheit haben werde, inner- halb der Tagesordnung die Behauptung richtigzustellen, darf ih Euer Hochwohlgeboren das hierfür geeignet Erscheinende ganz ergebenst an- heimstellen.

Berlin, 13. März 1912. (gez.) von Heeringen.

Abg. Dr. Südekum (Soz.): Ih würde sehr bedauern, bei meinen Bemerkungen über diese Angelegenheit das Opfer einer falschen Information oder einer Personenverwechslung geworden zu sein. Den Sachverhalt festzustellen, wird die Beratung des Militäretats Ge- legenheit bieten; ih werde dann darauf zurückommen.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten seßte in der heutigen (37.) Sißung zunächst die gestern abgebrochene Besprechung des C der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse ort.

Abg. Graf von der Groeben (kons.): Ich bin gestern mtß- verstanden worden. Ich habe nit gesagt, ih wolle mit Nückichckt auf die Geschäftslage des Hauses niht auf den Streit zwiscken der Landwirtschaftlichen Zentraldarlehnskasse und der Preußenkasse cein- gehen, fondern ih babe nur gänz allgemein gesagt, daß ih mtch mit Rüdsiht auf die Geschäftslage kurz fassen wolle, und meine Be- merkung am Schluß, daß ih auf diesen Streit niht eingehen wolle, hatte gar keine Beziehung zu der Nücksichtnahme auf die Geschäftslage.

Abg. Dr. Faßbender (Zentr.): Bei dem Streit zwischen der Preußenkasse und der Naiffeisenshen Zentraldarlehnskasse handelt es ih im Grunde nicht um persönliche, fondern um grund\äßlihe Aus- einanderseßzungen. Ih bin mit dem Abg. Crüger darin einver- standen, daß freie Selbstverwaltung im Genosseuschaftswesen herrshen muß. Wenn aber behauptet wird, daß es si bei dem Streit um eine Erdrosselung der Naiffeisenshen Organisation handle, daß die Preußenkasse ihre Macht zu einer Zentralisierung und zu einer bureaufiatishen Bevormundung benute, daß es sih mit einem Wort bei diesen Vorgängen um den Versuch einer Verstaatlichung des Genossenschaftswe)1ens handle, so muß man si vor allem klar machen, was mit diesem Schlagwort ,Verstaatlihung“ eigentli gemeint ist. Darunter versteht man in der Presse und in den sonstigen Erörte- rungen namentlich zwei Momente, die die Verstaatlihung zum Ausdruck bringen sollen: einmal eine unberechtigte Ausdehnung der Revision der Verbandskassen und sodann eine Einwirkung auf die Ausgestaltung der Organisation. Nun kann aber kein Institut der Welt darauf verzichten, sih durch eigene Einsihtnahme von dem Stand der Unter- nehmungen zu überzeugen, denen es Kredit gewähren soll, und dazu muß auch die Preußenkasse berechtigt sein. Was die Organi- sation betrifft, so handelt es sich bei der Preußenkasse, die nur mit den Verbandskassen arbeitet, um eine Dezentralisation, bei der Zentraldarlehnskasse, der die einzelnen Genossenschaften angeshlossen sind, um eine Zentralisation; aber die Meinung, daß gerade dfe Zentraldarlehnskasse vermöge ihrer Zentralisation eber geetgnet sei, Verstaatlihungégelüsten der Preußenkasse entgegenzutreten, erscheint mir doch unberehtigt. Das Genossenschaftswesen follte über- haupt durch solhe Erörterungen nicht geshädigt werden. Schädlich ist es bisher gewesen, daß man einen zu ftarken Dogmatismus gepflegt bat. Vor allem steht die zentralisierte Verwaltung im Widerspruch mit dem den Genossenschaften zukommenden Recht der Selbstbestimmung und Selbstverwaltung sowie mit ihrer Selbstverantwortung; dazu kommen noch die in der Haftpfli4t statuierten Gesfellshaftspflihten. Zentralisation muß notwendig die Quelle des Bureaukratismus werden. Bet der Ueberschreitung eines gewissen lokalea und materiellen Umfangs verlieren die Spißen den Kontakt mit der Peripherie. In den Staats- wie in den Kommunalbetrieben suhen wir doch heute das Gebiet der Selbst- verwaltung zu erweitern; follen wir diesem Zuge der Zeit niht auch im Genossenshaftswesen Rechnung tragen? Neben der Zentralisation kommt noch die bisher überhaupt tn Genossenschafts- kreisen viel zu wenig beahtete Frage der Liquidität in Betracht. Die landrwotrtschaftlihen Kreditgenossenshaften arbeiten mit 16(0 Millionen fremder Gelder, da hat doch die Frage der Anlegung eine folossale Bedeutung. Nun verweist man darauf, daß bei den land- wirtichaftlihen Kreditgenossenshaften diese fremden Gelder nit zurückgezogen würden, man beruft sih also auf das Vertrauen. Ge- gewiß ist dieses vorhand n, aber die Nichtmitglieder werden doch immerhin, wenn auf dem Geldmarkt eine Versteifung eintritt, geneigt fein, ihre Gelder zurückzuziehen und da hinzugeben, wo sie eine beffere Ver- wertung finden. Im Falle einer wirtschaftlichen Kalamität oder eines Krieges entscheidet nicht das Vertrauen, fondern der Bedarf. Jedenfalls ist es ein sehr ungünstiges Verhältnis, wenn das eigene Kapital der Genossenshaften nur 3 oder 49/9 beträgt. Für das Ansammeln von größeren Geschäftsanteilen sprechen auch psychologishe Gründe. Das Gefühl der Zusammengehöriakeit wird in ganz anderer Weise gestärkt. Dem Gedanken, daß sämtlihe Ge- nossenschaften des Deutschen Reichs in einer Zentrale zusammen- geschlossen werden, muß ih mit aller Entschiedenheit entgegentreten. Die Entwicklung des Genossenschaftswesens neigt zur Dezentralisation.

Abg. Meyenschein (kons.): Es ist der Wunsch der Negterung sowohl wie auch der Preußenkasse und der Landwirtschaftlichen Zentraldarlehnsfasse, daß der Streit zwischen diesen betden Instituten bei dieser Gelegenheit nicht aufgerollt werden foll. Auch ih füge mich dies. m wohlerwogenen Wunsche, auch {on deshalb, weil ih als Vertreter der Landwirtschaftlihen Zentraldarlehns- kasse alles vermeiden will, was den Anschein erwecken könnte, als ob die Zentraldarlehnsfasse zurzeit auf irgendwelchem Wege Hilfe suchte, um wteder an die Preußische Zentralgenossenschaftskasse \sich anzuschließen. Ich bin auch der Meinuna, daß das Abgeordnetenhaus und die auf- sichtführende Regierungstnstanz der Entwiklung nicht vorgreifen soll. Die Zentraldarlehn: kasse bedarf einer Anlehnung weder zur Stärkung der Zuversibt ihrer Genossenschaften, noch aus geschäftlihen Gründen. Wenn die Sache hier nit erörtert wird, verliert die Oeffentlichkeit

ni&#ts; denn der Streit ist in Schriften ausführlih niedergele f: sodaß man sih_ über alle Gesihtspunkte nah dem Motto “Eines

Mannes Rede ist keines Mannes Nede“ orienticren fann.

(Schluß des Blattes.)

Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend Erweiterung des Stadt- kreises Lichtenberg, nebst Begründung zugegangen. Nach diesem Geseßentwurf soll die Landgemeinde Borhagen- Rummelsburg im Landkreise Niederbarnim, die zurzeit bei einem Gemeindegebiet von 422 ha rund 56000 Einwohner hat, am 1. April d. J. der jeßt etwa 87000 Einwohner zählenden, 1023,5 ha großen Stadtgemeinde und dem Stadt- kreise Lichtenberg einverleibt werden.

Nr. 11 der „Veröffentlihungen des Kaiserlihen Ge- sundheitsamts* vom 13. März 1912 hat folgenden Inhalt: Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. Sterbe- fälle im Januar. Zeitweilige Maßregeln gegen ansteckende Krankheiten. Desgl. gegen Pest. Desgl. gegen Cholera. Sterbefälle in Preußen, 1. Halbjahr 1911. Desgl. in Oesterreich, 1908 und 1909. Mitteilungen aus British Ostindien, 1909 und 1910. Geseßgebung usw. (Deutsches Neih.) Margarine- fabriken. (Kamerun.) MWMethylalkoholartige Arzneimittel. (Preußen. MNeg.-Bez. Hannover.) Futtermittel. (Neg.-Bez. Stade.) Geflügeleinfuhr. (Hessen.) Milzbranddtagnose. (Schaum- burg-Lippe.) Hebammen. (Frankreih.) Mineralwasser 2c. (Belgien.) Veterinärwesen. (Niederlande.) Ansteckende Krankheiten. (Dânemark.) Haustiere. (Norwegen.) Fleischeinfuhr. (Numänien.) Teeuntersuchung. (Australisher Bund.) Hufe, Hörner 2. Tierseuchen im Deutschen Reiche, 29. Februar. Desgl. im Auslande. Deégl. in Oesterreich, 4 Vierteljahr 1911. Deggl. in Norwegen. Zeitweilige Maßregeln gegen Tierseuchen. (Sachsen.) Verhandlungen von geseßgebenden Körperschaften, Vereinen, Kon- gressen usw. (Vereinigte Staaten von Amerika.) XV. internationaler Kongreß für Hygiene und Demographie. Vermischtes. (Deutsches Retch.) Sterbefälle 2c., 1910. Sterblichkeit in größeren Ver- waltungs8gebieten des In- und Auslandes, 1910. (Schweiz.) Todes- fälle an Krebsleiden 1905 bis 1909. Gescenkliste. Monats- tabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 15000 und mehr Einwohnern, Januar. Desgleichen in größeren Städten des Auslandes. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutshen Orten mit 40 000 ‘und mehr Einwohnern. Detgleichen in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenhäufern deutscher Großstädte. Desgleichen in deutschen Stadt- und Landbezirken. Witterung.

Nr. 22 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, heraus- gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 13. März, hat folgenden Inhalt : Zur Baugeschihte des Charlottenburger Mausoleums. Befestigung der Oberfläche von Viehverladerampen. Die elektrishe Schmalspurbahn Thamshavn—Lökken in Nor- wegen. Vermischtes: Wettbewerb für En!würfe zu einer städtischen Realschule in Odenkirhen. Erneuerungs8arbeiten am Neichstags- gebäude in Berlin. Mitglied der Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler im Königreih Sachsen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Nach den Ermittlungen des Königlichen Oberbergamts in Dortmund sind, wie „W. T. B.“ meldet, heute inêgesamt 141 763 Bergleute über und unter Tage angefahren. Es sollten anfahren 324089. Gefehlt haben also 182326 Bergleute. In der vorgestern in Essen abgehaltenen außerordentlichen Hauptversammlung des Zechenverbandes wurde über die Frage der Lohnerhöhung für Arbeitswillige gesprochen, ein Beschluß indes niht gefaßt. Von verschiedenen Seiten wurde aber unter Hinweis auf die Erfahrungen mit Lohn- zusblägen im Jahre 1905 eine Erhöhung für zweckmäßig gehalten. Allseitig wurde über den ungenügenden Schuß der Arbeits- willigen Klage geführt. Mit RNüdsicht darauf und mit Rücksicht auf die von zuftändiger Stelle gegebenen Zusicherungen, daß nunmehr Militär zum Schuß herangezogen werden foll, wurde beschlossen, von dem Rechte der Arbeit8ordnung, die Kontraktbrüchigen bereits nah dreitägigem Fetern aus der Belegschaftsliste zu streihen und ihnen den Lohn von sechs Sichten einzubehalten, erst dann Gebrauch zu machen, wenn sie niht bis spätestens Sonnabend, den 16. d. M., die Arbeit wieder aufnehmen. Es fei zu erwarten, daß durch den er- weiterten Schuß auch die Arbeiter, die jeßt noch wegen Bedrohungen und Belästigungen durch die Ausständigen von der Arbeit fern geblieben sind, ebenso wie die bisherigen Arbeitswilligen wieder zur Arbeit erscheinen werden. Den Leuten, die spätestens am Sonnabend die Arbeit wieder aufnehmen, werden daher keine sechs8 Schichten einbehalten werden. Von dem Beschluß sollte gestern von sämtlidhen Zechen jedem Ausständigen einzeln durch Post- karte Mitteilung gemaht werden. Gestern nahmittag find ein Bataillon des Infanterieregiments Nr. 15 mit Maschinen- gewehrabteilung und zwei Schwadronen Husaren auf dem Hauptbahnhof in Dortmund eingetroffen. Die Truppen sind für die Umgegend der Stadt Dortmund bestimmt.

selbst hofft man mit den Polizelmann-

In der Stadt i l schaften auszukommen. Im Landkreise Hamm is es

verschiedentlih zu Aufläufen und Angriffen auf Arbeits- willige gekommen. Die Behörden haben sich deshalb veranlaßt gesehen, vier Kompagnien Infanterie mit entsprehenden Kavallertieabteilungen dorthin zu beordern. In der gestrigen Versammlung der Belegschaft der Zehe „Karl Funke“ in Heisingen, soweit sie dem Alten Verband angehört, wurde gegen die Stimmen einiger auswärtigen Mitglieder beslofsen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Daraufhin fehlten bei der gestrigen Morgenshiht nur noch drei Bergleute. In Bochum fand gestern morgen auf dem Schloßhofe eine von zehn- bis zwölftausend Personen besuhte Versammlung der Aus- ständigen statt, in der von einem Redner mitgeteilt wurde, daß nach den Angaben der Streikbureaus der Streik im Wachsen begriffen sei. Die Zahl der mitstreikenden östlihen Bergleute, die in den Kawpf hineingezogen wurden, \{häßte er auf 50 9/% der gewerk- schaftlihen Organisationen Der Streik werde weiter ge- führt, bis die Führer das Zeichen zur Wiederaufnahme der Arbeit geben. Es wurde gegen das scharfe Vorgehen der remden Ordnungsmannschaften Verwahrung eingelegt und auf einen all in Solingen hingewiesen, auf Grund dessen man si beim Minister beshwerte. Ferner wurde Einspruch erhoben gegen die Herbeiholung des Militärs, zu der gar keine Veranlassung vor- gelegen habe. Der Redner teilte weiter mit, die Verhandlungen der Arbeitgeber gnit den Arbeiteraus\hüssen hätten ablehnende Antworten gezeitinut mit Ausnahme einer Zeche, die mehrere Zuge- ständnisse machte. Die Streikenden wurden im Sinne des perrigen Flugblattes zur Nube und Ordnung aufgefordert, Die Ei n- ahrt und Ausfahrt der Belegschaften im Poltzeidirektions- bezirk Bochum ist gestern ohne Störung verlaufen, Die Aus- shreitungen in Herne haben sich niht wiederholt. Die Straßen waren stark beseßt, sodaß jeder Versuch zu Ausschreitungen im Keime erstickt worden wäre. Nur auf der Schmechtingstraße in Bochum mußten die Schußleute nochmals zur Shußwaffe reifen, wetl eine Horde junger Burschen Schüsse gegen ie abgab. Es wurde niemand verleßt. In Seving-

stern Arbeitswillige belästigt. Das E hae Zehe cEröb liche Morgensonne* liegende Gendarmeriekom- mando rückte zum Schutze aus. Bei dieser Gelegenheit wurde auf den Fußgendarmen Clemens geschossen, „der von einem E hut im Gesicht und von einem zweiten am Dhr getroffen wurde. Ein dritter Schuß drang dur den Helm. Der Gendarm machte von seiner Waffe Gebrau und erschoß ¿wei Angreifer, die Bergleute Steinmann und Stößel. Nah Aeußerung von zuständiger Seite ist die Lage 1m Düsseldorfer Ausstandsgebiet egenwärtig o, daß die Heran- ziehung militärischer Hilfe zur Aufrechterhaltung der öffent- lihen Sicherheit und Ruhe sowie zum Schuß der Arbeitswilligen vorläufig nicht erforderli ist. In Hamborn ist nas den Auftritten von Dienstag durch die mit Unterstüßung der Stadt Düsseldorf ge- lungene Verdoppelung der Polizeikräfte beides sofort sicher gestellt worden. Von ernsthaften Verlezungen Arbeitswilliger durch Aus- ständige ist im dortigen Bezirk bisher kein Fall bekannt geworden. Hiernach scheinen die Verhäl!nisse bis jeßt im rheinischen Teil des Ausstandsgebiets günstiger zu liegen als im westfälischen. Sollte \sich dieses ändern, so werden die erforderlihen Maßnahmen ohne Zögern getroffen werden. i: Âlf Sha Be Grube „Spittel* der Saar- und Mosel- bergwerksgesellschaft sind, wie „W. T. B.* berichtet, bei der heutigen Frühschicht von 600 nur rund 200 Bergarbeiter ein- gefahren. Schacht 2 befindet sich vollständig im Ausstande; auf Schacht 5, wo der Streik bereits vor einigen Tagen ausgebrochen war, find heute noch 120 Mann weniger als gestern angefahren.

Zur Lohnbewegung der \ächsischen Bergarbeiter (vgl. Nr. 66 d. Bl). wird - dem „We L. V.“ » aus * Zwidau gemeldet: Nachdem das - Köntglihe Bergamt Freiberg sich auf Antrag der Bergarbeiter zur Vermittlung bereit erklärte, hat sich die genannte Behörde auch an die Werke mit „der Anfrage gewandt, ob sie ihrerseits eine solde Vermittlung wünschen. Die Antwort der Werkésverwaltungen steht zur Stunde noch aus, doch ist die Hoffnung, daß es zu keinem Ausstand kommen werde, sehr gering, da die Werke erklären, L sie die Forderungen der Bergarbeiter nicht erfüllen können. Die Belegschaften sind an eine Kündigungsfrist nicht gebunden. Die Kohlenpreise haben bereits stark angezogen.

Die in London tagende Konferenz zwischen den englischen Zechenbesißern und Grubenarbeitern trat, wie ,W. T. B,“ derichtet, gestern wieder zusammen und wurde nach vierstündiger Be- ratung auf heute vertagt. (Vgl. Nr. 66 d. Bl.) _Die Verhand- lungen haben eingestandenermaßen bisher keine Fortschritte ge- macht. Die unionistischen Blättér melden aus den Industrie- bezirken, daß die Arbeiter sih gegen die unannachgiebige Hal- tung ihrer Führer aufzulehnen beginnen. In zwei Gruben in Lanarkshire ist die Arbeit tatsählich wieder aufgenommen worden, wte es scheint, hauptsählih von nihtorganisierten Arbeitern. Auch im Nevier von Sheffield wurde gestern der Betrieb in einer kleinen Grube wteder eröffnet. In London hat der Streik, abgesehen von den Eisenbahnen, zu keiner „nennenswerten Arbeitseinstellung geführt. Die Zahl der Arbeitslosen ist geringer als zu der entsprehenden Zeit der beiden leßten Jahre.

Der Grubenarbeiterverband des Loire-Departe- ments hat, wie „W. T. B.“ aus St. Etienne erfährt, beschlossen, \ich der internationalen Grubenarbeiterbewegung mit Entschiedenheit anzuschließen. 8 j l

In Genf sind, wie der „Frkf. Ztg." telegraphiert wird, die Bäckergesellen am 13. d. M. in den Ausstand getreten.

Aus New York wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Der Präsident der vereinigten Grubenarbeiter teilte gestern mit, daß die Arbeiter der bituminöse Kohle liefernden Gruben am 20. März in Cleveland zusammenkommen werden. Er glaube, daß die Besißer dieser Zechen eher Zugeständnisse machen werden als die Anthrazitgrubenbesitßer; täten fie das aber nicht, fo würte auch auf den bituminösen Zechen der Ausstand ausbrechen (vgl. Nr. 66 d. Bl.). : i:

Der Aus\huß des nordamerikanishen Gewerkschafts- verbandes der Lokomotivführer hat von den Direktoren von 48 Eisenbahnen im Osten der Vereinigten Staaten eine Lohn - erhöhung verlangt, die die Löhne auf die Höhe der westlich vom Mississippi gezahlten Sätze bringen solle. Die Direktoren erklären, dite Gewährung der Forderung würde einer Erhöhung der Betriebs- kosten um 10 Millionen Dollar gleich kommen. Die Verhandlungen dauern fort.

Der Ausstand in der Wollindustrie in Lawrence (Massachusetts) ist, wie die „Times“ meldet, beendet. (Val Nr. 66 d. Bl.)

Kunst und Wisseuschaft.

Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt am 7. März unter dem Vorsiß ihres Sefkretars Herrn Auwers eine Gesamtsißung, in der Herr Liebisch über die Fluorescenz der Sodalith- und Willemit-Gruppe im ultravioletten Licht las. Unter den Mineralien der Sodalith- und Willemit-Gruppe sind namentlich Sodalith, Hauyn und Troostit ausgezeihnet durh lebhafte fihtbare Fluorescenz während der Bestrahlung durch das von einem Woodschen Filter hindurchgelassene Ultraviolett oder dur Be- lichtung mit ausgedehnteren Gebieten von spektral zerlegtem Ultraviolett. Im Auftrage des auswärtigen Mitgliedes Herrn Nsldeke legte err Eduard Meyer eine Abhandlung des Privatdozenten Dr. Carl rank in Straßburg „Zur Entzifferung der altelamischen Inschriften“ vor. Auf Grund einer zweisprahigen Inschrift des BasaäuFinak von Susa (etwa 2400 v. Chr.) und eingehender Analyse der einzelnen Texte versuht der Verfasser, den Lautwert der Schriftzeichen der zehn bei den Ausgrabungen in Susa ge- fundenen altelamischen Steininschriften zu bestimmen und den Inhalt der Texte zu ermitteln. Herr Engler über- reichte das 52. Heft des „Pflanzenreihs“: F. Pax, Euphor- biaceae-Gelonieae und FEuphorbiaceae-Hippomaneae. Leipztg 1912. Herr von Wilamowitz übergab eine Drudsghrift des Professors Charles Michel in Lüttih: Recueil d’Inscriptions Gfecques. Supplément. Fagc. 1. Bruxelles 1912, und Herr Waldeyer das Werk des Profeñors der Anatomie an der Universität Lyon M. L. Testut: Traité d’Anatomie humaine. Tome I—IV. Paris 1911—1912. __ Die Akademie hat das korrespondterende Mitglied der philosophis{- historishen Klasse Heinrich Nissen in Bonn am 29. Februar, und das Ehrenmitglied Rochus Freiherr von Liliencron am 5. März durch den Tod verloren.

Der Verein für deutsches Kunstgewerbe in Berlin W. 9, Bellevuestraße 3 (Künstlerhaus), erläßt ein N tlAreiden zu Entwürfen für ein Innenplakat der Zeithrift „Das Echo“. Das Plakat soll in einer Größe von 30:45 ecm durh Steindruck aus- geführt werden. Vorgesehen sind je ein Preis von 500 4, 300 4 und 200 46 und 10 Ankäufe zu je 50 4. Preisrichter Lm die Maler Prolener Emil Doepler d. I., Professor Friedrich Kallmorgen, Pro- essor Emil Rudolph Weiß und Georg Tippel in Berlin, weiter Verlagsbuchhändler Otto von Halem in Stuttgart, Chefredakteur Dr. Emil e und Professor Dr. Lehnert in sendungen müssen bis zum 3. Mat erfolgen; die Bedin ungen werden E es durch den Verein für deutsches Kunstgewerbe in Berlin versandt.

Literatur.

Friß August von Kaulbah. Gesamtwerk. Eine Bilder- monographie în 130 Abbildungen, in Gravüre, Lichtdruck und farbigem Kunstlichtdruck. Franz Hanfstaengl, Kunstverlag. München. (Preis 100 46.) Dem „Gesamtwerk“ Franz von Stucks läßt der rühmlihst bekannte Münchener Verlag jeßt einen ähnlichen Band folgen, der Friy August von Kaulbah gewidmet ist. Hier wie dort handelt es si nicht um eine lüenlofe Vorführung aller Bilder, sondern um eine Autwahl des Besten, die in edler Form dargeboten werden sou. Von den lebenden Malern gibt es nur wenige, bei denen

Berlin. Ein-

eine Veröffentlihung dieser Art Erfolg verspriht. Daß. gerade Kaulbach ausersehen wurde, ist ein Zeichen der unverminderten Be- liebtheit dieses Meisters, eine Tatsache, die man leiht übersieht, weil sein Name in Verbindung mit den künstlerishen Tageefcagen der Gegenwart so gut wie nie genannt wird. Um Kaulbach ganz gerecht zu werden, darf man zweierlei nit vergessen: seine geschicht- lihe Gebundenheit an die Münchener Malerei der 70er und 80er Fahre, und dann das unzweifelhaft starke und echte Bedürfnis weiter reise nach einer Bildnisfkunst, wie er sie übt. Frit August von Kaulbah, der Großneffe Wilhelms, der Sohn tes hannöverischen Hofmalers Friedrih Kaulbach, steht jeßt im 62. Lebens- jahre. München, die Stadt, wo er geboren, wenn auch nicht aufgewachsen ist, wurde ihm seit Anfang der 70er Jahre zur eigentlichen Heimat. Er ist es gewesen, der einst es ift nun {on über ein Menschenalter her mit Lenbah, Makart, Gedon, Rudolf Sei zusammen an der Spitze der Bewegung stand, die München bis zum Auftreten der Sezession das künstlerishe Gepräge gab. Das Charakteristische jener Zeit, die Freude an der deutshen Renaissance, an der Neubelebung der alten Stile vor allem im Kunstgewerbe, die Pracht der geschihtlihen Kostümfeste all das hat für Kaul- bachs Kunst nicht bloß den glänzenden Rabmen abgegeben, er ist vielmehr einer der Schöpfer und Hauptvertreter der Kultur, die nah dem Krieg von vielen Kreisen der mächtig und reich gewordenen Nation aus innerem Antrieb lud: und freudig aufgenommen wurde. Die Begeisterung jener age ist inzwischen verrauscht. Die Geschichte hat gezeigt, daß viel trügerischer Glanz, viel bloße Maskerade damals für echte Kunst ge- halten wurde, und daß gerade die Entwicklung der deutshen Malerei, die in München kurz vor dem Krieg in der Verborgenheit erstaun- lih s{chône Blüten getrieben hatte, in den Grünterjahren mehr auf- gehalten als gefördert worden ist. Wenn sich troßdem F. A. von Kaulbachs Ruhm in unsere so ganz anders empfindende Zeit hinüberrettete, so kann ter Grund ni&t nur darin liegen, daß er der Lieblingsmaler s{chöner Frauen ist, deren Bilder ja niemals bloß auf ihren fünstlerishen Gehalt hin gewertet werden. Vielmehr stand und steht er in den besten seiner Werke in der Tat über seiner Zeit. Man bemerkt früh hon ein Zurück- drängen der bloßen Aufmachung. Zu den Kostümbildern, die nit selten peinli@e Vergleiche mit ihren çroßen Vorbildern wat rufen, treten immer häufiger Stücke, die in der zwang"osen, aufs feinste überlegten Anordnung, in der echten Anmut der Umrisse, der feinen Behandlung des Stofflihen Eigenwert genug kesißen, um der Gunst der Mode entrückt zu sein. Besonders \{wierig war Kaulbahs Aufgabe, wo es fich um Bilder offiziellen Charakters handelte. Unser Zeitalter hat die äußere Erscheinung der Stände so ausgeglichen, ist in der Gewandung so {licht und nüchtern geworden, daß es für den Pomp fürstlider Repräsentation keinen eigenen Stil ausbilden konnte.

en Gestalten aus der Umgebung Philipps 11. oder Ludwigs X1V. haben wir nichts an. die Seite zu seßen. Kaulbach hütet fch denn auch, durch Hâäufung äußeren Aufwands den Glanz seiner Fürsten- bildnisse zu steigern. Er gibt eine liebenswürdige Vermens(lihung der Majestät, die an intimer Wirkung gewinnt, je freier er si be- wegen darf und je genauer er den Dargestellten kennt. In diesem Sinne werden seine Bilder des Prinz-Regenten Luitpold immer be- zeihnende und vorbildlihe Fürstenshilderungen des 19. Fahrhunderts sein. Von anderen darf man rühmen, daß er mit der Anmut seiner Gruppierung, mit der glücklicken Wahl der Hintergründe Stimmungen echter Vornehmheit erzielt, ohne doch kalt und leer zu werden. Die größere Liebe jedoch wendet er den Schönheiten seiner eigenen Welt, den Kreisen der Münchener Kurstaristokratie zu. Vielleicht find es niht die vtelbewunderten und allbekannten Kinderbildnisse, denen die Palme gebührt. Kindlichkeit ist von anderen Malern tiefer erfaßt worden. Bei Kaulbach \tört eine allzugroße Bewußtheit im Blick und eine gerade diesem Gegenstand fremde Absichtlichkeit der Anordnung. Junge Frauen dagegen, vor allem seine eigene, dann au eine Reihe von Sternen der Wissenschaft und der Bühne, n er aus ibrem eigensten Wesen heraus zu erfassen. Hier blißt au nicht selten ein starkes Temperament auf. Man spürt die Freude des Meisters, der sein Bestes geben darf. Unter die \{önsten darf man die Bildnisse mit der ruhigen, großzügigen Flächenverteilung zählen, die „Dame in Schwarz“ (Nr. 7), die „Frau S.“ (Nr. e den „Josef Joachim“ (Nr. 91), unter den Studien die Frauenköpfe Nr. 36 und 117, den „Max von Pettenkofer“ (Nr. 127). Kaulbah pflegt neben dem Einzelbildnis noch eine Reihe anderer Gattungen. Das Werk enthält bezeichnende Proben von Gruppen, von Land- schaften, Tier- und Blumenstücken und von Aktstudien. Hter treten neben den Vorzügen auch die Shwächen des Künstlers bervor. Er ist immer geschmackvoll, aber häufig niht mehr. Das Schöpferische, das Zwingende fehlt. Zur Gestaltung eines Bacchanals (Nr. 40), einer Bacchantin (Nr. 111) mangelt ihm auch die derbere Art der Sinnlichkeit, die man in diesem Stoffkreis suht. Was er gibt, wirkt zu zart, und stellenweise auch süßlich. Unter den Landschaften sind ein paar italienishe Motive von besonderem Reiz: sie zeigen, wie geshickt er die dekorativen Linien herauéfühlt und bildmäßig verwertet.

Die Ausstattung des Bandes ist sehr lobenswert. Die Form ver- meidet die Größenverhältnifse der berüchtigten Prachtwerke früberer Jahre; für den weitaus größten Teil der Bilder genügt das gewöhnliche Format völlig. Die photographische Wiedergabe is gut; manches sogar vorzüglih. Mit großer Sorgfalt find die Druckverfahren dem Gegenstand gemäß gewählt worden. Die zehn farbigen Tafeln, die unter den übrigen verstreut sind, geben ein Bild vom Stand der Technik auf diesem \{chwierigsten Gebiet. Die Höhe ist noch lang niht erklommen. Bei Aquarellen ist der Eindruck oft verblüffend eht ; Oelbilder haben mehr zu verlieren. Die Farbensprahe unserer Zeit ist zu verwickelt, um die Vereinfahungen der mechanischen Wieder- gabe zu ertragen. Allzuleiht wird der Charakter des Bildes ver- ändert oder dur einen falshen Ton die Harmonte gestört. Dennoch nfuß man dem Verlag dankbar sein, daß er den Versuch gewagt, und auch hier das Beste gegeben hat, was heute zu haben ist.

Wir wünschen dem Werk, dem Frit von Osftini eine kurze und gediegene Einführung mitgegeben bat, den verdienten Erfolg. Die Verehrer des Meisters, die kein Original von ihm besigen können, werden gewiß gerne nah dieser {önen Gabe greifen. Thi X

Bauwesen.

Wie alle Jahre am Geburtstage des großen Architekten feierte am Mittwoch abend im“ Prunksaale seines Hauses der Architektenverein zu Berlin das „Schinkelfest“. Ein Quartettgesang, meisterhaft ausgeführt durch die Konzertvereinigung von Mitgliedern des Königlichen Hof- und Domchors, eröffnete die eier. Es folgte der Jahresberiht des Vorsigenden, Geheimen berbaurats Sarau, der freundliher Aufnahme gewiß sein konnte, weil er von einer gedeihlihen Weiterentwicklung des Vereins zu MOraRtes hatte, und hierauf die Preisverteilung an die 11 im Schinkelwettbewerb für 1912 auf den Gebieten des Hochbaues, Wasserbaues und Eisenbahnbaues durch Preise Aus- ezecichneten. Der Aufgabe dieser Preisverteilung unterzog si, im Nies des Ministers der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach, der Unterstaatsfekretär von C oels von der Brügghen. (Die mit Preisen bedachten ging waren in den Nebensälen ausgestellt.) Den Festvortrag hielt sodann der Hauptmann Dr. Alfred Hildebrandt über „Die Entwicklung des Flugwesens*“. Es mochte mehrseitig überrashen, daß bei dieser festlizen Gelegenheit aus- nahnisweise ein anscheinend in den Rahmen des Bauwesens nicht recht passender Vortrag gewählt war. Doch erinnerte man sich als- bald, daß der Architektenverein unter den Schinkelpreisen für 1913 auf dem Gebiet des Wasserbaues die. „Anlage eines Sport- und Flugplayzes* ausgewählt hatte, und fand, es ganz angemessen, daß in das neue und von Tag zu Tage an e QEN wachsende Flugwesen in dieser Weise auch an dieser Stelle einge|ührt werde. Hauptmann Dr. Hildebrandt entledigte \ch seiner Aufgabe

A. F.

unter Begleitung gut gewählter und treffliher Lichtbilder in klarer und fesselnder Weise : Blickt man auf die leßten 10—15 Jahre der