1892 / 266 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 Nov 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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1892.

Berlin, den 9. November.

Jn Gemäßheit der Allerhöhsten Verordnung vom 15. Ofk- tober d. J. fand heute Mittag um 12 Uhr die feierliche Eröffnung des Landtags der Monarchie, und zwar wegen des Umbaues des Weißen Saales im Rittersaale des Königlichen Schlosses, statt. A

Der der Eröffnung vorausgegangene Gottesdienst begann für die Mitglieder der evangelischen Kirche um 11 Uhr in der Dom-Jnterimskirhe (Monbijou), wo der Hof- und Dom- prediger Vieregge unter Zugrundelegung des Textes Philipper 8, 12 die Predigt hielt. Für die Mitglieder der katholischen Kirche fand um 111/2 Uhr in der St. Hedwigs- Kirche eine Segensandacht statt. i / j

Nach Beendigung der kirhlihen Feier nahmen die Mit- glieder des Landtags im Ritterjaale, dem Throne gegenüber, Aufstellung. Wegen des beschränkten Raums in diesem Saale war von der sonst üblichen Einladung der Generalität, der Wirklichen Geheimen Räthe 2c. abgesehen worden. Ebenso war wegen Mangels aller größeren Tribünen im Rittersaale weder das diplomatische Corps eingeladen noch irgend welches Publikum zugelassen worden. e :

Sobald die Aufstellung vollendêt war, erschienen die Staats-Minister unter Vortritt des Präsidenten des Staats- Ministeriums, Ministers des Jnnern Grafen zu Eulenburg und stellten si links vom Throne auf. Der Präsident des Staats- Ministeriums verlas hierauf die nachstehende Thronrede :

Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtages!

Seine Majestät der Kaiser und König haben mih mit der Eröffnung des Landtages der Monarchie zu beauftragen geruht

Jn der Finanzlage des Staats, auf deren voraussichtlihch ungünstige Gestaltung im Jahre 1891/92 bereits bei Jhrem lezten Zusammentritt hingewiesen wurde, ist eine Wendung zum Besseren noch nicht eingetreten.

Die Rechnung des Jahres 1891/92 hat, wesentlih infolge der Steigerung des Ausgabebedarfs bei den Staatseisenbahnen, mit einem Fehlbetrage von mchr als 42 Millionen Mark ab- geschlossen. Die erforderliche Vorlage rvegen Deckung dieses Betrages durch Aufnahme einer Anleihe wird Jhnen zugehen. Auch für das laufende Jahr kann nach den bisherigen Er- gebnissen cin günstiger Abschluß nicht erwartet werden, da insbesondere die Einnahmen der Staatseisenbahnen unter der durch das Auftreten der Cholera verschärften Ungunst der wirthschaftlihen Verhältnisse niht unbeträchtlih hinter dem Voranschlage zurübleiben.

Wenn auch die Finanzlage bei der fortshreitenden Ent--

widckelung der sonstigen Staatseinnahmequellen und bei der Größe des Staatsvermögens zu keinerlei Besorgnissen Anlaß giebt, so müssen doch bei dem derzeitigen Rückgange der Ueber- schüsse der umfangreichen Staatsbetriebe in dem Staatshaus- halts-Etat für 1893/94, dessen Aufstellung die Staatsregierung gegenwärtig noh beschäftigt, die Ausgaben in allen Zweigen der Staatsverwaltung mit großer Sparsamkeit unter Be- shränkung auf die dringlihsten Anforderungen bemessen und die Einnahmen aus den Betriebsverwaltungen besonders vor- sihtig veranshlagt werden.

Bei dieser Sachlage muß die Fortführung der in den leßten Jahren begonnenen allgemeinen Aufbesserung der Be- amtenbesoldungen zum lebhaften Bedauern der Staatsregierung für das Jahr 1893/94 noch ausgeseßt bleiben.

Dagegen soll das für die Unterbeamten bereits bestehende System des Aufsteigens, im Gehalt nah Dienstaltersstufen zu- nächst auf die mittleren Beamtenklassen ausgedehnt und das Aufrücken von Hilfsarbeitern dieser Klassen in etatsmäßige Stellen durch Vermehrung der lchteren gefördert werden.

Die geseßliche Feststellung der Grundsäße für die Ver- anshlagung, Führung und Controle des Staatshaushalts ist inzwischen wesentlih gefördert worden, aber noch niht zum vollen Abschlusse gelangt, sodaß Jhnen in der bevorstehenden Tagung, in welcher überdies Jhre Zeit und Kraft durch andere wichtige und dringlihe Vorlagen stark in Anspruch genommen werden, ein bezügliher Geseßentwurf noch nicht vorgelegt werden kann.

Den ' bedeutsamsten Gegenstand Jhrer Berathungen wird der Abschluß der im Jahre 1890/91 begonnenen Umgestaltung des staatlichen und communalen Steuerwesens bilden.

Der zu diesem Behufe verfolgte Plan bezweckt, die in untrennbarem Zusammenhange stehenden Ziele der Reform

gleichzeitig und in vollem Umfange zu erreihen. Diese Ziele sind darauf gerichtet, unter Beseitigung der unbilligen und ungleichen Vorbelastung der Grundbesißer und Gewerbe- treibenden und unter stärkerer Heranziehung des vererblichen Besitzeinkommens im Gegensaß zum Arbeitseinkommen, die staatlichen Steuerlasten nah Maßgabe der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen zu vertheilen, den Gemeinden neue Steuerquellen zu eröffnen und dadurch, sowie durch geeignete geseßliche Bestimmungen zu einer gerechteren Vertheilung der Gemeindelasten unter wesentlicher Beschränkung der Zuschläge zur Einkommensteuer zu gelangen.

Eine Denkschrift wird den Gesammtplan eingehend er- läutern und begründen. Zu seiner Durhführung werden Jhnen drei Geseßentwürfe, welhe sih gegenseitig ergänzen und bedingen, zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vor- gelegt werden.

Der Gesezentwurf wegen Aufhebung directer Staats- steuern ist bestimmt, sämmtliche Ertragssteuern einschließlich der Bergwerkssteuer als Staatssteuern aufzugeben und die von denselben bisher getroffenen Steuerquellen den-Gemeinden zur selbständigen Benugzung frei zu lassen.

Der Entwurf cines Ergänzungssteuergeseßes soll in mäßiger Weise die nur nach Beseitigung der Bruttobesteuerung be- siimmter Vermögensarten mögliche Besteuerung des nußbaren Reinvermögens mit Auss{chluß des Mobiliars unter Freilassung des kleinen Besißzes einführen und auf diesem Wege die durch die Gerechtigkeit gebotene unterschiedlihe Heranziehung des Besiteinkommens erreichen. Der Geseßentwurf bildet hierdurh und durch die Heranziehung von Steuerkräften, welche ihrer Natur nach von der Einkommensteuer frei bleiben, eine noth- wendige Ergänzung und Ausbildung der leßteren.

Der Entwurf eines Communalabgabengeseßes regelt das Steuerwesen der Gemeinden und Verbände nach festen Ge- sichtspunkten, ohne die Berücfsihtigung der besonderen und verschiedenartigen Verhältnisse der Gemeinden außer Acht zu lassen. Er sucht durch erweiterte Anwendung des Grundfaßes von Leistung und Gegenleistung den Steuerbedarf der Ge- meinden zu vermindern, sorgt bei der Deckung des leßteren für die Benußung der durch die Ueberlassung der Realsteuern eröffneten Steuerquellen und sichert auf diese Weise, unter Wahrung freien Spielraums für die Selbstverwaltung, eine rihtigere Vertheilung der Gemeindelasten bei angemessener Berücksichtigung der Verwendungszwecke.

Wenn auch durch die Reform nicht eine Vermehrung der Staatseinnahmen, noch eine Erhöhung der Steuerlast, sondern lediglich eine bessere Ordnung des gesammten directen Steuer- wesens erreiht werden soll, so muß doch nach der Lage der Finanzen des Staats für den Ausfall voller Ersaß geschaffen werden, welcher durch den Verzicht auf die Realsteuern im Betrage von etwa 102 Millionen Mark erwächst.

Dazu sollen die im voraus hierfür bestimmten Mehr- erträgnisse der Einkommensteuer, die bisherigen Ueberweisungen aus den Getreide- und Viehzöllen an die Kreise, für welche diese und die Gemeinden durh die Freigabe der gesammten Nealsteuern vollen und gesicherten Ersay erhalten, sowie das Aufkommen aus der Ergänzungssteuer dienen.

Aus der wesentlihen Uebereinstimmung mit den dar- gelegten Zielen der Steuerreform, welche bei den Berathungen über das Einkommensteuergesez und des Gewerbesteuergeseßes im Landtage hervorgetreten ist, \{chöpft die Staatsregierung die zuversichtlihe Hoffnung, daß es gelingen werde, auch über die jeßt vorgelegten Entwürfe zu einer vollen Einigung zu gelangen. ;

Der geplante Fortfall der staatlihen Realsteuern is von erheblichem Einflusse auf die Bildung der Urwähler-Abtheilungen für die Wahlen zum Hause der Abgeordneten und der Wahl- abtheilungen für die Wahlen von Gemeindevertretungen. Die dadurch. und infolge der Veranlagung der neuen Einkommen- steuer eintretende Verschiebung in- der Abstufung des Wahl- rechts bedarf der Abhilfe. Zu diesem Zwecke wird Jhnen eine Geseßvorlage so bald als thunlich zugehen.

Wegen der Verwendung des bis zum Jnkrafttreten der Geseßentwürfe über die Steuerreform gesammelten Fonds aus den Mehrerträgnissen der Einkommensteuer werden Jhnen besondere Vorschläge unterbreitet werden.

Dabei wird auf die Verbesserung der Lage der Volks- \hullehrer und auf die Erleichterung der Schullasten der Ge- meinden Bedacht genommen werden.

Vorschläge wegen Erweiterung, Vervollständigung und besserer Ausrüstung des Staatseisenbahnnezes werden Jhnen auch in diesem Jahre, wenn auch in cinem durch die Finanz- lage des Staats beschränkten Umfange zugehen.

Meine Herren, indem ih Sie einlade, Jhre Arbeiten wieder aufzunehmen, gebe ich der Zuversiht Ausdruck, daß unter Gottes Segen auch in der bevorstehenden Tagung Jhre Berathungen und Beschlüsse das Wohl und Gedeihen des Landes fördern werden. 3

Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers und Konigs er- kläre ih den Landtag der Monarchie für eröffnet.

Hierauf brachte der Präsident des Hauses der Abgeord- neten von Koeller. das Hoch auf Secine Majestät den Kaiser und König aus, in. das die - Versammlung be- geistert einstimmte.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht : dem Oberst-Lieutenant von Palézieux gen. Falconnet, Flügel-Adjutanten Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Sachsen, die "Schleife und die Königliche Krone zum Rothen Adler-Orden dritter Klasse,

dem Rechtsanwalt und Notar, Justiz - Rath Mangels- dorff zu Graudenz und dem Ersten Secretär bei dem Landesdirectorium der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont, Kanzlei-Rath Krafft zu Arolsen den Rothen Adler - Orden vierter Klasse,

dem Geheimen Rechnungs-Rath Seidel, Vorsteher des Postanweisungsamts zu Berlin, den Königlichen Kronen-Orden dritter Klasse,

_demEisenbahn-Verkehrs-Controleur a. D. von St aszewski zu Kreuznach, bisher zu Saarbrücken, und dem Ober-Tele- graphen-Assistenten Richter zu Charlottenburg den Königlichen Kronen-Orden vierter Klasse, den emeritirten Lehrern Buchholz zu Groß-Teßleben im Kreise Demmin, Schäpercla us zu Wetter im Landkreise Hagen und Grunau zu Seekampen im Kreise Stallupönen den Adler der Jnhaber des Königlichen Haus-Ordens von Hohenzollern, sowie :

dem Werkführer Louis Schendel zu Züllihau das Allgemeine Ehrenzeichen zu vekleihen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Ober- Hofmeister Jhrer Kaiserlichen Hoheit der Frau Großherzogin von Mecklenburg - Schwerin, Grafen von Bassewiß den Königlihen Kronen-Orden erster Klasse zu verleihen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

den nachbenannten Personen die Erlaubniß zur Anlegung

der ihnen verliehenen nichtpreußishen Jnsignien zu ertheilen, und zwar:

des Ritterkreuzes erster Klasse des Königlich württembergishen Friedrihs-Ordens und des Ritterkreuzes erster Klasse des Großherzoglich sächsishen Haus-Ordens der Wachsamkeit oder vom weißen Falken: dem Director des Goethe- und Schiller-Arhivs in Weimar, Professor Dr. Suphan; des Commandeurkreuzes erster Klasse des Herzoglich sahsen-ernestinischen Haus-Ordens: dem Kammerherrn und Schloßhauptmann von Benrath Freiherrn Roth von Schreckenstein; des Ritterkreuzes erster Klasse desselben Ordens: dem Kammerjunker von Humbracht; der goldenen Medaille des Herzoglich anhaltischen Haus-Ordens Albrechts des Bären: dem Haushofmeister Jhrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Luise von Preußen Schulte; ferner : des Großoffizierkreuzes des Königlich nieder- ländishen Ordens von Oranien-Nassau: den Ceremonienmeistern Lebrecht von Kohße und Frei- herr von Schrader; | des Commandeurkreuzes desselben Ordens: dem dienstthuenden Kammerherrn Jhrer Königlichen Hoheit f A Prinzessin Friedrih Leopold von Mebitken von rotha;