1912 / 75 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 25 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Notwendigkeit, und ich kann es nur bedauern, daß nicht gestern und heute hier in diesem hohen Hause aber sonst gelegentlih aus diesem Anlaß dem Reichsversicherungsamt ein Mangel an sozialem Verständnis und an fozialem Gefühl vorge- worfen ist. Meine Herren, das trifft niht zu, und es ist auch nicht berechtigt, wenn man aus Anlaß einzelner Entscheidungen, die zu Fritisieren i ja bier völlig außerstandebin, die aber vielleicht im einzelnen Falle den Rentenempfänger \{merzlih berührt haben, glaubt, wie das im Laufe der Debatte geschehen ist, den Schluß ziehen zu können, daß es dem Reichsversicherungsamt an dem rihtigen Verständnis für die ihm obliegenden sozialen Aufgaben gebricht. Im Gegenteil, meine Herren, ih halte mih für verpflichtet, hier ausdrücklich fastzustellen, daß das Reichsversicherungsamt von jeher und au heute noch von dem aufrihtigen Streben erfüllt ist, die sozialen Aufgaben angemessen zu lösen, die ihm durh die Gesetzgebung übertragen sind, ih hoffe, daß das auch in Zukunft der Fall sein wird, und ih hoffe, daß der- artige allgemeine abfällige Kritiken an seinen Maßnahmen, wte sie gelegentlich auf Grund von Einzelfällen gefällt worden find, in Zu- kunft nit wieder vorkommen werden, weil die Herren sich davon

überzeugen werden, daß fie unbegründet sind.

Auf die Frage der Wohnungsfürsorge überhaupt glaube ih des näheren nicht eingehen zu brauhen. Ich habe am 29. Februar eingehend über die Frage der Wohnungsbeschaffung und alle damit zusammenhängenden Fragen der Wohnungsfürsorge gesprochen. Das, was ich damals ausgeführt habe, ist zu einem großen Teil auch von vershietenen Rednern dieses hohen Hauses, gestern u. a. auch von dem Herrn Grafen von Posadowsky in vielen Punkten gebilligt worden. Meine Herren, ich kann nur versihern: ih werde bestrebt sein, die Angelegenheit zu fördern, und werde felbstverständlih gern bereit sein, an den Verhandlungen Ihrer Kommission, wenn sie ge® wählt werden sollte, teilzunehmen, um mit Jhnen gemeinschaftlih die Grundsäße zu erörtern, nach denen wir den zweifellos bestehenden Mißständen auf dem Gebiete des Wohnungswesens entgegentreten

wollen. (Bravo!)

Abg. Götting (ul.): Der Abg. Graf Posadowsky hat gestern die Frage eines Neichswohnungsgeseßes aufgeworfen. Im allgemeinen stimmen wir seinen Ausführungen zu, halten sie aber niht für fonkret genug. Wir müssen ein RNeichswohnungsgesetz haben, das einen weiten Spielraum für Verfügungen der Bundes- staaten und Gemeinden läßt. Das Gesetz soll nur gewisse Mindest- forderungen, die man insbefondere auf hygienischem Gebiete stellen muß, gewährleisten. Das Erbbaureht muß wenigstens als dispositive Bejtimmung in das Gesetz hineingebraht werden. Das Erbbaurecht felbst muß auf breitere Basis gestellt werden: der Eigentümer und der Kreditgeber müssen verschiedene Personen fein dürfen. Auch in diesem Rahmen kann eine gewisse-Mündelsicherheit konstruiert werden. Wir wollen zum Ausbau des Erbbaurehtes die Gelder der Spar- kassen, der Lebensversiherungen und auch der Hypothekenbanken in verstärktem Maße heranziehen. Diese Institute halten mit ihren Kapitalien zurück, weil fie das Risiko, weit über die Mündelsicher- heit hinauszugehen, nicht übernehmen können. Mit Rücksicht auf den großen Zweck möchte ih den Staatssekretär bitten, daß die Kapitalien der Landesversicherungsanstalten der Förderung des Kleinwohnungsbaues niht in größerem Umfange entzogen werden. Wir müssen also für diese Zwecke alle Quellen ershließen. Ein Sn angAgeies und der Ausbau des Erbbaurehts sind un- erläßlich.

Abo. von Morawski (Pole) befürwortet die Annahme der von seiner Partei vorgeschlagenen Resolution : „die verbündeten Re- gierungen um Vorlegung eines Geseßentwurfs, betreffend Regelung des Wohnungswesens, zu ersuchen." Er weist besonders auf die Schwierigkeiten hin, die in den polnischen Landesteilen den Polen ge- macht werden, sih überhaupt anzusiedeln. :

Abg. Fischer - Hannover Sg h Die not ist so groß, daß, wie mir bekannt geworden ist, eine Arbeiterfamilie in dem Armenhause einer Ortschaft Unterkunft nehmen mußte. Der Raum war dort so beschränkt, daß die 5 Kinder in einem Bette s{lafen mußten, s die übrigen Familienmitglieder stand nur noch ein zweites

ett zur Verfügung. Graf Posadowsky hat ganz recht: Es handelt sih hier um eine Kulturfrage ersten Ranges. Ich fürchte nur, taß in unserem heutigen fkapitalistischen Staate eine durchgreifende Remedur nicht möglich ist ; diese ist nur möglich in einer sozialistishen Wirtschaftsordnung. :

Abg. Schirmer (Zentr.): Wenn wir darauf warten sollten, würden wir nie zu einer Reform im O mgtnesen kommen. Sie (zu den Sozialdemokraten) haben gerade eine Wohnungs- und Boden- reform gehindert. Die 4 Millionen des Etats n niht hin- reichend für diese Bestimmung. Mag der Staatssekretär zusehen, daß in den nächsten Etat eine größere Summe eingestellt wird, damit größere Mittel den gemeinnüßigen Vereinen zur Verfügung gestellt werden fönnen. Die Wohnungspreise steigen fortdauernd. Es herrs{cht ein Wohnungsmangel, namentlich für [kleine Leute; leer stehen in der Regel nur Wohnungen für bemittelte Leute. In Breslau ist festge\telltÊ, daß bei kleinen Ein- kommen fast ein Drittel auf die Miete verwendet werden muß. Je ärmer die Gegend ist, um fo mehr muß man für Miete aus- geben. Das zeigt fih besonders in Sachsen. Jn Eßlingen wohnen 44 9/9 der Bevölkerung in Wohnungen mit weniger als zwei Näumen; da kann man sih denken, welchen Einfluß das auf die Sittlichkeit haben E Besonders demoralisierend wirkt. das Schlafgängerwesen ; auf die Triminalistishe Seite hat gestern {hon @raf Posadowéky bingewiesen. Dicse Zustände sind geradezu ershreckend. Ich selbst habe noch \{limmere Zustände feststellen können als der Kollege Fischer. Ich habe gefunden, daß in einem Zimmer nur zwci Betten für 12 Personen vorhanden waren. Es wäre zu erwägen, ob man nit eine Mietversicherung einzuführen hätte.

Sämtliche Resolutionen werden nach dem Antrage der Budgetkommission einer besonderen Kommission von 21 Mit- gliedern zur Vorberatung überwiesen. :

Die Einnahmen des Etats des Reichsamts des Jnnern werden ohne Debatte erledigt. Damit ist der Etat des Reichs- amts des Junnern in zweiter Lesung beendigt.

Auf der Tagesordnung steht ferner der Etat der R e i ch s- post-und Telegraphenverwaltung. Es werden es ist gegen 3 Uhr vielfache Rufe nah Vertagung laut. Vize- präsident Dove: Ein Vertagungsantrag liegt niht vor; von mir aus kann ih ihn nicht stellen. (Pause.) Wir fahren in dèr Beratung fort. :

Zum ersten Ausgabetitel: Gehalt des Staats- sekretärs erhält das Wort der

Abg. Zubeil (Soz.): Da Sie unserem Wunsche nach Ver- tagung niht entsprohen haben, so werde ich Ihre Zeit wohl etwas länger in Anspru} nehmen müssen. Troy aller Ver- \sprehungen is für die Aushilfsbeamten und Postboten noch immer nichts geshehen, und die Löhne find immec noch niedrig. Fch bin der Meinung, wenn bei der Post 4 Jahre Leute beschäftigt find, dann muß; sie sehen, ob sie sie brauen fann. Das Probejahr müßte in das Dienstalter immer eingerechnet werden, auch bei der Berechnung der Militärzeit geht es nicht gleichmäßig zu. Für die Uebershüsje beim Postetat ist dem Staatssekretär hier in diesem Hause der Dank ausgesprohen worden. Aber diese Uebershüsse sind nur entstanden, indem man nach unten bin einen Druck ausübte. Gegen unseren Willen ist damals die Stellung der gehobenen Unterbeamten eingeführt worden, weil wir wußten, daß das zu großen Unzuträglich-

keiten führen muß. Wenn die betreffenden Unterbeamten in die Prüfeing gehen und die Fn gut GOanen haben, dann erhalten sie die Auszeichnung als gehobene Unterbeamte, bekommen tun sie aber keinen Pfennig. Wo sind die 60 000 #4 geblieben, die schon im vorigen Jahre für diese Beamten bewilligt worden sind ? Was nußt da das Examen? Einen Teil des Dienstes der mittleren Beamten können rubig gehobene Unterbeamte versehen. Die Beamten haben ihre Hoffaung auf den neuen Reichstag geseßt, denn nur von hier aus können fie ihre Wünsche aussprehen. IJit ihnen doch keine Drgani- sation gestattet. Die Post chalterbeamten haben auch einen fehr \chweren Dienst. Ihnen ist es zeitweilig niht vergönnt, eine kleine Pause zu mahen. Wo zwei Schalter vorhanden sind, muß der eine auf eine Viertelstunde geilofsen werden fönnen. So müssen die Beamten im Dienst ihr Frühstück verzehren, mit vollem Munde mit dem Publikum verkehren und mit derselben Fingern ihr Brot und die Brieflachen anfassen. Reinlichkeit ist doch der beste Schuß gegen Krankheiten. Die Postbehörde muß erst aufgefordert werden, dem Me Ne Idrang ihrer Beamten Genüge zu tun. Zu Weihnachten und Neujahr nimmt die Arbeit auf allen Postämtern ganz ungeheuer zu. Da werden die Dienstpläne dann so aufgestellt, daß der größte Teil der Beamten tatsächlich kaput gehen muß. Auch mit dem System der Gratifikationen muß gebrohen werden, und ebenso muß man die Ueberstunden abschaffen. So steht es im- Belieben der Vor- geseßten, die Gratifikationen zu geben, wem sie wollen. Die Kom- mission sollte sich einmal die Liste derer vorlegen lassen, die bedacht worden find. Die Unterbeamten und Assistenten bekommen dabei am wenigsten ab. Wenn man sparen will, so möge man bei den oberen Stellen anfangen. Daß alle diese Verhaltnisse nicht zur Zufriedenheit der Unterbeamten beitragen können, ist selbstverständlih. An einzelnen Stellen ist man in leßter Zeit auch mit den Weibnachtsgratifikationen zurückgegangen. Aber auch da hat man den höheren Beamten ge- ringere Abzüge als den unteren gemacht. Nötig ist auch eine Herab- seßung der Arbeitszeit, um die Arbeitsfreudigkeit der Beamten zu heben. Denn nur die Ueberbürdung veranlaßt es, daß von den Unter- beamten verhältnismäßig wenige das Höchstgehalt erreihen im Gegen- saß zu den oberen Beamten. Man hat das Unterbeamtenpersonal auch nit in demselben Maße vermehrt, wie der Dienst aewachsen ist. Auch die Teuerung übt auf dieses einen großen Einfluß aus. Bei den ungeheuer hohen Mietspreisen für die kleinen Wohnungen ist auch der E noch ganz unzureichend für die Postunterbeamten Maren, mindestens für 95 9/9 dieser Kategorie. Der Direktor des Postamts C2 in Berlin, der fonst ein ganz origineller Herr sein soll, kann die Kranken unter seinen Beamten niht leiden; er gibt ihnen keinen Urlaub, und fo \{chleppen sich die Beamten hin, bis es abfolut nicht mehr geht. Der Postschaffner Schulenburg, dem er \{ließlich nur zehn Tage gab, kehrte in den Dienst niht mehr zurück, denn er war {on vor dem Ablauf dieser zehn Tage eine Leiche. Auf dem Postfuhramt werden die Postillione zeitweise unmenschlich überanstrengt. Der Direktor des Postpaket- amts Neinke leistet \ch in der Schurigelung der Unter- beamten das Menschenmöglihe; man sollte Mittel in den Etat ein- stellen, um den Direktoren Knigges Umgang mit Menschen zu Weih- nachten zu shenken. Der Staatssekretär Kraetke follte fih mit seinem Stabe, der thm zur Seite sißt, etwas mehr selbst um die Leute bekümwmern und sich nicht damit begnügen, wenn ih geendet habe, daß er oder seine rechte Hand, die neben ihm sißt, hierher tritt und alles, was ich vorgetragen habe, für unrichtig erklärt und zurückweist. Auf dem Postfuhramt sind troß der riesigen Zunahme der Geschäfte jeßt 110 Beamte weniger beschäftigt als 1907. Es scheint bei den meisten Direktoren ein Uebereinkommen getroffen zu sein, in der Quälerei der Unterbeamten einander zu überbieten. Eine Neihe von Beschwerden richtet der Redner gegen den Direktor und den Inspektor des Postamts 48 in der Friedrichstraße in Berlin, wo nah seiner Ansicht die Schikanierung der Unterbeamten auf die Spiße ge- trieben wird. Auf einem Charlottenburger Postamt hat der Direktor verfüat, daß die Briefträger in ihrer freien A mit Bindfadenknüpfen beschäftigt werden ; als fie darüber unter sih ihrem Unwillen Luft machten, kam das zu Ohren des Direktors; sie wurden gerügt und gegen eun der Beamten foll eine Anklage wegen Aufruhrs erhoben werden. Ist denn aber überhaupt Bindfadenknüpfen eine Beschäftigung für Briefträger? Bisher war diese minderwertige. Beschäftigung do nur in Gefängnissen üblich. Auch für die Ueberbürdung der Bahnpost- beamten sind mir ungeheuerlite Mitteilungen gemacht worden; manche Beamte haben tagelang keine Nahtrube und kaum Ge- legenheit, ordentlich etwas zu essen. Auch diefe Beamten bitten dringend um Abstellung dieser Mißstände. Die Markenverkäuferinnen haben in ihren engen Kiosken einen sehr langen, {weren und aufreibenden Dienst; fie erhalten täglich nur 2,75 F Diäten. Dabei sind unter diefen Verkäuferinnen nur sieben En und einige Postbeamtentöhter; alle übrigen find alleinstehende Damen. Da wäre der Diâtensaß von 3 # täglih niht zu hoch. Nach 10 jähriger Dienstzeit sollte man ihnen Beamtenqualität geben, damit fie in den Genuß einer Pension fommen können. Es ist unwidersprohen dur die Presse gegangen, daß es den Postunter- beamten nicht gestattet ist, ber einer Klage gegen die Post sich eines Rechtsanwalts oder Nechtspraktikanten bedienen zu dürfen. (Der Redner führt den Fall eines Oberpostschaffners in Berlin an, der sich eines Rechtsanwalts Hilpert bediente; diefem wurde vom Staatssekretär bedeutet, daß es Verwaltungs8grundsatz sei, direkt mit den Beamten zu verhandeln; den Beamten wurde mitgeteilt, sie hätten ih eines Nechtsbeistandes nicht zu bedienen, ihm nichts mitzuteilen, das sei Verleßung des Dienstgeheimnifses.) Die Unterbeamten sind also vollständig vogelfrei. Ih möchte eine heikle Frage an den Staats- sekretär rihten. Die Firma Kliep in der Neuen Königstraße hat einem Teil der Wagenmeister 150 4 gegeben. Die Wagenmeister wurden mit 15 bis 30 #4 bestraft. Diese Bestrafung wegen des Annehmens von Schmiergeldern ift eine gerehte. Aber was ift mit der Firma geschehen ? Sie hâtte dech wegen Bestehung von Beamten angeklagt werden müssen. Statt dessen werden die Reparaturen nach wie vor von ihr ausgeführt. Der Vberpostdirektor Vorwerk hat dur einen geheimen Erlaß feinen Unterbeamten eine hübsche Pfingstgabe gemaht. Jn diesem Erlaß steht, daß Beamte, die körperlih den besonderen Anforderungen des Postdienstes niht mehr gewachsen sind, möglichst frühzeitig aus ihrer Stellung entfernt werden müssen. Die Ober- postdirektion in Berlín hat 40 Wagenbegleitern die monatliche Zulage von 15 #4 beim Inkrafttreten der Bésoldungsreform nachträglih für anderthalb Jahre in Höhe von 270 #4 abgezogen, obwohl die Be- amten den Betrag schon ausgezahlt erhalten hatten. Welcher Art die Mittelstandspolitif ist, die die S treibt, zeigt die Tat- sache, daß die Uniformen der Postbeamten bei der Firma Eduard Sachs E werden, die die Sachen zu elenden Preisen an Zwischenmeister abgibt ; die Arbeit fällt denn auch ungeheuer schlecht aus. Die Postpakete sollen bei der Expedition von Hand zu Hand ehen. Ich habe es aber selbst erlebt, wte ein Postdirektor sagte: Ach was, geben; \schmeißen, s{chmeißen, s{hmeißen! ag A ein Post- kuriosum, das einem Kollegen passiert ist. Er war von Berlin nah Stegliy gezogen und wunderte sich, daß er keine Postsendungen mehr erhielt. Nur durch einen Zufall erfuhr er von einem Bekannten, daß die E S als unbestellbbar zurückgegangen waren. Er be- \hwerte fih auf dem Postamt und erhielt später den Besuch eines Sekretärs. Dieser sagte ihm: „Sie wohnen zwar in Steglitz, wenn Sie aber Jhre Postsachen {nell erhalten wollen, dann müssen Sie Ihre Adresse nah Friedenau aufgeben, denn ein Teil von Stegliß gehört zum Postbezirk Friedenau.“ Das ist doch ein Zopf \{limm|ter Art. Der Postbote Schulze in Baumschulenweg hat zweimal einen Unfall erlitten und sich einen Leistenbruch zugezogen: er ist mit 15 4 monatlich abgespeist worden. Seine Bitte, daß fein Gnadensold auf 30 #4 erhöht wird, ist wohl nicht unbescheiden. Solange der jeßige Staatssekretär an seiner Stelle steht, wird nah unserer Ueberzeugung für die Unterbeamtenwelt niht viel heraus- kommen; er hat es während seiner Dienstzeit nicht verstanden, \ih die Liebe seiner Untertanen zu erwerben, feine ganze Tätigkeit ist, nach oben zu blicken und den Dank für seine Sparsamkeit einzu-

Vorgeseßten kein Herz für sie haben, und daß sie niht verpflichtet sind, diese alte Ueberlieferung zu halten.

Präsident Dr. Ka em p f: Herr Abg. Zubeil, ih glaube, Sie be- leidigen die gesamte Beamtenschaft, wenn Sie sagen, daß sie keine Lust D, den Eid zu halten. Wegen dieser Aeußerung ruse ih Sie zur Vrdnung. G Nach dieser zweistündigen Rede wird die Weiterberatung auf Dienstag, den . März, Nachmittags 1 Uhr vertagt. Vorher dritte Lesung der Zuckerkonvention und Wahl-

prüfungen.

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 44. Sizung vom 23. März 1912, Vormittags 10 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sißung ist in der vorgestrigen Nummer

d. Bl. berichtet worden. _Das Haus seßt die zweite Beratung des Etats des Ministeriums der Nen und Unterrichtsang e- legenheiten im Abschnitt „Elementarschulwesen“ fort. Bei dem Titel der Ergänzungszuschüsse führt Abg. Dr. Schmitt - Düsseldorf (Zentr.) aus: Bei der Neu- ordnung des Mittelshulwesens ist der Religionsunterriht zu kurz ge- kommen. Mir sind viel Klagen von ten Religionslehrern zu Ohren E Für die Ober- und Mittelstufe sind wöchentlih nur zwei eligionéstunden ygesevt Die Gehaltsverhältnisse der an den Mittelschulen angestellten Lehrer sind oft mehr oder weniger unsicher, auch die Gehälter der Direktoren der Mittelschulen sind außerordent- lih s{chwankend. Bei den Orten, die zur Ortsklasse A gehören, inden fich Schwankungen bis zu 1800 Æ im Höchstgehalt. Die ittelshullehrer an den höheren Lehranstalten erreihen ihr Adil gehalt hon mit 21 Jahren, tie Mittelshullehrer an den Mittel \hulen aber erst mit 32 Jahren. Dadurch werden die besten Kräfte den Mittelshulen entzogen. __ Abg. Marx (Zentr.): Die Ergänzungszushüsse sollen geseß- lih an bedürftige Schulverbände gegeben werden. Wenn in Städten katholishe Minderheiten ih befinden, so werden Zuschüsse aus diesem Fonds zur Errichtung einer besonderen Schule sehr oft abgeshlagen. Uns ist in Bütow durch die Regierurg in Köslin ein Zuschuß verweigert worden, obwohl dort 200 katholische Kinder vorhanden sind. Aehnlich liegt es in anderen Städten. Die ktathot.ishen Eltern fühlen sh in ihrem Gewissen verpflichtet, für ihre Kinder konfessionellen Unterricht zu verlangen. Es hat niemand das Recht, auf die Eltern einzureden, um sie davon abzuhalten, einen

- Antrag auf Errichtung einer katholishen Schule zu unterschreiben.

Die Eltern nehmen nur ein geseßlihes Reht damit in Anspruch. In einer ganzen Reibe von Orten im Kreise Neumark sind fogar, troßdem fkatholishe Mehrheiten vorhanden find und nicht die ge- nügende Anzahl evangelisher Kinder vorhanden is}, evangelische Schulen eingerihtet worden. Ich bitte den Minister, seinen ganzen Einfluß dahin aufzuwenden, daß überall für die katholische Minder- heit eine Schule errihtet wird, wo der geseßliche Anspruh begründet ist. Wir müssen nahdrücklich diesen berehtigten Anspruch erheben.

Ministerialdirektor Dr. von Bremen legt dar, daß die Schul- ati in allen den gerügten einzelnen Fällen alles tue, was gesehen kann, um die geseßlihen Ansprüche zu erfüllen; das gelte intbesondere von dem Bütower Fall.

Abg. Freiherr von Wolff-Metternich (Zentr.) bittet, den Erlaß, wonach die NRektorats\{ulen auf Wunsh der Kommunen der Aufsicht eines benahbarten Gymnasialdirektors unterstellt werden können, nidt zurüdzuziehen, wie es eine Versammlung von Haupt- lehrern im ®rhbeinish - westfälishen Industriebezirk gewünsht habe. pes bittet der Redner, den durch Schullasten ohnebin {on stark

elasteten kleineren Landstädten, wo solhe Rektoratsschulen bestehen, Staatszushüsse zur Unterhaltung dieser Schulen auch weiterhin ¿u

gewähren. | Abg. Tourneau (Zentr.): An vielen Orten müssen noch

kfatholishe Privatshulen bestehen, weil die evangelishen Gemeinden niht genügendes Entgegenkommen zeigen, während umgekehrt die evangelishen Privatshulen durch das Entgegenkommen katholischer Gemeinden beseitigt werden könnten. Die Lehrer an den Privat- \hulen sind in s{wieriger Lage, weil fie bei der Uebernahme in den Volks\chuldienst behufs Anrechnung ihrer Dienstjahre in den Privat schulen hohe Beiträge für die Alterszulagenkasse nachzabhlen müssen. Allerdings gibt der Staat für diesen Zweck Unterstüßungen, aber der Fonds reiht nicht aus, und ih bitte den Minister, höhere Mittel dafür zur Verfügung zu stellen.

Zu dem Fonds für die Entschädigungen an Ser UNL VEULEriN Uen Jx Die Delinahme an amtlichen Kreiskonferenzen liegt ein Antrag des Zentrums vor, der eine Erhöhung des Fonds wünscht, um höhere Tagegelder und Fahrkosten gewähren zu können.

Der Antrag wird auf Vorschlag des Abg. Marx (Zentr.), dem die Abgg. Dr. von Campe (nl.) und Graf Clairon d'Haussonville (konf.) zustimmen, der Budgetkommission überwiesen.

Abg. Student (freikons.): In der Mark Brandenburg, dicht vor den Toren von Berlin, gibt es noch Orte, wo 50 Kinder aut- wärtige Schulen besuhen müssen. Dadurh werden dite Arbeiter- verhältnisse derartig vershoben, daß man dorthin überhaupt keine Arbeiter bekommen kann. Nun follen bei 40 Kindern in einer Ge- meinde selbständige Schulen errichtet werden, und dieser Bestimmung nachzukommen versäumt die Regierung. Ich bitte dringend, diesem Uebelstande abzuhelfen.

Bei dem Fonds für die Ostmarkenzulage und die besonderen Remunerationen "d die Lehrer in den ehemals polnischen Landesteilen bemerkt

Abg. Stanke (Zentr.): Hätte man in Oberschlesien die polnische Muttersprache in der Volkeshule mehr berücksichtigt und nicht den Chauvinismus in die Schule getrieben, so hätten wir jexzt niht den traurigen Zustand, daß Tausende polnisher Mitbürger in Oberschlesien zwar deutsch s\prehen, aber deutshfeindlich sind. Hâtte man nach unserem Vorschlage verfahren, so hätte niemals eine folhe Feindschaft in Oberschlesien gegen das Deutschtum entstehen können. Der Oftmarkenverein spricht nur von einer Förderunyg des Deutschtums, tatsählih handelt es sich aber bei uns niht so um die Förderung des Deutshtums als vielmehr um dic Unterdrückung der polnishen Sprache. Infolgedessen hat jeyt die Sozialdemokratie, die früher bei uns auf dem Lande ganz unbekannt war, Eingang gefunden. Lehrer, die Organisten sind, haben die Kirchenlieder nit einüben wollen, wohl in der Besorgnis, daß ihnen die Ostmarkenzulage entzogen werden könnte. Wenn in dieser Weise die Germanisationspolitik noch auf die Kirhe übertragen wird, 10 werden die Zustände in Oberschlesien unhaltbar. Die Retchstag2- wahlen haben uns die Mißerfolge einer folchen O gezeigt.

Abg. Faltin (Zentr.): Der Oberschlesier ist von Natur religiös. Es darf lediglich nach den Interessen des Staates, der Kirche und der oberschlesishen Bevölkerung verfahren werden. Et ist allerdings richtig, daß die Schule nationale Tendenzen verfolgen und den Zusammenhang mit der Mona: chie aufrechterhalten soll, aber es ist denno von der größten Wichtigkeit, daß sie, namentli beim Religionsunterriht, die Muttersprache berücksichtigt. Die Schule il! eine fittlih religiöse Erziehungsanstalt, aber keine Besserungsanstalk. Nur mit der Muttersprache spriht man zum Herzen des Kindes und macht es aufnahmefähig für die Religionswahrheiten. Deshalb muß der Neligionsunterricht in der MuttersprG@e erteilt werden. Andern- falls erhält nur die große polnishe Bewegung neue Nahrung- und von da kommen wir mehr und mehr zur Sozialdemokratie. Van

streichen. Sie (nach rets) weisen die Unterbeamten auf ihren Cid hin, die Unteibeamten haben aber heute die Ueberzeugung, daß ihre

hat stockdeutshe Lehrer in stockpolnishe Gegenden g-\chickt, diesc

Lehrer waren natürlih gar nicht in der La e, in polnischer S u unterrihten. Die Autorität der Kirche wir al F Traße ietät gegen die Eltern shwindet, die Noheitsverbrehen nehmen zu, i Ren (a egensige Mes vershärft. Daß das System ung kein richtiges ift, i Ö anerfan g g st, hat auch dieses Haus öfter n, worin dieser Herr, dem man wahrhaftig keine Polen- freundschaft zumuten kann, sagte, daß das volaiaS Kind in g E N dex t hueriprage es WEvEn müsse; auf den- ' andpun aben fi e . Graf Li -Sti Stöcker, von Heydebrand gestellt. M 4. M SRrum, Zu dem Titel „Dispositionsfonds für das Elementarshulwesen“ beantragen die Abgg. Dr. Aronso jn (fortshr. Volksp.) u. Gen. : : „die Regierung zu ersuchen, den Volks\hullehrern den Zutritt u den akademischen Studien in ähnlicher Art zu gestatten, wie A A reich S T den ¡Hroßberzogtümern Sachsen, ; nburg und in den Königreihen Bayern u ü s berg geschehen ist“. greih yern und Württem Die Abgg. Dr. v on Campe 2 u. Gen. beantragen : „Die Regierung wird ersucht, im nteresse des Volks\cul- mesens Einrichtungen zu treffen, durch welche Volks\{ullehrern eine bessere Möglichkeit zu einer wissenschaftlichen Fortbildung an preußischen Universitäten zum Zwecke der Vorbereitung auf den Dienst an den Mittelschulen, in der Leitung von Volks\chulen in ter Lehrerbildung und Schulaufsicht gewährt wird.“ : Abg. Dr. von Campe (nl.): Jn dem Lehrplan für di Seminare heißt es, daß den Schülern der D Srethee und Schillers mit ihren Zeitgenossen dargelegt werden soll ; wenn das geschehen soll, dann müssen aber diejenigen, die darüber dozieren, auch eine gute wissenshaftlißhe Vorbildun ge- nossen haben. Dieses Zrel verfolgt unser Antrag. Mit Rücksicht darauf, n unferer Lehrershaft immer neue hohe Aufgaben gestellt werden, ist es unbedingt notwendig, daß den Lehrern die Möglichkeit zu einer Nin Vorbildung gewährt wird, Der Beschluß des deutshen Lehrertages geht allerdings über das Ziel hinaus; das mögen vielleiht Zukun tsforderungen sein. Wir müssen jeßt eine Auslese treffen, damit immer nur bestimmte Persönlichkeiten zu einem Universitätsbesuch zugelassen werden. Es ift nicht der Zweck dieses Antrages, der Lehrerschaft die Möglichkeit zu geben, zu studieren, um dann in andere Berufe, z. B. in die Gymnasialkarriere, überzugehen, sondern wir wollen, daß diese Lehrer definitiv bei dem Elementarunterrihtswesen bleiben. Es ist fraglich, ob die Einrichtungen, die u Anti getroffen sind, genügen, um diese Zwecke zu erreichen. Wir haben jeßt Ausbildungskurse in erlin, Posen und Münster, die von sehr verschiedener Dauer gewesen find, jeßt aber wohl auf drei Semester bemessen werden. Es fragt fich, ob diese Zeit niht zu kurz ift, ob dadurch auch wirklich eine gute wissenschaftliche Biidung , die_ nicht nur oberflähliher Art ist, aewährleistet werden kann. Jeßt sollen nur Mittelshullehrer zugelassen werden; auch da fragt es si, ob nicht der Kreis weiter gezogen werden kann. Denn jett ist der Weg zum Mittelshullehrerexamen außerordentli s{hwer; mir hat ein Lehrer gesagt es mag vielleicht eine Ueber- treibung sein —, der Weg zum Mittelschullehrerexamen geht über Leichen. Eine weitere Frage ist die, ob die Einrichtung der Kurse, wie sie jeßt getroffen ist, rihtig ist; sie haben jeßt zu sehr Seminar- arakter. Alle diese Fragen können wir heute nicht beantworten; ih beantrage, unseren Antrag wie auch den der fortschrittlichen Bolkspartei der Unterrichtskommission zu überweisen. Auch die Frage der Abschlußprüfung muß in der Kommission eingehend erörtert werden; in Posen war eine pâädagogische Abschlußprüfung in Aussicht genommen, es ist aber \{ließlich bei der Fraimng in einzelnen Fächern geblieben. Es wird gesagt, daß von feiten der Universitäts- professoren Einwände gegen diese Kurse erhoben worden find. Aus Lehrerkreisen hat man sih aber an 49 Professoren gewandt; davon haben sich nur drei bis fünf ablehnend verhalten, über 40 Professoren haben den Forderungen der Lehrer zugestimmt. Es ist fogar hervorgehoben worden, daß gerade die Lehrer die aufmerk- samsten und erfolgreihsten Besucher der Kollegien wären. Es mag sein, daß die Seminarbildung niht der Gymnasialbildung ganz CORORRs ist; aber hier handelt es sich doch um die streb- amsten und ernstesten Elemente unter der Lehrershaft. In Sachsen hat man sehr gute Erfahxungen mit diesen Lehrern, die die Universität besuchen, den sog. Pädagogen, gemacht; sie haben das pädagogische Examen mit den besten Noten abgelegt. In der Lehrer- \chaft ist ein gewaltiger Elementardrang nach Bildung vorhanden. Uebertreibungen wollen wir zurückdrängen, aber das Streben selbst dürfen wir nicht unterdrücken. Unser aller Aufgabe ist es, daran mit- zuarbeiten, daß die Arbeit, die unsere Universitäten im örsaal und in dem Studierzimmer leisten, dem ganzen Volke zugute D

__ Minister der geistlihen und U i i D S Tr e PSTE A OaRg Ege Res

Meine Herren! Der Herr Antragsteller hat si zu seinem An- trag in zurückhaltender Weise geäußert. Er hat sih nit fest auf den Boden dieses Antrags gestellt, sondern hat hervorgehoben, daß dieser Antrag namentlich deshalb eingebraht worden sei, damit die in ihm berührten Fragen hier einmal eingehend geprüft und erörtert würden. Nun, die Unterrihtsverwaltung hat diese Frage und die damit in Verbindung stehenden Dinge einer sehr eingehenden Prüfung unterzogen, und auf Grund dieser eingehenden Prüfung ist sie zu den Maßnahmen gekommen, die Sie kennen, für die Ste im vorigen Jahre Mittel bewilligt haben und, wie ih hoffe, au in diesem Jahre Mittel bewilligen werden.

Ih habe schon bei den verschiedensten Gelegenheiten hervor- gehoben, daß es für unser ganzes Schulwesen von der größten Be- deutung ist, wie wir die Lehrerbildung ge|talten. Davon, wie wir unsere Lehrer ausbilden, wie wir die Kräfte für den Unterricht be- [hafen und sie heranbilden, ist die Blüte unserer Volksschule abhängig. Die Sorge für die Ausbildung der Lehrer ist deshalb die aller- wichtigste für die Unterrihtsverwaltung. Ich habe ja auch {on wiederholt hervorgehoben, wie wir dieser Aufgabe gerecht zu werden versuhen, tch habe hervorgehoben, wie wir bemüht sind, unsere Seminare immer besser zu gestalten und auf sie nah jeder Nichtung hin fördernd einzuwirken, und ih habe die einzelnen Maßnahmen, die E dazu in Aussicht genommen haben, hier ja hon hervorgehoben. Ich brauche daher auf sie nit wieder einzugehen und will mi auf diejenige Maßnahme beschränken, die hier zur Erörterung steht.

__ Der Herr Abg. von Campe hat an die Spitze seiner Aus- führungen den richtigen Sah gestellt, daß es sich bei allen diesen Maßnahmen in erster Linie um das Interesse der Schule handle. Es handelt sich darum, die Schule zu fördern. Selbstver- ftändlih wird, wie ja aus meinen vorhergehenden Ausführungen {on hervorgeht, die Shule dann gefördert, wenn wir uns tüchtige Lehrer ¿u verschaffen fuchen. Aber die Fortbildung der Lehrer hat eben diesen Zweck, den Stellen, die wir mit weiter ausgebildeten Lehrern beseßen müssen, tüchtige, geeignete Kräfte zuzuführen. Wenn man das fest- hält, meine Herren, dann wtrd man \ih der Frage des Universitäts- studiums so gegenüberstellen müssen, daß man fragt, ob dadurch dieser its erreiht werden würde, ob dur ein Universitätsstudium der ehrer der Zweck erreicht wird, für unsere Volksshule, für unsere Seminare, für die Mittelshulen die geeigneten Kräfte zu gewinnen.

Nun hat der Herr Vorredner mit Ret hervorgehoben, |

Ich weise z. B. auf eine Rede des Abg. e von

daß die Erfahrung lehre, daß mancher Lehrer j Studium an der Universität hervorragend “air Piy a 2 er dort wissenschaftlich gefördert worden ist, kurz, daß er ein guter Student gewesen is, Sie wissen, meine Herren, daß den Volks\hullehrern in Preußen durchaus die Möglichkeit gegeben ist an der Universität zu studieren. Sie können si dort mit der flelue Immatrikel eintragen lassen, weil fie im Besiß der einjährigen Be- rechtigung sind, können dort in der philosophis{.n Fakultät ein- geschrieben werden, dort 4 Semester studieren, und diese 4 Semester können mit Genehmigung des Ministers au noch erweitert werden Wie find denn aber nun unsere Erfahrungen auf diesem Gebiete? Meine Herren, die meisten von den Lehrern, die in der Lage waren, diesen Weg zu wählen, und ihn eingeschlagen haben, gehen der Volks- shule verloren, die suchen noch nachträglich das Abiturientenexamen zu machen und die höhere Lehrerlaufbahn einzushlagen. Also der Volksschule ist damit im wesentlichen nichts genußt. Jch weiß auch keinen Fall, wo ein Lehrer, der sihch in diesem Umfange dem Universitätsstudium ergeben hat, dann wieder in den Dienst der Volks- schule zurückgekehrt wäre.

Wenn wir nun aber die Fortbildung der Lehrer, die mir sehr am Herzen legt, wie ih immer wieder gern betone, fördern wollen fo ist es, glaube ih, das Richtige, daß wir besondere Einrichtungen zur Förderung der Lehrer treffen; und wenn demgegenüber auf die kleineren Bundesstaaten, auf das Köônigreih Sathsen, auf Württem- berg, glaube ih, auf Hessen hingewiesen worden ist, so ist es natürli in einem kleinen Staate sehr viel \{chwerer, solche besonderen Einrich- tungen zu treffen. Die greifen zu den Universitäten und suchen da den Bedürfnissen zu genügen. Der bessere Weg aber ift der, besondere Einrichtungen zu schaffen, und da möchte ih doch an die anderen großen Staaten erinnern, an Frankrei, an Oesterreich, die der Herr Abg. von Campe gemeint hat, wo auch besondere Einrichtungen ge- troffen sind.

Und wie sind denn nun unsere Einrichtungen, meine Herren? Es ist ja von diesen {on wiederholt die Nede gewesen. Wir haben einen \olhen Fortbildungskursus hier in Berlin, einen in Posen und werden mit Ihrer Unterstüßung hoffentlih in diesem Jahre auch noch einen in Münster bekommen. An diesen Kursen lehren nur Hochschullehrer und Gymnasiallehrer. Es ist dort ein durchaus hoh- \{hulmäßiger Betrieb. Sie sind nah dem Vorbilde der Uebungen eingerichtet, die an den Universitäten jeßt immer mehr eingeführt werden. Aber sie sind durchaus zugeschnitten auf das Bedürfnis, das für die Volksschule besteht, das für den Beruf besteht, in den die Kursisten demnächst eintreten wollen. Ih habe, glaube ih, auch {on in diesem hohen Hause gesagt, daß wir die Kurse in der Weise ein- gerihtet haben, daß zunächst gewisse Materien von allen Kursisten ge- hôrt werden müssen, Pädagogik und dergl., die also für jeden Lehrer notwendig sind; das wir dann aber die Materien, um eine möglichste Vertiefung herbeizuführen, geschieden haben; auf der einen Seite in naturwissenschaftlih-mathematishe Disziplinen, auf der anderen Seite in sprachlih-historishe. Ih glaube, daß wir damit das Richtige getan haben und durchaus auch entsprehend dem Ziele gehandelt haben, das Herr von Campe vorhin bier in den Vordergrund gestellt hat: wir wollen nicht eine allgemeine Bildung, sondern eine vertiefte Bildung auf gewissen Gebieten herbeiführen und in dieser Richtung unsere Lehrer fördern. (Sehr richtig! rechts.) Gerade das ist der Zwedck dieser Kurse, und ih hoffe, dieser Zweck wird voll erreiht werden.

Wenn wir nun aber diefe Einrichtung getroffen haben und wir sind doch erst im Anfang —, so würde es hon aus dem Grunde niht rihtig sein, nun wieder eine andere neue Einrichtung anzustreben und den Versuch zu machen, an den Universitäten noch irgend welche Einrichtungen für die Fortbildung der Lehrer ins Leben zu rufen. Lassen Sie uns doch wenigstens einmal eine Zeit lang mit diesen Kursen arbeiten. Die Herren, die ih dabei zu Nate gezogen habe, erfahrene Schulmänner, sind überzeugt, daß das ein guter Weg für die Erfüllung der Aufgabe ist, die wir im Auge haben, und fo wollen wir ihn doch auch jeßt mit aller Energie verfolgen und nicht mit neuen Projekten dazwischentreten und uns dadur vielleiht den Erfolg gefährden.

Der Herr Abg. von Campe hat eine Reihe von Fragen gestellt, auf die ich schon jeßt durchaus in der Lage bin, zu antworten; denn ih wiederhole: die Angelegenheit ist sehr reiflich und sehr eingehend im Kultusministerium einer Prüfung unterzogen worden.

Was die Frage anlangt, ob die bestehenden Einrichtungen ih verstehe darunter die 3 Kurse ausreichen, so kann tch ihm die Antwort geben, daß das zurzeit der Fall ist. Feder Kursus foll besucht werden von 30 Teilnehmern; der Bedarf an Seminarlehrern würde, wenn die Verhältnisse sich nit wesentli ändern, dur die Abiturienten der Kurse gedeckt sein.

Herr Dr. von Campe ist dann darauf eingegangen, daß die Vorausseßung für diese Kurse die Ablegung des Mittelschullehrerexamens sei, daß er aber wisse, daß an dieser Anforderung nicht überall fest- gehalten worden wäre. Meine Herren, wir sind im Beginn dieser Maßnahmen und es bestand früher jene Forderung nicht der Berliner Kursus besteht ja bekanntlißh s\{chon mehrere Jahre —; jeßt aber ist die Forderung gestellt: wir verlangen die Ablegung das Mittelshullehrerexamens für diejenigen, die an dem Kursus teilnehmen wollen, weil wir dadurch das wissenschaftliche Niveau dieses Kursus zu heben glauben.

Nun is Herr Abg. von Campe auf die Frage gekommen, wie wohl die Auswahl zu diesen Kursen stattzufinden hätte. Ich habe {hon erwähnt, daß die Aufforderungen hinausgehen und die Lehrer, die in den Kursus aufgenommen zu werden wünschen, sich bewerben können; soweit der Raum reiht, wird diesen Anträgen entsprochen. Im übrigen werden natürli diejenigen genommen, die sih am besten niht nur wissenschaftlih vorbereitet haben, sondern die sih namentli au beruflih bewährt haben. Wir wollen gerade die in der Praxis als tüchtig bewährten Lehrer gewinnen, um diese demnächst in die Seminar- und die anderen Stellen zu bringen. Denn darauf kommt es an, daß wir tüchtige Pädagogen- tüchtige praktishe Lehrer und nit nur solhe bekommen, die sich mit großem Eifer hinter die Wissenschaft gefeßt haben und sich buhmäßig ein Wissen verschafft haben. (Sehr gut! rechts und im Zentrum.) Deswegen möchte ih auch niht dem Vorschlage des Herrn Abg. von Campe. folgen, daß man hier Noten einführen sollte und je nah der Güte der Noten die Aufnahme in die Kurse vornehmen möchte. Jh glaube, daß die ganze Persönlichkeit dabei ins Auge zu

fassen ist, wie der Lehrer sich im ganzen als Lehrer bewährt und au als strebsamer Mann si felbständig vorgebildet hat. (Sehr richtig !)

Bei dieser Gelegenheit ist Herr von Ca mpe auch auf das Mittel-

es eingegangen und hat gewîsse Bedenken geäußert, ob nicht doch die Einrichtungen für die Ablegung des Mittelshullehrer- eramens zu erganzen wären, weil nach den jeßigen Verhältnissen damit Mißstände verbunden wären. Wir sind bemüht, da Ab- hilfe zu hafen. Ich muß anerkennen, daß es in der Tat für die Lehrer fehr {wer ist oder vielmehr sehr {wer gewesen ist, si zu diesem Mittelshullehrerexamen se bftändig vorzubereiten. Es sind da ays oft ret falsche Wege eingeshlagen. Es fehlte an der nötigen

nleitung, infolgedessen wurden oft Feblgriffe gemacht, indem unnötige Kraft bergeudet wurde und doch nit das erreicht wurde, was man eigentlih erwarten muß. /

Es sind nun jegt Einrichtungen in verschi ä k edenen Städt

Leben gerufen worden, mit denen durch die Heranziehung n u nasiallehrern die Möglichkeit gegeben ift, sih in geeigneter Weise zu dem Mittelshullehrerexamen vorzubereiten. Wir hoffen, daß diefe Einrichtungen sich noch vermehren. und dann wird ja au allgemein bekannt werden, wie und was in diesen Einrichtungen gelehrt wird. Das wird allgemein in der Lehrerschaft bekannt werden, und sie werden au daraus die Wege entnehmen können, die einzuschlagen find, um sich in geeigneter Weise zum Mittelshullehrerexamen vorzubereiten. i Meine Herren, wenn man solche Einrichtungen trifft, so ist man ja immer angewiesen, in eine größere Stadt zu gehen ; denn nur dort haben wir die Kräfte, die den Unterricht und die nôtigen Anweisungen erteilen und geben können. Das ift allerdings unerwünsht mit Rück- sicht auf die Landlehrer, die weit entfernt von solhen Städten wohnen und denen es deshalb nicht so leicht ist wie den Lehrern, die in der Statt oder tin unmittelbarer Nähe der Städte wohnen, an einem solchen Kursus teilzunehmen. Ich weiß aber keinen Weg, wie man diesem Mißstand Abhilfe shaffen kann, da müssen eben die Lehrer, die nit in der Nähe von solchen Orten wohnen, nah wte vor ih aus eigener Kraft zum Mittelshullehrerexamen vorbereiten, wie sie das auch bis- her getan haben. Erleichtert wird es ihnen aber immerhin, wenn folche Einrichtungen in den Städten bestehen, weil sie erfahren was dort gelehrt wird, und sie können \ich in ibren privaten Studien da- nach richten.

: Nun, meine Herren, ist es in der Tat do anzuerkennen, in wie weitem Umfange von der Lehrerschaft von der Möglichkeit, das Mittel shullehrerexamen zu machen, Gebrau gemaht wird. Es sind 9% der Lehrer, welche das Mittelshullehrerexamen machen, während in Sawhsen nur 50% der Lehrer von dem ihnen dort zur Fortbiïdung gebotenen Wege Gebrau maten, den Herr Dr. von Campe vorhin erwähnt hat.

Dann is der Herr Abg. Dr. von Campe ein l : / gegangen auf die Abschlußprüfung, die den Kursen anzufügen wäre. Diese Absluß, prüfung ist bereits cingerihtet in Posen, und wir find im Begriff sie au hier in Berlin einzuführen, und wir werden sie auch in Münster einführen. Ich habe neulih hier \{hon vorgetragen daß wir beabsi ti t , en, neue Cinrihtungen an den Seminaren zu treffen, daß wir E L Prorektorstelle einführen wollen, wesentlich aus dem Gesichtspunkte um das Lhrerkollegium der Seminare in geeigneter Weise muscmmen- seßen zu können, insonderheit au tüchtige Akademiker diesem Lehrer- kTollegium zu erhalten. Dabei ist nun auch verabredet worden, für die Anstellung als Lehrer an einem Seminar zukünftig zu verlangen, daß die Abshlußprüfung an den Kursen bestanden worden ist, sodaß wir da also damit die Auslese für die geeigneten Lehrkräfte an den Seminaren treffen. Wir hoffen, den Lehrbetrieb an den Seminaren dadurch zu fördern und zu verbessern, daß wir folche besonders vorgebildeten und geprüften feminaristishen Lehrer neben den dort zu verwendenden akademischen Lehrern in das Lehrerkollegium ziehen. Sie sehen also, meine Herren, und das werden Sie mir nicht bestreiten —, daß wir in der Tat in dieser so überaus wichtigen Frage volle Fürsorge treffen, und ih bitte Sie: kommen Sie uns jeßt niht {on mit neuen Projekten zwischen die Maßnahmen, die wir mit Ihrer Zustimmung getroffen haben ; sie find wohl erwogen, und ih glaube doch nit zu viel zu sagen, wenn ih behaupte, daß wir systematish, mit Zielbewußtsein vorgehen, und daß wir doch au annehmen dürfen, daß die Schritte, die wir getan haben, und die wir noch zu tun beabsihtigen, uns wirklich dem Ziele entgegenführen, welhes wir, Sie und ih, verfolgen. (Bravo!) Abg. Dr. Dittrich (Zentr.): Ich kann mit dey Ausfü des Ministers vollkommen einverstanden sein. Bisher E diesen Kursen nur die Lehrer zugelassen, die das Mittelschullehrer- examen gemacht hatten; der Antrag Campe geht weiter, er will alle Lehrer zulassen. Jh habe gegen beide Anträge Bedenken. Allerdings geht der Antrag Campe nit so weit, wie der Lehrertag in Königsberg 1910 ewünsht hat, daß die Volksschullehrer überhaupt zum Universitätsstudium zugelassen würden. Das Niveau der Kurse foll durhaus auf dem des Universitätsstudiums steben, aber gegeit die Zulassung der Lehrer zum Univer tätsstudium über- haupt aben Feosessoren und Lehrer gewihtige Bedenken erboben. Die Kurse sollen auch nit in Verbindung mit den Universitäten gebraht werden, ¿. B. sollen die Institute der Universi- täten nit gleichzeitig von den Lehrern und Studenten benutzt werden. Sind {on die Bedenken gegen den Antrag Campe C fo sind fie noŸh viel stärker gegen den Antrag Äronsobn, Der Wunsch der Lehrer, die Möglichkeit einer weiteren Ausbildung zu haben, ist wohl gerechtfertigt, aber diefer Antrag sieht fo aus, als solle den Lehrern überhaupt eine höhere wissen chaftliche Laufbahn eröffnet werden; auf diesen Standpunkt hat sh der Lehrertag von 1904 gestellt. Braut denn der Lehrer eine folhe böbere Ausbildung für den Unterricht in der Schule? Nur für die böberen Stellen, die Seminarlehrerstellen, die Oberlehrerstellen usw. ist eine weitere Nano wünschenswert, und dafür genügt die jeßige Ein- nd der A pit fer “ais, Lal fs Unterrihtskommission ese Frage eingehend prüfen un offent i | kommen, das die Lehrerschaft befriedigt. 4A R TEEEE Abg. Dr. S chep þ (fortshr. Volksp.) : Ich stehe allerdings auf dem Standpunkt des Lehrertages von 1904, aber unser Antrag geht ausdrüdcklih niht fo weit, er will nur eine ähnliche Einrichtung, wie fie in einigen anderen Bundesstaaten besteht. Die Bildung der olks\hullehrer reiht vollkommen aus, um an der Universität studieren zu können. Jh begrüße es als einen großen Fortschritt, gas die Kurse in Berlin, Posen und Münster eingerichtet sind; die Lehrerschaft erkennt an, daß dadurch eine Hebung des ge- samten Lehrerstandes Merten hat, und es ift besonders zu be- arüßen, daß jeßt eine Abschlußprüfung eingerihtet werden soll. ür die Zula vas zu diesen Kursen soll auch die praktische Zewährung im Berufe maßgebend sein, denn es hat tats le lih keinen Zweck, einem unpraktishen Lehrer eine höhere Aus- bildung zu geben und ihn dann auf die Seminaristen loszulassen. Wir wollen durch unseren Antrag: nur das Tempo in der weiteren: Ausbildung der Lehrer etwas beschleunigen. In der Kommission:

können wir eingehend über die Frage beraten, und i t mi dem Antrage auf Ueberweisung der Anträge an die Ünte@ T

kommission an.

ies vie Gi ifier P R E

E E H R,