1892 / 248 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Oct 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Wenn ein Entschädigungsanspruh zunächst gegen cinc

einem Landes-Versicherungsamt unterstellte Berufsgenossen- schaft verfolgt wird, und der Recurs gegen das schiedsgericht- liche Urtheil demnächst dem Landes-Versicherungsamt zugeht, dieses aber die Sache an das Reichs-Versicherungsamt abgiebt, weil fremde, ihm niht unterstehende Berufsgenossenschaften betheiligt seien, so ist cs zur Wahrung der Recursfrist ausreichend, wenn das Rechtsmittel fristzeitig bei dem Landes- Versicherungsamt eingelegt worden ist; dagegen ist nicht er- forderlih, daß die Abgabe an das Reichs-Versicherungsamt noch innerhalb der E crfolgt ist. __ Die in dem Verfahren vor dem Landes-Ver- sicherungsamt etwa entstandenen außergerichtlichen Kosten sind in diesem Falle Gegenstand der Entscheidung des Reichs-Versicherungsamts.

Die Unterbrehung des Verfahrens durch den Tod des Verletten hat in sinngemäßer Anwendbarkeit des 8 226 Absayß 1 der Civilprozeßordnung die Wirkung, daß der Lauf der Recursfrist aufhört und nah Beendigung der Unter- brehung die volle Frist von neucm zu laufen beginnt.

Hat in dem Feststellungs- und schiedsgericht- lihen Verfahren ein unzuständiges Organ der Berufsgenossenshaft die Vertretung _derselben übernommen, während die Vertretung thatsächlich dem Genossenschaftsvorstande oblag, so wird dieser Mangel dadurch geheilt, daß der leßtere in das Recursverfahren eintritt, ohne cine Rüge gegen das bisherige Verfahren zu erheben. q

Jn der Spruchsizung eines E hatte ciner der beiden Beisißer aus dem Stande der Arbeitgeber, in dessen Betriebe der Unfall sich ereignet hatte, aus diesem Grunde an der D nicht theilgenommen, indem er Jih der Abstimmung enthielt. Das betreffende Urtheil ist auf- gehoben worden, da bei der Urtheilsfällung die wesentliche Verfahrensvorschrift des S 50 Absatz 2 des Unfall- versicherungsgeseßes, wonach das Schiedsgericht nur beshlußfähig is, wenn außer dem Vorsißenden cine gleiche Anzahl von Arbeitgebern und Arbeitnehmern als Beisißer mitwirken, verleßt worden war. :

Der Zusendung eines wegen Shreibfehler, Rechnungsfehler oder anderer offenbarer Unrich- tigkeiten von Amtswegen berichtigten Urtheils wohnt die Kraft nicht bei, aufs neue den Lauf der Rechts- mittelfrist gegen die berihtigte Entscheidung zu eröffnen.

In Unfallversicherungs|treitigkeiten sind die Parteien be- rechtigt, in jeder Lage des Verfahrens etwaige unter ihnen bestehende Streitigkeiten über den Umfang des crhobenen Ent- shädi1gungsanspruchs, den Grad der Erwerbsunfähigkeit u. #. w. durch Vereinbarungen oder Vergleihsab\chlüsse bei- zulegen, und entbehren diese Verträge nur dann der Rechts- wirksamkeit, wenn sie bezwecken, die Anwendung der Bestim- mungen der Unfallversiherungsgeseße zum Nachthcil der Ver- sicherten auszuschlicßen oder zu beschränken. Es is jedo daran feslzuhalten, daß das Endergebniß derartiger Verhand- lungen, welche in der ersten Jnstanz geschlossen werden, in einem förmlichen berufungsfähigen Bescheide zum Ausdruck gelangen muß.

Eine Berufsgenossenschaft hatte in einem öormlichen Be- scheide zwar die Rente festgestellt, jedoh mit Nücksiht auf be- sondere Vereinbarungen, die sie mit dem Verleßten getroffen hatte, dic Zahlung der Entschädigung von gewissen, in dem Bescheid angegebenen Bedingungen ab- hängig gemaht. Dieses Verfahren hat das Reichs - Ver- siherungsamt für unzulässig erklärt.

Nach den in der Sonderausgabe der „Amtlichen Nachrichten des Reichs-Versicherungsamts“ Jn- validitäts- und Altersversiherung vom 15. Oktober d. J. veröffentlihten Revisionsentsheidungen ist der Altersrentenanspruch eines siebzigjährigen Klägers, welcher im Jahre 1890 erkrankt war, auch im Jahre 1891 wegen derselben Krankheit eine versihherungspflichtige Beschäftigung niht aufgenommen hatte, für ungerechtfertigt erachtet worden. Nur wer „versichert“ is, das heißt nach dem Inkrafttreten des Gesecßes sich einer versicherungs- pflichtigen Thätigkeit unterzogen hat, hat cin Recht darauf, daß, wenn die übrigen Vorausseßungen zu- treffen, seine vorgeseßlichen Krankheiten als Arhbeits- zeiten, seine nachgeseßlihen als Beitragszeiten behandelt werden: das Bestehen derartiger Krankheiten an und für sich und allein genügt niht, um den Zustand des Berz sichertseins“ zu begründen. Jeder, dessen Krankheit in dic nachgesebliche Zeit hinüberreiht, muß nah dem 1. Januar 1891 erst eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf- genommen haben, wenn er einen Anspruch auf Altersrente verfolgen 1will.

Unerheblihe zur Bestreitung geringfügiger Lebensbedürfnisse dienende Baarzahlungen können unter den Begriff des „freien Unterhalts“ im Sinne des S 3 Absay 2 des Jnvaliditäts- und Alters-Versicherur gs- gesezes auch dann fallen, wenn sie nicht freiwillig gewährt, sondern vertragsmäßig ausbedungen sind.

Auch dann, wenn einer versicherungspflichtigen Person

für ihre Arbeitsthätigkeit ausshließlich Naturalien

gewährt werden, liegt eine Lohnzahlung im Sinne des Invaliditäts- und Altersversicherungsgescßes vor, sofern nicht das Hingegebene ledigli zur Lebenserhaltung dient, also „nur freier Unterhalt“ im Sinne des §8 3 Absatz 2 a. a. O. ge- währt wird.

Die Anwendung der Befugniß des S 74 Absatz 6 des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgeseßes hat sih auf diejenigen Fälle zu beshränken, in denen der ungünstige Ausfall der Beweisaufnahme von dem Antragsteller bei sahgemäßcr Aufmerksamkeit vorauszusehen war, und in denen deshalb die unnöthige Verursa ung der Kosten des Beweisverfahrens frivol erscheint oder sonst auf einen dem Antragsteller zum Vorwurf gereichenden Mißbrauch offenbar zurückzuführen ist.

Die eisenbahn - fahwissenschaftlihen Vor- lesungen werden im Winter-Halbjahr 1892/93 in folgender Weise stattfinden:

Jn Berlin werden in den Räumen der Universität Vorlesungen über preußisches Eisenbahnreht und über den Betrieb der Eisenbahnen gehalten werden. Das Nähere, namentlih auch bezüglich der Anmeldung zu den Vorlesungen,

ist aus dem Anschlage in der Universität ersichtlich. Jn Breslau werden sih die Vorträge auf die National-

öfonomie der Eisenbahnen, insbesondere. das Tarifwesen, - und :

auf den Betrieb der Eisenbahnen erstrecken.

In Köln werden Vorlesungen über Technologic im Ver- waltungsgebäude der Königlichen Eisenbahn-Direction (linksrh.) gehalten werden.

Vorlesungen über Elektrotehnik finden daneben in Berlin, Breslau, Köln, Darmstadt und Magdeburg statt.

Der Kaiserliche Gesandte am Königlich griechishen Hofe, Wirkliche Geheime Rath Graf von Wesdehlen ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub nah Athen zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Inspecteur der Feld-Artillerie, General-Lieutenant von Hoffbauer ist von Urlaub hierher zurügekehrt.

Der’ Bevollmächtigte zum Bundesrath,/ Senator der freien und Hansestadt Lübeck Dr. Klügmann ist hier angekommen.

S. M. Kanonenboot „Zltis“, Commandant Capitän- Lieutenant Graf von Baudi}ssin, beabsichtigt, am 20. Oktober von Hongkong nah Amoy in See zu gehen.

Dem Kaiserlichen Gesundheitsamt vom 19. bis 20. Oftober, Mittags, gemeldete Cholera-Erkrankungs- und Todesfälle:

Hamburg: 1 Erkrankung, kein Todesfall am 19. Oktober.

Altona: Für den 17. Oktober nachträglih noch 2 Er- krankungen, 1 Todesfall: am 19. Oktober 1 Erkrankung.

Sigmaringen, 20. Oktober. Seine Königliche Hoheit der Herzog von Edinburg ist zum Besuch der Fürstlichen Familie und Seiner Majestät des Königs von Rumänien hier eingetroffen.

Bayern.

München, 19. Oktober. Seine Königliche Hoheit der Prinz und Jhre Kaiserliche Hoheit die Prinzessin Leopold werden, wie die M. „Allg. Ztg.“ mittheilt, der Einladung Seiner Majestät des Kaisers zur Taufe der jüngst geborenen Tochter folgend, sih nach Berlin begeben.

Württemberg.

__ Stuttgart, 19. Oktober. Jhre Majestät die K önigin Charlotte hat gestern Friedrihs hafen verlassen, um nh nah Ludwigsburg zurückzubegeben, und von Jhrer Majestät der noch immer shwerkranken Königin Olga, welcher die Königin seit elf Tagen ihre Zeit gewidmet und die liebevollste Theilnahme entgegengebraht hat, Abschied genommen. Es liegt cine gewisse Beruhigung für dic hohe Kranke darin, schreibt der „Staats-Anz. f. W.“, daß ein Zeitpunkt gekommen ist, zu welchem es niht mehr so dringend nöthig erscheint, nach leßtem tröst- lichen Beistand zu rufen. Mit der hohen Kranken ersehen darum die Zurückbleibenden in dem Scheiden der Königin Charlotte das Zeichen einer etwas hoffnungsvolleren Lage. Nach dem heute Vormittags 8 Uhr ausgegebenen Bulletin hat sih das Befinden Jhrer Majestät seit Dienstag nicht geändert; die Nacht war wieder unruhig.

Baden.

Karlsruhe, 18. Oktober. Seine Königliche Hoheit der Großherzog hütete, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, wegen des andauernden fkatarrhalishen Zustandes auf ärztlichen Rath auch heute noch das Bett. Jhre Königliche Hoheit die Großherzogin wohnte am gestrigen Tage in Lahr der Generalversammlung der Frauenvereine, welche von zahlreichen auswärtigen Vereinen beschickt war, bei.

Mecklenburg-Shwerin.

Schwerin, 19. Oktober. Seine Königliche Hoheit der Großherzog und Jhre Kaiserlihe Hoheit die Groß- herzogin haben heute Wiesbaden verlassen und sih nah Paris begeben.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Weimar, 19. Oktober. Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin haben die mit den Feierlichkeiten des goldenen Ehe-Jubiläums verbundenen An- strengungen gut überstanden und erfreuen sich des besten Wohlseins. Der Großherzog gedenkt, nah der „Thür. Corr.“, einer Einladung Seiner Majestät des Kaisers folgend, ih zur Einweihung der Domkirche am 31. Oktober d. J. nach Wittenberg zu begeben.

Anhalt. ___ Wöorlig, 18, Oftober: „Der Herzogliche Hof über- stedelte heute Nachmittag von hier nah Dessau.

Hamburg.

Hamburg, 20. Oktober. Die Bürgerschaft lehnte in ihrer gestrigen Sizung bei der Verhandlung über die Titelfrage den Anirag d s Senats auf Einführung des Titels „Regierungs-Rath“ ab, genehmigte dagegen den An- trag May Und Genossen, das Amt des Polizei-Naths in das eines „Polizei-Directors“ umzuwandeln, sowie ferner drei Räthe mit Richtergehalt anzustellen, welche die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst in einem deutschen Bundesstaat erworben haben müssen.

Oesterreich-Ungarn.

Seine Majestät der Kaiser Franz Joseph hat, wie das „Militär-Verordnungsblatt“ in feiner gestrigen Nummer veröffentlicht, Seine Königliche Hoheit den Prinzen Friedrich Leopold von Preußen zum Oberst-Lieutenant im 7. Husaren-Regiment ernannt, dessen Jnhaber Seine Mazestät der Kaiser Wilhelm ist.

Die Neichsraths-Delegation hat laut Meldung aus Pest gestern das gemeinsame Budget erledigt und si vorläufig vertagt. Bei der Berathung des bosnishen Budgets in der gestrigen Sißung fuhr der Jungczeche Masaryk in seiner hon in der Dienstagssißung begonnenen abfälligen Kritik der Zustände im Occupationsgebiete fort. Der Delegirte Baernreither wies zur Widerlegung dieser Ausfüh- rungen auf die großen Fortschritte hin, welche das Occupations-

E unter österreichisherVerwaltung gemacht habe, und erklärte esterreih habe sein Versprehen gehalten und erfülle in Bosnien und in der Herzegowina eine civilisatorishe Thäti keit, Sodann nahmder Reichs-Finanz-MinistervonKallay das Mort zur Erwiderung, inder erna dem „W.T.B.“ Folgendes ausführte: Eine Besprehung der Zustände in den Occupationsgebieten sei alter Brauch der Delegationen. Die von den Delegirten dem Schulwesen, der öffentlihen Sicherheit und dem Verkehrswesen gezollte Anerkennung beweise, daß ein Fortschritt crreiht sei, insbesondere angesihts der kurzen Dauer der Verwaltung dieser Gebiete. ie Regierung der Monarchie handle niht nah dem Grundsatze „divide et impera“, sondern trahte darnah, feindlih gesinnte Elemente zusammenzubringen. Die bei der Verwaltung etwa vorgekom- menen Verstöße seien nicht größer, als sie in den bestver- walteten Provinzen Europas vorkämen. Sein Ziel in den occupirten Ländern, wo der Osten und der Westen zusammen-

stoßen, sei das Gefühl der Staatlichkeit und das Bewußtsein

der Zusammengehörigkeit mit einem großen mächtigen Staat zu erwecken und zu befestigen zum Besten des Landes und der Monarchie. (Lebhafter Beifall.) Referent Sueß gab hierauf die Erklärung ab, die Delegation könne vor Europa feststellen, daß Oesterreich-Ungarn die ihm inden Occupationsgebieten gestellte Aufgabe glücklih gelöst habe. Hierauf wurde der Occupations- credit unverändert angenommen, ebenso das Budget des gemeinsamen Finanz-Ministeriums und das der Marine. Die Schlußrechnung für 1890 und die darauf bezüglihen Reso- lutionen wurden genehmigt. Die nächste Sizung is} unbe- stimmt, wahrscheinlich findet sie am 27. d. M. statt.

Dieungarische Delegatio n verhandelte in ihrer gestrigen Plenarsißung über das Budget des Aeußeren. Der Referent Dr. Max Falk hob hervor, die ungarische Delegation habe bei jeder Gelegenheit mit größter Wärme die Nothwendig- keit des Dreibundes anerkannt. Jn dem diesjährigen Bericht habe der Ausschuß sih in jener Hinsicht noch wärmer ausgesprochen, weil innerhalb der Monarchie sih Gegner des Dreibundes gefunden hätten, welhe dem Minister der auswärtigen An- gelegenheiten ein intimes Bündniß mit Rußland anriethen. Diese Bewegung, welche die auswärtige Politik der öster- reichish-ungarishen Monarchie umgestalten möchte, sei so un- bedeutend, daß der Ausschuß es nicht für der Mühe werth erachtet habe, davon im amilien Bericht Notiz zu nehmen, Er sei auf dicse Bewegung auch nur deswegen zu jprechen ge- kommen, damit das Schweigen darüber niht mißdeutet werde. Die Ungarn hielten treu an dem Dreibunde fest, wünschten dessen unveränderten Fortbestand und wollten denselben durch keinerlei andere Combination erseßt sehen. (Lebhafte Eljen- rufe.) Der Delegirte Ugron von der dieren Linken erklärte, er fenne in Üngarn niemand, weder einzelne Personen noch Parteien, die mit dem Dreibunde un- zufrieden wären. Zeder Ungar halle den Drei bund für dringend nothwendig. Ugron machte sodann mehrere Einwendungen gegen die innere Verwaltung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten. Nachdem noch der Siebenbürger Sachse Fluger sich mit Worten höchster Anerkennung für den Dreibund ausgesprochen hatte, gelangte der Bericht des Ausschusses sowie eine Resolution zur Annahme, in welcher die Billigung der auswärtigen Politik ausgesprohen und dem Minister des Aus- wärtigen die Anerkennung und das Vertrauen der Dele- gation ausgedrückt wird.

Das ungarische Unterhaus seßte gestern die Be- rathung des Programms für die Feierlichkeiten bei der Ent- hüllung des Landwehr-Denkmals fort. Nach einer längeren Debatte, in welcher der Minister-Präsident erklärte, er könne den Antrag des Abg. Grafen Apponyi auf noch- malige Prüfung des Enthüllungs-Programms nicht annehmen, wurde die weitere Berathung des Gegenstandes auf heute vertagt.

Aus Prag wird amtlih gemeldet, daß das Stadtver- ordneten-Collegium von Reichenbéèrg aufgelöst und der Statthalterei-Rath Graf Coudenhove mit der einst- weiligen Besorgung der Geschäfte betraut worden it Ei Artikel des „Prager Abendblatts“ zur Motivirung dieser Maßregel betont, es hätten nur die zwingendsten Gründe die Statthalterei zu der Auflösung bestimmt.“ Die Erwartung, daß die Gemeindevertretung {ließlich ihrer Pflichten gegen die Gesammtheit der Bewohner und gegen die Staats- gewalt inne werden würde, habe sich nicht erfüllt und eine objective geseßliche Amtsführung sei nicht zu erlangen gewesen. Reden strafbaren Jnhalts hätten die Grundlage für Be- schlüsse gebildet. Die Handhabung der Vereins-, Ver- sammlungs- und Sicherheitspolizei habe wiederholt der Staatspolizei übertragen werden müssen. Ueberdies habe man sih wiederholt Competenzübershreitungen und einen E Ton im Schriftwechsel mit den Staatsbehörden zu Schulden kommen lassen. Das Blatt spricht schließlich die Hoffnung aus, daß nach der vorübergehenden Einschränkung der Autonomie Reichenbergs die unwandelbare Loyalität, die angestammte dynastishe Treue und die wahren Gesinnungen der Stadt, welche anläßlich des jüngsten Kaiserbesuchs glänzend dargethan scien, bald in der neuen Stadtvertretung zu unzwei- deutigem Ausdruck gelangen würden.

Das Organ der altczehishen Partei, der Prager „Hlas Naroda“, weist jede Gemeinschaft der Interessen der Czechen mit den Ausführungen des Jungczechen Eim in der Reichsraths-Delegation (vgl. Nr. 246 d. Bl.) auf das ent- schiedenste zurück. Das Blatt erklärt, die rednerischen Lorbeern Eim's würden für die Nation der Czcechen zur Dornenkrone werden, falls sie diese Lorbeern mit Eim theilen wollte.

Frankrei.

Der Präsident Carnot empfing gestern Nachmittag einen etwa halbstündigen Besuch des Herzogs von Leuch- tenberg und erwiderte ihn kurz darauf. :

Dem „Figaro“ zufolge soll in der heutigen Plenarsißung der Deputirtenkammer der Strike von Carmaux wiederum zur Sprache gebraht werden. Ein Deputirter werde die Erklärung abgeben, er habe das Schiedsgericht nicht dahin verstanden, daß es sih um cinen einzigen Schiedsrichter handle, sondern um mehrere Schiedsrichter unter dem Vorsiße des Minister-Präsidenten Loubet.

Der Municipalrath von Paris, welcher L seine Sißungen wieder aufgenommen hat, bewilligte 10000 Fr. für die Ausständigen in Carmaurx.

Oberst Dodds hat aus Akpa einen vom 17. d. M. datirten telegraphischen Bericht folgenden Jnhalts eingesandt: Die französishen Truppen haben am 13., 14. und 15. d. M. ihren Vormarsch fortgesczt. Am 183. beseßte Dodds ein großes Lager der Dahomeyer, nachdem ‘er diese nah Norden ge- drängt hatte. Am 14. wurden die Franzosen in ihrem Bi

vouac im Norden des Dorfes Kato vom Feinde an- gegriffen, s{lugen den Angriff jedoh zurück. Am 15. wurden wei aufeinanderfolgende Angriffe der Dahomeyer abgewiesen; bei dem zweiten gerieth der Feind in das Kreuzfeuer der Franzosen und erlitt beträhtlihe Verluste. Auf französischer Seite wurden in den Kämpfen vom 13., 14. und 15. Oktober 10 Mann getödtet, darunter ein Offizier, und 85 Mann ver- wundet, darunter 6 Offiziere. Oberst Dodds beabsichtigt, nach éiner Verproviantirung seiner Truppen, den Feind in der Stellung am Kato-Flusse, der die Streitkräfte der Dahomeyer, darunter dic Leibgarde des Königs Behanzin, deckt, von neuem anzugreifen. | i

egenüber der Behauptung eines neu erschienenen Wochen- blattes, daß der im vorigen Jahre auf einer Reise in Afrika verunglücte Lieutenant Quiquérez von seinem Begleiter, dem Lieutenant Seg onzac, erschossen worden sei, verlautet, das Kriegs-Ministerium halte den Bericht Segonzac’s, wonach Quiquérez einen Selbstmord im Delirium verübt habe, für durchaus rihtig. Die Behauptung, Quiquérez sei das Opfer cines Verbrechens, gehe von englischen Agenten aus, welche das Prestige Frankreichs s{hädigen wollten,

Nach einer in Paris eingegangenen Meldung aus Fez hat der französishe Gesandte d'Aubigny in seinen Verhand- lungen mit der marokkanischen Regierung für Frankreich äußerst befriedigende Resultate erzielt. Der Sultan habe allen Vorstellungen d’Aubigny's Folge gegeben und in die Unterzeichnung eines Handelsvertrages gewilligt, welcher s A französishen Handel besonders günstige Bedingungen enthalte.

Ftalien.

Die rumänische Regierung hat die italienische Regierung ersucht, den diplomatischen und konsularen Schuß der rumänischen Unterthanen in Griechenland zu übernehmen. Wie die „Ag. Stef.“ mittheilt, ist seitens Jtaliens dieser Schuß zugesagt worden.

Nach einer der Wiener „Presse“ aus Rom zugehenden Meldung wird der Minister-Präsident Giolitti seine Wahl- rede wahrscheinlih am 30. d. M. halten. Der Kriegs-Minister, General Pelloux wird am 20. d. M. in einer Rede die Frage der Heeresausgaben beleuchten. Die Wahlrede des Ministers des Aeußern Brin ist des dem. 23. und 27, d. M. zu erwarten. Der Minister der Posten und Telegraphen Finochiaro-Aprile wird am 27. d. M. in Prizzi (Sicilien) sprechen. Der chemalige Minister Zanardelli wird am 23. d. M. in Brescia die Nothwendigkeit der Reconstituirung der Parteien darlegen und für die politishen Grundsägße der historishen Linken eintreten.

Spanien.

Jn dem Befinden des Königs ist nah einem Wolff schen Telegramm aus Sevilla vom heutigen Tage wieder einc Besserung eingetreten.

Türkei.

Die Antwort derx Pforte Qu) Die leBle rue Note ist, wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel vernimmt, ganz kurz. Es werde darin ausgeführt: Während des Auf- enthalts Stambulow’s in Konstantinopel habe sih nichts ereignet, was einen politishen Charakter gehabt habe. Die Pforte achte die bestehenden Verträge und sei gewillt, die Freundschaft mit Rußland aufrecht zu erhalten. Das Schrift- sttück wiederhole sodann die in dieser Beziehung dem russischen Cabinet kürzlih gegebene Versicherung, ohne auf Einzelheiten einzugehen.

Serbien.

Authentische Berichte, die der „Politischen Correspondenz“ aus Belgrad zugingen, machen darauf aufmerksam, daß die in die Oeffentlichkeit gelangten Abe der schwebenden serbishen Schuld weder die Baarbestände, noch die faktisch geleisteten Abschlagszahlungen von 21/5 Millionen, noch die sonstigen Activa berücksichtigten. Die gegenwärtige Regierung habe bereits an Bons und Accepten eine Million Dinars ein- gelöst; die nächsten Steuereingänge ließen eine weitere Reduction E arte Schuld bestimmt erwarten (vgl. Nr. 247 ¿ S).

Schweden und Norwegen.

Ueber den schon gestern erwähnten Finanzplan der \hwedishen Regierung wird dem „D. B. H.“ aus Stockholm näher berichtet: Der Finanz-Minister erwarte eine Vermehrung der Staatseinnahmen um 6 210000 Kronen durh die von ihm vorgeschlagenen neuen Steuern : davon 660000 Kronen durch die Erhöhung der länd- lihen Gebäudesteuer von 3 auf 6 Oere per 100 Kronen Taxwerth, 1 830000 Kronen durch cine besondere Steuer auf Grundbesiß, 2520 000 Kronen durch eine besondere Ein- fommensteuer, 500 000 Kronen durch Erhöhung der Stempel- steuer, 500 000 Kronen schließlich durch höhere Einnahmen aus den Staatsforsten. Dagegen würden die Grundsteuern und die von dem platten Lande zu tragenden NRüstungs- und Kottirungslasten im jährlihen Betrage von 6 700 000 Kronen in Fortfall kommen.

Amerika.

Ein Telegramm des „Reuter’schen Bureaus“ aus Bucnos- Aires von gestern meldet den Ausbruch einer Revolution in der argentinishen Provinz Santiago del Estero. Der Gouverneur soll gefangen genommen und cinige Personen sollen im Kampfe getödtet worden sein.

Parlamentarische Nachrichten.

„Der Bureau-Director des Hauses der Abgeordneten, Geheime Regierungs-Nath Kl einschmidt hat soeben die UVebersichten über die Geshäftsthätigkeit der Abgeordneten in der letzten Session zusammengestellt. Sie sind in der bisherigen Art angefertigt und zerfallen in die Rednerliste, die Uebersiht über den Staatshaus- balte-Etat und die Hauptübersiht. Die Rednerliste ergiebt den ag, an welchem, sowie den Gegenstand, über welchen jeder einzelne Redner gesprochen hat, unter Hinweis auf die betreffenden Seiten der stenographischen Berichte. Die Etatsübersicht mat die bezüg- lichen Anfragen, Anträge und Verhandlungen ersihtlich und weist ei den verschiedenen Verwaltungen sämmtliche Etatstitel mit ihren Veträgen nah. Die alvhabetish geordnete Hauptübe rsiht um- aßt, abgesehen von dem Staatshaushalts-Etat, alle zur Erörterung gelangten Gegenstände, unter Darlegung des Verlaufs der Be- rathung. Die Regierungêvorlagen sowie die Anträge zu denselben sind darin in ihrem Wortlaute übernommen und die Verhandlungen Jever ein und denselben Gegenstand, auch wenn dieselben zu ver- schiedenen Zeiten und bei verschiedenen Gelegenheiten stattgefunden

haben, auf ciner Stelle verzeichnet. Zu der Hauptübersiht gehört cin besonderes Inhaltsverzeihniß, welhem eine Gesammt- übersiht der Berathungsgegenstände beigefügt ist.

Nr. 24 des Eisenbahn-Verordnungsblatkts (heraus- gegeben im Königlichen Ministerium der öffentlihen Arbeiten) vom 15. Oktober, enthält einen Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 3. Oktober 1892, betr. Muster für Satzungen von Eisenbahn- Betricbs-, Werkstätten- und ‘Bau-Krankenkassen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- / Maßregeln.

Cholera.

Zum Auftreten der Cholera an der rufsisch-\ch{chlesischen Grenze schreibt die „Schles. Ztg.“ : Das Auftreten cines tödtlich verlaufenden Falles von asiatisher Cholera in Niwka und zweier. choleraverdächtiger Fälle in Sosnowice sowie die Zunahme der Cholerafälle in den Gouvernements Lublin und Kielce haben den Regier ungs-Präsidenten zu Oppeln veranlaßt, die gesammte Grenze des Bezirks gegen Rußland zu sperren. Es find demzufolge die Land- räthe von Kattowiß, Beuthen, Tarnowiß, Lubliniß, Rosenberg und Kreuzburg ersuht worden, fnit thunlichster Beschleunigung die hierzu erforderlichen Maßregeln zur Ausführung zu bringen und sih zu diesem Zweck mit den betheiligen Zollbehörden sofort in Verbindung zu seßen. Der Eintritt aus Nussish-Polen längs der ganzen Bezirks- grenze fann nunmehr nur über die Bahnlinien Sosnowice—Schoppinitz und Sosnowice— Kattowiß, tie strenger ärztlicher Controle unterwerfen 1nd, erfolgen.

_Am Dienétag Nachmittag is in Kulm ein choleraverdächtiger &löoßer angehalten worden.

_ Nach einer Mittheilung vom 3. Oktober sind, wie in den „Ver- öffentlihungen des deutschen Kaiserlihen" Gesundheitsamt“ gemeldet wird, im vereinigten Königreiß Großbritannien seit dem 19. September nur zwei Cholerafälle, die beide einges{hleppt waren, vorgekommen.

__In Rotterdam und Utrecht ist nach einer Meldung vom gestrigen Tage je eine Cholera-Erkranfung und je ein Todesfall, und in Andel ein Todesfall vorgekommen. Nach amtlicher Mittheilung starben während der Woche vom 25. September bis 1. Qttober im Königreich der Niederlande insgesammt 48 Pers, In Rotterdam sind vom 7. September bis 8. Oktober * ganzen dreißig Erkrankungen mit achtzehn Sterbefällen, darunte- seit dem 1. Oktober fünf bezw. sech8s amtlih angezeigt worden.

In Mecheln sind, wie heute gemeldet wird, sechs Erkrankungen an Cholera vorgekommen, von denen zwei tödtlich verliefen. In der Sißung des französishen Gesundheitsraths vom 3. Oktober be- richtete nah dem „Journ. officiel de la rép. franc.“ Monod, daß in Belgien vom 15. August bis zum 26. September 622 Cholera- Erkrankungen und 291 Todesfälle vorgekommen scien: in Antwerven habe man am 29. September 211 Erkrankungen, 75 Todesfälle gezählt.

Am Dienstag sind in Marseille drei Perfonen unter cholera- verdächtigen Erscheinungen gestorben. Am 3. Oktober berichtete der General - Inspector des Sanitätsdienstes Proust im fran- zösishen Gesundheitérath über die in Paris, Havre und Nouen festgestellten Cholerafälle: Vom 18. Seytember bis 2. Oktober cinschließlich starben in Paris "182 in den Vororten 88, in Havre fünfzig und in Nouen drei Personen. Für Cherbourg werden bis zum 3. Oktober sieben Todesfälle mit- getheilt, für das benahbarte Tourlaville sechs, für Dieppe vierzig, für Treport zwölf, für Portel bis zum 2. Oktober Abends 99 Erkrankungen und 31 Todesfälle. In Portel scheint die Cholera schon im August aufgetreten zu sein, denn man hat bereits vom 25. August bis 17. September cinige Fälle von ,choleraartiger Diarrhöe“, die in Heilung übergingen, und drei Todeéfälle an Durchfall bei Kindern unter einem Jahr festgestellt. Der erste Sterbefall an «„tyvischer Cholera“ innerhalb weniger Stunden ereignete sih am 19. September. Die Präfectur von Marseille hat die Zahl der bis zum 10. Oktober dort aufgetretenen Erkrankungen auf etwa zwölf, wovon sechs tödtlich verliefen, angegeben.

Von Dienstag Abend 6 Uhr bis gestern Abend 6 Uhr sind in dest 25 Personen an der Cholera erkfranft und neun gestorben. Aus Temesvar wird ein verdähtiger Krankheitsfall gemeldet. In Krakau und in Podgorze is von Dienstag auf gestern keine Cholera-Erkfrankung und fein Todesfall vorgekommen. In Debniki is eine Person an der Cholera erkrankt und in Piaskiwielkie eine Person gestorben. In der Ortschaft Dietrichstein (Bezirk Pisek) ist eine am 15. d. M. aus Pest zurückgefehrte Person unter verdächtigen Symptomen gestorben. Die Zahl der in Budapest vom 28. September bis 7. Oktober vor- gekommenen Cholera-Erkrankungen bezw. Todesfälle wird in den „Ver- öffentlihungen des deutschen Kaiserlichen Gesundheitsamts*“ auf 205 bezw. 88 angegeben. Für den 2. bis einschließli 9. Oktober liegen (tage- weise geordnet) folgende Erkrankungs- und Sterbeziffern vor: 18 : 6, 0:9 9470; 4017, 01:19 39:17, 26:11 36:13.

Ueber Choleragefahr und Absperrungs maßregeln wird weiter berichtet :

In der Zeit vom 1. bis 15. Oktober wurden von den ärztlichen Schiffs-Controlstationen im Stromgebiet der Oder 6598 Fahrzeuge mit zusammen 22 464 Personen untersuht, 4075 Fahrzeuge desinficirt, fünf Cholera- und eine holeraverdähtige Erkrankung fest- gestellt. In dem leßtgenannten Zeitraum sind von der im Hafen- bezirk Stettin durch den Polizei-Director zu Stettin eingerichteten Schiffscontrole 625 Fahrzeuge mit 2371 Personen untersuht und dabei drei Cholera- und drei choleraverdähtige Erkrankungen vor- gefunden worden.

Oesterreich-Ungarn.

Infolge des Ausbruchs der Cholera in Arabien hat der König- lih ungarische Handels-Minister unter dem 8. Oktober 1892 für Pro- venienzen aus Arabien, und zwar von Kunfuda bis zur Meerenge von Bab el Mandeb, eine siebentägige Quarantäne angeordnet.

Rumänien.

Der Ministerrath hat unter dem 4. Oktober 1892 folgende sanitären Maßregeln angeordnet: :

1) Die rumänische Grenze wird gegen Oesterreih-Ungarn und Serbien geschlossen; ausgenommen von dieser Maßregel sind die Orte Verciorova und Predeal. Es bleiben ferner einstweilen ge: öffnet die Grenzpunkte Oïtuz (District Bacau) und Rin-Vandulni (District Velcea). Die früheren auf die bukowinishe Grenze bezüg- lichen Bestimmungen erfahren keine Abänderung. S

2) In Verciorova und Predeal werden Quarantänestationen errihtet. Serbische Herkünfte sind über Verciorova zu leiten, um daselbst der Quarantäne unterworfen zu werden. R

3) Fahrzeuge, welche ungarishe oder serbische Donauhäfen an- gelaufen haben, werden in feinem rumänischen Hafen zugelassen.

4) Bis zur Fertigstellung der Quarantänestationen in Vercio- rova und Predeal sind Reisende, welche entweder über diese Grenz- stationen oder über einen der beiden einstweilen geöffnet gehaltenen Orte Oïtuz und Rin-Vandulni nah Rumänien kommen, einer ärzt- lichen Unterfuchung zu unterwerfen, unbeschadet einer ärztlichen fünf- tägigen Beodvachtung, welcher sie am Bestimmungsorte unterliegen. Ihre s{chmutige Leibwäsche ist in den Grenzorten zu besinficiren.

5) Landstreicher sowie kranke oder unsaubere Personen sind zurück- zuweisen und am Ueberschreiten der Grenze zu verhindern.

Serbien.

1) Aus Oesterreih-Ungarn oder einem anderen Staat Europas

kommende Reisende sind, nebst ihrem Gepäck, auf der Grenzstation

einer strengen ärztlihen Untersuhung zu unterzichen. Die Reisenden verbleiben in ihren Wohnungen fi obachtung. ; -

2) Die aus Pest und anderen verseuhten ‘Orten kommenden Reisenden unterliegen einer dreitägigen Quarantäne auf dem Bahnhof von Belgrad. / S

3) Einer gleichen Quarantäne unterliegen alle aus Oesterreich» Ungarn kommenden Reisenden, welhe niht nachweifen können, daß sie unmittelbar aus cinem von der Cholera vershonten Lande kommen gver daß sie sih unterwegs in verseuchten Gegenden nicht aufgehalten

aben.

4) Schiffe, welche die Passagierbeförderung auf den österreichisch- ungarishen Stationen der Donau und der Sau vermitteln, dürfen in Serbien niht mehr anlegen. Dieses Verbot erstreckt sich einstweilen nicht auf Schiffe, welche den Ortsverkehr zwishen Belgrad, Semlin und Pancsova vermitteln, solange die Umgegend diefer Orte von der Cholera verschont ist. Diese Ausnahmebestimmung gilt jedoch nur für diejenigen Reisenden, welche nachweifen können, daß sie C inwohner von Semlin oder Belgrad sind und innerhalb der leßten sechs Tage

inf Tage unter ärztlicher Be-

nicht in verseuhten Gegenden gswesen sind. & Brasilien. j

Durh NRunderlaß des brasilianischen inan Trier vom 12. September 1892 sind alle Schat- und Zollamtsstellen angewiesen worden, keinerlei aus England, Frankreich, Belgien, Deutschland, den Niederlanden und anderen Ländern, in welchen die Cholera herrscht, anlangendes Mineralwasser zur Verzollung zuzulassen, sondern dessen sofortige Wiederausfuhr zu bewirken.

Haiti.

Der Präsident von Haiti hat unter dem 15. September 1892 zur Abwehr der Cholera folgende Verordnung erlaffen :

1) Schiffe, welhe aus Häfen kommen, die als von der Cholera verseucht erklärt sind, einen unreinen Gesundheitsyaß besißen und einen Fall pestartiger Erkrankung an Bord haben oder gehabt haben, sind in die offenen Häfen der Republik nicht einzulassen.

2) Schiffe, welhe einen reinen Gesundheitsyaß besißen und mittelbar oder unmittelbar aus einem verseuhten Hafen kommen, jedoh einen Fall pestartiger Erkrankung an Bord gehabt haben oder aben, sind in die offenen Häfen der Republik nicht einzulassen. \

3) Schiffe, welhe einen unreinen Gesundheitsyaß besitzen, aber scit ihrer Abreise aus einem verdächtigen Hafen keine pestartige Er- franfung an Bord gehabt haben, sind einer Beobachtungs-Quarantäne zu unterwerfen, welche sich nicht über fünf Tage hinaus erstrecken darf, wenn feine Erkrankung während der Quarantäne auftritt.

4) Schiffe, welche mit einem reinen Gesundheitspaß versehen sind und sih nicht in dem unter Nr. 2 erwähnten Fall befinden, sind zum freien Verkehr“ zuzulassen.

5) Schiffe, welhe der Beobachtungs-Quarantäne unterworfen worden sind, müssen ihre Waaren an Bord von Fahrzeugen aus- schiffen, welhe als provisorishe Niederlagen dienen) fofern \élche im Hafen vorhanden sind; in feinem Falle jedoch dürfen diese Waaren in den Zollämtern der Republik niedergelegt werden, ohne vorher so desinficirt worden zu fein, wie dies im folgenden Artikel vorgeschrieben ist.

6) Waaren, welche mittelbar oder unmittelbar aus verseuchten Hâfen kommen, dürfen, selbst wenn sie auf einem zum freien Verkehr zugelassenen Schiff befördert wurden, in einem ofenen Hafen der N Et N t ; g Republik nicht ausgeschifft werden, wenn sie nit zuvor auf einem als provi- sorishe Niederlage dienenden Fahrzeug oder, in Ermangelung eines solchen, auf den zu ihrem Transport nah dem Quai dienenden Schuten und ein zweites Mal auf dem Quai selbst desinficirt worden sind, woferñ nicht die Gesundheitsbehörde ihre Vernichtung anordnet.

7) Aus Europa kommende Briefe und Postcolli werden in keinen offenen Hafen der Republik eingelassen, wenn sie nit zuvor unter der Leitung der Gesundheits- und Ortsbehörden desinficirt worden sind; und zwar ein erstes Mal 2af dem Schiff, welches sie befördert hat; ein zweites Mal auf dem Quai oder Ufer des Hafens, wo fie niedergelegt werden, und ein drittes Mal bei ihrer Eintheilung oder Versendung nah einer Stadt der Nepublik.

8) Nach Haiti bestimmte Passagiere haben, falls Beobachtungs- Quarantäne angeordnet wird, bevor sie sih aus\ciffen, den Ablauf der Quarantäne entweder an Bord der Schiffe, denen man den freien Zutritt versagt hat, oder an Bord derjenigen Fahrzeuge abzus- warten, welche als provisorishe Niederlagen in den Häfen dienen...

Das Gepäck und die Effecten der Passagiere dürfen, selbst nah Ablauf der Quarantänefrist, niht gelandet werden, ohne zuvor einer Desinfection unterworfen worden zu fein.

Handel und Gewerbe.

Leipzig, 19, Oktober. (W. T. B.) Kammzug-Termin- handel. La Plata. Grundmuster B. per Oktober 3,525 4, per November 3,525 #, per Dezember 3,55 #4, per Januar 3,571 M, per Februar 3,60 4, ver März 3,60 4, per April 3,627 4, per cat 0,60 A, per Juni 3672 M ver Juli 370 % per August 3,70 #, per September 3,70 Æ Umsatz 80 000 kg.

London, 19. Oktober. Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ hat das Anaconda- Kuvferbergwerk beschlossen, den Betrieb auf drei Monate vom 10. November ab einzustellen.

20. Oktober. (W.T. B.) Die Bank von England hat heute den Disco nt von 2% auf 3% erhöht.

New-York, 19. Oktober. (W. T. B.) Die Börse war anfangs s{wacch, gab im Verlaufe nach und {loß befestigt. Der Umfay der Actien betrug 285 000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 1 860 000 Unzen geschäßt. Die Silberverkäufe be- trugen 47000 Unzen, die Silberankäufe für den Staatsschaßtz 389 000 Unzen zu 85,90 à 86,25.

Weizen anfangs unverändert, später nahgebend auf Ernteberichte und Realisationen. Schluß stetig. Mais anfangs niedriger auf Realifationen der Haussiers. Schluß stetig. °

Chicago, 19. Oktober. (W. T. B.) Weizen anfangs unverändert, dann shwächer auf Gewinnverkäufe der Haussiers. Schluß stetig. Mais eröffnete und verlief nicdriger auf größere Zu- fuhren. Schluß stetig.

Theater und Musik.

Concerthaus.

Eine feltene Feier, die des 5000. Concerts, fand gestern in dem festlih decorirten Saal des Concerthauses statt. Der Begründer dieser Concerte, Herr Hof-Musikdirector B. Bilfse, hatte die Leitung des ¿weiten Theils und Frau Etelka Gerster die Ausführung der

esanglihen Vorträge übernommen. Nachdem unter Herrn Meyder?s Direction die Ouverture zum „Tannhäuser“ exact und s{chwungvoll vor- getragen worden war und Herr Concertmeister Carnier die Zuhörer durch ein trefflich ausgeführtes Violinfolo von Vieurtemps erfreut hatte, erschien unter rauschendem Begrüßungsbeifall die gefeierte Sängerin und brachte außer einer Arie aus „La Traviata“ von Verdi eine Walzer-Arie von Arditi zu Gehör, der sie nah mehrmaligem Hervor- ruf noch zwei Lieder von W. Taubert und Emil Bach binzufügte. Bewundernswerth war wieder an der Künstlerin die unnachahmliche Grazie ihrer Ausdrucksweise sowie die Coloraturgewandtheit, mit der sie sich mehrmals bis ins dreigestrichene D hinaufschwang. Herr C. Wittmann trug einen von H. Lee gedichteten Prolog vor, der die Ver- dienste der Herren Franz Medding, Bilse und Meyder hervorhob und dbr, wie durch Erwähnung der so beliebten, berzengewinnenden Domnerstage Beifall und Fröhlichkeit erregte. Im zweiten Theil des Concerts erschien unter herzlihen Empfangsbegrüßungen der ergraute siebenundfiebzigjährige, aber immer noch sehr rüstige Concertveteran Bilse. Nach der Ouverture zu „Leonore (111)* von Beethoven, die das Orchester unter ihrem allverehrten Director prächtig aus- führte, folgten noch Compositionen von Bilse, in denen zu erkennen war, daß er bis auf die neueste Zeit mit Erfolg als Componist thätig ist. Sein neuer „Leib - Cürassier - Marsch“ wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Die Zuhörer, die ih außerordentli zahlreich eingefunden hatten, fanden auf ihren Pläßen