1892 / 233 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 03 Oct 1892 18:00:01 GMT) scan diff

esellte sih eine vorzüglihe Da1stellung. Herr Kainz {uf aus dem

Mifant ropen eine Gestalt von eigenartiger Schönheit, in der selbst die übermäßig angespannten Saiten des Gemüths Alcest's sih in \höône Harmonie aufzulösen schienen. Er führte den erbitterten Krieg gegen alles, was ihm mit der Wahrheit und Offenheit nicht streng vereinbar erscheint, mit leidenschaftliher Aufwallung und auf- brau]endem Zornesglühen durch. Mit wie feuriger Erregung und frobsinniger Stimmung trug er das einfache Liedhhen vor: „Und gäbe König Heinrich mir seine große Stadt Paris“, nachdem er in galliger Erbitterung dem Verfasser des geschraubten Sonetts erklärt hatte, daß die Sünde, solhe unwahren Empfindungen in so unklaren Reimen auszudrücken, hängenswerth sei. Wie echt und wahr quillt die Sprache der Liebe aus seinem Herzen, der Liebe, die, wie er weiß, ihn demüthigt und seiner Seele die tiefsten Schmerzen verursacht! Mit leidenshaftlicher, bekümmerter Sehnsucht in den Augen wirbt er um ein gütiges Wort von der schönen, herzlosen Gebieterin, das ihm wider sein besseres, wahrhaftiges Gefühl den Glauben an ibre Un- {uld, an ihre aufrihtige Neigung zurückgeben fol. Durch den beißenden Spott seiner Rede zitterte soviel tiefe Empfindung, glühte soviel Geistesgröße, daß die herzbrehende Tragik seiner unwürdigen Herzenêneigung um fo \chärfer hervortrat. Der Künstler war in jedem Augenblick mit ganzer Seele bei seiner Aufgabe; er ging in der dichterishen Gestalt, die er uf, völlig auf. Sein sstummes Spiel begleitete beredt alle Vorgänge; und in der berühmten scène des portraits, in der Celimene vor allen die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen soll, erregte des Künstlers summes Geberdenspiel, mit dem er die boshaften und klugen Ausfälle der Schönen gegen ihre Verehrer und Freundinnen begleitet, die größte Theilnahme. Frau Petri als Celimene erschien in reizender Rococomasfe; die leichtfertige Koketterie der Gestalt, die öde Leere des Herzens, die nur leiht dur ein gefälliges Entgegen- kommen verschleiert ist, brachte sie genugsam zur Geltung. Fräulein Theumer spielte die liebenswürdige Eliante ret gefällig, und Fräulein Wolff fand sich mit der boshaften Arsinoë recht gut ab; für die innere Wuth, die bei den Spottreden Celimenens in ihr mers 4 und fofort wieder dur den äußeren Zwang der Höflichkeit erstikt werden muß, fand sie den rechten Auëdruck. Dem reimsüchtigen Herrn vem Hose, Oront, lieh Herr Merten eine harmlose Liebenswürdigkeit, die sich beim Vor- trage des Sonetts zu komisher Wichtigkeit steigerte. Herr Senius als Acast belustigte durch die alberne Selbstgefälligkeit, die er besonders beim Vorlesen des satirischen Briefes Celimenens zur Schau trug. Herr Herz als weltkluger ¿Freund und Herr hler als tölpelhafter Diener Alcest's lösten idre Aufgaben ebenfalls zur Zufriedenheit.

Im Anschluß an den „Mifanthrop" wurde eine eigene Arbeit Ludwig Fulda's, ein kleines Lustspiel „Das Wunderkind“, gegeben. Das Verdienst Fulda’'s als Ueberseßer darf uns nicht ab- halten zu sagen, daß diesmal seine eigne dichterishe Arbeit von „geringer Bedeutung ist. Das kleine Lustspiel besißt nur wenig Handlung, und dieser Mangel wird auch nicht, wie in früberen Arbeiten des Ver- fassers, durch einen flugen Dialog, durh belebende Wärme der Empfindung erseßt. Daß ein junges Ehepaar noch einmal über die Wiege seines Erstgeborenen hinweg, in der Erinnerung an die ersten Liebesfreuden den Herzensbund erneuert, ist felbst für einen Act zu wenig. Der Störenfried, der die Eintracht der Herzen auf kurze Zeit aufgehoben hat, das Kind, wird niht gerade geschmackvoll eingeführt; es werden in Bezug auf seine Wärterin recht fade Wite

emacht, die man der vornehmen Weise Fulda’'s nicht zugetraut hätte.

Es mischte sih denn au in den lauten Beifall, den das Stück bei Einigen fand, ein ret heftiger Widerspruch. Die Darstellung war bewährten Händen anvertraut, Herrn Kadelburg und Fräulein Else Lehmann; aber selbst die Liebenswürdigkeit des einen und die herzlihe Behaglichkeit der anderen vermochten feine frishe Stim- mung in die Vorstellung zu bringen.

Die am Freitag im Friedrih-Wilhelmstädtischen Theater als dritter Abend im Offenbah-Cyklus zur erstmaligen Aufführung gelangende dreiactige Operette „Die Banditen“ erfordert ein fo zahlreiches Perfonal, daß fast die gesammte Künstlershaar dieser Bühne darin beschäftigt erscheint. s :

Die nächste Neuheit des Residenz-Theaters führt den Titel „Im Pavillon“ (Le parfum) Schwank in 3 Acten von Ernest Blum und Raoul Toché. j f: S

Im Thomas-Theater bleibt „Onkel Bräsig" zunächst noch für morgen, Mittwoch und Donnerstag auf dem Spielplan.

Mannigfaltiges.

Der gestrige Start der an dem Distanzritt Berlin—Wien betheiligten deutshen Offiziere vollzog sih auf dem Tempelhofer Felde unter recht ungünstigen Witterungsverhältnissen, aber troßdem unter dem Andrange zahlreicher Zuschauer. Ueber den Verlauf des Nittes der bis jeßt abgelassenen deutschen Offiziere wird den „Neuest. Nachr.“ gemeldet: Lieutenant Freiherr ven Erlanger mußte der Drahtnachricht, daß er bereits am Sonnabend Abend um 7 Uhr in Hoyerswerda angelangt fei, die Kunde folgen lassen, daß sein Pferd lahm ge- worden fei und deswegen hatte abgestoppt werden müssen. Das Gleiche mußte Lieutenant von Rekum mit feinem Pferd thun, das in Kalau erkrankt war. Freiherr von Marschall's ,Wandershwalbe“, die Freiherr von Zandt ritt, ist in Altdöbern an Kolik erkrankt. Seine Königliche Hoheit der Prinz' Friedrih Leopold hatte in Luckau zu Mittag gerastet und wollte noch am Sonnabend bis Hoyerswerda fommen. Heute früh um 9 Uhr 30 Miuuten i} der hiesige Start geschlossen worden, nachdem noch 42 Reiter in den Sattel gestiegen waren. Als leßte Reiter traten der Hauptmann Freiherr vonMüffling gen. Weiß vom 1.Garde-Regiment z.F. und der Rittmeister Freiherr von Esebeck vom 3. Garde-Ulanen- Regiment Vormittag 9 Uhr 30 Min. den Distanzritt nah Wien an. An dem Distanzritt haben somit insgesammt 109 deutsche Offiziere theilgenommen, und zwar 2 Obersten, 1 Oberst-Lieutenant, 3 Majors, 17 Rittmeister, 7 Hauptleute, 34 Premierlieutenants und 45 Sec-nde- Lieutenants. Unter den Pferden befanden sich 2 Hengste, 45 Wallache und 56 Stuten, bei 6 Pferden war das Geschlecht nicht angegeben. 9 Pferde wurden als Vollblut, 14 als Halbblut aufgeführt. Aus England \stammten 7, aus Irland 2, 9 wurden ausdrücklich als preußische, 1 als Mecklenburger, 1 als Graditer, 2 als österreichische, 9 als Ungarn, 1 als galizishes und 1 als rufsishes Pferd bezeichnet.

Ueber die ôösterreichisch-ungarischen Distanzreiter wird der W. „Presse“ aus Guntersdorf vom Sonnabend Mittag gemeltet: Die erste Naststation ist erreiht und nahezu sämmtliche Reiter haben den 98 km langen Weg bis 12 Uhr Mittags zurück- gelegt; der größere Theil der Distanzreiter hat hier für eine Stunde Aufenthalt genommen, und nur zehn bis zwölf Herren haben den Ritt fortgeseßt, um in Znaim eine größere Nast zu halten. Im Durchschnitt wurde die Streke in vier Stunden geritten, wobei jedoch zu berüsichtigen ist, daß das ungünstige Terrain zwischen Hollabrunn und Guntersdorf eine Schonung der Pferde nothwendig machte. Die Bevölkerung kommt den Distanzreitern überall auf das Freundlichste entgegen. Um halb 1 Uhr batte der leßte Distanz- reiter Guntersdorf passirt. In Mährisch Budwiß traf der erfte Distanzreiter um 4 Uhr 20 Minuten Nachmittags ein, ihm folgten bald mehrere; einzelne von ihnen gedachten in Iglau Nacht- quartier zu nehmen. In Schelletau trafen einige Reiter gegen 6 Uhr Abends e. Vom Sonntag wird dem ¿W B aus Wien gemeldet: Heute \tarteten achtundvierzig Theilnehmer am Distanzritt Berlin—Wien in sechzehn Gruppen. Fünf zum Start be- stimmte Reiter konnten nicht abgehen, weil ihre Pferde im Training niedergebrochen waren. Nach den eingegangenen Drahtmeldungen hatten die Grafen Paar und Fürstenberg Sonnabend Abend einen weiten Vorsprung.

Essen, 3." Oftober. Heute wurde der Beleidigungsprozeß Baare gegen Fusangel von dem Landgerihts-Director Hoene mit der Aufforderung an beide Parteien eröffnet, im Interesse des öffentlihen Friedens einen Vergleih herbeizuführen, der beiden Parteien nur zur Ehre gereichen würde. Der fogenannte Stempel-' fälshungsprozeß habe eînen ehrenvollen Vergleih ermögliht. Aus diesem sei insbesondere die Person des Geheimen Commerzien-Raths Baare intact hervorgegangen, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien vollständig widerlegt, und das Ansehen des Bochumer Vereins sei niht nur wiederhergestellt, sondern noch befestigt worden. Aber auch bezüglich Fusangel’'s habe die Verhandlung ergeben, daß er kein Verleumder im Sinne des Gesetzes, sondern daß er nur in gutem Glauben gehandelt habe, die Parteien seien daher in der Lage, einen für beide Theile ehrenvollen Vergleich zu \chließen. Der Präsident fügte hinzu, daß er diese Worte aus eigener Initiative, ohne von jemandem dazu aufgefordert worden zu sein, an die Parteien richte. Der Vergleih wurde angenommen. Gegen 10 Uhr war die Verhandlung beendigt.

Hamburg, 3. Oktober. Der auf der hiesigen Rhede liegende spanische Dampfer „Dav iz“ wurde, wie „W. T. B.“ meldet, in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag von dem von Hamburg elbabwärts nah Hull gehenden englishen Dampfer „Busy Bee“ angerannt. Hierbei wurden der Capitän und der Steuermann des „Daviz“ sowie der Lootse Wesselhoeft getödtet. Der „Daviz“, der eine werthvolle Ladung an Bord hatte, mußte auf den Grund geseßt werden und sank unter. Der „Busy Bee“ kehrte mit stark beshädigtem Bug nah Hamburg zurück.

Paris, 3. Oktober. Wie aus Tarbes (Hautes Pyrénées) dem „W. T. B." gemeldet wird, ist daselbst gestern während eines Kinderfestes der Fußboden eines Schulsaales durh- gebrochen. Es soll dadur eine größere Anzahl Kinder zu Schaden gekommen sein.

Marseille, 1. Oktober. Durch einen von heftigem Sturme. begleiteten wolkenbruhartigen Regen ist laut Meldung des .W. T. B.“ heute Vormittag der tiefer gelegene Stadttheil von Marseille, namentlich das Börfenviertel, unter Wasser gefeßt worden. Der Schaden an Material ist beträchtlich.

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.

Budapest, 3. Oktober. (Telegramm des „K. K. Cor- respondenz-Bureaus“.) Die Erwiderung des Kaisers auf die Ansprachen der Präsidenten der Delegationen be- tont, daß die auswärtige Lage unverändert sei und freundliche Beziehungen zu allen Mächten beständen. Fortdauernd be- währe sich die den Frieden erhaltende Wirkung des vertrauens- vollen Zusammenstehens mit den verbündeten Reichen.

Pest, 3. Vitober. {(W. D. B) Von gestern Nah- mittag 4 Uhr bis Mitternacht sind 8 Personen an der Cholera erfranft und eine gestorben. Von Mitternacht bis heute Vormittag 8 Uhr ist keine neue Erkrankung, jedohch ein Todesfall vorgekommen.

(W. D. Bi)

Neapel 3. Vltober Der bayerische

Minister Freiherr von Crailsheim isst gestern hier einge- troffen und im Grand Hôtel abgestiegen.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Wetterbericht vom 3. Oktober,

4

p. |=

red. in Millim.

Stationen. Wind. Wetter.

Bar. auf 0 Gr. |

u. d. Meeres

4\wolkig

Mullaghmore | 757 |NW 4\wolkig

Aberdeen 56 |NO Christiansund [DSO Kopenhagen . ¡ONO P2Regen!) Stockholm . |DONO ch(4heiter aparanda . | still Nebel t.Petersburg | \till¡Nebel Moskau . | stillbedeckt Cork, Queens- | | Dn 599 [WSW 3heiter SCherbourg [WNW 4wolkig | e S 4 halb bed. | E s 9 [|ODSD 1/Dunst mburg .. 57 |SW 1\wolfig winemünde ¡WN 2 Regen 2) Neufahrwafser | 1\wolfig Memel …. - | 3/halb bed. | Paris A | 3 wolkenlos ünster. S 2beiter Karlsruhe . . 2 wolkig 3) 10 Wiesbaden . still'heitert) 10

Tert von L.

Weingartner.

Schauspielhaus. 209. Vorstellung. r Morgens. Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von

Wildenbruh. In Scene gesept vom Ober-Negisseur Marx Grube. Anfang 7 Ühr.

Mittwoch: Opernhaus. lung. P Puppenfee. Pantomimisches Ballet-Divertissement | 2 Acten. von Haßreiter und Gaul. t 3 In Scene geseßt vom Balletmeister Emil Graeb. Dirigent: Musikdirector Hertel. Dijamileh. | Dienstag: Zum 102. Male: Romantische Oper in 1 Act von G. Bizet. | pinel. Schwank in 3 Acten von Alexandre Bisson. Gallet, deutsch von L. Hartmann. | Deutsh von Gustav von Moser. Vorher: 2 - Lustspiel in 1 Act von Burg- Dirigent: Kapellmeister hard von Cramm. Anfang 74 Uhr. Der selige Toupinel.

4 wolkenlos Tanz von E. Graeb. _ Ober - Negisseur Teßlaff.

200. Vorstellung. Die | 1. Aufführung. Musik von J. Bayer.

In Scene geseßt vom | Schlitteurecht.

Slavische Brautwerbung. Mittwoch:

Tanzbild von Emil Graeb. Musik componirt und | Sehlittenrecht. arrangirt von P. Hertel. (Mit Einlagen von J. Brahms.) Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. m 1. Mal: Der Widerspänstigen Zähmung. Lustspiel in 4 Aufzügen von William Shakespeare, nah der Uebersezung von Wolf Graf Baudissin (Schlegel-

210. Vorstellung. Zum 1. Male: | und Raoul Toché. Kroll's Theater.

F

Dienstag: Zum Sommergarten.

Residenz-Theater. Direction : Sigmund Lauten- Der selige Tou-

Ín Vorbereitung: Im Pavillon. (Le Par- sum.) Schwant in 3 Acten von Ernest Blum

Dienstag: Ung, ch o ! h i : sängerin Fr. Moran-Olden. Tieck), für die deutshe Bühne bearbeitet von Nobert Tie Bob e ge E O Kohlraush. In Scene gefeßt vom Ober-R-gisseur | Moran - Olden.) Anfang 7 Ubr. Mar Grube. Anfang 7 Uhr. F

Deutsches Theater.

3. Male: Der Misanthrop. Schauspiel in 5 Auf- | im zügen von Molière. In deutshen Versen von Lud- | 4 Uhr, an den Wochentagen 5t Uhr. wig Fulda. Zum 3. Male: Das Wunderkind.

Der neue | In Scene gesezt von Julius Frißsche. Dirigent: | bild in 5 Acten nah Friß Reuter's „Ut mine Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 Uhr. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung. Freitag: Dritter Abend im Offenbach-Cyclus. Die Banditen. Musik von Jacques Offenbach.

Stromtid“ für die deutshe Bühne eingerichtet von August Junkermann. Anfang 77 Uhr. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

(33701) Hohenzollern-Galerie Lehrter Bahnhof. L A Sonntags 50 ». Gr. histor. Rundgemälde 1640—1890. Geöffnet 9 Uhr bis Dunkelh. Sonnt. 9—9,

Urania, Anstalt für volksthümlihe Naturkunde.

Am Landes - Ausstellungs - Park (Lehrter Babnhof). Geöffnet von 12—11 Ubr.

Coucerte.

Concert-Haus. Dienstag: Karl Meyder- Concert. Anfang 7 Uhr. : s

e «M pen Boe „Die Cal

tspiel der | mühle“ von Neißiger. Fest-Polonaise von ör. e du hantasie aus „Lohengrin“ von Wagner. „Laura- alzer“ von Millöcker. „Souvenir de Bade“ für

Operette . in

Vorher :

Moran-Ol! 2 (Gräfin: Frau | die Violine von Leonhard (Herr Concertmeister

Carnier). Phantasie aus „Don Juan“ von Mozart.

Mittwoch: Erstes Gastspiel von Frau Etelka a ; 4ER OUE Gerster. Linda von Chamounix. „Nachklänge aus dem Zillerthal“ für Piston von

Täglich, bei günstigem Wetter: Großes Concert nfang an- Sonn- und Festtagen I s pp af F F, Cp? T d Ip E L pt 72 d A a

Hoch (Herr Steffens).

Familien-Nachrichten.

München 5 halb bed.) 9 Chemnig 4 bedeckts) 12 Berlin .«._| | still|bedeckt 7) 14 Ben «s 06 3 bedeckt 14 Breslau . . . | | still Regen 15 Sle v'Aix ¡WNW 4fhalb bed. | 12 B ¿s 99 [NW 2\beiter 17 De ¡NO 1\wolkig 16

1) Nachts Gewitter. ?) Nachts Gewitter, Nach- mittags u. Nachts Regen. 3) Thau. 4) Nachts Regen. 5) Nachts Regen. §#) Nebel. 7) Nachts Regen.

Uebersicht der Witterung.

__Das barometrishe Minimum, welches noch immer über den Britischen Inseln liegt, hat sehr langsam an Tiefe abgenommen, während das barometri1che Marimum über Nordost-Europa sih weiter ausge- breitet hat. In Central-Europa wehen meist schwache südliche bis westlihe Winde bei trüber Witterung und sinkender Temperatur. Vielfah is Regen ge- fallen. Die östlihe Luftströmung, welche durh das barometrishe Maximum im Nordosten verursacht wird, ist bis zur S Grenze vorgedrungen. Swinemünde und Kopenhagen hatten Nachts Ge- witter. Deutsche Seewarte.

ERGSEGG A E E R Se E 0 E S E L A R E E S Theater- Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Dienstag: Opern- Haus. 199. Vorstellung. Tannhäuser und der Sängerkrieg auf. der Wartburg. Romantische Oper in 3 Acten von R. Wagner. Ballet von Emil Graeb. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Feafff. Dirigent : Kapellmeister Sucher. Aufema

E

Lujtspiel in 1 Aufzug von Ludwig Fulda. An- fang 7 Ubr. Mittwoch: Die beiden Leonoren. Donnerstag: 4. Goethe-Cyclus. 8. Abend. Faust’s Tod. \ Sonntag, Nachmittags 24 Uhr: Zum Besten der Nothleidenden in Hamburg. Wohlthätigkeits - Vor- stellung zu ermäßigten Preisen. Faust.

Berliner Theater. Dienstag: Die Gold- probe. Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Zum 1. Male: Das Käthchen von

Heilbronn. Donnerstag: Das Käthchen von Heilbronn.

Lessing- Theater. Dienstag: Zum 6. Male: Die Orientreise. Schwank in 3 Acten von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg. Anfang 7# Uhr.

Mittwoch: Die Orientreise.

Donnerstag: Die Orientreise.

Wallner-Theater. Dienstag: Neu einstudirt in neuer Bearbeitung: Der Mann im Monde. osse mit Gesang in 3 Aufzügen (5 Bildern) von

duard Jacobson. Anfang 7# Uhr. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Friedrich - Wilhelmstädtisches Theater. Dienstag : Zweiter Abend im Offenbach- Cyclus. 13. Aufführung: Mit neuer Ausstattung: Schöuröschen. Komische Operette in 3 Acten von Hector Cremieux und Ernest Blum. Deutsch von Carl Treumann. Musik von Jacques Offenbach. Für die hiesige Bühne eingerihtet von L. Herrmann.

Ensemble unter Direction von

: y Verlobt: Frl. Helene von Morgenstern mit Hrn. Belle-Alliance- Theater. Ueue Deutsche Oberst - Lieut. z. D. Albert von Nömer (Leipzig).

Oper. Dienstag: Zum 3. Male: Der Weiber-

frieg. Komische Oper in 3 Acten von Felix von

Woyrsch. In Scene geseßt von W. Hock. Dirigent:

Kapellmeister Nobert Erben. Anfang 72 Uhr. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Theater Unter den Linden. Direction:

Alois und Rudolph Ronacher. Dienstag: Die Welt in Vild und Tauz. Phantastishes

Ausftattungs-Ballet in 1 Vorspiel und 5 Bildern ‘von F. Gaul und J. Haßreiter. Musik von J. Bayer.

Ballet-Autoren der K. u. K. Hofoper in Wien. Inscenirung durch den Balletmeister Hrn. L. Gundlach. 9x Uhr: Das grandiose cinesische Ballabile Ein Drachenfest. Vor dem Ballet: Daphne. Operette in 1 Act von Hans Müller. Musik von A. Ferron. Inscenirt vom Ober-Negisseur Herrn C. A. Friese. Während der Pause: Promenade-Concert deé Theater-Orchesters. Anfang 74 Uhr.

Adolph Ernst-Theater. Dienstag: Zum 29. Male: Die wilde Madonna. Gesangs- posse in 3 Acten von Leon Treptow. Couplchts von G. Görß. Musik von G. Steffens. it neuen Costumen und neuen Decorationen aus dem Atelier des A Lütkemeyer in Coburg. In Scene geseßt von

dolph Ernst. Anfang 7x Uhr.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30.

Dienstag: Gesammt-Gastspiel des Friß Reuter- August Junker- mann. Zum 27. Male: Onkel Bräsig. Lebens-

Frl. Anna Marquardsen mit Hrn. Lieut. zur See Hans Recke (Wilbelmshaven.) Frl. Winny Rigaud mit Hrn. Lieut. Ficinus (Friedrichsfeld bei Wesel). '

Verehelicht: Hr. Hans von Luttiz mit Frl. Anna Viebahn (Koblenz). Hr. Lieut. Oswald von Kleist mit Frl. Frida von Wedel (Vehlings- dorff). Hr. Hauptmann Oscar von Hutier mit Fräulein Maria Theresia von Miller zu Aichholz (Vöslau bei Wien). Hr. Wilhelm Frhr. von der Nopp mit Frl. Hildegard von Haber (Dresden).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Gymnasial-Director Dr. EckÆardt (Breslau). Hrn. Major Gott- \halk (Brandenburg a. H.). Eine Tochter: ah Georg Frhrn. von Friesen-Leyser (Friedrichs- thal).

Gestorben: Verw. Fr..Pfarrer Lisette Ebel, geb. Lube (Wehlau). Frl. Maria Yates von Braun (Radebeul bei Dresden). Hrn. Prem.- Lieut. Seiffert Tohter Phyllis Mary Ludemille (Sulmierzyce). Hr. Regierungs-Rath a. D. August Gaertner (Cannstatt, Württemberg). Hr. Fortifikations - Secretär, Rechnungs - Nath Eschert (Lüben i. Sch[.).

Redacteur: Dr. H. Klee, Director. Berlin:

Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutshen Buchdruckerei und Verlags« Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Fünf Beilagen

(einshließliÞ4 Börsen-Beilage). (15623)

Erste Beilage

_- f

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 233.

Statistik und VolkZ3wirthschaft.

Invaliditäts- und Altersversicherung.

An Anträgen auf Gewährung von Renten sind bei der Han- seatishen Versicherungseanstalt eingegangen :

a. an Altersrenten : im Laufe des Jahres 1891 1105, im Ja- nuar 1892 39, im Februar 1892 40, im März 1892 33, im April 1892 37, im Mai 1892 40, im Juni 1892 28, im Juli 1892 30, im August 1892 28, im September 1892 27, zusammen 1407.

b. an Invalidenrenten im Januar 1892 5, im Februar 1892 20, im März 1892 14, im April 1892 14, im Mai 1892 19, im Juni 1892 11, im Juli 1892 13, im August 1892 18, im September 1892 12, zusammen 126; ;

mithin sind seit Beginn des Jahres 1891 an Rentenanträgen eingegangen 1533. Von diesen entfallen auf das Gebiet der freien Hansestadt Lübeck 273, Bremen 346, Hamburg 914. Von den ein- gegangenen Anträgen sind bis Ende September erledigt: 1371 Anträge auf Altersrente und 106 Anträge auf Invalidenrente und zwar 1254 durch Nentengewährung und 223 durch Ablehnung. Hiervon ent- fallen auf das Gebiet der freien Hansestadt Lübeck Rentengewäh- rungen 229, Ablehnungen 34, der freien Hansestadt Bremen Renten- setnen 291, Ablehnungen 43, der freien Hansestadt Ham-

urg Rentengewäbrungen 734, Ablehnungen 146. Die Jahressumme der bis jeßt gewährten Renten macht insgesammt 196 020 „& aus. Nach den VBerufszweigen vertheilen sih die 1215 Rentenempfänger auf folgende Gruppen: Landwirthschaft und Gärtnerei 89 Renten- empfänger, Industrie und Bauwefen 534 Rentenempfänger, nee und Verkehr 197 Rentenempfänger, sonstige Berufsarten 105 Renten- empfänger, Dienstboten 2c. 329 Rentenempfänger.

Otto Hübner's Geographisch-statistishe Tabellen, deren Herausgabe seit einer Neihe von Jahren Professor Dr. Fr. von Juraschek besorgt, sind jeßt in der 41. Ausgabe für das Jahr 1892 erschienen. Die Zuverlässigkeit und praftische Einrichtung des kleinen Buchs (Pr. 1,20- Æ, in Wandtafel - Ausgabe 60 -) ist befannt. In der neuen Ausgabe sind die neuen Volkszählungen sowie die Vermessungen der Erde, die das von Wagner und Supan herausgegebene Werk „Die Bevölkerung der Erde“ veröffentlichte, be- rücksihtigt. Die Gesammtbevölkerung der Erde, welhe in dem vorigen Jahrgang auf 1555 Millionen Menschen geshäßt wurde, ift jeßt auf 1484 Millionen angegeben worden ; der Rückgang erklärt sich daraus, daß nah neueren Schäßungen die Bevölkerung Chinas und Innerafrikas sehr viel geringer ist, als bisher angenommen wurde. Ueber die Bewegung des Handels heißt es in dem Vorwort: „Die Bewegung des Handels ist im Jahre 1891 keine gleihmäßige ge- wesen. Mur einige Staaten, wie Oesterreih-Ungarn und die Ver- einigten Staatgn, zeigen eine starke Vermehrung der Ein- und Aus- fuhrwerthe; andere Staaten wie England, Rumänien, Indien haben wohl einen erhöhten Einfuhrwerth, aber verminderte Ausfuhrwerthe. Bei China is das Umgekehrte der Fall. In Italien is die Ausfuhr fast wie 1890 bewerthet, der Einfuhrwerth ist aber stark ermäßigt, bei Deutschland und der Schweiz ist der Ein- und Ausfuhrwerth zurück- gegangen. Bei dieser Bewegung haben zweifelsohne die Ernteergeb- nisse des Jahres den größten Einfluß ausgeübt, doch sind auch die Einwirkungen der Zolltarifsäße zu erkennen.“ Zur Vergleichung und zur Erfassung des internationalen Gesammthandels is der vor- liegenden Ausgabe eine ganz neue Tabelle eingefügt: eine Uebersicht des Specialhandels aller Länder der Erde nah Erdtheilen geordnet jUL die Zahre 1889. Und 1590. Es ergiebt fich daraus, daß in diesen Jahren Werthe im Gesammtbetrage von 38 759 «esp. 39 943 Millionen Mark in der Einfuhr und 33 879 resy. 34 635 Millionen Mark in der Ausfuhr umgeseßt wurden. Die „Tabellen“ find jeßt in den Verlag von Heinrich Keller in Frankfurt a. M. übergegangen; infolge dessen hat sich das Format etwas vergrößert und die Auéstattung verbessert: das Auffinden der richtigen Zahlen in den einzelnen Spalten ist jeßt dur bessere pop bee Ein- rihtung wesentlich erleichtert.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Hamburg wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß dort am 26. September sämmtlihe Glasschleifer der Firma Herwig ylößlich entlassen wurden.

In Mitterteih (Bayern) haben nach demselben Blatte die Porzellanmaler der Firma Meusel am 27. v. M. die Arbeit niedergelegt.

Die Firma Ferdinand Bendir Söhne, Holzbearbeitungs- Fabrif in Berlin, läßt dem „Vorwärts“ der Notiz gegenüber, daß ihre sämmtlichen Tischler wegen Verweigerung der Sonntagsarbeit entlassen worden seien (vergl. Nr. 230 d. Bl.), eine Berichtigung zugehen, der wir Folgendes entnehmen: Es handelte sich nicht um sämmtliche Arbeiter der Firma, sondern um etwa 24 Mann, die auf einem Bau in der Leipzigerstraße beshäftigt waren. Die Leute sind am Sonnabend befragt worden, ob sie am Sonntag von 7 bis 10 Uhr Vormittags bei höherem Lohnsaße arbeiten wollten, und erst nach ihrer Zustimmung ist die Arbeitszeit zwischen 7 bis 10 Uhr angeordnet worden. Der Chef des Berliner Hauses machte erst von seinem Nechte, die Leute sofort zu entlassen Gebrau, nach: dem die Arbeiter, durch zwei Genossen aufgebeßt, ohne ein Wort zu sagen, sämmtlich der Arbeit fern blieben, die sie zu leisten versprochen atten.

Ein Pariser Telegramm des „H. T. B." meldet vom 30. Ok- tober: Der Congreß der G rubenarbeiter hat in seiner Schluß- sißung in La Nicamarie Baudin und Calsignac zu Ehren- Präsidenten ernannt. In zahlreihen Neden wurde eine Vereinigung aller Arbeiter empfohlen.

In Saragossa is, wie „H. T. B.* meldet, ein allgemeiner Metgerstrike ausgebrochen und die Fleischerläden sind sämmtlich geschlossen. Der Stadtrath hat den Ankauf von Schlachtvieh be- \hlossen, um die Einwohner mit dem nöthigen Fleis versehen zu können. Die Militärbehörde hat der Stadtverwaltung eine Abthei- lung Truppen zur Verfügung gestellt.

Kunft und Wiffenschaft.

Die Ausgrabungen von Pompeji

haben in den leßten Jahren nicht eben viel von sih reden ge- macht. Es is ja bei der methodishen Ausgrabung einer gangen Stadt unvermeidlih, daß man sich oft Jahre lang urch unbedeutende Gebäude durcharbeiten muß, bis einmal ein durch Architektur und künstlerishen Shmuck hervorragen- deres Haus die Geduld belohnt und unsere Anschauung antiker Kunst und antiken Lebens wesentlih bereichert. Und dieser Fall war nicht eingetreten seit dem Jahre 1879, in welhem die sogen. Casa del Centenario gefunden wurde, benannt nah dem in eben diesem Jahre gefeierten achtzehnhundert- jährigen Erinnerungsfest an die Vershüttung Pompejis.

Es scheint nun aber, daß in neuester Zeit eine günstigere Wendung eingetreten ist. Man gräbt im a Viertel der Stadt. Und während es noch zu Anfang dieses Jahres hien, als solle man hier nur dürftige und un- bedeutende Wohnungen finden, ist seit Beginn des Sommers ein stattliches Haus zu Tage gekommen, welches die Auf-

‘(etwa 4 m im Quadrat).

Berlin, Montag, den 3. Oktober

merksamkeit der Besucher Pompejis in hohem Grade auf sich zieht. Gewiß war es die Wohnung eines vermögenden Mannes; außer diesem Haupthause waren noch drei, vielleiht vier benahbarte Häuser in seinem Besiß: es ergiebt sih dies aus der Art, wie diese Häuser unter sich und mit dem Haupthaufe in Verbindung e sind: namentlih sind zwei derselben so mit dem Haupthause verbunden, daß man aus der Hinterthüre (dem posticum) des leßteren und des einen Nebenhauses nur durch das Atrium des anderen Neben- hauses auf die Straße gelangen kann.

Indeß diese Nebenhäuser sind von geringerem Belang. Um so überrashender kam die Entdeckung des großen und stattlihen Haupthauses. Das Jnteresse desselben beruht nicht zum geringsten Theil auf der ganz ausnahmsweise vorzüglichen Erhaltung sowohl des Baues selbst als der Malereien. Das Erdbeben des Jahres 63 n. Chr., dem so manche ältere Bauten Pompejis zum Opfer fielen, hatte hier so gut wie keinen Schaden angerichtet. Dazu kommt, daß das Haus kein Obergeschoß hatte, sondern sich in behag- licher Breite nur zu ebener Erde ausdehnte, sodaß die unvermeidliche Zerstörung der oberen, von den Ver- shüttungsschichten niht bedeckten Theile hier leichter vershmerzt werden kann. Und wenn man einmal der Aufgabe näher treten wollte, ein pompejanishes Haus in seiner alten Gestalt wieder aufzubauen, so würden hier die Umstände ganz be- sonders günstig sein.

Es ist ein altes Haus, gebaut, allem Anscheine na, bevor ums Jahr 80 v. Chr. Pompeji römishe Colonie wurde, zu einer Zeit also, in welher Campanien in Kunst und sonstiger Cultur weit mehr unter dem Einflusse der griehishen Colonien als unter dem Roms stand. Und es ist, was die Architektur betrifft, wesentlih so erhalten, wie es damals gebaut wurde, während die Bemalung der Wände und Säulen, dem Zeitgeshmack folgend, mehrfah ganz oder theilweise erneuert worden ist, zuleßt noch im leßten, etwa seit dem Jahre 50 n. Chr. üblich gewordenen Stile der pompejanischen Malerei. Und zwar fand diese leßte Aus-

„malung statt vor dem Maire 60 n. Chr.; denn in diesem

Jahre schrieb jemand unter Beifügung des Datums eine sonst nicht ganz verständlihe Notiz auf eine der Säulen des Peristyls.

Der Grundriß hat nichts Besonderes: es is der eines mäßig großen Hauses aus der Zeit, wo man die um das altitalishe Atrium gruppirte Wohnung zu erweitecn pflegte durch den aus Griechenland übernommenen und mit griechishem Namen Peristyl genannten hinteren Säulenhof, welcher dann bald der eigentliche Mittelpunkt der Wohnung wurde, während das Atrium mehr und mehr zu einem von Wirthschaftsräumen, allenfalls von Schlafkammern umgebenen Eingangsraume herab- sank. Was dies Haus cigenthümliches bietet, ist der Aufbau, die Hohenverhältnisse: in dieser Beziehung ist es höchst bemerkens- werth. Leider ist bis jeßt nicht sihtbar, wie es sih von der Straße ausnahm: die Façade sowie auch der kurze Gang von der Straße ins Atrium sind noch nit ausgegraben, weil das anstoßende Grundstück noch nicht exproprürt ist. Jndeß wesentlich wird unscre Kenntniß des Hauses dadurch nicht beeinträchtigt.

Das Atrium ist ein viersäuliges (atrium tetrastylum), das Dach senkte sih von allen vier Seiten gegen die Mitte, wo es eine etwa 5 X 3,50 m große viereckige Lichtöffnung hatte, an deren Ecken es von vier mächtigen korinthischen Säulen aus Tuff und mit Stuck bekleidet ge]tüßt wurde. Das Regenwasser fiel hier in das dazu bestimmte flahe Bassin (Impluvyium), aus dem es unter dem Fußboden des Atriums auf die Straße geleitet wurde. Nings um die Oeffnung hatten die untersten Dachziegel einen hochaufstehenden Rand mit Wasser- speiern in Form von Löwenköpfen, von guter Arbeit, wie auch sonst in Häusern aus der gleichen Periode. Die Säulen fand man umgestürzt; doch war es vollkommen klar, daß sie zur Zeit der Verschüttung aufrecht standen ; die einzelnen Trommeln, fast unversehrt, lagen nicht auf dem alten Fuß- boden, sondern hoch in der Verschüttungsmasse: der Erdstoß, welcher sie ummwarf, trat also erst ein, als die Vershüttung hon ziemlih vorgeschritten war. Man ist augenblicklich an der Arbeit, sie wieder aufzurihten, und es ergiebt sih {hon jeßt als zweifellos, daß sie die enorme Höhe von C9 m allen Necnen wix dazu den Architray und die Dachschrägung, so ergiebt sih, daß die Wände des Atriums kaum viel unter 10 m hoh sein konnten, dies also ein ungemein hoher und luftiger Raum sein mußte. Auch die das Atrium umgebenden Zimmer waren von beträchtlicher Höhe, unverhältnißmäßig hoh für ihre geringe Ausdehnung Nur 1in einem derselben is die Stuckbekleidung der Wände aus der Zeit der Erbauung theil- weise erhalten: ihre große Einfachheit ein rother Sockel, durch einen marmorirten Streif von der weißen Wand- flähe getrennt —- läßt vermuthen, daß von Anfang an diese Räume nicht zu den bevorzugten gehörten, daß diese vielmehr um- das Peristyl lagen. Die große Höhe dieser Zimmer sie sind nirgends in ganzer Höhe erhalten gab dann später Anlaß, die drei an jeder Seite des Atriums liegenden der Höhe nah zu theilen, indem man über jedem derselben noch eine kleine Kammer anlegte. Nicht weniger als drei Treppen führten in der leßten Zeit zu diesen s{chmucklosen kleinen Räumen: diese so wie die unteren Räume dienten als Vorrathskammern, Sfklaven- zimmer und zu ähnlichen wirthschaftlihen Zwecken. :

Wie gewöhnlih, war das Atrium durch Wasserkünste be- lebt. Jm Jmpluvium, am hinteren Rande desselben, steht eine marmorbekleidete. Basis, auf welher ohne Zweifel eine (leider nit erhaltene) Statuette stand und einen Wasserstrahl in ein davorstehendes, in Trümmern gefundenes Marmor- becken fallen licß; das Leitungsrohr mit dem Hahn, durch den es dicht hinter der Basis geschlossen werden Tonnte, ist erhalten. Außerdem aber fiel in dasselbe Becken ein Wasser)trahl, der aus der Basis selbst kam: der Ausguß, aus Bronze, war als Eberkopf gestaltet. Eine hübsche Cijternenöffnung aus weißem E hinter der Basis, vervollständigt die anmuthige

ruppe.

di

1892.

Um aus dem Atrium in die eigentlihe Wohnung, die Gartenwohnung, das Peristyl zu gelangen, konnte man ent- weder durch das zugleih auf dieses und auf die Nüfseite des Atriums geöffnete Tablinum, oder durch den Gang neben demselben gehen. Auh das Peristyl is durch seine Säulenarchitektur bemerkenswerth. Es is ein Garten von etwa 10 m im Quadrat, aber nicht ganz rechtwinklig, auf allen vier Seiten von Säulenhallen umgebên: fünf Säulen auf der Vorderseite, sechs auf jeder der drei anderen. In der Breite entspriht der Garten mit den Säulenhallen dem Atrium mit seinen Seitenzimmern. Dennoch aber öffnen sih auf die Säulenhallen Zimmer niht nur auf der Nücfseite, sondern auch rechts und links, sodaß also diese leßteren Räume über die Breite des vorderen Theils des Hauses hinausgreifen. ;

Die ungleihe Säulenzahl der Vorder-- und Nücfseite be- ruht auf einer Besonderheit der Anlage: die vordere Säulen- halle ist beträhtlich höher * als die der anderen drei Seiten, wenngleih sie die Hohe des Atriums bei weitem niht erreiht. Offenbar jollie sie einen Uebergang bil- den von dem hohen und“ majestätishen Atrium zu den niedrigen und freundlihen Hallen der drei an- deren Seiten. Wir kennen durch Vitruv den Namen eines solchen Peristyls mit einer höheren und drei niedrigeren Hallen : man nannte es das rhodische Peristyl; es war, wie schon der Name sagt, eine griehishe Bauform, vermuthlih in der Zeit nah Alexander auf der Jnsel Rhodos entstanden.

Wenn die klare und einfache, Großartigkeit mit Anmuth in bewundernswerther Weise verbindende Anordnung der Architektur dieses Hauses als ziemlihch directer Ausfluß der griehischen Cultur einer hoch entwickelten Periode gelten Mß, 0 Tann dasselbe. .nicht auh von dex malerishen Ausshmückung gesagt werden. Ohne Zweifel hatten ursprünglih sämmtlihe Wände die ernste und stilvolle Stukdecoration der vorrömischen Zeit Pompejis: Nachahmung vielfarbiger Marmorbekleidung, unterbrochen dur Architektur- glieder in shönen griechischen Formen, alles dies in plastischer Stuckarbeit; aber hiervon ist nur eine (oben {hon erwähnte) Spur in einer einfahen Kammer vorhanden. Etwas mehr ist erhalten von einer Decoration ,. welhe das Haus in römischer, aber vielleiht noch republikanisher Zeit er- hielt, einer Decoration, welche auch Marmorbekleidun und Architekturglieder nahahmt, aber nur bur Malerei, ohne plastishe Stucarbeit. Diese Art Malerei ist zwar am Atrium nur auf den oberen Wandtheilen erhalten, unten dagegen durch eine spätere Bemalung ersegt worven ; aber diese leßtere shließt sich der älteren so genau an, daß wir hier fo ziemlih den Eindruck eines Atriums àus republi- kanisher Zeit haben. Vollständiger erhalten finden ih ähn- liche Malereien in einigen Zimmern am Peristyl. Besonders erfreulih sind fie nit: - dieser Stil ist in Pompeji nicht gut vertreten; welher Leistungen derselbe fähig war, zeigen vor allem die in Rom im Museum der Dio- cletiansthermen aufbewahrten Malereien eines im Jahre 1879 am Tiberufer gefundenen Hauses. Von diesen Resten ab- gesehen, ist das pompejanishe Haus in der lezten Zeit Pompejis, im Stil dieser Zeit, aber, wie {hon bemerkt, vor dem Jahre 60 n. Chr. ausgemalt worden. Großes Lob ver- dienen auch diese Wände im allgemeinen nicht: die Ornamente sind schwer und unbcholfen, und von figürlihen Darstellungen ist sehr wenig vorhanden. Doch sind die Farben geshickt und wirkungsvoll vertheilt. Jm Peristyl ist auch dur die Malerei die höhere Vorderhalle von den drei niedrigeren unterschieden. Sie hat hellere und lebhaftere Farben: die Säulen sind an ihrem unteren Theil, wo sie die volle Rundung haben, gelb, oben cannelirt und weiß; auf den Wänden sind die Hauptfelder lebhaft roth. Dagegen sind die Säulen der drei niedrigeren Hallen unten rund und dunkelroth, oben weiß und achteckig, die Wandfelder {warz mit breiten gelben Um- säumungen, von einander getrennt durch. schmale architektonische Durchblicke auf weißem Grunde. Einen besonderen Reiz aber erhält das Peristyl durch die seltene Erhaltung auch des Gebälks auf den drei niedrigeren Seiten. eili die allbekannten fklassishen Formen der griechischen Säulen- ordnung würde man hier vergebens suchen, wie auch die Capitelle, der dorishen Form am nächsten stehend, ganz unklassishe bunte Stuckverzierungen haben. Das Gebälk ist auf Holzbohlen, die von einer Säule zur anderen réihen, auf- gemauert; es zeigt nah dem Garten zu eine senkrehte Fläche, Uber die oben der Dachrand hervorragt. Auf dieser mit weißem Stuck bedeckten Fläche ist nun über jeder Säule ein kleines, mehr hohes als breites Feld abgetheilt, welhes auf dunklem Grunde ein fleines Ornament einen Stierkopf, eine Blume oder dergleihen enthält. Ueber den Jnter- columnien dagegen sind breite, niedrige Felder ab- getheilt, in denen auf weißem Grunde fleine Gruppen von Thieren, Vögeln und Pflanzen gemalt sind. Ornamente in Stuckrelief, mit lebhaften Farben bemalt, zierten den Dach- rand, über den an den Enden der die Flachziegel verbindenden halbrunden Deziegel palmettenförmige Stirnziegel empor- ragten. Wohl selten ist es möglih gewesen, von dem Aus- en eines römischen Peristyls der früheren Kaiserzeit eine so lebendige Anschauung zu gewinnen, und es hat einen be- sonderen Reiz, die ernsteren Grundformen einer früheren Periode von dieser leihten, um 150 Jahre jüngeren Ornamentik umspielt zu sehen.

Erwähnenswerth ist noch ein eigenthümliher Shmu des Gartens. Von der Bearbeitung desselben ist weiter nichts kenntlih als eine niedrige Enge Erhöhung in der Mitte, etwa 3 m im Durchmesser. Auf dieser Erhohung standen ringsum Thierfiguren aus einer auch sonst in Pompeji vor- kommenden glasirten Thonwaare egyptishen Ursprungs : zwei Krokodile, ein Frosch, eine Kröte, und zwar alle ziemlich gleih groß: das größte Krokodil ist 40 cm lang, die Kröôte 18 cm Gd,

Von dem oben ausgesprochenen Urtheil über dic Malereien der leßten Zeit dieses Hauses is} ein kleines Zimmer auszu- nehmen, welches in ganz anderer Weise und offenbar von anderer Hand ausgemalt ist; cs liegt an einer Ecke des Atriums, neben dem Gang, der aus demselben ins Peristyl