1912 / 89 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Apr 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerium der geistlihen und Unterrichts- angelegenheiten.

Der bisherige Ortsschulinspektor, Pastor Friedxih Biewald aus Zedliß, Kreis Ohlau, ist zum Kreis\chulinspektor in Ragnit und

der bisherige Seminaroberlehrer Ludwig Saar aus Münsterberg i. Schl. zum Kreisschulinspektor in Stralsund er- nannt worden.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Dem Tierarzt Dr. Friedrih Müller zu Popelken im Kreise Labiau ist die Kreistierarztassistentenstelle zu Prostken, Kreis Lyck, übertragen worden.

Dem Oberförster Strauß (Heinrich) in Weimar ist die Oberförsterstelle Frißlar übertragen worden.

Dem S ranehor Freiherrn Riedesel zu Eisenbach in Königsberg i. Pr. ist bei seinem Ausscheiden aus dem Staats- dienst der Charakter als Oberförster verliehen worden.

Der Forstaufseher Herrgoß in Hammerstein ist zum Forstkassenrendanten ernannt worden.

Die Oberförsterstelle Ohlau im Regierungsbezirk Breslau is zum 1. Juli 1912 zu beseßen. Bewerbungen müssen bis zum 1. Mai eingehen.

Angekommen:

der Direktor im Justizministerium, Oberjustizrat Dr. Müge l.

Wirkliche Geheime

Qichtamtllitßes. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 12. April.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Bremen“ vorgestern in Bermuda eingetroffen.

Oesterreich-Ungarn.

Nach einer Meldung des „Ungarischen Telegraphen- torrespondenzbureaus“ hat der heilige Stuhl dem österreichisch- ungarischen Botschafter beim Vatikan offiziell erklärt, er stimme im Prinzip der Errichtung eines neuen griechisch-katholi- schen ungarischen Bistums zu, der Art, daß in dem Ge- biete des Bistums die Predigten, Gesänge und Responsorien von nun an in ungari\her Sprache, die Liturgie in altgriechi- her Sprache gehalten - werden. Das neue Bistum zählt 180 000 Seelen, von denen 150 000 Ungarn sind. Jn ganz Ungarn ruft die Entscheidung des heiligen Stuhls und die Unterstüßung, die die Nunziatur in Wien dieser Angelegenheit geleistet hat, große Befriedigung hervor.

Großbritannien und Frland.

Im Unterhause brachte gestern der Premierminister Asquith die irishe Home-Rule-Bill ein. Das Haus war dicht beseßt, aber doch nicht so stark, wie bei der früheren Einbringung der Vorlage in den Jahren 1866 und 1893.

Nach dem Bericht des ,W. T. B.“ erklärte der Premierminister Asquith bei der Einbringung der Bill, er möchte das Haus er- fuchen, zu erwägen, wie sih die Lage für oder gegen dle Home-Nule- Bill dur die Ereignisse seit 1893 gestaltet habe. Das Verlangen der Iren nah Home-Nule habe alle politischen Veränderungen seit 1893 unverändert überdauert. Asquith betonte dann den gewichtigen Charakter der für Home-Rule eintretenden irischen Stimmen und beschäftigte sch mit den Einwendungen der Unionisten von Ulster gegen die vorgeshlagene Aenderung. Er hätte niemals die Kraft und Entschiedenheit ihres Widerstandes gegen Home-Nule untershäßgt, und die Regierung habe sie bet der Abfassung der Bill wohl gekannt. Aber die Regierung könne einer relativ geringen Minderheit, namentlißh wenn für die Wahrung ihrer besonderen Interessen gesorgt worden set, der ungeheuren Mehrheit ihrer irischen Landsleute gegenüber kein Vetorecht einräumen. Home-Rule für Irland sei der erste Schritt zu etner umfassenderen Politik der Be- freiung des NReichsparlaments von der Notwendigkeit, sih mit rein örtlichen Angelegenheiten der verschtedenen Tcile des Vereinigten König- reis zu befassen, und zur Uebertragung dieser Angelegenheiten auf deren Sondervertreter. Das irische Parlament werde aus einem Senat und einem Hause der Gemeinen bestehen, doch werde die höchste Autorität des NReichsparlaments unbeeinträchtigt bleiben. Das Haus der Ge- meinen werde aus 164 Mitgliedern bestehen, von denen 59 Ulster ver- treten würden. Es sei sehr erwünscht, daß auch Vertreter der Minder- heit in Irland in den Senat kämen, der aus 40 Mitgliedern bestehen werde. Mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse Irlands werde der Senat zum ersten Male von der Reichsregierung für eine be- stimmte Zahl von Jahren ernannt werden, doch würden diese Mitglieder in einem gewissen Turnus ausscheiden und thre Pläße durch Mitglieder, die von der irishen Exekutive zu ernennen seien, ausgefüllt werden. Das irische Unterhaus werde nur die Befugnis zur Geseßgebung über Fragen, die aus- \chließlich Irland betreffen, besißen. A den Schuß der religiösen Gleichberehtigung würden besondere Bestin. mungen getroffen. § 3 der Bill solle verhindern, daß das irische Parlament direkt odec indireft ein Geseß erlasse, um irgend ein religiôses Bekenntnis einzu- führen oder zu begünstigen, oder feine frele Ausübung zu verhindern, oder irgend einen religiösen Glauben oder eine firchliche Zeremonie zur Bedingung der MNechtsgültigkeit einer Che- \chließung zu mahen. Diese Bestimmung sei getroffen, um jeden Ver- fu, den päpstlihen Erlassen und dem Motu proprio Ne temere durch die Gesetzgebung des irischen Parlaments Rechtskraft zu ver- leihen. unmögli zu machen. Der Lordlieutenant von Irland, der an der Spitze der trischen Crekutive stehen werde, würde die Vollmacht haben, gegen jedes Gefeß auf A Und der Reichsregierung sein eto einzulegen oder dessen Geltung aufzushieben. Bei Meinungs- verschiedenheiten zwischen S:nat und Gemeinen würden die beiden Häuser eine gemeinsame Siyung abhalten, gemeinscaft- lih beraten und abstimmen. Irland werde nur 42 Vertreter im Westininster Palace haben. Das irische Parlament werde die Machtbefugnisse besigen, innerhalb gewisser Grenzen die NReichésteuern herabzuseßen oder aufzuheben und die Verbrauchs- abgaben zu ändern. Asquith kam dann auf die finanzielle Frage zu \prechen und sagte, augenblicklich bestehe in der irischen Verwaltung ein Defizit von 14 Millionen Pfund Sterling. Bei der Bill set der Zeitpunkt zugrunde gelegt, wo es kein Defizit mehr geben würde. Fnzwishen würden aber alle Steuern weiter an den Reichsscha gezahlt werden und eine Summe in Höhe der irischen Berwaltungs- fosten werde vom NReichsshay an den- trishen Schay ge- zahlt werden. Ferner werde im ersten Jahre an Irland eine

Summe von 500 000 Pfund Sterling überwiesen werden, die #ch jährlih um 50000 Pfund verringern werde, bis der Betrag von 200 000 Pfund Sterling erreiht jei. Irland werde die Zinsen aller Ersparnisse in seiner Verwaltung erbaltcn. Asquith \{loß, indem er die Unterstellung entschieden zurückwies, daß die Regierung die Bill unter dem Druck der Nattonalisten eingebraht habe und daß sie den Ueberzeugungen der Nationalisten ihre persönliche und ihre politische Ehre ausgeltefert hätte. Die Regierung habe diese Bill eingebracht als die Verkörperung ihrer ehrlichen und wohlüberlegten Meinung.

Hierauf erklärte Carson im Namen der Opposition die Bill für lächerlich und phantastisch “und bezeichnete die in der Bill gegebenen Bürgschaften als Täushungen. Im Namen der Nationalisten be- grüßte Redmond die Bill als ein großes Werk, das geeignet sei, die Absichten ter Negierung zu verwirklihen, wenn die Bill am 25. April dem irischen Nationalistenkongreß zur Annahme unter- breitet werde. Er werde dem Kongreß dringend empfehlen, die Bill ‘an adi Macdonald begrüßte die Bill im Namen der Arbeiter- partet.

Die Debatte wird am Montag und Dienstag fortgeseßt

werden. Türkei.

Gestern hat, wie „W. T. B.“ meldet, in Konstantinopel unter großer Prachtentfaltung und mit allen militärischen Ehren die Bestattung des R et vonSamos Andreas Kopassis-Effendi stattgefunden. Vertreter des Sultans, der Regierung und des diplomatischen Korps nahmen

daran teil. Asien.

Die Mongolen haben sich, einer Meldung der „St. Peters- burger Telegraphenagentur“' zufolge, von den Republikanern abgetrennt und ihre Truppen an dem Tekes zusammen- gezogen. Der größte Teil der von den Chinesen ausgesandten Kundschafter wurde getötet. Die Regierung beschloß, zu ver- suchen, die Mongolen auf friedlihem Wege zu veranlassen, ihrem Vorhaben, eine eigene Republik zu gründen, zu entsagen, widrigenfalls gegen sie militärisch vorgegangen werden soll.

Afrika.

Wie „W. T. B.“ aus Rabat meldet, hat nah den leßten Kämpfen, in denen die Zemmurs shwere Verluste erlitten haben, die Bereitwilligkeit der Stämme, sich zu unterwerfen, zugenommen, sodaß wieder Ruhe im Lande einzukehren beginnt.

Die französischen Truppen unter Oberstleutnant Ferrand sind nah dem Kampfe bei Mahiridja am 9. d. M. nach dem Lager bei Pritissa zurückgekehrt, wo sie einstweilen ver- bleiben werden. Auf dem Schlachtfelde wurden etwa 190 tote Marokkaner gefunden, zu welher Zahl noch die von den Marokkanern mitgenommenen Leichen ehr sind, um die feindlichen Verluste zu schäßen. Nah Nachrichten aus Ein- geborenenkreisen haben die Beni Uarain und die Riata eine n Harka gebildet, die zwischen Taza und dem Muluya stehen soll.

Die „Agenzia Stefani“ veröffentliht folgende Einzel- heiten über die gelungene Unternehmung, die in diesen Tagen von der libyschen Küste aus in der Richtung der tunesischen Grenze ausgeführt wurde:

Einige Hochseetorpedoboote kamen am Morgen des 8. d. M. vor Zuara an und trafen dort Vorbereitungen für das Ankern der Schlachtschiffe, das am orge in zwei Linien parallel der Küste erfolgte. Man begann sofort Fn Bombardement auf die Oase, worauf zahlreiche Bewaffnete fn votbereitête Laufgräben eilten. Vor- estern wurde bei Tagesanbruch die Ausschiffüng von Truppen am östlichen Teil der Küste bet der oben genannten Oase vorgetäuscht. Troß des Schein- manöve18, das bis 4 Uhr dauerte, blieb der Gegner in setnen erften Stellungen und gab einige Salven ab. Während der Nacht wurde das Bombardewent langsam fortgesetzt, um den Feind in Zuara fest- zuhalten und um den in den ersten Stunden desselben Morgens in Beglettung von Kriegéschiffen aus Italien abgegangenen Truppen- transport abzuwarten. Nach seiner Ankunft beseßten zunächst Matrofen, denen dann Truppen und Kriecsmaterial folgten, die Halbinfel Macabez. Gestern vormittag ging ein Teil der Truppen von der Halbinsel aus vor, und um 11 Uhr gelang ohne Widerstand die Be- seßung des Forts Buchelec. Dank der starken Truppenabteilung konnte die Unternehmung wirkungsvoll durhgeführt werden.

Statistik und Volkswirtschaft.

Handelsgeschäfte und Verkaufsstellen für Nahrungs- und Genußmittel im Deutschen Reich und in Preußen in den Jahren 1882, 1895 und 1907.

Nach den gewerblichen Betriebszählungen von 1882, 1895 und 1907 find die Warenhanrdels8geshäfte aller Art in lebhafter Zunahme begriffen ; ihre Zahl hat sih erheblih mehr als die Bevölkerung ver- größert. Die mit Nahrungs- und Genußmitteln han- delnden Geschäfte insbesondere verfolgen die gleihe Richtung und übertreffen teilweise noch den Dur(schnitt der allgemeinen Zunabme.

Handelsgeschäfte, die fch mit dem Vertriebe von Nahrungs-.

und Genußmitteln befassen (XIX a Nr. 15—23 der Ordnung der Gewerbearten von 1907), gab es (Haupt- und Nebenbetriebe zusammcn) nach den Zählungen von 1882, 1895 und 1907 im ganzen Deutschen Reiche 153 819 bezw. 205 863 und 337 598, in Preußen allein 79 840, 113265 und 198 452. Die Vermehrung in 25 Jahren war demnach sehr ansehnlich; sie betrug für das Reich rund 119, für Preußen fogar rund 1499/%, d. h. reichlich 3&4- bis 4 mal so viel, als die verhältnis- mäßige Bevölkerungszunahme auêëmaht. Auf die Bevölkerung be- recnet, kam ein Handelsges{chäft dieser Art in denselben Zählungs- jahren im Neiche auf je 294 bezw. 251 und 183, in Preußen auf je 342, 278 und 191 Einwohner Man darf dabei aber nicht ver- gessen, daß ein Teil der Nahrungsbedüfnisse überhaupt nicht in Handelsgeschöften gedeckt wird, so z. B. nicht settens der landwirt- schaftlit)en Bevölkerung ter Bedarf an Grzeugnissen, die sie selbst gewinnt und verbraucht, so auch nicht ein Teil der Abgabe von Nahrungs- und Genußmitteln, die in Gast- und Schankwirtschaften verzehrt werden. Die Zunahme, mag fie sih auch nicht galeihmäßtg auf alle Sonderarten der hier zusammengefaßten Geschäfte ver- teilen, ist auffällig boch und der erreichte Stand geradezu besorgnis- erregend. Die Zahlen lehren nämlich, daß ein Geschäft dieser Art im Rethe {hon vor 25 Jahren durhschnitilich von nur 294 und 1907 gar nur von 183, in Preußen von 342 und 191 Köpfen bestehen sollte oder leben mußte. Dies „wäre nit gut mögli, wenn in der Zahl der Geschäfte (für die Nehnung also im Divisor) nicht die Ne benbetriebe und die Teil betriebe einbegriffen wären, deren Unternehmer nicht auf diesen Sonderzweig des Ge- schäfts angewiesen sind, sondern auch auf das Erträgnis anderer Geschäfts- oder Berufstätigkeiten usw. ih stügen können, wobei statistisch aber denno nicht ausgeschlossen ist, daß der hier gezählte Teilbetrieb die Hauptsache des Unternehmens sein kann. Das Gewicht dieser Teilbetriebe ist in der Gesamtzahl der Nahrungs- und Genuß- mittelgeshäfte übrigens doh nur auf 323 % im Reihe und auf 384% in Preußen zu veranschlagen. Es bleibt also auch bei Nichtberücksichtigung der Teilbetriebe im Durchschnitt noch eine so wenig zahlreihe Kundschaft für ein SUBAE vai in vielen Fällen nur von armseligen Eristenzen die Rede sein kann. Mag man auch die hier berehnete Durhschnittskundshast eines Nahrungs- und Genußmittelgeschäfts selbst um 50 9/ erhöhen, so bleibt sie wenigstens im Jahre 1907 noch ungewöhnlich niedrig. Sie kennzeichnet auf

diesem Gebiete einen so hochgradigen Wettbewerb, daß, wie ; au von Handelskreifea immer hervorgehoben wird, eine Ausgleichune der Preije ‘damit gesichert und eine Preisverteuerung durch de: Handel unwahrscheinlich gemacht fein müßte. Aber werden nicht aud die Fälle sehr zahlrei sein, in tenen wegen der Fülle des Miibewerbsz versucht wird, den notwendigen privatwirtschaftlichen Geschäftsnußen dur Herabdrücckung der Güte der Waren (mittelbare Preisverteue. rung) oder durch Hinauftreiben der Preise herauszuwirts{aften° Ernstlich kann nit behauptet und noch weniger bewiefen werden, daß ein breiter Mitbewerb durch eine große Zahl von Geschäften nur preisausgleihend und niht auch preisverteuernd wirke.

Die Lage der Handelsgeschäfte für Nahrungs- und Genußmitte[ wird aber noch vers{chlechtert durch die offenen Verkaufsstellen der Industrie der Nahrungs- und Genußmittel. Unlängst wurde hon nachgewiesen *), daß im Jahre 1907 beis 88,7 9/9 der Bätereien und Konditoreien, 72,7 9% der Fleischereien 48,5 9/6 der Kaffeebrennereien, 43,9 9/9 der Schokoladenfabriken usw eigene offene Verkaufsstellen unterhielten. Zur richtigen Beurteilun des Umfangs der Kundschaft müssen auch die offenen Verkaufsstellen der Nahrurgsmittelverarbeitungsgewerbe (Gruppe X111) berüdsihtigt werden. An folchen fanden sich im Neidße 205 400 und in Preußen allein 114986. Zäblt man diese zu den offenen Verkaufsftes der Handelsgeschäfte für Nahrungs- und Genußmittel, deren im Reiche 226 060 und in Preußen 132 160 ermittelt wurden, so hat man in 431 460 bezw. 247 146 Verkaufsstellen ungefähr die ganze Gelegenheit zum Einfauf der üblichen Nahrungs- und Genußmittel, und es kommen bei einer Berufszählungsbevöl!kerung des Jahres 1907 von 61 720 529 im Neiche und von 37 989 893 in Preußen auf jéde solche Verkaufs. stelle durchschnittlich nur 143 bezw. 154 Köpfe. Dieses Rechnungs. ergebnis läßt für viele Unternehmer die Lebensbedingungen des Warenvertriebs in Nahrungs- und Genußmitteln als sehr bescheiden ershetnen; denn die Zahl der Geschäfte, die niht einmal die vor- bezeichnete niedrige Durchschnittskundshaft haben, muß zweifellos groß fein. Ja, dieser Durhschnitt würde fich noch etwas verringern, wenn die mit „verschiedenen Waren“ handelnden Srigaste noch in Rechnung gezogen würden. Die offensihtlich über allen Bedarf hinausgehende Einrichtung von solchen Geschäften ist ein bedenk. licher Schaden unserer Volkêwirtshaft. Die Tatsache wird auch dadurch nicht erträglicher, daß durch einen so ausgedehnten Mit. bewerb eine preigausgleihende Wirkung erzielt werden kann, wenn doch die Daseinsbedingungen namentlich des Kleingeschäfts geradezu zu den anderen oben berührien Schädigungen der Volkswirtschaft führen müssen. Privatwirtshaftlichß kann man oft genug gerade auf diesem Gebiete den Untergang von Unternehmungen beobachten. Besser wäre es, deren weniger ins Leben zu rufen. Immerhin sind auch eintge Umstände hervorzuheben, die das Bedenkliche der über- großen Zunahme von derartigen Geschäften etwas mildern. Da ist zunächst zu bemerken, daß Invaliditäts-, Unfall- usw. Rentner in steigender Zabl ein kleines Geschäft eröffnen, um eine Einkommens erhöhung zu erzielen, und gerade der Nahrungs- und Genußmittel- vertrieb wird dazu gewählt, weil die meisten glauben, hierbei fei wenig Sachmännishes zu lernen. So wird die Zahl der Geschäfte erhöht und der Durchfchnitt erniedrigt, in neuerer Zeit bei dem Anwachsen der Zahl dieser Rentner mehr als früher. Weiter nehmen fortwährend gerade die Bebölkerungs\chichten besonders stark zu, die fast aus\ch{ließlid darauf angewiesen find, thre Lebenêmittel zu kaufen (gewerbliche Arbeiter- und andere städtishe Bevölkerung). Die Zahl der Geschäfte muß also rascher steigen als die Bevölkerung, ohne daß damit dem Bedarf vorangceilt würde. Schließlich mag derjenige, dem die durhscnittlihe Kopfzahl für das Bestehen eines Nahrungs- und Genußmittelgeschäfts als zu gering erscheint, berücksihtigen, daß in solhen Geschäften, namentliÞch in Kolontalwarenhandlungen, aud viele Dinge verkauft werden, die niht zur Nahrung bestimmt sind (Seife, Petroleum, Brenrspiritus usw.), wohl aber den Umsaß und Geschäftsgewinn erhöhen. (Stat. Korr.)

Zur Arbeiterbewegung.

Die Herrenmaßschneider Groß Berlins haben, wie die „Voss. Ztg.“ berichtet, gestern vormittag die Arbeit wieder aufgenommen. Nur in drei Geschäften wird noch weiter gestreikt, weil angebli die drei Arbeitgeber während des Kampfes den schon bewilligten Vertrag gebroh.n hätten. Im Reiche ist gleihfalls die Arbeitsaufnahme überall erfolgt, nur in Braunschweig verharren die Gehilfen noch gegen den Willen ihrer Organifationsleitung im Ausftande, weil ihnen die erreichten Zugeständnisse niht genügen (vgl. Nr. 87 d. Bl.).

Der Aufruf des ausführenden Aueschusses der Bergarbeiter von Südwales zur Wiederaufnahme der Arbeit hatte, wie „W. T. B.“ erfährt, bedeutenden Erfolg. Die Bergarbeiter fehrten gestern in großer Zahl in die Gruben zurück. Man erwartet, daß am Montag wieder die normale Lage herrschen wird. Der örtliche Cisenbahnverkehr ist wieder aufgenommen. Die Unruhen in den Kohlenrevieren von Süd- Lancashire haben mit dem Ein- treffen des Militärs aufgehört (vgl. Nr. 88 d. Bl.). In allen Gruben des Reviers follte die Arbeit gestern wieder aufgenommen werden.

In Lorient haben, „W. T. B.* zufolge, die Hafenarbeiter den allgemeinen Ausstand erklärt und au die Handlanger aller Werften dazu bestimmt, fich ihnen anzuschließen.

Unter den Angestellten der belgischen Kleinbahnen macht fich, wie der „Köln. Ztg.“ aus Brüssel berichtet wird, eine Lohnbewegung geltend. Seit einigen Tagen ist auf der elektrifch be- triebenen Linie Brüssel-Petite Epinette ein Teilausstand im Gange. Die Ausständigen versuhten mehrmals, die Arbeitswilligen durch Gewalt und Drohungen auf ihre Seite herüberzuziehen. Die Gefellschaft ist entschlossen, die Nuhestörer zu entlassen. Der Hauptverband der Trambahnen, dem etwa 4000 Bedienstete an- gehören, hat an die Gesellshaft die Aufforderung gerichtet, bis zum 15. April eine angemessene Lobnerhöhung und die Einführung der zehnstündigen Arbeitszeit zuzugestehen, widrigenfalls auf einer Anzahl weiterer Linien der Aus\tand beschlossen würde.

Aus New York wird dem „,W. T. B.“ telegraphiert: Dem neuen Lohnabkommen haben 90% der Weichkohlenbergleute ¡ugestimmt. (Vgl. Nr. 81 d. Bl.)

Weohlfahrtsvflege.

Die unter dem Protektorat Seiner Majestät des Kaisers und Königs stehende König Wilhelm-Stiftung für erwachsen Beamtentöchter hat soeben ihren 16. Bericht für die Jahre 1907/08 bis 1910/11 herausgegeben. Die im Jahre 1881 ins Leben getreten: Stiftung verfolgt den Zweck, die Wohlfahrt der erwachsenen Töchter aller derjenigen verstorbenen preußischen Staatsbeamten zu heben, die im Bereiche der Zivilverwaltung eine höhere oder eine mittlere Stelle bekleidet haben ; zur legten Gattung werden au Förster und Zollaufseher gerechnet. Die Stiftung sucht ihr Ziel auf doppeltem Wege zu erreichen, indem sie an unverheiratet gebliebene, mindestens 17 Jahre alte Töchter solher Beamten entweder einmalige und laufende Unterstüßungen zur Verbesserung der wirtsc{haftlihen Lage oder Stipendten zur Ausbildung in einem wissenschaftlihen, künsilertschen oder tehnishen Fache gewährt. Jn den drei Nechnungsjahren 1907/09 wurden 161 214 M4 an Unterstüßungen und 25185 A an Stipendien, zufammen also 186 399 verteilt, mithin durch\{nittlich im Jahre 62 133 6. Von dieser Summe gelangten 7 y. H. nah Berlin und 93 v. H. in die Provinzen; Töchter von höheren Beamte! erhielten 19 v. H. und Töchter von mittleren Beamten L O Der G ber. Cu Ur Berlin Di Verwaltung führt ein aus drei Mitgliedern bestehendes Kuratorium, das von Seiner Majestät dem Kaiser und König ernannt wird, und dem zwei vom Minister des Innern berufene stellvertretende Mik- glieder beigeordnet sind. Diesem Kuratorium steht in jeder Provinzial-

S O, V8 24, Sanuar 1912.

yom

des „Neichs- und Staatsanzeigers“

} bon und zu Trauttmansdorff, steht.

| oder das Bureau des Kaiserjubiläumsfonds für Kinderschutz

} und „hristlicher Wissenschaft". Wie

| und Nauwercks, ] gebnis war das gleiche, das die gesamte Politik des romantischen | Königs batte:

| Diels

hauptstadt eine Provinzialkommission zur Seite, deren Organe \ih als Vertrauensmänner_ über die ganze Provinz verteilen. Die An- forderungen an die Stiftung wachsen stetig und können aus den zurzeit vorhandenen Mitteln nur unzureichend befriedigt werden. Jm Intéresse - der zahlreihen notletdenden Beamtentöchter sei die Unterstüßung der tiftung daher, namentlich allen Beamten, nachdrücklich empfohlen. Um der Stiftung eine größere Bewegungsfreiheit zu ermöglihen, würde es {on genügen, wenn jeder e Ne Gmis jährlih wenigstens 3 4, jeder mittlere Beamte 6 beisteuerte. : Das Stiftungsvermögen belief sich Ende März 1911 auf 602 600 4; his zu dtefem Zeitpunkt waren seit Bestehen der Stiftung ausgezahlt worden: an einmaligen Unterstüßungen 9578 449 M, an laufenden Unterstüßungen 360 044 4 und an Stipendien 135 930 4; also ins- gesamt: 1074423 M“.

Aus den zurzeit in Berlin veranstalteten wissenschaftlihen Vor- lesungen zum Studium des Alkoholismus sei der Vortrag des Landesrats Dr. Schellmann, Düsseldorf, erwähnt, der über hürgerlihes Neht und Reichsversiherungsordnung im Kampfe gegen den Alkoholismus sprach. Der Vortragende hob folgende Gesichtspunkte besonders hervor: Die Wichtigkeit der Alkohol- frage ist bei der Beratung des Bürgerlichen Geseßbuchs von dem Gesetzgeber gewürdigt worden. Sowohl im Interesse des Trunk- süchtigen, als au in dem seiner Angehörigen sind die Bestimmungen erlassen worden, die durch eine Entmündigung des Trinkers und thre rechtlihen Folgen gegen die früheren Geseße wesentlihe Fortschritte gebracht baben. Wünschenêwert für eine systematishe Trinker- fürsorge ift die Einführung der Berufsvormundschaft für Trinker, wie sie bereits in einer Rethe von Städten mit Erfolg geführt wird. Ebenso wie das bürgerlihe Recht konnte die neue Neichs- versiherungéordnung unmögli an der Alkoholfrage ahtlos vorüber- gehen. Segenüber den Bestimmungen der bisherigen sozialen Gesetz- gebung. welche eine Zahlung der Leistungen in Naturalien nur bei dem Invalidenversicherungsgeseße und dem landwirtscaftlihen Unfall- versiherung8geseße vorgesehen hatte, Bestimmungen, welche zudem in der Praxis infolge der geforderten Vorausseßungen nicht durchführbar waren, hat die Neichsversiherungsordnung die allgemeine Bestimmung aufgenommen, daß Trunksüchtigen die geleplihen Leistungen aller Versicherungsträger in Sach- [eistungen zu gewähren sind und auf Antrag der Gemeinde des Wohnorts bezw. des Vormunds in dieser Form gewährt werden müssen. Mit den neuen Bestimmungen der Reichsversicherungs8ordnung in Verbindung mit den nah dem Bürgerlihen Gefeßbuch zulässigen Mitteln sind den allerorts entstehenden Lrinkerfürsorgestellen wichtige und wertvolle Handhaben gegeben, um der Trunksuht mit Erfolg zu steuern, zumal wenn auch die Behörden anfangen, der Frage mehr Aufmerksamkeit zu \chenken als bisher. Ueber „Jugendfürsorge und Alkoholis8mus“ las in Vertretung des erkrankten Hercn Agahd Herr Gustav Temme-Nordhausen. Er führte etwa aus: Wir begrüßen als Freunde der Jugend die jeßt mächtig aufblühende Bewegung für Jugendpflege. Der Alkoholismus ist die stärkste Ursache der Not der Jugendlicen, denn er {afft minderwertigere Kinder, nimmt den Säuglingen die Mutterbrust, fördert die Armut der Familien und die gewerbliche Arbeit der Mütter, dieser berufensten Crzieherinnen der Kinder; er steigert die Ziffern der Zwangs8zöglinge und der jugendlihen Verbrecher, führt zur Verwahrlosung und Miß- handlung der Kinder und hindert die rechte Jugenderziehung; er verdirbt die Jugend, die Träger zukünftiger Kultur körperlich, geistig und sittlich. Da neben dem Alkoholismus vor allem die soziale Not die er freilih oft selbt hervorruft und steigert das Jugendelend schafft, so muß jeder Helfer der Jugend auch ein Freund und Helfer der gesunden Sozialreform sein. Die wichtigste Arbeit für die Jugendpflege muß bleiben: nüchterne Väter und wirtscchaft- lihe Mütter schaffen, denn das heißt, gesunde Familien bauen. Wer mithelfen will, das Jugendelend zu suchen, der darf um die Alkohol- frage nicht herumgehen. Eine alkoholfreie Kultur ist anzustreben, in der jedem deutshen Kinde die rechte Entwicklung seiner körperlichen und geistigen Anlagen seinem und des Volkes Wohle gemäß gewährleistet wird.

Am 18. bis 20. Juni findet in Wien ein Berufsvormünder- tag statt, mit dem die 7. der vom Archiv Deutscher Berufsvormünder in Frankfurt a. M. veranstalteten Tagungen in Verbindung steht. Zur Vorbereitung ist ein Aus\{huß zusammengetreten, der sh aus Ver- tretern der beteiligten Kreise zusammenseßt und unter dem Vorsitz des geschäftéführenden Vizepräsidenten der großen Kommission des Kaiserjubiläumsfonds für Kindershuß und Jugendfürsorge, Erbgrafen u 3 Das Chrenpräsidium der Tagung hat der Ministerpräsident Graf Stürgkh übernommen. Die Tagesordnung enthält Vorträge über Ziele und Aufgaben der Berufsvormundschaft, den Stand der berufsvormundschaftlihen Bewegung im Deutschen Reiche, Oesterreich und der Schweiz. Als Redner find hierfür ge- wonnen worden der Geheimrat Dr. Taube. Leipzig, der Minister- sekretär Dr. Müller-Wien, der Professor Klumker-Frankfurt a. M., der Bürgermeister Dr. Shmidt-Mainz, der Direktor Dr. Petersen- Hamburg, der Primarius Dr. Niether-Wien und der Advokat Dr. Engel-Budavest. Anmeldun gen werden erbeten an das Arhhiv Deutscher Berufsvormünder Frankfurt a. M., Stiftstraße 30, und Jugeudfürforge, Wien 1, Herrengasse 7.

Kunft und Wissenschaft.

i Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt am «l, März unter dem Vorsiß ihres Sekretars Herrn Auwers eine Gesamtsizung, in der Herr Lenz über die Kämpfe des Ninisters Cichhorn mit der Berliner Universität las. Die Politik Eichhorns gipfelte, ganz in Uebereinstimmung mit der Gesamt- rihtung der Regterung Friedrih Wilhelms 1V., in der Ausrottung des Hegelianismus und der Einführung fogenannter ,„positiver“ Freiheit

Vlétin die Kämpfe des Ministers nit der Berliner Universität wurzeln, wurde an einer Reihe von Bei- spielen (Berufung Gelzers und Hubers, Maßregelung Bruno Bauers Beeinflussung der Presse u. a.) gezeigt. Das Er-

wachsende Verwirrung und Ohnmacht. Herr „umermann überreichte die beiden ersten Hefte der unter setner

J Mitwirkung erauggegebenen Zeitschrift „Luftfahrt und Wissenschaft“.

„as Torrespondierende Mitglied der physikalish-mathematischen Klasse August Toepler in Dresden ist am 6. März verstorben.

In der am 28. März unter dem Vorsiß ihres Sekrxetars Herrn î abgehaltenen Sizung der philosophisch-historischen Alasse las Herr Koser über Preußen und Oesterreich im pahre 1858. Die aus Biemarcks Berichten vom Bundestage be-

der Ra

| panten Zwigstigkeiten zwischen Pran und ODesterreih wegen der tat

Vesaßung Bundesfestung führten die preußische

| Regierung auf grundsäßliche Erörterungen über das gegenseitige

volitishe Verhältnis, die in einer Anweisung für die zur Inspektion lb österreihischen Bundeskontingents nach Wien gehende militärische ordnung (September 1858) Ausdruck fanden.

Beke n der an demselben Tage unter dem Vorsitz ihres Sekretars en Auwers abgehaltenen Sigzung der physikalis{ch-mathe- matischen Klasse las Herr Hellmann über den Charakter der qsseme rregen in Norddeutschland. Aus zehnjährigen Re- Mrierungen von Pluviographen eigener Konstruktion wurden Geseß-

| mâßigkeiten bezüglih der Dauer und Häufigkeit der Sommexregen in

S

e rddeutsland abgeleitet sowie dite Hauptzüge ihrer täglichen Periode

h geltellt. Sodann wurde der Versuh gemacht, die Sommerregen

d ihrer Herkunft in solche des großen und des kleinen Kreislaufes

heft affers zu klassifizieren. Herr Engler überreichte zwei weitere

und des Werkes „Das Pflanzenreih“ : 53. R. Knuth, Goeraniaceae, 24. K. Krause, Goodeniaceae und Brunoniaceaec, Leipzig 1912.

Die „Köln. Ztg.“ veröffentlicht neue Mitteilungen über. die Ausgrabungen des Freiherrn Marx von Oppenheim auf dem Tell Halaf in Miittelmesopotamien. Von der Hothterrafse, auf der das hettitishe Königs\{loß stand, ist jeßt auch die Umbiegung nach Norden gefunden worden. Bis jeßt sind über 170 Stein- bilder entdeckt worden. Einige davon sind in mythologisher Be- ziehung sehr merkwürdig, z. B. cin Bild des Gilgamesch, des meso- potamischen Vorläufers des Herkules, bekleidet mit einer Löwenhaut und mit einem Streitkolben in der Hand. Ein anderes Steinbild un den Sieg des Früblings über den Winter wieder. Das wichtigste

rgebnis war die Aufffindung des Palasttors, das von geflügelten Vierfüßlern mit Greifenkrallen und bärtigen Menschenhäuptern be- wacht wurde. Damit ist die von Baron Oppenheim früher gemachte Bemerkung, der Tell Halaf {heine unter dem Zeichen des Greifen zu stehen, bestätigt.

Land- und Forstwirtschaft.

Weizeneinfuhr in Marseille. Nach den Wochenberichten der in Marseille erscheinenden Zeitun „Le Sémaphore* hat die Weizeneinfuhr nach Marseille auf Wasserwege betragen: in der Zeit vom 10. bis 15. März d. I.. 20513 dz davon. aus MUPland 4 708 5 in der Zeit vom 17. bis 22. März d. F.. 112 773 davon aus Rußland . . 58 080 in der Zeit vom 24. bis 29. März d. J.. 37 485 davon aus Ua, 780 in der Zeit vom 31. MWears 0189, Url d, J, 59 358 davon aus U a A nihts. In den Zollniederlagen in Marseille befanden fich am 3. April d. Ï. 22 690 dz. y la

Saatenstand in Jtalien während des zweiten Drittels des Monats März 1912.

In Oberitalien herrschte während der Berichtsperiode regne- risches Wetter, was eine Unterbrehung der Feldarbeiten und namentlich der Frühjahrssaaten zur Folge hatte. Jn Venetien, wo vielfach trockenes Wetter erwünscht wäre, zeigen die Getreidefelder, Weiden und Wiesen etne kräftige Vegetation. Befriedigend ist im allgemeinen der Stand der Feldfrüchte in Mittelitalien, wenn auch im Latium über deren zu frühzeitige Entwicklung geklagt wird. In den Marken fehlt es an Feuchtigkeit, und unter dem gleihen Mangel leiden die Futterpflanzen in den südlihen Gegenden am Adriatischen Meer. Die südlichen Küsten striche des Mèittelländishen Meeres weisen dagegen eine äußerst befriedigende Entwicklung der Feldfrüchte auf. Auf den Inseln hätten die Getreide- und Futterfelder sowie die Weiden Niederschläge nötig. Die Blüte der Obstbäume voll- zieht fih in ganz Italien unter günstigen Verhältnissen, und au die Neben zetgen eine vielversprehende Entwicklung. (Bericht des Kaiser- lichen Generalfonsulats Genua vom 6. April 1912.)

Saatenstand in Bulgarien.

Der Kaiserlihe Konsul in Sofia berichtet unterm 6. d. M. : Der verflossene Winter zeichnete ih dur eine vorwiegend milde und mäßig feuhte Witterung aus, die der Weiterentwicklung der Winter- saaten im Konsulatsbezirke sehr zu statten kam. Erst gegen Ende Januar trat fast im ganzen Lande größere Kälte ein, die jedoch den Saaten, die überall durch eine ausreichende Schneedecke gegen Frost geshüßt waren, keinen nennenswerten Schaden zufügen konnte. Die Wintersaaten befinden sich daher in vorzüglicher Verfassung, und es sind fast gar keine Klagen über O laut geworden. Auch die Feldbestellung zur Aussaat der Frühjahrs\faaten konnte bet günstiger Witterung rechtzeitig erfolgen.

Der Stand der Rosenfelder is gut, ebenso der Stand der Obstbäume, die nah, der_ großen Blütenzahl zu urteilen, einen reihen Ertrag verspre(hen.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten,

(Aus den „Veröffentlihungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ Nr, 15 vom 11. April 1912.)

Pest.

Türkei. Vom 5. Februar bis 13. März in Diedda 3 Er- krankungen und 4 Todesfälle.

Aegypten. Vom 23. bis 29. März erkrankten (starben) 10 (5) Be und zwar 4 (3) in Kuß, 3 (1) in Minieh, 1 (1) in

echna und je 1 (—) in Alexandrien und Esn eb.

Persien. In Buschär sind in der Zeit vom 11. Februar bis 2. März 28 Personen an ver Pest erkrankt (und 13 gestorben), davon in dec Woche yom 25. Februar bis 2. März 12 (9).

Mauritius. Vom 5. Januar bis 8. Februar wurden 21 Er- krankungen und 15 Todesfälle festgestellt.

Cholera. Türkei. In der Zeit vom 5. Februar bis 13. März wurden 32 Erkrankungen (und 26 Todesfälle) ee davon 4 (3) in Adana, 2 (4) in Tarsus, 7 (11) in Aleppo, 3 in Janina, 16 (7) in Loro8s, (1) in Djihan. Gelbfieber. Meriko. Im Staate Yukatan sind im Jahre 1911 insgesamt 50 Erkrankungen, davon 26 mit tödlihem Verlaufe, festgestellt worden : 47 von den Crkrankten waren mexikanis{che Soldaten. Brasilien. Zufolge Mitteilung vom 22. März sind in Bahia 3 Erkrankungen bei Ausländern festgestellt worden.

Poen.

Deutsches Reich. ‘In der Woche vom 31. März bis 6. April wurden 16 Erkrankungen (davon 6 bei russishen und 2 bei öster- reichishen Arbeitern) festge|tellt, und zwar je 1 in Karnzow (Kreis Ostprigniß, Neg. -Bez. Potsdam), Hohenwalde (Landkreis Lands- berg, Neg.-Bez. Frankfurt), Vahmerow (Kreis Greifenberg, Reg.- Bez. Stettin), 3 in Kleinlehmhagen (Kreis Grimmen, NReg.-Bez. Stralsund), je 1 in Brieg (Neg.-Bez. Breslau), Laurabütte (Landkreis Kattowiß, Reg.-Bez. Oppeln), Birkenhain (Landkreis Beuthen, Neg.-Bez. Oppeln), Polvty (Kreis Gardelegen, Reg.-Bez. Magdeburg), Everstorf (Kreis Linden, Neg.-Bez. Hannover), Iöhlingen, Johannisthalerhof und Singen (Bez.-Amt Durlach, Baden), Lalendorf (Güstrow, Mecklenburg-Schwerin) und Biendorf (Cöthen, Anhalt). h

Oesterreich. Vom 24. bis 30. März in Wien 1, in Galizien 14 Erkrankungen.

Fledckfieber.

Desterreich. Vom 24. bis 30. März in Galizien 147 Er- krankungen, in der Bukowina 1.

Genidstarre.

Preußen. In der Woche vom 24. bis 30. März wurden 5 Erkrankungen (und 3 Todesfälle) in folgenden Negierungs- bezirken [und Kreisen] gemeldet: Landespolizeibezirk Berlin 1 [Berlin], Reg.-Bez. Arnsberg 3 (2) [Altena 2 (2), Hagen Land 1], Hannover 1 [Hannover Sladt], Trier (1) [Saarbrücken Land].

Desterreih. Vom 17. bis 23. März in 1 Gemeinde Galiziens 5 Erkrankungen.

Spinale Kinderlähmung.

_ Preußen. In der Woche vom 24. bis 30. März kamen 3 Erkrankungen in folgenden Negtierungsbez irken [und Kreisen] zur Meldung: Arnsberg 1 [Dortmund Land], Cöln 1 [Rheinbach], Schleswig 1 [Sonderburg].

|

Verschiedene Krankheiten.

PaTes: Konstantinopel (11. bis 24. März) 33, Moskau 2, St. Petersburg 3, Warschau 13 Todesfälle; Christiania 1, London (Krankenhäuser), New York je 2, Odessa 1, Paris 2, St. Peters- burg 9, Warschau (Krankenhäuser) 24 Erkrankungen; Varizellen: Nürnberg 24, Budapest 33, New York 356, St. Petersburg 21, Wien 75 Erkrankungen; Fleckfieber: Odessa 3, St. Petersbur 2 TodesfäUle; f p 15, St. Petersburg 9, Warschau (Krankenbäuser) . 3 Erkrankungen ; Küdfallfieber: Odessa 27 Erkrankungen; M ilz- brand: Reg.-Bezirke Frankfurt, Merseburg, Münster, Budapest je 1 E:fkrankung; Influenza: Berlin 9, Kopenhagen 1, London 7, Moskau 5, New York 9, Paris 4, St. Petersburg 9, Stockholm 2 Todesfälle; Nürnberg 31, Kopenhagen 83, Odessa 25, Stockholm 21 Erkrankungen; Genidckstarre: Christiania 5, New York 1 Todes- fälle; Nürnberg 1, Christiania 10, Kopenhagen, New York je 7 Er- krankungen; Wurstvergiftung: Meg Bes Schleswig 1 Todesfall. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen ist an Scharlach (Durchschnitt aller deutshen Berichtsorte 1895/1904: 1,04 9/6) gestorben in Bottrop Erkrankungen wurden gemeldet im Landespolizeibezirk Berlin 133 (Stadt Berlin 77), in Breslau 28, in den Neg. - Bezirken Arnsberg 115, Düsseldorf 146, in Nürnberg 23, Hamburg 30, Budapest 59, Christiania 27, London (Krankenhäuser) 133, New York 332, Paris 123, St. Petertburg 125, Wien 86; an Masern und Nöteln (1895/1904: 1,10%) gestorbcn in Schöneberg Erkrankungen wurden angezeigt im LBA, Posen 252 (davon 90 in Kriewen, Kreis Kosten), in Nürnberg 77, Hamburg 31, Budapest 82, Kopenhagen 92, London (Kranken- häuser 33, New York 868, Paris 750, St. Peteréburg 87, Prag 144, Stockholm 30, Wien 553; an Diphtherie und Krupp (1895/1904: 1,62 9/0) gestorben in Koblenz, Mülheim a. Rh. Er- kranfungen tamen zur Meldung im Landespolizeibezirk Berlin 192 (Stadt Berlin 121), in den Reg.-Bezirken Arnsberg 131, Magdeburg 100, Schleswig 122, in Hamburg 53, Budapest 39, Kopenhaaen 30, London (Krankenhäuser) 116, New York 333, Paris 65, St. Peters- burg 59, Stockholm 28, Wien 50; an Keuchhusten gestorben in Linden, Zabrze Erkrankungen gelangten zur Anzeige in Budapest 34, Kopenhagen 25, London (Krankenhäuser) 52, New York 31, Odessa 38, Wien 48. Typhus în New York

Ferner wurden Erkrankungen gemeldet an 93, Paris 31, St. Petersburg 71.

Türkei. Der internationale Gesundheitsrat in Konstantinopel hat die für die Herkünfte von Alexandrien angeordnete ärztliche Unter- suhung wieder aufgehoben.

Verdingungen.

Der Zuschlag auf die Lieferung des von dem Verwaltun g- refjort der Kaiserlihen Werft zu Wilhelmshaven am 28. Xe- bruar 1912 verdungenen Schotters und der Schüttsteine für die Bau- abteilung Velgoland ist der Firma J. G. Dümling in Schönebeck a. Elbe zum Preife von 7,42 4 für 1000 kg Schüttfteine und von 7,67 # für 1000 kg Schoiter frei Schif Helgoland erteilt worden.

(Die näheren Angaben über Verdingungen, die beim „Reihs- und Staats- anzeiger“ ausliegen, können in den Wochentagen in tellen Ervedition während der Dienststunden von 9 bis 3 Uhr eingesehen werden.)

Niederlande.

16. April 1912. Gemeindeverwaltung von Smallingerland zu Drachten (Provinz Friesland): Lieferung von 544 chm Flußkies und 133 cbm Fluß- oder Seekies. Die Lieferung hat frei nah ver- schiedenen Lagerpläßen in der Gemeinde zu erfolgen. Auskunft. erteilt der Gemeindearchivar.

Norwegen.

23. April 1912, 3 Uhr. Norwegishe Staatsbahnen in D ront- heim: Lieferung von 600 Stück Seitenstüßen aus T-Eisen für ofene Güterwagen. Versiegelte Angebote mit der Aufschrift „Kiepstaker“ werden im Bureau des Maschineningenieurs des 4. Eisenbahndistrikts, Dront- heim, entgegengenommen. Nähere Bestimmungen und Bedingungen ebendaselbst. Vertreter in Norwegen notwendig.

Verkehrswesen.

…, Laut Telegramm aus Cöln ift die heute abend 6 Uhr in Berlin fällige französische Post infolge von Zugverspätung in Frankreich ausgeblieben.

Theater und Musik. Konzerte.

Angenehme Eindrücke gingen am Montag voriger Woche von den Liedervorträgen der Sängerin Ellen Simmelktar Larsen im Bechsteinsaal aus. Der klare, mit Tünslerishem Geshmack behandelte Sopran der Dame, ihr warmblütiger Vortrag verfehlten ihre Wirkung nicht. Es kamen durhgängig nordishe Tondichter zu Worte, wie Sjögren, Grieg u. a. Auch drei neue Lieder von Roger E, der am Klavter begleitete, standen auf dem Programm; le sprachen an dur liebenswürdige Ausdruckformen, durch bewegliche Melodik. Weniger konnte eine Sonate für Klavier in F-Moll gefallen; es gab auch hter hübsche, melodische Wendungen, aber der Gedankengang floß niht so leiht und natürli wie in ten Gesängen. Daß der Tondichter seine Komposition selbst vortrug, gereihte ihr freilih niht zum Vorteil ; denn sein Spiel war \{chwer uüd wenig nuanctert. Das ließ auch die Wiedergabe einiger Tonstücke von Sibelius, Grieg, Louis Glaß erkennen; es fehlte der Form an Geshmeidigkeit und dem Ausdruck an Duft. Daß troßdem ein vornehm fühlender, eifrig strebender Künstler _in Noger Henrichsen lebt, war - auch in diesen etwas glanzlosen Klaviervorträgen nit zu verkennen. In der Philharmonie gab einige Tage vorher die „Berliner Liedertafel“ unter der Leitung ihres Chormeisters Herrn Mar Wiedemann und unter Mitwirkung von Conrad Anforge (Klavier) ihr leßtes diesjäbriges Winterkonzert. Ergreifend gestaltete der Dirigent mit seiner Sängerschar die Balladen: «Wo Bismarck liegen foll“ und „Alaska", erstere von Franziskus Nagler, die andere von Heinrih Zöllner. Beide Werke wurden in ibren Schwierigkeiten, die fast die Grenze des Möglichen der Männerchor- [iteratur streifen, mit spielender Leichtigkeit gesungen und lösten wahre Stürme des Beifalls aus. Jm Naglershen „Wo Bismarck liegen \foll* war die dramatishe Wiedergabe hervorragend. Wie Wiedemann das Volkelied wirken läßt, i meisterhaft. Auch der leicht- beschwingten Muse läßt er ihr Reht: „Vom Naschen® von Mozart und „Hoppoldey" von Zöllner mußten auf Verlangen wiederholt werden. Von Conrad Ansorge is Neues nicht zu sagen; in wahrhaft kür.stlerisch vollendeter Weise löste er feine Aufgaben.

Am Dienstag führte in der Garntsonkirche der Pfann- \chmidtsche Chor unter der Leitung des Königlichen Musikdirektors Heinrih Pfannschmidt und unter Mitwinkung der Damen Käte Neugebauer-Ravoth (Sopran) und Frieda Kotel- mann - Heese (Alt), der Herren Erwin Zingel (Tenor) Lederer- ph und Reuter (Baß) die Matthäuspassion von I. S. Bach auf. Den orestralen Teil vertrat die Kapelle des Kaiser Alexander-Gardegrenadierregiments Nr. 1, den Orgelpart Herr Otto

riebe. Die Violinsoli lagen in den Händen der Herren Hahne und

bhomas. Wie in den Vorjahren, zeigte der Chor au diesmal ein tüchtiges Können: feine Phrasierungskunst, reine Intonation und ein qute Aussprache, obgleih nicht ve:s{wiegen werden darf, daß die Rhytbmik öfter zu wünschen ließ. Größere Präzision wäre bei den Einfäßen zu empfehlen, damit die episodischen Volkshöre treffsicherer einshlagen. Angenehm berührte das sinngemäße Singen der Choräle ohne Rücksicht auf die Fermaten bei flottem Tempo; \o erstrahlte der Choral : „Wenn ih einmal soll scheiden“ poetisch-duftig in neuem Gewande. Ist hier ein so flüssiges Musizieren am Plaße, so will es