1892 / 276 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 21 Nov 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Abg: Richter (Heiterkeit rechts), um der Noth der Gemeinde zu steuern ? -

Jch bitte mir das mitzutheilen. Es wäre doch böhst interessant für die Staatsregierung, von einem so erfahrenen, \charfsichtigen und volkswirthschaftlih gebildeten Mann in dieser Beziehung Nathschläge zu hören.

Meine Herren, wie steht es weiter mit der Verkettung der Staatsfinanzen und der Gemeindefinanzen, der gegenseitigen Abhängig- Feit, den Hinderungen, die der Staat den Gemeinden gegenüber geltend machen muß, damit die Staatssteuer nicht gefährdet wird, und umge- kehrt den Nachtheilen, die dem Staat zugefügt werden durch unge- messenes Greifen der Gemeinde auf die Staats\teuer daß das ein ganz bedeutendes Uebel für beide Theile ist, namentli die freie Bewegung der Gemeinden in ihrer Selbstverwaltung im höchsten Maße gefährdet, wird doch wohl auch der Herr Abg. Richter nicht leugnen? Welchen Vorschlag hat er uns gemacht, diese Verquickung zu beseitigen? Wir haben positive Vorschläge allenthalben vorgelegt, \ch{werer allerdings ist dies als fritisiren, aber es müßte doch ein Abgeordneter Andeutungen, Gesichtspunkte in dieser Beziehung geben. Von alledem habe ih troß der größten Aufmerksamkeit in der Rede des Herrn Abg. Richter au nicht das geringste wahrgenommen.

Wir wollen das Steuersoll der Gemeinde vermindern, indem wir das Communalsteuersystem freier entwickeln. Der Herr Abg. Richter tadelt das nicht, er sagt aber, es bedeutet niht®, er will die Ver- mehrung der Zuschläge zu den Personalsteuern au nicht, er will allerdings die Realsteuern, soweit sie nicht an dem Gewerbe haften, etwas s{ärfer heranzichen, das kann aber doch auch nit erheblich eins{lagen; er will die indirecten Steuern auh nit. Nun, wie foll denn die Gemeinde ihre Ausgaben decken? Ein Weg muß doch da sein. Das ist die gewöhnlihe Methode, immer die Einnahmen zu fritifiren, als wenn der Finanz-Minister oder der Ober-Bürgermeister, der Magistrat ein Vergnügen daran hätte, aus purer Luft an der Sache selbst die Steuern umzulegen. (Heiterkeit.) Nein, die Steuern haben den traurigen Zweck, vorhandene Auëgaben zu deen, (Heiterkeit) und so lange Herr Richter mir nicht darlegt, wie denn nun die Gemeinden diese fortwährend wahsenden Ausgaben deen follen, fönnen mir alle seine Rathschläge und Reden nichts nüßen.

Meine Herren, ih habe die „Freisinnige Zeitung“, die doch jeden- falls mit dem Herrn Abg. Richter in einer fehr nahen Beziehung steht, seit dem Beginn der Steuerreform stets aufmerksam verfolgt; ih habe gefunden, daß sehr geistreihe Kritiken von einem Gesichts- punkte aus gefolgt wurden von Kritiken ebenso geistreich von dem entgegengesetzten, mit dem Tags vorher entwickelten Standpunkt in vollem Widerspruch stehenden Gesichtspunkte aus; ich habe aber ver- geblich nach positiven Vorschlägen gesucht. Fch habe gedacht: Herr Abg. Nichter wird warten bis zu seiner großen Nede hier im Ab- geordnetenhause (Heiterkeit); er wird es für rihtiger halten, nit zu früh seine Wissenschaft auszuplaudern ; jeßt habe ich bier wieder mit der größten Aufmerksamkeit zugehört und bin auch noch nit kflüger geworden. (Heiterkeit.) Deswegen fage ich immer: so s{hön und inhaltreih die Rede im einzelnen war, so lang fie war, fie war doch noch nicht lang genug, denn das beste feblt noh immer. (Heiterkeit.)

Meine Herren, der Herr Abg. Richter hat nun, wie sein Freund Nickert, im ganzen sich damit geholfen, daß er gesagt hat: alles das, was sich auf die Steuerreform bezieht, brauchen wir eigentliß noch gar nit zu wissen, denn es ist überhaupt noch viel zu früh, an die Steuerreform heranzugehen. Der Herr Abg. Niert hatte sich damit begnügt, zu sagen: die Sache hat ja keine Eile; der Abg. Richter, gründlicher, sagt: ehe die Steuerreform durchgeführt wird, muß erst das Verhältniß der Gutsbezirke zu den Gemeinden neu geordnet werden. Nun, dies Verhältniß ist durch die Landgemeinteordnung soeben geordnet und zwar mit Zustimmung des Herrn Abg. Richter und seiner Freunde; in welhem Sinne will denn nun der Herr Abg. Richter dies Verhältniß neu und anders ordnen ? Daraufhin diese großen Fragen zu vertagen, ‘auf folhe dunkle Hin- weisung, ohne daß uns ein bestimmter Weg gezeigt, ohne daß bestimmte Forderungen gestellt werden, darauf wird das Land, glaube ih, sich aicht einlassen, und ih glaube, in dieser Be- ziehung in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeordneten zu sein, mit der gesammten Landesvertretung und auch mit der Meinung des gesammten Landes, wenn wir folche Vertagungsanträge nicht acceptiren.

Das allerdings würde damit erreiht werden, was der Herr Abg. Richter eigentlich will, was seinem Herzenswunsch entspricht, daß im übrigen die Reform Reform bleibt, alles beim Alten gelassen wird, damit die Einkommensteuer um den Betrag von 40 Millionen ver- mindert werde. Dann würden wir allerdings die Einkommensteuer- pflichtigen um diesen Betrag wieder entlasten; wir würden verzichten aber auf cine Reform des Communalsteuerwefens, denn fie ist un- möglich ohne die Communalisirung der Realobjecte und die Frei- lassung derselben durch den Staat; wir würden verzihten . auf eine gerechte Vertheilung der Staatssteuer, denn wir würden die Realsteuern völlig ungeändert und in ganz unvollständiger Ausbildung steben lassen neben den Communalsteuern. Die Bevorzugung des Kapitals als Realsteuerobject gegenüber dem Grundbesiß und dem Gewerbe bliebe bestehen; eine Unterscheidung zwischen fundirtem und unfundirtem Einkommen würde nicht gewonnen werden; die Mittel wären für immer uns aus der Hand gerissen, um diejenige Reform durchzuführen, für die wir uns bei der ersten Berathung des Ein- fommensteuergeseßes engagirt haben. Eine Vertagung also über 1894 hinaus und infolge dessen Aufzehrung der in unferer Hand »jeizt be- findlichen 40 Millionen würde allerdings dem Programm des Herrn Abg. Richter entsprechen; aber sie wäre das Gegentheil von dem Programm der beiden Häuser des Landtags und. der Staatsregierung. Ich fürchte daher nicht, daß diefer Vorschlag hier irgend welhen An- Élang finden fönnte. (Lebhafter Beifall.)

Ma einigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. von

agow, Richter und Graf Behr , wird die Debatte um 4 Uhr U No ütag 11 Uhr vertagt.

(Fortseßung der Berathung der Steuerreform.)

Zur Viehzählung.

Das Königliche Statistische Bu reau veröffentlicht folgende Ansprate an die Bevölkerung über die Bedeutung und die Ausführung der Viehzählung am 1. Dezember 1892:

/ „Berlin, 15. November.

Am 1. Dezember d. J. wird die dritte Viehzählung im Deutschen Reich stattfinden. Dieselbe is ebenso wie die von Zeit zu Zeit wiederkehrende Aufnahme der Bodenbenuzung und die sich alljährlich

———

wiederholenden -Erhebungen der Ernteerträge dazu- bestimmt, über die landwirthschaftlichen Verhältnisse unseres Vaterlandes und die in ihnen eingetretenen Aenderungen Aufs{luß zu geben. Eines solchen ist man namentli in Betreff des Viehstandes aus mancherlei Gründen be- nöthigt. i

gs Viehfstand bildet einen hervorragenden Bestandtheil des gegenwärtigen und is eine Quelle des künftigen Volksreichthums. Ohne einen genügenden Beéestand- an Spannvieh :kann die Landwirth- schaft niht aedeihen, würde au mancher Gewerbebetrieb kranken. Eine noch wichtigere Rolle spielen die meisten Viehgattungen bei der Ernährung des Menschen, dessen Wohlbefinden und ganze Lebens- baltung wesentli von einer leiten und ausgiebigen Verforgung mit Fleis, Fett, Shmalz, Milch, Butter und Käse abhängen, während Wolle, Leder u. f. w. unentbehrliche Stoffe für die Herstellung sciner Bekleidung sind. Ohne eine zureichende Aufzucht friegsbrauchbarer Pferde vermas auch die Landesvertheidigung ihre Aufgabe nicht erfolg- rei zu erfüllen. : :

® Bleidt den bisherigen Aufnahmen des Viehstands foll auch die bevorstehende unter Mitwirkung der Bewohner unseres Staats aus- geführt werden. Wer das Ehrenamt eines Zählers übernimmt, in dessen Ausübung ihm die Eigenschaft eines öffentlichen Beamten beiwohnt, erwirbt sh durch diese freiwillige Müh- waltung Verdienste um die Gesammtheit. Möchten fi recht viele ge- meinnüßzige und befähigte Männer für dieses Amt melden; mögen sie als Anerkennung für das von ihnen an Zeit und Arbeit gebrachte Opfer überall freundlihes Entgegenkommen finden! Aber au die Viehbesitzer können sehr viel zum Gelingen der Zählung beitragen, indem sie bemüht sind, die ihnen bis zum Abend des 30. November d. F. behändigten Zählkarten mit zuverlässigen, deutlich geschriebenen Zahlen auszufüllen. Sollte jemand bis zum Morgen des 1. Dezem- bers d. F. ohne Zählkarte geblieben sein, fo steht zu befürchten, daß sein Haus übersehen worden, und er verlange daher fogleih einc solche Karte vom Zähler oder vom Gemeindevorstande. Desgleichen würde er seine Zählkarte, wenn sie bis zum Abende des 3. Dezembers noch nicht abgeholt sein sollte, am 4. dem Zähler zu überbringen haben. Wegen etwa aufsteigender Zweifel bei Ausfüllung der Karte, wende er ih an den Zähler und diefer, wofern auch er feine sichere Auskunft zu ertheilen weiß, an die Zählungs8commission des Ortes.

Des Aufnahmeverfahren, welches sich an dasjenige bei der leßten Viebzählung vom 10. Januar 1883 anschließt, verlangt die Zählung nit nah Haushaltungen oder Häusern, sondern nach Gehösten. Wir lenken auf diesen Punkt ganz besonders die Aufmerksamkeit der Behörden und der Zähler. Das auh bei dieser Ermittelung des Viehstandes als Zähleinheit geltende Gehöft (Anwesen) kann aus einem einzigen Hause bestehen, häufig jedoch Nebengebäude und fonstige Räumlichkeiten mitumfassen. Nicht fo einfah gestaltet sich die Sade bei den Gutsbezirken und manchen Landgemeinden. Dort is einerseits der Gutshof nebst sämmtlichen zu- gehörigen Baulichkeiten, andererseits jedes Vorwerk und jedes außerhalb des Hofes sowie der Vorwerke gelegene Insthaus (Knechts- oder Tagelöhnerhaus) u. dergl. als ein besonderes Gehöft zu betrachten. Für jede Gebäudegruppe bezw. für jedes derartige Gebäude ist, gleihwie für jedes in einer Stadt oder einem Dorfe befindliche Haus mit oder ohne Nebengebäude, eine Zählfkarte auszu- füllen. In dieser Karte sollen der gesammte auf dem Gehöfte (im Haufe) vorhandene Viehstand und die Zahl aller in ihm wohnenden viehbesikenden Haushaltungen (Hauswirthschaften) gemeinsam ver- zeichnet werden. Auch Häufer ohne Vich erhalten eine Karte, auf welcher die Fehlanzeige durh Querstriche in der Spalte für die Anzahl Stücke der einzelnen Viehgattungen erstattet wird. Kein Vieh be- sizende Haushaltungen werden überhaupt nit verzeihnet. Dabin- gegen ist darauf zu achten, daß innerhalb der Städte zerstreut in den Häusern vorhandene vercinzelte Stücke Vieh sowie Pferde in Berg- werken niht übergegangen werden. / :

Die bevorstehende Aufnahme des Viebstandes nimint die Ort s- anwes enheit zur Grundlage. Alles in einem Gehöfte (Haufe oder Anwesen) in Fütterung stehende Vieh wird dort cingetragen, wo es ih zur Zählungszeit befindet, ohne Rücksicht darauf, wer Eigenthümer der Vießstücke is oder zu welher Haushaltung sie gehören. In Uebereinstimmung sind Schafherden stets in der Gemeinde- oder der Gutsflur zu zählen, wo sie sih, wenn aucl nur vorübergehend, auf Meide oder in Fütterung befinden. Desgleichen haben Schlächter (Metzger) und Händler die bei ihnen stehenden, zum Slachten oder Verkaufe bestimmten Thiere, fofern sie nit etwa erst am 1. De- zember d. I. gekauft sind, aufzusühren. Am Tage der Zählung nur vorübergehend auf Reisen, Fuhren u. f. w. abwesendes Vieh ijt bei dem Gehöfte (Hause), zu welchem es gehört, zu verzeihnen, da aber, wo es vorübergehend anwesend ist, z. B. in Wirthshäusern, Aus- syannungen, unberücksichtigt zu lassen. |

Endlich müssen wir einem noch immer nicht ganz geschwundenen Frrthum entgegentreten, der dahin geht, daß die Viehzählung irgend welchen Maßnahmen der Besteuerung zu dienen bestunmt sei. Dies ist keineéwegs der Fall. Die durch die Viehzählung erlangten Einzelangaben auf den Zählkarten werden weder seitens der Steuerverwaltung noch sonst zu fiscalifchen Zwecken verwerthet, sondern lediglich zu Uebersichten zusammen- gestellt und veröffentlicht, aus welchen zwar der Vicebstand der Gemeinde- und Gutsbezirke, nicht aber derjenige des einzelnen Gehöfts erkennbar ist. Das Ergebniß der Vichzählungen ist, wie eingangs hon angedeutet, an erster Stelle dazu bestimmt, die wirthschaftlich nothwendige Frage zu beantworten, ob das vorhandene Vieh den verschiedenartigen Bedürf- nissen des Volks genüge. Es soll u. a. Fingerzeige dafür bieten, in welchen Landestheilen dem Viehstand aufzuhelfen sein wird, wie die ven auswärts an die Reichsgrenzen beranrückende Seuchengefahr ab- zuwehren oder ein derartiger im Innern auftretender verderben- bringender Feind erfolgreich zu bekämpfen, welche Viehgattung oder -Art für die verschiedenen Landestheile und Gebiete zu empfehlen it U M.

Der weit über die Interessen der Landwirthschaft hinausreichende Nußen der Viehzählung beschränkt sih nicht auf Reich und Staat, erstreckt sich vielmehr bis auf die Gemeinde und deren cinzelne Glieder. Jede Zählungscommission oder fonst betheiligte Behörde ist durch sorgfältig und rechtzeitig zu treffende Anordnungen, jeder Zähler durh genaue Beachtung der erlassenen Vorschriften, jeder Besißer durch vollständige und richtige Eintragung des auf feinem Gehöft oder in seinem Hause gehaltenen Viehes in die Zählkarte dazu berufen, zum Gelingen des gemeinnüßigen Werkes beizutragen. Mögen sie alle erfolgreih zusammenkvirken, damit wir am 1. Dezem- ber 1892 ein wahrheitsgetreues Bild vom Viehstande unseres Bater- landes gewinnen !“

Nr. 28 des „Eisenbahn-Verordnungsblatts“ (heraus- gegeben im Königlichen Ministerium der öffentlichen Arbeiten) vom 17. November 1892 veröffentlicht das Internationale Uebereinkommen über den Eisenbahnfrachtverk-hr, vom 14. Oktober 1890. (Neichs- Geseßblatt 1892. Seite 793 ff.)

Nr. 47 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öôffentlihen Ar- beiten, vom 19. November, hat folgenden Inhalt: Amtliches: Rund-Erlaß vom 31. Oktober 1892, betreffend Verrehnung der durch Ausführung der Unfallversicherungsgeseße u. #. w. entstehenden Kosten. Personal-Nachrichten. Nichtamtliches: Preisbewerbung um die Gebäude des neuen Haupt-Personenbahnhofes in Dresden (Fortseßung). Prüfung und Unterhaltung von Weichen und Kreuzungen (Fort- sezung). Die Erfurter Bauordnung. Der Seibt’sche Präcisions- pegel. Vermischtes: Unfall in der Bonner Universitätsbibliothek. Wettbewerb um den Entwurf zu einer evang. Kirhe in Aachen. Neues Verfahren der Stahlbereitung. Vorschläge für elektrische Untergrundbahnen in London. Betriebsergebniß der nordamerika- nischen Eisenbahnen für das Jahr 1891.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wageugestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 19. d. M. gestellt 11 792, niht rechtzeitig gestellt 61 Wagen. Z : In Oberschlesien sind am 18. d. M. gestellt 5063, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs-Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgeriht 1 Berlin stand am 19. November das Grundstück des Maurerpolierers Georg Melzer in der Dunckerstraße 7 belegen, zur Versteigerung; Nuzungswerth 13 600.46: Mindestgebot 900 4; für das Meistgebot von 131 500 wurde der Kaufmann Caesar Behrendt, Oranienburgerstraße 1—3, Ersteher. Aufgehoben wurde das Verfahren der Zwangsver - steigerung wegen des Grundstücks des Malermeisters Alerander Erdmann, Alt-Moabit 77, sowie Am Ostbahnhof 5, dem Nachlaß des Tischlermeisters Julius Gebelke gehörig, und Kleine Stralauerstraße 9, den Fritsch?schen Eheleuten gehörig, sowie die Termine am 29. November d. J.

Berlin, 19. November. (Wochenbericht für Stärke, Stärkefabrikate und Hülsenfrüchte von Mar Sabers ky). sa. Kartoffelmehl 1973—20 Æ, Ia. Kartoffelstärke 193 —20 Æ#., ITa. Kartoffelstärke und -Mehl 17—18 #Æ, feuhte K rtoffeistärke Frachtvarität Berlin 9,35 4, Frankfurter Syrupfabriken zahlen nach Werkmeister's Bericht franco Fabrik 9,25 A, elber Syrup 92123 4, Cap - Syrup 23—24 Æ#, Cap - FSrport 24— 941 4%. Kartoffelzucker gelber 223 —23 AÆ, do. Cap. 237—243 M, Num-Couleur 36—37 4, Bier-Couleur 35—36 #, Dextrin, elb und weiß, Ia. 27—28 #Æ, do. secunda 25—26 M,

eizenstärke (fleinst.) 34—35 M, Weizenstärke (groß{t.) 41—42 A, Hallesche und Schlesische 42—43 M, NReisstärke (Strahlen) 48 bis 49 M, do. (Stüdfen) 46—47 #4, Mais-Stärke 32 M, _Schabe- stärke 30 4 nom., Victoria-Erbsen 20—23 46, Kocherbsen 17—22 M, grüne Erbsen 19—22 A, Futtererbsen 145—15 A, Leinsaat 23—25 M, Linsen, große, neue 42—56 4, do. mittel 34—42 M, do. fleine 22—34 M, gelber Senf 32—42 Æ, Kümmel 44—50 #, Mais loco 12}’—134 #, Pferdebohnen 16—18 M, Buchweizen 147 bis 15 M, inländishe weiße Bohnen 17—19 4, weiße Flahbohnen 92—-24 M, ungarishe Bohnen 16—17 4, galizishe und russische Bohnen 15—16 A, Wien 123—134 4, Hanfkörner 19—20 6, Leinkuhen 16—17 A, Weizenschale - 9#—10 A, Noggenkleie 92—101 4, Rapskuchen 14—144 #, Mohn, blauer 52—60 M, do. E 75—90 M, Hirse, weiße, 20—22 A Alles per 100 kg ab Bahn Berlin bei Partien von mindestens 10 000 kg.

Vom oberschlesischen Eisen- und Metallmarkt berihtet die „Schles. Ztg.“: Das Roheisengeschäft ist infolge des beschränften Absatzes sehr matt. Die Ausfuhr von oberschlesischem Noheisen nah Russish-Polen beschränkt sich lediglich auf die dicht an der Grenze gelegenen beiden Werke Milowißer Hütte und Puschkin- hütte; da die Eifenbahnbedarfs- Actiengesellschaft und die Gräflich Guido Henckel’she Verwaltung für diese beiden Werke gemeinschaftlid einen neuen Hochofen in Russisch-Polen bauen, fo hört alsdann der Export für das oberslesische Roheisen dorthin fast ganz auf. Was den Walzeisenmarkt anlangt, so sind sämmtliche Walzwerke in den feineren Stab- und Handelseisenforten noch ziemlih gut beseßt, do macht sich bereits gegen die Vorwoche eine, wenn -auch geringe Abschwächung in dem Eiainiee von größeren Aufträgen bemerkbar. Für die groben Walzeisensorten hat die Nachfrage bedeutend nach- gelassen, so daß diese Walzenstrecken bereits \{chwächer besetzt sind. Die Großhändler find mit der Ergänzung der Lager fehr zurückhaltend ; nur der augenblicklihe Bedarf wird in Bestellung gegeben, und da ihre Ordres von den Werken sofort effectuirt werden, so finden sie keine Veranlassung, sich größere Posten an Walzeisen in die Magazine zu legen. În Feinblechen geht das Geschäft weiter recht flott, wogegen für Grobblehe nur äußerst geringe Nachfrage vorhanden ist. Die Stahlwerke blieben bis jeßt weiter \chwach beschäftigt, hoffen aber durch den Bau von Kleinbahnen auf Aufbesserung ihrer mißlichen Lage. Im Be- triebe der Eisengießereien, Maschinen- und Kessel- fabriken, Röhrenwalzwerken und Drahtwerken hat sih in der Be- richtêwoche nihts geändert. Die auf 4 Werken, wie Bismarck- hütte, Fasvahütte 2c., im Bau stehenden Neuanlagen schreiten infolge der günstigen Witterung rüstig vorwärts und dürften noch vor Mitte nächsten Sommers in Betrieb kommen. Das Rohzinkgeschäft lag etwas stiller, jedo sind die leßtnotirten Preise beibehalten worden. “In Walzzink ift das Geschäft troß der beendeten Bau- saison noch ziemli rege. In Blei und Bleifabrikaten ist das Ge- [chäft matt. i : E

Der Aufsichtsrath der Dortmunder Union hat die Ver- theilung einer Dividende von 1 %/ und den Bericht der Direction ge- nehmigt. Die Generalversammlung wurde auf Sonnabend, den 17. Dezember, festgeseßt. L :

Leipzig, 19. November. (W. T. B.) Kammzug-Termin- handel. La Plata. Grundmuster B. per November 3,75 A, ver Dezember 3,75 4, per Januar 3,775 #, per Februar 3,80 A, ver März 3,80 #, per April 3,85 4, per Mai 3,85 #, per Juni 3,877 #, per Juli 3,874 4, per August 3,90 #6, per Sep- tember 3,90 M, per Oktober 3,90 46 Umsay 125 000 kg.

Wien, 21. November. (W. T. B.) Bei den 298 km langen Localbahnen der O esterreihishen Local-Eisenbahn-G-e]e [- schaft, die hon im Vorjahre im Betriebe standen, betrugen die provisorish ermittelten Einnahmen im Monat Oktober D: I- 907 822 Fl. und in der Zeit vom 1. Januar bis Ende Oftober 1892 1536 867 Fl., während die definitiven Einnahmen in der gleichen Periode des Vorjahres 212491 bezw. 1584 212 Fl. be- tragen haben. Die provisorish ermittelten, oben nicht inbegriffenen Einnahmen der Localbahn Budweis—Salnau betrugen im Monat Oktober 1892 16 698 Fl., und in der Zeit vom 1. Januar bis Ende Oktober 1892 bei einer durhschnitilihen Betriebélänge von 51 km 108 843 F[. :

London, 19. November. (W. T. B.) An der Küste 2 Weizen- ladungen angeboten. i

21 November. (W: S B) ie Getreidezufuhren betrugen in der Woche vom 12. November bis 18. November : Englischer Weizen 1567, fremder 32 032, engl. Gerste 29515, fremde 11 788, engl. Malzgerste 17 174, fremde 260, engl. Hafer 2063, fremder 34 768 Qrts., engl. Mehl 20 632, fremdes 15 390. :

Zürich, 19. November. (W. T. B.) Die Betriebs-Cinnahmen der Schweizerishen Nordostbahn betrugen im Oktober 1892 für den Personenve:kehr 651 000 (im Oftober 1891 637 474) Fr., für den Gütervertehr 1152 000 (im Oktober 1891 1203 187) Fr., diverse Einnahmen im Oktober 1892 79 737 (im Oktober 1891_ 75 107) Fr-- Total-Einnahme im Oktober 1892 1882 737 (im Oktober 1891 1915 768) Fr. Die Betriebs-Ausgaben betrugen im Oktober _1892 938 655 (im Oftober 1891 878757) Fr. Demnach Uebershuß im Oktober 1892 944 082 (im Oktober 1891 1037 011) F.

New-York, 19. November. (W. T. B.) Die Börfe eröffnete stetig und befestigte fich im weiteren Verlaufe; Schluß stetig. Der Umsatz der Actien betrug 82000 Stück. Der Silbervorrath wird auf 1 470 000 Unzen geschäßt. e |

Weizen ging nah Eröffnung auf Nealifationen der Haussiers zurück. Schluß stetig. Mais eröffnete niedriger, hatte ruhigen Berlauf. Schluß s{chwäcer. i i

Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 11140 240 Dollars gegen 13 962 807 Dollars a Vorwoche, davon für Stoffe 2469 194 Dollars gegen 2 078 223 Dollars in der Borose i 5

Chicago, 19. tovember. (W. T. B.) Weizen anfangs niedriger, blieb den ganzen Tag auf Realisirungen der aussiers \hwächer. Schluß stetig. Mais s{wächte ih auf Abgaben der Haussiers ab. Schluß schwach.

M 296.

Statistik und Volkswirthschaft.

Invaliditäts- und Unfallversicherung.

Durch § 9 Abs. 2 des Invaliditäts- und Altersversicherungs- gelepes ist ausgesprohen: „Cine durch Unfall herbeigeführte Erwerbsunfähigkeit begründet den Anspru auf Invalidenrente nur infoweit, als niht nah den Bestimmungen der Reichsgeseße über Unfallversicherung eine Rente zu leisten ist." amit in Een verordnet § 76 des Gesetzes, daß, sofern im allgemeinen ein Anspruch auf Invalidenrente ‘begründet ist, die In- validenrente auch dann festgestellt werden muß, wenn die Erwerbs- unfähigkeit durch einen nach den Unfallversicherungs- gesezen zu entshädigenden Unfall verursacht ist. Die Versicherungsanstalt Baden erachtet sih in den genannten Fällen des § 9 Abs. 2 und des § 76 des Gesetzes für verpflichtet, die Invalidenrente vom Tage des Eintritts der dauernden Erwerbs- unfähigkeit bis zum Beginn der Unfallrente im ganzen Betrag aus- zuzahlen und von dem Tage des Beginns der Unfallrente an in dem Betrage, um welchen die Invalidenrente die Unfallrente über- steigt. Es wird somit insbesondere zutreffendenfalls die Invalidenrente auch in den ersten 13 Wochen nah dem Unfall zu leisten scin. Sobald die Unfallrente festgestellt ist, hat die Ver- siherungsanstalt die Invalidenrente für die Zeit der ersten 13 Wochen auf sih zu behalten und in dem die Unfallrente übersteigenden Betrag weiter zu bezahlen. Die Versicherungsanstalt Baden hat dem Ver- nehmen der* „Bad. Corr.“ zufolge die Großherzoglihen Bezirks- ämter ersucht, das Verfahren zur Fesistellung der Invalidenrente gerade in den hier fraglichen Fällen thunlihst zu beshleunigen und nicht durch Verhandlungen mit den Berufsgenossenschaften zu verzögern.

Deutschlands Noheisenerzeugung.

_Nach den statistishen Ermittelungen des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller belief sih die Noheisen- production des Deutschen Neichs O A im Monat Oktober 1892 auf 416 073 t; darunter Puddelroheisen und Spiegeleisen 156 638 t, Bessemerroheisen 26 117 t, Thomasroh- eisen 179 448 t, Gießereiroheisen 53 870 t. Die Production im Oktober 1891 betrug 392166 t, im September 1592 397 458 t. Nom 1. Januar bis 31. Oktober 1892 wurden producirt 4004714 t gegen 3 687 822 t im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. A

Die Influenza als Todesurjache im Jahre 189

: in Preußen.

Die «Influenza ist zuerst im Jahre 1889, und zwar vornehmlich in den beiden leßten Monaten desselben, in Preußen aufgetreten und hat nah den Angaben der Standesbeaniten ‘314 Menschen hingerafft. Im Jahre 1899 dagegen hat sich diese Krankheit in der drohendsten Weise gezeigt und ist für 9576 Personen zur Todesursache geworden ; von diesen Todesfällen sind 1229 in 98 Orten mit mehr als 20 000 Cine wohnern vorgekommen. Wenn man bedenkt, daß eine ärztliche Leihenschau in Preußen nicht vorgeschrieben ist, so ist anzunehmen, daß diese Zahl der Todesfälle für den ganzen Staat nicht der Wirklichkeit entspricht, sondern als cine Mindestzahl zu gelten hat. Diese Ansicht bestätigt auch die ärztliche Erfahrung, daß die Influenza häufig Folgekrankheiten hervor- gerufen hat, welche zu Todeëursachen geworden sind; namentlich gilt dies von Lungenkrankheiten. In auffallender Weise sind diese Krank- heiten 1890 zahlreicher als in früheren Jahren als Todesursachen auf- getreten, wie aus folgender Uebersicht hervorgeht: Es starben nach den Angaben in dem kürzlih ershienenen Heft 118 der „Preußischen Statistik“ in Preußen an Luftröhrenentzündung

und E x unter überhaupt Gestorbenen

1886 11592 1,56

1887 11 230 1,64

1888 11706 Ee

1889 12 628 1,85 41 528 6,08

1890 220609 De 52 040 7,26 Das i} gegen das Vorjahr eine Zunahme um 10141 Todesfälle, oder über 80 9/9 bei den ersteren, um 10 512 oder über 25 °/o bei den letzteren Todesursachen! Mit dieser auffallenden Thatsache steht das zeitliche Auftreten der Influenza in innerem E Von allen Todesfällen an dieser Krankheit sind nämlich 7641 oder rund 80% in den Monaten Januar und vorgekommen, während der Rest sich auf die anderen zehn Monate des Jahres 1890 vertheilte. Da in: Jahre 1891 wieder eine stärkere Heimsuhung des Landes durch diese merkwürdige Krankheit stattgefunden hat, so dürfte es sich empfehlen, die für jeden Regierungsbezirk nah Geschleht, Alter, Familienstand, sowie nah Beruf und Erwerbszweig in unserer Quelle gegebenen Daten nach Ab- lauf der ganzen Epidemie im Zusammenhang darzustellen und ins- besondere die Complicationen der Influenza mit Lungenkrankheiten und anderen Leiden eingehend zu verfolgen.

an Lungen- und Bruftfell- entzündung ; D unter 100 überhaupt Gestorbenen 42 415 04 Gi T 42 482 6,19 41 788 6,28

im Jahre

Februar

2 Sparwesen.

Der Fabrikdirector Max Meyer in Hamburg hat einen Versuch mit der Errichtung einer Fabriksparkasse gemacht, worüber er der „Wohlfahrts-Correspondenz“ Folgendes berichtet: „Jch habe im Frühjahr d. J., gelegentlih der Einführung ciner neuen Arbeits- ordnung in Gemäßheit der geseßlihen Bestimmungen, dea § 2 unserer früheren Arbeitsordnung dahin erweitert, daß jeder Arbeiter, welcher bei der Norddeutschen Jute-Spinnerei und Weberei in regelmäßige Arbeit tritt, außer Mitglied der Fabrik-Krankenkasse auch Mitglied der für deren Arbeiterperfonal bestehenden Sparkasse wird. In Ueber- einstimmung hiermit sind dann die bestehenden Löhne derartig regulirt worden, daß die Arbeiter troß eines mäßigen Abzugs für die Sparkasse nicht weniger als früher verdienen, weshalb eine Unzufriedenheit mit dieser Neuerung nicht hervorgetreten ist. Heute kann ih bereits, nah Verlauf von kaum sechs Monaten, über die ausgezeichnete Wirkung dieser neuen Sparkasseneinrihtung berihten. Der Zweck der Sparkasse ist nah dem Regulativ, den Arbeitern der „Norddeut- Ves Jute- Spinnerei und Weberei“ bis zu 5 %/o ihres Lohnes anzu- jammeln und zu verzinsen, sowie durch sonstige Buen u zu ver- stärken, damit im Falle unvorhergesehener Ausgaben oder Noth, bezw. bei ihrem Abgange aus der Fabrik, dieses Geld den Arbeitern zur Ver- fügung steht. Unter „Arbeiter“ sind die Arbeiter beiderlei Geschlechts und jeden Alters (o verstehen. Zur Erreichung dieses Zwecks kann bei den Lohnzahlungen bis zu 59% des verdienten Arbeitslohns gekürzt werden. Die auf diese Weise gesparten Beträge werden am Anfang eines jeden Quartals festgestellt und hiernah am Ende des Quar- tals mit 50/9 pro Jahr verzinst. Bei jeder Lohnzahlung werden auf der Rückseite des Lohnzettels die gesparten Beträge nebst Zinsen und etwaigen sonstigen Zuwendungen, sowie die etwaigen Aus- zahlungen notirt, sodaß hiernah das Gesammtguthaben eines jeden Arbeiters bei der Sparkasse ersichtlich ist. Die ganze Arbeit esteht lediglih in der Führung einer besondern Rubrik in den Lohn- listen, was mit wesentlichem Zeitaufenthalt nicht verknüpft ist. Die

arfasse ist am 18. Mai d. I. eröffnet; der angesammelte Betrag beläuft sich gegenwärtig auf 7324,40 A Die Wirkung der Spar- kasse besteht hauptsählich darin, daß Arbeiter, welche von plöblihen Mehrausgaben (infolge Krankheit, Familienereignissen

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Montag, den 21. November

u. #. w.) betroffen werden, oder solWe, wel@e die Arbeit bei uns aufgeben, nicht gänzlich mittellos dastehen, sondern daß ibnen in ibrem Guthaben bei der Sparkasse ein sicherer Betrag zur Verfügung steht. In solchen Fällen haben wir bisher fleine Beträge aus unserem Arbeiter-Unterstüßungsfonds bewilligt. Diese galten aber stets als Almosen, während das Guthaben bei der Sparkasse als ein dem Arbeiter zukommender Betrag in sittlicher Beziehung seine Wir- s nicht verfehlt. Ich kann daher „bei größeren industriellen Be- trieben die Einrichtung von Fabriksparkassen in dieser einfahen Form aufrichtig empfehlen.“ :

Zur Arbeiterbewegung.

Ueber die Berhandlungen des socialdemokratischen Berliner Parteitages wird weiter berichtet :

In der Versammlung am Sonnabend wurde auf Antrag Bebel?s über die nah dem Programm nächsten Gegenstände der Tagesordnung: „Die wirthschaftlihe Krise und ihre Folge, der allgemeine Nothstand“ und „Der Antisemitismus und die Social- demokratie" nicht verhandelt, um Raum für die einzelnen Anträge zu schaffen. Es folgte darauf die Debatte über Anträge aus den Reihen der Parteimitglieder. Die Hamburger Parteigenossen wollten als Wahlmündigkeitsalter die Großjährigkeit in das Programm auf- A haben; der Antrag fand aber keine Unterstüßung. Aus

harlottenburg lag ein die Stellung der Partei zur Religion be- treffender Antrag vor, aber auf Antrag von Vollmar’s ging die Ver- fammlung über alle Anträge zum Parteiprogramm zur Tagesordnung über. Es {loß ih hieran die Erörterung der Anträge über die Parteipresse und an erster Stelle über den „Vorwärts“, dessen Chef-NRedacteur Liebknecht aufs neue das Wort ergriff, um die Angriffe gegen das Centralblatt der Partei zurüzuweisen und seine Stellung gegenüber den „Unabhängigen“ zu rechtfertigen. Ueber seine eigene Thätigkeit bemerkte Liebkneht: Niemand könne mehr thun, als in seinen Kräften stehe; er habe in seinem ganzen Leben nicht mehr gearbeitet als “gerade hier; er sei angeshmiedet an das Nad. Es liege niht im Interesse der Partei, daß er austrete aus der Redaction. Die Partei verdiene an ihm, nicht er an der Partei. Finde sie einen billigeren Redacteur, fo trete er gern ab. Der Antrag, ein zweites wöchentlich erscheinendes Centralorgan der Partei zu begründen, wurde von Bebel befürwortet, von von Voll- mar bekämpft und {ließlich mit 118 gegen 110 Stimmen abgelehnt. Unter den weiteren Anträgen wurde ein aus Königsberg vorliegen- der : zur Förderung der Agitation in den östlichen Provinzen, befon- ders Osft- und Westpreußen, ein Organ auf Kosten der Partei zu begründen, angenommen. Ein Antrag, der die Neugründung einer focialdemoftratischen Zeitung von der Genehmigung der Parteileitung abhängig machen wollte, wurde abgelehnt. In der Nachmittagssigung wurde nach längerer Debatte beschlossen, die im Verlage von Auer u. Co. in Hamburg erscheinende „Neue Welt“ bezüglich Inhalt und Ausstattung mehr socialdemokratisch zu gestalten und ein Flugblatt über die Mislitärvorlage auf Kosten der Gesammtpartei herzustellen und zu verbreiten. Ferner wurde über das Inseratenwesen dur Ablehnung fast aller vorliegenden Anträge entschieden. Dhne vorhergehende De- batte gelangte eine eingehend begründete Resolution gegen den Antisemi- tismus und ferner eine Resolution zur Annahme, die ich mit der Arbeits- losigkeit beschäftigt. Nach einer längeren Nede der Schriftstellerin Klara Zetkin (Stuttgart) wurde eine Refolution angenommen, in der das Eintreten für die politische Organisation der Proletarierinnen, sowie die Aufhebung der politischen Rechtslosigkeit des weiblichen Geschlehts gefordert wird. Schließlih wurden in den Partei- vorstand gewählt Singer, Bebel, Auer, Fischer, Metallarbeiter Gerisch und Rechtsanwalt Arthur Stadthagen. Als Siß der Parteileitung wurde wiederum Berlin gewählt. In der heutigen Versammlung des Parteitages wurde als Ort des nächsten - Parteitages Köln a. Rh. bestimmt. Es wurde ferner über die Anträge, die sih mit der Agitation beschäftigen, verhandelt.

Ueber Bergarbeiterversammlungen, die in Bild- stock (Saarrevier) am 17. d. M. stattfanden, berichtet die Ubr. B

Die Versammlungen beriethen unter dem Vorsitz des Herrn N. Warken über die Bergarbeitsordnung. Als Redner traten auf: Thome-Altenwald, Berwanger, Weyand und Müller-Landsweiler. Schließlih wurde folgende, von Warken ecingebrahte Resolution an- genommen: Die“ Versammlungen erheben entschieden Pro- test gegen die neue Arbeitsordnung und sprechen ihr tiefstes Bedauern darüber aus. Zugleich sollen die Ausshußmitglieder gehört werden, da eine Aenderung verschiedener Paragraphen vorgenommen werden muß. Wir bitten zuglei, daß Abhilfe eshaffen wird, weiches wir unseren Ausshußmitgliedern mit Ube Ide Unter- rift in die Hände legen.

Aus Stuttgart wird der „Frkf. Ztg." „geschrieben: Zwischen den Brauereigehilfen und der Commission der Brauereiì- besißer wurde unter Theilnahme der Gewerkschaftscommissïvn eine Vereinbarung erzielt, nah der die zwischen Arbeitgebern und Arbeitern schwebenden Streitigkeiten als beseitigt gelten können. Die auf- gestellten Bedingungen follen demnächst bekannt gegeben werden ; die- jenigen Brauecreibesißer, die sich ihnen anschließen, bleiben vom B oykott verschont.

Der Delegirtentag der sächsischen Terxtilarbeiter und „Arbeiterinnen, der wegen der Cholera verschoben worden war, findet, wie die „Sächs. Arbeiter-Ztg." berichtet, nunmehr am 27. De- zember in Glauchau statt.

Der Ausstand der Taleswéber in Kolomea ist, wie der „Vorwärts“ berichtet, nunmehr beendet.

Ein Pariser Telegramm des „W. T. B." meldet vom heutigen Tage: Wie der „Matin“ berichtet, beshloß die Negierun g, die auswärtigen Führer in dem Ausstan de der Arbeiter der Nahrungs- mittelbranche auszuweisen.

_ Aus New-York theilt ein Wolff sches Telegramm mit, daß ge in einer Versammlung der vereinigten Arbeiter-Genoffen- chaften von Homestead der Ausstand in der Fabrik von Carnegie als beendet erklärt wurde. ;

Kunst und Wissenschaft.

Verein für Geschichte der Mark Brandenburg. Sitzung am 9. November 1892.“ *

Herr Geheimer Regierungs-Rath Kaegler machte Bemerkungen, zum theil berihtigender Art, zu Bardey's Geschichte der Stadt Nauen und des Östhavellandes: dem gegenüber erörterte der Ver- fasser des Werks, Herr Dr. Bardey, den Standpunkt, von welchem aus er seine Arbeit angesehen wissen will.

Herr Oberst-Lieutenant Shnackenburg warf die Frage auf: aken sih die Regimenter der fridericianischen Armee eines chlachtrufs beim Angriff bedient? «und beantwortete sie dahin :

Kein älteres preußishes Reglement, die von 1812 eingeschlossen, schreibt ein Schlachtgeschrei vor ; das urrah, obwohl es ein, schon im Mittelhochdeutshen vorkommender Ruf ist, haben wir in den Befreiungskriegen von den Russen entlehnt. Daß aber auf Besehl beim Angriff ein Schlachtgeschrei auch in Friedrichs des Großen Zeit N erhoben werden mußte, geht aus des Königs 1744 erlafsener „Disposition, wie sich die Officiere

von der Cavallerie . ..…. in einem Treffen gegen den Feind

1892.

‘zu verhalten haben“ ebenso bervor, wie aus der 1779 erschienenen Reisebeshreibung des englischen Arztes Dr. Moore, der_ bei der Ber- liner Revue 1775 das „von dem Könige eingeführte“ Schlachtgeschrei hörte. Bestätigend und ergänzend fügten die Herren Professor Dr. Brecher, Amtsrichter Dr. Holtze, Oberst-Lieutenant Dr. Jähns und Gymnafsial-Directoc Dr. Paul dem Vortrage m&itres hinzu.

Herr Professor Dr. Brecher sprach über -die SPuren evan- gelisher Gesinnung vor der Reformation in der Marê Brandenburg. Wenn es auch feststeht, daß unier niht Wenigen in der Zeit der leßten Regierungsjahre des reformationsfeindlichen Joachim I. evangelische Neigungen bestanden, so ist es do nicht leit, einzelne und zwar bedeutendere Persönlichkeiten nachzuweisen, welche damals dem Evangelium anhingen. Dies hat offenbar feinen Grund in der allgemeinen Furcht vor dem Kurfürsten, der selbst seine Ge- mahlin wegen ihres evangelischen Glaubens verfolgte. Nun liegt uns. in dem Schreiben eines vornehzwen Kurfürstlihen Be- amten, des Secretärs Joachim Zerer, ein Zeugniß vor, welches nicht nur dessen evangelishe Gesinnung, sondern auch seine Glaubens- treue und feinen ungebeugten Mannesmuth gegenüber dem Zorn und den Droßbungen des Kurfürsten beweist. Der Brief Zerer's an den Kurfürsten ist au® dem Jahre 1533 und bildet die Antwort auf das Kurfürstlihe Schreiben „vom Finken-Herd bei den Pannow, mit eigner Hand an mi gethan“. Er hatte es „oftmalen überlesen“ und „in meiner Mutter Garten vor Berlin beantwortet“. Es war „ganz ungnädig, gefährlih, s{hmählich“, so wie er es „weder von des Kurfürsten Hand, noch von dessen Räthen sein Leben lang jemals gesehen“ und, „so ich ein Verräther und der Aergste auf Erden wäre, könnte solhes doch niht s\sch{ärfer, ernst- licher, lästerliher, gefährliher und ungnädiger sein“. Der Kurfürst verglih ihn mit dem Satan. Zerer antwortet: „Jh muß das Gott klagen und ergeben und E. K. F. G. Ihren Gewalt und Willen lassen. Soll aber der Spruch d. h. Evangelii wahr sein: Wer seinen Nächsten und Bruder heißt Racha, oder Du Narre red, so habens E. K. F. G. s{hwerlich zu verantworten.“ Er sei auf- gefordert worden , vor dem Kurfürsten zu erscheinen und seinen Dienst wieder aufzunehmen; aber das könne er nichf, da er den „Vorbehalt“, des Kurfürsten (zum alten Glauben zurückzukehren) niht zu erfüllen vermöge: „Und dieweil ih denn E. K. F. G. wedœ Jahré, Tag und keine Zeil zu dienen versprochen oder haftbar bin, fondern das zu E. K. F. G. gnädigem Gefallen, auch meinem guten Willen \tehet, so weiß ih dergestalt und in folchex Gefahr E. K. F. G. nicht länger zu dienen, fondern will hiermit E. K. F. G. meine Dienstpflicht aufgeschrieben haben.“ Gleichzeitig theilt er dem Kurfürsten mit, daß er sich in den Schuß des Königs Ferdinand von Böhmen und Ungarn begeben habe „und dessen auch zu genießen gedenke.“ Dieser war wirksamer als die Berufung auf seiner „lieben Eltern und unfer aller der Zexer lange und getreue Dienste.“ Der Kurfürst ließ ihn vorläufig nach der Lausißz ziehen. Später sehen wir nah der Reformation J. Zerer wieder im brandenburgischen Dienst.

Herr Graf zur, Lippe-Weißenfeld kfnüvyfte an eine Me - daille, welche der Berner Stempelshneider Mörikofer im Jahre 1759 auf Friedrich den Großen in Curs fette, dem sie von seiner Schwester Amalie mitgetheilt wurde, den Nachweis, einerseits, wie abhold der König solchen Huldigungen war, andererseits, wie nachhaltig „Frißish“ die protestantische Schweiz gesinnt war, als deren Gesinnungsausdruck eine der Inschriften der Medaille gelten darf: Saeculum Friderici.

Ueber einen interessanten römischen Gräberfund in Köln berichtet die ?Köln. Ztg.“: Bei den Grundarbeiten zum Neubau eines Hauses an der Neußerstraße stieß man zu Ende des vorigen Monats in einer Tiefe von etwa 2 m auf fünf durh die Beigaben als römische gekennzeilhhnete Gräber. Die drei ersten enthielten unverbrannte Reste von Gebeinen ohne eine Spur von Särgen, die beiden anderen kleine Aschensarko- phage aus Tuffstein. Bei dem einen fand man eine interessante Pygmäenfigur aus Thon mit großer Nase und grinsend verzerrten Lippen, bekleidet mit dem Cucullus, dem römischen Kapuzenmantel, ferner einen Trinkbecher aus rothem, s{chwarz gefirnißtem Thon mit aufgemalten Verzierungen und dem Sinnspruch AVOCO0 ME („ih vergnüge mich“; man würde vielleiht eher erwarten: avoco te) in weißer Farbe, verschiedene Sigillata-Schüfseln, darunter eine mit dem seltenen Töpferstempel QVATRINVS. F, cinen leider zer» brohenen Spiegel aus versilberter Bronze, gläferne Ampullen und Münzen der Julia Domna und des Marc Aurel. Das hervor- ragendste Fundstück des zweiten Grabes bildet der bronzene Untersaß einer Lampe, bestehend aus einer Schale auf 11 em hohem Fuß, neben welhem auf dem Sockel ein Windhund von Poriüdlidie Durchbildung in sehr eleganter Stellung gelagert ist ; daneben fanden sich gewöhnlihe Topfwaaren, plattbauhige Glas- fläshchen, Haarnadeln von Bein, eine Thoulampe und eine Bronz2- münze (viclleiht Hadrian). Das dritte Grab enthielt eine Venus- Statuette aus weißem Thon, in einer Nische mit Muschelwölbung stehend und rückwärts mit T. M. bezeichnet, eine andere rohere Venusfigur und ein Kinderspielzeug, einen Reiter auf plumpem Pferde aus demselben Material. Von besonderem Werthe sind zwei Kugelschalen aus dickem, farblosem Glase mit geshliffenen Verzierungen; die eine is an der Außenseite mit großen, hohlgeschliffenen Scheiben bedeckt, die von eingeshnittenen Kreisen uiicabuit werden, die andere hat kleinere Scheiben und cin breites Kerbband. Der wohlerhaltene Schädel der dritten Leiche hielt zwishen den Zähnen eine Bronzemünze der Julia Titi als Fährgeld für Charon, welche das fonst vortreffliche und vollständige Gebiß und den Unterkiefer mit grüner Patina über- zogen hat. Die gesammte Ausbeute der Gräber, der erste wissen- schaftlich controlirbare Römerfund, der seit Jahresfri]t in Köln gemacht worden ist, gelangte durch Kauf in den Besitz des Museums Wallraf- Richartz, wo er im Laufe dieses Winters bei der Neuordnung der

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römischen Alterthümer zur Aufstellung gelangen wird.

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 20. November. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer „Berlin“, hat am 19. November Vormittags die Reise von Antwerpen nah Bremen fortgeseßt. Der Postdampfer „Köln“ ist am 18. November von Santos nach Europa in Sce

egangen. Der H „Oldenburg“, nah Australien bestimmt, ist am 19. November Vormittags in Aden angekommen. Der Reichs-Postdampfer „Neckar“ hat am 19. November Mittags die Reise von Gen ü a. nah Southampton fortgeseßt. Der Postdampscr „München“ hat am 18. November Nachmittags die Reise von Corunna nah dem La Plata fortgeseht

Hamburg, 20. November. (W. T. B.) Hamburg-Ame- rikanische Packetfahrt-Actien-Gesellshaft. Dér © Post- dampfer, Thuringia“ ist, von Hamburg kommend, vorgestern in St. Thomas eingetroffen. \ j »

Triest, 19. Noveinber. (W. T. B.) Der Lloyd-Dämpfer „Thalia“ ist heute Nachmittag hier eingetroffen.

London, 19. November. (W, T. B.) Der Union-Dampscrx „German“ ist auf der Pete heute in Southampton an- gekommen. Der Castle-Dampfer Garth Castle" ist gestern auf der Ausreise ‘in Capetown angekommen. Der Castle- Dampfer „Melrose“ is gestern auf der Ausreise in Durban

angekommen.