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prochen. Denn der ursählihe Zusammenhang zwischen E a Eingriffe in die Person des Klägers und dem Betriebe bleibt bestehen, da außer jener von dem Kläger mit bewußter Absicht ausgeführten Handlung (dem Niederlegen von Pulverkörnern auf die Wetterlampe), die den vorhandenen Bedingungen die Richtung auf den cinge- tretenen Erfolg gegeben hat, noch hinreichende andere, in der besonderen Gefährlihkeit des Bergwerksbetriebes beruhende, vom Willen des Klägers unabhängige und von seinem Be- wußtsein bei Ausführung der vorgedachten Handlung nicht umfaßte Umstände vorhanden waren, ohne deren Mitwirkung der Eintritt des von dem Kläger nicht beabsichtigten Erfolgs unmögli gewesen j würde. ;
Arbeitspausen können unter Umständen dem Betriebe noch zugerehnet werden unter der Voraus- seßung, daß die Arbeiter an einem Orte der Ruhe pflegen, welcher ihnen hierzu vom Arbeitgeber entiveder ausdrüdcklih angewiesen ist oder doch als stillschweigend angewiesen gelten kann. N i
Ein Arbeitsverhältniß kann nicht angenommen werden, wenn das Eingreifen in den Betrieb gegen den er- klärten Willen des Betriebsunternehmers stattgefunden hat.
Einem concessionirtem Dienstmann, welcher von einem Schlächtermeister zur Hilfeleistung beim Abladen eines mit Fleisch gefüllten Korbes gegen Entgelt angenommen war, ist der Entschädigungsanspruch versagt worden, da er bei der fraglichen Hilfeleistung lediglih sein eigenes Gewerbe aus- eübt habe, niht aber als Arbeiter in den Betrieb des chlätermeisters eingetreten sei. : : :
Der Entschädigungsanspruch eines in einer Privat- heilanstalt angestellten Wärters ist Mao worden. Der Wärter hatte dadurch einen Unfall erlitten, daß er die Haustreppe heruntergestürzt war, als er im Begriff stand, für einen Kranken Milch aus der Küche zu holen. Der Betrieb des Krankenhauses, abgesehen von der zu Anstalts- zwecken benugten, durch einen Motor betriebenen Heizanlage, unterfällt zur Zeit nicht der Unfallversicherung.
Ein formalrechtlihes Versicherungsverhältniß und damit die Entschädigungspfliht der Berufsgenossenschaft entsteht regelmäßig nur dann, wenn die Berufsgenossenschaft einen
ejammten Betrieb oder die Person eines Unternehmers als
bei ihr versichert anerkannt und daraufhin Beiträge erhoben hat. Dagegen kann die Aufführung eines einzelnen, nicht versicherten Arbeitnehmers in den Lohn- nachweisungen eine Versiherung und damit zugleich cine etwaige Entschädigungsverpflihtung im allgemeinen nicht herbeiführen. /
Die (freiwillige) Selbstversicherung von Regie- Bauherren — wie überhaupt von Betriebsunternehmern —, die es entgegen der statutarishen Vorschrift unterlassen, in ihrem Versicherungsantrage auch die Bezeichnung des der Ver- sicherung zu Grunde zu legenden Jahresarbeitsverdienstes an- zugeben, kommt bis zur Beseitigung dieses Mangels regelmäßig nicht zu stande.
Die formelle Bedeutung, welhe auf dem Gebiete der Unfallversicherung der Eintragung eines Betriebes in das Genossenschaftskataster zuerkannt wird, muß auch der Auf- nahme in das Unternehmerverzeichniß des land- wirthshaftlihen Unfallversiherungsgeseßes bei- wohnen. |
Nach der Sonderausgabe der „Amtlichen Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts, Jnvaliditäts- und Altersversicherung“ vom 1. Oktober d. J. ist der Altersrentenanspruch cines selbständigen Goldshmieds, der als Tarxator bei einer städtishen Leihanstalt beschäftigt worden war, zurück- gewiesen worden. Der Kläger war als Taxrator den im 8 36 dec Reichs-Gewerbeordnung genannten selbständigen Gewerbe- treibenden zuzurechnen.
Bei Beantwortung der Frage, ob jemand Unternehmer oder unselbständiger Arbeiter sei, kommt es bei der Jnvaliditäts- und Altersversiherung ebenso wie bei der Unfall- versicherung niht wesentlih darauf an, in welcher Weise die Arbeit gelohnt wird, sondern im allgemeinen nur darauf, ob der Betrieb, in dem er arbeitet, für seine oder eines anderen Rechnung erfolgt.
Das in den S8 77 ff. des Invaliditäts- und Alters- versicherungsgescßes vorgeschriebene Verfahren (Berufung auf schiedsgerihtlihe Entscheidung, Revision) hat auch im Falle einer Streitigkeit über das Ruhen einer Rente (S 34 a. a. O.) Anwendung zu finden.
Die Vorschrift des § 3 Absay 1 des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgeseßes, wona der Durhschnittswerth von Naturalbezügen von der unteren Verwaltungs- behörde festzuseßen ist, gilt überhaupt nicht für die vor- geseßliche Zeit und ist das Schiedsgericht, soweit diese Zeit in Betracht kommt, völlig frei in der Schätzung dieses Werthes.
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_ Der Kaiserliche Botschafter in Paris Graf zu Münster ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Uclaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen. :
Der Kaiserliche Botschafter - am Königlich italienischen Hofe, Wirkliche Geheime Rath Graf zu Solms-Sonne- walde hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub ange- treten. Während feiner Abwesenheit fungirt der Erste Secretär der Kaiserlichen Botschaft, Legations - Rath von Mugzen- becher als Geschäftsträger.
_ Der Kaiserliche Botschafter in Wien Prinz Reuß hat einen ihm Allerhöchst bewilligten vierzehntägigen Urlaub an- a Während seiner Abwesenheit fungirt der Erste ecretär, Legations-Rath Prinz von Ratibor als Geschäfts- räger.
Der Kaiserliche Gesandte am Königlich niederländischen Hofe, Geheime R E Graf zu Rangyau is von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub nah dem Haag zurück- gekehrt und hat dic Geschäfte der Gesandtschaft wieder über- nommen.
Der neuernannte Kaiserliche Gesandte bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Wirkliche Geheime Rath Dr. Busch is in Bern eingetroffen und hat die Geschäfte der Kaiserlichen Gesandtschaft übernommen.
Der Commandeur der 1. Garde - Jnfanterie - Division, General-Lieutenant von Holleben is vom Urlaub hierher zurückgekehrt.
Der Director des Waffen-Departements, General-Lieutenant Mül ler hat Berlin auf einige Tage verlassen.
Der Jnspecteur der 1. Jngenieur-Jnspection, General- Lieutenant Andreae ist hierher zurückgekehrt.
Der Präsident des Kaiserlihen Patentamts von Koenen ist vom Urlaub zurückgekehrt.
Der Referendar Schlössingk ist auf Grund der be- standenen Staatsprüfung zum Gerichts-Assessor in der Justiz- verwaltung von Elsaß-Lothringen ernannt worden.
S. M. Kreuzer „Habicht, Commandant Corvetten- Capitän Las LAAD ist am 1. Oktober in St. Vincent (Cap Verdische Jnseln) eingetroffen und beabsichtigt, am 6. nach v Cruz auf Teneriffa (Canarische Jnseln) in See zu gehen.
Dem Kaiserlichen Gesundheitsamt vom 1. bis 3. Oftober, Mittags, gemeldete Cholera-Erkrankungs- und Todesfälle:
Datum:
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Hamburg. Hamburg.
Preußen. Schleswig.
Mecklenburg- Schwerin.
Altona.
Boizenburg. —| —| —| —| 4
Vereinzelte Erkrankungen:
Regierungsbezirk Schleswig: in der Stadt Wandsbeck und 1 Ort des Kreises Stormarn 2 Erkrankungen 2 Todesfälle.
Negierungsbezirk Stade: in der Stadt Stade und in Achim 2 Erkrankungen 1 Todesfall.
Regierungsbezirk Stettin: in der Stadt Fiddichow, und 3 Orten der Kreise Randow und Greifenhagen 2 Er- krankungen, 3 Todesfälle.
Regierungsbezirk Potsdam: in der Stadt Lieben- walde 1 Erkrankung.
Regierungsbezirk Koblenz: in der Stadt Koblenz 1 Todesfall.
Bayern.
München, 2. Oktober. Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent ist gestern aus dem Algäu hier wieder ein- getroffen. Morgen begiebt sih Höchstderselbe nah Berchtes- gaden, von wo die Nückehr am 30. d. M. erfolgen wird.
Sachsen.
Dresden, 2. Oktober. Seine Königliche Debet der Prinz und Jhre Kaiserlihe und Königlihe Hoheit die Prinzessin Friedrih August sind vorgestern aus Lindau hier wieder eingetroffen. ;
Durch den Cultus-Minister von Seydewiß, der dazu von den in evangelicis beauflragten Staats-Ministern mit Auftrag versehen war, erfolgte gestern die Einführung des neuernannten Präsidenten des Landes-Consistoriums von Zahn in sein Amt.
Baden.
Karlsruhe, 1. Oktober. Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog hat vorgestern Schloß Mainau verlassen und sih über Bregenz nah FJnnsbruck begeben, um von da aus die Vereinsalp zu erreihen, wo JZhre Königliche Hoheit die Erbgroßherzogin bei Höchst- ihrem Vater weilt. Am nämlihen Tage empfingen Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Gro ß§ß- herzogin den Besuch Jhrer Königlichen Hoheiten des Fürsten und der Fürstin von Hohenzollern und gestern den Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Luise. von Preußen.
Oldenburg.
(H.) Oldenburg, 1. Oftober. Seine Königliche Hoheit L SLORAELN hat sih heute von Güldenstein nah Eutin
egeben.
Braunschweig.
Braunschweig, 1. Oktober. Seine Königliche Hoheit der Prinz Albreht von Preußen, Regent des Herzog- hums Braunschweig, ist heute wiederum in Kamenz in { Schlesien eingetroffen.
Sachsen-Coburg-Gotha.
Coburg, 1. Oktober. Jhre Kaiserlihe und Königliche Hoheit die Herzogin von Edinburg mit Höchstihren drei ältesten Prinzessinnen-Töchtern sowie Seine Hoheit der Erbprinz und Jhre Königliche Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen sind heute Nachmittag von München wieder hier eingetroffen.
Deutsche Colonien.
Der Compagnieführer à la suite der Schußtruppe für Deutsch-Ostafrika Ramsay is} unter Entbindung von dem Commando zum Auswärtigen Amt mit dem 1. Üktober d. J. in die Schußtruppe wieder einrangirt worden.
Premier-Lieutenant von Stetten ist am 3. r Mol in
Kamerun eingetroffen und hat die Führung der Polizei- truppe übernommen. 4
Der Second-Lieutenant a. D. Bronsart von Schellen- dorff ist nah Ablauf seines dreijährigen Commandos zur Kaiserlihen Schußtruppe für Deutsch-Ostafrika am 30. v. M. aus derselben ausgeschieden.
Der Second-Lieutenant a. D. Langheld von der Schuß- truppe für Deutsch - Ostafrika ist, unter gleichzeitiger Ver- längerung seines Commandos zu derselben bis zum 30. Sep- tember 1895, der Schußtruppe definitiv zugetheilt worden.
Oefterreih-Uugaru.
Der Kaiser und der König von Sachsen trafen am Sonnabend Abend von den Jagden in Steiermark in Schön- brunn ein. Gestern früh 8 Ühr kehrte der König von Sachsen nah Dresden zurück; der Kaiser geleitete Allerhöchstdenselben zum Nordwest-Bahnhof, wo sich die Monarchen auf das herz- lichste von einander verabschiedeten. Gestern Abend hat sich der Kaiser zum Empfang der Delegationen nah Budapest begeben, von wo die Ruckkehr nah Wien am 6. d. M. er-= wartet wird.
Ueber das Befinden des Prinzen Hermann zu Schaumburg-Lippe wird aus Kirchdorf vom 1. d. M. gemeldet: „Jm Allgemeinbefinden des Prinzen ist keine wesentliche Aenderung eingetreten. Der Prinz verbrachte die Nacht ruhig und I auh etwas. Die JZntervalle mit klarem ewußtsein dauern etwas länger.“ Nach eincm Telegramm des „H. T. B.“ von ger war das Befinden des Pes anhaltend zufrieden- tellend, und es sei Aussicht auf Genesung nunmehr vor- handen. Die Wunde werde kleiner und beginne si zu füllen.
__ Prinz Heinrich XXIX. Neuß, A eieulenant im 1. Preußischci B etilerte. egiment, zweiter Sohn des Prinzen Heinrih IX. Reuß und dessen Gemahlin, geborenen Freiin von Zedliß und Leipe, ist, wie aus Czernowiß gemeldet wird, am 830. September in Radaußg an der Diphtheritis gestorben. 7
Beide Delegationen haben sih vorgestern in Buda- pest constituirt. Die österreihishe Delegation wählte zum Vorsißenden den Abgeordneten von Chlumecky, der in einer längeren Ansprache die Sympathien der Delegation für das österreihishe Heer zum Ausdruck brachte, die Noth- wendigkeit einer ungestörten Erhaltung des finan- ziellen Gleichgewihtes hervorhob und die durh Bünd- nisse besonders gekräftigte conservative Friedenspolitik der Regierung unter deren voller Anerkennung betonte. Der Redner \chloß mit einem dreimaligen Hoh auf den Kaiser, das enthusiastish aufgenommen wurde. Die unga- rishe Delegation wählte den Grafen Ludwig Tisza zum Präsidenten, der in seiner Eröffnungsrede hervorhob, daß in internationaler Beziehung im leßten Jahre nichts geschehen sei, was eine Kriegsbesorgniß hervorrufen könnte. Der Dreibund wirke als Bremse gegen fkriege- rische Gelüste, allein der Augenblick zur Abrüstung sei no nicht gekommen, im Gegentheil seien die Rüstungen möglichst zu vervollständigen. Wenn der Frieden bisher erhalten worden Elz: j sei dies dem Bestreben der Mächte zu danken, einander in ihren Rüstungen zu übertreffen. Dieser Zustand sei krank- haft; allein Deak habe gesagt, die ärgste Krankheit jei der Tod, gegen diese Krankheit brähten die Völker gern alle Opfer. Unter solhen Umständen müsse die Delegation einen Mittelweg zwischen der größten Sparsamkeit und den Rücksichten auf die Sicherheit der Monarchie finden. Graf Tisza {loß mit einer begeisterten Loyalitätskundgebung für den Monarchen, welche lebhaften Widerhall fand. Heute Mittag um 12 Uhr findet der Empfang der österreichishen Delegation, um 1 Uhr der der ungarischen Delegation dur den Kaiser in der Burg statt.
Jn Delegirtenkreisen verlautet, der Minister des Aus- wärtigen Graf Kälnoky werde in der heute Nachmittag 4 Uhr stattfindenden Sißung des Budgetausschusses der öster- reichischen Delegation das herkömmlihe Éxposé halten. Den Jungczehen wurde in der Vorbesprehung der österreichishen Delegation, wie das „Frdbl. * be- richtet, nahegelegt, im Plenum keine großen Reden zu halten ; sie wiesen dies indessen zurück, die Delegirten Herold und Eim sollen über Aeußeres, Pagzak über das Kriegsbudget, Masaryk über Bosnien sprechen.
In einer am Sonnabend in Budapest abgehaltenen Versammlung des protestantischen Kreisconvents hielt der Vorsißende Graf Ludwig Tisza, wie der „Magd. Ztg.“ emeldet wird, eine Rede, in der er betonte, die Lösung des Wegtaufungsstreits müsse erfolgen unter voller Einhal- tung des Religionsgeseßes. ;
Der Landtag für Kärnten ist vorgestern geschlossen worden. ;
Die anläßlich der Schließung der griehischen Schulen in Bulgarien seitens des Athener Cabinets an die Groß- mächte gerichtete Note (Siehe Nr. 228 des „R. u. St.-A.“ vom 27. v. M.) ist der „Pol. Corr.“ zufolge vorgestern Nach= mittag durch den griechischen Geschäftsträger in Wien dem Ministerium des Aeußern übergeben worden.
Aus dem Exposé , mit dem der Finanz-Minister Dr. Wekerle am Sonnabend das im ungarischen Reichstag
eingebrachte Budget erläuterte, sind bereits in der vorgestrigen
Nr. des „R.- u. St.-A.“ einige von dem „W. T. B.“ gemeldete furze Auszüge mitgetheilt worden. Wir geben heute nun im Zusammenhang das von der Wiener „Presse“ gebrachte Nesumé der Rede des Ministers wieder, die von dem ganzen Unter- hause mit lebhaften Eljenrufen aufgenommen wurde.
Der Minister hob in seiner Rede zunächst hervor, daß die ordentlihen Einnahmen ein ansehnliches Plus aufzuweisen hätten ; denn daraus ergebe sih zur Goidenz, daß die ordentlichen Ausgaben: nicht in dem Maße stiegen wie_ die Einnahm n. Er legte ferner Gewicht darauf, daß es wenige Staaten gebe, die zur Amortisation: ihrer Lasten solch große Summen aus _ ihren ordentlichen Einnahmen: deckten wie Ungarn. Troßdem die Schlußrehnungen in den leßten Jahren stets einen Uebershuß aufzuweisen hätten, sei er doch au diesmal bei der Feststelung des Präliminars mit größter Nigorosität vorgegangen, sodaß man _ auf den Zngaug der prâli- minirten Einnahmen mit unbedingter Sicherheit rechnen könne. Wenn auch zur Herstellung des Gleichgewihts große Opfer gefordert würden, so fei dies niht etwa zur Erzielung eines mechanischen Gleichgewichts geschehen, sondern es habe au der Regierung zur Durchführung einer intensiven und zielbewußten Politik Gelegenheit geboten. Wie aus den Einnahmen bisher die Erfordernisse der wirthschaftlichen Neformen gedeckt worden seien, so würden in Zukunft auh die gesteigerten Erfordernisse für die Aae und cul- turellen Reformen gedeckt werden. Der Minister erwähnte sodann, daß es auch Ausgaben gebe, die im Rahmen dieses Budgets keine Bedeckung gefunden hätten. So wünsche das Handels- Ministerium zur Bestreitnng der Kosten der Regulirungs-Arbeiten an der unteren Donau einen Nachtragecredit von 15 Millionen in An- spruch zu nehmen. Damit dort, wo das Eisenbahnney bei Orsova fein Ende erreihe, auch größere Seeschiffe, wenigstens solche von mittlerem Tiefgange, hereinkommen könnten, solle nämlich der Kanal entsprehend vertieft werden. Eine zweite unbedeckte Ausgabe bildeten die Kosten für den Ausbau der Marmaroë- Szigeter Grenzbahn. Der Finanz - Minister skizzirte sodann das finanzpolitische Programm der nächsten Zukunft. In erster Reibe stehe die Fortseßung der begonnenen Valuta-Action, die mit Hilfe der schon vorhandenen Goldbestände und mit JInangriffnahme unck Beendigung der Goldbeschaffung in einer den Verhältnissen des Finanz- portefeuilles entsprehenden Weise zu lösen sei. Er hoffe, die Vorarbeiten
«1 Million
zur Aufnahme der Baarzahlungen und Megelung des Bankwesens in der nächsi eit, vielleicht hon bis zum Schlusse des Präliminarjahres, zu beenden. Er habe auh die Hoffnung, daß die großen Conversionen demnächst in Fluß gebracht werden könnten, und er werde von dem Grundgedanken geleitet, daß die erzielten Ersparnisse zur Bedeckung des Ertordernisses der neuen Emissionen dienen sollten, Der Minister führte weiter aus, daß er die Absicht habe, im nächsten Jahre 150 Millionen Kronen Goldmünzen, 30 i Kronen Silbermünzen, 10 Millionen Kronen Nickelmünzen und Kronen Bronzemünzen prägen zu lassen. Der Münzgewinn werde unter dem Titel „Kosten der Valutaregelung* ver- buht werden, sodaß die Bilanz durch die Auslagen für die Währungsreform in fkeiner Weise werde alterirt werden. Der Pee kündigte ferner an, daß das Geseß über die Erhöhung der Beamtengehälter noch vor dem Budget ver- handelt werden folle und a in den Voranschlag der volle Betrag von 2,6 Millionen Gulden für diese Erhöhung ein- estellt worden sei. Bezüglich der © Staatsbahnen erklärte der Minister, daß die Regierung nicht die Absicht habe, einen be- sonderen Credit für Neuanschaffung in Anspruch zu nehmen, sondern daß 6,5 Millionen Gulden für Erweiterungsbauten und Ver- mehrung des Baenparts in das Budget eingestellt worden seien. Es folle die Beschaffung des Wagenparks in der bisherigen Weise auf zehnjährige Amortisation bewerkstelligt werden; dadurch werde diese Summe für die weitestgehenden Ansprühe des Verkehrs ausreichend fein, denn diese Summe habe einen dauernden Charafter. Der Minister stellte ferner die Organisation des Check- und Giroverkehrs, sowie eine vollständige Regelung der finanziellen Administration in Aussicht, welche Arbeit aber ers mit der Regelung der staatlihen Verwaltung beendigt werden könne, und erklärte, seine Aufmerksamkeit auf die Vorbereitung der Reform der directen Steuern zu rihten. Er wünsche hon demnächst alle Vorarbeiten für die geplante Reform zu veröffentlichen, damit die Oeffentlichkeit und die Presse über das Reformwerk ihre Meinung abgeben könnten. Schließlih empfahl der Minister die Annahme des Staats- voranschlags. j Großbritannien und Jrlaud.
Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Heinrich von Preußen sind nach einem Telegramm des „W. T. B.“ gestern Abend in London eingetroffen und nahmen im Buckingham-Palast Wohnung. Die Ueberfahrt über den Kanal war durch Nebel verzögert. Heute begeben sih der Prinz und die Prinzessin zum Besuche der Königin nach Schloß Balmoral. / :
Der britishe Botschafter in Berlin Sir Edward Malet is gestern Vormittag von London nah Deutschland abgereist.
Capitän Lugard is gestern Abend aus Uganda in London eingetroffen. : i R
Neue agrarishe Gewaltthätigkeiten sind in der irischen Grafschaft Clare vorgekommen. Als der Farmer Walsh am Mittwoh Nachmittag bei Bodyke sein Feld bestellte, wurde er plöglih von drei mit Gewehren bewaffneten Personen angefallen, die mehrere Schüsse abfeuerten, ohne den Land- mann indessen zu verwunden. Walsh konnte zwei seiner Angreifer identificiren, so daß es leiht war, auch den dritten ausfindig zu machen. Alle drei wurden ins Gefängniß ge- steckt. — Eine Bande Mondscheinler feuerte Mittwoch Nacht einige Shüsse in das Haus des Farmers Macnamara ab, doch wurde Niemand verlegt. Verhaftungen wurden nicht vorgenommen. : i
Nach einem Telegramm der „Times“ aus Simla soll eine A des Emirs von Afghanistan mit General Roberts in der ersten Woche des Monats Dezem- ber stattfinden.
Frankreich.
Der Präsident Carnot hat, wie „W. T. B.“ meldet, eine Einladung angenommen, die ihm vorgestern dur eine Abordnung der Stadt Lille zu der am 8. Oktober d. J. stattfindenden Centenarfeier der Aufhebung der Belagerung von Lille überbracht wurde.
In St. Etienne fand am Sonnabend zu Ehren des Handels-Ministers Jules Roche ein Festmahl statt, bei dem der Minister in einer längeren Rede ausführte, wie die Regierung sich bestrebt habe, die Handelsbezichungen Frankreihs mit dem Auslande sicherzustellen, indem 1e cin möglichst geringes Maß von Zugeständnissen ge- macht habe. Der Minister gab sodann cinen kurzen Abriß der mit der Schweiz geführten Verhandlungen und erklärte, die Regierung habe der Schweiz nur diejenigen Zugeständnisse gemacht, die nothwendig gewesen seien, um den wirthschaftlichen und politischen Frieden beider Länder, die so schr darauf an- ewiesen seten, mit einander in Eintracht zu leben, zu ver- bessern: Die Regierung werde den Vertrag vor dem Parla- mente mit voller Ueberzeugung und Zuversicht vertreten, denn es handle sih vor. allem um patriotishe Erwägungen und darum, daß ein Bruch mit der Schweiz ernste Folgen für die französishe Jndustrie gehabt haben würde, die in der Schweiz durch die Jndustrie anderer mit Frankreich rivalisirender Nationen hätte verdrängt werden können. Gegenüber den- jenigen, die das gegenwärtige Zollregime ungünstig beurtheilten, sei auf die Thatsache hinzuweisen, daß zutG die seitens Frank- reihs gemachten Zugeständnisse dessen Einfuhr um kaum 21/5 P betroffen werde. e : i
er Deputirte Lockroy beabsichtigt, bei der in der Kammer zu erwartenden Debatte über den Strike in Carmaux einen Antrag auf Verstaatlichung der Berg- werke einzubringen.
Rußland und Polen.
Nach den bisherigen Segen wird der Kaiser, vie. T. D e qun L. d M wieder in St. Petersburg eintreffen.
Ea Vis Bildung einer finländishen Schüßen- Brigade, bestehend aus einem ersten bis vierten finländishen Schützen - Regiment, sollen aus vier Reserve - Bataillonen C Schüßen-Regimenter zu je zwei Bataillonen formirt werden.
Ftalien.
Der „Popolo Romano“ meldet, daß in dem gestern ab- gehaltenen Min isterrath die Berathung über die von dem Finanz-Minister Grimaldi vorgeshlagenen Finanzmaß- regeln erledigt worden sei. Das Blatt will wissen, jede neue Steuer größeren Mo oder jede Umgestaltung der gegenwärtigen Steuern, wodur den Steuerzahlern auch nur die geringste Mehrbelastung erwachsen könne, sei ausgeschlossen. Den Ministern sei es positiv gelungen, niht nur für die Differenz zwischen den wirklihen Einnahmen und Ausgaben, sondern auch für das Deficit Deckung zu finden, welches sih aus der für 1893/94 etwa 47 Millionen Lire betragenden Bewegung der Kapitalien ergiebt. Die Staatsshuld werde niht um einen Centesimo erhoht werden.
Millionen ?
edie Kaiserin habe gestern der Messe on
Portugal.
Gleichzeitig mit dem Decret, das die allgemeinen Wahlen auf den 23. Oktober festseßt, ist ein anderes er- schienen, welches die bisherigen Diäten der Abgeord- neten abshafft. Die Diäten bestanden in einer Geld- entshädigung für die Dauer der Session uud Ersaß der Reisekosten: sie beruhten auf Artikel 38 der Verfassung, und durch Gesey von 1886 war die Gesammtsumme der Dotation der Zweiten Kammer auf 79,7 Millionen Neis (400 000 Francs) festgeseßt worden, abgesehen von den 6 Millionen für die überseeishen Deputirten. Die leßteren behalten ihre Diäten, die erstere Summe aber wird zu Gunsten der Staatskasse erspart. Dafür bestimmt das Decret, daß die Deputirten freie Fahrt auf den Staatsbahnen und den Kriegs- schiffen haben, sowie daß sie von den Gemeinden ihrer Wahl- kreise Diäten annehmen können, wenn man sie ihnen gebe.
Die Zolleinnahmen in Lissabon und O porto be- trugen im September d. J. 157 Conto Reis weniger als im September 1891.
Belgien.
Jn Brüssel war am Sonnabend das Gerücht verbreitet, die Kaiserin Charlotte, Wittwe weiland des Kaisers Maximilian von Mexiko, sei ernstlich erkrankt. Von unter- rihteter Seite wird, einem Telegramm des „W. T. B.“ zu- folge, diese Nachricht für unbegründet erklärt und hinzugefügt,
Die „Gazette de Bruxelles“ meldet, der Congostaat habe dem Häuptling Tippo Tip den Auftrag ertheilt, mit den arabischen Häuptlingen am Stanley-Fall wegen Aufrecht- erhaltung des Friedens zu unterhandeln. Tippo Tip soll von Sansibar bereits abgereist sein, um den Auftrag auszu- führen.
Türkei.
Jn Erwiderung auf die vorgestern nach der „Pol. Corresp.“ erwähnte mündliche Mittheilung des russischen Geschäftsträgers in Konstantinopel wegen der Rückstände der türkischen Kriegs\shuld hat dem „W. T. B.“ zu- folge der Großvezier geäußert, er werde die Mittheilung zur Kenntniß des Ministers des Auswärtigen bringen, zu dessen Ressort die Angelegenheit gehöre. Jm übrigen werde E daß die Rückstände bald und regelmäßig beglichen würden. ‘
Montenegro.
Ein Hauptmann und 15 österreihische Soldaten überschritten, wie „W. T. B.“ aus Cetinje berichtet, ohne Er- mächtigung die montenegrinishe Grenze bis auf cine Entfer- nung von anderthalb Stunden. Sie wurden entwaffnet und sodann freigelassen.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.
Cholera.
Aus dem Krankenhause Moabit sind -nach der „Nat. Z." am Sonnabend drei an der asiatishen Cholera erkrankt Gewesene als ge- heilt entlassen worden, und zwar der Bootsmann Lück und die beiden Söhne des Schiffers Woytkowski. Der Bestand der Cholerakranken verminderte sih damit auf aht Personen. Am Sonnabend Abend wur- den, wie den „Neuest. Nachr.“ mitgetheilt wird, fünf Personen eingeliefert, unter denen sich drei Krankenpflegerinnen des Diakonissenhauses zu St. Pauli in Hamburg befanden. Da sie sich aus\cließlich mit der Wartung cholerakranker Personen beschäftigt hatten, wurden sie auf dem Lehrter Bahnhof angehalten und zur ärztlihen Beobachtung nah Moabit gebraht. Das Befinden der an der Cholera asiatica Er- krankten 1st fortdauernd günstig. Der Bestand der in Moabit befind- lichen Perfonen betrug gestern Vormittag 54.
Die am 1. September d. J. bei Beginn der Choleragefahr zum Zwecke des Nachweises ärztlicher Hilfe und zur Belehrung des Publi- kums gebildete Gesundheitscommission für Alt-Berlin, Poststraße 13, hat bes{lofsen, mit Rücksicht auf den gegenwärtigen Gesundheitszustand in Berlin, ihre Thätigkeit vorläufig einzustellen. Die bisher thätigen fünfzehn Aerzte haben \ih jedoch für die ärztliche Hilfe während der Nacht auch ferner zur Verfügung gestellt.
Aus Charlottenburg wird gemeldet, daß in der Nacht zum Freitag die Frau des Schiffers Tasche, der mit seinem Kahn auf der Spree unweit der Englischen Straße liegt, unter choleraverdächti- e Zeichen erfrankte und, als sie am nächsten Morgen nah dem Baraenlazareth O werden sollte, auf dem Wege dorthin verstarb. Die Untersuchung des Falles ist noch nicht abgeschlossen. Kahn und Mannschaft wurden desinficirt. i
Der Schiffseigenthümer Stolp aus Zerpenschleuse ist auf der Fahrt von Berlin nah Spandau an äasiatischer Cholera gestorben. Die Leiche ist am Sonnabend in Spandau ge- landet worden.
In Hamburg sind nah den amtlichen Mittheilungen bis zum
29. September 17 514 Personen erkrankt und 7510 gestorben. Die“
erheblihe Abnahme der Cholerafälle in Hamburg spiegelt sih auch recht deutlih in der Belegung der Krankenhäuser mit Cholerakranken wider. Während"am 5. September ein Bestand von 2190 Cholera- kranken gezählt wurde, is er am 28. v. M. auf 928 zurügegangen.
Die Bürgerschaft in Hamburg hat in einer am Sonnabend Abend abgehaltenen außerordentlihen Sißung den dringlichen Antrag des Senats wegen der Verordnung über Maßnahmen zur Unterdrückung der Cholera nah eingehender Bêsprehung mit einigen unwesentlihen Aenderungen endgültig angenommen. ___ Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent von Bayern hat für die Hamburger Nothleidenden 5000 #4 gespendet. In einer Versammlung angesehener Bürger Münch ens fkonstituirte sich am Sonnabend ein Hilfscomité für die Nothleidenden in Hamburg und Altona. Der Versammlung wohnten u. a. der Minister des Innern Freiherr von Feilißs{h, der Oberst-Hofmarschall Freiherr von Malsen und der General-Intendant Baron von Perfall bei. Aus Bremen find am 1. d. M. dem Hamburger Comité für die Nothleidenden Hamburgs weitere 19 904 4 überwiesen worden, sodaß die Gesammt- dia der von dort aus überwiesenen Beiträge bis jeßt 85 826 M4 eträgt.
mtliher Meldung zufolge ist in Stettin bei einer am
1. Oktober dort gestorbenen Person E die bafteriologishe Unter- suchung asiatische Cholera als Todesursache e eEE worden. Ein weiterer Cholera-Todesfall ist bisher nicht zur Meldung gelängt. -
Nach Mittheilung des Bürgermeisters vom Amsterdam sind im Laufe der vergangenen Woche dort zwei Cholera - Todesfälle vorgekommen. Aus Rotterdam werden zwei Erkrankungen und zwei Todesfälle infolge von Cholera gemeldet. Außer- dem sind aus aht kleineren Ortschaften sieben Erkrankungen und zwei Todesfälle bekannt geworden. Ferner wird unter dem gestrigen Tage aus Rotterdam ein Cholera - Todesfall, aus Maarsen werden drei Erkrankungen emeldet. In leßterem Ort sind insgesammt elf Personen an der Cholera erkrankt, von denen fünf gestorben sind. Nach in Gent eingegangenen Mel- dungen ist die asiatishe Cholera in Moerbeke, einer Gemeinde Ost-Flanderns an der holländischen Grenze, aufgetreten. Die Zahl der bisher dort vorgekommenen Cholera-Todesfälle beträgt acht.
Am Freitag sind in Paris 29 Cholera-Erkrankungen und zwölf Todesfälle, innerhalb der Bannmeile sechs Erkrankungen und zwei Todesfälle, am Sonnabend in Paris 29 Cholera-Erkrankungen und fünf Todesfälle, innerhalb der Bannmeéile sieben {rkrankungen und fünf Todesfälle vorgekommen. In Havre erkrankten am Freitag vier Personen an der Cholera, eine is gestorben, am Sonnabend erkrankten dort zwei Personen an der Cholera, drei sind gestorben.
__ Im Laufe der Nacht zum Sonnabend und am Sonnabend Vor- mittag sind in Pest sechs unter choleraverdähtigen Erscheinungen er- kranfte Perfonen in das Barackenhospital eingeliefert worden. Durch die bafteriologishe Untersuhung is bei drei Verstorbenen, wie den Zeitungen mitgetheilt wird, asiatishe Cholera als Todesursache fest- geftellt worden. Später find weitere drei choleraverdähtige Er- krankungen vorgekommen. Der Magistrat von Pest hat, obwohl der Epidemie noch kein gefahrdrohender Charakter beiwohnt, beschlofsen, hon morgen mit dem Bau zweier \{leunigst fertigzustellender Cholera- baracken zu beginnen sowie eine zweite Nothwohnung für solche Personen zu errichten, die ihre Wohnung der- Choleragefahr wegen räumen müssen. Der Verein vom Rothen Krèuz stellt 75 Transportwagen zur Verfügung. Von Sonnabend Abend bis Sonntag Zona s Uhr fourden dreizehn unter choleravêtßächtigen Svmptomen erkranîtte Personen in das Barackenhospital ‘gebracht. Sechs Cholerakranke sind gestorben. Im Barackenhospital befinden ih zur Zeit achtzehn Cholerakranke. Angesichts der bedrohlih ge- wordenen Lage an der russischen Grenze und des Auftauchens der Cholera in Pest, fand am Sonnabend in Wien eine Sitzung des Obersten Sanitäts- rathes zur Berathung weiterer Maßnahmen statt. Von Freitag früh bis Sonnabend früh find in Krakau zwei Personen an der Cholera erfranft und zwei gestorben. In Ludwinow bei Podgorze ist eine Frau an der Cholera gestorben. :
__ Neu aufgetreten ist, wie aus St. Petersburg gemeldet wird, die Cholera im Gouvernement Kielce. Vom 25. bis zum 29. Sep- tember sind daselbst ahtzehn Erkrankungen und sieben Todesfälle vor- gekommen. Ferner ist die Cholera neu aufgetreten in der Stadt Shitomir; vom 15. his zum 30. September sind daselbst siebzehn Personen erfrankt und vier gestorben. Im Gouvernement Grodno sind vom 24. bis 30. September fünf Personen erkrankt und zwei gestorben. In Odessa tritt die Cholera bisher nur {chwach auf; am 29. September starben daselbst zwei Personen.
, Belgien. Laut Königlicher Verordnung vom 17. September 1892 und der im Anschluß daran ergangenen Ausführungs-Verordnung des König- lih belgischen landwirthschaftlihen Ministers vom 18. des. Mts. ift vom 22. September ab die Ein- und Durhfuhr von Fischen jeder Art (fris, getrocknet, geräuchert oder gesalzen), von Fischabgängen, Schal- und Weichthieren aus Gegenden, in welchen die epidemische Cholera innerhalb der leßten zwei Monate vor der Absendung solcher Waaren aufgetreten ist, in bezw. durch das Königreich verboten
Die Ein- und Durchfuhr solcher Producte, sofern dieselben aus anderen Orten Deutschlands, Nußlands, Frankreihs und der Nieder- lande kommen oder die genannten Länder passirt haben, it, falls der Durchgang nicht direct ohne Umladung erfolgt ist, nur gegen Bei- bringung einer Bescheinigung der AdiGitaen Localbehörde darüber gestattet, daß der betreffende Ort niht mit der Cholera behaftet ift bezw. während des vorgedahten zweimonatlihen Zeitraums be- haftet gewesen ist. Dieser Bestimmung nicht unterworfen ist jedoch diejenige Durchfuhr durch Belgien, welche direct ohne Um- ladung auf dem Schienenwege erfolgt. 5
Sendungen obiger Art, welche nicht mit den vorbezeichneten Zeugnissen versehen find, können von den Zollbehörden, falls denselben nicht andere befriedigende Nachweise erbraht werden, an die Grenze zurückgewiesen werden.
Theater und Musik.
Deutsches Theater.
Molière’s „Misanthrop“, von Ludwig Fulda ins Deutsche übertragen, fand bei seiner ersten Aufführung am Sonnabend eine würdige und beifallsfreudige Aufnahme. Der Ueberseter, der sih hier wie {on früher als ein ehter feinfühliger Dichter erwies, hat die gereimten Alexandriner in leicht und gefällig fließende fünffüßige Jamben umgewandelt, denen er nah seinem klassishen Vorbilde den Neim erhielt. Fulda bezeihnet diese Mustercomödie Molière’s als ein Schauspiel, und in der That wendet sie dem Zuschauer ein so fraftvolles, strenges Antliß zu, daß sie trop der leichten Hülle von witigen Einfällen und von satirishen Spottreden über den Rahmen des eigentlihen Lustspiels hinausstrebt. Die Uebersetzung ift tadellos sowohl in Bezuy auf die äußere Form, wie auf den Geist der Dichtung. Man findet die scharfe Zeichnung der fittlihen Gebrechen der guten Gesellshaft der Zeit Molière's, die der Dichter nah bekannten lebenden Mustern ausgeführt hat, auch in der deutschen Uebertragung wieder; nur hat ihr Fulda, wo es irgend- wie anging, ein allgemeineres und der Gegenwart lerhter verständliches Gepräge gegeben. Der Ueberseßer scheut \sich in folhen Fällen niht, fleine Aenderungen vorzunehmen, ein einem bestimmten Gedanken besonders gs entsprehendes Wort zu gebrauchen, selbst wenn es in dem besonderen Sinne einer ganz modernen Vorstellung entspriht. So läßt er den in eitler Selbstgenügsamkeit mit sih und seinen Erfolgen zufriedenen Marquis Acast von einer „schneidig" durchgeführten Affaire sprehen, wo Moslière fagt ygaillarde manière“ ; die Umarmungen und übershwänglichen Freund- \chaftsbetheuerungen, die, wie Alcest dem Oront empört vorwirft, an jeden Gleichgültigen verschwendet werden, dessen Namen und Charakter man wenig oder nur von einer üblen Seite fennt, ändert Fulda entsprechend den gegenwärtigen Gesellschafts- formen um; er seßt einen Händedruck an die Stelle der Um- armung. Durch diese und andere kleine Abweichungen vom Urtert, die nur das Gewand etwas modernisiren , * aber die klassishe Gestalt der Dichtung unberührt lassen, hat Fulda eine glüdlihe Verbindung zwischen der älteren und der neuen Zeit geschaffen; er hat uns die sittlihen Verkehrtheiten der Menschen, die vor zwei Jahrhunderten dieselben waren wie heute, zum theil in die Formen unserer Zeit umgegossen. Im übrigen war es erstaunlich, wie frisch und urwüchsig das meiste rein und unverändert auf die Zuhörer wirkte. Alcest's Empörung und eifriger Spott über die eitle Suht der Unberufenen, nicht nur Gedichte zu verfassen, sondern sie auch drucken zu lassen und den Freunden zur Kenntnißnahme aufzudrängen, is heute noch ebenso begründet wie da- mals; die stürmishen Freundschaftsbetheuerungen, die boshaften Sticheleien unter der Maske liebenswürdiger Antheilnahme, die bis auf die Spiße getriebene Medisance Arsinoë’s und Celimenens blühen ebenfalls zu allen Zeiten. Ein Molière von heute wäre wahrlich ebenso- wenig um Muster verlegen, wie der große Comödiant Ludwigs des Vierzehnten. Dabei sind alle diese Narrheiten und Verkehrtheiten des Gen Geschlechts in der Molidre’schen ¡Anmug i glatte, höfishe Formen gekleidet, wie es die Etiquette befahl, sodaß die düstere Menschenverahtung, der gerade Sinn, die begeisterte Wahrheitsliebe Alcest's doppelt \{roff, und in ihrer äuseritén Bethätigung, besonders durch den scharfen Gegensaß mit der überfirnißten Umgebung, thöriht ersheint. Und doch, wie groß steht Alcest da, selbst wenn er sein menschlich Theil an den Thor- heiten der Erde nimmt; seine maßlose Entrüstung über die kleinlichen Bosheiten und Heucheleien der Mengé, seine \{chwache, demüthigende Liebe zu Celimene, der herzlosen Kokette, ersheinen wie Nebel, durch die seine große Seele hindurch glänzt. Die fraftvolle Zeichnung dieser Gestalt steht als unvergleihlihes Muster feiner Beobachtungs- gabe des [chöpferischen Geistes und der {öônen Seele Molière?'s da.
Es vereinigte sich an diesem Abend alles, um eine Musterleistung zu stande zu bringen. Der französische flassishe Comödiendichter hatte einen vorzüglichen Ueberseßer gefunden, einen wirklichen Dichter, der feinfüblig und fprahgewandt den innersten Gedanken der Ur- \chöpfung na gespürt und nachgefühlt hat und sie in {öner Form, mit edlem Gehalt in unserer Sprache wiederauferstehen ließ. Dazu