1892 / 280 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 25 Nov 1892 18:00:01 GMT) scan diff

E G i E R R

mat erhoben baben. Da wurde kein sensationeller Lärm erboben, um zur Gefügigkeit gegen die vorgeschlagenen umfassenden Maß- nahmen zu zwingen, während jeder Deutsche fühlen muß, daß kein Verdacht der Leichtherzigkeit dem Kaiserlihen Appell zu Grunde liegt, wenn er die neuen Vorlagen zur Vergröße- rung der Armee und zu weiteren Steuerauflagen empfiehlt . Kaiser Wilhelm 11. ift in hervorragender Weise ein Mann des Friedens und ein fast leidenshaftliher Fürspreher der industriellen Entwickelung Deutschlands. Wenn er jeßt weitere Rüstungen befür- wortet, so geschieht das, um seinen Hauptgedanken zu unterstüßen, und nit aus dem Wunsche, die Triumphe des Friedens gegen die des Schlachtfeldes zu vertauschen.“

In der „St. Jawes Gazette“ heißt es: „Die Thronrede des Kaisers war maßvoll, ruhig, angriffslos und fast leise in ihrem Ton. Der Versuchung, das Volk zu ershrecken und die Lage Europas als gefahrdrobend zu schildern, wurde widerstanden. Der Kaiser hat teltien Unterthanen nicht gesagt, daß sie zittern müßten und sich am Vorabend eines Krieges befänden. Er sagte nur, daß „die Entwickelung der Armee und Marine der anderen europäischen Staaten es zu unserer ernsten, gebieterischen Pflicht machen, Gegenmaßregeln zu treffen und die Defensivkraft des Reiches zu mehren.“ Mit anderen Worten: Frankreih hat be- \{lossen, sein Volk bis zum leßten Mann zu bewaffnen, daher muß Deutschland dieselbe Anzahl Soldaten haben. Da die Bevölkerung Deutschlands größer ist, als die Frankreichs, so ist hoffentlich der Wettkampf jeßt zu Ende.“

Die österreichishen und ungarishen Blätter besprechen eingehend die von dem Reichskanzler Grafen Caprivi in der vorgestrigen Sißung des Reichstags gehaltene Rede.

Das Wiener „Fremdenblatt“ schreibt: Die Rede müsse einen tiefen Eindruck niht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa hervorrufen. Sie sei imponirend durch den weiten Gesichtskreis, der sich darin eröffne, wie durch die natürliche Offenheit und durch die patriotishe Wärme, welche sie von Anfang bis zu Ende durchdringe und si stellenweise zu fortreißendem Schwunge erhebe. Die große Rede des Reichskanzlers fahre wie ein Sturmwind in die Bedenken, die gegen den Ausgangspunkt der Militärvorlage seit Wochen Cibaben worden seien; es werde für die Gegner der Militär- vorlage eine s{chwere Aufgabe sein, die durch die Rede ge- schaffene Stimmung wieder zu verwischen. Jn seiner heutigen Morgennummer hebt das „Fremdenblatt“ die männliche Offenheit und den tiefen Ernst der Rede des Reichs- kanzlers hervor. So sprehe ein Staatsmann, der die Verhältnisse genau abschäße, ein Patriot, der über- zeugt sei von der Nothwendigkeit der Steigerung des Heeresaufwandes, und der es als eine Gewissenspflicht empfinde, seine Ueberzeugung zur Geltung zu bringen, weil R das Schicksal der Nation mchr am Herzen liege als alles

ndere.

Die Wiener „Presse“ bemerkt: der Neichskanzler habe ohne diplomatishe Beschönigung und mit seltener NRückhalt- losigkeit die Situation gekennzeichnet, er habe die Sprache des Patrioten und des redlihen Mannes gesprochen. Die deutschen Parteien würden jeßt nur mehr das „Wie“, nit das „Was“ zu discutiren haben.

Die „Neue freie Presse“ bezeichnet die Rede des Reichs- fanzlers nah Form, Jnhalt und Gesinnung als eine bedeu- tende und bedeutsame und zollt dem Reichskanzler die rüchalt- loseste Anerkennung dafür , daß er nicht zu den sonst üblichen Schreckmitteln gegriffen habe. Durch diese mannhafte Auf- richtigkeit habe Graf Caprivi sih selbst seine Aufgabe erschwert, fich aber auch Dank dafür verdient, daß er niht schwere Be- unruhigung erweckte.

De Wiener „Deutshe Zeitung“ lobt die ruhige Darstellung der Verhältnisse ohne alle Shwarzfärberei und ohne Uebertreibung. Wenn die Opposition die Vorlage ungeretfertigt finde, weil unmittelbare Gefahren nicht drohten, fo liege in den Aufschlüssen des Grafen Caprivi über die Vorgeschichte der Vorlage der stärkste Gegenbeweis gegen diese ziemlich leihtfertige Auffassung.

Der „Pester Lloyd“ hebt hervor, die Rede zeige, Daß der neue Curs nch au in Bezug auf die parlamentarishe Tafktik- recht vortheilhaft von dem alten unterscheide. Die Rede mache durch ihre Schlichtheit und Ehrlichkeit wie durch das ungesuchte Pathos, womit sie an das deutsche Nationalgefühl appellire, einen imponirenden Eindruck. Ganz besonders wohlthuend berühre die Versicherung der fried- lichen Absichten des Deutschen Reichs.

Der Bundesrath genehmigte in der am 24. d. M. unter dem Vorsiß des Vice-Präsidenten des Staats-Ministeriums, Staatsfecretärs des Jnnern Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenarsizung das Ausscheiden der staatlichen Tiefbaubetriebe des Königreichs Bayern und der Fürstenthümer Schwarzburg- Rudolstadt und Reuß j. L. aus der Ticfbau-Berufsgenossen- schaft und ertheilte dem Antrage Preußens wegen Einführung der Arbeiterversicherungsgeseße in Helgoland, sowie dem An- trage des Reichskanzlers, betreffend die Einlagerung verschieden tarifirter Faßweine in Theilungslagern, die Zustimmung. Der Entwurf zum Bejsoldungs- und Pensions-Etat der Neichs- bankbeamten mit Ausnahme der Mitglieder des Reichsbank- Directoriums für 1893, der Entwurf eines Gesehes überdie Begrün- dung der Nevision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Vorlagen wegen weiterer Ausprägung von Kronen und Einpfennig- stücken und der Handelsvertrag mit Egypten wurden den zuständigen Ausschüssen zur Vorberathung übergeben. Mit der bereits erfolgten Ucberweisung der Gesezentwürfe, betreffend die Abänderung des Geseßes über die Er- hebung der Brausteuer vom 31. Mai 1872, wegen Ab- änderung des Geseßes über die Besteuerung des Branntweins sowie wegen Abänderung des Geseßes über die Erhebung der Reichsstempelabgaben vom 1. Juli 1881/29. Mai 1885 an die Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für Rehnungswesen erklärte sih die Versammlung ein- verstanden. Endlich wurde über mehrere Eingaben von Vor- ständen genossenshaftliher Verbände wegen Nbänverutia der Verbandsstatuten und Gewährung des Rechts zur B. stellung des Revisors Beschluß gefaßt.

Vom Beginn des Etatsjahres bis zum Schluß des Monats Oktober haben die Einnahmen der Post- und Telegraphen- Verwaltung 139378360 A (gegen denselben Metau des Vorjahres —+ 5 853 893 4), die Einnahmen der Nei chs- En ahn - Verwaltung 35845000 M (-+ 1 226 000 M) ergeben,

Die Commission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Geseßbuhs für das g bt Neich seßte in den Sißungen vom 21. bis 23. November die Berathung der Vorschriften über die Bereicherung (S8 737 bis 748) fort. Zur Erörterun gelangte zunächst die in der leßten Sißung nicht zum Abschlu gelangte Frage, in welher Art das an die Spitze des Titels zu stellende allgemeine, die Condictionen beherrschende Princip zum Ausdruck gebracht werden solle. Nach längerer Discussion entshied fich die Mehrheit dahin, dém in der leßten Sißung beschlossenen Saße, daß, wenn jemand durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rehtlihen Grund erlangt hat, er dem anderen zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet ist, die weitere Vorschrift hinzuzufügen, daß ohne rehtlihen Grund insbesondere auch dann etwas erlangt ift, wenn der durch die Leijtung bezweckte Erfolg nicht erreicht oder der Nechtsgrund, auf welchem die Leistung beruht, später weggefallen ist. Durch diese Bestimmungen sollen die Vor- schriften des § 748 Abf. 1, 2 (condictio sine causa), sowie die Vorschriften des § 742 (condictio ob causam datorum) und des S 76 Abs. 1 (condictio ob causam finitam) erseßt werden. Anlangend insbesondere den S 742, war man der Ansicht, daß es zu weit gehe und mit der Sicherheit des Verkehrs nicht vereinbar sei, wenn mit dem Entwurf die Rückforderung niht nur in dem Fall zulässig sein solle, in welchem der durch die Leistung be- zwette Erfolg nicht erreicht, sondern in allen Fällen, in denen eine bei der Leistung ausdrücklich oder stillschweigend erklärte beliebige Vorausf Run nicht eingetreten sei. Eine solche Vorausseßung könne nur dann in Betracht kommen, wenn sie sih nah dem Jnhalt des Vertrags als ein Bestandtheil des Geschäftsabschlusses darstelle, und sei es der Beurtheilung des einzelnen Falls zu überlassen, welhe reht- lihen Folgen nah der Absicht der Parteien an den Nithteintritt der Voraussezungen geknüpft werden sollten, ob insbesondere in diesem Falle der Vertrag unwirk- sam oder ein Nücktrittsreht oder nur ein Nückforderungsrecht aus dem Geschäftspunkte der Condictionen begründet sein solle. An Stelle der besonderen von der Leistung einer Nicht- \chuld handelnden Vorschriften des § 737 wurde die Vor- schrift aufgenommen, daß eine Leistung, die zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit erfolgt is, in gleiher Weise, wie wenn die Verbindlichkeit nicht bestanden hat, auch dann zurückgefordert werden kann, wenn dem Anspruh auf die Leistung eine die Geltendmachung dessclben dauernd aus- shließende Einrede entgegenstand, daß aber die Nück- forderung ausgeschlossen is, wenn der Leistende das Nichtbestehen der Verbindlichkeit gewußt hat oder wie abweichend von dem Entwurf zugefügt wurde die Leistung einer sittlihen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksiht entspvrah. Jn Ucber- einstimmung mit dem Entwurf (L 738) soll ferner die Nück- forderung nicht stattfinden, wenn eine betagte Verbindlichkeit vor deren Fälligkeit erfüllt ist; auch sollen in diesem Fall Zwischenzinjen nicht verlangt werden können. Von verschiedenen Seiten war im Anschluß an die Vorschriften des § 737 be- antragt, an dieser Stelle als Ersaß für den früher ausgeseßten S 684 besondere Vorschriften über die Rückforderung eines Schuldversprehens oder eines Shuld- anerktenntnisses zu geben. Die * Mehrheit hielt jedoch die Aufnahme solcher Vorschriften für entbehr- lich; man war der Ansiht, daß für Fälle dieser Art die allgemeinen Grundsäze ‘über die Rückforderung einer ohne rehtlihen Grund erfolgten Leistung ausreichten und ein Hinweis äuf diese Grundsäße genüge. Dagegen wurde in sachlicher Uebereinstimmung mit dem Entwurfe (S 743 Nr. 2, 3) die Bestimmung aufgenommen, daß die Rücforderung einer zum Z wee der Erreichung eines bestimmten Erfolges (ob rem) erfolgten Leistung ausgeschlossen ist, wenn der bezweckte Erfolg unmöglich und dies dem Leistenden bei der Leistung bekannt war oder wenn der Leistende die Erreichung des bezweckten Erfolges wider Treu und Glauben verhindert hat. Die Vorschriften des § 747 Abs. 1, 3 und des S 684 Abs. 3 über die Rückforderung wegen verwerf- lihen Empfanges sollen durch die Vorschriften erseßt werden, daß, wenn die Zweckbestimmung bei einer Leistung gegen ein geseßliches Verbot oder gegen die guten Sitten ver- stößt, die Nückforderung nur dann stattfindet, wenn dem Empfänger der Leistung ein solcher Verstoß zur Last fällt, daß sie aber ausgeschlossen ist, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, sofern nicht die Leistung in der Begründung cines Schuldverhältnisses bestanden hat. Jm Interesse der Deutlichkeit des Geseßes wurde der Sag hinzu- gefügt, daß das zum Zwecke der Erfüllung einer in dieser Weise begründeten Verbindlichkeit Geleistete nicht zurü- Made: werden kann. Die Berathung wandte \ich odann den den Jnhalt des Nücforderungsanspruchs näher regelnden Vorschriften (§8 739 bis 741, 8 744, 8 75 Abs. 2, § 747 Abs. 2, 8 748 Abs. 3) zu. Man mar einver- standen, daß diese Vorschriften nicht mit dem Entwurfe zu- nächst nur auf den Fall der A einer Nichtshuld zu be- shränken und sodann auf die anderen Condictionsfälle für entsprehend anwendbar zu erklären, sondern in einer alle Condictionsfälle umfassenden, allgemeinen Fassung zu geben seien. Gegen den sachlichen Jnhalt des § 739 Ab. 1, nah welchem der Empfänger zur Herausgabe des ohne reht- lihen Grund Erlangten, für den Fall aber, daß dieses wegen feiner Beschaffenheit niht Herausgegeben werden fann oder der Empfänger E eines vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit des Rückforderungsanspruchs eingetretenen Umstandes außer Stand geseßt is, es herauszugeben, zur Vergütung des Werthes verpflichtet ist, er- hob sich kein Widerspruch. Dagegen wurde die Vorschrift des S 739 Abs. 2, daß die Verbindlichkeit des Empfängers zur Herausgabe oder Werthvergütung ausgeschlossen sein oll, so- weit er bei dem Eintritt der Nechtshängigkeit durch das Er- langte niht mehr bereichert ist, von verschiedenen Seiten lebhaft bekämpft und statt derselben die Bestimmung vor- geschlagen, daß die Verpflihtung zur Werthvergütung nur ausgeschlossen sein solle, soweit der Empfänger das Eclangte in jolher Weise verloren habe, daß dessen Werth seinem Ver- mögen nicht zu gute gekommen sei. Ein Antrag gin; dahin, diese strengere Haftpfliht des Empfängers noch durch den Zusaß zu verschärfen, daß der Empfänger von der Verpflichtung zur Werthvergütung nicht dadurch befreit werde, daß er das Erlangte unentgeltlih veräußert oder belastet habe. Nach eingehender Erörterung trat die Mehrheit dem Stand- punkte des Entwurfs bei, da dieser den Rücksichten der Billig- keit in weiterem Umfange Rechnung trage. Der 8 740

Abs. 1, welcher den Grundsaz aufstellt, daß die Verbindlichkeit des Empfängers zur Herausgabe des Erlangten oder zur Werth- vergütung sih au auf dasjenige erstreckt, was der Empfänger aus dem Erlangten erworben hat, wurde sahlih nah dem Ent- wurfe, jedo in einer anderen Fassung angenommen, die dag Mißverjtändniß ausschließt, daß die Borschrist auch den rechtsge- schäftlihen Erwerb umfasse. Dagegen wurde die im Abs. 2 bezüglih der Nußungen bestimmte Ausnahme von dem im Abs. 1 aufgestellten Grundsaße und der damit in Verbindung stehende zweite Halbsaß des Abs. 3 gestrihen. Infolge dieser Streichung beshloß man, auh den auf die Vergütung der Verwendungen sih beziehenden ersten Halbsaß des Abs. 3 zu streichen, da dieser aus dem Princip des § 739 Abs. 2, daß der Empfänger nur die Bereicherung herauszugeben habe, sih von selbst ergebe. Die Vorschriften des § 741, welche den JFnhalt des Rückforderungsanspruchs regeln, wenn der Empfänger in dem Zeitpunkte, wo ihm das ohne rechtlihen Grund Erlangte zugekommen ist, das Fehlen eines rehtlihen Grundes gewußt oder wenn er es später erfahren hat, fanden sahlich im wesentlichen Zustim- mung, ebenso die Vorschrift des § 747 Abs. 2, nah welcher die im § 741 Abs. 2 bestimmte strengere Haftpflicht den Empfänger, der durch die Annahme einer Leistung gegen ein geseßliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen hat, {on von dem Zeitpunkt des Empfangs der Leistung an treffen joll. Abweichend von dem Entwurf wurde diese strengere Haftpflicht aber auch auf solhe Fälle ausgedehnt, in denen die Leistung zu einem vorübergehenden Zweck oder zum Zweck der Er- r eines ungewissen Erfolges bewirkt ist. Eine Ergänzung erfuhr der Entwurf durch die im § 684 Abs. 1, 2 nur für die dort bezeihneten besonderen Fälle gegebene allge- meine Vorschrift, daß, wenn jemand durch eine des rehtlichen Grundes ermangelnde Leistung ein Forderungsrecht erlangt hat, er berechtigt sein soll, die Erfüllung seiner Verbindlichkeit auh nah der Vollendung der Verjährung des Anspruchs auf Wiederaufhebung der Forderung zu verweigern. Eine ent- sprechende Vorschrift soll auch in den Abschnitt über Schuld- verhältnisse aus unerlaubten Handlungen aufgenommen werden.

_ Dem Kaiserlichen Gesundheits-Amt vom 24. bis

25. November Mittags gemeldete Cholera-Erkrankungen;: Regierungsbezirk Marienwerder: Aus Kiewo,

Kreis Kulm, ist eine neue Erkrankung an Cholera gemeldet.

Der Finanz - Minister hat mittels Rundshreibens vom 18. November d. J. die Provinzial-Steuer-Directoren davon in Kenntniß geseßt, daß der S in seiner Sißung vom 27. Oktober beschlossen hat, dem § 17 Absaß 2 des Regulativs, betreffend die Steuervergütung des Branntweins zu gewerblichen u. s. w. Zwecken, an Stelle der bisherigen die folgende Fassung zu geben: „Das Hauptamt führt über die ertheilten besonderen Bewilligungen (8 5) ein Notizbuh und stellt vierteljährlih oder, sofern ein Bedürfniß hierzu vor- liegt, monatlich eine Liquidation über die zu zahlende Steuer- vergütung nah der Anlage R 8 auf.“ Die Provinzial-Steuer- Directoren haben hiernach das Erforderliche anzuordnen und darauf zu achten, daß für die aufzustellenden Liquidationen auch fernerhin das durch Verfügung des Ministers vom 19. e 1888 vorgeschriebene Formular zu verwenden ist.

Mittels weiteren Rundschreibens von demselben Datum macht der Finanz-Minister Mittheilung von dem ebenfalls am 27. v. M. gefaßten Bundesrathsbeshluß, wonah die Mindest- menge, für welhe bei der Ausfuhr alkoholhaltiger Essenzen in Gemäßheit des Bundesrathsbeschlusses vom 12. Juli 1888 Steuervergütung gewährt werden fann, auf zehn Liter herabgeseßt worden ist.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Fürstlich reußische Staats-Minister Dr. Vollert ist von hier abgereist.

Das Kreuzer-Geshwader, bestehend aus S. -M. Schiffen „Leipzig“, mit dem Geschwader-Chef Contre- Admiral von Pawelsz an Bord, und „Alexandrine“, ist am 24. November in Singapore angekommen.

Altona, 23. November. Ju der Sache der A narchi sten fanden in den lezten Tagen seitens der Polizei wieder Ver- nehmungen verschiedener Personen statt. Die Verhaftungen haben bereits größere Dimensionen angenommen, als es an- fänglih den Anschein hatte.

Meckleaburg.

Der Gesundheitszustand Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin is, wie den „Meckl. Nachr.“ aus Cannes gemeldet wird, dauernd ein zufriedenstellender.

__ Zhre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von Mecklenburg-Streliß haben lich zu etwa vierzehntägigem Aufenthalt nah Dessau egeben.

Dem Landtag ist eine Vorlage wegen Bewilligung von Landeshilfen zum Bau von Tertiär- (Klein-) Bahnen zu- gegangen. Die Landeshilfe soll pro Kilometer a. bei einer Spurweite unter 75 cm den Betrag von 3000 4, b. bei einer Spurweite von 75 cm und darüber den Betrag von 6000 J nit übersteigen. Unter ie Er welche eine außerordentliche Berücksichtigung verdienen, joll die Landes- hilfe ad a bis zu 4000 Æ, ad b bis zu 9000 6 pro Kilo- meter erhöht werden. ‘Ferner is dem Landtag der Entwurf einer Gesindeordnung für das platte Land zugegangen.

Reuß j. L.

_ Dem Landtage ist der „Magd. Ztg.“ zufolge cin Gesecßentwurf über die Besoldung der Voltssullehrer zugegangen. Diese soll vom 1. April 1893 ab außer freier Wohnung oder einem entsprechenden Wohnungsgelde 1000 H betragen. Jn diese Mindestbesoldung sind die Bezüge aus einem mit einer Schulstelle verbundenen Kirchen- dienst nicht einzurehnen. Jeder Volksschullehrer erhält

ferner aus der Staatskasse bei pflihitreuer Führung und be- friedigender Leistung an Alterszulagen 150 # nah 5, 300 #4. nah 10, 450 M nah 15, 600 A nach 20 und 750 F nah 95 jähriger Dienstzeit. Die Lehrer, denen die Leitung von Volks- shulen mit mindesteno vier Lehrern und vier Klassen übertragen ist, erhalten außer dem geseßlichen Mindesteinkommen und den Alterszulagen als pensionsberechtigte Besoldung aus Gemeinde- mitteln: 450 f in Schleiz, Lobenstein und Hirschberg und 250 M in den übrigen Orten. Soweit sich Volks\{ullehrer bisher im Genusse eines höheren Diensteinkommens befunden haben, soll ihnen dieses auf Grund des bisherigen Geseßzes nicht verkürzt, aber bei Gewährung der Alterszulagen mit in Anrechnung gebracht werden. Auf die Stadt Gera findet das gegenwärtige Geseß keine Anwendung.

Oesterreich - Ungarn.

Im Budgetaus\{huß des österreichischen Abgeord- netenhauses erklärte der Minister-Präsident Graf Taaffe hinsichtlich des Vorgehens des Reichenberger Regierungs- commissars, es sei vollkommen correct, wenn von dem Com- missar in dem ihm übertragenen Wirkungskreise böhmische Eingaben böhmisch erledigt würden.

Großbritannien und Frland.

Wie es heißt, soll die Negierung die Absicht haben, vor der Homerule : Bill noch einige andere Vorlagen im Parlament einzubringen, durch die zunächst eine Ver- waltungsreform in Jrland eingeführt werden würde.

Dem „Liverpool Courier“ zufolge hat das Ministerium dem Schaßkanzler Sir William Harcourt zu verstehen gegeben, daß er in seinem nächsten Budget eine Summe zur Wiedereinseßung der ihrer Stellen verlustig gegangenen irishen Pächter einzustellen haben werde. Wahrscheinlich würden etwa 75000 Pfd. Sterl. dazu erforderlich sein. Mit diesem Betrag sollen auch die gegenwärtigen Inhaber der Stellen entschädigt werden.

Frankreich.

Der Senat hat, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern gleich- falls einstimmig beschlossen, dem Expeditions-Corps in Dahones seine Glückwünsche darzubringen.

In der Deputirtenkammer theilte gestern der Marine-Minister die Nachriht von der Einnahme Abomey's mit und bezeihn:te sie als einen entscheidenden Schlag, der das grausame Königreich öffne, das auf der Sklaverei und auf Menschenopfern begründet sei. (Leb- hafter Beifall.) Der Minister legte sodann einen Geseß- entwurf vor wegen Ausprägung einer Erinnerungs-Medaille an die Expedition nah Dahomey. Die Vorlage wurde ein- stimmig angenommen. Die Kammer begann hierauf die Be- rathung des Geseßentwurfs über die Getränfkesteuer.

Nach einer weiteren Meldung aus Portonovo soll man daselbst der Ansicht sein, daß der König von Dahomey mit einer geringen Mannschaft in bisher unerforshte Gegenden geflohen sei und versuhen werde, sich auf das Gebiet einer europäischen Colonie zu flüchten. Die Einnahme von Abomey werde als das Ende der Feindseligkeiten angesehen. E

Jn dem gestern abgehaltenen Mininisterrath bestätigte der Minister des Auswärtigen Ribot, daß der nachgesuchte Aufschub zur Ausführung der Arbeiten am Pa- namakanal dem Columbischen Parlament unterbreitet worden sei. :

Die Panama-Commission hat gestern Brisson zum Präsidenten gewählt: man glaubt, daß die Commission thre Arbeiten in Wirklichkeit nicht beginnen werde, bevor die Kammer die Frage über den Umfang der Vollmachten der Com- mission berathen habe. Déroulède hat - seine Entlassung als Mitglied der Panama - Commission genommen; ein Nachfolger soll am Montag ernannt werden. Der Deputirte Proust hat an den Präsidenten der Commission ein Schreiben gerichtet, worin er die Anschuldigung des Journals „Libre Parole“, daß er in der Panama-Angelegenheit 50 0009 Fr. erhalten habe, als cine Verleumdung zurückweist und um die sofortige Einleitung einer Untersuchung bittet.

Heute sollen die Verhandlungen gegen die Gründer des Panamakanals vor dem Äppellationsgerichts-

hofe beginnen. Da es aber feststeht, daß der körperliche und geistige Zustand des Grafen Ferdinand de Lesseps ein derartiger ist, daß an sein Erscheinen vor Gericht niht gedaht werden fann, so dürfte, wie der „National-Zeitung“ geschrieben wird, aller Wahrscheinlich- keit nah der Präsident des Gerichtshofs die Ver- handlung gegen ihn von der gegen die übrigen An- geklagten trennen. Es werde aber sodann die Frage erörtert werden müssen, ob unter solhen Umständen Charles de Lesseps, Fontane, Cottu und Eiffel, die kein persönliches Anrecht auf den besonderen Gerichtsstand hätten, nit einfach der Competenz des Zuchtpolizeigerichts unterlägen. Es sei daher mögli, daß fih in Anbetracht der Abwesenheit des Grafen E de Lesseps, Großkreuzes der Ehrenlegion, der Gerichtshof zur Aburtheilung der anderen Angeklagten für incompetent erklären werde.

Dem Marine-Minister Burdeau is ein Telegramm zu- gegangen, wonah der Commandant des Schiffes „Labour- donnaye“ die französishe Flagge auf den Jnseln St. Paul UUE vab sterdam zwishen Madagaskar und Australien gehißt habe.

Der Oberst Liechtenstein, ehemaliger Offizier des Militärstaates des Präsidenten der Republik, ist gestorben.

Rußland und Polen.

Aus Anlaßder Nachricht, daß der bisherige deutsche Botschafter von Schweiniß im Begriff stehe, St. Petersburg zu verlassen, und daß man als seinen Nachfolger den General von Werder bezeichnet habe, spricht sich das „Journal de St. Péters- bourg“ äußerst anerkennend über den scheidenden Bot- schafter aus. Hinsichtlih des Generals von Werder hebt das „JZournal de St. Pétersbourg“ hervor, daß der General lange Zahre in St. Petersburg zugebraht und das beste Andenken in officiellen wie in gesellshaftlihen Kreisen zurückgelassen habe. „Die herzlihsten Willkommensgrüße“, so ent der Artikel, „mit denen man den General von Werder bei

uns S wird, werden ebenso aufrihtig und

einstimmig sein, wie das Bedauern, mit welchem den General von Schweiniß scheiden sieht.“

: Sti. Petersburger Börsen-Ztg.“ be-

, daß der General von Werder beim St. Peters- burger Hofe stets persona gratissima gewesen und daß er

dies auch geblieben sei. General von Werder sei daher, wie selten Jemand, geeignet, zwischen Rußland , und Deutschland freundliche Beziehungen zu erhalten und dadurch zur Wahrung des Friedens beizutragen, was ihm den Dank der beiderseitigen Völker sichern würde. E A

Der Ertrag der im nächsten Jahre einzuführenden Mili tär- steuer für die vom activen Heeresdienst Befreiten wird, dem „H. T. B.“ zufolge, auf zwei bis drei Millionen angegeben.

j Ftalien,.

Die Deputirtenkammer nahm gestern die Wahl des Präsidiums vor. Zum Präsidenten wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, Zanardelli gewählt. Die Mitglieder der Opposition hatten unbeschriebene Stimmzettel abgegeben. Vom Centrum und der Linken wurde die Wahl sehr beifällig aufgenommen. Zu Vice-Präsidenten wurden die ministexiellen Candidaten Villa, Baccelli und Mussi gewählt. Für die Stelle des vierten Vice-Präsidenten ist eine engere Wahl zwischen den der Opposition angehörenden Candidaten Gaetani und Cappelli erforderlich. e i

Der Marine-Minister Saint Bon ist an einer Lungen- entzündung bedenklih erkrankt.

Spanien.

Der König, der nunmehr wieder vollständig genesen ist, hat gestern eine Spazierfahrt unternommen.

Die in Nr. 278 d. „R. u. St.-A.“ auf Grund in Paris eingetroffener Depeschen gebrachte Nachricht von einer Explosion von Fulminaten bei Gelegenheit des Besuchs der Königin- Regentin in der historishen Ausstellung war vielfach als ein Attentat bezeihnet worden. Diese Auffassung entbehrt, wie dem „W. T. B.“ von dem spanischen Konsul in Berlin mit- getheilt wird, jeder Begründung.

Jn dem gestern abgehaltenen Ministerrath theilte der Minister-Präsident Can ovas dem „W. T. B.“ zufolge mit, daß er einen Entwurf wegen Mae einer Anleibe zur Bezahlung der s{chwebenden Schuld einbringen werde. Der Ministerrath beshloß, 70000 Gewehre und 5000 Karabiner nach dem System Mauser in spanischen Fabriken herstellen zu lassen. Z Der Minister des Auswärtigen Herzog von Tetuan ist leiht erfranft.

Griechenland.

Die Kammer hat gestern den Candidaten der Regierung Bondouri mit 117 gegen 11 Stimmen, die auf Ralli ent- fielen, zum Präsidenten gewählt. Die Anhänger von Delyannis enthielten sich der Abstimmung.

Parlamentarische Nachrichten.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 9. Sizung vom 5. Novémber, 11 Uhr:

Der Sißung wohnen bei der Präsident des Staats- Ministeriums, Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg und der Finanz-Minister Dr. Miquel mit Commissarien.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des Communalabgabenge seßes.

Abg. Hobrecht (nl.): Wenn Staat und Gemeinde ihre Stéuer- gebiete gegeneinander abgrenzten, so würden dadurch die Lasten an {ih nicht vermindert, aber es werde für beide Theile die Möglichkeit ge- schaffen werden, die Steuern nah ihren Verhältnissen einzurichten und in gerechter Weise zu veranlagen. Dadurch "werde auch die Verschiebung der Steuerlast, welhe durch die Einkommensteuer eingetreten sei, etwas ausgeglihen. Dabei müsse den Ge- meinden jedoch eine gewisse Bewegungsfreibeit gelassen werden, und es wolle ihm (Nedner) scheinen, als wenn dieses Ziel in der Vorlage niht erreiht sei. Die Grund- und Gebäude- steuer sei den Gemeinden zur Verfügung gestellt, aber er glaube nicht, daß diese Steuern fo bestehen bleiben könnten, wie sie bestehen, wenn überhaupt der beabsichtigte Zweck erreiht werden solle. Die Städte hätten allerdings das Recht, diese Steuern umzuformen, aber es würde wohl nicht angemessen sein, auf diesem Gebiete dem Erfindungs- geist zu viel Spielraum zu lassen: besser wäre es, bestimmte Normen im Geseß aufzustellen. Bei der Gewerbesteuer würde er dagegen jede Aenderung der staatlich veranlagten Steuer verbieten. Ein weiteres Bedenken sei darin zu finden, daß die Gemeinden das Necht behalten follten, nahdem {hon der Realbesiß vorbelastet sei, noch eine weitere Vorbelastung einzuführen für gewisse Anlagen. Allerdings kämen viele Gemeindeeinrihtungen den Grund- und Haus- hesißern zu gute; die Werthe der Grundstücke und Gebäude würden gesteigert, aber nit in allen Fällen. Man könne z. B. in Belin leben, daß die Grundstückepreise im Osten sih nicht in dem Maße steigerten wie im Westen, troßdem dort beinahe mehr für Straßen- anlagen u. \. w. gethan werde als im Westen. Die Klagen über die Prägravation des Grundbesißes seien durchaus berechtigt, und zwar werde er belastet niht bloß durch Ausgaben, die ihm wteder zu gute kämen, sondern noch vielmehr durch die Armen- und Schullasten, die in armen wie in reihen Gemeinden aufgebraht werden müßten. Aber eine Entlastung könne s{ließlich in den Grenzen der Steuer- reform nicht geschaffen werden; es sei nur mögli, die Steuerlast

ercchter zu vertheilen. Wenn der Staat für die Erreichung dieses ieles seine Nealsteuern opfere, fo müsse cer dafür vollen Ersatz be- kommen. Deshalb sei die Ergänzungssteuer, möge sie nun in dieser oder in jener Form geschaffen werden, dringend nothwendig.

Abg. S eer (nl.) verlangt, daß die Kreiseingesessenen nach gleichem Maße herangezogen werden Cla

Präsident des Staats-Ministeriums Graf zu Eulenburg: Dieser Grundfay stehe im Geseß; was der Vorredner vielleicht meine, beruhe auf privatrehtlihen Abmachungen der Domänenvächter mit dem Fiscus oder der Privatpächter mit ihrem Verpächter; daran könne man dur Gese nihts ändern. Er (der Minister) sei erfreut, daß der Abg. Hobrecht die Nothwendigkeit der Ergänzungssteuer an- erkannt habe. Die Reform der Steuergeseßgebung könne nur eine bessere und gerehtere Vertheilung der Lasten herbeiführen, feine Erleich- terung der Steuer. Er hoffe, die Mehrheit des Hauses werde anerkennen, daß die Vorlage in dieser Beziehung alles, was mögli sei, erreiche. Die Bemängelung des Herrn Hobrecht bezüglih der Vorbelastung der Grundbesitzer sei nicht begründet; denn diefe Vorbelastung solle, soweit niht Gebühren erhoben werden, nur dann erfolgen, wenn die Grund- besißer wirklich cizen besonderen Vortheil davon haben. Es gebe doh nur zwei Wege, um die Gemeindefinanzen zu ordnen : entweder man müßte den Gemeinden jede Einzelheit vorschreiben, dann würde jede freie Bewegung fortfallen; oder man müßte allgemeine Grundsäße aufstellen, deren Anwendung den Gemeinden überlassen bleibe, wobei die Sicherheit gegen falshe Anwendung in dem Aufsichtsrecht des Staats liege. Es werde allerdings gesagt: der Entwurf enthalte so viele Vor- schriften über die Beneraigung: wo das der Fall sei, sei die Ee- nehmigung nur vorgeschrieben, wie in den bestehenden Geseßen. Neu sei nur die zweite Hälfte des. § 62, welhe der Abg. Herrfurth ange-

in Kraft sei, könnte der Fall eintreten er hoffe, es werde fehr selten sein —, daß man ein Steuersystem vorfinde, welches

führt habe. Und worum handele es sich dabei? Wenn das Gesetz

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überhaupt entsprehe. Solle da die Verwaltungsbehörde die Hände in den Schoß legen? Müsse da nicht ein Eingreifen der Regierung gestattet sein, zumal dieselbe unter der Rechtscontrole des Ober-Ver- waltungsgerichts stehe? Bisher habe die Regierung allen Beschwerden von Gemeindemitgliedern über folhe s{lechten Steuerverfafsungen mit vershränkten Armen gegenüberstehen müssen uno habe den Klagenden nur anheimgeben fönnen, für eine andere Gemeindevertretung zu

forgen.

Abg. Fritzen- Borken (Centr.): Er sei zwar gegen die Vorlage

zum Wort gemeldet, aber er wolle doch gleih betonen, daß er im og and ganzen mit ihr einverstanden fei. Namentlich freue er U

ch, daß indirecte Steuern wieder zugelassen seien. In Düsseldorf

habe eine Biersteuer 150000 mit Leichtigkeit aufgebracht,

ohne daß das Bier s{lechter oder theurer geworden wäre, Unbedingt zwingende Vorschriften könnten in dem Gefeß nicht gegeben werden, denn die Verhältyisse der Gemeinden seien zu e&chiedenartig. Daß dabei ein Corrêctiv vorhanden sein müsse iter Staats- aufsiht, sei selbstverständlih. Ein Vorzug des Gesetzes sei die Möglichkeit, Präcipualbeiträge zu erheben von denjenigen, welhe von gewissen Gemeindeanlagen besonderen Vortheil haben. Er (Redner) wünschte, daß von diesem Recht ein ausgedehnter Gebrauh gemacht würde. Der Schwerpunkt des Gesebes liege in § 45, der einen Wider- spruch enthalte, weil danach die Gemeinden Realsteuern allein bis zu 1509/6 erheben fönnten; sobald fie aber Einkommensteuerzusläge erheben, dürften sie nur den 13 fachen Betrag derselben an Grundsteuer einziehen. Wenn eine Gemeinde 150 9% Realfteuern erbebe und nur 10 9% Einkommensteuern erheben wolle, so dürfe sie nur 15 9% Grund- und Gebäudesteuer einziehen. Eine wichtige Frage sei die Regelung des Gemeindewahlrechts, die durhaus nothwendig sei; damit hänge auch das Wahlrecht zusammen. Für den Reichstag habe «man das allgemeine directe Wahlrecht; ob sich dieses aber für die“ Wahlen zum Abgeordnetenhause empfehle, lasse er dahingestellt; er habe jedech erhebliche Zweifel dagegen. Auch feine Partei sei dafür, daß dem Grund- besißze sein Einfluß im Staatsleben bewahrt werde. Die Steuerreform werde dazu führen, daß das Wahlrecht auf einen ganz anderen Boden gestellt werde. Wenn das Abgeordnetenhaus seine Stellung der Regierung gegenüber bewahren solle, dann müsse sein Wahlrecht auf eine breitere Basis gestellt werden, dann dürften nicht zwei oder drei Perfonen die Wahlmänner der ganzen ersten Klasse ernennen ; es müßten die Männer, welche weiter nichts besigen als ihre Faust, um den vaterländischen Boden zu vertheidigen, das Gefühl haben, daß sie bier auch ausreichend vertreten seien.

Zm weiteren Verlauf der Berathung nehmen his Schluß des Blattes noch das Wort die Abgg. von Tzschoppe (frei- cons.), Knebel (nat.-lib.), Vopeli us (frei-conj.) und Meyer- Berlin (dfr.), über deren Reden wir morgen berichten werden.

¿M Reichstage sind folgende Anträge aus dem Hause eingebracht worden : -

von den Abgg. Acker mann und Genossen ein Antrag auf Ein- führung des Befähigungsnachweises- für das Handwerk, ferner über Abzahlungsgeschäfte, Hausirhandel und Vorrechte der Innungen;

von den Abgg. Dr. Barth und Rickert ein Antrag auf Aenderung des Wahlgeseßes:

von den Abgg. Munckel u. Gen. Anträge wegen Abänderung der für das Vorverfahren und für das Verfahren erster Instanz geltenden Bestimmungef der Strafprozeßordnung, ferner betreffend die Entshädigungspflicht des Staats für Entziehung oder Beschränkung der persönlichen Freiheit sowie für unrechtmäßig voll- tvte Ea und* wegen der im Strafverfahren zulässigen Nechts- mittel;

von dem Abg. Neichensperger ein Antrag wegen Errichtung von Strafberufungskammern bei den Landgerichten.

Kunst und Wissenschaft.

___ Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich beehrte gestern in Begleitung Ihrer Königlichen Hoheiten der Prinzesfinnen Victoria und Margarethe, sowie der Prinzen zu Schaumburg-Lippe und Friedrich Carl von Hessen die Ausstellung der Original- Aquarellcn Karlsruher Künstler in den Räumen der Kunsthandlung von A msler u. NRuthardt mit Ihrem Besuch.

Im Verein für deutsches Kunstgewerbe hatte am Mittwoch Abend der bekannte Radirer Herr Bernhard Man n- feld eine lehrreihe Auswahl seiner neueren Radir.ungen aus- gestellt, an denen sih die tehnishen und fünstlerishen Eigenschafien seiner stimmungsvollen Landschafts- und Architekturdarstellungen vor- trefflih auésprahen. Neben den großen Einzelblättern fesjelten be- sonders die im Staatsauftrage hergestellten Nadirungen nah Werken von (Jarl Gräb, welche demnächst in einem Bande vereint erscheinen werden. Der Künstler knüpfte hieran einen anregenden Vortrag über „Kunst und Technik der Radirung“, führte aus, welche Vorzüge die Originalradirung als selbständige Kunst besitze, besprach die Art und Weise der Entstehung eines künstlerishen Motivs und gab \{ließlich eine anshaulihe Erläuterung der Technik der Radirung und des ODruverfahrens. Vorber esprach Herr Professor E. Doepler d. F. die ausgestellten Arbeiten der“ Nov ember- Concurrenz um ein Titelbild zu einem Handbuch der Landwirth- haft, ausgeshrieben von Herrn Paul Parey. Es haben erhalten : den 1. Preis Maler Albert Klingner, den 2. Preis Maler Otto Gussmann, den 3. Preis Maler Willie Ballies: lobende Erwäh- nungen: Maler Richard Guhr, Maler E. Härring und Maler Nichard Böhland.

In der am 19. und 20. November d. F. zu Berlin ab- gehaltenen Sißung des Gesammtvorstands der Comenius- Gesellschaft ist beshlossen worden, den nächstjährigen Congreß im Oktober 1893 in Lissa abzuhalten. Die Sißung war stark besucht und außer dem größeren Theil der in Berlin wohnenden Vorstands- mitglieder nahmen Herren aus Pommern, Sachsen, Schlesien, West- falen, Holland und Oesterreich an den Verhandlungen theil. Die Gefell- schaft, die sich zugleich wissenschaftliche und gemeinnüßige Aufgaben gestellt hat, hat ihren Siß in Berlin und zählt gegenwärtig 920 Mit- glieder; Anmeldungen und Beiträge nimmt das Bankhaus Molenaar und Co., Berlin C., Burgstraße, entgegen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrung §- Maßregeln.

Cholera.

Pest, 24. November. In den leßten 24 Stunden kamen hier drei Cholera-Erfrankungen und cin Todesfall vor.

St. Petersburg, 24. November. Das heute ausgegebene Cholera-Bulletin für die leßte Woche meldet eine starke Abnahme der Epidemie in den Städten und in den Gouvernements; nur das Gouvernement Podolien und das Kiew er Gouvernement machen hiervon eine Ausnahme. In dem ersteren erkrankten in der Zeit vom 9. bis 18. November 1033 und starben 375 Personen ; in dem leßteren erkrankten in dec Zeit vom 14. bis 20. November 599 und starben 168 Personen an der Cholera. i

Amsterdam, 24. No-ember. Jm Haag ist ein neuer Cholera- Todesfall vorgekommen. : ;

Belgrad, 24. November. Hier ist E aht Tagen kein SROeeglN mehr vorgekommen. Das Barackenhospital steht zur Zeit völlig leer. *

weder den Gesetzen noch einer rationellen Besteuerung