1912 / 76 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

RA S E

C L E E

Königliche Friedrih-Wilhelms-Universität.

Bekanntmachung.

Die Immatrikulationen bei der hiesigen Universität für das kommende Sommerhalbjahr beginnen am 15. Aprik und

Mai d. I.

eder, der immatrikuliert zu werden wünscht, hat si zuvor bei förtner der Universität mit einer Zulasfungskarte zu ver- sehen. Ort und Stunde der Immatrikulation wird bei dieser

e mit dem 4.

dem

Gelegenheit mitgeteilt werden. Beh

ufs der Immatrikulation haben, vorzulegen, und zwar sämt- liche Falle im Original:

Die Studierenden, welche die Universitätsstudien erst

beginnen: i s S E a. Angehörige des Deutschen Ne Datiengs Neife- zeugnis einer höheren Lehranstalt, welches für die Zulassung

zu den ihrem Studienfah entsprehenden Berufsprüfungen

in s Heimatstaate vorgeschrieben ist. Genügt nah den bestehenden Bestimmungen für ein Berufsstudium der Nach- weis der Reife für die Prima einer neunstufigen höheren Lehranstalt, so reiht das auch für die Immatrikulation aus. b. Ausländer: ausreichende Legitimationspapiere, Paß 2c.

und amtliche Zeugnisse über die erlangte Schulbildung.

2) Die Studierenden, welche von einer anderen Üniver]ität fommen: die zu 1 geforderten Zeugnisse und ein Abgangszeugnis jeder der früher besuhten Universitäten. ;

3) Außerdem hat jeder eine sorgfältig ausgefüllte Personalkärte mit pen eugnissen abzugeben. Formulare sind bei dem Pförtner u haben.

: Sn fti e männlihe Angehörige des DeutshenNeichs, welche ein Reifezeugnis nit erworben, jedoch wenigstens das- jenige Maß der Schulbildung erreiht haben, welches für die Er-

au der Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Militärdienst vor- es

L

rieben ist, können mit besonderer Erlaubnis der unterzeihneten Pram ion auf vier Semester immatrikuliert und - bei der philosophishen Fakultät eingetragen werden. /

Die bezüglihen Gesuhe sind unter Beifügung der Zeugnisse ersönlih an den Universitäts\ekretär abzugeben. Formulare zu den- felben fönnen bei dem Oberpedell in Empfang genommen werden.

Neichsinländerinnen dagegen, im Falle sie nicht das Neife- zeugnis bezw. das Zeugnis der Reife für die Prima besißen, sowie Ausländerinnen in allen Fällen bedürfen zur Immatrikulation der Ea des Herrn Ministers der geistlihen und Unterrichts- angelegenheiten. ) i L O

Die Gesuche, denen alle peugnisse beizufügen sind, find im Zimmer Nr. 8 der Universität abzugeben.

Berlin, den 22. März 1912.

Die Immatrikulationskommission der Königlichen Friedrih-Wilhelms-Universität. Lenz. Daude.

Nichlamllicßes.

Deutsches Rei ch. Preußen. Berlin, 26. März.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Cor- moran“ am 17. d. M. in Matupi, S. M. S. „Bremen“ am 23. in St. Thomas (Westindien), an demselben Tage S. M. S. „Panther“ in Duala (Kamerun) und S. M. S. „Eber“ in Lüderißbucht, ferner S. M. S. „Emden“ am 25. in Tschifu angekommen.

Württemberg.

Ueber den E influß der Wehrvorlage auf Württem- berg erfährt der „Schwäbishe Merkur“ folgende Einzelheiten:

Beim württembergischen Kontingent sind auf Grund des Friedens- präsenzgeseßes von 1911 im Herbst vorigen Jahres zunächst in Zugang ekommen vier Maschinengewehrkompagnien, die aus bis dahin vor- läufig abkommandierten Mannschaften gebildet wurden, und je ein Kontingent bei den Eisenbahntruppen, den Luftschiffern, Kraftfahrern und Telegraphentruppen. Nach demselben Geseß, das nunmehr \hleunigst durhgeführt werden foll, werden nah der neuen Heeresvor- lage im Lauf dieses und des nächsten Jahres hinzutreten : eine Land- wehrinspektion, etn Bataillon Infanterie, sechs8 Maschinengewehr- fompagnien, eine Eisenbahnkompagnie, eine Trainkompagnte und ein Detachement bei der Fliegertruppe. Außerdem werden die Regtments- stäbe der Infanterie und der Feldartillerie durch Hinzutritt von Stabsoffizieren und Hauptleuten verstärkt und die Etats an Mann- schaften und Pferden bei fieben Insfanteriebataillonen, dem Pionier- bataillon sowie bei sämtlichen Kavallerie- und Feldartillerieregimentern erhöht werden. Besondere Berücksichtigung finden dabei die Ba- taillone des in Straßburg stehenden Infanterieregiments Nr. 126, des Pionierbataillons Nr. 13 und die Feldartillerie, bei der u. a. die Batterien zu vier Geschüßen in solhe zu sechs Geschüßen umge- wandelt werden.

Großbritannien und Frland.

Jn der gestrigen Sizung des Unterhauses erklärte der Staatssekretär des Jnnern Mc Kenna, da die Verhandlungen noch \hwebten, werde die Beratung der Kohlengruben-Bill

auf heute verschoben. Frankreich.

Die Deputiertenkammer hat gestern laut Meldung des „W. T. B.“ einstimmig eine von der Regierung bereits gebilligte Resolution angenommen, in der die Regierung auf- gefordert wird, den Ausstand der Kraftdroschken- führer in Paris dur Schiedsgericht beizulegen. Ferner hat die Kammer einen Gesezentwurf angenommen, durch den die Entsendung bestimmter nah dem gemeinen Recht Verurteilter in die afrikanishen Bataillone vorgesehen wird. Dem Kriegsminister steht jedoch das Recht zu, die Entsendung hintanzuhalten. Auch Ds der Armee des Mutterlandes, die sih solher Taten der Disziplin- losigkeit shuldig gemacht haben, die sie als eine Gefahr für das Heer erscheinen lassen, sollen von jeßt an den afrikanischen Bataillonen zugeteilt werden können.

Die „France militaire“ meldet, daß die O ische Militärmission in Marokko aufgelöst und vom 1. März dieses Jahres ab eine \cherifishe Armee gebildet worden ist, deren Kommandant dem gleichzeitig als Kriegs- minister des Sultans fungierenden Oberbefehlshaber in Marokko untergeordnet ist. Die für diese Zwecke für 1912 vorgesehene Summe beläuft sih auf 16 Millionen. Allmählich werden die Stämme zum obligatorishen Militärdienst ge-

zwungen werden. Rußland.

Die internationale Konferenz für die Sicherheit der Seeschiffahrt ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in St, Petersburg vom Marineminister eröffnet worden, der die Delegierten im Namen des Kaisers begrüßte.

Ï

Die Plenarversammlung des Senats hat, obiger Quelle ufolge, für die Aufnahme jüdischer Juristen unter die ahl der tsanmwaltsgehilfen eine spezielle Genehmigung

des Justizministers für notwendig und auch die Festseßung des Prosentaqm der aufzunehmenden Juden für wünschenswert erflärt.

Ftalien.

Gestern nahmittag fuhren, wie „W. T. B.“ meldet, der Deutsche Kaiser und der König Viktor Emanuel sowie die Fürstlichkeiten auf Einladung des Königs nach der Jnsel Torcello, wo alte Baulichkeiten und die mit Ma Ee alte Kirche besichtigt wurden. Am Abend fand bei dem Kaiser an Bord der „Hohenzollern“ ein Mahl statt, nah dem den Majestiten eine große Serenade gebracht wurde. Um 101/24 Uhr verließ der König Viktor Emanuel nach herzlicher Verabschiedung vom Kaiser und den-Fürstlichkeiten die „Hohenzollern“ und trat die Rückreise nah Rom an. Heute früh ist die „Hohenzollern“, mit dem g dem Prinzen und der Prinzessin August Wilhelm .und der Prinzessin Viktoria Luise an Bord, begleitet von dem Kreuzer „Kolberg“, von Venedig abgefahren.

Griechenland.

Die neue Kammer seßt sih aus 181 Abgeordneten zu- sammen. Wie „W. T. B.“ meldet, sind bisher endgültig ge- wählt 147 An inger des Venizelos, 8 Theotokisten, 3 Zaimisten, 7 Mavromifalisten und 8 Unabhängige. Venizelos erklärte, die überwältigende “ray die das Volk ihm gegeben habe, werde es ihm ermöglichen, das Werk der völligen Hebung des Landes endgültig zu Ende zu führen.

Amerika.

Nach Blättermeldungen aus Asuncion hat die dortige vorläufige Regierung die Auflösung des Senats und der Kammer verfügt. Emiliano Gonzalez habe vorläufig die Präsidentschaft der Republik übernommen und werde die Wahl des Präsidenten, dek Senatoren und der Deputierten noch vor dem 1. Juli aus\schreiben. Das neue Kabinett sei mit Eusebio Ayala als Minister des Aeußern gebildet worden.

Afien.

In der Nähe von Schicho (Persien) hat nah Meldungen der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ eine Schlacht zwischen Regierungstruppen und Revolutionären stattgefunden. Die Regierungs8armee aus Urumtshi wurde geschlagen und verlor 1500 Tote, 80 Gefangene, 3 Geschüße und viel Munition und Proviant. Die Revolutionäre hatten 200 Tote. Auch in Meschhed hat zwischen Anhängern des ehemaligen Schahs und Konstitutionalisten ein ernster Kampf} stattgefunden. Jnfolge- dessen sah sich der Kommandierende der dort stehenden russischen Streitkräfte, General Riedko genötigt, die Herstellung der Ordnung und Sicherheit zu übernehmen.

Die Gesandten Deutschlands, Englands, Frankreichs und der Vereinigten Staaten in Peking haben ein gemein- sames Memorandum überreicht, in dem, wie „W. T. B.“ meldet, näch kurzer Darlegung der seit dem 27. Februar von der internationalen Bankengruppe über die Finanzierung der chinesischen Regierung gepflogenen Verhandlungen der Stand- punkt vertreten wird, daß die englisch-belgishe Anleihe einen Wortbruch darstellè,“ y@d gegen die neue Anleihe ent- schieden Einspry&} erhoben wird. |

‘Die chinesishe Regierung und der britishe Gesandte haben den im Januar gezeichneten Vertrag über die Vereini- gung der Kohlengruben von Kaiping und Lantscheu

ratifiziert. Afrika.

Wie „W. T. B.“ aus Larrasch meldet, dauert die Er- regung im Gebiete der Djebala infolge der Ausstellung spanischer Posten an. Es beißt, zwischen den Stämmen hätten Besprechungen stattgefunden, in denen der Plan zu einem Angriff auf Elksar gefaßt worden sei.

Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ aus Tobruk vom 24. d. M. versuchten mehrere feindlihe Ab- teilungen zu wiederholen Malen, die Befestigungsarbeiten an dem neuen Fort zu behindern, wurden aber von den italienischen Truppen mit Verlusten zurückgeschlagen.

Der Khedive von Aegypten hat gestern die alle zwei Jahre zusammentretende Nationalversammlung mit einer Rede eröffnet, in der er, dem „Reutershen Bureau“ zu- folge, auf die Maßnahmen der Regierung hinwies, die diese seit dem leßten Zusammentreten der Versammlung zur Förde- rung des Erziehungs8wesens und zur Wiedergeburt der arabi- schen Literatur getroffen habe. Die Regierung habe den Pro- vinzialbehörden 100 000 Pfund für Erziehungszwecke zur Ver fügung gestellt. Ferner sei die Bewässerung Mittelägyptens in Angriff . genommen worden, und es seien dadutch eine halbe Million Feddán (1 Feddán = 59 a) dem Anbau erschlo}ssen worden. Durch weitere Bewässerung, die durch die Erhöhung der Afsantalsperre möglih werde, würden weiterhin 1 250 000 Feddán der Bebauung erschlossen werden. Die Er- höhung der Talsperre sei kürzlih vollendet worden. Der Khedive berichtete ferner über die fortschreitende Verbesserung in den Wafßserverhältnissen der Deltaprovinzen Behera und Gharbiah sowie von der Absicht der Regierung, Sparkassen für die Fellachen einzurichten, und von ihrem Plane, die repräsentative Regierung den Jnteressen des Landes mehr an- zupassen.

Parlamentarische Nachrichten.

Jn der heutigen (35.) Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke und der Staatssekretär des Reichsschaßzamts Kühn beiwohnten, stand zunächst das Brüsseler Abkommen wegen Ver- längerung der Zuckerkonvention zur dritten Beratung.

Jn der Generaldiskussion bemerkle der

Abg. von Grabski (Pole): Die Zukerproduktion hat in der Provinz Posen einen großen Aufschwung genommen. Ich bedauere mit. meiner Pn, daß die Vertreter der Reichsregierung auf der Konferenz alle Wünsche der teutshen Zuckerindustrie unberülsichtigt gelassen haben und Rußland soweit entgegengekommen sind; das Ber- trauen dieser Industrie und der mit ihr in Verbindung stehenden Landwirtschaft in die Reichsregierung wird damit ershüttert. Schon auf der Generalversammlung der Zukerindustrielen am 24. Januar 1912 wurde geg°on die russishen Forderungen Einspruch erhoben. Rußland hat während der Ve:handlungen durch maßgebende Perfön- lihkeiten zum Ausdruck bringen lassen, daß, sobald die russischen Forderungen auf der Konferenz durchgeseßt seien, dies das Signal zu einer großen Steigerung des Nübenanbaues in Nußland sein werde. Nußland tut das Gegenteil von dem, was bei dem Vorhandensein

einer Ueberproduktion geshehen müßte; es sinnt nur darauf, den Rübenanbau zu fördern und seine Zucerindustrie zu heben. Dem gleihen Zwede dient ein am 4. März von dem russishen Finanz- minister in der Duma eingebrahter und von dieser angenommener Geseßentwurf. Noch vor 4 Iahren kam Nußland für den Weltmarkt mit seinem Zucker nicht ernstlih in Betracht.

(Schluß des Blattes.)

t

Jn der heutigen (45.) Sißung des Hauses der Ab- geordneten, welcher der Minister der geistlihen und Unter- rihtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz beiwohnte, bemerkte vor Eintritt in die Tagesordnung

Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Sie werden mit mir darin einverstanden sein, daß es dringend erwünscht ist, den Kultusetat noch vor den Osterferien zu erledigen und ihn niht als Torfo in die Tagung nah Ostern hineinzunebmen. Jh hatte ursprünglich die Absicht, Ihnen für heute einé Abendsizung vorzuschlagen, bin aber von den Vorsitzenden L Kommi'sionen gebeten worden, ihre Zirkel nicht zu stören. Ih werde nun aber jeden- falls morgen eine Abendsißurg vorschlagen. Sollten wir am Donnnerstag mit dem Kultusetat fertig werden, so würde unsere Arbeit beendet sein, wenn niht, so möchte ih Sié jeßt {hon darauf vorbereiten, daß ich genötigt sein würde, Ihnen für Freitag eine Sitzung vorzuschlagen, was ja auch {hon früher vor Ostern vor- gekommen ist. Die Redner der nähsten Tage möchte ih aber bitten, ih möglichste Beschränkung aufzuerlegen.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Beratung des Geseßentwurfs, betreffend Erweiterung des Stadt- kreises Lichtenberg.

Abg. Gantert (forts{hr. Volksp.) empfiehlt namens der pver- stärkten Gemeindekommission die Annahme des Geseßentwourfs.

Der Gesezentwurf wird in zweiter und darauf auch in dritter Beratung unverändert und endgültig angenommen.

Sodann wird die zweite Beratung des Etats des Ministeriums der geistlihen und Unterrichtsange- legenheiten für 1912 bei dem Fonds zu Beihilfen für Veranstaltungen Dritter zwecks Förderung der Pflege der shulentlassenen männlichen Jugend sowie zur Aus- bildung und Anleitung von für die Jugendpflege geeigneten Personen (11/4 Million Mark) fortgeseßt. Hierzu liegt die Denkschrist der Regierung über Jugendpflege in Preußen im Etatsjahre 1911 vor.

Die Abgg. Dr. Friedberg (nl.) und Genossen haben, wie in der vorigen Woche bereits mitgeteilt wurde, die Vor- legung einer ausführlihen Denkschrift beantragt, die namentlich ersihtlih machen soll, wie sich die Beihilfen auf Einrichtungen mit konfessionellem und solche mit paritätishem Charakter ver- teilen.

Die Abgg. von Goßler (kons.) und Genossen wollen Mittel auch zur Förderung der Pflege der \chulentlassenen weiblichen Jugend bereit gestellt wissen, während die Abgg. Cassel (fortshr. Volksp.) und Genossen Beihilfen für Veran- staltungen Dritter zum Schutz von Kindern vor Mißbrauch, Ausbeutung und Mißhandlun g wünschen. Außerdem wollen sie den Etatsfonds an geeignete Vereinigungen ohne religiöse oder politishe Rücksichten verteilt wissen. Denselben Antrag haben die Abgg. Borchardt (Soz.) und Genossen gestellt und

dahin erweitert, daß der Fonds insbesondere auh an die Orga- | nisationen und Veranstaltungen der freien Jugendbewegung |

verteilt werden soll.

Abg. D. Hackenberg (nl.): Unser Antrag, der {hon im

vorigen Jahre vorgelegen hat, damals aber niht zur Verabschiedung kam und legt von neuem eingebraht ist, is jeßt durch den Erlaß des Kultusministers über die Jugendpflege gegenstandslos geworden. Ie mehr man fih mit diefem Erlaß und den in ihm aufgestellten Grundsätzen befaßt, desto mehr muß man anerkennen, daß kaum ein geschlosseneres und klareres Bild von Zielen, Umfang und Mitteln der Jugendpflege gegeben werden konnte. Es ist da in jeder Beziehung alles getan, um Klärung auf diesem Gebiete zu hafen. Wir hören, daß eine großzügige Aufklärungsarbeit ein- geleitet worden ist. Der ganze Staat ist jeßt mit einem Neß von Ausschüssen für Jugendpflege überzogen. Weite Kreise haben da von neue Anregungen empfangen; die fihrenden Perfönlichkeiten, die hon bisher dieser Arbeit sich widmeten, find gesammelt, der Bund „JFungdeutschland“ zieht auch geeignete Kräfte aus der Armee und dem Beurlaubtenstande beran- Entwickelt die Bewegung fich so erfolgreih weiter, so wird man bald berechtigt sein, von dem Fahrhundert der Jugend zu reden. ‘Bestatten Sie nun auh mir zu den Ausführungen der ministeriellen Denkschrift einige Bemerkungen. Herr von Goßler hat gegen eine gewisse Einseitigkeit in der Sugendpflege seine warnende Stimme erhoben. Meinerseits halte ih die Pflege der körperlihea Entwicklung durch jede Art des Sports für einen Fortschritt, und ih gedenke hier au der unermüdlihen Bemühungen unseres Freundes Herrn von Schenckendorf}f und seiner Erfolçge. Ich verkenne niht, daß neuer- dings auh auf dem Gebiete des Sports allerlei Auswüchse si zeigen, daß man z. B. die Sportsieger wie Helden feiert. Aber das find doch nur Auswüchse, und zwar solche, die sich wohl nur in den Großstädten zeigen und die uns nihcht davon zurückhalten dürfen, anzuerkennen, was anzuerkennen ist. Fassen wir jedo den Begriff der Jugendpflege ern ins Auge, so müssen wir sagen, daß es mit Turnen, Wanderungen und Kriegs)pielen allein unter keinen Umständen getan ist. Diese Dinge find auch ein Mittel zum Zweck, aber nur zu dem einen Zweck, die körperliche Entwicklung zu fördern. Gewiß \ch{Gulen sie auch den Willen, stählen die Entschlußfähigkeit, gewiß sind sie geradezu un- entbehrlich, und es ist nmicht von ungefähr, daß nicht eist seit gestern und beute, sondern \chon seit Jahren unb Jahrzehnten dle religiösen Jugendvereine, die Jünglingsvereine das Turnen und Spielen in weitcm Umfange pflegen. Alles dies zugegeb:n, |sto muß sih doch die Jugendpflege in vollem Sinne des Worts ihre Ziele weiter \stecken. Sie muß die Jugend wieder mehr zu feiner geistigen Beschäftigung heranziehen; ter Jugendpfleger ¡muß sich auh mit dem einzelnen Schüler befassen, mit ihm sprechen, die SJugendpfleger müssen die älteren Freunde der Jugend sein oder werden, sie müssen thr Vertrauen cewinnen. Zu Pldhea Pflegern wird dann au die Jugend lhre: seits Vertrauen fassen. Vem Pfleger muß auch ein gewisses festes M allgemeiner Bildung eigen sein, und nihts von bureaukratischer Art darf ibm anhaîken. Die Jugendpfleger müssen ihres Amtes mit dem rechten Ernst walten, fie müssen befähigt sein, mit der Jugend ‘zu verkehren, Liebe zu ihr, Verständnis für se haben. Lehrer eignen sih ja sehr gut für diesen Zweck, ih möchte aber davor warnen, Lehrer au nur in he1vor- ragendem Maße damtt zu betrauen. Auf dem sechsten preußischen Lehrertage hat ein Referent gesagt: immer noch besser, wenn «in junger Mann einem sozialdemokratischen, als wenn er gar keinem Jugend- verein angehèrt. Ih muß anerkennen, daß dies eine Entgleisung war Man darf aker nicht vergessen, daß der Referent ein begeisterter Freund der Jugend ist, und daß er diesen Aussprrch in dem Zl- fammenhange getan hat, daß er es für richtiger hält, wenn die Jugend einem sozialdemokratisden Verein angehört, als wenn sie sich al ter Straße und in der Kneipe aufhält. Man ist auch auf die weiteren antungon jenes Lehrertages eingegangen und hat 1! z1m Gegenstand der Kritik gemacht, so namen!lih einen Vortrag über die religiöse Freiheit. Der betreffende Nedner führte aus: Das Kind ist religiós unfrei, der Jüngling soll religiös frei werden. Neligiös unfrei ist derjenige, der an Gott glaubt, weil es u Katechismus steht, weil ihm gesagt worden ist, daß es einen Go! gibt, wetl Vater und Mutter auch daran glauben. Ganz anders

führte der Redner weiter aus, steht es bei den Jugendlichen; diese haben eine Nei ung zur Kritik, und. das ist an \ich kein Fehler. Religiós frei ist derjenige, der seinen Gott in fih selbst sucht, der fi bei allem seinem Tun und Lassen an feinen Gott gebunden weiß. In der Denkschrift ist weiter die Rede von der Zu- sammenfassung der Kräfte für die Jugendpflege, von der Bildung von Ausschüssen, von der Gewinnung finanzieller Beihilfen usw. Das sind alles gute Zwecke, aber ih glaube, man hat dcch zu sebr gewissermaßen von außen nach innen und von oben nach unten ebaut. ie weitere Aufgabe muß sein, auch den inneren Ausbau Fir lebendig ins Auge zu sassen, In fehr ane1kennen8werter Weise hat der Kulkusminister in seinen Erlassen davor gewarnt, die Sache bureaukratisch zu machen. Es wäre nur zu wünschen, daß danah auch gehandelt wind. Es kommt weniger auf die Einrichtungen und Institutionen an als auf die Persönlichkeiten, die sie leiten. Deshalb ist zu wünschen, daß in die Auss{üsse und in die Leitung der Jugendpflege die richtigen , l wage ria hineinkommen. Falsch wäre es, wenn zu viel vom grünen Tisch regle- mentiert würde und wenn zu viel Berichte eingefordert würden. Diese Berichte stören nur die Tätigkeit der Jugendpflege. Zwischen Säen und Ernten auf geistigem Gebiete muß die nötige Zeit gelassen werden. Die Jugendpflege kann sih an die Fortbildunasschulen anlehnen, wenn je auch nicht mit ihnen amalgamiert wird. Die Grundsäße, die der Minister in seinen Erlassen über die Verteilung der Mittel aufgestellt hat, find durhaus gut; Vorsicht ist auf diesem Gebiete sehr am Plage. Da, wo in wenigen Jahrzehnten aus kleinen Dörfern großstädtische Gemeinden entstanden find, muß die staatlibe Unterstüßung am schärfsten einseßen. Wenn mir aber unterges{oben wird, taß ih bke- fürwortet haben foll, s die konfessionellen, die kirhlichen Veranstaltungen leer ausgehen sollen, so weiß. ich wirklich nitt, wie gerade ih dazu kommen sollte, die fktirchlihen Einrichtungen zum Aschenbrödel zu etniedrigen. Auh meine Fraktion tritt durchaus für eine paritätische Berücksihtigung ein. Ich bin fogar der Ansicht, daß unter Umständen die kirchlichen Einrichtungen gerade am energishsten unterstüßt werden follen, da sie es oft gewesen sind, die die Jugendpflege zuerst in Angriff genommen haben. Gerate die fkirhlichen Jugendvereine haben fih in einer geradezu musiergültigen Weise entwickelt; ich verweise auf den Westdeutshen Jünglingsbund, auf den Evangelishen Jünglings- verein in Essen, der ein vorbildlißes eigenes evangelisches Jugendhaus gegründet bat. Allerdings muß bei der Berücksichtigung der konfessionellen Vereine darauf gesehen werden, daß nicht un- nôtig Zwietracht gesät wird. Die evangelishe und die katholische Jugend müssen einander {äßen lernen. Aber was geschehen soll, muß recht bald geschehen. Die größte Schwierigkeit bietet die Ge- winnung von geeigneten Oen, Die sozialdemokratischen Anträge lehnen wir ab. ir müssen auf dem Gebiet der Jugendpflege mit der Sozialdemokratie kämpfen, denn wir - stehen hier in aus- gesproenem Gegensaß zur Sozialdemokratie; aber nicht durch Polemisieren und Poslitisieren, sondern wir werden dtesen Kampf dur eine aufbauende Arbeit in unseren Vereinen führen. Es ist ge- sagt worden, E die sozialdemokratishe Bewegung es herbeigeführt hat, daß staatlihe Mittel für diese Zwecke bereitgestellt worden sind. Das gebe ich Ihnen (zu den Sozialdemokraten) ohne weiteres zu. Aber hat nicht die zunehmende Pflege der Jugend in unseren Kreisen Sie eran seit dem Jahre 1910 in eine so ungeheure Regsamkeit auf diesem Gebiete einzutreten und die früheren guten Bahnen zu verlassen? Jhre Jugendpflege liegt niht im Interesse der Jugend. Die Sozialdemokraten wenden \sich vorwtegend an die kritishe Ver- anlagung der Jugend; damit vergällen sie der Jugend die Freude am Leben und pflanzen ihr Haß ein gegen alles Bestehende. Wir stehen auf dem entgegengeseßten Standpunkte. Wie der Kampf aus- gehen wird, wissen wir nicht ; aber wenn Sie (zu den Sozialdemo- traten) das Gemütsleben ganz hbintanstellen, so werden Sie Wirkungen erzeugen, die Sie selbst nicht wollen. Das deutshe Gemüt schreit immer wieder nach Leben.

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Zur Loknbewegung der Bergarbeiter in Oberschlesien (vgl. Nr. 75 d. Bl.) wird dem „W. T. B.* aus Beuthen gemeldet, daß der Streik auf der „Gottessegengrube“ und dem „Hilde- brandschacht“ beigelegt ist. Die Belegschaften des Hildebrand- und des Aschenbornshahts sind heute wieder angefahren. Als Zu- geständnis ist den Arbeitern eine 7# prozentige Negelmäßigkeitsprämte zugebilligt worden. Eine in Radzionkau am Sonntagnach- mittag abgehaltene große Bergarbeiterversammlung hat eine Entschließung gefaßt, in der von sämtlichen Grubenverwaltungen eine Aufbesserung der Schichht- und Häuerlöhne um 15 9% gefordert wird. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, daß, falls bis zum 27. d. M. nicht eine allgemein befriedigende Antwort an die Gewerk- schaften eingehen sollte, die Arbeiter ¿n den allgemeinen Aus- stand eintreten würden.

__ Der Ausstand in der oberfränkishen Porzellan- industrie (vgl. Nr. 55 d. Bl.) ist, wie der „Frkf. Ztg.“ aus Hof bcrichtet wird, beigelegt worden, nachdem Verhandlungen zwischen

Arbeitern und Arbeitgebern vorangegangen sind, die eine Woche in Anspruch genommen haben. Am Montag wurde die Arbeit wieder aufgenommen. Der Streik hat für beide Teile mit ziemlich be- friedigendem Ergebnis geendet.

In Hamburg haben, wie die „Frkf. Ztg.“ erfährt, die Hafen- arbeiter in geheimen Versammlungen, die am Sonnabend und Sonntag stattgefunden haben, bes{hlossen, den Arbeitgebern die Forde- rung auf Gewährung ciner Lohnerhöhung zu unterbreiten. Es handelt fich dabei niht nur um die eigentlihen Hafenarbeiter, sondern auch um die O der Maschinisten und Heizer organi- serten Kran rer. In welcher Höhe diese Forderungen erhoben werden follen, ist noch niht bekannt. Eine Reihe von Hafenarbeiter- beruféarten haben bereits am 20. November v. J., ohne daß einc t trei gestellt worden war, eine Lohnerhöhung um 20 „5 den Tag

alten.

Das Ergebnis der vorgestrigen in zahlreihen Orten des böhmi- \hen Kohlenreviers abgehaltenen Versammlungen is, wie „W. T. B.* meldet, daß der Ausstand im Brüxer und Duxer Bezirk weiter um \ich gegriffen hat. Im Aussiger und Falkenauer Bezirk ist der Auétstand neuerlih ausgebrohen. Im epliver Bezirk ist der Ausbruch des Streiks zu erwarten. (Val. Nr. 75 d. Bl.)

Die getrennten Verhandlungen der englishenNegtierung mit den Grubenbesigern und den Bergleuten dauern noch fort. (Val. Nr. 765 d. Bl.) Der Regierung ist es, „W. T. B.* zufolge, Ben noch nit gelungen, die beiden Parteien zu einer gemeinsamen Slßung zu vereinigen. Ein Telegramm aus Glasgow meldet, daß die allgemeine Abkehr der Bergleute vom Streik ghrschein ih ist. Tausend Bergleute haben die Arbeit in

ellshill (Grafschaft Lana1k) gestern wieder aufgenommen ; ungefähr weitere tausend auf anderen Zechen.

Aus Lille wird dem ,W. T. B." gemeldet, daß in dem dortigen

ohlenbecken die Arbeit im allgemeinen wieder aufgenommen worden ist und die Truppen sich in ihre Kasernen zurückgezogen haben.

Im Hafen von Gent haben laut Meldung des „W. T. B.“ aus Brüssel tausend Hafenarb eiter, die Lohnerhöhungen verlangen, die Arbeit niedergelegt. lu In einer in Newhaven (Connecticut) abgehaltenen Versamm- dsl bon Direktoren der Eisenbahngesellshaften, die fünfzig : ihe Bahnen vertraten, wurden, ,W. T. B.* zufolge, die For de- erden der Lokomotivführer auf Erhöhung der Gehälter ab- Di ehnt. Die Lokomotivführer ihrerseits baben dem Auss{uß der

rektoren ‘von 50 östlichen Bahnen erklärt, sie könnten-die Ablehnung

der verlangten Lohnerhöhung niht annehmen und bestünden auf ihren Forderungen.

(Weitere „Statistishe Nachrichten“ \. i. d. Zweiten Beilage.)

Kunst und Wisseuschaft.

Die Generalverwaltung der Königlichen Museen hat die folgende Besuchsordnung für die Königlihen Museen im Sommer- halbjahr aufgestellt : A

Das Alte, Neue, Kaiser-Friedrih- und Kunstgewerbe- museum, das Museum für Völkerkunde sowie die Sammlung für deutshe Volk skunde sind an den Sonntagen und an den zweiten Tagen der höheren Feste im April bis September von 12 bis 6 Uhr geöffnet. Montags bleiben die Museen wegén der Reinigung geshlofssen; ausgenommen hiervon ist das Museum für Völkerkunde, das Montags geöffnet und dafür Dienstags geschlossen wird, damit Wochentags stets eines der Museen in der Königgräßer- und Prinz Albrecht-Straße dem Publikum zugänglih ist. An den übrigen Wochentagen werden die Museen um 10 Uhr Morgens -geöffnet und um 4 Uhr geschlossen, nur im Kaiser-Friedrih-Museum erfolgt auch Wechentags die Schließung zu denselben Zeiten wie an den Sonntagen.

Die Bücherei des Kunstgewerbemuseums is Wochentags von 10—10 Uhr geöffnet.

Am Karfreitag, am Himmelfahrtêtag und am ersten Oster- und ersten Pfingstfeiertag bleiben die Museen geschlossen.

Der Besuch der Museen is unentgeltlich bis auf das Kaiser- Friedrich-Museum, in welchem Dienstags und Mittwochs 50 4 Ein- trittsgeld erhoben werden.

Das Geologische Departement von Canada beabsihtigt ,W. T. B." zufolge im Sommer eine Forschungsreise in das Polargebiet auszurüsten. Die Expedition soll unter Führung der Herren Borup und Mac Millan stehen, die Peary auf seinen Nordpolfahrten be- gleitet haben. Aufgabe der Reise ist die Erforshung des von Peary entdeckten Crookfslandes und, falls dies niht gelingt, wissenschaftliche Beobachtungén im Ellesmoreland und Grantland.

Wie tief dringt das Liht ins Meer ein? Die Ent- deckung der höchst eigenartigen Lebewelt der grolen Meerestiefen war eine der seltsamsten Ueberrashungen, die die Naturwissenschaft des 19. Jahrhunderts brate. Man hatte es überhaupt niht für möglich gehalten, daß in Tiefen von 5000 m und mehr noch lebende Wesen hausen könnten, denn man glaubte, daß Licht und Luft in jenen Ab- gründen vollkommen feh'ten. Nun hat ih aber herausgestellt, daß die eigentlihe Lebensluft der Tiere, der Sauerstoff, bis auf den Meeresboden herabdringt, sodaß die Tiere in allen Tiefen zu atmen vermögen. Daß in jenen Schlünden auch Licht vorhanden ist, läßt sih jedoh kaum annehmen. Es fehlt allerdings nit völlig an Licht- ersheinungen, diese werden aber lediglch von den Tiessee- tieren selbst durch allerhand Leuchtorgane hervorgebraht. Das Sonnenliht vermag in solhe Tiefen nicht zu gelangen. Die Physik hat nun aber ein Interesse daran, festzustellen, wie welt Licht von gegebener Stärke in eine Wasserschicht einzudringen vermag. Auf der leßten Fahrt des „Michael Sars“, eines kleinen norwegishen Forshungs\{chiffs, hat daher Dr. H. Hansen Beob- achtungen über diese Frage angestellt. Er fand, wie ein Mitarbeiter der Jugendzeitschrift „In meinen Mußestunden“ (Stuttgart, Franckh\sche Verlagshandlung) erzählt, daß die Gesamtheit der Sonnenstrahlen bis zu einer Tiefe von 100 m eindringt, dabei aber {hon abge\chwächt wird, und zwar die roten Strahlen \tärker als die blauen. In 500 m Tiefe ist von den roten Sonnenstrahlen nihts mehr wahrzunehmen. Die violetten und ultravioletten Strahlen werden dagegen dur photographische Platten in 1000 m Tiefe noch nachgewiesen. Sie scheinen erst bei 1700 m völlig zu vershwinden.

Literatur.

_ Wiederholt ist an dieser Stelle auf die wertvolle Sammlung wissenschaftlih gemeinverständliher Darstellungen hingewiesen, die der Verlag von B. G. Teubner in Leipzig unter dem gemeinsamen Titel „Aus Natur und Geisteswelt“ herausaibt. Von den zahlreihen in den leßten Monaten ershienenen Bändchen der Sammlung, deren jedes dauerhaft gebunden 1,25 4 kostet, seien die folgenden fkurz hervorgehoben : In zweiter, neubearbeiteter Auflage liegt die Dar- stelung der Fragen der allgemeinen Geologie und physischen Erdkunde vor, die der Professor an der Universität Breslau Dr. Friy Frech unter dem Titel „Aus der Vorzeit der Erde“ verfaßt hat. Die Gesamtdarstellung umfaßt sechs Bändchen (207, 208, 209, 210, 211 und 61). SJedes der Bändchen behandelt einen in fich abges{chlofsenen Abschnitt: Die Vulkane einst und jeßt; Gebirgsbau und Erdbeben; Die Arbeit des fließenden Wassers; Vie Arbeit des Ozeans; Gletscher einst und jeßt und Steinkohle, Wüsten und Minen der Vorzeit. Die knappe, übersichtlihe, alle Haupt- fragen auf Grund der Ergebnisse der wl|ssenshaftliGhen Forschung erörternde Darstellung wird durch sorgfältig ausgewählte gute Ab- bildungen unterstüßt. Eine weite Verbreitung möchte man auh dem 141. Bändchen wünschen, das ebenfalls in 2. Auflage vorliegt. Dr. August Pfann ku che behandelt in ihm tn Form eines ge\schichtlichen Nückblicks „Religion und Naturwissenschaften in Kampf und Frieden“. Dem Büchlein, das sih durch eine objektive Darstellung aus- zeichnet, liegen Vorträge zugrunde, die der Verfasser |. Z. in Osnabrück vor einer aus allen Kreisen zusammengeseßten Zuhörerschaft gehalten hat. Auch das 232. Bändchen, in dem der Professor Dr. Oskar Walzel-Dresden die „Deutshe Romantik*“ skizziert, liegt in zweiter umgearbeiteter Auflage vor. Das Büchlein ist in seiner neuen Umarbeitung in hohem Maße geeignet, die Erkenntnis zu vertreten, wie bedeutend die romantische Epoche deutschen Geisteelebens für die Herkunft der modernen treibenden Gedanken und Bestrebungen ist. Neben der romantischen Weltanschauung ist in der Neuauflage au die romantische Dichtung eingehend behandelt worden. Im Auftrage der deutschen Kolonialgesellschaft (Abt. Berlin-Charlottenburg) gehaltene Vorträge liegen dem 98. Bändchen „Die deutschen Kolonien“ (Land und Leute) von Dr. A. -Heilborn zugrunde. Das Büchlein hat bereits eine weite Verbreitung gefunden, die es durchaus verdient; denn es vermittelt dem Leser in knapper Form eine große Fülle wissenswerten Stoffes in anscchaulicher, fesselnder Form. Auch die vorliegende, im Sinne der kausativen Geographie umgearbeitete Auf- lage, dürfte ihren Zweck, das Interesse für koloniale Fragen und das Verständnis für den Wert der t ne gebiete zu erwecken, durchaus erfüllen. Eine wertvolle Darstellung von Australien und Neuseeland, Land, Leute und Wirtschaft, bietet im 366. Bändchen ter Universitätsprof: sor Dr. R. S chachner- Jena. Die Dar- flellung beruht nicht nur auf einer gründlihen Kenntnis der einshlägigen Literatur, sondern auch auf persönlicher Vertrautheit des Verfassers mit Land und Leuten. Aus der Reibe der Bändchen, die sch mit Gesundheitsfragen be- schäftigen, sei das 47. hervorgehoben. Der Generalarzt Dr. med. Wilh. Shumburg, Universitätsprofessor in E i. E., be- schreibt in ihm die Tuberkulose, ihr Wesen, ihre Verbreitung, Ursache, Verhütung und Heilung; von demselben Verfasser find im 261. Bändchen aus dem gleichen Gesichtépunkte die Geschlecht s- krankheiten behandelt. Es ist erfreulih, daß von beiden Schriften \{hon zweite Auslagen nôtig geworden find, und man muß ihnen die weiteste Verbreitung wünschen. Sind die in thnen nah Ürsache und Wirkung beschriebenen Seuchen doch diejenigen, die am verbeerendsten unter den Kulturvölkern wüten; die von einem hervorragenden Fach- mann gegebenen Ratschläge, wte ihrer Verbreitung zu begegnen und wie ihre Heilung zu betreiben sei, verdienen allgemeine M Stun i Dem Interesse, das unsere Zeit einem ange vernachlässigten Teil der Kultur des - Altertums, der antiken aturwissenshaft und Mathematik, entgegenbringt, erwuchs die Darstellung, die im 370. Bändchen der Professor Or. T. L. Hetiberg- Kopenhagen den „Nat urwissenschaften und Mathematik im flasfifchen

Altertum“ im Rahmen der griehishen Kulturgeschichte gewidmet hat. Nach einem kurzen Ueberblick über die Sins ber ersten griehishen Philoscphen, vor allem der Pythagoreer, für vie exakten Wissenschaften verfolgt die Schrift den Gang der einzelnen Fach- wissenschaften, die \ich als selbständige Wissensgebiete allmählih von

der Philosophie lostrennten, vom 5. vorchristlihen Jahrhundert bis

in die byzantinische Zeit und bis zur Nenaifsance, der Schwelle der neuen Zeit, în der sie Männern wie Galilei und Kopernikus Grundlagen zur weiteren Forshung boten. Einem Bändchen, in dem die Mechanik der festen Körper behandelt wurde, hat der Geheime Pgiernage ras A. von Jhering - Gießen jeßt im 304. Bändchen eine furze Darstellung der Mechanik der flü*sigen Körper folgen lassen. Ausgehend vom Gleichgewicht ter Flüssig- feiten in Gefäßen, behandelt er das Shwimmen fester Körper in Flüssigkeiten, also die Lehre vom Auftrieb, die Stabi- lität \schwimmender Körper und das Schwimmen unter Wasser. Der Dns von Flüssigkeiten aus Gefäßen wird eingehend dargestellt, woran sich die Geseße der Bewegung von Flüssigkeiten in Rohrleitungen und offenen Kanälen anschließen sowie die wichtigsten Anwendungen der abgeleiteten Geseße, die Bewegung von Flüssigkeiten durch Maschinen (Pumpen) und die Bewegung von Maschinen durch \trömende Flüssigkeiten. Eine abshließende Dar- stellung der Mechanik gasförmiger Körper soll in einem dritten Bändchen folgen. Endlich seien, um die Vielseitigkeit der Samm- lung „Aus Natur und Geisteswelt“ zu belegen, noch die Bändchen 364 und 369 erwähnt. Jn jenem bietet der Hauptmann und Batteriehef im Fußartillerieregiment R. Weiß eine fknappe Darstellung der Handfeuerwaffen, ihrer Erfindung und Technik, in diesem der Tierzuchtdirektor Dr. G. Wildorf eine knappe Darstellung der wichtigsten Fragen und Aufgaben der Tier - züchtung. Bei aller Anerkennung der Vorzüge der vielseitigen und gediegenen Sammlung sei {ließlich ein Wunsch ausgesprohen. Er geht dahin, daß in den mit Recht weitverbreiteten Bändchen „Aus Natur und Geisteswelt“ mehr als bisher auf die Reinheit der deutschen Sprache binsihtlich der Fremdwörter geahtet werden möchte. Es handelt si in ibren Bändchen doch um „gemeinverständ- lihe“ Darstellungen, die der Leser im wesentlihen ohne Zuhilfenabme eines Verdeutschungswörterbuhes follte versteben können. Gewiß lassen sih wissenshaftlihe FachausètrüXe niht immer verdeutschen ; in sehr vielen Fällen jedoch ift das bei- gutem Willen durchaus mögli. Aber au über den Kreis der wifsen|haftlihen Fahausdrüde hinaus ist die Zabl der sonstigen, durchaus entbebhrlihen Fremdwörter in diesen Büchlein überaus groß. Es ift das ein Uebelstand, der leider der deutshen Schriftsprache im allgemeinen anzuhaften pflegt, und er E vorliegenden Fall doppelt sckchwer abzustellen sein, weil die Mehrzahl der Verfasser der sonst trefflihen Büchlein aus den engeren Gelehrtenkreisen stammen, in denen das Gefühl für das Verwerfliche des Fremdwörtermißbrauhs nicht stark zu sein pflegt. Vielleicht unternimmt es der Verlag, Wünsche in dieser Richtung seinen Mit- arbeitern gegenüber auszusprehen. Er wünde sih damit um tie deutsche Schriftsprache bei der großen Verbreitung, deren sich die trefflihe Sammlung erfreut, verdient machen.

Verkehr®wesen.

Wie erst jeßt hier bekannt geworden ist, ist bei dem Schiffbruch, den der Hamburger Dampfer „Ällegbany“ am 3. Februar auf der Fahrt von New York (Abgang am 1. Februar) nach Port-au-Prince erlitten hat, auch die ganze Post verloren gegangen. Nach Maßgabe der in Betracht kommenden Postdampferan\schlüsse aus Europa können sich auf dem verunglückten Dampfer Briefsendungen für Haiti befunden haben, die in Deutschland nah dem Postshlusse für den französfischen Dampfer ab Bordeaux am 18. Januar nah Port-au-Prince bis zum Postshluß für den deutshen Dampfer „Prinz Friedrich Wilhelm“ ab Bremen am 20. Januar, ab Southampton und Cherbourg am 21. Januar nach New Vork eingeliefert worden sind.

Anfang April erscheint eine neue Nummer des „Postblatts das eine Beikage zum „Reichsanzeiger“ bildet, aber auch für ih bezogen werden kann. Im „Postblatt“, das im Reichspostamt zusammen- gestellt wird, find die wihtigsten Versendungsbedingungen und Tarife für dostsendungen aller Art sowie für Telegramme enthalten. Auf die seit dem Erscheinen der vorangegangenen Nummer (Anfang Januar) ein- getretenen Aenderungen wird in der neuen Nummer durch besonderen Druck (Schrägschrift) hingewiesen. Das „Postblatt“ kann au neben anderen, umfangretcheren Hilfsmitteln für den Verkehr mit der Post und Telegraphie (Postbücher, Post- und Telegraphennachrichten für das Publikum usw.) mit Vorteil benußt werden, weil es diese bis auf die neueste Zeit ergänzt. Der Bezugspreis des „Postblatts“ beträgt für das ganze Jahr 40 „8, für die einzelne Nummer 10 „Z. Bestellungen werden von den Postanstalten entgegengenommen.

Theater und Musik. Königliches Schauspielhaus.

Ernst von Possart spielte gestern den Rabbiner Sichel in Erckmann-Chatrians „Freund Friß“. Die Königlihe Bühne hat dies diihterish niht sck{werwiegende, harmlose und idyllisWe Stück neu einstudiert, um dem Ebrengast Gelegenheit zu geben, diefe Nolle, die zu feinen Leblingérollen gehört, verkörpern zu fönnen. Pofsart carakterisierte den Rabbiner mit viel zarteren Strichen, als es Herr Pohl bei der Erstaufführung getan hatte. Sein NRabbi zeihnet sich weniger durch urwüchsigen Humor und s\chelmische Freundlichkeit als durch eine überlegene Sittlichkeit aus, der er in Mort und Tat nicht ohne Ironie Wirkung zu verschaffen weiß. Sicher läßt sich aus solhen Gesichtspunkten eine lebensvolle Figur schaffen, deren Wirkung wächst, je mehr ihr Charakter sch über die anderen mithandelnden Personen erhebt. Herrn Pobls Auffassung der Nolle hat aber doch wohl den Vorzug, daß sie in ihrer frisherzn Ur- wüchsigkeit sch besser in den Gesamtcharakter des Stückes einfügt, auch den Einfluß des Nabbiners auf seine banausischen Freunde wahrscheinlicher mat. Jedenfalls war Herrn von Possarts Darstellung feinsinnig durchdacht und siher gezeihnet, sodaß die Zuhörer ihr mit Anteil- nahme folgten und mit ihrem Beifall nicht kargten. Das Zusammen- spiel ließ nihts zu wünschen übrig; in den anderen Rollen boten wieder namentlich Herr Clewing als Freund“ Friß und Fräulein Thimig als Susel Treffliches.

Komische Oper.

„Die Here *; eine Operette in drei Akten von Rihard Jäger fand gestern abend in der Komischen Oper eine freundliche, wenn au nit immer ungeteilt beifällige Aufnahme. Richard Jäger zeigte fih an diesém Abend von erstaunlicher Vielseitigkeit; er hatte niht nur den Text und die Musik verfaßt, er hatte seine Arbeit auch in Szene geseßt und war außerdem noch als Dirigent tätig,. Bedeutsames wurde freilih auf keinem Gebiete geleistet; es aing aber alles gefällig und harmlos unterhaltend vonstatten. Der Text {hon bot keine Ueberrashung. Die Handlung spielte zwar nit in dem beute fo beliebten Ungarn, aber doch in Siebenbürgen, und das gab Veranlassung, bunte Volkstrachten zu malerisher Bühnen- wirkung zn vereinigen; es war au kein Zigeunerbaron, der dur die Liebe eines Mädchens von dunkler Herkunft das Schloß seiner Ahnen und ungezählte Neichtümer zurückgewinnt, aber doch wenigstens ein armer Graf und Husarenleutnant, und neben dem edlen, gefühlvollen Liebet paar fand fsih als Gegenstück das bekannte bäurisch lustige

ärchen; dazu gesellten sh als komishe Personen die verschiedenen Vâter: der alte Graf, der für seinen Sohn eine reie Braut su@t, und der reihe Goldhofbauer, der seine Steffi durchaus {E Gräfin machen will. Die Handlung rollt sich nach dem bekannten tten- muster ab. Die Personen werden erst tüchtig durheinander ge]{üttelt, bis zum S{luß fih die palsemen Liebespaare zusammenfinden.. Ferner sind in den Text verschiedene, zuweilen recht grobkörnige Kupletstrophen verstreut und eine reihlide Zabl mebr oder minder guter Wie. Dasselbe alltägliße Gepräge wie die Handlung trägt