1912 / 77 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 27 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Oie Mr Te R C; „A A A RE E L E R E A aae E A T RZTICRE- T RES T H E E Se 1 MIT O IENEE O E N

S I E R S nazi N A

Ab gereist:

Seine Exzellenz der Staatsminister und Minister der öffentlihen Arbeiten von Breitenbach, mit Urlaub nah Baden-Baden.

Nicjfamlfliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 27. März.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Rech- nungswesen, für das Landheer und die Festungen und für das Seewesen sowie die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuer- wesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sißungen.

Der K. und K. österreichish-ungarishe Botschafter Graf Szögyény-Marich hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt der Botschaftsral Freiherr von Flotow die Geschäfte der Botschaft.

Der neuernannte Regierungsassessor Bömcke aus Königs- berg i. Pr. ist dem Landrat des Kreises Kalau, der neuernannte Regierungsasjessor Dr. Rohte aus Schleswig dem Landrat des Kreises Lebus und der neuernannte Regierungsassessor Vogeler aus Münster i. W. dem Landrat des Kreises Memel zur Hilfeleistung in den landrätlichen Geschäften zugeteilt worden.

Die Regierungsreferendare von Rappard aus Potsdam, von der Schulenburg aus Potsdam und Danckelmann aus Düsseldor\ haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.

CBéaresoneck

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Möwe“ vorgestern in Lüderizbucht eingetroffen.

Bayern.

Der Finanzaus\chuß der Kammer der Abgeordneten hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, mit allen gegen drei Stimmen den Artikel 1 des Lotterievertrages mit Preußen und damit den ganzen Gesezentwurf abgelehnt.

Oesterreich-Ungarn.

In der gestrigen Sizung des österreihischen Ahb- geordnetenhauses, auf deren Tagesordnung die erste Lesung der Wasserstraßenvorlage stand, seßten, dur die Le des polnischen Parteitags veranlaßt, die Pen sen

er

Abgeordneten mit ihrer Obstruktion ein, um die Erfüllung Wünsche der Polen, die: an der Vorlage besonders interessiert sind und den größten Wert darauf legen, daß sie noch vör Ostern dem Ausschuß überwiesen wird, zu verhindern.

Nach dem Bericht-des „W. T. B.“ hielt der ruthenishe Ab- geordnete Staruch eine mehrstündige Obstruktionsrede, in der er namens der ührigen ruthenischen Abgeordneten erklärte, daß das Ver- halten der Ruthenen \ih gegen die Beschlüsse rihte, die auf dem gestrigen Parteitage der polnischen Partei in Lemberg gefaßt worden jeien. In diesen Beschlüssen, die auf die vollständige Polonisierung sämtlicher Verwaltungszweige Galiziens, die Ausdehnung der Landes- autonomie, die Wahrung des polnishen Besißstandes gegenüber den ruthenischen Forderungen und auf das Zusammen- halten aller Polen Oesterreihs, Deutshlands und Rußlands gegenüber den polenfeindlihen Bestrebungen das Haupt- gewicht legten, erblickten die Nuthenen eine Herausforderung, die sie zur gegenwärtigen Haltung berechtige. Nachdem Staruch seine Nede beendet hatte, erklärte der ruthenishe Abg. Lewicki, daß die Ereignisse der leßten Tage die Nuthenen bewege, die Wasserstraßen- vorlage son bei der ersten Lesung zu bekämpfen. Von den auf der Tagesordnung befindlihen Gegenständen würden die Ruthenen den nächsten Punkt der Tagesordnung „Geseßlihe Negelung der Lohn- zahlung im Bergbau“, mit Nücksiht auf den Bergarbeiterstreik und die soziale Bedeutung der Vorlage, passieren lassen, aber nah Er- ledigung dieses Gegenstandes würden sie jede weitere Tagesordnung, auf der die Wasser|traßenvorlage stehe, mit allen Mitteln bekämpfen.

Hierauf wurde die Vorlage über die Tabafklizenz- gebühr angenommen und die zweite Lesung der Vorlage, be- treffend geseßlihe Regelung der Lohnzahlung im Berg- bau, begonnen.

In der Debatte trat der Berichterstatter der Minderheit Cingr entgegen dem Antrage des Ausschusses, der eine vierzehntägige Lohn- zahlung vorsieht, für die wöchentliche Lohnzahlung ein. Er bekämpfte ferner die Gründe des Ausschusses gegen unentgeltliche Bestellung von Spreng- und Zündmitteln, worauf die Fortseßung der Verhandlung auf heute vertagt wurde.

Der Ministerpräsident Graf Stürgkh hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern den Vertretern des Ruthenenklubs zugesagt, daß er während der Ausschußverhandlungen über die Wasserstraßen- novelle trahten werde, die Wünsche der Ruthenen zu berü- sichtigen. Nach Ostern würden in Wien die weiteren Ver- handlungen über die Errichtung einer ruthenishen Universität eingeleitet werden. Der Ruthenenklub hat daraufhin beschlossen, die erste Lesung der Wasserstraßenvorlage niht zu behindern und den entschiedenen Kampf gegen die Vorlage vorläufig in den Ausschuß zu verlegen.

Die Jaht „Hohenzollern“ mit den Deutschen Kaiser, dem Prinzen und- der Prinzessin“ August Wilhelm und der Prinzessin Victoria Luise an Bord ist gestern gegen 12 Uhr vor Brioni unter dem Salut des dort liegenden österreihishen Geschwaders eingetroffen. Nachdem die „Hohenzollern“ an einer Boje festgemacht hatte, fam, obiger Quelle zufolge, der Erzherzog Franz Ferdinand an Bord und ging bald darauf mit dem Kaiser, dem Prinzen und den Prinzessinnen an Land. Nach der Frühstückstafel machten die hohen Herrschaften eine Rundfahrt auf der Jnsel. Gegen 51/2 Uhr \chiffte sich der Kaiser mit dem Prinzen August Wilhelm, den Prinzessinnen und Gefolge nach herzlihem Abschied von dem Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Familie wieder auf der „Hohenzollern“ ein, die sih unmittelbar darauf unter abermaligem Geschüß- salut des österreichishen Geschwaders in Bewegung seßte.

Großbritannien und Jrland.

Das Unterhaus nahm in der gestrigen Sitzung die Be- ratung der Min destlohnbill wieder auf.

Nach dem Bericht des ,„W. T. B.“ beantragte der Abg. Long, einer der Führer der Unionisten, nah Eröffnung der Debatte deren Vertagung, indem er auf die Schwierigkeit hinwies, die Bill zu er- örtern, während die Konferenz außerhalb des Hauses noch fortgeseßt würde. In diesem Augenblick kehrte der Premierminister Asquith von der Konferenz zurück und ergriff sofort das Wort. Er erklärte, die Regierung bleibe bei ihrem Beschluß, keine Zahlen in die Bill einzufügen. Er glaube nicht, daß, wenn man das Land im ganzen nehme, ein Mindestlohn von fünf Schilling für den Tag unver- nünftig sei. Es sei jedoch besser, wenn der Lohn in jedem Bezir gesondert festgeseßt würde. Er habe beiden Parteien den Vorschlag gemacht, daß diese Srage gefondert behandelt werde, doch sei sein Vorschlag von keinem der beiden Teile angenommen worden. Die Regierung ‘Dabs die Bill in der Hoffnung verschoben, daß, da man sih im wesentlichen so nahe gekommen sei, zwischen den beiden Parteien ein Uebereinkommen erreiht werden könne. Die Regierung habe mit Nachdruck und Ausdauer gearbeitet, er bekenne aber mit \chwerer Enttäuschung, daß ihre Arbeiten bisher erfolglos gewesen seien. Er sage jeßt betden Parteien, daß sie, wenn sie im allerleßten Augenblick nicht zu einem vernünftigen Uebereinkommen über einen Punkt von verhältnismäßig geringer Bedeutung gelangten, eine sehr \hwere Verantwortung vor dem Lande auf sich nehmen würden. Asquith \{loß, die Regierung: habe alles getan, was sie gekonnt hätte, und habe den gesezgeberishen Eingriff bis auf den leßten nur möglichen Augenblick hinausgeschoben. Was auch das Ergebnis der Verhandlungen der jeßt tagenden Konferenz sein werde, es sei dringend erforderlich, daß die Bill Geseß werde. Wenn die Bill angenommen werde und wenn den Arbeitern unter Tage ein angemessener Mindest- lohn verbürgt werde, der von einer unparteiishen Stelle bestimmt werde, dann werde eine Fortseßung des Streiks den dafür Verant- wortlihen eine Verantwortlihkeit aufbürden, der sie sich {wer würden entledigen können. Die Regierung habe alles, was sie an üeberredung, an Gründen und Einfluß in der Verhandlung zur Berfügung habe, erschöpft, und empfehle jeßt diese Bill dem Hause dringend als die bestmöglihe Lösung in dem großen Notstand. Sie beanspruche, daß sie tim öffentlihen Interesse mit vollkommener Auf- richtigkeit und Unparteilichkeit ihr bestes getan habe. Der Abg. Bonar Law gab seiner tiesgefühlten Sympathie mit Asquith Aus- druck und erklärte, er hoffe, daß die Bill die Krisis beenden werde und die Arbeiter unter den in der Bill enthaltenen Bedingungen die Arbeit wieder aufnehmen werden. Aber wie werde sich die Lage ge- stalten, fragte der Nedner, wenn sie es niht tun? Die Regierung habe siherlih das Necht, den Mitgliedern des Bergarbeiterverbandes vorzuhalten, daß sie niht bloß Verbandsmitglieder seien, sondern auch Staatsbürger. Das Haus verlasse sih darauf, daß sie dem Geseßz- gehoren. würden, und erkläre ferner, daß, wenn die Gesfellschafts- ordnung nicht in Stücke gehen solle, alle Hilfsmittel des Landes auf- geboten werden müßten, um jeden, der dem Geseße zu gehoren wünsche, vor Belästigung zu s{hüßen. Der Abg. Namsay Mac- donald erklärte, das Streben der Arbeiterpartei nah Frieden sei fortgeseßt behindert worden durch die Bergwerksbesiger, deren Pflicht es jeßt n den Arbeitern entgegenzukommen und einem Abkommen zuzustimmen, das den Arbeiterführern ermöglihe, die Arbeiter an- zuweisen, zur Arbeit zurückzukehren. Wenn sih die Bergwerksbesitzer dieser Pflicht entzögen, so würde die Verantwortung für jede hieraus entstehende Stockung der Arbeit auf ihnen lasten.

Der Vorschlag der Arbeiterpartei, in die Bill den Mindest- lohnsaß von 5 Schilling einzufügen, wurde hierauf mit 326 gegen 83 Stimmen abgelehnt.

Der Abg. Ramsay Macdonald erklärte, daß, wenn der Mindestlohn von fünf Schilling in die Bill aufgenommen wäre, diese, wie er glaube, dem Streik ein Ende bereitet hätte. Jeßt aber könne er den Arbeitern nicht sagen) daß die Bill ihnen genügend biete, ur ; zur Arbeit zurüczukehren. Tite Bill habe ihren Zweck verfehlt. Ds Schaßkahzlèr Lloyd Gegrge warnte die Mitglieder. der Arbeitet- partei êrnstlich vor der- erantwortung, die sie durch Zurückweisung der Bill auf sich nähmen, ohne zu wissen, welhe Wirkung sie au üben würde, oder ob sie nicht alles. bôte, was die Bergarbeiter ver- langten.

Nach verschiedenew. weiteren Reden von Abgeordneten der Arbeiterpartei gegen. das Gese, wurde die Bill, deren Be- ratung sich bis in die frühen Morgenstunden des heutigen Tages hingezogen hatte, in dritter Lesung mit 213 gegen 48 Stimmen unter Beifallsrufen der Regierungspartei angenommen. Die Arbeiterpartei stimmte gegen das Geseß.

Frankreich,

Jn einem gestern unter dem Vorsit des Präsidenten der Republik abgehaltenen Ministerrat ist laut Meldung des „W. T. B.“ beschlossen worden, bei der Kammer einen Kredit von ungefähr einer Million Francs nachzusuchen zur Ver- mehrung der Gendarmerie sowie zum Ankauf von Automobilen.

Die Deputiertenkammer hat in der gestrigen Sigßung, obiger Quelle zufolge, mit 479 gegen 75 Stimmen den Geseßentwurf angenommen, der das militärische Luft- \chiffahrtswesen regelt, und zu diesem Zweck einen nach- 'träglichen Kredit von 16 Millionen Francs eröffnet, ferner mit 910 gegen 2 Stimmen die Kredite zur Verstärkung der Polizei bewilligt. Bei der weiteren Beratung über die Wahl - reform nahm die Kammer mit 536 gegen 22 Stimmen eine Bestimmung an, nah der in jedem Wahlkreis auf 22500 Wähler ein Abgeordneter gewählt werden soll. Auf jeden Bruchteil von mindestens - 11 250 Wählern kommt ein weiterer Abgeordneter. Die Zahl der Abgeordneten wird so

um 77 verringert. Rußland.

Der Kaiser Niko laus hat laut Meldung des „W.T. B.“ gestern die Verlängerung der Zuckerunion ratifiziert.

Der Reichsrat hat in der Kommissionsfassung die Vorlage, betreffend Förderung der heimishen Pro- duktion von landwirtshaftlihen Maschinen, ange- nommen, wobei die von der Duma abgelehnten Prämien wiederhergestellt wurden. Die Anzahl der zollfrei einzuführenden Maschinen wurde im Vergleiche zur Dumafassung verringert.

Die Reichsduma beriet in der gestrigen Sizung einen von 100 Mitgliedern der Duma eingebrahten Antrag auf Zulassung der Frauen zur Advokatur. Die zu- ständige Kommission der Duma hat si für die Zulassung der

rauen erklärt, hielt sie aber nur für wünschenswert im Falle öherer juristisher Bildung.

Der Gehilfe des Justizministers erklärte, obiger Quelle zufolge, als Vertreter der Regierung, daß die Regierung die Zulassung der Frauen zur Advokatur für unzeitgemäß halte und es ablehne, eine Vorlage darüber auszuarbeiten. Die Redner der Opposition und des Zentrums widersprahen dem Vertreter der Regierung und begrüßten den Eintritt der Frauen in die Advokatur auf das wärmste.

Darauf wurde die Debatte vertagt.

Ftalien.

In der gestrigen Sizung der Deputiertenkammer fam es, wie „W. T. B.“ meldet, im Laufe der Debatte über die Jnterpellation Chiesa, die den Ausstand der Arbeiter der Konzessionierten Minengesellshaft Elba zum

Ee IA und dem Radikalen Luzzatto, weil Chiesa diesen beschuldigte, als Administrator der Gesellschaft den Staatsschaß um einen Teil der Eintragungsgebühren betrogen zu haben. Der Präsident der «Deputiertenfammer Marcora mußte die Sizung unterbrechen.“

Niederlande.

Die Kammer hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, den Geseßentwurf, durch den das Brüsseler Protokoll vom 17. d. M., betreffend die Verlängerung der Jnter- nationalen Zuckerunion, gebilligt wird, angenommen. Der Minister des Aeußern Dr. von Marees van Swinderen dankte der Kammer e die s{hnelle Prüfung des Entwurfs, die es möglich mache, das Protokoll am nächsten Sonnabend zu ratifizieren, und teilte mit, daß England der Konvention wieder angehören werde.

Türkei.

Das Amtsblatt veröffentliht ein Dekret, durh das vor- behaltlih der Genehmigung des Parlaments 12 000 Pfund zur Verteilung an Malissorenstämme, die durch die Ereig- nisse des vergangenen Jahres geschädigt worden sind, gewährt werden.

Amerika.

Der Präsident Ta ft empfiehlt, wie „W. T. B“ meldet, in einer Botschaft, in der er dem Kongreß den Bericht des Tarifamtes über die Baumwollzölle übermittelt, eine Nevision dieser Zölle nah unten. Der Bericht ist eine um- jassende volkswirtschaftlihe Uebersiht über die Baumwoll- produktion und -verarbeitung und enthält keine bestimmten Vor- shläge. Der Präsident hat dem Kongreß ferner eine Bot- haft zugehen lassen, in der auf den sofortigen Erlaß eines Geseßes gedrungen wird, um die kürzlih entdeckten Kali- lager, wie die in Südkalifornien, vor der Ausbeutung dur Privatleute zu hüten.

Von der mexikanischen Regierung wird, obiger Quelle zufolge, erklärt, daß nach späteren Depeschen der Kampf bei Jimenez, der zuerst als eine Niederlage angesehen wurde, sich schließlich zu einem Siege der Bundestruppen gestaltete, als die Nachhut der Aufständischen, die die Truppen Salazars verfolgten, von Regierungstruppen angegriffen wurde. Die Regierung hält die Macht der Aufständischen, die in diesem Kampfe 1000 Mann verloren hätten, für gebrochen und be- dauert, daß Salazar unnötig Selbstmord begangen habe.

Asien.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ erklären die Vertreter des english-belgischen Anleihesyndikats, für China in Peking und Schanghai einen Kredit von 3 Millionen Taels eröffnet zu haben. Wie der Waiwupu mitteilt, hat die Regierung diese Fonds bisher nicht in Anspruch genommen; die Anleihefrage bleibe bis zu Yuanschikais Ent- scheidung in der Schwebe.

Das Komitee zur Aufrechterhaltung von Ord- nung und Ruhe in der Provinz Ziz ikar ist aufgelöst worden. An seiner Stelle wird ein Landwehrkomitee organisiert werden, das eine 20 000 Mann starke Landwehr aufstellen soll.

Der japanische Landtag ist, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, aufgelö} worden.

j j j Afrika, a n6t ; E,

Der Sultan-von Marokko hat gestern den französischen Gesandten Regnault mit dem üblichen Zeremoniell empfangen. Wie die „Agence Havas“ meldet, wechselten Regnault und El Mokri herzlihe Ansprachen. Letterer erklärte, der Sultan nehme mit Freuden die Unterstüßung Frankreihs zur Ein- führung von Reformen an.

Die „Morning Post“ meldet aus Tanger vom 26. d. M., daß nach offiziellen Berichten in Marrakesch ernstlihe Un- ruhen ausgebrochen seien. Mehrere Europäer verschiedener Nationalitäten seien verwundet und fünf Eingeborene getötet worden.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sißungen des Reichs - tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Auf der Tagesordnung der heutigen (36.) Sizung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichspostamts Kraet ke beiwohnte, stand zunächst die erste Beratung der Verlängerung des Handels-, Zoll- und A H vertrags zwishen dem Deutschen Reiche un garien vom 1. August 1905. Eine Besprehung fand nicht statt. Der Vertrag wurde in erster Beratung erledigt und darauf auch in zweiter Beratung genehmigt.

Es folgte die zweite Beratung der Geseßentwürfe, be- treffend die vorläufige Regelung des Reichshaushalts und des Haushalts der Schußgebiete für das Rech- nungsjahr 1912.

Der Abg. Erzberger berichtete über die Verhandlungen der Budgetkommission. Die im § 1 dem Reichskanzler allgemein erteilte Ermächtigung, bis zur en Feststellung des Reichshaushaltsetats für 1912 alle Ausgaben zu leisten, die zur Erhaltung geseßlih bestehender Einrichtungen usw. erforderlich sind, wurde auf die Monate April, Mai und Zuni beschränkt, und die in dem Notetat vorgesehenen Säße wurden um 50 Prozent erhöht. :

Die Vorlagen wurden ohne Debatte nah den Beschlüssen der Kommission angenommen.

Das Haus seßte darauf die zweite Beratung des Etats der Post- und Telegraphenverwaltung bei den fort- dauernden Ausgaben für das Gehalt des Staatssekretärs mit den dazu gestellten Resolutionen fort.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten nahm in der heutigen (46.) Sizung, welcher der Minister der gei)tlihen und Unter- richtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz und der Finanzminister Dr. Lentze beiwohnten, zunächst von einem Verzeichnis der Petitionen, die von den Kommissionen für nicht geeignet zur Erörterung im Plenum erachtet worden sind, Kenntnis.

Abg. Gyßling (fortshr. Volksp.) beantragt, ee des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmreht in Berlin um Einführung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts für beide GestdfeViex niht für

Gegenstand hatte, zu Tätlichkeiten zwischen dem Republikaner

ungeeignet zur Erörterung zu erklären, sondern zur nochmaligen

Bul -

Beratung und Berichterstattung an die Petitionskommission zurück- zuverweifen. Abg. Hoffmann (Soz.): Wir {ließen uns dicsem Antrag an; es wäre traurig, wenn eine solche Forderung nit für geeignet zur Erörterung im Plenum gehalten wird. Abg. Dr. Friedberg (nl.) {ließt sih gleihfalls dem Antrag Gyßling an. Der Antrag Gyßling findet die nach der Geschäftsordnung erforderliche Unterstüßung von mindestens 15 Mitgliedern, und die Petition wird an die Kommission zurücverwiesen. Es folgt die Beratung des von dem Vorsißenden der Budgetkommission Abg. von Arnim-Züsedom (kons.) mit Unterstüßung von Mitgliedern aller bürgerlichen Parteien ein- gebrahten Antrags, in das Etatsgeseß für 1912 einen 8 3g folgenden Wortlauts einzuschieben : t ___ Die bis zur geseßlihen Feststellung des Staatshaushalteetats innerhalb der Grenzen derselben geleisteten Ausgaben werden hiermit nachträglih genehmigt.

Abg. von Arnim-Züsedom (kons.): Infolge der späten Ein- berufung des Landtags und namentlich der durch die Neichstagswahl herbeigeführten weiteren Verzögerung unserer Beratungen im Plenum wie in der Budgetkommission kann nicht einmal die zweite Lesung des Gtats vor der Osterpause beendigt werden. Die Budgetkommission ist freilih bis auf den Etat des Ministeriums des Innern und das Etats- geley mit dem Staat: haushaltsetat fertig; die Erledigung des Etats der Berwaltung des Innern ist dur den Gesundheitszustand des Ministers verzögert worden. Es ist ur erläßlih, im Etat wie in früheren Jahren eine Notbestimmung zu treffen, die es der Regierung ermögliht, die nötigen Bauarbeiten auszu- führen, namentlich folhe Bauten, für welhe bercits in früheren Jahen erste Raten bewilligt sind. Es müssen aber auch solhe Bauteo, für die erste Raten noch nit bewilligt sind, in Angriff genommen werden dürfen; die Negterung kann dies allerdings nur tun unter der Vorausseßung, daß die Forderungen demnäd:\ bewilligt werden. Jch beantrage, unseren Antrag an die Budgetkommission zu überweisen; es ist Aussicht, daß wir ibn dann morgen O, ÿ ¿

Finanzminister Dr. Lene: Ih bin den Antra stellern außer- ordentlih dankbar dafür, daß sie die Negierung iustanb seten die e wendigen Bauten auszuführen. Leider ist es nicht mögli, den Etat rechtzeitig zu verabschieden. Die Negierung wird nur folhe Au?gaben leisten, die nit aufshiebbar sind. Es kann leine Paase in dem Fortgang der Geschäfte eintreten. Die Regierung is für das Vertrauen, das in dem An- trage liegt, sehr dankbar und wird das Vertrauen auch recht- fertigen; Ne wird in jeder Hinsiht darauf ahten, daß keinerlei Ausgaben gemaht werden, die den Wünschen des Hauses nit entsprechen, und wird bei allen Ausgaben prüfen, ob sie not- wendig sind. Es könnte sih fragen, weshalb nicht wie im Neichstag ein besonderes Notgeseß eingebracht ist; in Preußen ist es aber von jeher so gewesen, daß wir in der Form eines Notparagraphen eine Ergänzung des Etatsgeseßes vorgenommen haben. Das hat immer ausgereicht und ist auch von der Oberrechnungskammer wie vom Land- tage angenommen worden. Ich bitte, den Antrag anzunehmen.

Abg. Dr. Pachni cke (fortschr. Volksp.): Die späte Einberufung des Landtags hat die rechtzeitige Fertiastellung des Etats ver- hindert. Ich hoffe, daß die Negierung daraus die rihtige Kon- fequenz zieht und entsprehend dem fast einmütigen Wunsche des Vauses künftig den Landtag fo zeitig einberuft, daß innerhalb der geseßlichen Frist der Etat erledigt werden kanu. Der Antrag von Arnim |st auch von unserer Selte mit Nücksicht auf den Brauch, der nun einmal seit Jahren hier besteht, mitunterzeihnet worden, aber dieses Verfahren entspriht streng konstitutionellen Grundsäßen niht. Deshalb ist es auch vom Neichstag abgelehnt worden : der Reichstag geht fehr streng und korrekt vor, und die Reichsregierung hat sih der Auffassung des Neichétags ohne weiteres an; eschlossen. Das leßte Notgeseß hat die Kommission des Reichstags sogar veranlaßt, den Nahen noch etwas enger zu ziehen und durch die bestimmte Frist von drei Monaten der Verwaltung die jene Grenze gezogen. Der Finanzminister sagt, daß das Verfahren ter von jeher üblih gewesen sei. Es ist allerdings von 1868 bis 1874 die Sache durch einen Notparagraphen erl digt worden, aber 1875 und 1876 ist ein MocgeleR erlassen. Das andere Verfahren hat also auch in Preußen Play gegriffen, aber seitdem ist wieder mit dem Notparagraphen gearbeitet worden. Daß dieses Ver- fahren Bedenken hat, deutete auch Herr von Arnim an, wenn er er- wähnte, daß die Regierung au ermäthtigt werde, Bauten in Angriff zu nehmen, für die erste Raten noch nit bewilligt sind. Das {ließt das Netchstagsverfahren aus, das nur „dringende“ Bauten zuläßt ; die Neichsregierung bekommt also eine bestimmte Marschroute. Jn Zukunft wird auch hier ein Notgeseyß den Vorzug verdienen.

Abg. Hoffmann (Soz.): Wir können unsererseits dem Nots- paragraphen nicht zustimmen. Wenn die Negierung in große Ver- legenheit gekommen ist, ist sie selbst daran \{huld. Das Haus hat wiederholt frühere Cinberufung verlangt, um den Etat rechtzeitig verabschieden zu können. Ste können sich jeßt auch nicht damit herausreden, daß wir Sozialdemokraten an der Verlängerung der Debatten die Schuld tragen; denn längst ehe wir in das Haus ge- tommen sind, ist der Notparagraph eine ständige Einrichtung des preußischen Abgeordnetenhauses gewesen. Es wird erst anders werden, wenn das Haus einmal Ernst matt und den Etat nicht verabschiedet, wenn ihm zur ordnungsmäßigen Beratung des\elben keine Zeit bleibt.

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Die frühere Einberufung des Land- tags ist ja von allen Parteien verlangt worden. Ueber dte Form, dite der Vorlage zu geben ist, wird fih die Kommission auszusprechen haben. Wenn das entsprehende Reichsgeseß eine Be'\chränkung feiner Geltung auf 3 Monate erfährt, so ift dtes nicht ohne weiteres im Vergleich mit Preußen eine Verengerung des Rahmens: denn wir dürfen hier do damit renen, daß der Etat für 1912 noch im Laufe des Monats Mai verabschiedet wird.

Der Antrag wird der Budgetkommission überwiesen.

, Hlerauf wird die zweite Beratung des Etats des Ninisteriums der geistlihen und Unterrichtsange- legenheiten bei dem Kapitel „Kunst und Wissenschaft“ Lrigesest. Referent der Budgetkommission ist Abg. Dr. oöriedberg.

Die Einnahmen werden ohne Diskussion genehmigt.

Zu den Ausgaben, und zwar zu denen für die Kun st- museen in Berlin, bemerkt L „Abg. von Goßler (konf.): Der Etat für „Kunst und Wissen- oft [chließt mit über 8 Millionen Mark ab. Davon sind für die iufif nur 400 000 4 bestimmt. Man kann nit behaupten, daß les eine weitgehende Fürsorge des Staats für die Musik ist; die niedrige Summe zeugt vielmehr von einer eht stiefmütterlihen Be- handlung. Wenn hier nit {on früher auf dieses Mißverhältnis hin- ewiesen worden ist, so wohl deshalb, weil es die meisten Mitglieder wohl mit Wilhelm Busch halten: „Musik wird oft nicht \{ön gefunden, weil le meist mit Geräusch verbunden“, und ih habe den Verdacht, daß elbst im Ministertum einige Herren fißen, die diesem Standpunkt nt so ganz fern stehen. Jedenfalls ist die Mußk in hohem Maße \eeignet, veredelnd, sitilih hebend, bildend auf das Volk ein- wirken, und „dem muß in der heutigen, so sehr nah der matertellen Seite gravierenden Zeit besondere Bedeutung bei- ne en werden ; das geht weit über das perfönlihe Moment hinaus. ; ist also Pflicht der Regierung, die Musik zu fördern. Hier ist h eine Neihe egt ernster Aufgaben zu 1ösen. Wenn Musik ver- S wirken soll, dann muß nicht bloß Musik, fondern es muß

è Musik gemacht werden, und damit liegt es leider noch sehr im rgen. Der Grund ist die Unzulänglichkeit der Musikanstalten und er Ausbildung der Musiklehrer und -lehrerinnen. Gewiß steht eine

so unsere staatliche Hochsule für Musik, und ih benuge die Gelegenheit dazu, fe E Konzert, das (hr uns bon ge- geben wurde, auch hier ausdrüdcklich der Anstalt und ihrem Leiter unsere Anerkennung auszusprehen. Aber viele Konservatorien, Musikakademien und Musikhäuser, die oft wie Pilze aus der Erde schießen, haben mit wahrer Musik sehr „wenig zu tun; es sind Waren- häuser, wo die Musik möglichst billig und entsprehend \{chlecht verzapst wird. Früher wurden Konservatorien eingerihtet im Snteresse der Kunst, heute zum großen Teil auf Spekulation. Eine neue Erfindung sind die sogenannten Musikhäuser, das sind Musik- instrumentenhandlungen, die die Käufer dadurch heranziehen, daß sie entweder dem Käufer unentgeltlihen Unterriht versprehen oder ihm unentgeltlich ein Instrument geben, wenn er dafür Musikunterricht nimmt. s gibt eine Firma, die für monatlich 3 4 wöchentlih eine Stunde erteilt und das Instrument gratis liefert; anderwärts kann man für ganze 10 4 fertig Klavier spielen lernen, und jeder 50. Schüler bekommt gratis eine Violine, jeder 100. ein neues Pianoforte. Wie mag da der Unterricht aus\ehen, und auf welher Höhe mögen die- lentgen stehen, die ihn geben! In einem folchen großen Konserva- torium, einer G. m. b. H., wo allerdings \{chlteßlich die Polizei dem Unfug ein Ende mate, unterrihtete ein 14 jähriger Junge im K_lavierspiel; er hatte wöchentlich 96 Stunden zu geben und erhielt für die Stunde 12 4, für Ueber- stunden 25 4, Welche Gefahr für unsere ganzen musikalishen Ver- hältnisse, wenn es fo weitergeht! Da Wandel zu schaffen, ist eine ernste Aufgabe der Unterrihtsverwaltung. Sie ist allerdings etwas beengt, nachdem das Reichsgericht die Kabinettsorder von 1834 als hier auf diesen Privatunterciht nicht anwendbar erflärt hat; wie uns aber der Minister gesagt hat, steht eine neue Ent- scheidung bevor, und wenn diese in dem Sinne ausfällt, wie wir er- warten dürfen, dann bitte ih ibn, mit aller Strenge gegen diesen Unfug einzuschreiten und ihm ein Ende zu machen. Der Stand der Musiklehrer muß gehoben werden. Bahnbrehend und auch mit Grfolg if der 1901 begründete musikpädagogishe Verband vor- gegangen; er hat eine Prüfungsordnung aufgestellt und drüfungs- fommissionen eingeseßt, aber ein voller Erfolg seiner Bestrebungen kann nur eintreten, wenn er mit staatliher Autorität bekleidet wird, wenn au der Staat Kommissare in diese Kommissionen sendet. Auch in dieser Nichtung rufe ich das Wohlwollen des Ministers an. Auch auf dem Gebiet der Ausbildung der menschlihen Stimme als Sprechorgans sind wir von befriedigenden Verhältnissen noch weit entfernt. Dles hat auch die Unterrihtsverwaltung anerfannt, und sie hat im vortgen Jahre eine neue Prüfungsordnung für die Musiklehrer an den babe Schulen ohen. Aber darin ist die wichtigste Seite der Sache nicht genügend berüsichtict. Es kommt dabei we]entlih au das gesundheitlihe Moment in Betracht. Wäre das Verständnis hierfür größer, so gäbe es eine ganze Menge Hals- und andere Krankheiten weniger, und es würden viel weniger Leute, die für ihren Beruf besonders des Sprachorgans bedürfen, ge- zwungen fein, ihren Beruf vorzeitig aufzugeben. Son {n der Schule muß der Grund für diese UÜnterweisungen gelegt werden, hon in den Seminaren sind die Schüler darauf hinzuweisen. Die Lehrerzeitungen haben mich wegen der gleichen Ausführungen, die ih schon früher gemacht habe, heftig angefeindet, unverdientermaßen, denn ih habe den Lehrern nit vorgeworfen, daß es an ihrem guten Willen liege, sondern es fehlt ihnen tatsählich die nöôtige Ausbildung, die sie in det Stand set in den Schulen nah dieser Richtung einen guten Unterricht zu erteilen Wie wenig Menshen sind im Besiß eines klangvollen und wett reihenden Organs! Durch systematische Ausbildung kann “aber

jeder feine Stimme sang- und klangvoll machen, und dies gilt für Musikalische wie für Unmusikalishe, kommt aber besonders Kür [ir Hebung des Gesangs in Frage. Was der Volksgesang für unser deutsches Volk bedeutet, brauche ih nit zu sagen. I werde also wohl beim ganzen Hause gina finden, wenn ich den oer E die Musif mit allen itteln von Staats wegen u fördern.

(Schluß des Blattes.)

Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Gesezes, betreffend die Umlegung von Grundstücken in der Residenzstadt Wiesbaden, nebst Begründung zugegangen. Nach diesem Gesetzentwurf sollen das Geseß, betreffend die Um- legung von Grundstücken in Frankfurt a. M., vom 28. Juli 1902 und das Geseß wegen Abänderung des 8 13 dés vor- benannten Geseßes vom 8. Zuli 1907 in Wiesbaden sinngemäß Anwendung finden. |

Bei der Ersaßwahl eines Mitglieds des Hauses der Abgeordneten, die am 2. d. M. im 2. Berliner Wahl- bezirk stattgefunden hat, wurden nach amtlicher Feststellung, wie „W. T. B.“ berichtet, 477 Stimmen abgegeben. Davon erhielt Bankdirektor Karl Mommsen-Berlin (Fortshr. Volksp.) 373, Arbeitersekretär Hermann Müller - Tempelhof (Soz.) 104 Stimmen. Gewählt ist Bankdirektor Mommsen. i

Statiftik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Ausstand auf der „Königin Luise-Grube“ und der Berginspektion Knurow ist, wie „W. T. B.* meldet, beendet. Die Belegschaften sind gestern wieder voll eingefahren. Ueber 100 Mann wurden, da sie drei Tage der Arbeit ferngeblicben sind, wegen Vertragsbruchs entlassen. E

Die Laçe im böhmischen Koblenrevier it, „W2 T: zufolge, folgende: In Kladno und Schlan ist der Betrieb normal. In Aus sig wird in 14 von 15 Schächten, in Falkenau auf zwölf von 32 Schächten gestreikt; von 7083 Arbeiten streiken 2300; auf zwet Schächten ist der Ausstand beigelegt. In Tepliß wird auf 17 von 25 Schächten, im Brürer Nevier auf 20 von 31, in Dur auf sämtlihen 42 Schächten gestreikt; in Karlsbad auf dem „Poldt- chat“ sind 200 Arbeiter ausständig. (Val. Nr. 76 d. Bl.)

Die gestern in London abgehaltene Zusammenkunft der Grubenbesißer und Bergarbeiter im Auswärtigen Amt (vgl. Nr. 76 d, Bl.) dauerte, wie ,„W. T. B.“ erfährt, nur fünf Minuten. Die scottischen Bergarbeiter verlangten 5 Schilling 9 Perce für die Arbeiter und 3 Schilling für die Burschen. Darauf zogen sih die Grubenbesizer zurück mit der Bemerkung, daß sie genug hätten. Der Führer der schottischen Bergarbeiter erklärte dazu, als er spâter befragt wurde, die obigen Lohnsätße seien eine schottishe Forde- rung gewesen, und wies es durhaus von der Hand, daß thre Erneuerung etwa den Bruch verursacht bätte. Obwohl die Unterbandlungen in Sachen des Bergarbeiterausstandes noch fortdauern, bat der Staats- sekretär des Innern Mac Kenna angekündigt, daß die Regierung ents{hlossen sei, mit der Beratung der Mindestlohnbill fortzu- fahren. Die Beratung der Bill wurde infolgedessen gestern vor über- fülltem Hause wieder aufgenommen. Die Zahl der Bergleute, die im Laufe des gestrigen Tages die Arbeit wieder auf- genommen haben, wird auf 30C0 bis 4000 angegeben. Hike verteilen sich auf Schottland, Nordwales und vier englische Grafschaften. Nach einer Zeitungsmeldung wird in Schottland eine baldige allgemeine Nückkehr zur Arbeit erwartet. Dort erbält eine Klasse von Arbeitern, die von den Häuern angestellt und bezahlt werden, nur einen Durhschnittèlohn von 34 Schilling für den Tag. Die Festsezung eines Mindestlohnes von fünf Schilling würde nicht im Interesse der Hâäuer liegen. Nach der „Daily Mail" wird der Vorrat an verkäufliher Koble

vanze Anzahl von Musikbildungsanstalten durckaus auf der Höhe,

in London binnen zehn Tagen erschöpft sein. Der Verlust

der Eisenbahnen wird bis jeßt auf 30 Millionen Mark ges{ätt Wie die „Times“ erklärt, wird die Negierung, falls der R rit der Annahme des Gesetzes über die Mindestlöhne nicht aufhört, aus- gedehnte Maßregeln zur Abhilfe der Notlage in London ergreifen. Außerdem follen Vorkehrungen zum S uge der arbeitswilligen Berg- leute getroffcn werden, und man erwar et, daß das Kriegsamt die Reserven einberufen wird. Der Londoner Grafschaftsrat hat die Schul- kommission ermättigt, falls der andauernde Ausstand zu einer außer- gewöhnlichen Notlage führen sollte, die Osterferien in den Volks- pas agg f pitag S E die Speisung der bedürftigen Kinder i u diesem Zw ) i 100000 bereigestelt Zwede wurde eine Summe von Aus Lowe assahusetts) wird dem ,W. T. B.“ telegra : Die Mühlenbesiger der Stadt haben beshlossen, den V wegen der Arbeiterunruhen einzustellen (vgl. Nr. 75 d. Bl.).

(Weitere „Statistische Nachrichten“ \. i. d. Zweiten Beilage.)

Technik,

Der Verein deutscher Flugtehnifker verfolgt die A

die wirtschaftliche Fürsorge für E lie und deren Hinterbliebene in die Wege zu leiten. Den Grund- stock „dieser Versicherung sollen nah der Absicht des Vereins 1% sämtlicher in Deutschland “ausgeflogener Preise und ein laufender Zuschuß der Ministerien bilden, während er die laufenden Einnahmen aus Beiträgen hilfsbereiter Personen, der Industrie, der Stadt- verwaltungen und aus dem Erlôs von Vorträgen zusammenzubringen hofft. Die geplante Versicherung soll si naturgemäß nur in ganz bescheidenen Grenzen halten. Dem Bestreben des Vereins liegt der Gedanke zu Grunde, daß dem Flieger im Unglücksfall ein Recht auf Entschädigung zustehen und daß ihm das drückende Gefühl des Almosenempsanges erspart werden, daß er deshalb zu dem Ver- siherungskapital auch selbst dauernd beitragen und es mitverwalten soll. Die Verwaltung und die Geschäftsführung {ind ehrenamtlich gedacht. , Hoffentlich findet die durchaus zu billigende Absicht des Vereins in weiten Kreisen Förderung und tatfkräftige Unterstüßung.

4 Die diesjährige Hauptversammlung des Vereins deutscher ZÓNngenteure findet vom 10. bis 12. Juni in Stuttgart statt. Die reichhaltige Tagesordnung umfaßt neben der Erledigung geshäft- [icher Angelegenheiten und der Besichtigung industcieller Werke eine Neihe wissenschaftlicher Vorträge, die das allgemeine Interesse be- anspruchen. So wird der Abteilungschef im Reih marineamt, Herr Wükliher Geheimer Oberbaurat Dr.-Ing. h. c. R. Veith einen Ueberblick über die neueren deutschen Kriegs\hiffstypen geben. Der Geheime Regierungsrat, Professor Kammerer von der Technischen Hochshule Berlin wird in einem durch Bei- spiele erläuterten Vortrag die Verwendung des Kinemato- graphen im Interesse der Wissenschaft und Technik behandeln. Die Aufgaben und die Tätigkeit des Ingenteurs in unseren Kolonien werden von dem Geheimen Oberbaurat Sch{mick-München einer sah- kundigen Betrachtung unterzogen werden, während der Professor Wid- mater von der Technischen Hochschule Stuttgart über die Industrie Württembergs sprehen wird. Die Vorträge des dritten Sitzungstages betreffen die Beziehungen zwischen Kunst und Technik sowie zwischen Technik und gesundheitliher Fürsorge. Es werden der Professor Peter Behrens-Berlin und Negterungsbaumeister K. Bernhard-Berlin über den modernen Fabrifbau in ästhetisher und technisher Beziehung sprechen. Hieran {ließt sih der Vortrag von Dr. F. Quinke-:Lever- A über moderne sozialhygienische Einrichtungen für industrielle erke.

Land- und Forftwirtschaft.

Ein Kursus über Anbau und Behandlung der Brau - gerte findet au in diesem Jahre vom 6. bis 9. Mai d. J. in dem zur Berliner Landwirtschaftlichen Dochschule gehörigen Institut für Gärung8gewerbe statt. Der Kursus ist für Winterschulk- direttoren, Landwirtschaftslehrer und sonstige Beamte von landwirt- shaftlihen Behörden und Körperschaften sowie für selbständige Land- wirte und Brauerei- und Mälzereileiter bestimmt. Die Teilnahme am Kursus is gebührenfrei. Folgende Borlesungen und Uebungen sind in Ausficht genommen : Anbau von Braugerste, Dozent Professor Dr. von Eckenbrecher. Gerstenbonitierung, verbunden mit praktischen Uebungen, Dozent Dr. Neumann. Behandlung der Braugerste nah der Ernte, Dozent Professor Dr. Hoffmann. Die Ueberführung der Gerste in Malz, Dozent Professor Dr. W. Windish. Der Kursus soll vor allem au dazu dienen, die kleineren Landwirte mit den Be- dingungen der Braugerstenkultur vertraut zu machen und sie damit mehr als bisher auf diese hinzuweisen. Anmeldungen zur Teil- nahme sind bis zum 27. April d. I. an die Versuhs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin N. 69, Seestraße, Institut für Gâärungs- gewerbe, zu richten.

Verkehrswesen.

_Die Abfahrt der zur Paketbeförderung nach Süd- westafrika benußten Reichspostdamvfer erfolgt im 2. Vierteljahr 1912: , :

April Mai Juni

am am Hamburg 10. 25. Wf Ln Bremerhaven 10./11. ) 29./26. 10.111. 25./96.

__ In Koes, Hafsuur und Ukamas in Deutsch Südwest- afrika ist je eine Telegraphenanstalt für den internationalen Verkehr eröffnet worden. Die Worttare für Telegramme nah den genannten drei Orten ift dieselbe wie nach Windhuk. Sie beträgt gegenwärtig 2 H 75 „1.

Theater und Musik.

Kammerspiele des Deutschen Theaters.

Unklare Gewässer sind niht immer tief; durch Unklarheit Tiefe vorzutäuschen, schien aber das Bestreben Mori ß Heimanns, dessen Tragödie „Der Feind und der Bruder * gestern zum erîten Male im Kammerspielhause aufgeführt wurde. Wieder einmal war das Venedig der Renaissancezeit der Schauplatz der Ereignisse, aber mit den Tatmenschen, wie sie uns das Colleoni: Denkmal versinnlicht, batten die viel redenden und wenig handelnden Personen dieses Dramas nichts gemein. Einiges Licht in die verworrenen Reden bringt nur eine Gerichtsverhandlung vor dem Dogen, in der man Cre fährt, daß Tuzio Tuzi, der Pallas, die Gattin des Condottiere Barbaro da Brazza, entführt hat, eigentliß der Bruder der Ent- führten ist. Brazza sendet darauf den auf eine einsame Insel der Adria Entflohenen einen Boten nah, der ledigli den Auftrag hat, den Ehebrechern diese Tatsache zu verkünden. Pallas aber tôtet den Boten, che Tuzio die Wahrheit erfährt, und als tann Brazza selbst erscheint, erstiht fie zuerst den Geliebten und dann si. Mit dem Wortschwulst dieser Tragödie, der des öfteren an das Hexs einmaleins und das, was Faust und Mephistophbeles dazu äußern, gemahnt, hatte sih eine Schar junger Schauspieler abzufinden, die im Deu!schen Theater sonst nit an erster Stelle stehen. Aber au ibren älteren Kollegen würde es wobl faum gelungen sein, Interesse für die blutleeren Gestalten zu erwedcken, die sie darzustellen batten. Am be- deutsamsten ershien nochd Mary Dietrich, die man schon des öfteren als verbeißungsvolles Talent Le konnte, in der Rolle der Mutter der Pallas; die Pallas felbst spielte Gina Maver, eine noch ganz unbekannte Darstellerin, troß mancher Unbehbolfenbeit und Unfreibeit der Bewegung nit ohne gewisse Anzeichen, daß von ihr noch Gutes zu erwarten i|t. Wie eine verblaßte Kopie von Moissi wirkte der Tuzio des Herrn Wörz, und ganz und gar farblos war Herrn Breider-