1892 / 226 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Sep 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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Den städtishen Behörden von Potsdam ist nachstehendes Allerhöchste Dankschreiben zugegangen:

Dem Magistrat und den Stadtverordneten danke Jh zuglei im Namen Ihrer Majestät der Kaijerin und Königin, Meiner Gemahlin, aufs wärmste für die freundlihen Glückwünsche, welche dieselben Uns aus Anlaß der Geburt einer Prinzessin-Tochter in ter Adresse vom 13. d. M. gewidmet haben. Möge Gottes Gnade, die Unser Familienglück in der Residenz Potsdam so rei gesegnet hat, auch über ter treuen Stadt und ihrer Bürgerschaft allezeit walten.

Wilhelm. Marmor-Palais, den 19. September 1892.

Jhre Königlihen Hoheiten die Prinzen Friedri ch Heinrich und Joahim Albrecht von Preußen find gestern Abend nah Schloß Hummelshain abgereist.

Der General-Lieutenant Steinhausen, Chef der topo- graphischen Abtheilung der Landesaufnahme, ist hierher zurück- gekehrt.

Der Königliche Gesandte in Stuttgart, Wirklihe Geheime Nath Freiherr von Saurma-Jelßsch hat einen ihm Aller- höchst bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Ab- wesenheit fungirt der Legations-Secretär Freiherr von Rom- berg als Geschäftsträger.

Der chilenishe Gesandte Don Gonzalo Búlnes ijt nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandt- schaft wieder übernommen.

Dem Kaiserlihen Gesundheitsamt vom 23. bis 24. September, Mittags, gemeldete Cholera-Erkrankungs- und Todesfälle:

Datum:

21./9. | 22./9.

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Berettzelie alle: N

Regierungsbezirk Schleswig: in 1 Orte des Kreises Stormarn 2 Erkrankungen. L

Regierungsbezirk Lüneburg: in 1 Orte des Kreises Harburg, Land, 1 Erkrankung, 1 Todesfall. E

Regierungsbezirk Stade: in 4 Orten der: Kreise Jork und Kehdingen insgesammt 2 Erkrankungen, 3 Todesfälle.

Regierungsbezirk Stettin: in der Stadt Stettin und 2 Orten der Kreise Ueckermünde und Greifenberg ins- gesammt 1 Erkrankung, 3 Todesfälle. u

RNegteruUngsbezlrt Frantsurt a, D: m der Siadt Landsberg a. W. 1 Todesfall.

Mecklenburg-Schwerin.

Schwerin, 23. September. Seine Königliche Hoheit der Großherzog traf, wie die „Meckl. Nachr.“ melden, gestern Abend in Begleitung Seiner Hoheit des Herzogs Johann Albrecht hier wieder ein. Jhre Kaiserlihe Hoheit die Großherzogin kehrte heute Mittag von Homburg nah Schwerin zurü.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Coburg, 23. September. Jhre Hoheit die Herzogin ist, nah der „Cob. Ztg.“, in der leßztverflossenen Naht von hier abgereist, um sh zu Seiner Hoheit dem Herzog nach Schloß Hinterriß in Tirol zu begeben.

Schwarzburg-Rudolftadt.

Schwarzburg, 23. September. Jn dem Befinden Jhrer Durchlaucht der Fürstin ist eine erfreuliche Besserung ein- getreten.

Oefterreichß-Ungarun,

Gestern Nachmittag hat sih der ungarische Minister- rath mit der endgültigen Feststelung des Budgetvor- anshlags für 1893 beschäftigt. Wie die „Ungarische Corre- spondenz“ meldet, werde das näcstjährige Budget sih noh günstiger gestalten, als das diesjährige: wenn der präliminirte Ueber)huß auch nicht bedeutend größer sein werde, als im vorigen Jahre, so sei das einzig und allein der außerordentlihen Rigorosität zuzuschreiben, die der Finanz-Minister Dr. Wekerle bei der Feststellung des Budgets von jeher bekundct habe. Obgleich die Schlußrehnungen pro 1891 mit einem Uebershuß von mehr als ,38 Millionen Geld abschlöfssen und nach den bisherigen Ergebnissen der drei ersten Quartale auch für das laufende Jahr ein fast gleih günstiges Resultat zu erwarten sei, habe der Finanz-Minister dennoch alle mißlichen Eventualitäten im Auge behalten und die Höhe der Ausgaben in einer Weise reducirt, daß das Budgct unter allen Umständen mit einer activen Bilanz ab- schließe. Jn dem Budget pro 1893 würden sowohl die ordentlichen wie die außerordentlihen Ausgaben eingestellt, und obwohl das Mehrerforderniß der Kriegsverwaltung dies- mal ein bedeutend größeres sei als im vorigen Jahre und ob- wohl der Finanz-Minister mit Bezug auf gewisse außerordent- liche Ausgaben die durch ältere Gescße gewährleistete Voll- macht, sie im Wege außerordentlicher Anlehen zu decken, nicht in Anjpruch nehme, fänden dennoch fowohl die ordentlichen wie die außerordentlichen Ausgaben im Rahmen des Budgets ihre Decung.

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In der gestrigen Sizung des böhmischen Landtags erklärte der Statthalter Graf Thun auf eine Interpellation wegen der in Stecken zwishen Deutshen und Czechen vor- gekommenen Schlägercien, cs habe kein Grund dazu. vorgelegen, den Ausflug eines czechishen Vereins nah Steen zu verbieten. Es unterliege keinem Zweifel, daß die Deutschen, die von der Anwesenheit der Czchen in Stecken Kenntniß er- halten hatten, in demonstrativer Absicht dorthin gekommen seien. Der Statthalter sprach die Hoffnung aus, daß es ge- lingen werde, die Schuldigen zur Cirafe zu ziehen, und wünschte, daß derartige unliebsame Zwischenfälle sich in Zukunft niht wiederholen möchten und der nationale Frieden ungestört bleibe. Jn Beantwortung einer Jnterpellation des Abg. Trojan wegen der Reichenberger Vorgänge erklärte der Statthalter, die Erhebungen über die Vorgänge scien noch niht abge- schlossen, jedoch stehe fest, daß einige Angaben der Jnter- pellation den Thatsachen nicht entsprähen. Hierauf wurde der Antrag auf Verstaatlihung der böhmishenWestbahn in zweiter Lesung angenommen, ebenso der Antrag der Commission, betreffend die Einführung von Landes- Verbrauchsauflagen. n

Der Club der Altczechen hat - dem jungcezechischen Club in Bezug auf die gestern mitgetheilten Anträge der Jungczehen mitgetheilt, daß er beschlossen habe, die Ueber- reichung einer Adrefse an die Krone als zur Zeit inopportun zu vertagen. Er empfehle eine besondere Geseßesvorlage zur Lösung der nationalen Fragen und nehme die Einladung zu einem gemeinsamen Vertrauensmännertage der czechishen Ab- geordneten Böhmens, Mährens und Schlesiens an.

Großbritannien und Jrlaad.

Der Minister des Auswärtigen Earl of Roscbery emvfing gestern Nachmittag eine Abordnung der eng- lishen Missionsgesell}chaft, welhe die Bitte aus- sprach, die englishe Regierung möge nah der zu Ende des Jahres bevorstehenden Räumung Ugandas seitens der Britisch-ostafrikanishen Gesellschaft ihren Einfluß in Uganda aufrecht zu erhalten suchen. Earl Rosfebery versprach dem „W. T. B.“ zufolge, den Wunsch der Misstonsgesellschaft im Cabinet zur Sprache bringen zu wollen, erflärte jedo, daß er nicht geneigt sei, England in ein Unternehmen zu ver- wickeln, dessen Ende nicht leiht abzusehen sei.

Wie der Londoner Berichterstatter des conservativen „Man- chester Courier“ mitzutheilen weiß, beabsihtige Sir John Gorst der Vertreter Großbritanniens auf der von Seiner Majestät demKaiser Wilhelm #. Zt. nah Berlin berufenen Conferenz über die Arbeiterfrage —, moglichst viele Gesinnungsgenossen um sich zu shaaren und im Parlament zu beantragen, daßder socialen Frage der Vorrang vor der Home Nule-Vorlage eingeräumt werde. Fünfzig conservative und liberal:unionistishe Ab- geordnete hätten ihm bereits ihre Unterstüßung zugesagt, und es seien zwölf verschiedene sociale Bills schon in Vorbereitung.

Der Minister des Jnnern hat laut Meldung des „H. T. B.“ aus London den irishen politishen Ge- fangenen die Erlaubniß ertheilt, im Gefängniß ihre Freunde empfangen zu dürfen.

Die, wie {hon gemeldet, zur Zeit in Newport ver- sammelten britishen Handelskammern haben im Fort- gang ihrer Berathungen u. a. einen Antrag angenommen, der wegen der Entwerthung des Silbers in Jndien die Einführung der Goldwährung empfiehlt. Auch die Einführung eines Reichs-Pennyportos sowie eine Resolution, wonah für eine Telegrammadresse, wenn ste sechs Worte nicht überschreite, von der Telegraphenverwaltung keine Gebühr mehr berechnet werden sollte, fanden Annahme.

Frankreich.

Jn einer gestern in Rouen abgehaltenen und zahlreich besuchten Versammlung von Jndustriellen und Lan d- wirthen, der auch mehrere Senatoren und Deputirte bei- wohnten, ist, dem „W. T. B.“ zufolge, beschlossen worden, gegen den Entwurf cines Handelsübereinkommens zwischen Frankreich und der Schweiz fowie gegen jede Herabseßung des Minimaltarifs Protest einzu- legen.

Wie fich dic Katholiken der Republik gegenüber zu verhalten gedenken, darüber giebt eine Aeußerung des Abbé Garnier in einer gestern in Rouba ix abgehaltenen katho- lishen Festversammlung Aufschluß, die dem „H. T. B.“ zu- folge folgendermaßen lautete: „Wir nehmen die Republik an auf den Befchl des Papstes Leo XITIl.: wir besteigen den Zug, aber um ihn zu leiten, wir treten in das Haus, aber um es zu reinigen, und wir werden cs reinigen.“ Außerdem kündigte der Abbé Garnier eine allgemeine Petition der Katholiken Frankreichs gegen die Schulgeseze an.

Unter den aus Anlay des Nationalfestes von den Präsidenten der Republik Begnadigten befinden sih nach der „Fr. C.“ auch der wegen der Vorgänge vom 1. Mai in Fourmies von den Geschworenen des Nord zu sechsjähriger Zwangsarbeit verurtheilte Agitator Culine und der chemalige Maire von Toulon ¿FouroUx, der wegen“ ‘einer unsauberen Sache vom Schwurgericht des Var zu einer fünf- jährigen Gefängnißhaft verurtheilt worden war. Der Rest der Strafe wurde den beiden Verurtheilten nur unter der Be- dingung nachgesehen, daß fie fih niht eines neuen Vergehens schuldig machen. Der „Jntransigeant“, unter dessen Auspicien eine Liga für eine allgemeine Amnestie wirkte, die unausgeseßt diese Maßregel für die „Opfer Constans““ verlangte, äußert sich sehr ungehalten über die Begnadigung des Agitators, weil diese zugleih mit derjenigen Fouroux* erfolgt sei.

Der Münchener „Allg. Ztg.“ wird geshrieben: Der Ge- meinderath der vor den Thoren von Paris gelegenen Fabrik- stadt Saint Ouen ist aus der lezten Wahl rein socialistish hervorgegangen und macht nun allerlei Vorstöße in raditaliter : Richtung. Er. hat eine „Swil:- Daufe“ verfügt, hat die städtishen Einkünfte zu einer „ge- rechten socialdemokratishen Vertheilung“ gebracht und hatte auh einen Congreß aller socialdemokratishen Communal- räthe in scine Stadt einberufen. Der Congreß hat bereits stattgefunden (siche Nr. 215 und 217 des „R.- u. St.-A.“) und in seinen Sizungen, an denen 84 communistishe Com- munen theilnahmen, folgende Beschlüsse gefaßt: Alle Arbeits- unfähigen und Arbeitslosen sind von den Communen zu unterhalten; um die Mittel hierzu flüssig zu machen, wird das Kapital entsprechend besteuert; die städtishen Gefälle werden abgeschafft, für die entstehenden Deficite in den Stadtkassen kommt gleichfalls das Kapital auf: ärztliche Hilfe und Heilmittel jeder Art werden kostenfrei geleistet: die großen Gehalte, nicht nur die der städtishen Verwaltungen, sondern

auch die des Staats, werden abgeschafft; abgeschafft werden auch die stehenden Heere und die Polizei.

Rußland und Polen.

In St. Petersburg ist am Montag Abend der Me- tropolit Jsidor gestorben. Die griechish-orthodoxe Kirche hat, wie die „St. Pet. Ztg.“ schreibt, in der Person des Heim- gegangenen cinen großen Verlust erlitten. Seine Thätigkeit war mit allen bemerfenswerthen Ereignissen in der Geschichte der rufsischen Kirche des leßten halben Jahrhunderts eng ver- knüpft und ihm verdankt sie nicht wenig Verbesserungen und Reformen innerhalb des fkirhlihen Ressorts. Unter seiner Leitung und Dank seiner unmittelbaren Theilnahme wurde das Bildungsniveau der Geistlichkeit bedeutend gehoben, die alten „Burssy“ vershwanden, die geistlihen Seminare und Akademien wurden zu neuer Thätigkeit berufen und reformirt, in den Eparchien entstanden zahlreihe weiblihe Eparchial- shulen, die materielle Lage der Geistlichkeit besserte sich zu- sehends, ein energischer Kampf wurde gegen den „Rasskol“ und die Stundisten eröffnet 2c. Der Verstorbene hat das hohe Alter von beinahe 93 Jahren erreiht. Zum Metropoliten ernannte ihn Kaiser Alexander Il. an seinem Krönungstage, und im nächsten Jahre trat er scinen Posten in Kiew an, wo er bis 1860 thätig war, um sodann als Metropolit von Now- gorod, St. Petersburg und Finland nach St. Petersburg Uberzustedeln.

Jtalien.

Nachdem nunmehr sämmtliche Minister einshließlih des Minister-Präsidenten Giolitti nach Rom zurückgekehrt find, wird dem „W. T B.“ zufolge in einem am Sonntag statt- findenden Ministerrath über die Auflösung der Kammer und den Zeitpunkt der Neuwahlen Beschluß gefaßt sowie das Budget festgestellt werden.

Zur energishen Bekämpfung des Brigantenwesens in Sicilien sind, dem „H. T. B.“ zufolge, weitere acht Compagnien Jnfanterie abgesandt worden.

Niederlande.

Die Königin- Regentin hatte den für den 7. d. M. geplanten Besuch in Haarlem auf Vorstellung des Obersten Sanitäts-Naths des Landes verschoben. Gestern brachte sie ihn nun in Begleitung der Königin Wilhelmine zur Aus- führung. Die Majestäten wurden auf der Reise und bei ihrer Ankunft in Haarlem von der Bevölkerung enthusiastisch begrüßt.

Türkei.

Der Sultan hat am 19. d. M. den neu «rnannten italienishen Botschafter Grafen Collobiano in feierlicher Antrittsaudienz empfangen.

Die russishe Botschaft in Constantinopel hat, wie dem

„H. T. B.“ gemeldet wird, den armenischen Patriarchen Msgr. Khoran Aschhikian davon benachrichtigt, daß der Kaiser von Rußland dessen Wahl zum Katholikos von

Etschmiadzin genehmigt habe.

Griechenland.

Wie man der „Pol. Corr.“ aus Athen schreibt, nehmen die Arbeiten für den Durchstich des Jsthmus von Korinth in legter Zeit einen sehr raschen Fortgang, sodaß die Uebergabe des Kanals für den Schiffahrtisverkehr voraus- sihtlih hon im nächsten Jahre wird stattfinden können. Die Einweihung ist für den 5. Mai 1893, den Namensfesttag des Königs, geplant. Die Durchfahrt für Dampfer soll in dem Kanal nur 20 Minuten dauern.

Schweden und Norwegen.

In einer gestern in StoEholm abgehaltenen Sißung des Staatsraths wurde die Einberufung des Reichstags zu einer außerordentlichen Tagung auf den 17. Oktober d. J. beschlossen. Den Hauptgegenstand der Berathung wird, wie „W. D: D vern, de Vorlage belresss der Armeefrage bilden.

Nach dem von dec Medizinal-Verwaltung dem König er- statteten Bericht über die Besichtigungen der Dien st- pflichtigen ershienen von den in diesem Jahre Gestellungs- pflichtigen 32 887 Mann zur Musterung, während 5372 Mann aus verschiedenen Gründen ausblieben. Es wurden 26 214 Mann oder 79,71 Proc. für diensttauglich und 6673 Mann oder 2029 Proc. für dienstuntauglich erklärt. Die Cassations- ursahen ‘waren: 16,35 Proc. theilweise Mißbildungen, 15,35 Proc. Kleinheit und Schwachheit, 7,64 Proc. Augen- fehler, 6,17 Proc. Brüche, 6,13 Proc. Taubheit u. f. w. Von den älteren Gestellungspflichtigen, im ganzen 12381 Mann, crschicnen nur 2888 Mann zu den Musterungen.

Dänemark. Kronprinz und die Kronprinzessin von a und Norwegen sind, dem „H. T. B.“ zufolge, ierstag zum Besuch des Königlichen Hofes auf Schloß

Bernstorff eingetroffen. Amerika. Aus Buenos- Aires wird dem „N. B.“ berichtet, daß im Laufe des gestrigen Tages zahlreihe weitere Verhaf- tungen stattaefunden haben. Die Regierung beobachte über die Verschwörung unter den Truppen vollständiges Still- shweigen: man erwarte jedoch strenge Maßregeln.

Asien.

Nach einem Telegramm der „Times“ aus Shanghat vom 23. d. M. hat die Hinrichtung eines unschuldigen Mannes, der mit Unrecht als Führer der Meuterei galt, welche im vergangenen Jahre in Tekhna stattfand, neuerlich eine ernste Erhebung in der Provinz Fukian zur Folge gehabt. f

Parlamentarische Nachrichten.

Bei der Reichstags-Ersaßwahl im 5. Liegnizer Wahl- kreise (Löwenberg-Hirschberg) ist, wie „W. T. B.“ meldet, der

Landrath von Holleufer (conservativ) mit 4932 Stimmen gewählt worden. Ehlers (freifinnig) erhielt 3596, von Bogus- lawsfi (nationalliberal) 433 und Keller (socialistisch) 100

Stimmen.

Kunst und Wissenschaft.

Ein Lebensabriß Arthur Schopenhauer's, von diesem felbst im Jahre 1851 vecfaßt, ift jeßt zum ersten Mal im „Central- blatt für Bibliotheksw.“ aus dem Nachlaß des am 12. Juni in Halle verstorbenen Professors der Philosovhie Joh. Ed. Erdmann erschienen. Dieser batte sih von zeitgenössishen Philosophen biographishe An-

aben für seine „Geschichte der neueren Philosophie“ erbeten. Die

ntwort Schopenhauer's lautete nah der „Frankf. Ztg.“ wie folgt : eeebrter Herr Professor! Da der Zweck, zu welhem Sie die in Ihrem werthen Schreiben von mir begehrten Mittheilungen ver- wenden wollen, mir nothwendigerweise willkommen seyn muß, so legt mir dieses eine Art BVilligkeitsverpflihtung auf, Ihrem Wunsche zu entsprehen:; so wenig ih auch die Neigung des Publikums, von der Sache zur Person überzugehen, billigen kann und so sehr ih selbst allezeit meine Person aus dem Spiele gelassen habe. Dem also gemäß liefere ih Ihnen hier einige biographishe Grundzüge, wie ih mir denke, daß solche Ihrer Absicht ungefähr angemessen seyn werden. Ih bin d. 22. Febr. 1788 in Danzig geboren, wo mein Vater einer der angesehensten Kaufleute der Stadt war, meine Mutter aber, die später durch ibre Schriften berühmt gewordene Johanna S. Das evangelium infantiae, als‘ welches uns nach Franfreich und Eng- fand führen würde, übergebend, berichte ih, daß ich 1809 die Uni- versität Göttingen bezogen habe, wo ich Naturwissenshaften und Ge- scibte börte, als ih im zweiten Semester, durch die Vorträge des G. E. Schulze, Aenesidemus1). zur Philofophie aufgeweckt wurde. Dieser gab mir darauf den weisen Rath, meinen Privatfleiß fürs Erste aus- \ließlich dem Plato und Kanten zuzuwenden u., bis ih diefe bewältigt haben würde, feine andern anzusehn, namentlich nicht den Aristoteles oder den Spinoza. Bei der Befolgung dieses Rathes habe ih mich sehr woblbefunden. 1811 siedelte ih nach Berlin über, in der Er- wartung, einen ächten Philosophen und großen Geist in Fichten kennen zu lernen: Diese Verehrung a priori verwandelte sich aber- bald in Geringshäßung und Spott: doch machte ich seinen Cursus durch. 1813 bereitete ich mich zur Promotion in Berlin vor, wurde aber durh- den Krieg verdrängt, befand mich im Herbst in Thüringen, konnte niht zurück und sah mich genöthigt, mit meiner Abhandlung über den Saß vom Grunde?) in Jena zu vromoviren. Darauf brachte ih den Winter in Weimar zu, wo ich Göthe's nähern Um- gang genoß, der so vertraut wurde, wie es ein Altersmtershied von 39 Jahren irgend zuließ, u. wobltbätig auf mich gewirkt hat. Zu- gleih führte, unaufgefordert, der Orientalist Friedrih Majer mich in das Indische Alterthum cin, welches von wesentlihem Einfluß auf mich gewesen ift. Von 1814 bis 1818 habe ich in Dresden privatisirt, die Bibliothek und Kunstsammlung zu vielseitigen Studien benußend u. in der s{önen Umgebung meinen Gedanken nahhängend. Als eine Episode meines damaligen Strebens erschien 1816 meine Ab- handlung über das Sehn und die Farben?3). Während dieses vier- jährigen Aufenthalts in Dreéden ist es gewesen, daß in meinem Kopfe, gewisjermaßen ohne mein Zuthun, mein phbilofophisches System, strablenweise wie ein Krystall zu einem Centro convergirend, zu- sammenschoß, so wie ih es sofort im ersten Bande meines Haupt- werkes *) niedergelegt babe. Mich haben nicht die Bücher, sondern die Welt bat mich befruhtet. Sobald ih das M. S. dem Verleger übergeben hatte, reiste ich im Herbst 1818 nach Nom u. Neapel. Zurückgekehrt habilitirte ich mich im Frübjabr 1820 an der Universität zu Berlin, wo ich nunmehr auh ‘in das Buch der daselbst promovirten Doctoren eingeschrieben wurde. Ich habe im ersten Semester gelesen und seitdem nie wieder. Vielmehr reiste ih im Frübling 41822 abermals nah Italien, kam 1825 nah Berlin zurück, wo ih seitdem wieder im Lectionskatalog figurirte, ohne je zu lesen. 1830 verfaßte id, zum Nutzen des Auslandes, eine umgearbeitete, lateinishe Darstellung meiner Abbdlg über das Sehn und die Farben, die ihre Stelle im dritten Bande der Scrip- tores ophthalmologici minores ed. Justus Radius erhielt. 1831 ging ih der nach Berlin vordringenden Cholera aus dem Wege, vor- läufig hieher, wo ih aber seitdem sitzen geblieben bin, eben nur, weil mir das Klima zusagte u. die comforts des Orts gefielen. Nachdem ih seit 1818, mit Ausnahme erwähnter lateinisher Umarbeitung, nihts herausgegeben, fondern infolge der Nichtbeachtung meines Werks, zugleih mit der Hegelgloria, im Schweigen der Indignation geblieben war, {rieb ich hier 1838 meine Abbdla über den Willen in der Natur **), eine Schrift von geringem absoluten, aber großem speci- fishen Gewicht, da sie den Kern meiner Metaphysifk, den eigentlichen nervus probandi der Sache, gründlicher darlegt, als irgend eine andere. Sodann beantwortete ich 1838 und 39 die beiden sfandina- vishen Preisfragen, die 1841 als Grundprobleme der Ethik **) er- schienen find. 1844 folgte die um das Doppelte vermehrte 2te Auf- lage meines Hauptwerkes und 1847 die fehr verbesserte meiner Doctordifsertation. Ih habe das für einen Mann meiner Art unshäygbare Glück gehabt, stets meine Subsistenz ge- sichert zu wissen u. nie in den Fall zu fommen, für Geld arbeiten, oder ein Amt suchen zu müssen. Dies hat mir den ungestörten Besitz meiner Zeit und Kräfte gelassen u. zudem mir jene aufrechte Haltung verliehn, ohne welche Werke, wie die meinigen, ebenfalls niht zu Stande fommen. Jch hoffe, geehrter Herr Pro- fessor. Ibnen mehr gegeben zu haben, als Sie gebrauchen fönnen, damit Sie sih aussuchen, was davon zu Ihrem Zwecfe paßt. Denn da Sie die Redlichkeit Ihrer Absicht deklariren, habe ich gewünscht, Ihnen möglihs Genüge zu leisten und verharre mit vollkommener Hochachtung Ihr ergebener Diener Arthur Schopvenhauer. Franftfurt, d. 9. April 1851.“

Aus Düsseldorf meldet der „Düs. Anz.*: Der Historien- maler Arthur Kampf führt ein neues größeres Gemälde der Vollendung entgegen. Es stellt den von der Gicht an seinen Lehn- stubl gefestelten großen König Friedrich II. dar, der seincn um ihn stehenden Generalen Weisungen ertheilt. Das besonders \{chöne und auédruckéêvolle Bild ist von einem hochberzigen Gönner als Ge- schenk für die städtishe Gemälde-Galerie beitimmt.

Der Zweite Director des Germanischen National- Museums, Herr Professor Bösch aus Nürnberg, weilt, wie man ten „Münch. N. Nachr.“ meldet, zur Zeit wieder in Pfahl - heim in Württemberg. Lettes Jahr wurde von ihm mit dem Eigen- thümer des Aers an den alemannischen Grabstätten ein Ab- kommen getroffen, und Bösch wird jeßt nah weiteren Gräbern suchen und teren Funde beben.

Der Bildhauer Kopf aus Rom hat dem „Schwäb. Merk.“ ¿ufolge die reihen Kunstschäße scines Ateliers shenkungëäweise dem Großberzogliben Badfonds in Baden-Baden überlassen mit der Bedingung, daß sie der Stadt erbalten und Jedermann zugänglih bleiben sollen.

Der russische Forshungsreisende J. D. Tscherski, der von der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg zur Erforshung des nördlichen Theils des Gouvernements Jakutsk abgesandt worden war, ist, nach der „Now. Wr.“, kürzlih in Sibirien in der Nähe von Sredne-Kolymsk gestorben.

Bei dem Dorf Lagina im türkishen Sandshak Mentesche bat man, nah einer Correspondenz des „Hann. Cour.“ aus Kon- stantinopel vom 18. d. M., vor Kurzem die Ueberreste eines Tempels entdeckt, welher dem Cultus der Hekate gewidmet ge- wesen zu sein scheint. Hamdi Bey, der Director des Kaiserlichen Museums in Konstantinopel, wollte im Laufe dieser Woche noch nah Lagina abreisen, um nähere Untersuhungen über den Ursprung und die Geschichte des Tempels anzustellen. Das Sandschak Mentesche

1) Schulze batte unter dem Titel „Aenesidemos“ (der Name des skeptishen Philosophen) 1792 eine Schrift veröffentlicht, worin er Kant's Kritik vom Standpunkte des Skepticismus aus bekämpvfte.

,_*) Veber die vierfahe Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde. Rudolstadt 1813. _*%) Ueber das Sehen und die Farben. Eine Abhandlung. Leipzig 1816. :) Die Welt als Wille und Vorstellung. Leipzig 1819. ¿) Frankfurt a. M. 1836. O *) Die beiden Grundprobleme der Ethik. Frankfurt a. M. 1841.

liegt im Südwesten des Vilajets Aïdin in Kleinasien und gehört ¿um Verwaltungsbezirk von Mughla.

Gesundheitêwesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Cholera. °

Aus dem Krankenhauïe Moabit sind, wie der „Nat.-Z.* berichtet wird, gestern weder neue Erkrankungen noch Nacherkrankungen an der asiatischen Cholera zu melden gewesen. Das Befinden der Cholerafkranken ist im allgemeinen günstig, bei dem dreijährigen Sohne des Schiffers Woytkowski sind jeßt die Masern hinzugekommen. Neu ein- geliefert wurden am Donnerstag Nachmittag vier Choleraverdächtige, gestern Vormittag zwei. Darunter befindet sich der Bootsmann JIarecki, dessen Kahn an der Schleuse bei Plötensee liegt, an der- selben Stelle, wo auch der Kahn des Schiffers Michaelis liegt.

Ihre Majestät die Kaiferin Friedrich hat durch den Ober- Hofmeister Grafen von Seckendorff der Hauptstiftungskasse des Magi- strats 1000 A für die Notbleidenden in Hamburg und Altona übersandt.

Gestern ist in Stettin ein Knabe von der asiatishen Cholera

befallen worden. In demselben Hause waren bereits früher mehrere .

Personen erfranfkt.

Das Landrathsamt in Ueckermünde macht bekannt, daß der bacteriosfopishen Untersuchung zufolge in Ziegenort ein Kahn- matrose an asiatisher Cholera gestorben ift.

Der Lürgermeister von Amsterdam macht bekannt, daß an Bord eines am 21. d. M.*° von Hillegom abgegangenen und am 22. d. M. dort eingetroffenen Schiffes drei Erkrankungsfälle vor- gekommen find, bei denen es \ich wabhrsceinlich um asiati!he Cholera handle. Zwei von den Erkrankten seien bereits gestorben. Bei Varik ist an Bord eines auf der Fahrt von Hertoaen bus\ch-nach Ruhrort befindlichen Schiffes ein Cholera - Todesfall vor- gekommen. An Bord des rbeinishen Schiffes „Gysberta“ ist, wie aus Rotterdam gemeldet wird, ein Knecht an der Cholera er- krankt. In Neeritter (Provinz Limburg) ift ein Cholera-Todesfall vorgekommen.

In Antwerven fanden gestern zwêi Erkrankungen an Cholera und drei Entlassungen aus dem Hospital statt: aht Kranke befinden sih noch in Behandlung. Die Cholera nimmt in den Vorstädten von Brüssel an Heftigkeit zu: gestern wurden siebzehn Erkrankungen und fünf Todesfälle gemeldet. Brüssel selbft is cholerafrei. Fünf- zehn Erkrankungen und zehn Todesfälle an Cholera waren gestern in Paturages zu -verzeihnen ; die Epidemie is auch dort im Zu- nehmen.

Am Donnerstag sind in Paris 24 Cholera-Erkrankungen und vier Todesfälle, innerhalb der Bannmeile vier Erkrankungen und zwei Todesfälle vorgekommen. In Havre erfranklen am Donnerêtag acht, zwei Personen ftarben an der Cholera. Nach einer Meldung des „Temps“ ift gestern in Asporières bei Nodez (Departement Aveyron) ein Mann an der Cholera gestorben.

Nach amtlicher Mittheilung aus Wien ift vom Donnerêtag bis Freitag früh 8 Uhr in Podgorze und Wolowice keine Cholera- Erkrankung vorgekommen ; aus Krakau wird eine Erkrankung ge- meldet. Die Nachricht, daß im Lemberger Garnison-Lazareth ein Fall von asiatisher Cholera vorgekommen sei, ist unrihtig. Thatsächlich erfranfte nur ein Infanterift an Cholera nostras. Sein Befinden hat sich bereits bedeutend gebessert. Bei den zuleßt in Wolowice er- franften beiden Personen find Kommabacillen festgestellt. Beider Zustand ift jedoch zufriedenstellend. Der Gesundheitszustand in Wolowice und den Nachbargemeinden ist ein ausgezeichneter. In Neu-Sandec ift bisher fein Cholerafall vorgekommen.

Nunmehr werden auh aus Riga und Bolderaa Erkrankungen an der Cholera gemeldet. Bis zum 21. d. M. incl. sind sechzehn Personen von der Krankheit befallen und aht davon gestorben. Im Gouvernement Siedlce ift der Ausbruh der Cholera amtlich fest- gestellt worden.

Ein weiterer Cholera-Todesfall ist gestern in New-York selbst vorgekommen.

Ueber Choleragefahr und Absperrung5maßregeln wird weiter berichtet :

New-York, 23. September. Die Fahrgäste des Dampfers „Normannia“ sind aus der Quarantäne entlassen worden. Die Fahrgäste des Dampfers „Rugia* dürfen ibn am Dienstag ver- lassen. Der Dampfer „Suevia“ und die Kajüten-Fahrgäste des „Wyoming“ sind aus der Quarantäne entlassen worden.

Rußland.

Die Verfügung, nah welcher Schiffe, die mit Cholerakranken in Riga eintreffen, nah der Quarantäneanstalt Kensoe in Schweden zu senden sind, ist aufgehoben. (Vergl. „Reichs-Anzeiger“ Nr. 220 vom 17. Sevtember 1892.)

Spanien.

Laut Verordnung des Königlich spanishen Ministers des Innern vom 16. September 1892 sind Provenienzen von New-York, welche nach dem 3. September abgegangen sind und nah dem 15. d. M. ankommen, nach dem Quarantänehafen zu schicken. Provenienzen von Oran, welhe nah dem 10. September abgegangen sind und mit reinem Gesundheitspaß oder einem Vermerk über verdächtige Fälle epidemisher Cholera einlaufen, müssen drei Tage bezw. länger, d. b. in Gemäßheit der Verordnung vom 10. September (Reichs-Anzeiger Nr. 224 vom 22. September 1892), sfanitätspolizeilißh beobachtet werden und, wenn sie den Vermerk im Gesundheitévaß tragen, daß Cholerafälle vergefommen sind, nach dem Quarantänehafen geschickt werden.

Portugal.

Durch eine im „Diario do Governo“ vom 15. September 1892 veröffentlihte Verfügung des Königlich portugiesisGßen Ministeriums des Innern wird der Hafen von Honfleur für von Cholera „ver- seucht* erflärt.

Verkehrs-Anstalten.

Jm Anschluß an frühere Mittheilungen wird bekannt ge- geben, daß in Dänemark wegen der Choleragefahr die Ein- fuhr mit der Post von gebrauchter Leinwand, gebrauchten Kleidungsstücken und Bettzeugen, Lumpen, gebrauhter Watte, Kraßwolle, Papierabfällen, gebrauchten Krollhaaren, Früchten, Gemüse und Blumen (mit Ausnahme von Blumenzwiebeln, Grassamen, getrockneten und präparirten Grasarten sowie von Bast) bis auf weiteres verboten ist.

Laut Telegramm aus Herbesthal ist die zweite englische Poft über Ostende vom 23. d. M. ausgeblieben. (Grund: Verspätete Landung des Dampfers wegen starken p Nebels.

Bremen, 23. September. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Havel“, am 13. September von Bremen und am 14. September von Southampton abgegangen, ist am 21. September Nachmittags in New-York angekommen, an Bord ist Alles wobl. Der Postdampfer „Ohbio* ist am 19. September von Buenos- Aires nah Eurova in See gegangen. Der Schnell- dampfer „Fulda“, am 10. September von New-York abgegangen, ist am 22. September Morgens in Genua angekommen. Der Reichs- Postdampfer „Salier*, von Australien kommend, ist am 22. Sep- tember Vormittags in Genua angekommen.

24. September. (W. T. B.) Der Postdampfer . Gera“, am 10. September von Bremen abgegangen, ist am 23. September Morgens in Baltimore angekommen; an Bord ift alles wohl. Der Reichs-Postdampfer „Habsburg“ hat am 23. September Abends, nah Uebernahme der für Australien bestimmten Post, die Reise von Port Said nah Suez fortgeseßt. Der Reichs-Post-

dampfer „Salier“ hat am 22. September Abends die Reise von Genua nach Southampton fortgesezt. Der Reichs - Post- dampfer „Neckar“, nach Oft - Asien bestimmt, i am 23. September Vormittags in Singapore" angekommen. Der Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm I1.®, von New- Bort kommend, hat am 23. September Nachmittags D over passirt. Der Postdampfer „Leipzig“, von Brasilien kommend, hat am 25. September Nachmittags St. Catherines Point passirt. Der Postdampfer „Darmstadt“, von New-York kommend, hat am 23. September Nachmittags Lizard passirt. Der Reichs-Postdampfer „Stettin“ ist am 23. September mit der oftasiatishea Post vom RNeichs-Postdampfer „Oldenburg“ von Port Said in Brindisi angefommen. Der Poftdampfer „Kronprinz Friedrih Wil- helm“ hat am 23. September Morgens die Reise von Antwerpen nah Bremen fortgeseßt.

Theater und Musik.

Kroll’s TBeater.

Mozart’s „Don Juan? hatte gestern dihte Schaare& an- gelockt und den großen Königsfaal bis auf den leßten Plaß “œŒfüllt. Den Don Juan fang, wie vor drei Wochen bei Eröffnung seines Gastspiels, Herr Francesco d’Andrade mit glänzendstem Erfolg. Auch gestern übershüttete das Publikum den Künstler mit Beifall und ruhte nicht eher, als bis er das Champagnerlied zweimal wieder- holt und auch das Ständen wieder in deutsher Sprache gesungen hatte. In mehreren prahtvollen Blumenspenden wurde ihm der Dank der Zuhörer ausgedrückt. Die Ehren des gestrigen Abends hatte Herr d’Andrade zu theilen mit Frau Moran - Olden, die in der Rolle der Anna ihr dicsjähriges Gastspiel- eröffnete und wie im vorigen Jahre durch ihre glänzende Stimme das Publikum begeisterte. Als Zerline trat Fräulein Jslar auf, deren trefflicher Leistung in der Partie der Nosine im „Barbier von Sevilla“ wir erst vor einigen Tagen an dieser Stelle gedaht haben. Ihre an- genehme, ausgezeichnet geshulte Stimme. und ihr anmuthiges Spiel verdienten und fanden die vollste Anerkennung. Herr Halper zeigte als Leporello mehr Beweglichkeit und Humor als das vorige Mal und befriedigte deshalb auch ebenso wie Herr Moers, der die Rolle des Octavio, und Herr Garn, der die des Masetto übernommen hatte

Theater Unter den Linden.

Das von den Wiener Architekten Fellner und Helmer ecbaute neue Theater, dessen Eingang in der Behrenstraße liegt, wurde gestern mit einer Generalprobe vor geladenen Gästea eröffnet. Die Haupt- anziehunasfraft bildet und wird noch lange Zeit der Theate - raum felbst bild-n, der nach anderen Grundsäßen, als le r heller font Wld snd ebaut t Dex Zufchauerraum ift nit, wie bei diesen, durch Wände abgeschlossen, sondern findet in den beiden Rängen (der eine wird Balcon, der andere I. Nang genannt) eine Fortsezung in offenen Promenaben- gängen, in denen man sich frei bewegen und nach Bedarf auch materielle Bedürfnisse ‘befriedigen kann: auch im Parquetraum be- finden sih Buffets; die Promenadengänge des I. Ranges leiten zu einem Wintergarten über. Wir verzihten auf die weitere Be- schreibung, nahdem wir bereits vor einigen Wochen (in Nr. 199 des „NR.- u. St.-A.*“) bierüber das Nöthige mitgetheilt haben. Nur das sei noch hervorgehoben, daß die Pracht, mit der das Ganze in Noth, Weiß und Gold auégestattet ist, die Eleganz und Be- haglichfeit, die sh über den weiten breiten Zuschauer- raum und die „Promenaden“ verbreitet , etwas außer- ordentlich Solides hat und das Theater hierdurch zu einer Sehen®? würdigfkeit ersten Ranges gemacht wird. Die geschilderte Einrichtung weist |chon darauf hin, daß hier der ernsten Schauspielkunst keine Stätte bereitet ist; das Theater soll der heiteren Muse, der Zer- streuung, der Erholung, der Geselligkeit dienen, und man fann sagen, daß die Verwirklichung dieses Zwecks durch die mit ausgesuhtem Raffine- ment hergestellte bauliche Einrichtung sichergestellt ist. Ein solches Theater für die vornehmere Welt ift etwas Neues und Eigenartiges: ob es einem Bedürfniß entspricht, kann erst die Folge lehren: der Gedanke, der ihm zu Grunde liegt, hat gewiß etwas Berechtigtes. Das Theater will allein die Operette und das Ballet pflegen, und mit der gestrigen Generalprobe hat es bewiesen, daß es nicht mit fleinen unzulänglichen Mitteln arbeiten will, sondern gewissermaßen darauf bedacht ist, aus dem Vollen zu wirthschaften. Das zahlreihe Künstlerpersonal, unter - welchem das Ballet sowohl in der Zahl wie in der Schulung die erste Nolle spielt, deutet darauf hin, daß es sich hier um ein großes Unternehmen handelt, welhes von Männern mit einem weitin Gesichtskreis geleitet wird. Dazus” kommt eine Ausstattung in C\stümen, wie sie felbst dem verwöhntesten Geshmack imvoniren muß.

Das Orchester, welhes wie im Bayreuther Theater —, für das Publikum unsichtbar, unter den Bühnenraum gelegt ist, leitete die Vorstellung unter des Kapellmeisters Ferron Dirigentenstab mit der Jubel-Ouverture von Weber cin, worauf der Regisseur Herr Friese einen von Herrn Stettenheim gedihteten, die Ziele des Theaters in angemessener Weise darlegenden Prolog sprah. Darauf folgte eine neue Operette des Kapellmeisters Ferron, „Daphne“", die nah dem Genre der die hellenishe Götterwelt persiflirenden Offenbachiaden gedihtet ist. Die Musik is stellenweise von großem Reiz und verfügt über eine Reihe hübscher Melodien, die sih bald in weiteren Kreisen einbürgern dürften. Trägerin der Titelrolle war ein Fräulein Laura Hayn, die wenn auch nicht über eine große, do angenehme und lieblihe, auch in der Höbe binreihend flangvolle geshulte Stimme verfügt und dabei in ibrem ganzen Auftreten von g2winnender Anmuth ist. Den Cupido sang ein Fraulein Ada Walden mit Routiae und gutem Erfolg: Fräulein Scherenberg als Diana vermohte weniger Eindruck zu machen; h«irvorgehokten seien noH Herr Hefkfenthal (Apollo) mit einer gefunden kräftigen Tenor- stimme und Herr Friese junior. der den Momus in Spiel und Couplet wirksam zur Geltung brachte. Einen großen Raum in der Operette nehmen das Ballet und die Aufzüge des Gefolges der Diana ein. Mag die Operette hierdurh auch etwas übermäßig in die Länge ge- zogen sein, so wird man doc der Composition sowohl wie der Einstudirung die Anerkennung nicht versagen dürfen. Nach der Pause, die zum Prome- niren in den „Promenadengängen“ und im „Wintergarten“ benußt wurde, und während welcher das Orchester einige Stücke vortrug, folgte das große Ballet oder Auéstattungsstück „Die Welt in Bild und Tanz“, von J. Gaul und Haßreiter, Musik von J. Bayer. Der Combponist selbt leitete hierbei das Orchester, welches sich wie in der „Daphne" = als tüchtig geshult erwies. Die Musik zeichnete sich durch manche hübsche, anmuthige Walzer und Märsche aus. Was den Inhalt des Ballets anbetrifft, so tritt das geistige Band, welches die einzelnen Bilder verbindet, so fehr in den Hintergrund, daß man es lieber ganz vermissen möchte; denn was übrig bleibt, sind nur die Bilder der Tänze, die in allen Welttheilen getanzt werden, verbunden mit glänzenden Aufzügen und einer den Charafteren der Nationen entsprechen- den, wahrhaft vershwenderis{hen Ausstattung. Die drei ersten Bilder, die wenig Reiz haben, fönnten fehlen, ohne im mindesten das Ver- ständniß zu beeinträchtigen. Glanznummern bilden die chinesischen Tänze, der orientalishe Tanz im „Palast des Emirs“, der „Mond- scheinwalzer*“ im Park von Sanssouci, ein Tanz der Tscherkessen, ein Tanz der Tiroler, ein Czardas und eine Staaten-Quadrille. Die Farbenpracht der Costüme wie die Leistungen des Corps de Ballet selbft verdienen volles Lob und unbedingte Anerkennung. Indessen wurde dies alles wohl noch übertroffen durch die Prima Ballerina Fräulein Elia, die, fast während des ganzen Ballets thätig, die schwierigsten Tänze mit einer Leichtigkeit, Sicherheit und Grazie ausführte, daß fie das ganze Publikum schnell für sich cinnahm und durch immer lebhafteren Beifall ausgezeibnet wurde; ihr Partner im Pas de deux, Herr Paggiole}i, zeigte sih ihr ebenbürtig. Im ganzen wurde in dem Ballet so vieles geboten, daß niemand unbefriedigt blieb, so sehr auch manches weniger Schöne und Ueberflüssige darin enthalten ist und fo wenig au der geistige Inhalt selbt geringen Ansprüchen genügt.

Die Dauer des Ballets wie der ganzen Vorstellung ging über die sonst üblihe Maß hinaus; indeß muß man eben einen anderen