1912 / 75 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 25 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 34. Sigzung vom 23. März 1912, Vormittags 11-Ubr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste und eventuell weite Beratung der Geseßentwürfe, betreffend die vorläufige Regelung des Reihshaushalts und des Haushalts der Shußgebiete für das Rehnungsjahr 1912.

Staatssekretär des Reichsshayamts Kühn :

Meine Herren! Ich habe die Ehre, zum ersten Mal in meiner gegenwärtigen Stellung ein Etatsgeseß bei Ihnen einzuführen. Gerade dieses Gesey ist so rein formaler Natur, daß es finanzpolitische Aut einandersezungen ausschließt, und ih will mi deren umsomehr enthalten, als wir in einigen Wochen bei der Beratung über die Nüstungsvorlagen und deren Finanzierung auf breitester Grundlage über alle hierauf bezüglihen Fragen zu verhandeln haben werden.

Eines aber, meine Herren, auszusprechen ist mir nah den Er- eignissen der lezten Tage Herzensbedürfnis, und darin könnten Sie, wenn Sie wollen, ein Stückchen Finanzprogramm finden: es bedauert niemand lebhafter als ih den Abgang des Mannes, der vor mir an meiner Stelle gestanden hat und der die allgemeinen Richtlinien für die Finanzpolitik des Reichs meines Erachtens für alle Zukunft in mustergültiger Weise festgelegt hat. (Lebhaftes Bravo! bei den Nationalliberalen.) Das Gesetz, wie es Ihnen hier vorliegt, fordert, wie gesagt, zu prinzipiellen Erörterungen nit heraus. Es soll uns nur in den Stand setzen, die notwendigen Ausgaben des Reichs auch über den 1. April hinaus auf budgetmäßiger Grundlage zu bestreiten. In früheren Jahren ist der Reichstag in dankenswerter Weise bemüht gewesen, den Haushalt für das nächste Fahr rechtzeitig vor Schluß des alten Jahres fertigzustellen. In diesem Jahre ist es niht möglich wegen des späten Termins der Wahl. Vielleicht is es au aus anderen Gründen in diesem Jahre nit unerwüns{ht, daß wir in die Lage kommen, erst später über den Etat endgültig zu verhandeln, erst zu einer Zeit, wo wir bereits die finanziellen Ergebnisse des Jahres 1911 und die Anforderungen über- sehen können, welche die nähsten Jahre an uns stellen.

Der Umstand, daß wir in diesem Jahre den Etat wahrscheinlich später verabschieden werden als sonst in ähnlichen Fällen, ist auch auf die Form des Gesetzes nicht ohne Einfluß geblieben. Sie sehen, daß wir im § 1 nicht, wie es sonst üblich war, von Jhnen die Be- willigung zweier Monatsbeträge erbitten, sondern eine zeitlih nicht beshränkte allgemeine Ermächtigung, diejenigen Ausgaben zu leisten, welche auf bereits feststehenden Verhältnissen basieren. Diese all- gemeine Ermächtigung wird aber nicht ausreichen; es wird nôtig sein, uns zu befähigen, auch für verschiedene sonstige Zwecke die erforder- lien Beträge zu veraus8gaben. Aber die entsprehenden Anforderungen, die Sie in dem § 2 des Entwurfs aufgeführt finden, werden bei Shnen keine Bedenken auslöfen; ein großer Teil ist bereits bon Ihrer Budgetkommission geprüft, und im übrigen ist in der Begründung bei jedem einzelnen Posten ausgeführt worden, wie die Reichskasse von einer Verzögerung der Bewilligung nur Schaden haben würde.

Von den anderen Bestimmungen des Gesetzes könnte, glaube i, bödstens der § 4 Interesse erweden, und zwar deshalb, weil er von den in lezter Zeit so oft genannten Uebershüssen des Jahres 1911 bandelt. Aber au hier finden Sie durchaus keine materielle Di8po- sition, es soll vielmehr gerade dur diese Bestimmung dem Reichs- tage die volle freie Verfügung über die Uebershüßse vorbehalten bleiben bis zu dem Zeitpunkt, wo er den § 4 des Etatsgesezes für 1912 fesistellt.

Der § 5 materiell zurzeit auc nit von großer Wichtigkeit würde nur Bedeutung gewinnen, wenn das neue Etatsgeseß erst nah dem Finalabs{luß für 1911 erlassen würde.

Das Gesetz über den Haushalt der Schutzgebiete {ließt sich dem Gesetz für den Reichshaushalt lediglih an.

Mit diefer kurzen Skizzierung is der ganze Inhalt der beiden Vorlagen erschöpft, und ih babe ledigli die Bitte an Sie zu richten, die Geseßentwürfe recht bald prüfen und genehmigen zu wollen. (Bravo!) y

Aba. Bassermann (nl): § 1 der Vorlage \{lägt eine

1g vor, die von dem bisherigen Verfahren abweiht. Wenn r Neuregelung zustimmen, jo geschieht dies unter Negelung nicht au für künftige

druele n D C5 20 eft SAT D Konsequenzen durften daraus

ptieren t. twerden. (forti{r. Volksp.): Es handelt

wichtige budgetmaßige Fc

er politischen Freunde,

uberwenen. i Ruch wir legen gegen

blieken uns dem Antrage auf Bi

:dactkommission überwiesen.

17. März nd die Fortjezung om 5. Märg1912

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des 2 | Kühn: :! Die Ihnen vorliegenden, die internationale Zuc onden Abmachungen, wie sie fürzlih in Brüfel ieten Ihnen im allgemeinen nichts Neues; denn

on Monaten in ausführlicher, wenn auch den Gang der Verhand-

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Auch die Annahme des damaligen Vertrags war zwar etn Sprung ins Dunkle eine Betätigung, der si ja leider ein Gesetzgeber niemals ganz entziehen kann —, es wurden au damals viele und beftige Angriffe gegen den Konventionsentwurf und gegen die Regie- rung, namentlich aus den Kreisen der Zukerindustrie, erhoben; ‘aber die Zuversicht derer, welche an den \{ließlihen Erfolg glaubten, war stärker uud drang auch im Reichstage durch, und diese Zuversicht wurde nicht getäuscht.

Was man von der Konvention erwartete, erfüllte sich. Der Preis für den Zucker ging stark herunter, aber nit etwa zum Schaden unserer Fabrikanten, die ja bisher einen großen Teil ihres Inlands- gewinns auf dem Weltmarkt wieder hatten opfern müssen, um dort den Prämienzucker fremder Staaten unterbieten zu können. Auf der anderen Seite erwies \sich die Verminderung des Preises für den Konsum überaus segensreih. Ih möchte in der Beziehung nur zwei Zahlen nennen. Der Konsum hob \sich von 7,8 Millionen Doppel- zentner (in NRohwert) im Jahre 1901/2, auf 12 Millionen Doppel- zentner im Jahre 1905/6, und die Konsumvermehrung, verbunden mit dem Wegfall der Prämien wirkte wiederum so günstig auf tie Ein- nahmen des Reichs ein, daß diese in den beiden genannten Jahren von 103 auf 141 Millionen Mark sliegen.

Fünf Jahre darauf, bet der Erneuerung der Konvention, ließ fi die Situation {on weniger günstig an. Selbst die Denkschrift, mit der damals der Vertrag dem hohen Hause vorgelegt wurde, zeigte, wie aus Ihrer Mitte sehr richtig bemerkt wurde, cinen etwas elegischen Zug. Es wurde ja allerdings auch damals der Vertrag weiter auf- redterhalten; aber England lehnte es ab, fih noch ferner gegen den Prämtienzucker abzuschließen. Es wollte also den russishen Zucker trotz der hohen gewährten Prämie unter denselben Bedingungen bei sich hereinlassen wie den deutschen, und nur in einem Separat- abkommen mit Nußland gelang es, die russishe Ausfuhr nah den westlihen Märkten auf ein bestimmtes Maß festzulegen. :

Augenblicklih ist das Bild wieder etwas weiter getrübt. Aller- dings behalten wir auch jeyt die Konvention für weitere fünf Fahre bis zum 1. September 1918 bei, und das regelmäßige russishe Ausfuhrkontingent von 200 000 t bleibt dasselbe; aber ob England bei der Konvention verbleibt, \teht noch dahin, und besonders fällt ins Gewicht, daß wir Nußland den Sonder- vorteil etnes vorübergehenden Mehrkontingents von im ganzen 950 000 t baben bewilligen müssen. Meine Herren, ih kann mir denken, daß einmal eine Zeit kommt, wo die Konvention derart mit Vergünstigungen für Rußland bepackt ist, daß sie sür uns jeden Wert verliert (lebhafte Zustimmung rechts, im Zentrum und links), und daß wir dann einem lästigen Vertrage den konventions- losen Zustand vorziehen werden. (Sehr gut! bei den National- liberalen.) Augenblicklich aber ist dieser Moment noch nicht ge- kommen. Der Vertrag hat si, wie gesagt, nur in etwas ver- \{le{tert. Jh meine mit den leßteren Worten nicht etwa, daß die einmalige Mehrausfuhr an russishem Zuker uns auf dem ausländischen Markte Abbruch tun könnte; aber es liegt darin doch immer eine bedeutsame Stärkung der russischen Zuckerindustrie, und eine auch nur vorübergehende Stärkung eines gefährlihen Gegners ist unter allen Umständen kein Gewinn für das beimishe Gewerbe. (Sehr richtig! rets.)

Gegenüber den Ausstreuungen, die ih in einem Teil der ausländischen Presse gefunden haben, möchte ich an dieser Stelle noch eins hervorheben. Es war nicht die „Intransigenz“ Deutschlands, es war nicht der Wuns, Schwierigkeiten zu bereiten, wenn wir den übertriebenen russishen Forderungen gegenüber Opposition machten, fondern es war die Wahrnehmung des woblberehtigten Interesses unserer beimishen Industrie. (Sehr rihtig!)) Wir haben mit den Zugeständnissen, die wir maten, tat- \äli@ ein Opfer gebraht, ein Opfer unmittelbar für Rußland und mittelbar für die übrigen Staaten, die die Konvention mit uns weiter aufre@t zu erhalten wünschten.

Die Frage, die heute an uns berantriit, ist also nur die: ist das wa3 wir erreicht baben, des Opfers, das wir bringen mußten, wert ? Und da, meine Herren, stehe ich allerdings auf dem Standpunkt, daß die Frage bejaht werden muß. Namentlich die Ereignisse des leßten Jahres mit den ungünstigenProduktionsverhältnissen in den meistenRübens staaten haben uns gezeigt, wie leit es unter Umständen für Nußland werden kann, uns auf dem englishen Markte zu verdrängen, und wie notwendig es ist, seinem \chrankenlosen Wettbewerbe ein Ziel zu seten.

Haben wir dies nun erreitt, ist es uns gelungen, den russischen Wett- ewerb in bestimmte Grenzen zu bannen, baben wir erreiht, daß unser

andel auf Jahre vorher berechnen kann, wie groß die Höchstmenge des na England gehenden russischen Zuckers sein wird, dann haben wir unserer Industrie die Exportmöglihkeit und unserem Handel die- jenige Stabilität und Ruhe wiedergegeben, deren sie bedürfen, und beide müßen das Gute, das ihnen hierdurch geboten wird, mit Dank er- kennen.

Ein weiterer Vorteil aber, der nicht unters@äßt werden darf, ergibt sich für ten inländischen Kon sum. Auf eine fernere fünf- jährige Periode hinaus ist jeyt der inländishe Konsument vor der Gefabr bewahrt, bohe Preise zahlen zu müssen, nur damit das Aus- land billigen Zucker erbält. (Sehr richtig! links.) Dem Bestreben, den Zucker zu eine Volksnahrungsmittel zu machen, ist au für die Folgezeit der Weg geebnet.

Menn ic dies zusammenfasse, so habe ih troß allem, was ich vorher gegen den Bertrag anführen mußte, die Ueberzeugung, daß Sie, wenn Sie jegt den vorliegenden Abmachungen zustimmen, damit ter Zuckerindustrie, dem Rübenbau, dem Handel und der großen Masse der beimishen Zuderverbrauchet einen wertvollen Dienst erweisen (Bravo! links.) Aba. Schwaba

amor IDeTLCEN.

Aba. Schbwabac (nl) bringt als Vorsibender der Petitions- ommission dem Hause eine Petition des Halberstädter Zweigverein der deutihen Zuderindustrie zur Kenntnis, worin die Nachgiebigkeit der Regierung geaen die russisce Forderung und die Bewilligung eines

: nter Höbe an Rußland bedauert und die De- ungen Rußlands ausgesprohen wird. in-Löwiß (dkons.): Es ist immer Abkommen hier im Reichstage lange aber die Diskussion angefangen hat, meine und meiner Parteifreunde nzeicdnen. Ich freue mich, daß der fannt hat, daß die deutsden Zuderintere}}enten

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Meinung ; Staatssekretär aner È ir das Zustandekommen der Konvention sehr große Opfer : müßen. Bei den Verhandlungen der Fnterefsentengruppen

t Vertretern der Regierung sind in erfreulicher Gin-

die Vertreter der Zuckerindustrie, wie auch des

Landwirtschaft zu der Erkenntnis gelangt, ob es

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nit sehr fraglich sei, daß eine Verlängerung der Zuckerkonvention unter den alten Bedingungen annehmbar sei, oder ob man nicht einen vertragslosen Zustand vorziehen solle. In der bisherigen Konven- tion, die von 11 Staaten unterzeichnet ist zum Zweck der Beseitigung aller Ausfuhrprämien, nimmt Rußland eine ganz besondere Stellung ein. Man hat diesem von der Natur so begünstigten Lande gestattet, einen erbeblihen Teil seiner Produktion auszuführen. Wenn es {on zweifelhaft ist, ob eine Verlängerung zu den alten Be- dingungen für uns wünschenswert ist, so verrsht vollkommene Einig- keit darüber, daß es nicht angängig ist, Rußland noch weitere Vor- teile zu gewähren. Jede etwaige Erhöhung 1st unbedingt abzulehnen. Die Stellung der verbündeten Regierungen wäre eine ganz unan echt- bare, wenn Ee im Interesse aller Zuckerinteressenten in der Frage festgeblieben wäre. - Aber vielleicht glaubte L aus internationaler Gourtoisie, um nicht als Störenfried zu er einen, einen Vertrag egen das Interesse der deutschen Zuckerindustrie Ren zu müssen. Troß alledem is es einem Teil meiner Freunde sehr shwer, ein ein- mal von der Reichsregierung abgeslossenes Abkommen abzulehnen und ihm die Ratifikation zu verweigern, weil naturgemäß eine solche Ablehnung das Ansehen der Neichsregierung im Auslande schädigen würde, was wir alle niht wünschen. Aus diesem Grunde wird etn Teil meiner Freunde troy ihrer \{chweren Bedenken für die Vorlage stimmen. Dagegen wird der größte Teil, zu dem auch ih gehöre, gegen das Abkommen stimmen.

Abg. Bernstein (Soz.): Der Vorredner hat der Neichs- regierung den Vorwurf gemacht, daß sie entgegen den Wünschen aller Snteressenten in dieser Angelegenheit so verfahren ist. Die große Masse der Zukerinteressenten, die - Konsumenten und die Zuckerarbeiter, scheinen für den Vorredner aber gar nicht zu existieren. Die Zuer- arbeiter machen einen großen Teil der deutschen Arbeiterschaft aus. Nach den bishericen Verhandlungen müßte man meinen, daß die deutsche Zuckerindustrie augenblicklih große Verluste erleidet. Aller- dings haden ja die Landwirte und die Fabrikanten in diesem Jahre Verluste erlitten. Dafür hat es aber eine große Steigerung der Preise gegeben. Außerdem is die Minderernte und die Minderproduktion nicht so groß, wie die Steigerung der Preise. Die Industrie felbst hat also noh ein gutes Ge chäft gemacht. . Von dem Gesichtspunkte aus, daß, wenn die Konvention nicht zustande kommen würde, die Mög lichkeit besteht, daß dann die ganze Prämienwirtschaft von neuem [os- geht, können wir der Konvention vorläufig unjere DURGmung nicht versagen. Gegen wen wollen denn die Herren von der Nechten demon- strieren, wenn sie gegen die Konyention stimmen? Wollen sie das Nolk glauben machen, daß damit das Interesse der großen Masse ge- wahrt wird? Das deutsche Volk hat ein Interesse daran, seinen Zuer so billig wie möglich zu erbalten. Wirken Sie mit uns dahin, daß die Zuckersteuer \o schnell wie möglich herabgeseßt wird, wie es uns versprochen worden ist. l / :

Abg. Sieg (nl.): Wenn wir jeßt die Konvention ablehnen, so schaffen wir damit vom 1. September 1913 ab emen vertragslosen

Zustand, und draußen im Nolke wird man, man mag sonst zur Kons- vention steben, wie man will, nicht begreifen, daß es unseren deutschen Nertretern nicht möglich gewesen ift, bessere Bedingungen für uns berauszubolen. Rußland befindet sich seit seinen revolutionaren Tagen landwirtschaftlich und industriell im Aufstieg, und die dortige Negterung tut alles, um die Industrie, namentlich auch die Zuer industrie, zu heben. Jn den leßten beiden Jahren hat Rußland große Nübenernten gemacht, während bei uns und in den übrigen Ländern die Nübenernte im leßten Jahre einen aroßen Ausfall ausweit. Was bat eine folossale Preissteigerung zur Folge gehabt, die wir aber mcht dem Manko allein verdanken, sondern einer maßlos wilden Spekula tion, die im Laufe des vorigen Sommers einseßte. Diesen Moment hat Nußland benußt und benußen wollen, seine Ware abzustoßen, und diese Wunsch wird von England unterstüßt. Für mich und einen Teil meiner Freunde ist der erste Gesichtspunkt der: was ist für die deutsche Zuer- industrie das beste? Haben wir kéine Gewähr, daß unsere Negterung ih nicht stark genug fühlt, mit aller Kraft gegen Rußland auszu- treten, wenn es Zuder in größeren Méngen, als es, nach dem Vertrage zulässig ist, über seine Westgrenze ausführt, so müssen wir allerdings zur sofortigen Ablehnung der Konvention kommen. Me Zuer- industrie bat aber troß der Konvention, dank ihrer Tüchtigkeit und dank der Tüchtigkeit der Landwirtschaft, ihren hohen Stand voll by hauptet, und ein Teil meiner Freunde hofft, daß diese hohe Snergie und der Fleiß sich auch in Zukunft bemerkbar machen und alle Fabr lichkeiten überwinden werden. Ich möchte bitten, daß die Konvention so, wie sie uns vorliegt, als notwendiges Uebel angenommen wi? um das Ansehen der Regierung niht noch mchr zu schädigen. Was die Herabseßung der Zuckersteuer betrifft, so hoffen und erwarten aus wir, daß Versprechungen, die gemacht worden sind, auh einmal ge balten werden.

Staatssekretär des Reichsschaßamts U :

Der Herr Vorredner hat erwähnt, daß nach neueren Mitteilungen russisher Zuckter in größerer Menge, als es in den bisherigen

Verträgen zugelassen ist, über die Westgrenze ausgeführt werde. Et handelt ic dabei lediglih um Gerüchte. Wir baben in keiner Weî'e bisher feststellen können, daß tatsächlih eine derartige Ausfuhr statt- gefunden hat. Wir werden aber unsere Nachforshungen fortseßen, und wenn H dabei berauss\tellen sollte, daß an diesen Gerüchte

e e , , , a c A irgend etwas Wahres isl, o würden wir selbstverständlich einer [010

Umgehung der Konvention dur Mgnipulationen privater Inter essenten nachdrücklich entgegentreten. (Bravo!)

Abg. Doormann (foris{r. Volksp.): Meine Fraktion 1timm obne Ausnahme dem Vertrage zu. Wenn wirklih eine Able! dieses Vertrages eine Schädigung des Ansehens der MNegieru herbeiführen würde, wie gesagt worden ist, so wollen meine Freunde ih einer solhen Versündigung an dem Ansehen der Regierung \chuldig machen. Es mag ja zutreffen, was der Graf Schwerin ge! bat, daß im Anfange ein Teil der Zuckerintere)jenten auf è Standpunkte gestanden hat, daß ein vertragslo]er Zustand di unveränderten Fortseßzung des bisherigen Zustandes bvorzuzie®Æ sei. Nah meinen Informationen hat man \sih aber auf den Standpunkt gestellt, daß der bisherige Zustand einem ver? traglosen Zustande vorzuziehen is. Auf der Generalversammluns des Vereins der deutshen Zuckerindustrie sagte ein Ieferent, daß 12! ih schließlich unter der ersten Konvention wohl gefühlt habe. U die Wirkungen der zweiten Konvention ist es ja niht ganz leit, 2 tlares Bild sh zu machen, aber so viel kann man doch sagen das ihre Wirkungen niht ungünstig gewesen sind. Der InlandionÆ=

in Deutschland ist von 1907 bis 1911 fortwährend gestiegen, erf bat eine Zunahme der Ausfuhr itattgefunden bis auf 111 * Für diese Ausfuhr haben wir im Auslande durchaus annehmdr Preise erhalten. Rußland hat feine Jnlandproduktion nit att ausdehnen fönnen. - Das B-streben, den Konsum dort zu steigern auf Widerstand bei der Negierung gestoßen, namentlich der ges aeberiide Versuch, eine Ausdehnung der Zuderfabriken herbeizu! Nußland wird also genötigt sein, seine Produktion auf den We

zu werfen, es wird das ihm zugestandene Kontingent 1n möglichst auszudehnen versuchen: bisher hat es das ihm zug Kontingent noch niht auégenußt. Wir sind nun vor die F É stellt, cb wir den Vertrag, wie er uns vorliegt, annehmen odêt 2 wir den vertragslosen Zustand vorziehen sollen. Wir meinen,

der vertragélose Zustand noch weit größere Schwierigkeiten 1 Industrie zur Folge g

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haben würde, als die Annahme des BertrÆŒ Wir fürchten, und das scheint au eine Auslafsung der halbo zei „Kölnischen Zeitung“ zu bestätigen, daß nach einem Scheitern Erböbung der Zölle erfolgen wird, und daß die alte Karte Prämienwirtshaft wiederkebren wird, denn etwas anderes it ms erwarten, wenn unsere Industrie auf dem Weltmarkt „tatt rüstet“ sein soll, wie es in jener Auslassung heißt. Eine Pr? wirtschaît wollen meine politischen Freunde nicht,

werden wir den Vertrag mit allen sonst unliebsamen 2

annehmen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

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Berlin, Montag, den 25. März

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Dr. Arendt (Rp.): Wenn ih auch in sachlicher Be- t den Ausführungen des Grafen Schwerin-Löwig zustimmen fann, fo möchte ih doch eine Bemerkung ausnehmen. Graf Schwerin- owi fing seine Rede damit an, daß er meinte, es wäre nicht nüß- lich, bei folchen internationalen Abkommen in eine Diskussion ein- zutreten. Ich bin nicht dieser Meinung. Man bätte cs im Lande gar nit verstanden, wenn wir ein terartiges wichtiges Abkommen obne Erörterung gelassen hätten. Ich halte seine Aeußerung für ganz bedenklich, daß durch die Ablehnung folher Verträge das Ansehen der Regierung dem Auslande gegenüber geschädigt wird. Würdé man das verallgemeinern, fo würde gerade die Rechte in cine sehr s{chwierige Lage kommen. Ich eunnere nur an die Landels- verträge. Gerade bei folhen Abkommen ist es von sebr großer Be- deutung, daß hier im Reichstage das öffentlihe Interesse voll zur Geltung fommt, damit unseren Vertretern im Auslande für die Zukunft der Nüken gestärkt wird. Ein Lob dieses Abkommens habe {h aus feinem Munde vernommen. Allein Dr. Bernstein war damit zufrieden. Ich wunderte mich nur, daß er niht den Tadel aus- gesprochen hat, daß unsere Regierung Rußland gegenüber niht weit genug gegangen sei. Die Nübenzuckerindustrie it ein Schulbeispiel von dem Nußen des Schußzolles. Nur durch ihn ist unsere Zucker- industrie so leistungsfähig geworden. Ich glaube, daß ter Staats- \sefretär in seinen Autführungen den springenden Punkt richtig und flar zum Autdruck gebraht hat. Es handelt sich darum, ob die Zugeständnisse, die wir Rußland machen, so groß find, daß sie nicht mehr ertragen werden können. Wenn man sich die Entwicklung der russishen Zukerindustrie ansieht, dann wird man sich viel- leit - eingestehen, daß wir nach Ablauf des gegenwärtigen Bertrages doch nidt mehr zu einer Verständigung kommen fönnen. Müssen wir denn überhaupt in einen vertragzlosen Zustand fommen, wenn dieses Abkommen abgelehnt wird? Wir haben noch lange Zeit, bis der Vertrag abläuft. Vielleicht kann man inzwischen noch günstigere Bedingungen erhalten. Es ist sonderbar, daß man den Russen einen Sondervorteil gibt im Hinblick auf die Verhältnisse dieses Jahres, und daß man diesen bis 1915 ausdehnt. Der Abg. Bernstein meint, die deutshe Nüben bauende Landwirtschaft sei gar nicht {wer getroffen worden. Die Preissteigerung habe alles mehr als genug auégeglichen. Aber in weiten Teilen Deutschlants ist do eine furhtbare Mißernte eingetreten. In meinem Wahlkreise sind nur tleinere Besiyzer, die aber viele Tausende verloren haben und vor dem Nichts stehen, wenn eine solche Mißernte noch einmal eintritt. Einige e:kflärten mir, sie hätten es niht für möglich gehalten, daß eine solche Mißernte überhaupt mêéglich sei. Diese Umstände haben die Erregung in den Interessentenkreisen bervorgerufen. Die beteiligten Kreise find sogar bereit, den vertrag8- losen Zustand vorzuziehen, wenn die Verlängerung. des Vertrages vur mit den außergewöhnlihen Zugeständnissen an NRußüland erfauft werden fann. Was die inländishe Zuckersteuer betrifft, so spreche ih die bestimmte Erwartung aus, daß wir 1914 die versprochene Herabseßung erreihen werden. Wir haben ein volles Anrecht darauf auch auf Grund der alljährlihen Vereinbarung, wonach eine Kon tingentierung der Steuer {on bei 120 Millionen in Ausficht gestellt wurde, während wir jeßt 150 Millionen erreicht hab, und die Steuer doch auf der alten Höhe geblieben ist. Für die Stärkung des inländishen Zuckermarktes ist bisher sebr wenig geschehen. Der Zucker ‘ist der beste und gefährlihste Gegner des Alkohols. Die an- gekündigte Aufhebung der Liebesgabe wird auch in gewissem Sinne die Zukerindustrie treffen, denn cs wird dadurch vorausfihtlih eine Zunahme des Rübenbaues in Deutschland eintreten. Wir müssen also in dieser Frage mit großer Vorsicht. vorgehen. Das Prämien- \vstem blüht in Rußland weiter und wird durh den Ver- trag gestärkt, während England cine zweideutige Stellung ein- genommen. hat. Auch England steht nicht bloß als Kon- sument der Konvention gegenüber, sondern ist avch in seinen Kolonien der größte Zuckerproduzent, und das ist bis zu einem gewissen Grade für England maßgebend. Die Klage über gewisse Zeitungsausstreuungen fann ih nur unterschreiben; man wird diese Klagen tadurch unmöglih machen, daß man rechtzeitig authentische Berichte in die Zeitung bringt, woran es dicsmal sehr gefehlt hat. Jch bedauere, daß die Verweisung der Vorlage an eine Kommission nicht beantragt ist; id möchte wenigstens beantragen, die zweite Lesung heute von der Tagesordnung abzuseßen. Am 17. März ist der Vertrag in Brüssel abges{lossen, am 21. März haben wir die Vor- lage erhalten, am 23. März verhandeln wir darüber und bis zum 1, April soll sie ratifiziert sein; das heißt doch wirklih: Vogel friß, oder stirb! Nicht wir, sondern Rußland hat das dringende Interesse daran; die bestehende Konvention bleibt ja noch bis zum 1. September 1913 ‘in Kraft, bis dahin sißt Nußland mit seinen Vorräten da und kann sie micht verwerten. Wir geben durch die neue Konvention Rußland nicht nur ein besonderes Kontingent, sondern seßen es auch in den Stand, noch in der gegenwärtigen Kampagne Jeinen Zuer los zu werden. Also kann doch ruhig abgewartet werden, ob wir wirklich am 1. September 1913 einen vertragslosen Zustand be- fommen oder ob nt bis dahin neue Verhandlungen eingeleitet werden. Daher werden wir diesen Vertrag ablehnen.

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Wir hegen diese Hoffnung nicht und werden dem Abkommen zustimmen. 1908 \tanden wir genau vor derselben Frage. Die heute gemachten Ausführungen haben mi nicht davon überzeugen können, daß die Gefahrem eines vertrags- losen Zustandes nicht eintreten werden. Jn einer Kommission konnten wix uns auch nur näher aussprechen, an dem Vertrag selbst tonnen- wir nichts ändern.

Abg. von Meding (Welfe): Wir bedauern jede Beschränkung des Nübenbanes, wir bedauern daher auch den Abschluß dieser Kon- vention, “Rußland will sein verstärktes Prämiensystem noch weiter auédehnen, und wundverbarerweise tritt man gerade auf der Linken des Deutschen Reichstages dafür ein, daß Nußland in dieser Frage eine Schußzollpolitik treibt, gegen die das deutshe Schußzollsystem nur ein Kinderspiel ist. Bei 160 Millionen Bevölkerung würde jede Grleichterung ‘des dortigen Inlandkonjums große Mengen Zucker vom Weltmarkt vershwinden lassen: Die geseßlih fe tgelegten Ver- sprechungen für die Herabseßung der Zukerverbrauchsabgabe müssen endlich erfüllt werden. Wird die Konvention angenommen, so muß die egterung allen Bestrebungen in verstärktem Maße Rechnung tragen, die darauf abzielen, den Inlandverbrauch zu: heben.

D Abg. Dr. ‘Graf von Schwerin -Löwiß kons.): Ueber den U der Konvention bin ih mit dem Abg. Dr. Arendt völlig einer Meinung. Jm übrigen kann ih ihm erklären, daß ih meine Auf- lassung, daß es unerwünscht ist, abgeschlossene internationale Verträge nacbträglih bekämpfen zu müssen, durchaus verallgenieinere. Wenn der Abg. Bernstein es für ganz natürlich ansieht, daß Rußland seine Prämienwirtschaft treibt, so ist das kein sehr vaterländisher Stand- punft, wenn er gleichzeitig, und zwar in Uebereinstimmung mit mir die frühere Prämienwixtschaft bei uns verwirft. Die Herabseßung Jen Zuckersteuer von 14 auf 10 Æ ist auf meinen E Jahre 1908 beschlossen worden. Seit 20 Jahren bin ih ein Vorkämpfer für die Herabseßung dieser Steuer gewesen, und ih habe immer be- tont, daß der Zuckerkonsum durch eine Herabseßung der Steuer ge- hoben werden müsse.

Abg. Kleye (nl.): Jch spreche hier für meine Person und eine nicht gerade kleine Minderheit der nationalliberalen Fraktion. J bin ganz entschieden gegen die Konvention und wundere mich

über die Stellung des Zentrums, das do sonst eine der Landwirt- schaft günstige Haltung einnimmt. Wenn das Zentrum p vention so ohne Sang und Klang annehmen will, so liegt es daran daß es an dieser Frage nicht sebr stark interessiert ist. Wäre das Zentrum in Mitteldeutshland gewählt, wo es sehr viele Zuckerfabriken gibt, so würde seine Stellun ene nz andere sein. Die Zudcker- fabriken in unserem kleinen Lande Braunschweig würden es einfa nicht verstehen, wenn wir die Konvention T itbmen würden. Wir werden abwarten, auf welchem Standpunkt das Zentrum stehen wird wenn es sih darum handelt, die Liebesgabe für die kleinen süddeutschen Brenner herabzuseßen. Rußland behält seine gegenwärtige Steuer- ge}eßgebung bei. Deutschland tritt einen Rückzug an, es läßt seine Industrie im Stich, es läßt die Vorteile, die Nußland bisher ge- habt hat, bestehen und erlaubt ihm noch, einen großen Teil Zucker mehr auszuführen. Jun Mitteldeutschland sind im Rübenbau so traurige Verhältnisse eingetreten, wie wir lie gar nicht für möglich gehalten haben. Der kleine Mann, der seinen Acker mit Rüben bestellt, hat im leßten Jahre seine Produktion auf einem Hand- karren zur Fabrik gebracht, er hat ncht einmal einen Wagen ge- braucht. Die Sozialdemokraten verlangen, daß wir sämtliche Prä- mien abschaffen, dann müssen sie aber auch entschieden gegen Nußland Front machen. Wir wollen ja gar keine Vorzüge, wir wollen au die Prämienwirtschaft niht wieder haben, wir wollen nur mit gleichen Waffen kämpfen und auf demselben Standpunkt in der Konvention stehen wie Nußland. Die Zuckerindustrie in Rußland is doch keine junge Industrie mehr, sondern fast ebenso alt wie die unserige. Wenn die Konvention nicht angenommen wird, wird Rußland auf die Dauer nicht mit uns konkurrieren können. Die ganze deutsche Zuker- industrie und auh der Zuckerrüben bauende Landwirt würden die Ablehnung der Konvention mit Beifall aufnehmen, weil sie der festen Ueberzeugung sind, daß wir den Kampf aufnehmen müssen, um gleiche Rechte zu erlangen. Frankreih muß mit uns halten, da die E Zuckerindustrie beständig zurücgeht. Der französische ¿andwirt kann seinen Aer besser als durch Nübenbau verwerten. Wenn die Konvention nicht verlängert würde, so stände Nußland ganz allein, und es müßte wieder an die vertragshließenden Länder herantreten und zugeben, vas es ohne Konvention mcht geht. Daher ist die Verlängerung der onvention mit irgendwelchen Begünsti- gungen für Rußland ein Fehler. E

bg, Wut (Soz): Meine politischen Freunde sind nicht einflußreih genug, um Rußland zu bestimmen, mit seiner Zucker- prämienwirtschaft aufzuräumen. ieselben Parteien, die durch ihre Schußzoll- und Prämienmißwirtschaft dem deutschen Volke Millionen und Abermillionen_ aufgebürdet haben, beklagen sih jeßt über die Folgen dieser Mißwirtshaft. Die früheren Prämienshlucker ent- puppen sich jeßt als Freihändler für die übrigen Staaten. Ruß- land macht nur na, was Deutschland ihm bisher in seiner Zucker- geseßgebung vorgemacht hat. Es gibt nur ein Entweder Oder. Entweder die Zuckerkonvention, und die betrachten wir nur als das kleinere Uebel, ‘oder die Beseitigung sämtlicher Steuern auf Zucker und damit die Hebung der n ndproduktion. Im leßteren Falle könnte in Deutschland eine Matmelade- und Geleeproduktion ge- schaffen werden, wodurch Millionen dem Lande erhalten bleiben wür- den. (Es ist mit Recht schon T hingewiesen worden, daß der Obstverbrauch in Deutschland auf den Kopf z«@hrlih nur 1/z beträgt. Würde das Obst zur Marmelade verwendet, so würde auch der Obit- bau. in die Höhe kommen. Der Zucker gilt heute nicht mehr als Luxusartikel, sondern als ein notwendiges Nahrungsmittel. Was jährlich an Steuern für den Zucker ausgegeben wird, Fönnte den Kon- jumenten zugute kommen, Deutschland würde dann den ganzen Zucker im- Inlande konsumieren können. Allerdings O nicht einmal die Hoffnung, daß in absehbarer Zeit die Zuder)teuer von 14 auf 10 M herabgeseßt wird. Die Arbeiter in der 2uckerindustrie spinnen wahrhastig keine Seide, ihr Arbeitsverdienst beträgt durchschnittlich nur 593 #. Der Abg. Arendt bewegte sih in Widersprücken, erst erklärte er sich für die Ausdehnung des Nübenbaues, und dann sagte er, wenn die Branntweinliebesgabe abgeschafft wird, besteht die Ge- fahr, daß mehr Zuckerrüben gebaut werden. Man verschaffe dem Volke billigen Zucker, dann werden auch die Zuckerinteressenten ein gutes Geschäft machen. :

_ Abg. Vogt - Hall (dkons.): Die Haltung des Zentrums erklärt fich daraus, daß viele katholische Landwirte in Württemberg selbst Nüben pflanzen, auch in meinem Wahlkreise und im Nacbbarkreise. Wenn der Abg. Wurm eine gew'se Unstimmigkeit in den Erklärungen des Abg. Arendt erblickte, so bewies er damit recht wenig Verständnis für die Landwirtschaft. Er müßte wissen, daß, wenn nah Wegfall der Liebesgabe weniger Kartoffeln für Brennereizwecke verwendet werden, viele Landwirte, die bisher Kartoffeln gebaut haben, zum Bau von Zuckerrüben übergeben, und wenn dann auch zugleich die Zukerindustrie ges{hädigt wird, dann sind diese Bauern nicht einmal, sondern zweimal bestraft. Durch den Bau von Zuckerrüben wird der Boden viel besser kultiviert; der Rübenbau kommt auch den nah- folgenden Fruhtarten zu gute. Cs wäre deshalb außerordentlich bedauerlich, wenn die Wirkung der Konvention für deù Nübenbau \hädlih wäre. Ich würde deshalb auch bedauern, wenn sich für die Konvention eine Mehrheit fände. Würde fi» abgelehnt, so würde sich der Kampf viel aus\ichtsreicher gestalten, als es in 5 Jahren der Fall sein würde. Die Mehrzahl! der konservativen Partei" wind gegen die Konvention slimmen, ih bätte nur gewünscht, daß es bei den anderen Parteien au so wäre.

Abg. K o ch (fortshr. Volksp.): Wir find gezwungen, der Kon- vention zuzustimmen, und ih bätte €s lieber gesehen, wenn wir fie ohne jede Debatte angenommen bâätten. Ich hoffe jedoch, daß es das leßte Zugeständnis ist, das wir Nußland gegenüber machcn.

Damit {ließt die erste Lesung.

Das Haus tritt sofort in die zweite Lesung ein. Ueber Art. 1 wird auf Antrag des Abg. Dr. Arendt eine besondere Abstimmung herbeigeführt. Dafür stimmen die Sogialdemo- kraten, fortschrittliche Volkspartei, die Mehrheit der National- liberalen, das Zentrum, die wirtschaftliche Vereinigung ‘und der Abg. von Oerßen von der Reichspartei. Art. 1 wird an- genommen, ebenso ohne Debatte der Rest des Abkommens. Hierauf seyt das Haus die Spezialberatung des Etats für das Reichsamt des Junern fort und nimmt die bei der Forderung von 4 Millionen des Extraordinariums für den Bau von Kleinwohnungen begonnene allgemeine Debatte über die Wohnungsfrage und die dazu vor- liegenden 6 Resolutionen wieder auf.

Abg. Dr. Jaeger (Zentr.) bemängelt zunächst ebenfalls das neuerlihe Verlangen der Landeêversicherungëanstalten, daß die gemein- nüßigen Baugenossenschaften die erbaltenen Darlehen ftatt mit 3 mit 31 0/9 verzinsen follen; die große Mehrzahl der gemeinnüßigen Bau- gesellschaften könne diese Forderung nicht erfüllen, und die Folge sei, daß die Arbeiter in ihren Mietskafernen wohnen bleiben müßten. Die Wohnungspreise würden weit niedriger sein; wenn man im Deut- schen Reiche einheitliche Bauordnungen und eine geordnete Wohnungs- in\spektion hätte, so würden auch die Mieten viel billger scin und die ärmere Bevölkerung viel besser und gesunder wohnen. Die ganze Woh- nungsfrage bier nochmals aufzurollen, sei gar niht nötig; die tatsäch- lihen Verhältnisse wären tegen und ständen fest, die Sache sei völlig spruchreif. Die Anträge der verschiedenen Parteien wollten denn auch ohne Ausnahme eine Reform, und zwar durchweg

1912,

im Wege eines Reihswohnungsgeseßes. Einiges fei ja i i

staaten, ¿zumal in den süddeutschen getan; a2 pes S täbie batten freiwillig Anerkennenswertes geleistet. Aber damit sei es nicht getan; Preußen fei zurückgeblieben, nahdem ter sehr gute Entwurf eines preußischen S vor dem Ansturm der Hausagrarier und der von ihnen beherrshten Gemeindeverwa!tungen wieder in der Ver- senkung verschwunden sei. Selbst der neue Zweckverband Groß Berlin sei Stückwerk; das Herrenhaus habe für die bimmels(reiende Not unserer preußishen Wobnungszustände kein Verständnis gebabt E sei der Staat, der Deutschland groß gemaht habe, dasselbe Prcu en sei nit zu bewegen, auf diesem fe das ganze "Volk und seine Zukunft so wihtigen und éênts{eidenden Gebiete einen Schritt vorwärts zu machen, weil das Wahlire%t in den Gemeinden und zur Volksvertretung es daran hbindere. Darum sei die vom Zentrum vorgelegte Resolution dahin gerichtet, daß ein Reichswohnungs- geseß vorgelegt werde, durci welhes die Einzelstaaten ver- anlaßt werden, allgemeine Vorschriften zur Verbesserung der Wohnverhältnisse der minderbemittelten Volksklassen unter Anpassung an die besonderen Verhältnisse von Stadt und Land zu erlassen die Ausführung dieser Vorschriften durch besondere Aufsichts- beamten zu fichern, für den Kleinwohnungsbau und besonders für die zweite Hypothek besondere Kasseneinrihtungen zu schaffen die Bauordnungen und Bebauungspläne behufs ausgiebiger Ver- billigung und Erleichterung des Kleinwohnungsbaues umzugestalten besondere staatlihe Besiedlungskommissionen etwa nah dem Norbilde der preußischen Rentengutsfommissfion einzuseßen; ferner Erhebungen über die bisherigen Wirkungen des Erbbaurechts zu veranstalten und etnen entsprechenden n nach Bedürfnis vorzulegen; endlich für Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses der Arbeiter und Beamten des Neiches fernerhin und in weiterem Maße als bisher Sorge zu tragen, sowie dur Ueberlassung von frei werdendem fiskalischen Terrain den gemeinnüßigen Wohnungsbau, Erbbau zu unterstüßen. Nehmen Sie den Antrag der Budgetkommission an, alle diese Resolutionen Ster o ne 16 T BILidOt Dan 21 Mitgliedern zu überweisen.

ßerdem bitte ih den Reichstag dringend, die folgen j |

uns eingebrahte Resolution Citiunebti n: OIGSORE, R E

„den Herrn Reichskanzler zu ersu 3 Nei i amt zur Me Erlasses Din f Mei 1010 Davin n veranlassen, daß die Bemessung des Zinsfayes für Darlehen zuk Förderung des gemeinnügigen E etnge in erster Linie der Entscheidung der Landesversicherungsanstalten vorbehalten . bleibt daß aber jedenfalls von einem Zwange zur Heraufseßung des Zins- satzes für s{chon gewährte Darlehen abgesehen wird.“

Stellvertreter des Rei ¿zlers, Sta ä nnétk De Det En ichskfanzlers, Staatssekretär des

Das Nundschreiben des Reichsversiherungsamts vom 11. Mai 1910 ift beute und gestern erneut zum Gegenstand einer eingehenden mehr oder minder abfälligen Kritik gemacht worden. Es ist nit das erste Mal, daß dieses Rundschreiben angegriffen und verteidigt wird. Wenn .ih mich nicht irre, hat die Kommission, die zur Beratung der Reichsversiherungsordnung gewählt war, fich auch mit dieser Frage beschäftigt. Ich darf also den Inhalt dieses Nundschreibens als be- fannt voraussegen und will auf Einzelheiten niht eingehen. Ich möchte nur feststellen, daß die grundsäßlihe Anordnung des NReichs- versiherung8amts, daß Darlehen zu einem geringeren Zinsfuß als 3E 9% au für gemeinnützige Zwecke in Zukunft niht mehr gegeben werden sollen, als zutreffend und berehtigt anerkannt werden muß. So wünschenswért und so erf: eulich es ist, daß die Versicherungs- anstalten in der Lage und meistens auch in weitgehendem Maße bereit gewesen sind, aus ihren Kapitalien gemeinnüßigeZwecke zu fördern und insbesondere für die Förderung des Wohnungsbaues einzutreten, so muß doch \chließlich daran festgehalten werden, daß die in der Verwaltung der Versicherungsanstalten zusammengekommenen Kapitalien in erster Linie dazu bestimmt sind, dur ihren Zinsertrag die Renten zu decken, die die Versicherten im gegebenen Falle von der Versicherungsanfstalt zu fordern haben, und. ledigli, weil für eine Reihe von Versicheiungs- anstalten nach den Gutachten der Sachverständigen die ernsten Be- sorgnisse bestanden, daß bei der biëherigen Anlage der Kapitalien die Deckung für die Renten niht vorhanden sein würde, hat sich das Reichsversicherungsamt für verpflichtet gehalten, durch das Rund- \chreiben vom 11. Mai 1910 auf eine vorsichtigeie Verwaltung und Aulegung der Kapitalien zu dringen. Meine Herren, das Retchs- versiherungsamt hat in diesem Punkte nur seine Pflicht getan, und ih kann sein Verhalten auch von meinem Standpunkte aus, wie ih hiermit ausdrücklich feststellen möchte, nur billigen. /

Auf der anderen Seite aber will ich gern anerkennen, daß die Fassung des Erlasses und vielleicht auch die Auslegung, die man ihm an einzelnen Stellen gegeben hatte, Besorgnisse in dén Kreisen her- vorrufen konnte, die sich daran gewöhnt hatten, aus den Kapltalien dèr Versicherungeanstalten in ihren gemeinnüßigen Bestrebungen unter- stüßt zu werden.

Nun hat sich aber die Praxis bei der Handhabung des Erlasses derartig gestaltet, daß zwar fortan dafür Sorge getragen werden foll, daß bei Gewährung von Darklehnen in allen Fällen eine Mindest- vèrzinsung von 3,5 9/6 erzielt wird, daß aber auf der anderen Seite alles geschieht, um bei der Durchführung dieses Grundsaßes Härten zu vermeiden. Es is insbesondere Vorsorge getroffen, daß die Kündigung von Darlehnen, die zu weniger als zu 3,5 % ausgeliehen sind, niht erfolgen soll (sehr richtig! rechts), wenn eine folhe Kündigung für den Vorstand der Landesversicherungsanstalt auch nur moralisch ausgeschlossen ersheint. Es ist ferner Vorsorge getroffen, daß die Auszahlung der vor dem Bekanntwcrden des Runderlasses zugesiherten Darlehne mit niederem Zinsfuß, wo es sih irgendwie rehtfertigen läßt, zu dem ursprünglich in Aussicht gestellten Zinssaßz erfolgt. Daß diese Anordnung und die Handhabung dieser Be- stimmungen nicht dazu geführt hat, die Verwendung der Kapitalien der Versicherungsanstalten für gemeinnügige Zwecke zu unterbinden, das können Sie daraus ersehen, daß der Gesamtbetrag der von den Versicherungsträgern bis zum 31. Dezember 1911 für gemeinnüßige Zwecke der gedahten Art aufgewendeten Mittel sih belaufen hat auf 1 022 802 746 M gegen 936 987 928 6 gegen Ende des Jahres 1910, sodaß der Zuwachs im Jahre 1911, also in dem Jahre nach dem Erlaß von 1910, sich noch belaufen hat auf 85 814 818 #6. Jeden- falls, meine Herren, wird man dem NReichsversicherungsamt einmal die Anerkennung nicht versagen dürfen, daß es das, was es im vor- liegenden Falle angeordnet hat, angeordnet hat in der Ueberzeugung seiner Verpflichtung und in der Ueberzeugung einer absoluten