1912 / 67 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Enlwicklung des Flugwesens zurück, so führte er aus, so ergibt sich ein erstaunlicher, anderswo kaum je in so kurzer Zeit VEpegeEer Fort- \chritt; dennoch bleibt noch viel zu arbeiten, da bisher nur die Drachen- flieger Erfolge erzielt haben und mancherlei Neues gärt. Es i}t keineswegs ausgeschlossen, daß man auch mit anderen Konstruktionen in die Luft wird au es können. Urfprünglih versuhie man es ja, mit vogelähnlihen Körpern unter Ve1wendung schlagender Flügel das Ziel zu erreihen. Ingenieur Stenzel hatte por eiwa 20 Jahren einen Flügelflieger gebaut, mit dem er mehr als das Gewiht des Menschen zu heben vermohte; auch die geleistete Arbeit war für einen Kohlensäuremotor sehr beahtenswert; doch er- {werten die S{hwerpunktsverhältnisse einer mit \{lagenden Flügeln verscbenen Maschine den Fortschritt in solhem Grade, daß man in nâchihster Zeit nihts mehr vom Flügelflieger hörte. Die Radmaschine der französishen Gelehrten Bienaimé und Launoy sowie das bekannte Kinderspielzeug der fliegenden Schraube ließen dann erwarten, daß Schraubenflieger Erle zeitigen würden. Ein unmittelbar vom Boden aufsteigender F OSe bietet ja auh große Vorteile, wenn man fich vom Deck eines Schiffes oder vom fris gepflügten Acker aus erheben will. Aber alle Versuche mit Schraubenfliegern haben auch zum ersehnten Ziele niht geführt. Nach Art des Schaufelraddampfers hat dann Professor Wellner die Aufgake zu lösen versuht. Ver- gebens! Doch glaubt der Vortragende, di man gegenwärtig sh tin dieser Richtung dem Ziel nähert. Der Berliner Erfinder Schulße (Sohn des Erfinders des Blättchenpulvers) hat einen Segelradflieger erdaht, bei dem er die beiden Räder, zwischen denen die Schaufeln angebraht sind, im lige Winkel gegeneinander stoßen läßt. Eine große Modellmaschine erzielte auf 6 kg Gewicht 1 Pferdekraft und damit das bisher günstigste Ver- hältnis zwischen Eigengewiht des WMotors und Leistung. Immerhin ling das alles zunächst nur noch Zukunftsausficten. Großartige Erfolge hat bisher nur der Drachenflieger erreiht. Ihm galt in den verschiedenen Formen, die ihm gegeben worden sind, der größere Teil des Vortrags, der “dankend entgegengenommen wurde, weil er in dem Labyrinth der verschiedenen Systeme und Kon- ftruttionen den erwünshten Ariadnefaden für viele Zuhörer bildete. Lebhafter Beifall lohnte dem Redner am Schluß. Es folgte dann noch, den Schluß der Festordnung bildend, ein Quartettgesang und nah längerer Pause das Festmahl, das bei launigen Tischreden und Gesang die Teilnehmer noh lange vereint hielt.

Theater und Musik.

Im Königlihen Opernhause wird morgen „Der Rosen- kavalier“ wiederholt, in den Hauptrollen sind die Damen Kurt, Ober, Dux, Rothauser, die Herren Mang, Bischoff, Henke, Habich be- \chäftigt. Der Kapellmeister von Strauß dirigiert. Einer Ein- ladung der Generalintendantur folgend, tritt der Kammersänger Fors ell vom Königlichen Theater in Stockholm am Mittwoch, den 20. d. M. noch einmal als „Don Juan“ auf, mit welcher Nolle er bei seinem ersten Auftreten so außerordentlih viel Anklang gefunden hat.

Im Köntglihen Schauspielhause findet morgen eine Wiederholung des Festspiels „Der große König“ in der bekannten Beseßung statt. Dirigent ist Herr Schmalstich.

In den Kammersptelen des Deutschen Theaters findet am Dienstag nächster Woche die Erstaufführung des Lustspiels „Margot kann mir gestohlen werden" von Georges Courteline und Pierre Wolff und der einaktigen Pantomime „Pierrots legtes Aben- teuer“ von Viktor Arnold, Musik von Friedrih Bermann, statt. Die Regie der beiden Werke führen Robin Robert und Viktor Arnold.

In der Kurfürsteno per wird Emmy Destinn, die am 23. April aus Amerika hier eintrifft, wenige Tage später ein Gast- spiel als „Tosca“ eröffnen. Ferner wurde Maria Labia vom Direktor Moris für etnige Gastspielabende in dieser Spielzeit verpflichtet.

(Der Konzertbericht beKndet ch in der Zweiten Beilage.)

Mannigfaltige®. Berlin, 15. März 1912.

In der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten stand zunächst die Vorlage, betreffend die aufzunehmende Anleihe, auf der Tagesordnung. Der Magistrat empfahl folgende Beschluß-

fassung: „Die Versammlung i} in Abänderung ihres Beschlusses vom 16. November 1911 damit einverstanden, daß a. die in diesem Seloluffse festgelegten Bedürfnisse von 281 Millionen Mark in Höhe von 262 Millionen Mark im Anleihewege durch Ausgabe von e See E O en auf den Inhaber lautend beschafft und in Höhe von 19 Millionen Mark aus dem von der Großen Berliner Straßenbahn-Aktiengesellshaft an die Stadt gezahlten Abfindungsbetrage von 23 Millionen Mark dergestalt befriedigt werden, daß diese 19 Millionen Mark für die unter 11 der Anlage B zur Denkschrift des Stadtkämmerers vom 14. Juni 1911 vorgesehenen Verkehrsunternehmungen verwendet werden ; b. die Verzinsung der An- leihe mit 3F v. H. oder mehr v. H., jedoch nicht mehr als 4 v. H. erfolgt.“ Der Stadtv. Solmitz begründete kurz einen Antrag, vor die Worte „und in Höhe von 19 Millionen Mark“ das Wort „erforder- lihenfalls* einzuschalten. Die Stadt würde sich damit freie Hand lassen, falls ihc aus anderen Quellen, beispielsweise von den Berliner Elektrizitätswerken, ee Einnahmen zufließen. Die Vorlage wurde mit dem Antrag Solmiß angenommen. —- arauf trat die Versammlung in die zweite Be- ratung des Stadthaus2haltsetats für 1912 etn. Die Be- richterstatter S sich darauf die von ihnen vertretenen Etats zur Annahme zu empfehlen, und da keine Abänderungsanträge gestellt wurden, wurde eine große Anzahl von Einzeletats ohne nennenêwerte Erörterung verabschiedet, unter anderen die für die Pflichtfortbildungéëshulen, für die Krankenhäuser, die Jrrenanstalten, das Obdach u. a. m. Angenommen wurde auch eine Vorlage, be- treffend die Erhöhung des städtischen Beitrags zur Ver- besserung und Verschönerung des Tiergartens von Sivan é auf 75 000 4. Auf die öffentliche folgte eine geheime ißung.

Im Kün sstlerhause (Bellebuesilr. 3) findet zur Erinnerung an Julius Wolff, das frühere Ehrenmitglied des Vereins Ber- liner Künstler, am 18. März, Abends 8 Uhr, ein Jultus Wolff- Abend statt. Der Abend wird durch einen Vortrag von Joseph Lauff eingeleitet, der über persönlihe Erinnerungen an den thm befreundeten Dichter sprehen wird. Es folgen Abschnitte aus der „Lurlei“, vorgetragen von Auguste Hofmann-Baison, und „Aus Sturmes Not*, vorgetragen von Paul Pauli. Lieder des jungen Heinrih von Ofterdingen aus „Tannhäuser“, gesungen von Leo Einhorn, begleitet der Komponist, Professor E. E. Taubert, selbst am Flügel. Brigitta Thielemann bringt einen Zyklus von Liedern zu Gehör, u. a. Reiterlied aus den „Pappenheimern“ von Heinrih van Eycken, Waldtrauts Lieder aus dem „Wilden Jäger“ von. Karl Goldmark und Tauberts „Luarin“ aus „Tannhäuser“. „Nattenfängerlieder“, gesungen von Herrn Leutnant Crienitz, bilden den Beschluß des Abends, der von dem Berliner Verein zur Pflege deutsher Dichtung , Neue Klause“ veranstaltet wird. Eintrittskarten sind \chriftlich bei tem Vo1sißenden, Professor Dr. Gaederß (Genthiner Straße 15) zu bestellen; sie sind auch am Eingange des Festsaals im Künstlerhause am 18. März, Abends, (Preis 1 X) erhältlich.

Im Beethovensaal hatte Maria Holgers am Montag einen ziemlich gut besuchten Vortragsabend veranstaltet. Sie hatte cin flassisches Programm gewählt und trug in ihrer {wung- vollen Art zuerst Lieder von Herder, Goethe, Bürger und dann auch Hölderlin vor. Weniger befriedigte die Wiedergabe einiger Kapitel aus Werthers Leiden; es wurde wohl der Ton boriQuinalicher Empfindsamkeit getroffen; er kam aber nicht natürlißh und wirkte darum auch nicht überzeugend. Den dritten Teil des Programms füllten Szenen aus Kleists „Penthesilea“. Dér heldish-romantishen Gestalt dieser Amazonenkönigin beizukommen, fällt felbst genialen Bühnenkünstlerinnen \{wer; um fo gefährliher war daher das Unter- fangen der Vortragenden, die Wiedergabe etnzelner Szenen aus dieser komplizierten Dichtung dur theatralishes Mienenspiel und dramatische Gesten unterstützen zu wollen; ihrem Temperament ließ die Sprecherin dabei wohl freien Lauf; gepackt hat diese theatermäßige Deklamation aber nicht.

Auf der Treptower Sternwarte spriht am Sonntag, Nach- mittags 5 Uhr, der Dozent Jens Lüßen über: „Das Gehbein.nis des Weltenbaues" und Montag, den 18. März, Abends 7 Uhr, über: „Das Aufsuchen von Planeten und Sternbildern“. Beide Vorträge find gemeinverständlich und mit zahlreichen Licht- und Drehbildern

auêégestattet. Mit dem großen Fernrohr wird der „Saturn“ und der „Drion“-Nebel gezeigt. Außerdem stehen den Besuhern noch kleinere neentolre kostenlos zur Verfügung, mit denen beliebige Himmels. örper beobahtet werden können.

_ Stettin, 14. Marz (W. T. B) Die Eisenbahn, direktion gibt bekannt: Fhtolae des englishen Bergarbeiterstreikg und des Streiks im Ruhrgebiet ist der Einlauf an Koblen aus dem obershlesischen Revier nah Stettin und Goßlow fo über, mäßig geworden, V eine ordnungsmäßige Abwicklung deg Verkehrs auf dem Stettiner Bahnhof stark gefährdet ist. Die Cifenbahndirektion hat daher die Annahme von Kohlen aus Oberschlesien vorläufig bis einshließlich den 17. d. M. \perren müssen.

Wittenberge, 15. März. (W. T. B.) Amtlich wird ge, meldet: Heute um 2 Uhr 20 Minuten Vormittags ist der Post. zug 6067 infolge Ueberfahrens des Etnfahrtssignals auf dem Bahnhof Wittenberge gegen den nah Lüneburg ausfahrenden Kohlen- zug 6994 gefahren bei Stellwerk „Wik“. Der Zugführer und ein Wagenwärter sind tot, vier Zugbeamte verlegt. Alle Gleise von und nah Hamburg, Lüneburg und Perleberg sind gesperrt, vorausfihtlich auf 12 Stunden. Die Personenbeförderung von Berlin nach Hamburg und Lüneburg über Stendal is angeordnet. Der C REven ist groß. Drei Wagen des Zuges 6067 sind ver- rannt.

New York, 14. März. (W. T. B.) Die „Kölnische Zeitung! meldet aus New York: Das Grafschafstsgeriht von Hillsville in Virginia war heute der Schauplatz einer einzigartigen Geseßlosig- keit. Der Richter Massie verurteilte einen gewissen Floydallen zu einem Jahre Gefängnis, worauf dessen Bruder und Freunde aus ihren Revolvern einen wahren Kugelregen eröffneten. Der Richter, ein Staatsanwalt, ein Geshworener und der Scherif wurden von mehreren Kugeln getroffen und getötet, andere Geschworene wurden verleßt. Die Täter entkamen.

“New-York, 15. März. (W. T. B.) Gestern vormittag ereignete sih bei Dunkerton (Jowa) auf der Great Western Eisenbahn ein Eisenbahnunglück, bei dem 25 Personen, unter ihnen 13 \chwer, verleßt wurden. Die Häufigkeit der Cisenbahnunglückéfälle es ist dies der fünfte innerhalb einer Woche

- wird auf die herrshende Kälte zurückgeführt, die die Gefahr von Schienenbrüchen steigert.

__ Söul, 14. Mârz. (W. T. B.) In der Nähe der Stadt Hamheung ist ein reihes Steinkohblenlager entdeckt worden. Eine Gesellshaft von japanischen Kapitalisten mit einem Kapital von 300 000 Yen beginnt im Frühjahr mit der Ausbeutung.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Saloniki, 15. März. (W. T. B.) Aus Jpek wird ge- meldet, daß eine Arnautenbande einen Angriff auf die Neformkommission, die unter Führung des Ministers des Innern das Land bereist, plante. Als ih die Kommission auf dem Wege von Jpek nah Diakova befand, wurde die Eskorte des Ministers bei Sofra aus dem Hinterhalt beschossen. Ein Offizier der Eskorte wurde verwundet nah Uesküb gebracht. Der Angriff soll dem Minister selbst gegolten haben. Auf seine Veranlassung rwourde sofort Militär zur Verfolgung der Arnauten ausgesandt.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.)

Theater.

Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern- haus. 71. Abonnementsvorstellung. Dienst- und Frei- pläße sind aufgehoben. Der Rosenkavalier. Komödie für Musik in drei Akten von Hugo von Dn nee Musik von Richard Strauß. Musi- alishe Leitung: Herr Generalmusikdirektor Dr. L Ub Negie: Herr Regisseur Bachmann. Anfang

C

Schauspielhaus. 75. Abonnementsvorstellung. Dienst- und Freipläße find aufgehoben. Der

roße König. Drei Bilder aus seinem Leben von Josef Lauff. Musik von Weiland Setner Majestät dem König. Für die szenische Aufführung einge- rihtet von Josef Schlar. Anfang 7# Uhr.

Sonntag: Opernhaus. 72. Abonnementsvor- stellung. (Gewöhnliche Preise.) Dienst- und Frei- pläße sind aufgehoben. Der fliegende Holländer. Romantische Oper in drei Akten von Nichard Wagner. in Stockholm als Gast.)

Schauspielhaus. 76. Abonnementsvorstellung. Dienst- und Freipläße find aufgehoben. Achtzehu- hundertundzwölf. Schausptel in fünf Aufzügen von Otto von der Pfordten. Anfang 7F Uhr.

Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Sonnabend, Abends 74 Uhr : Viel Lärm um Nichts.

Sonntag: Viel Lärm um Nichts.

Letztes Gastspiel im „Zirkus Shumann“ : Freitag, den 22. März, Abends 8 Uhr: Jedermann.

Kammerspiele.

Sonnabend, Abends 8 Uhr: Eine glückliche Ehe. Sonntag: Eine glückliche Ehe.

Berliner Theater. Sonnabend, Nachmittags p] Uhr: Torquato Tasso. Abends 8 Uhr:

xoße Rofiuen. Originalposse mit Gesang und Tanz in drei Akten (5 Bildern) von R. Bernauer und N. Schanzer.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Bummelstudenten.

Abends: Große Rofinen. Montag und folgende Tage: Große Rosinen.

Theater in der Königgräßer Straße. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Die fünf Frank- Farter.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Ein Fallifsement. Abends: Die fünf Frankfurter. pas und folgende Tage: Die fünf Frauk-

er.

(Herr Forsell vom Königlichen Hoftheater

Lessingtheater. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Glaube und Heimat. Die Tragödie eines Volkes. Drei Akte von Karl Schönherr.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Die versunkene Glocke. Abends: Erde. Hierauf: Komtefsse Mizzi.

Montag: Die Stützen der Gesellschaft.

Neues Schauspielhaus. Sonnabend, Nach- mittags 34 Uhr: Agnes Bernauer. Ein deutsches Trauerspiel in 5 Akten von Friedrichß Hebbel. Abends 8 Uhr: Auftreten von Ferdinand Bonn: Das Familieukind. Schwank in 3 Aufzügen von Fritz Friedmann-Frederich.

Sonntag: Auftreten von Ferdinand Bonn: Das Familienkind.

Montag: Ueber unsere Kraft, 2, Teil.

Komische Oper. Sonnabend, Abends 8 Uhr : Die Zauberflöte.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Zu kleinen Preisen : Undine. Abends: Zar und Zimmermann. Hierauf: Tanzpiecen, getanzt von Eva vou Dernubach.

Montag: Der Freischüt.

Kurfürsten-Oper. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Der Schmuck der Madonna. Oper aus dem neapolitanischen Volksleben in drei Akten. Handlung und Musik von Ermanno Wolf-Ferrari.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Der Schmuck der Madouna,. Abends: Die verkaufte Braut.

Montag: Der Schmuck der Madonua.

Sthillertheater. @. (Wallnertheater.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Gräfin Lea. Schauspiel in fünf Aufzügen von Paul Lndau.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Der Probe- fandidat. Abends: Ein idealer Gatte.

Montag: Der Weg zur Hölle.

Charlottenburg: Sonnabend, Abends 8 Uhr: Kyritz-Pyriß. Posse mit Gesang in 5 Bildern von H. Wilken und O. Justinus.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Don Carlos. Abends: Die Jüdin vou Toledo.

Montag: Der Probepfeil.

Theater des Westens. (Station: Zoologischer Garten. Kantstr. 12.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Wiener Blut. Operette in drei Akten von Johann

Strauß.

Sonntag, Nachmittags 34 Uhr: Ein Walzer- traum. Abends: Wiener Blut. Montag und folgende Tage: Wiener Blut.

Luftspielhaus. (Friedrichstr. 236.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Die Dameu des Regimeuts. Schwank in drei Akten von Julius Horst und Artur Lippschiy. : i

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr und Abends: Die Damen des Regiments.

Montag und folgende Tage: Die Damen des Negiments,

Residenztheater. (Direktion : Richard Alexander.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Alles für die Firma. Schwank in drei Akten von M. Hennequin und Georges Mithell. In Szene geseßt und für die deutsche Bühne bearbeitet von Bolten-Baeckters.

Sonntag und folgende Tage: Alles für die Firma.

Thaliatheater. (Direktion: Krenund Shönfeld.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Zum ersten Male: Autoliebchen. Posse mit Gesang und Tanz in drei Akten von Jean Kren, Gesangstexte von Alfred Schönfeld, Mußk von Jean Gilbert.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Der Kilometer- fresser. Abends: Autoliebchen.

Montag und folgende Tage: Autoliebehen.

Trianontheater. (Georgenstraße, nahe Bahnhof Ce Mr Sonnabend, Abends 8 Uhr: Das kleine Café. Lustsptel in drei Akten von Tristan Bernard.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Abends: Das kleine Café,

Montag und folgende Tage: Das kleine Café.

Francillon.

Konzerte.

Singakademie. Sonnabend, Abends 8 Uhr: 4, (leßter) Kammermusfikabend des Wittenberg- Quartetts., Mitw.: Artur Schnabel.

Saal Bechstein. Sonnabend, Abends 74 Uhr: 3, Abonnementsabend des Berliner Trios: Frit Lindemaun, Theodore Spiering und Hermaun Beyer-Hané,

Beethoven-Saal. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Klavierabend von Carolyu Willard.

Choralion-Saal. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Konzert von Dr. Jenö Kerntlerx (Klavier) und Max Menusing (Gesang).

Zirkus Schumann. Sonnabend, Abends 74 Uhr Grande Soirée high Life. Zum Schluß: Das neue Ausftattungsstück „Das Motorpferd““ in 5 Akten. Hervorzuheben: Die

rale Schlußapotheose mit noch nie dagewefsenen Jsfelten.

Sonntag, Nachmittags 34 Uhr und Abends 7 Uhr 2 große Galavorstellungen. In beiden Vor- stellungen: Das Motorpferd.

Zirkus Kusch. Sonnabend, Abends 74 Uhr Große Galavorstelluns. Zu Beginn: Das neue Volksmauegeschauspiel „Die Hexe“ in 7 Bildern. Um 9 Uhr: das auserwählte Pro- gramm sowie: die internationalen Ringkämpfe.

Sonntag, Nachmittags 3F Uhr und Abends 74 Uhr: 2 große Vorstellungen.

Familiennachrichten.

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann Julius Caemmerer (Posen).

Gestorben: Hr. Geheimer Medizinalrat, Professor Dr. Wilhelm Döniß (Berlin). Hr. Kriegb- gerichtsrat Dr. Ludwig Pindter (Altona). Pr Justizrat Albert Lewin (Charlottenburg). Ane Freifr. Waiy von Eschen, geb. von Zardeleben (Cassel). Frl. Anna von Bally (Breslau).

E

Verantwortlicher etaläie: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg. Verlag der Expedition (Heidrich) in Berlin. Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlagl/

Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Zehn Beilagen

(eins{ließli4 Börsenbeilage und Warenzeichen- B beilage Nr. 22).

Erste Beilage

zun Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußishen Staatsanzeiger, M G.

Berlin, Freitag, den 15. März

1912.

Deutscher Reichstag. 26. Gßung vom 14. März 1912, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Na der in der gestrigen Nummer d. Bl. mitgeteilten Anspraje des Ns Dr. Kaempf anläßlih des auf Seine Majestät den König von Jtalien verübten Attentats und der Enehmigung des s{chleunigen Antrags auf Einstellung eine shwebenden Strafverfahrens gegen das Mitglied des feihstags Wendel für die Dauer" der gegenwärtigen Sesson tritt das Haus in die Besprechung der Jnterpellation der Abgg. Dr. Schaedler und Genofsen, betreffend den Streik im rhänish-westfälishen Kohlenrevier, ein.

Zur Begründung der Jnterpellation erhält das Wort der

Abg. Schiffer (Zentr.): Die Angelegenheit, die uns heute léschäftigt, ist hon in der vorigen Woche bei der Beratung des Ge- Jalts des Staatssekretärs behandelt worden. Damals klangen die Töne recht friedlich, und felbst nah den Ausführungen des Abg. Sachse war es kaum zu erwarten, daß der Streik sobald zum Vudbrus fommen würde. Wir haben diese Interpellation eingebraht auch mit Rücksicht auf die Unterhandlungen, die der Staatssekretär mit einigen Arbeiterführern gepflogen hat. Jch werde kurz über die Ursachen des Streiks und die Ret christlihen Bergarbeiter \prechen. (Fs ist kein Zweifel, daß die Bergarbeiter berehtigte Wünsche auch bezüg- lih der Lohnfrage haben. Seit 1907 sind die Löhne erheblich ge- sunken, allerdings haben sie in den leßten 114 Jahren eine Steige- rung erfahren, haben aber die Höhe von 1907 nicht erreiht. Dazu trat die Verteuerung der Lebensmittel, die auch von den Zechenbesitzern nicht bestritten L Die Situation der Zechen is eine gute, ja glänzende. Die Zechengewinne und die Arbeitéslöhne stehen in keinem richtigen Verhältnis; die Arbeiter stehen erheblih ungünstiger, Die Arbeiter können auch einen Ausgleih der Löhne verlangen. Das Kohlensyndikat hat beschlossen, die Kohlenpreise am 1. April um etwa 90 5 für die Tonne zu erhöhen. Auch der christlihe Gewerkver- ein, der mcht am Streik beteiligt ist, hat energish eine Erhöhung der Löhne gefordert in Vereinen und Versammlungen und in seiner Presse; aber er verwahrt sih entschieden dagegen, auf seiten der soge- nannten gelben Gewerkschaften zu stehen. Im Namen sämtlicher christlichnational gesinnter und organisfierter Arbeiter betone ih das hier besonders energisch; bei jeder Gelegenheit haben wir das bereits hervorgehoben. Die gelben Örganisationen, diese aus Frankreich im- portierten Gewächse, bilden wahrlih keine Zierde der deutshen Ar- beiterorganisfationen; sie erziehen ihre Mitglieder zur Unselbständig- keit, zum Schmaroßertum, zur Speichelleckerei. Unsere aufstrebende Industrie braucht tüchtige, charaktervolle Männer, braucht pflicht- bewußte und pflihttreue freie Arbeiter. Die gelben Organisationen sind \chließlih nihts anderes, als Wasser auf die Mühlen der Sozial- demokratie, denn ste schädigen und vergiften den gesunden Teil der Ar- beiterbewegung. Im nationalen Interesse liegen sie auch nicht; das- selbe Vaterland, das zur Verteidigung Helden braucht, kann im wirt- \chaftlihen Leben niht Feiglinge brauhen. Der Christlich-Natio- nale Gewerkverein fragt sich, wenn er über einen Lohnkampf ent- {eiden soll, immer zuvor, ob der Kampf gerecht und aussichtsvoll ist, und ob alle friedlihen Mittel erfolglos angewendet würden. Im Nuhrrevier hatten die Grubenbesißer Lohnerhöhungen in Aussicht ge- stellt; es müßte ruhig abgewartet werden, ob sie überhaupt und ob ste in genügender Höhe kommen würden. Bis jeßt haben die NRuhr- zechenunternehmer noch nit bewiesen, daß sie gewillt sind, thr Wort nicht zu halten. Auch die Kohlenpreiserhöhung soll doch erst am 1. April in Kraft treten. Sodann war Nücksiht zu nehmen auf die ausländische Konkurrenz. Der Streik von 1905 hat uns manche aus- ländischen Märkte geko|tet, deren Wiedergewinnung auch für den deut- chen Arbeiter nur von Vorteil sein könnte. Der Gewerkverein war überzeugt, daß gerade jeßt begründete Aussicht auf Lohnerhöhung vor- handen war, die allerdings nur auf friedlihem Wege erreiht werden fonnte. Der Gewerkverein christliher Bergarbeiter hat dann aber auch mit vollem Recht grundsäßlih sich leiten lassen von der Nück- sihtnahme auf unser gesamtes wirtschaftlihes Erwerbsleben, ehe ein Kampf von so ungeheursm Umfange begonnen wird. Ein Kampf, der Hunderttausende, vielleiht Millionen deutscher Arbeiter ins Elend treiben kann, darf nit ohne Ursache unternommen und durchgeführt werden. Es darf gesagt werden, daß gerade die Bergarbeiter bei ihren Niesenkämpfen auf die Gunst der offentlichen Vieinung mehr als irgend eine andere Kategorie angewiesen sind. Was nüßt es ihnen, wenn sie ohne diese Rücksichten einen solchen Riesenkampf herauf- beshwören, und wie wird die öffentliche Meinung urteilen, wenn es sich bei dem Streik in der Hauptsache um einen Sympathiestreik für die Ausländer handelt? Die Klarstellung en Seite der Sache ist für die Oeffentlichkeit von erheblihem Interesse. Der deutsche Berg- arbeiterstreik erleichtert den “rat Sas Grubenbesitßern das Herz; fe brauchen nit mehr zu fürchten, ihre Absaßzgebiete zu verlieren. Die „Leipziger Volkszeitung“ hat bereits im Januar geschrieben, daß es vielleiht noch bis zum Frühling dauern würde, bis die Welt durch einen Generalitreit ershüttert wird, und die sozialdemokratische „Bergarbeiterzeitung“ hat sh ähnlih für internationale Solidari- tät der Bergarbeiter ausgesprochen. Auch aus diesen Aeußerungen gewinnt man den Eindruck, daß es sich bei dem deutshen Streik nur um einen Sympathiestreik handelt. Anfang Februar reichten die drei Verbände auß dem christlichen eine recht maßvolle Forderung auf Lohnerhöhung an die Zechenverbände ein; um den 20. Februar war in London eine internationale Konferenz der Bergarbeiter, und am 22. Februar lief eine neue, viel shärfere und weitergehende Forde- rung bei dem Zechenverbande ein. Sollte da gar kein Zusammen hang bestehen? Diese Eingabe war vom 19. datiert, lief aber erst am 22. ein. Es ist recht auffällig, daß gerade jeßt ein radifkaler Ums- \{wung unter den drei Gewerkschaften eintrat. Der Abg. Sachse muß doch von diesem Umschwung der Taktik gewußt haben. Warum blieb denn die Eingabe drei Tage lang liegen, bis die Nachricht aus London einlief? Die neue Forderung war Due undurchführbar oder doch nur dur{bführbar dur einen heftigen Kampf. Es hat sich also um einen Sympathiestreik zugunsten der Engländer gehandelt. Svstematisch ist von dem alten sozialdemokratischen Bergarbeiterver- band auf diesen Streik hingearbeitet worden. Das ergibt die Presse, aber noch mehr die stille Agitation. Schon deshalb konnte der christ- liche Gewerkverein mit jenem nicht zusammengehen. Daß wir den Kampf nicht scheuen, haben wir oft genug bewiesen, so 1905. eute liegen aber die Dinge ganz anders. Die Leitung des sozialdemokrati- schen. alten Bergarbeiterverbandes wußte, daß der nationale christliche Bergarbeiterverein den Streik niht mitmachen könnte, nicht mit- machen würde. Aber deshalb wurde der Streik erst recht inszeniert zu dem Zwecke, den christlichen Gewerkverein zu dezimieren, womöglich zu ruinieren. Nach 1905 wurde der Jgdenanne Verschmelzungsrummel inszeniert. Es sollte ein einziger Verband gegründet werden. Das war schr falsch. Die prinzipiellen Gegensäße En uns und ibnen bleiben bestehen, wir wollen sie niht verwischen lassen. Der Verschmelzungsrummel' mißlang, jeßt soll es wieder mit dem „schmerz- stillenden Halsband" versuht werden. Der sozialdemokratische Ver- band wollte jeßt den Kampf nur um des Kampfes willen, Der rist- liche Bergarbeiterverein hat die spezifishen deutschen R Interessen nah besten Kräften wahrgenommen, weil es ebenso Ar- beiterinteressen wie allgemeine Interessen E Da wäre es aber an der Zeit, daß jeßt die Zechenbesißer mit den Arbeitern verhandeln,

sih mit ihnen verständigen. Die Grubenherren sollten greifbare Zu- geständnisse E Au, die breiteste Deffentlihkeit hat die Pflicht, die Bergherren zu O den Arbeitern hohere Löhne zu ge- währen. Das muß aber nell geschehen, mit dem Auf-die-lange-Bank ieben ist den Arbeitern nicht geholfen. Die Bergherren sollten uy auch mehr um die Wohnungs- und Lebensverhältnisse der Berg- arbeiter fümmern. Darin ift im Bergrevier außerordentlich wenig oder fast gar nichts geschehen, Wir betrachten die Medaille von allen Seiten. as nun den Kampf selbst betrifft, so kann ih mitteilen, daß bisher kein einziges Mitglied des Gewerkvereins christlicher Berg- arbeiter si freiwillig an dem Streik beteiligt hat. Teilweise sind die Leute allerdings durch den Gim Terrorismus der Streiken- den zur Niederlegung der Arbeit gen worden. Sie konnten nicht dur, sie wurden verhöhnt, beschimpft. Der Mangel an Schuß der Arbeitswilligen hat in den leßten Den geradezu Triumphe gefeiert. Gerade wo die überwiegende Me hl der Streikenden aus Sozialdemokraten bestand, beherrshte der Mob die Straße. Nicht die Hälfte würde \treiken, wenn der Terrorismus nicht herrschte. Und anderseits arbeiten au Sozialdemokraten weiter, zu Hunderten, aller- dings vorwiegend da, wo der christliche Gewerkverein die Mehrheit hat, in Oberhausen, Essen, Steele usw. Im Interesse der eingesessenen Bergarbeiterschaft müßten \{leunigst besser wirksame Maßnahmen ge- ofitn werden. Ich erhebe meinerseits niht den Nuf nah Militär. Man muß die notwendigen Maßregeln der Regierung und den Be- hörden überlassen; aber die volle Freiheit der Arbeiter im Ruhrrevier muß unter allen Umständen gewale: werden, die Massenansamm- lungen auf den Straßen müssen au hóôren, die Arbeiter, die arbeiten wollen, dürfen nit länger Spießruten laufen, niht länger dem Hohn und Spott der Streikenden een sein. Wir haben auch nichts gegen Streikposten, eine friedlihe Ginwirkung auf die Arbeitswilligen wünschen auch wir; aber unter allen Umständen muß jede Gewalt- samkeit verhindert werden. Wie geht die terroristische Gesellschaft vor? Die Frauen und Kinder werden noch \{chlimmer als in Moabit vorgeschickt; die Ausschreitungen werden planmäßig organisiert, man hat, wie in Moabit, Radfahrerkolonnen eingerichtet, die die Auf- reizung zu besorgen haben. Ich schließe, da die Debatte wohl ein paar Tage dauern wird, mit dem Wunsche, daß die Bewegung doch noch zu einem guten Ende führen möge. (Lebhafter Beifall rechts und im Zentrum. Stürmische „Pfui“-Rufe bei den Sozialdemokraten. Präsident Dr. Kaempf: Es ist gegen die Ordnung des Hauses, „Pfui!“ zu rufen.)

Stellvertreter des Reichskanzlers, Innern Dr. DEelbr us:

Meine Herren! Es handelt fick um eine Arbeitseinstellung eines Teiles der Bergarbeiter im preußishen Ruhrrevier, es handelt fich also um eine Angelegenheit, die, streng genommen, vor den preußi- {hen Landtag gehörte, insofern die Berggeseßgebung einschließlich der Negelung der Rechtsverhältnisse der Bergarbeiter zum Ressort der Einzelstaaten gehört (Zuruf von den Sozialdemokraten : Leider !), und auch die Exekutive bei den Einzelstaaten liegt. Darin liegt au für den Herrn Reichskanzler und für die verbündeten Regierungen eine gewisse Schranke für ein unmittelbares Ein- greifen in die Entwicklung der Dinge im NRuhrrevier. Auf der anderen Seite is ja unbestreitbar, daß die Geseßgebung des Neichs, insbesondere zahlreihe \ Bestimmuungen der Gewerbe- ordnung und andere, die Nechtsverhältnisse der Arbeiter betreffende reihêgeseßlide Bestimmungen, au eingreifen in die Verhältnisse der Bergarbeiter, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß eine Arbeitseinstellung im Ruhrrevier ein Ereignis ist, das in seinen Wirkungen weit hinaus reiht über den Kreis der unmittelbar be, teiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, weit hinausreiwt über die Grenzen des Ruhrreviers und des preußischen Staats, vielmehr tief eingreift in die Verhältnisse weiter Kreise der Bevölkerung im ganzen deulshen Vaterlande und geeignet ist, die ruhige Entwicklung unserer Industrie zu bedrohen und uns vor die Gefahr einer ernsten Störung der öffentlihen Ruhe und Ordnung zu stellen.

Unter diesen Umständen, meine Herren, hat es der Herr Neichs- kanzler, wie in ähnlichen Fällen, für seine selbstverständliche Pflicht erachtet, die von Ihnen gestellten Anfragen zu beantworten und mit Ihnen die Lage im Ruhrrevier zu erörtern. Der Herr Reichskanzler würde, der Bedeutung der Sahe und dem Ernste der Situation entsprechend, felbst jeßt an dieser Stelle stehen, um die Fnterpellation zu beantworten, wenn er niht durch eine dringlihe Sitzung ab- gehalten wäre, zu erscheinen. Er behält sich vor, erforderlichen Falls zu einem späteren Zeitpunkt in die Debatte einzugreifen.

Meine Herren, wenn Sie mich nun fragen, was die Reichs- regierung zu tun gedenke, um den Streik im Ruhrrevier zu einem baldigen Ende zu bringen, so werde ich zunächst einmal kurz die Frage erörtern müssen: wie ist denn dieser Streik entstanden, und was sind seine Ursahen? Denn ohne Kenntnis der Ursachen wird es {wer sein, Mittel zu finden und vorzuschlagen, um thn zu beseitigen.

Meine Herren, Sie wissen alle, daß bereits im vorigen Herbft eine Lohnbewegung unter den Bergarbeitern des Rheinish-Westfälischen Kohlenrevters einseßte, die zu einem Abschluß nicht gelangte. Die Bewegung ift dann im Anfang dieses Jahres wieder lebendig geworden, und am 6. Februar d. J. wandten sich die dret vereinigten Bergarbeiter- verbände der freien \oztaldemokratishen —, der Hirsch-Dunkerschen und der polnishen Gewerkschaften in gemeinfamen Eingaben an den Zechenverband in Essen und an den bergbaulihen Verein daselbst.

In dieser Eingabe wurden 10 Forderungen gestellt. An erster und wihtigster Stelle stand die Forderung nah einer allgemeinen 15 prozentigen Lohnerhöhung. Daneben wurden Wünsche über Ver- kfürzung der Arbeitszeit, Beseitigung des bestehenden Zechenarbeits- nachweises und eine Reihe anderer bekannter Forderungen der Berg- arbeiter erhoben bezw. wieder tn Erinnerung gebracht.

Der christliche Gewerkverein und der evangelise Bergarbeiter- verband haben \ich diesem Schritte niht angeschlossen, sondern sind selbständig vorgegangen.

Der Zechenverband antwortete nun alsbald, zugleich namens des bergbaulihen Vereins, unter dem 12. Februar, daß die beiden an- gegangenen Verbände, d. h. also der Zehenverband und der bergbau- lihe Verein, aus wiederholt dargelegten Gründen in Lohnfragen nicht zuständig sei. Die Antwort fuhr dann aber fort:

«Wir unterlafsen aber nicht, darauf hinzuweisen, daß, abgesehen von der seit Anfang 1910 bereits eingetretenen allgemeinen Lohn- stelgerung und infolge der im Kohlensyndikat zum 1. April d. J. beschlossenen Preiterhöhung, eine Erhöhung der Schichtlöhne im

Staatssekretär des

niederrheinisch - westfälishen Bergbau teils erfolgt ist, teils unmittelbar bevorsteht. Eine Erhöhung auch derx übrigen Löhne ist angesihts der starken Beschäftigung der Industrie mit Sicherheit zu erwarten, vorausgeseßt, daß unser Wirischaftsleben vor Störungen verschont bleibt.“ Der Zechenverband stellt also fest, daß eine Erhöhung der Schicht- [öhne eingetreten sei und zu erwarten sei, und daß auch eine Erhöhun g des Gedingeverdienstes mit Sicherheit eintreten werde.

Auf diese in der Form ablehnende, in der Hauptfrage, der Lohn - frage, entgegenkommende Antwort richteten die drei Bergarbeiter- verbände am 20. Februar dieselbe Eingabe an die einzelnen ich glaube es find 165 Zechenverwaltungen. Am Schluß der Eingabe war der Wunsch ausgesprochen, innerhalb 14 Tagen, also bis zum 5. d. Mts. eine Antwort zu erhalten, weil die drei vereinigten Ver- bände dann über die weiteren Schritte beraten wollten. Bis zum 5, März \ind nach meinen Informationen 80 Antworten für 155 Werke eingelaufen; 10 Zechen haben nicht geantwortet. Ein Teil Anworten etwa 20 hatten fast übereinstimmend folgenden Wortlaut :

„Wir müssen es ablehnen, uns zu den von Ihnen gestel ten Forderungen zu äußern, da und hierauf kommt es an lediglih die nah Geseßzesvorschrift gebildeten Arbeiteraus\{chü}e be- rufen sind, Anträge, Wünsche und Beshwerden zur Kenntnis ter Zechenverwaltungen zu bringen.“ Die meisten übrigen Antworten lauteten ähnli; fast überall fand ih neben dem Ausdruck des Bedauerns, daß man nicht in der Loge fei, mit den Organisationen in Verhandlungen einzutreten, der Hin- weis auf die Arbeiteraus\chüsse als die berufene Vertretung der BVe- Tegshaft.

Am 6. März trat eine Vorständekonferenz der an der Bewegung beteiligten Organisationen zusammen und verhielt #ch im Prinzip ablehnend gegen ein Verhandeln mit den Arbeiter- auss{hüssen mit der Begründung, es ftehe {hon fest, "daß die Arbeiteraus\{ü}se, abgeshreckt durch die {chlechten Erfahrungen bei den Verhandlungen im Jahre 1911, fich weigern, nochmals über die Lohnfrage mit den Zechenverwaltungen in Besprehungen einzutreten. Ich entnehme diese meine Kenntnis aus der Nr. 58 des „Vorwärts“ vom 9. März.

Meine Herren, bis dahin, also bis zum 6. März, lag nah meiner Ansicht ein Anlaß zu einer Beunruhigung niht vor, sofern es si tatsählich nur darum handelte, eine Steigerung der Löhne in an- gemessenem Umfange herbeizuführen. Die Situation lag nach meinen Erfahrungen, die ja nun auch {on über 7 Winter gehen, günstiger als in vielen ähnlih liegenden Fällen : die Konjunktur stieg, eine Er- höhung der Kohlenpreise war in Ausficht gestellt, die Löhne stiegen, die Zehenverwaltungen waren bereit, weitere Steigerungen eintreten zu lassen und was früher nicht immer der Fall gewesen war jedenfalls in ihrer Mehrzahl auch bereit, mit ihren Arbeiteraus\hüssen über die Lage der Löhne und deren zukünftige Gestaltung zu ver- handeln.

Inzwischen wurde die Situation eiwas unruhiger. In der Presse, auch in der Arbeiterpresse, tauhten Hinweise auf den großen Berg- arbeiterausstand in England auf, und gleichzeitig wurde von ver- schiedenen Rednern verschiedener Parteien dieses hohen Hauses meine Aufmerksamkeit und die Aufmerksamkeit des Herrn Reichskanzlers auf die Bergarbeiterbewegung gelenkt. Jch hielt es nunmehr für angezeigt, mit den Herren Abgeordneten aus diesem Hause, die in den vorher- gebenden Tagen meine Aufmerksamkeit auf die Bewegung gelenkt hatten, in Erörterungen einzutreten, um aus ihren Aeußerungen ein Urteil darüber zu gewinnen, ob ih meinerseits die Sache bisher falsch oder richtig beurteilt hatte.

Auf Grund einer mündlichen Besprehung wurden zu mir etn- geladen die Herren Behrens, Giesberts, Sachse, Schmidt-Berlin und Sosinski, und außer diesen Herren erschien am anderen Tag ungeladen Herr Hue. (Hört! hört! rechts und im Zentrum. Heiterkeit bei den Sozialdemokraten. Wiederholte Zurufe. Glocke des Präsidenten.) Na, meine Herren, wenn diese Zwiegespräche beendigt find, darf ih vielleicht fortfahren. (Heiterkeit.) In dieser Besprehung wurde festgestellt, daß es wesentlih zur Beruhigung beitragen werde, wenn die Zehenverwaltungen ihren Arbeiteraus{hüssen möglichst be - stimmte Erklärungen über den derzeitigen Stand und die nah Lage der Verhältnisse zu erwartende Steigerung der Löhne ab- geben würden, die ja in dem Schreiben des Zehenverbandes vom 12. Februar dieses Jahres als allgemein bevorstehend bezeichnet worden ift. Es ist richtig wie ich mit Bezug auf Erörterungen in der Presse hier ausdrüdcklich feststellen will —, daß von den Ver- tretern des alten Verbands darauf hingewiesen wurde, daß diese Ver- handlungen, wenn sie einen Erfolg haben sollten, noch im Laufe der vorigen Woche, also am Freitag oder Sonnabend, stattfinden müßten. Ich habe aber gleih darauf hingewiesen, daß es mit Nücksicht darauf, daß unsere Besprehungen bis in die späten Nachmittagsslunden des Donnerstags gedauert hatten, \{chwer möglih sein würde, bis dahin bei allen Zechen diese Verhandlungen zu erreichen.

Das Wichtigste an der Sache war mir, daß ih die Ueberzeugung gewann, daß mein Urteil insoweit rihtig gewesen war, daß, wenn es sich um eine Erhöhung der Whne handelte, ein Streik nicht geboten sei und daß die Möglichkeit gegeben wäre, die Sache zu einem fried- lichen Ende zu führen, wenn seitens der Zechenverwaltungen, bek denen die Arbeiteraus\{üsse nicht um etne Verhandlung über die Löhne gebeten hatten, die Ausschüsse zu diesem Zwecke zusammene- berufen würden.

Ich wandte mich aus diesem Anlaß sofort an den preußischen Herrn Minister für Handel und Gewerbe, der mir seine Unterstügung zusagte, aber gleichzeitig mitteilte, daß er seinerseits bereits in dem- selben Sinne eingewirkt habe, und daß kein Zweifel darüber bestehe, daß man in den Kreisen der Zechenverwaltungen im weitesten Umfang bereit sein würde, den von uns vorgeschlagenen Weg zu betreten