Die Deckung des Mehrbedarfs an fortdauernden Aus- welcher als Folge der in Aussicht genommenen Heeres- erstärkung erwartet werden muß, macht die Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reichs nothwendig. Die hierfür ausgearbeiteten Geseßentwürfe find mit Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers dem Bundesrath vor- gelegt. Danach wird beabsichtigt, die erforderlichen Mittel aus einer ergiebigeren Besteuerung des Bieres, des Brannt- weins und der Börsengeschäfte zu gewinnen. S Die Biersteuer soll innerhalb der Brausteuergemeinschaft verdoppelt werden. Um indeß einer Ueberbürdung der kleineren Brauereien vorzubeugen, die- infolge ihrer unvollkommeneren technischen Einrichtungen einen relativ größeren Malzverbrauch zu haben pflegen, als die Großbetriebe, wird für die ersteren eine Ermäßigung der Steuer empfohlen, deren finanzielle Wirkung durch eine Erhöhung des S für die legteren ausgeglichen wird. Ferner joll der Saß, nah welchem den einzelnen betheiligten Staaten die Kosten der Erhebung und Verwaltung der Braujteuer ver- gütet werden, künftig von 15 auf 10 Proc. der Gesammt- einnahme ermäßigt und Elsaß-Lothringen bei dieser Gelegen- heit in die Brausteuergemeinschaft einbezogen werden.
Der Ertrag der Branntweinsteuer soll durh cine Er- höhung des niedrigeren Satzes der Verbrauhsabgabe von 50 auf 55 F für das Liter reinen Alkohols gesteigert werden. Daneben wird es nöthig, die Gesammt-Jahresmenge Brannt- wein, welche zum niedrigeren Abgabesaßze hergestellt werden darf, von 4,5 auf 4 1 reinen Alkohols für den Kopf der Be- völkerung herabzuseßen, um gegenüber dem Zurükbleiben des Trinkconsums hinter den Erwartungen die Wirkung der Con- tingentirung auch für die Zukunft sicher zu stellen. :
Der leßte Vorschlag geht dahin, die durch das Geseß vom 29. Mai 1885 eingeführte Abgabe von Kauf- und An- \chaffungsgeschäften über Werthpapiere und andere bórsen- mäßig gehandelte Waaren, Nr. 4 des Tarifs zum Reichs- stempelgeseße, von 1/9 bezw. 2/19 vom Taujend auf das Doppelte dieser Säße zu erhöhen und durch veränderte Ab- stufung der Werthklassen in Zukunft die Möglichkeit auszu- schließen, daß namhafte Beträge von der Besteuerung überhaupt frei bleiben. i :
Der aus der Durchführung dieser Steuerprojecte sich er- gebende Mehrertrag is — einschließlich der von den süd- deutschen Staaten an Stelle der Biersteuer zu. entrichtenden Acquivalente — auf insgesammt etwa 58 Millionen Mark jährlih zu s{hägzen. E
Eine höhere Besteuerung des Tabaks in irgend welcher Form wird nicht beabsichtigt.
Für die Zeit vom 1. April 1892 bis zum Schlusse des Monats O ftober 1892 sind von Einnahmen (einschließlih der creditirten Beträge) an Zöllen und gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern sowie von anderen Einnahmen im Deutschen Reich zur Anschreibung gelangt: i
olle 225613738 6 (gegen denselben Zeitraumdes Vorjahres — 4271 649 M6), Tabadjteuer 5 470 327 M6 (+ 164455 M), Zuckermaterialsteuer — 53 708 323 4 (+ 3 308 208 46), Ver- brauhsabgabe von Zuer 34 848 897 4. (+ 3 691 041 4), Salzsteuer 23195971 M (— 338330 A), Maischbottich- und Branntweinmaterialsteuer 3 374 295 4 (+ 737 912 M), Verbrauchsabgabe von Branntwein und Zuschlag zu derselben 65 552 747 M (— 5814 894 A6), Braujteuer 15 342 361 (+ 149 006 M), Uebergangsabgabe von Bier 2005 123 # (+ 70 701 MÆ); Summe 321 695 136 #6 (— 2303 550 M). — Spielkartenstempel 666 427 M (+ 5635 16), Wedchsel- stempeljteuer 4 608 356 # (— 194 660 6), Stempelsteuer für a. Werthpapiere 1694774 M fie 433795 M), b. Kauf- und sonstige Anschaffungsgeschäfte 5259 087 (— 1514021 M), c. Loose zu Privatlotterien 1309 087 (+ 154 638 A6), Staatslotterien 4 040 612 M (+ 27 927 M).
Die zur Reichskasse gelangte Jst - Einnahme ab- züglih der Ausfuhrvergütungen und Verwaltungskosten be- trägt bei den nahbezeihneten Einnahmen bis Ende Oktober 1892: Zölle 209 645 742 M (+ 5 720 632 a), Zabadsteuecr 7357723 M6 (—654744 A6), Zudermaterialsteuer 16 579 477 H + 905 142 A), Verbrauchsabgabe von Zucker 30 365 471 (1 457 833 6), Salzsteuer 21 835 630 M (— 224579 M),
aischbottih- und Branntweinmaterialsteuer 9615 956 H Verbrauchsabgabe von Branntwein und
ushlag zu derselben 56 113 716 M (— 7 786 677 A), Brau-
euer und Uebergangsabaabe von Bier 14742129 f (+ 186 787 M); Summe 366 255 844 M6 (— 3 321 979 H). — Spielkartenstempel 651 802 M (+ 3542 M)
zu 10707 M), t
Bei der allgemeinen Viehzählung, die auf Beschluß des Bundesraths am 1. Dezember d. J. im Deutshen Reich statifindet, werden voraussichtlih die Ortsbehörden vielfah an Volksschullehrer auf dem Lande das Ersuchen richten, sich bei der Ausführung des Zählgeschäfts in der einen oder anderen Weise zu betheiligen. Soweit die Lehrer dabei mitwirken wollen, hat der Unterrichts-Minister genehmigt, daß der ihnen obliegende Unterricht an dem Tage ausfällt.
Heute Morgen um 8!/2 Uhr ist der Geheime Ober-Bau- und vortragende Rath im Ministerium der öffentlichen Ar- beiten Professor Ludwig Hagen nah längerem, anscheinend F gehobenem Leiden ploglich am Herzscblage dahin- geschieden.
Friedrih Ludwig Hagen, als ältester Sohn des Ober- Landes-Baudirectors, Wirklichen Geheimen Raths Dr. Hagen am 29. August 1829 in Pillau geboren, wurde, nachdem er bereits im Jahre 1849 als Geometergehilfe bei der Königlichen Ostbahn eingetreten war und 1851 seine men a abgelegt hatte, im Jahre 1859 zum
aumeister ernannt und zunächst bis zum Jahre 1862 mit der Leitung der Hafenbauten bei Ruhrort und so- dann bis 1866 mit der Leitung der Bauten zur Kanalisirung der oberen Saar betraut. Im Jahre 1866 wurde er zum Wasser-Baumeister in Genthin, 1868 zum Wasser daselbst, 1871 zum Ober-Bauinspector bei der Königlichen Regierung in Köslin und 1874 zum Regierungs- und Baurath daselbst ernannt. Am 1. Juli 1875 wurde er als Hilfsarbeiter in das damalige Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentlihe Arbeiten berufen und gleichzeitig mit der Aufgabe betraut, an der damaligen Vau-
Akademie Vorlesungen über den Wasserbau zu halten. Am 1. Januar 1876 erfolgte seine E zum Geheimen Bau- und vortragenden Rath, im Jahre 1880 seine Beförderung zum Geheimen Ober-Baurath. Neben dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse am weißen Bande, der Landwehr-Dienstauszeichnung zweiter Klasse und der Kriegsdenkmünze für Nichtcombattanten für 1870,71 besaß Hagen den Rothen Adler-Orden zweiter Klasse mit Eichenlaub und das Ritterkreuz der französischen Ehrenlegion. / Von Jugend auf war Hagen mit unermüdlihem Eifer und bestem Ecfolge bestrebt, des Namens und des Ruhmes seines Vaters, des Ober-Landes-Baudirectors Hagen, des hoch- verdienten Altmeisters der Wasserbaukunst, sich würdige zu er- weisen. Von diesem Bestreben legten {hon im Beginne seiner Laufbahn der Ausfall seiner Prüfungen und der Er- folg bei der Schinkel-Concurrenz des Jahres 1858 beredtes geugniß ab. Sowohl seine Thätigkeit als Baumeister wie als auinspector und Negierungs- und Baurath war von den schönsten Erfolgen begleitet, sodaß für die durh das Ausscheiden des Vaters erledigte Stelle cincs vortragenden Raths fein würdigerer Nachfolger als der Sohn in Vorschlag gebracht werden konnte. Mit nie rastendem unermüdlichen Eifer, mit shöpferisher Jnitiative und sichtbarsten Erfolgen hat Hagen die überaus wichtigen prafktishen Aufgaben, die ihm während seiner Thätigkeit an der Ceniralstelle gestellt waren, erfaßt und durchgeführt. Jn gleicher Weise hat er ein her- vorragendes Geschick als Lehrer für den Wasserbau an der Bau-Akademie und der Technishen Hochschule bewiesen, er hat auf seine Schüler in hohem Grade an- regend gewirkt und sie durch häufig veranstaltete sorgfältig vorbereitete Excursionen ungemein gefördert. Alle Neuerungen und Erfindungen auf dem Gebiete der Wasserbau- kunst verfolgte er mit regem Juteresse und erwarb sih, wie im Jnlande, so auch im Auslande den Ruf eines _ebenso theoretish durchgebildeten wie praftish erfahrenen Wasserbau- Technikers. Der Verlust, welhen das Ministerium der öffent- lien Arbciten dur sein Hinscheiden erleidet, ist ein überaus \hmerzlicher, shwer zu erseßender. Sein Andenken wird in Ehren bleiben.
Jm Kaiserlihen Gesundheitsamt is heute eine Cholera-Erfrankung aus cinem Dorfe des Krel}es Kulm i. Westor. gemeldet worden; Erkrankungstag etwa der 14. d. M.
Der Kaiserliche Gesandte in Washington von Holleben ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf feinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder Übernommen.
Wernigerode, 17. November. Das „W. J.-B.“ bringt folzende Bekanntmachungen :
„Seine Majestät der Kaiser und König hat bei seiner Abreise nohmals seiner lebhaften Befriedigung inébesondere über die wohlgelungene, reiche und geschmackvolle Aus- \{chmüdckung der Straßen der Stadt Ausdruck zu geben und mich wiederholt anzuweisen geruht, dafür der Bürgerschaft seinen Dank besonders auszusprehen, welhem Allergnädigsten Befehl ih auf diesem Wege Folge leiste. Wernigerode, den 16. November 1892. Der Bürzermeister: Schu lß. “ :
„Wernigerode, den 16. November 1892. Seine Majestät der Kaiser und König hat des wiederholten Dank und An- erkennung auszusprechen geruht für den herzlihen Empfang, der ihm seitens der Einwohnerschaft der Stadt Wernigerode sowie der Gemeinden Nöschenrode und Hasselrode bereitet worden ift, und für die {öne und reiche Ausshmückung der Straßen und Häuser in genannten Orten. Ich. .entledige mich eines Allerhöchsten Auf- trages, indem ich diesen Dank und Anerkennung zur Kenntniß der be- theiligten Einwohnerschaften bringe. Der Königliche Landrath : von Herßberg.“
Bayern.
Seine Königliche Hoheit der Prinz Ludwig hat der „Allg. Ztg.“ zufolge das ihm angetragene. Protectorat über den jüngst in Nürnberg gegründeten Verein für Hebung der Fluß- und Kanalschiffahrt in Bayern übernommen.
Hefen.
Jhre Königlichen Hoheiten der Großherzog und der Prinz Heinrich von Preußen sind nah der „Darmst. Ztg.“ am Donnerstag Abend von Darmstadt nah Berlin ab- gereist, um sich mit Seiner Majestät dem Kaiser nach der (Söhrde zu begeben und dort an den Jagden am 18. und 19. November theilzunehmen. Jhre Königlichen Hoheiten beabsichtigen, am Sonntag früh wieder in Darmstadt ein- zutreffen.
Mecklenburg-Schwerin.
Wie den „Meckl. Nachr.“ gemeldet wird, ist an Stelle des wegen Erkrankung des Staatsraths von Buchka nah Schwerin abgereisten Staatsraths von Bülow heute Mittag der Ober- Hofmeister Graf Bassewiß als shwerin- scher Commissar bei dem Landtag in Malchin eingetroffen. — Zu den Eisenbahnbaukosten für die Strecken NRostoc— Sülze—Landesgrenze mit Abzweigung Saniß—Tessin, Schwerin —Gadebusch—Rhcna und Criviß—Parhim wird von dem Landtag eine Landeshilfe von 25 000 H pro Kilometer, zu- sammen 2752500 6, gesordert. Die Gesammtkosten sind auf 8 805 000 M veranschlagt.
Bremen.
Jn der Sizung der Bürgerschaft vom 17. d. M. be- antragte der Senat, vom Jahre 1893 an den Buß- und Bettag für das bremishe Staatsgebiet auf den Mittwoch vor dem leßten Trinitatis-Sonntag zu verlegen, indem er bemerkte, daß in Preußen dieser Tag vom ñächsten Jahre an als Buß- und Bettag bestimmt und mit Sicherheit zu erwarten sei, daß alsbald in den meisten norddeutschen Bundesstaaten die gleiche Einrichtung getroffen werden würde. Nach kurzer Debatte wurde der Antrag des Senats angenommen.
Hamburg.
Am Donnerstag Abend fand in dem Hause des ver- storbenen Bürgermeisters Dr. Petersen eine Leichenfeier im Kreise der Familienangehörigen statt; sodann erfolgte die Ueber- führung der Leiche nah der Nikolai-Kirhe zur Aufbahrung. Bei dem Trauergottesdienst, gestern Vormittag, hielt der Haupt- pastor Behrmann die Leichenrede; die Kirche war mit Tausenden von Leidtragenden gefüllt. An der Feier nahm als Vertreter
Seiner Majestät des Kaisers der Staats - Minister, Staatssecretär- des Jnnern Dr. von Boetticher theil. Ferner waren anwesend: der Commandeur des IX. Armee- Corps, General der Cavallerie Graf von Waldersee, der preußische Gesandte Freiherr von Thielmann, der Ober- Prästdent von Schleswig-Holstein von Steinmann, die Bürgermeister der Städte Altona und Wandsbeck, die Senatoren, Vertreter aller Militär- und Civilbehörden, das diplomatische Corps, Deputationen der Krieger- und zahlreicher bürger- liher Vereine, der Feuerwehr u. . w. Nah Schluß des Trauergottesdienstes seßte sich gegen 12 Uhr der Leichenzug mit dem vierspännigen Leichenwagen unter dem Vorantritt des Musikcorps des in Hamburg garnisonirenden Regiments in Be- wegung. Unmittelbar hinter dem Sarge schritten die Mit- glieder der Familie Petersen; zwishen dem Staatsfecretär Dr. von Boetticher und dem commandirenden General Grafen Waldersee ging der preußische Gesandte Freiherr von Thiel- mann: dann famen die Mitglicder des Senats, an ihrer Spiße Bürgermeister Dr. Moendckeberg, ferner die Senats-Syndici, das Präsidium der Bürgerschaft, das Offizier- corps und das diplomatishe Corps. Jhnen schlossen sich die übrigen Theilnehmer der Trauerversammlung an. Der fast endlose Zug bewegte sih durh die Hauptstraßen der Stadt. Beim Passiren des Stadt-Theaters spielte die Theaterkapelle einen Choral. Gegen 3 Uhr traf der Zug auf dem Kirhhofe zu Ohlsdorf ein, wo der Sarg zunächst in die mit Palmen reih geshmückte Kapelle getragen wurde, in der der Hauptpastor Grimm Worte des Ab-
\chieds sprah. Der Sarg wurde sodann unter den A schen
des von der RNegiments-Musik gespielten Beethoven? Trauermarsches zum Grabe getragen. Dort sprách der Haupt- pastor Grimm Gebet und Segen, worauf der Sarg, während der Stadt-Theaterchor „Wie sie so sanft ruh’n“ sang und die Militär- musik „Es ist bestimmi in Gottes Rath“ spielte, eingesenkt wurde. In allen Straßen, welche der Zug passirte, bildete eine dichtgedrängte Menschenmenge Spalier. Die meisten Häuser der Stadt sowie die im Hafen liegenden Hamburger Schiffe hatten Halbmast geflaggt.
Oesterreich-Ungarn.
Wie dem „Frdbl.“ aus Konstantinopel berichtet wird, haben dort nah längerer Unterbrehung am 8. und 12. d. M. wieder Conferenzen der beiderseitigen Delegirten für die Verhandlungen über den Abschluß eines neuen Handels- vertrags zwischen Oesterreih- Ungarn und der Türkei stattgefunden, in denen es jedoch nicht gelungen ist, cine Einigung über die noch strittigen Punkte des Pertengventioinis u erzielen.
Der ungarishe Minister-Präsident Dr. Wekerle con- ferirte gestern, wie „W. T. B.“ meldet, mit den aus en in Wien cingetroffenen ungarischen Ministern und wurde hierauf vom Kaifer in einer halbstündigen Audienz empfangen.
Jn der gestrigen Sizung des österreihishen Ab- geordnetenhauses ist es bei der Weiterberathung des Budgets zu einer tumultuarishen Scene gekommen, wie sie sich in diejem Hause noch niemals ereignet hat. Der Jung- czehe Professor Massaryk griff, wic der „Magd. Ztg.“ ge- meldet wird, dic Deutschen in heftigster Weise an und be- hauptcte u. a., der Dreibund habe eine antiböhmische Spigze. Er citirte dabei verschiedene Autoren, wie Rat- fowsfy, Lagarde, Hartmann, um zu beweisen, daß die Deutschen Oesterreich vernichten und alle Slaven germanisiren oder ausrotten wollten: der deutsche Geist sei verroht. Der Abg. Menger bezeichnete die Ausführungen Massaryk's als den wildesten Ausbruch des Deutschenhasses, der je im öster- reihishen Parlament vorgekommen sei. (Lebhafte Zu- stimmung links.) Eine solhe Sprache eines öster- reihishen Professors sei cine Gewissenlosigkeit. „Wir wollen feinen böhmishen Staat (jtürmisher Beifall links; Lärm bei den Jungezechen) und heute ist es Hochverrath, vom böhmischen Staatsreht zu sprehen.“ Diese Worte Menger's riefen bei den Czechen einen ungeheueren Sturm hervor; sie sprangen von den Sigen auf, klopften auf die Pulte und viele von ihnen stürmten in die Mitte des Saales zur Präsidententribüne unter den Rufen: „Zur Ordnung! Das lassen wir uns nicht gefallen! urücknehmen! Widerrufen !“ Dagegen rief die Linke: „Recht hat er, Bravo Menger! Nicht widerrufen!“ Menger rief den Czechen zu: „Sie sprehen von unpassenden Aeußerungen Natkowsky's, aber ein jo gefährlicher Hochverräther wie Sie, Professor Massaryk, ist er niht.“ Nun steigerte sih die Ec- regung der Jungczehen noch. Mit drohend geballten Fäusten und wildem Geschrei stürzten sie gegen die Bänke der Linken. Man schrie sich gegenseitig allerlei Beleidigungen zu und erwartete jeden Augenblick, es werde zum Handgemenge kommen. Da rief Menger den Jungcezehen zu: „Es giebt in ganz Schlesien feinen Deutschen, der die Errichtung eines czehishen Staats nicht für Hochverrath hielte!“ Jegt erreichte der Lärm seinen Gipfelpunkt. Der Präsident erklärte die Fortseßung der Verhandlung für unmöglich und \chloß die Sißzung. Unter andauernder Erregung und heftigen Discussionen ver- ließen die Abgeordneten den Saal. ;
_ Fünf Abgeordnete zum Reichsrath aus Dalmatien und Jstrien haben einen unabhängigen kroatisch-sloveni- schen Club gebildet und dem Präsidenten des Abgeordneten- hauses sowie den übrigen Reichsraths-Clubs die erfolgte Con- stituirung des Clubs angezeigt. ,
Eine Versammlung der-.Delegirten von etwa vierzig Ver- einen in Budapest velMloN einstimmig die Veranstaltung eines Fackelzugs zu Ehren des Minister-Präsidenten Dr. Wekerle. Dér Zug dürfte am nächsten Mittwoch zur Aus- führung kommen.
Großbritannien und Frland.
Der nächste Cabinetsrath ist auf den 21. d. M. ein- berufen. Nach der „A. C.“ wäre die Unterbrechung der Sizungen des Ministeriums dem Umstand zuzuschreiben, da! Morley nah Dublin gegangen sei, um besondere Erkundi- gungen über die Fragen einzuziehen, die das Ministerium gegenwärtig erwägt.
Der Verwaltungsrath der Liberations-Gesellshaft- die bekanntlih für das ganze Vereinigte Königreich die Ent- staatlihung der Kirche anstrebt, tagte kürzlich in Londo und beschäftigte sich eingehend mit dem Gegenstande. Die Gese 7 schaft glaubt um so befere Aussichten auf Durchführung gee As zu haben, da so viele Nonconformisten n
arlament gewählt worden seien Die vom Verwaltungsra
* getreten jei.
angenonimenen Beschlüsse stüßen sih auch auf diese Thatsache “und fordern erhöhten Erst in 0 R A E
haft und ihrer Freunde, eine günstige Stimmung für die Entstaatlihung der Kirche herbeizuführen.
Die irishen Grundbesißer find bemüht, Material für ihre Sache zu sammeln, um die Bedeutung der Er- hebungen der Commission über die ausgewiesenen Pächter ab- zushwächhen. Aus Dublin wird gemeldet, daß das Exrecutiv- Comité der irischen Grundbesißer - Convention die- jenigen Eigenthümer, deren Besiß Gegenstand der Untersuhungen der genannten Commission bildet , aufge- fordert hat, Berichte, die detaillirt die Ursachen, Ge- schichte 2c. der auf ihren Gütern seit 1879 vorgenommenen Ausweisungen behandeln, so schnell wie möglich herbeizuschaffen. Ein ähnliches Ersuchen wird auch an alle jene Grundeigen- thümer gerichtet werden, deren Besiß möglicherweise Gegen- stand der Unterjuhung der Commission bilden könnte. Es besteht die Absicht, diese Berichte möglichst gleichzeitig mit denjenigen der Untersuhungs-Commission zu veröffentlichen. On Goleen (West-Cork) fand am 15. d. M. im Freien eine Kundgebung zu Gunsten der Nichtzahlung der Pacht statt. Sowohl der Pater Forrest als auch das irische Parla- mentsmitglied Gilhooly empfahlen den Pächtern, angesichts des Nothstandes erst für ihren Unterhalt zu sorgen und nur dann den Pachtzins zu entrihten, wenn ihnen dazu noch etwas übrig geblieben sei.
In Dublin tagten am 15. d. M. zugleih die Anti- parnellitische Irish National Federäátion unter Justin Mac Carthy und die Parnellitishe Nationalliga unter Vorsig John RNedmond’'s. Die erstere Versammlung verlief ziemlich ruhig, in der leßteren fielen heftige Aeußerungen und wurde die Gründung einer besonderen Organisation unter dem Titel „Jrlands Unabhängigkeitsarmee“ beschlossen.
Frankreich.
Die Deputirtenkammer beendete gestern die General- debatte über den Preßgeseßentwurf und beshloß mit 329 gegen 228 Stimmen, dem von der Regierung ausgesprochenen Wunsch gemäß zur Berathung der einzelnen Artikel des Ent- wurfs überzugehen. Ueber den Verlauf der Debatte ist den Berichten des „W. T. B.“ Folgendes zu ent- nehmen: Der Deputirte Pichon (radical) bekämpfte die Vorlage und vertheidigte die Politik der republi- kanischen Partei, welche die errungene Freiheit zu erhalten wissen werde. Der Deputirte Mézières trat für die Vorlage als eine Maßregel im Jnteresse der öffentlihen Wohlfahrt ein. Nachdem sodann noch mehrere Redner gegen den Ent- wurf gesprochen hatten, erklärte der Minister-Präfident Loubet auf eine an ihn gerihtete Anfrage unter dem Beifall des Centrums, er sei bereit, eine Jnterpellation über die allgemeine Politik des Cabinets zu beantworten, aber erst nahdem die Kammer sih über den Preßgeseßentwurf geäußert haben werde. Die Regierung sei sich bewußt, ihre Pflicht erfüllt zu haben und ihrem Programm treu geblieben zu sein, indem sie jede Freiheit zugelassen habe und nur der Zügellosigkeit entgegen-
Sie werde auch ferner in der Ausführung hres Programms fortfahren, wenn fie weiter die Macht in Händen behalte. Jm weiteren Verlauf der Debatte erörterte dann noch der Justiz-Minister NRicard die Vorlage im einzelnen und legte die Nothwendigkeit der Annahme des Gesezentwurfs dar. Die Genecraldiscusstion wurde hierauf geschlossen. Sodann begehrte der Deputirte Goiran d, die Regierung über ihre allge- meine Politik zu interpelliren. Der Minister-Präsident Loubet verlangte, daß die Kammer zunächst über den Preßgeseß- entwurf entscheide, und stellte zu dieser Forderung die Ver- trauensfrage, wobei er hinzufügte, er werde danah dem Deputirten Goirand zur Verfügung stehen. Die Kammer be- {loß nunmehr die Dringlichkeit der Berathung der Regierungs- vorlage und den Eintritt in die Specialberathung. Alsdann wurde die Sißung aufgehoben. Die heutigen Morgenblätter constatiren den vom Cabinet in der gestrigen Kammersizung errungenen Erfolg und schreiben ihn den entschiedencn und loyalen Erklärungen des Minister- Se Eee Loubet zu. Die - endgültige Aanahie des Preßgesezes gilt für hohwahrscheinlih, obshon die Organe der Opposition dies nah wie vor in Zweifel zichen. Die Polizei hat gestern einen angeblichen Anarchisten, einen Deutschen, Namens Friy Püschel, 36 Jahre alt, wie es heißt aus Köln, verhaftet, der anarchistische Broschüren ver- E haben sol. Püschel weigert sich, seine Wohnung an- zugeben.
Rußland und Polen,
Der Großfürst-Thronfolger is, wie telegraphisch gemeldet wird, am Donnerstag früh in Batum eingetroffen und hat Nachmittags seine Neise nah Abbas Tuman fortgeseßt, wo sich gegenwärtig der Großfürst Georg Alexandrowitsch aufhält.
Der „Regierungsbote“ veröffentliht eine Verordnung, durh welche den Hebräern, die in der Armee als Unter- Militärs nah dem früheren Refruten-Reglement gedient haben, sowie deren Familienangehörigen, die in Städten der inneren Gouvernements ans sind, der Aufenthalt in Moskau und in dem Moskauer Gouvernement verboten wird. i:
Spanien.
Wie es heißt, wird der spanish-portugiesische Handelsvertrag zahlreiche gegenseitige Zeesiänbnige boi beiden contrahirenden Länder enthalten. Namentlih soll den spanishen Waaren, welhe nah Amerika versandt werden, freie Durchfuhr durch Portugal, und den portugiesischen Waaren, welche nah Frankreich bestimmt sind, freie Durchfuhr durch Spanien gestattet sein.
Portugal.
__Dem König und der Königin, die gestern wieder in Lissabon eingetroffen sind, wurden bei der Ankunft enthu- siastishe Ovationen dargebraht. Die Stadt war mit Flaggen ge! v Abends fand Jllumination und Kunstfeuer-
erk statt.
Schweiz,
_… Der socialdemokratishe Redacteur Steck, der jüngst in den Berner Großen Rath gewählt worden ist, ollte vorgestern vereidigt werden, erklärte jedo, seine religiöse Ueberzeugung gestatte ihm nit, den Eid zu leisten, er könne nur ein Gelübde ablegen. Der Rath entschied sih nah längerer. Berathung mit 134 gegen 40 Stimmen gegen die Zu- lässigkeit eines bloßen Gelübdes. Steck erklärte, er werde bei der Bundesbehörde Schuß suchen.
Belgien.
Die internationale Münzconferenz soll am nächsten Dienstag cröffnet werden; die Eröffnungsrede wird der Minister-Präsident Beernaert halten.
Jn der belgischen Repräsentantenkammer hat am 17. d. M. die Adreßdebatte begonnen. Der radicale Partei- führer Fanson begründete, wie der „Nat.-Ztg.“ berichtet wird, seine ablehnende Haltung gegenüber einer an den König als Antwort auf die Thronrede zu richtenden Adresse insbesondere“ damit, daß alle von seiner Partei erhobenen Forderungen unerfüllt geblieben seien. Janson, der die Thronrede als farblos bezeichnete, exemplificirte insbesondere mit dem allge-. meinen Stimmrecht. Der Redner bezeichnete die Lage als ernst, sodaß bestimmte Entschließungen nothwendig seien. -,„Die Stunde ist gekommen“, betonte der Redner, „in der gesprochen, Gerechtigkeit gewährt, auf die Privilegien verzichtet, sowie das Regime des Rechts eingeleitet werden muß. .. Jd appellire an Jhre Billigkeit, Jhre Gerechtigkeit, um dem Volke dasjenige zu gewähren, was es fordert.“ Janson s{hlug deshalb ein Amendement vor, wonach der Artikel 47 der Verfassung in dem Sinne revidirt werden soll, daß das allge- meine Stimmrecht allen denjenigen gewährt wird, die nit durch ihre Unwürdigkeit ausgeschlossen werden. An der Adreß- debatte betheiligten sich insbesondere die Abgg. Woeste und Bara, sowie der Minister-Präsident Beernaert, der die Thronrede gegenüber den gegen sie gerihteten Angriffen ver- theidigte. Auch Bara erklärte wie Janson, daß er gegen die Adresse stimmen würde. Die Debatte wurde dann vertagt.
Im Verlaufe der géstrigen Sizung forderte der Abg. General Brialmont die Regierung auf, kategorish zu er- klären, ob fie noch im Laufe der gegenwärtigen Session einen Geseßentwurf über die persönlihe Wehrpflicht einzu- bringen gedenke. Der Minister-Präsident Beernaert er- widerte, die Regierung habe sich mit dieser Frage nicht befaßt. Der Kriegs-Minister Pontus hob hervor, er habe die Ver- mehrung der Contingente durchgeführt und die Frage der Reserve gelöst; die Frage der persönlihen Wehrpflicht hin- gegen habe er in sein Programm nicht aufgenommen.
Rumänien.
Der König und der Prinz Ferdinand sind gestern Abend wieder in Bukarest eingetroffen. Die Minister und andere hohe Würdenträger waren zum Empfange am Bahn- hof anwesend. Von einer zahlreichen Volksmenge enthustastish begrüßt, wurden der König und der Prinz Ferdinand mit Fackeln nah dem Palais geleitet. Die Stadt war reih be- flaggt; der Plaß vor dem Schlosse beleuchtet.
Nach ciner Meldung der „Neuen freien Presse“ aus Bukarest hätte sih die russishe Regierung bei der internationalen Donaucommission” über die Be- handlung beshwert, welche das Gagarin’she Schiff „Olga “ bei der Einfahrt in die Sulina-Mündung erfahren habe.
Serbien.
Der russishe Gesandte Persiany hat, wie der „Köln. Z.“ aus Belgrad berichtet wird, dem Minister des Aeußern Avakumowitsch eine Einladung seiner Regierung zur Ein- leitung von Handelsvertragsverhandlungen überbracht. Die serbische Regierung ernannte infolgedessen den Director des Zolldepartements Kosta Stefanowitsh, ferner den Abg. Gentschitsh und den Minister-Secretär Zukitsh zu Vertretern. Die Verhandlungen haben bereits begonnen, sie werden in Belgrad geführt und russischerseits von dem Staatsrath Timirjazew geleitet werden.
: Dänemark.
Nachdem das Folkething in seiner Sißung vom 14. d. M. das Finanzgeseß in erster Lesung angenommen und mit 65 gegen 25 Stimmen dessen zweite Lesung bewilligt hatte, begann gestern die erste Lesung des Entwurfs über die Organisation der dänishen Armee. Der Abg. Bojsen wollte, wie das „D. B. H.“ berichtet, die Vorlage als den Versuh der Re- gierung, eine vollständige Armeeorganisation zu erhalten, anerkennen, aber die Ansicht mache sich immer mehr geltend, daß die militärishen Ausgaben in zu hohem Grade gewachsen seien und vermindert werden müßten. Seine Partei stehe auf dem Standpunkt des Armeeplanes von 1876, wonach die dänische Armee aus 21 Linien- und 21 Reservebataillonen bestehen solle; gegenüber dem vorgelegten Plane werde man dann über 11/2 Millionen Kronen sparen. Der Abg. General Thomsen (Rechte) erklärte, daß seine Partei für die Vertheidigung des Landes weiter arbeiten wolle; zu normalen Zu- ständen werde man nicht eher kommen, als bis man sich über eine Ordnung des Vertheidigungswesens geeinigt habe. Das Folkething müsse in jedem Falle bestimmt sagen, was es wolle. Der Abg. Stagil wollte diesem Ministerium, das so lange entgegen der Verfassung regiert habe, die Durch- führung dieser Sache niht anvertrauen; auch der Abg. Dr. Brandes erklärte sih aus finanziellen Gründen gegen die Vorlage.
Amerika.
Das amerikanishe Schiff „Philadelphia“ is nach einer Meldung des „Reuter shen Bureaus“ mit dem bisherigen Gouverneur von Caracas Mijares an Bord in New-York eingetroffen. Der Capitän des Schiffs hatte die von den Behörden von La Guayra geforderte Auslieferung des Gouverneurs verweigert. Man befürchtet daraus Ver- n, da das Schiff zu den Reserve - Kriegsschiffen gehört.
Parlamentarische Nachrichten.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
4. Sißung vom 19. November, 11 Uhr.
Der Sigzung wohnen bei dor Präsident des Staats- Ministeriums, Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg, der Finanz-Minister Dr. Miquel und der Justiz-Minister Dr. von Schelling mit Regierungs-Commissarien.
Die erste Berathung des Geseßentwurfs wegen Aufhebung directer Staatssteuern und der Denk- schrift wird forggejebt, | i
Abg. Graf Behr (freicons.) vermißt den Beweis der Noth-" wendigkeit der beabsichtigten Umwälzung des Steuersystems. Man Vave früher stets nur von der Ueberweisung, nicht von der
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Aufhebung der Realsteuern gesprochen ; niemand sei also durch seine Filére Stellungnahme gebunden. Die Reform biete aber auch feine großen Vortheile: es trete keine Erleichterung der Steuerlast, sondern nur eine Verschiebung ein, und zwar mit Hilfe ciner neuen Steuer, die keinen ange- nehmen Eindruck mache. Es sei bedenklich für den Staat, “auf Steuern zu verzichten, die man stets als das Nückgrat der Staatsfinanzen bezeichnet habe. Die Aufhebung der, Grundsteuer bringe dem Grundbesig ein Geschenk auf Kosten der Allgemeinheit. Redner ist mit der Aufhebung der lex Huene nicht einverstanden, da dieser bald die Aufhebung der landwirthschaftlichen Zölle folgen werde. . Auch hätte ein Wahlgeseß gleichzeitig mit den Steuergeseßen vorgelegt werden müssen; ohne sn solches fönnten lez#@e nicht an- genommen werden. Die Rückforderung ® der Grund- steuer - Entschädigung hält Redner für ein Unrecht. Mit der Vermögenssteuer werde eine richtige Heranziehung des fundirten Einkommens nicht erreiht: es fönne dies besser im Rahmen der Einkommensteuer geschehen. Der Bauer würde lieber 10 Proc. Steuern mehr bezahlen als die neue Steuer, welche so tief in alle Verhältnisse eingreife. Redner empfahl Aufrechterhaltung der lex Huene unter gleich- zeitiger Fixirung des Betrages, Ueberweisung der 40 Millionen Uebershüsse aus der Einkommensteuer an die Gemeinden und Gutsbezirke oder an die Provinz.
General- Director der directen Steuern Burghart: Wenn wirkli der Vorschlag des Vorredners allgemeine Zu- friedenheit erregen würde, dann brauchte man sih mit den Vor- lagen nicht weiter zu befassen. Aber er bezweifle nicht, daß sich gegen diesen Vorschlag noch viel mehr Widerspruch als gegen die Vorlage erheben würde. Zudem würde es nur ein shwankendes Uebergangsstadium sein, in welches man hineinkomme, und eine Steuerreform wäre dann mindestens auf ein Menschenalter hinaus ausgeschlossen. Die stärkere Heranziehung des fun- dirten Einkommens solle ein Schlagwort sein! Zehre niht der Arbeiter seine Arbeitskraft auf, während der Rentier seine Kraft, das heißt sein Vermögen behalte? Der Vorredner meine, der Werth des Grundbesißzes könnte nicht geschäßt werden. Werde er denn nicht bei der Erbschafts- steuer, bei Beleihungen und Veräußerungen ebenfalls geschäßt? Die Provinzialbehörden seien seit dem Frühjahr hingewiejen auf die Steuerreformpläne, sie hätten also Zeit gehabt, ihre Gutachten vorzubereiten, und die Regierung habe diese gründlich durchgearbeitei. Wenn die Gemeinden die Realsteuern erhielten, dann sollten sie diese niht etwa übermäßig belasten ; denn jede Realsteuer, die ohne Rücksicht auf den Schuldenstand erhoben wird, habe ihre Grenze in sih. Die ungemessenen Zuschläge zur Einkommensteuer seien der Ruin der Staatssteuern; denn bei 500 oder 600 Proc. Zuschlag könne keine richtige Einshäßung stattfinden. Bei aller Achtung vor dem deutschen Volk müsse er doch sagen: wenn durch Declaration der Steuerzahler gleih von vornherein 8 bis 16 Proc. seines Einkommens als Steuer feststellen solle, dann würde er nicht gern declariren. Die Staatsregierung gebe die Realsteuern. niht leichtherzig weg, sie fordere ihren Preis dafür, die Ergänzungssteuer, welche manche Unbequemlichkeiten mit sih bringe. Die Real- steuern seien ein Opfer, welches die Regierung bringe für die Durchführung eines großen Planes.
Abg. von Jagow (cons.) erklärt, daß er im Namen der conservativen Partei sprehe, welche in dieser Frage einig sei. Die Vorlagen enthielten die Ausführung eines Punktes des Programms der conservativen Partei, der auh durch den § 82 des Einkommensteuergeseßzes die Zustim- mung beider Häuser des Landtags gefunden habe. Die lex Huene habe fast überall gut gewirkt, aber die Pro- duction habe sich im Laufe ‘der Jahre wesentlih geändert. Das Unwesen der hohen Zuschläge zu den Staatssteuern fönnte man nur dadurch beseitigen, daß man den Gemeinden die Realsteuern zugänglih mache. Die Finanzlage sei keine derartige, daß der Staat auf die Realsteuern einfa verzichten könne, aber der gegenwärtige Zeitpunkt sei ein solcher, daß die Reform jezt am besten durchgeführt werden dürfte. Seine Partei wolle deshalb den ganzen Plan unterstüßen und sih niht an halber Arbeit betheiligen. Sie glaube, daß die Regierung den richtigen Weg eingeschla- gen habe. Aber ganz ohne Bedenken scien seine Freunde decn Vorlagen gegenüber nicht, namentlich vermißten ste eine Regelung des - Wahlrechts. Seine Partei halte das allgemeine directe Wahlreht theoretish für fals und prafktish für gefährlih, dagegen das Dreiklassenwahl- system für das richtige. Die Schmälerung des Wahlrechts der Grundbesißer würde alle finanziellen Vortheile der Vorlage aufheben. Die conservative Fraction wünsche die Vorlage möglihst zu stande gebraht zu sehen, ' aber sie wünsche keine Verschiebung des Wahlrechts im plutokratischen Sinne. Wenn nicht bis zum Abschluß dieser Reform der Fraction der Nachweis erbraht werde, daß ihre Befürchtungen bezügli der Verschiebung des Wahlrechts unbegründet seien, wenn nicht durch ein besonderes Wahlgesey Garantien geschaffen würden, würde sie shweren Herzens gegen die ganze Reform stimmen müssen. Er verlange indessen nicht, day die Staatsregierung schon heute darüber cine bindende Erklärung abgebe; denn die Thronrede gewähre die Ueberzeugung, daß die Regierung bemüht sei, eine Regelung des Wahlrechts herbeizuführen.
(Schluß des Blattes).
Dem Herrenhause is die Uebersicht der von der Staats- regierung gefaßten Entschließungen auf Anträge und Resolutionen desselben aus der Session von 1892 zugegangen. U. a. wird auf einen bezüglichen Beschluß des Herrenhauses bemerkt: „Soweit es die Verhältnisse gestatten, ist bisher {on nah dem Grundsaße verfahren, daß die E der niht schiffbaren Flüsse in der Regel von unten nah oben erfolgt. Auch in Zukunft wird dieses Verfahren beobachtet werden." — Durch Beschluß vom 18. Juni 1892 hatte das Herrenhaus die Staatsregierung aufgefordert: zu er- wägen, ob ‘aus Billigkeitsgründen den Familien Bentheim- Tecklenburg-Rheda und Sayn-Wittgenstein-Berleburg Sang für die früher von ihnen genossene Dn von ordentlihen Perfonalsteuern zu gewähren sein wird. Die Staats- regierung erflärt dazu: „Die früher von den Familien Bentheim- Tecklenburg-Rheda uud Sayn: Wittgenstein-Berleburg genossene Be- freiung von ordentlichen Personalsteuern is bereits “durch die Geseße vom 25. Oktober 1878 aufgehoben und ein Rehtsanspruh- auf Entschädigung jeßt ohne Zweifel nicht begründet. Allerdings war in den zuvor mit den Häuptern der genannten Familien abgeschlossenen Verträgen die Befreiung von den Personalsteuern ausdrücklih vor- behalten. Als aber das Haus der Abgeordneten die hierauf bezügliche Bestimmung der Regierungsvorlage gestrichen hatte und das s haus diesem Beschlusse beigetreten war, ist die Allerhöchste Vollziehung
der Gesetze erst erfolgt, nahdem dieselbe von Seiten des Fürsten zu Scyn-Wittgenstein-Becleburg ausdrücklich erbeten, von Seiten des