1892 / 290 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Dec 1892 18:00:01 GMT) scan diff

ia (E A, E E E aths: A S E M P E. S p t 2A N

Mitglieder der kleinen Zabl der Innungsmitglieder gegenüberseßte. Fh habe mich in der Widerlegung wesentlich darauf beschränkt, daß diese Gegenüberseßzung niht zutreffend is, weil jedenfalls ein Theil der großen Mitgliederzahl von der vorliegenden Frage nicht be- troffen ist, und ich möchte nur die Bitte aussprechen, wenn die Herren noch einmal darauf zurückfommen sollten, dann die Güte zu haben, mir vorher einen Wink zu geben, damit ih aus den Acten nahweisen fann, wie die Verhältnisse si stellen. Sie können nit verlangen, daß ich die Zahlen einer Petition als für mich allein maßgebend an- sehen foll.

Der Herr Abg. Goldshmidt hat auf einige Uebelstände hin- gewiesen, die sich aus dem Vorgehen der Gastwirthsinnung heraus- gestellt haben. Er hat u. a. erwähnt, daß die Innung für Unter- bringung von 20 Mann in der Herberge mehrere Tausend Mark ausgegeben habe. Ih bin niht in der Lage, diese Zahl zu prüfen: sollte er darin Reht haben, daß die Gastwirthsinnung für die Unterbringung von 20 Mann 4000 4 oder eine ähnliche Summe ausgegeben hat und zu diesen Kosten die niht zur Innung gehörigen Mitglieder berangezogen hat, so würde ih das freilich für einen Mißgriff halten, und bin bereit, wenn derartige Dinge zu meiner Kenntniß gebraht werden, ihn abzustellen, denn ich bin au überzeugt, daß eine Ausgabe in dieser Höhe für Unterbringung von 20 Mann in einer Herberge zu hoch gegriffen ift.

Aus den Ausführungen der Herren Abgg. Rickert und Gold- {midt könnte man zu dem Glauben kommen, daß es fih um unge- seßlihe Maßregeln handelt. Davon ist keine Rede; es handelt si um Ausführung eines der Behörde geseßlih zustehenden Rechts, um die Bewilligung der Privilegien des § 100 f und um die Erwägung, ob die Einrichtungen, zu denen Andere als Innungsmitglieder herangezogen werden sollen, zur Erfüllung dieses Zwecks geeignet sind. Das ist der Maßstab, der an die Frage beranzulegen ist, und dabei war sowohl das hiesige Polizei-Präsidium wie ich ter Meinung, daß sowohl die Unterbringung in der

Herberge, wie auch der Arbeitênahweis, wie die Innung sie einge- rihtet batte, zur Erfüllung ihres Zwecks wohlgeeignet sind. Und deshalb wurde die Beschwerde zurückgewiesen. Es handelt sich alfo um ein durchaus legales Vorgehen. Daß eine Meinungëverschiedenheit darüber cbwalten fonnte, ob diese Einrichtung zweckmäßig ist, gebe ih zu, aber feineéfalls wird man meines Erachtens behaupten fönnen, daß vor einer ungerechtfertigten Unterdrückung einer großen Zahl von Nichtmitgliedern die Rede sein kann.

Abg. Joest (Scc ): Er stehe seit 25 Jahren mit dem Hand- werkerstande in enger Verbindung und fei auch auf dem Gebiet des Maschinenwesens einigermaßen vertraut; er fönne dem Abg. Dr. Bachem deshalb nahweisen, daß seine heutigen Ausführungen fehr geeignet seien, das Handwerk rascher seinem Untergang entgegenzuführen, als es auf dem gewöhnlichen Wege geschehen würde. Es sei gesagt, man müsse das Handwerk mit Hilfsmaschinen ausrüsten. Dann werde die Folge sein, daß die Ueberproduction noch un- endlich mehr gesteigert und noch größer werde, als sie jeßt {on gegenüber der sinkenden Kaufkraft des Volkes \ih darstelle. Wenn der Abg. Riert auf die große Zahl der Arbeiter in den kleinen Betrieben hingewiesen habe, fo vergefsse er, daß der geringeren Zahl der Fabrikarbeiter die großen Maschinen zur Seite ständen, welche Tausende von Arbeitern erseßten. Wenn der Abg. Dr. Bachem sage, daß man bestrebt sein müsse, tüchtigere Lehrlinge, Gesellen und Meifler heranzubilden, um damit das Handwerk zu \{chüten, fo sei das ganz verfehlt; die Handwerker feien niht zurückgeblieben; sie fönnten beute hon nah Zeichnungen arbeiten, freilih die Zünftler nicht ; die seien nicht bloß gewerblih, sondern auch geistig zurückgzeblieben. Die Fortbildungsschulen seien doch auch ein Mittel, um den jungen Handwerker zu bilden. Wer mache nun dagegen Front? Ein ultra- montaner Abgeordneter in der hessishen Kammer. Es sei der Fort- bildungsunterriht am Tage statt in den Abendstunden verlangt. Wenn man erkennen wolle, daß das Handwerk keinen Rükschritt ge- macht habe, so brauche man nur auf die Fortschritte in den Aus- stellungégegenständen von London im Jahre 1861 und von Paris 1889 zu sehen. Die Nalbfrage nah guter Waare habe nachgelassen, die billige finde immer Absaß. Der Meister müsse geshüßt werten gegen die Pfuscherarbeit. Wer seien aber die Pfuscher ? Die Profitrouth des Kapi- tals. Dagegen könne der Handwerker nicht wirksam concurriren, zumal sich der Großfapitalist mit viel geringeren Profitrat:n begnügen fönne als der Handwerker. Selbst wenn man obligatorische Innungen einführe, werde man nicht erreihen fönnen, daß die Innung den PAY der Waaren festseze, welche der einzelne Meister zu liefern abe. Auch heute klagten die kleinen Meister in der Innung über die großen, weil diese billiger lieferten. Die Innungen würden beute häufig als eine Organisation zu politishen Zwecken be- trachtet. In Neustadt in Schlesien habe sih die Innung geweigert, einen Socialdemokraten aufzunehmen. Seit mehr als zehn Jahren habe man dem Handwerk unter die Arme gegriffen und nichts gebessert. Die Zahl der kleinen Meister solle zugenommen haben, aber das seien meist nur angebliche Handwerksmeister, die in Wirklichkeit {limmer dran scien als die Fabrikproletarier. Das Handwerk könne nicht weiter existiren und es habe Front zu machen nit mit dem Kapital gegen die Arbeiter, sondern mit den Arbeitern gegen das Kapital. Tausende bâtten das schon erkannt und diejenigen, die das noch nicht erkannt hätten, wolle seine Partei nicht unterstüßen durch eine künstliche Orga- nisation. Denn es fei nit zu glauben, daß das Handwerk mit den Fabrikanten concurriren fönne.

Abg. M öller (nl.): Nach der Skizze, die der Staats-Minister gegeben, sei seine Partei für die Regierungs-Vorschläge, weil sie dem Handwerk ebenso wie dem Handelsstand und der Großindustrie eine geordnete Vertretung geben wolle. Die Handelskammern würden freiwillig da eingerichtet, wo ein Bedürfniß vorhanden fei; so werde es auch bei den Handwerkerkammern sein. Das Handwerk solle befreit werden aus den Händen von Agitatoren, welche unerfüllbare Hoffnungen erweckt hätten. Ob die mannigfaltigen Ziele, die der Staats-Minister dargelegt habe, sämmtli zu erreichen feien, sei ihm sehr zweifelhaft. Nach einer Nichtung jedoch würden die Gewerbekammern segen8reih wirken: nämlich durch die Schaffung praktischer Vorbildungs- \chulen, welche er für sehr wichtig halte. Man müsse dem Proletariat Gelegenheit geben, sich emporzuarbeiten. Das sei eine wahre fociale Arbeit. Die Maschinen seien nicht der Grund des Unterganges des Handwerks. In demselben Maße als die Handwerker Maschinen einfübrten, stiegen die Löhne. Das Handwerk müsse ih gewöhnen, eine Reihe von Arbeiten, die es niht mehr leisten könne, auch nicht mehr zu leisten. Ihm bleibe ein unendlihes Gebiet, wo es weiter arbeiten fönne. Gerade in der Periode der leßten zehn Jahre seien fehr viele kleine Maschinen für Handwerker construirt worden. Der intelligente Arbeiter, der seine Zeit verstehe, könne auch heute oben bleiben, dem anderen sei durh keine Geseßgebung zu helfen.

Abg. Goldschmidt (dfr.) êrklärt, daß er dem Staats-Minister keine Geseßesverleßzung vorgeworfen habe. Er habe überhaupt nicht \sprehen wollen, habe aber das Material aus der Bibliothek \ih beschafft, und das hâtte der Staats-Minister au gekonnt.

Abg. NRickert (dfr.): Er wisse nit, wie der Staats-Minister seine Zahlen, die der Vorsikende des Gastwirthsverbandes angeführt habe, als falsche habe bezeihnen können, während er selbst erflärt habe, daß er die Zahlen nicht kenne.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k, F.): Er habe das Wort nur ergriffen, weil hier das Märchen wiederholt werde, als sei das Fade dem Untergang geweiht. Das Handwerk sei durch die Maschinen s{chwer bedrängt, weil man ihm die Möglichkeit

genommen habe, die Maschinentechnik für sich auszubeuten und gerade beim Aufschwung derselben die Innungen aufgelöst und das Innungs- vermögen vertheilt habe, anstatt es zur Anshaffung von Maschinen zu ver- wenden. Die Elektricität sei im stande, die Wunden zu heilen, die der Dampf dem Handwerk geschlagen, und jeßt sollte man die Geles enheit nicht versäumen zur Schaffung eines neuen Kleingewerbes. Solche kleinen selbständigen Existenzen brauhe man, die würden lauter Quadern in dem Schußwall gegen die Socialdemokratie sein. Wenn man den Handwerkern und Arbeitern helfen wolle, dann Tolle man nicht bloß die Unzufriedenheit {üren, welche die Socialdemokratie nah einem Ausspruh des Abg. Bebel brauche, sondern auch lebensfähige Orga- nisationen bauen im Sinne der Kaiserlichen Botschaft. Die Social- demokratie verkenne das Lebensbedürfniß, welches in dem Handwerker- stande stecke, und sie verkenne das Staatsinteresse, welches die kleinen, selbständigen Existenzen erhalten müsse. : -

Abg. Bebel (Soc.): Daß das Handwerk noch eine Zukunft habe, fönne nur jemand sagen, der die Entwickelung des Handwerks niht verfolgt habe. Wenn das Handwerk Maschinenkräfte in größerem Maße verwenden könnte, so würde die Production gesteigert und dabei die kleine Production vernichtet werden. Glaube man denn wirkli, daß der fleine Handwerker durch Ausnußzung der Elektricität mit dem Großkapitalisten concurriren könnte? Wenn das wirklich der Fall sein follte, weshalb hätten denn die reichen Leute, die hier im Reichstag säßen, den Hand- werkern das noch niht durch Experimente nachgewiesen ? Sobald das bewiesen werde, wolle er seinen Irrthum hier bekennen. Die Handwerkslehrlinge träten sofort nah ihrer Ausbildung möglichst \hnell in die Fabrik, weil dort die höchsten Löhne gezablt würden. Allerdings würden die Handwerker niht bis zum leßten Mann ver- s{hwinden, es werde immer noch, wie selbst in England, eine geringe Zahl übrig bleiben, die zu Reparaturen. Verwendung finde ; aber der Stand als solcher gehe ebenso zu Grunde, wie der kleine Bauernstand. Die Handwerker würden selbst einsehen, daß sie feine andere Rettung hätten, als im neuen focialen Staat. Für Tausende und aber Tausende kleiner Handwerker wären selbst die Kosten un- ershwinglih, welche die geplante neue Organisation verursachen würde. In Oesterreih werde man ja den Kleinbetrieb künstlih noch einige Jahrzehnte erhalten können ; denn Desterreich stehe in der öfono- mischen Entwickelung unendlich weit hinter Deutschland zurück. Während die deutshe Industrie mit 44 Millionen Pferdekräften arbeite, könne Oesterreih-Ungarn nur 1 200 000 aufweisen. Das kleine Handwerk habe also dort noch eine viel größere Bedeutung. Die Conditoren hâtten den Reichstag mit Petitionen bestürmt, in welchen sie zum Schuße gegen die Concurrenz der ebenfalls feine Kuchenwaaren berstellen- den Bäkermeister die Herstellung des Befähigungênachweises wünschten. Werde dies ausgeführt, sowerde man sehen, daß damit gerade dasGegentheil erreiht werde. Es herrshe im Handwerk vollständige Arbeitsthei- lung. Tausende von Handwerkern könnten nur einen einzelnen Gegenstand herstellen. Was stellten z. B. die Klempner noch selbst her von den Waaren, die sie in ihren Läden verkauften? Sie machten nur noch Reparaturen und brähten mal ein paar Abfallrohre am Bau an. Wie viele Schlosser könnten noch selbständig Schlösser maden? Die Regierung täushe sich sicherlih felbst niht über die Erfolglosigkeit der angekündigten Maßregeln, aber sie kenne die Be- deutung des Handwerkerstandes für ihren Staat, sie müsse thn aufrecht erhalten, und so fomme sie zu solhen Vorschlägen, obwohl sie selbst einsehe, daß dieselben die Entwickelung niht um ein Jota aufhalten würden.

Damit schließt die Besprehung der Jnterpellation.

Schluß gegen 6 Uhr.

Statistik und Volkswirthschaft.

Ueber die Verunglücckungen (Totalverlu ste)

deutscher Seeschiffe in den Jahren 1890 und 1891 find in dem foeben erschienenen 4. Hefte des Jahrgangs 1892 der Vierteljahröshefte zur Statistik des Deutschen Reichs einige Zusammenstellungen veröffentliht. Hiernach sind 1890 (die Angaben für 1891 sind noch fehr unvollständig) 92 deutsche See- chiffe mit 34 459 Negister-Tons Nettoraumgehalt verloren gegangen, und zwar sind 41 Schiffe gestrandet, 16 gesunken, 9 verschollen, 2 ver- brannt, 1 gekentert, 16 infolge erlittener \{chwerer Beschädigungen und 7 durch Collisionen verunglückt. Dabei büßten 176 Personen (169 Mann Besatzung und 7 Passagiere) von 1111 an Bord gewesenen Menschen (937 Mann Befaßung und 174 Passagieren) ihr Leben ein. Im Vergleih zum Bestand der registrirten deutschen Seeschiffe am 1. Januar 1890 beträgt der Schiffsverlust im Laufe dieses Jahres 2,5 9/6. Dagegen bezifferte sich der Verlust in den Fahren 1889, 1888, 1887 und 1886 auf 3,2 9/0, 4,1 9/0, 4,29%, und 3,59 des Schiffsbestandes am Jahresanfang. Für die Schiffs- besaßung berechnet \sih das Verlustverhältniß derart, daß in den Sahren 1890, 1889, 1888, 1887 und 1886 ein Mann von je 227, 174, 184, 161 und 242 Seeleuten, welhe auf deutschen Seeschiffen dienten, verunglückte.

Production x. von Salz.

Nach der in dem neuesten Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs soeben veröffentlihten Statistik über das Salz im deutschen Zollgebiet waren während des Etatsjahrs 1891/92 14 Salz- Bergwerke und 63 Salinen im Betriebe, die gleihe Zahl wie im Borjahre. Erzeugt wurden 597 376 t (1390/91 543 842 t) Steinsalz (in Anbalt 193 974 t, in der Provinz Sachsen 183669 t und in Württemberg 174 573 t) und 514 462 t (1890/91 494 462 t) Siede- salz, davon in der Provinz Sachsen 108 683 t, Hannover 95 638 t, Elsaß-Lothringen 58 801 t, Württemberg 46117 t, Bayern 41112 t, Thüringen 37 178 t, Westfalen 31 650 t, Baden 30168 t, Posen 16 402 t, Anhalt 16 157 t und Baden 15 457 t. Ueber die Zoll- grenze ausgeführt wurden 255185 t (1890/91 196 587 t) Salz, darunter 214 736 t (1890/91 154 264 t), Steinsalz, das hauptsächlich nach British-Indien (96 089 t), den Niederlanden (28 051 t), Belgien (27 152 t) und Desterreih (26 626 t) ausgegangen ist, während das ausgeführte Siedesalz (im ganzen 40449 t) meist nach Schweden (9380 t), den deutshen Zollausshlüfen (8980 t), Groß- britannien (8196 t), Dänemark (5113 t), Rußland (2988 t), Nor- wegen (2815 t) und der Schwe!z (18312 t) versendet worden ist. Die Einfuhr von auëländishem Salz wird immer geringer und betrug 1891/92 nur noch 25926 t (1890/91 26 499 t), darunter 23 271 t englishes und 1580 t portugiesishes Salz. Der Verbrauch von Speisesalz (inländishem und fremdem zusammen) ftellte ih 1891/92 auf 386362 t (1890/91 381203 t) oder 7,7 kg auf den Kopf der Bevölkerung, welhes Verbrauchsver- hältniß schon während einer längeren Reibe von Fahren unverändert geblieben ist. Zu gewerblichen und landwirthschaftlichen Zwecken sind verbraucht und in denaturirtem Zustande steuerfrei ab- gelassen worden 484 035 t (1890/91 465 438 t) oder 9,7 kg Salz auf den Kopf der Bevölkerung, wogegen im Durchschnitt der 10 Jahre 1882/83 bis 1891/92 nur 8,1 kg auf den Kopf zu folchen Zwecken verbrauht worden sind. Hauptfächlich wird dieses Salz zur Soda- und Glaubersalz-Fabrikation (1891/92 273 678 t) und zur Vieh- fütterung (118 779 t) verwendet. Der Ertrag der Salz-Abgaben (Zoll und Steuer zusammen) belief fih 1891/92 auf rund 46 Millionen Mark.

__ Production von Stärkezucker.

Nach einer im leßten Vierteljahrsheft zur Statistik des Deutschen Reichs veröffentlihten Nachweisung über die Production von Stärke- zucker im deutschen Zollgebiet sind in der Zeit vom 1. August 1891 bis 30. September 1892 in 26 Fabriken (29 im WVorjahre) 35 530 Doppel-Ctr. (107 747 im Vorjahre) Stärkezucker in fester Form, 116 527 Doppel-Ctr. (278 068 im Vorjahre) Stärkezucker- Syrup und 19 779 Doppel-Ctr. (43 580 im Vorjahre) Couleur er- zeugt worden. Die Minder-Erzeugung im Vergleiche zum Vorjahre

erklärt \ich dur die geringe Kartoffelernte des Jahres 1891 und die ganz ungewöhnlich hohen Kartoffelpreise.

Zur Arbeiterbewegung.

In Frankfurt a. M. fand am Sonntag die S ubile focialdemofkratische Versammlung statt (vgl. Nr. 285 d. Bl.), in der die Erörterung über den Bericht des Parteitags- delegirten Ho h fortgeseßt werden sollte. Die Verhandlung endete, wie die „Frkf. Ztg.“ berichtet, mit der Annahme einer Resolution, in der h die Versammlung mit den Beschlüssen des Parteitages einverstanden erklärte. Alsdann erstattete der Vertrauensmann, Herr Gg. Meier den Jahresbericht, dem zu entnehmen is, daß die Frauenbewegung in der dortigen Gegend langsam Fortschritte mache. Die Landagitation werde zwar eifrig betrieben, es mache si aber ein Mangel an guten Rednern fühlbar. Die Gewerkschafts- bewegung habe durch die fast sämmtlich verloren gegangenen Strikes einen Rückgang erlitten, der au auf die Einnahme der Partei feine Wirkung ausübe. Hauptsächlich sei es der Buchdruckerstrike gewesen, der die finanziellen Kräfte der Arbeiterschaft sehr in Anspruch ge- nommen habe

In Magdeburg haben, wie die „Mgdb. Ztg.“ berichtet, sechzehn Besißer von größeren Sälen infolge der über das Fichtler’sche „Concerthaus“ und die „Flora“ verhängten Sperre, die auch über die dort liefernden Brauereien, die Kunden und Gäste auêëgedehnt sei, in einem dortigen Blatt öffentlih Protest erboben, da fie niht gewillt seien, sih in ihren Eigenthumêrechten beshränken zu lassen.

Dem Ausstand, der in der vereinigten Dresdener Strohs und Filzhutfabrik ausgebrochen ist (vgl. Nr. 285 d. Bl.), haben si, wie der „Vorwärts“ nah der „Sächs. Arb.-Ztg.“ mittheilt, die Arbeiter der Loewy’ schen und der Kronheim schen Fabrik ange- chlossen. Sämmtliche Arbeiter der Loewy'schen, sowie die Mebrzahl der Arbeiter der Kronheim’schen Fabrik haben am Sonnabend die Arbeit auf- gekündigt, um die leßten Saisonpreise wieder zu erzielen, hauptsächlich Ee E Erlangung eines Einheitépreises in den maßgebenden Fabriken.

Hier in Berlin fand gestern Abend wieder eine öffentliche Kellnerinnen- Versammlung statt, die aber der „Vos. Ztg.“ zufolge wegen der geringen Zahl der Besucher bald wieder geschlossen wurde.

In Grünberg bei Grasliß in Böhmen haben, wie der „Vor- wärts“ berichtet, 80 Weber der Firma A. Meinls Erben wegen Lohnkürzung die Arbeit niedergelegt. Die Strikenden sind meist Familienväter.

Aus Brüssel wird -der „Voss. Zta." unter dem ò. d. M. ge- schrieben: Die in denKockerillshenMetallwerken beschäftigten Chinesen haben sih angeblich wegen {lechter Behandlung empört ; sie haben, wie der ,Peuple* berichtet, sogar Barrikaden gebaut und sie mit Revolverschüssen vertheidigt, sind aber schließlich überwältigt worden. An der Eingangsthür zur Kokerill’shen Eisenfabrik explodirte gestern eine Dynamitpatrone: die Thür und die Fenster wurden zertrümmert und ein Beamter und ein Werkmeister wurden verleßt. Der Thäter, der Puddler Paquet, der sich mit dem Werkmeister überworfen hatte, ist verhaftet worden. In feiner Wohnung fand man acht Patronen comprimirten Pulvers und einige Meter Lunte. :

Aus Lüttich meldet ein Wolff sches Telegramm vom gestrigen Tage: Der Gouverneur der Provinz lehnte es ab, einen Ab- geordneten der Bergarbeiter zu empfangen, der ihm vorschlagen sollte, die Streitfrage zwishen den Bergarbeitern und der Ge- sellschaft in Tilleur einem Schiedsgericht zu unterbreiten. Wie ein Telegramm des „D. B. H.“ aus Mons vom heutigen Tage mittheilt, wurden die Theilausstände der Bergarbeiter beseitigt durh die Einberufung eines außerordentlihen Congresses auf den 25. November, der den Zeitpunkt für den Ausbruch eines allge- meinen Ausstandes sofort feststellen foll.

Handel und Gewerbe. Persishes Getreideausfuhr-Verbot.

Die persische Regierung hat in Folge des in der Provinz Khorassan herrshenden Getreidemangels die Getreideausfuhr von dort ins Ausland seit dem 4. November d. J. verboten. Auch in den meisten übrigen Provinzen Persiens, insbesondere in Aserbaidschan, herrscht eine durch Mißernten hervorgerufene Theuerung.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Nuhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 6. d. M. gestellt 11 052, nit rechtzeitig gestellt keine Wagen. ; In Oberschlesien find am 5. d. M. gestellt 4611, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs-Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht Il Berlin stand am 6. Dezember das im Grundbuche von Friedenau Band 10 Blatt Nr. 768 auf den Namen des Restaurateurs Friß Behrendt ein- etragene, zu Friedenau, angeblich Handjerystraße 64, belegene Grund- stück zur Versteigerung; bei einer Fläche von 14,20 a is es zur Grundsteuer nicht, mit 7700 A Nußungswerth zur Gebäudesteuer veranlagt; Mindestgebot 1402 #4; für das Meistgebot von 119 205 wurde der Director Richard Scheffel zu Berlin, Yorkstraßë 90, Ersteher.

Se 6. Dezember. (W. T. B.) Kammzug-Termin- a

handel. Plata. Grundmuster B., per Dezember 3,674 4, per Januar 3,674 #4, per Februar 3,70 #, per März 3,724 ä, per April 3,75 #, per Mai 3,774 #, per Juni 3,80 4, per Juli 3,80 4, per August 3,825 F, per September 3,895 #4, per Oktober 3,85 M, per November —. Umsay 155 000 kg.

London, 6. Dezember. (W. T. B.) Wollauction. Preise unverändert, für kurze und febhlerhaîte Schweißwolle und scoured \chwächere Tendenz.

An der Küste 5 Weizenladungen angeboten.

Manchester, 6. Dezember. (W. T. B.) 12r Water Taylor 62, 30r Water Taylor 8, 20r Water Leigh 74, 30r Water Clayton 8, 32r Mock Brooke 87, 40r Mayoll 8, 40r Medio Wilkinson 9t, 32r Warpcops Lees 77, 36r Warpcops Rowland 84, 36r Warp- cops Wellington 9, 40r Double Weston 9, 60r Double courante Qualität 117, 32“ 116 yardé 16 X 16 grey Printers aus 32r/4br 158. Ruhig.

_New-York, 6. Dezember. (W. T. B.) Die Fondsbörse eröffnete unregelmäßig, war im Verlaufe {wach, pon levos stetig. Der Umsay der Actien betrug 384000 Stück. Silber- vorrath wird auf 1320000 Unzen geshäßt. Die Silber- verkäufe betrugen 306 000 Unzen. i;

Weizen anfangs niedriger, blieb den ganzen Tag auf europäische Berichte schwächer. Schluß cus Mais schwächer auf Nealisirungen der Haussiers. Schluß s{wah. /

Der Werth der in der vergangenen Woche ausgeführten Producte betrug 8023229 Dollars gegen 7 401 837 Dollars in der Vorwoche.

__Weizen-Verschiffungen der leßten Woche von den atlantischen Häfen der Vereinigten Staaten nah Großbritannien 165 000, do. nah Frankreich —, do. nach anderen Häfen des Continents 63 000, do. von Californien und Oregon nach Großbritannien 19 009, do. nah anderen Häfen des Continents Qrts.

Chicago, 6. Dezember. (W. T. B.) Weizen ging nah der Eröffnung auf große utren zurück. Schluß stetig. Mais anfangs höher, darauf Reaction infolge Verkäufe der Haussiers. Schluß schwach.

T t m nd O7 Har cum P Ua Mm e S m AA7

Zweite Beilage

zum Deutschen Reihs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

„M 290.

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Reichstag sind gestern die Entwürfe

1) eines Geseges, betreffend Abänderung des Geseßes wegen Erhebung der Brausteuer, vom 31. März 1872, 2) eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Gesehes über die Besteuerung des Branntweins, vom 24. Juni 1887, und : : 3) eines Geseßes wegen Abänderung des Gesetzes, be- treffend die Erhebung von eihs-Stempel- Lab 1. Juli 1881 R Do Mai 1886

von dem Reichskanzler zugegangen. Der zu 1 genannte Geseßentwurf über die Brausteuer

[autet : Artikel L. Dem Geltungsbereih des Geseßzes wegen Erhebung der Brau- steuer vom 31. Mai 1872 (Reichs-Geseßbl. S. 153) tritt das Gebiet Elsaß-Lothringens hinzu. Der § 4 des Gesetzes, betreffend: die Ein- führung der Verfassung des Deutschen Reichs in Elsaß-Lothringen, vom 25. Juni 1873 (Reichs-Geseßbl. S. 161) sowie die in Elsaß- Lothringen bestehenden g Den Bestimmungen über die Besteuerung des Bieres werden aufgehoben. i Arttkel T1. / An die Stelle des § 1 Abs. 1 und 2, des § 4 Abs. 2, des § 7, des § 13 Abs. 2, des § 14 Abs. 1, des § 29 und des § 30 Abs. 2 des Geseßes wegen Erhebung der Brausteuer vom 31. Mai 1372 (NReichs-Geseßbl. S. 153) treten nachstehende Bestimmungen: f 1) § 1 Abs. 1 und 2. Der Brausteuer unterliegen die nah- benannten Stoffe, wenn sie zur Bereitung von Bier verwendet werden : 1) Getreide (Malz, Schrot u. \. w.) mit 2) Reis (gemahlen oder ungemahlen u. st w) mit ... 8, 3) grüne Stärke, d. h. solche, die mindestens 3009/9 Wasser enthält, mit Ou 4) Stärke, Stärkemehl (mit Eins{hluß des Kartoffelmehls) Uto SIarteguni (Det m e e A2 5) Zucker aller Art (Stärke-, Trauben- u. \. w. Zucker)

n

sowie Zuckerauflösungen mit . . O

6) Syrup aller U M0 &

(0): alle anderen Vialzsurrogale E 460 j für 100 kg. Von den ersten im Laufe des Nechnuungsjahres in der Brauerei verwendeten 150 Doppel-Centnern Getreide oder Reis wird die Abgabe jedoch nur mit je 6,50 , von den weiteren 350 Doppel- Ctrn. mit je 7 M erhoben. Für die über 5000 Doppel-Ctr. ver- wendete Menge von Getreide oder Reis wird der Steuersaß von 8 M erhöht, und zwar für die nächstfolgenden 10 000 Doppel-Ctr. um 0,50 M und für die 15 000 Dovppel-Ctr. übersteigende Menge um 1 Æ für 100 kg.

Der Bundesrath ift ermächtigt, vorbehaltlih der nachträglichen Genehmigung des Reichstags, für andere als die unter Nummer 1 bis 6 bezeihneten Stoffe nah Maßgabe ihres Brauwerthes den Steuer- faß von 16 M zu ermäßigen.

2) § 4 Abj. 2. Der fixirte Brauer ist zur Führung eines Brau- registers verpflichtet, in das die zur Bierbereitung bestimmten Stoffe vor ihrer Verwendung einzutragen find. Die näheren Bestimmungen hierüber fowie die sonst bezüglih der Firationen zu beobachtenden all- gemeinen Vorschriften trifft der Bundesrath.

3) § 7. Eine Erstattung der erlegten Brausteuer darf, abgesehen von dem Falle des § 6, mit Genehmigung der Directivbehörde dann gewährt werden, wenn vollständig erwiesen ift, daß

1) entweder die zur Einmaischung bestimmten Braustoffe vor der beabsichtigten Verwendung durch Zufall vernichtet oder derart be- schädigt worden sind, daß ihre Verwendung zur Bierbereitung nicht möglich erscheint, oder

2) sonst aus Anlaß unvorhergesehener Hindernisse die declarirte Bierbereitung nicht hat stattfinden können, und wenn der Anspruch auf Erstattung binnen 3 Tagen nach dem declarirten Einmaischungs- tage 16) bei der Hebestelle angemeldet ist.

Ist die Erhebung der Brausteuer nach Maßgabe des § 22 er- folgt, so fann- die Erstattung nur in dem unter 1 érwähnten Fall und nur dann gewährt werden, wenn der Anspruch innerhalb 3 Tagen nah be Tage der Vernichtung oder Beschädigung der Hebestelle an- gezeigt ijt.

4) § 13 Abf. 2. Die unter Nummer ÿ bis 7 im § 1 genannten Stoffe dürfen nur in Näumen, welhe von der Braustätte gänzlich getrennt find, aufbewahrt werden.

5) § 14 Abs. 1. Ueber die zur Bierbereitung bestimmten Vor- räthe von den in § 1 unter 5 bis 7 genannten Stoffen hat der Brauer nah näherer Anleitung der Steuerbehörde ein von der leßteren geliefertes Buch zu führen, îin welches jeder Zugang fofort bei der Einbringung Unter Angabe der bezogenen Gattung und Menge, der Collizahl und Vervactungêart, des Bezugsorts, des Namens (der Handelsfirma) des Verkäufers, des Tages und der Stunde der Auf- nahme, jeder Abgang aber sogleich bei Ablafsung der versteuerten Menge in die Braustätte 20) unter Angabe der Gattung und Menge, sowie des Tages und der Stunde der Herausnahme ein- zutragen ift. :

o) 8 29. Der Defraudation wird gleihgeachtet :

1) wenn Braumalzschrot nah erfolgter Anmeldung von Brau- einmaischungen, sei es an dem dazu bestimmten Ort oder anderwärts bei dem Brauer, in einer Menge vorgefunden wird, welche die geseßz- lih zulässige Menge 13 Abs. 3) um mehr als 109/69 übersteigt;

2) wenn Stoffe der im § 1 unter 5 bis 7 genannten Gattung, der Vorschrift im leßten Absaß des § 20 entgegen, in der Braustätte außer der erlaubten Zeit oder um mehr als 5 %/o über die versteuerte Menge, oder der Vorschrift im § 13 entgegen außerhalb der bestimmten Aufbewahrungsräume bei dem Brauer vorgefunden werden ;

_3) wenn sih in dem Falle des § 14 Ziffer 3 bei einer amtlichen Aufnahme der Lagervorräthe Gewichtsabweichungen von mehr als 109% zwischen der vorgefundenen Menge und dem buchmäßigen Soll- bestand ergeben ; :

4) wenn ein Brauer, welcher die Brausteuer auf Grund be- sonderer Bewilligung als Mahlsteuer entrichtet, den im § 22 Ziffer II Ei E 1 bis 3 einschließlich enthaltenen Vorschriften zuwider-

andelt;

5) wenn ein Brauer, der die Brausteuer im Wege der Fixation entrichtet, die im § 4 vorgeschriebenen Eintragungen in das Brau- register nicht oder unrichtig bewirkt.

7) § 30 Abs. 2. Insoweit Abweichungen von der zulässigen Menge (IL 27 und 29) den Thatbestand der Defraudation bilden, wird die Strafe nah dem Steuerbetrage von dem Gewichtsunter- iede bemessen. Jm Falle des § 29 Ziffer 5 gilt als vorenthaltene

bgabe der Steuerbetrag von den ohne vorherige Eintragung in das Brauregister zur Bierbereitung verwendeten Braustoffmengen.

Artikel 111. Der Eingangszoll für Bier aller Art, au Meth (Nummer 25a des Zolltarifs), wird auf 6 La ie: r kg erhöht. LtTTEL V. Der Das nah welchem den betheiligten Bundesregierungen die Kosten der rhebung und Verwaltung der Brausteuer zu vergüten

Berlin, Mittwoch, den 7. Dezember

sind (Artikel 38, Absaß 2 Ziffer 3 der Reichs-Verfassung), wird auf 10% der Gefammteinnahme ermäßigt. J : - : Artikel V. Dieses Gesetz tritt am 1. April 1893 in Kraft.

In dem allgemeinen Theil der Begründung heißt es:

Die Durchführung der in Aussicht genommenen umfassenden Neuordnung auf dem Gebiet des Heerwefens wird den Geldbedarf des Reichs bei den fortdauernden Ausgaben des Etats um zunächst etwa 58 Millionen Mark erhöhen. Die Finanzlage der Einzelstaaten, ins- besondere enne, verbietet es, die Deckungsmittel hierfür ohne eine entsprehende Erhöhung der Ueberweisungen durch Steigerung der Matrikularbeiträge zu beschaffen. Es erscheint deshalb nothwendig, zur Gewinnung der erforderlihen Mehreinnahme das System der Neichs\steuern weiter auszubilden.

__ Bei der Höhe des Bedarfs empfiehlt es sich, die Neubelastung nicht auf einen einzigen Gegenstand zu legen, sondern auf vershiedene Gebiete zu vertheilen.

An erster Stelle ist hierbei die stärkere Heranziehung des Biers zur Besteuerung in Betracht gezogen. Während in neuerer Zeit fast alle anderen wichtigeren Verbrauchsgegenftände einer erhöhten Belastung haben unterworfen werden müssen, ift die Höbe der Ab- gabe vom Bier in der Brausteuer-Gemeinschaft seit Jahrzehnten, in Preußen seit dem Jahre 1819, unverändert geblieben. Nachdem insbesondere der Branntwein durch das Geseg vom 24. Juni 1887 eine bedeutende Mehrbelastung erfahren hat, liegt es nahe, nun- mehr zur Bestreitung vermehrter Bedürfnisse des Reichs auh an das Bier heranzutreten. Für die Gangbarkeit dieses Weges spricht es, daß in den der Steuergemeinschaft niht zugehörigen süddeutschen Staaten eine im Vergleich zur norddeutschen mehr als doppelte und dreifache Steuer ohne Beschwerde getragen wird.

Die steuerliche Belastung des Bierverbrauhs in Süddeutschland beziffert sih für den Kopf der Bevölkerung jährlich :

in Bayern (1890) Auf 5,53 M

« Württemberg (1890/91) auf . 4,25 ,

Baden (1890) O04 wobei der größere Consum nur für Bayern und Württemberg er- beblich ins Gewicht fällt. Demgegenüber kann es kein Bedenken haben, in der Brausteuer-Gemeinschaft die Abgabe vom Bier, die den Kopf der Bevölkerung nur mit 0,79 Æ trifft, wenigstens auf das Doppelte zu bringen, auch wenn berücksichtigt wird, daß dort der geringeren Belastung dur die Brausteuer eine Mehrbelastung bei der Branntweinsteuer gegenübersteht.

Unverkennbar hat das Bier eine erheblihe wirthschaftliche Be- deutung, infofern ihm nicht bloß die Eigenschaft eines Genußmittels, sondern daneben auch diejenige etnes Nahrungëmittels beiwohnt: allein es ist nicht anzunehmen, daß die Stellung, die däsfelbe in der Oekonomie des Volks einnimmt, durch die beabsichtigte Erhöhung der Brausteuer eine Beeinträchtigung erfahren möchte.

Auch in Norddeutschland ist die Steigerung zum Bierconsum im Vordringen, wogegen der Verbrauch n Trinkbranntwein zurück- geht. Während noch im Jahre 1874 der Bierverbrauch im Gebiete der Brausteuer-Gemeinschaft niht mehr als 20 994 000 h1, d. h. auf den Kopf der Bevölkerung 66,2 1 betrug, hat er bis zum Jahre 1890/91 fih auf 33 769 000 hl bezw. 87,8 1 gehoben. Die Ver- doppelung der Steuer wird die weitere Entwickelung in dieser Rich- tung niht hemmen, da eine Vertheuerung des Biers im Ausschank in der Folge wohl nicht eintreten dürfte. Unter Zugrundelegung eines Betrages von 0,81 Æ, welcher auf das Hektoliter Bier - an Steuer in der Brausteuer-Gemeinschaft im Jahre 1890/91 turch- \chnittlih entfiel, würde die Verdoppelung der Abgabe für das Liter eine Mehrbelastung von etwa 8/10 4 für das in Norddeutschland vorzugsweise üblihe Seidelmaß 4 Deciliter eine folhe von etwa F A zur Folge haben. Ein Preisaufshlag im Ausshank wäre dadur s{chwerlich gerechtfertigt. Denn abgesehen davon, daß der Betrag der Steuererhöhung obne Uebervortheilung des Consumenten ih gar nicht darstellen läßt, würde in dem boben Gewinn, mit welchem im Bereich der Brausteuer-Gemeinschaft der Bieraus\chank betrieben wird, bisher bereits eine bei weitem höhere als die jeßige Steuer Deckung gefunden haben.

Wie sehr dies zutrifft, zeigt die Vergleihung der Schankpreise in Nord- und Süddeutschland. Ermittelungen hierüber, welche für eine beträchtliche Anzahl größerer und kleinerer Orte in den verschiedenen Brausteuergebieten des Reichs veranlaßt wurden, haben zu dem Er- gebniß geführt, daß der Unterschied zwishen dem Berkaufspreise der Brauer und dem Ausscankpreise im Bereich der Brausteuer-Gemein- schaft, wo die Abgabe die niedrigste ist, dur{chschnittlich 19,8 4, in Bayern, Württemberg und Baden dagegen nur 7,3 bezw. 9,1 und 9,4 für das Liter untergähriges Bier beträgt. In Bayern, welches eine dreimal höhere Brausteuer erhebt als Norddeutschland, ist das Bier überall billiger als im Gebiet der Brausteuergemein schaft.

Es ist hiernach unwahrscheinlih, daß mit Erfolg der Versuch unternommen werden sollte, wegen der geringen \teuerlichen Mehr- belastung die Ausschankpreise noch weiter zu erhöhen. Erfahrungs- mäßig hat vielmehr die Erhebung eines Gemeindezuschlags zur Brau- abgabe selbst da, wo dieser dem Betrage der beabsichtigten Steuer- erhöhung annähernd gleihkommt, ein Hinausgehen der Preise über den allgemeinen Durchschnitt nirgends berbeigeführt.

Die Gefahr, daß mit Rücksicht auf eine eintretende Vertheuerung des Bieres weitere Kreise der Bevölkerung sih dem Branntweingenuß zuwenden fönnten, dürfte nah alledem ausgesch{lofsen sein.

Es ift in Frage gekommen, ob die in Aussicht genommene Er- böbung der Brausteuer mit dem Uebergang zu einem anderen System der Bierbesteuerung zu verbinden sei. Frühere Gesetzesvorschläge haben si in dieser Richtung bewegt in der Annahme, daß auf ide Weise die Möglichkeit eines Anschlusses der süddeutschen Bundes- staaten an die Brausteuer-Gemeinschaft näher gerückt würde. Gegen- wärtig aber, und so lange der Ertrag der Brausteuer in der Gemein- schaft hinter dem der süddeutschen Staaten verhältnißmäßig noch er- heblich zurückbleibt, ist die Aussicht, die leßteren für den Anschluß zu gewinnen, so entfernt, daß es nicht für zweckmäßig erachtet werden kann, aus diesem Grunde das System, welches sich in Norddeutschland cingelebt hat, durch ein neues zu erseßen. L

Dagegen soll bei dieser Gelegenheit Elsaß-Lothringen in die Brau- steuer-Gemeinschaft aufgenommen werden. Bisher ift dies unterblieben hauptsächlich aus Rücksicht auf die Einbuße, welche der Haushalt der Reichslande durch die dadurch bedingte Aufhebung der einträgliheren lande8geseßlihen Besteuerung des Biers erlitten Päben würde. Mit Eintritt der vorgeschlagenen Steuerverdoppelung fallen die bestim- menden Gründe gegen die Einbeziehung Elsaß-Lothringens in die Ge- meinschaft weg. Denn wenn auch die daselbst bisher bestehende Landes- Brausteuer noch das Zweifache der Sätze des Gesetzes vom 31. Mai 1872 übcrsteigt, so fällt tr die Differenz in dem Steueraufkommen bei dem dortigen verhältnißmäßig niht bedeutenden Bierconsum wenig ins Gewicht. ° ,

Das Mehr gegen die bisherige Einnahme vom Bier wird auf etwas über 32 Millionen Mark veranschlagt, während gleichzeitig infolge der durch die Steuerverdoppelung bedingten Erhöhung der Eingangsabgabe vom Bier die Zolleinnahmen des Reichs sih um etwa eine halbe Million Mark steigern würden.

1892.

- Der zu 2 genannte Entwurf über die Branntwein- steuer lautet: Artikel L.

An die Stelle des § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 3, 4 und 5, § 12, S 13 Abs. 1, erster Sat, § 41 II1l Abs. 2, § 42 I _Abf. 4 und Il Abs. 2, erster Sat, sowie des § 47 Abs. 2, erster S&ß, des durh das Geseß vom 8. Juni 1891 (Reihs-Geseßbl. Seitë 338) abge- änderten Gesetzes, betreffend die Besteuerung des Branntweins, vom 24. Juni 1887 (Neichs-Geseßbl. Seite 253) treten folgende Bestim- mungen :

_1) § 1 Abs. 2. Die Verbrauchsabgabe beträgt von einer Gesammt-Jahresmenge, welche 4 1 reinen Alfkohols auf den Kopf der bei der jedesmaligen leßten Volkszählung ermittelten Bevölkerung des Gebiets der Branntweinsteuer-Gemeinschaft gleihkommt, 0,55, ven E e hinaus hergestellten Menge 0,75 # für das Liter reinen

ohols. c

2) § 2 Abs. 3. Von fünf zu fünf Jahren wird für die einzelnen bis- her betheiligten Brennereien und für die inzwischen entstandenen land- wirthschaftlichen 41 Ta) oder Materialsteuer errihtenden Brenne- reien die Jahresmenge Branntwein, welche sie zu dem niedrigeren Abgabesatze herstellen dürfen, neu bemessen. Die Bemessung erfolgt im Laufe des leßten Jahres der jeweiligen fünfjährigen Periode für die folgenden fünf Betriebsjahre, und zwar nah folgenden Grundsäßen :

a. Die bisher betheiligten Brennereien werden nah Maßgabe der in den vorhergehenden fünf Betriebsjahren durhschnittlich zum niedrigeren Abgabesatze hergestellten Jahresmengen weiter betheiligt. Hat jedoch in einer Brennerei die Jahresmenge Branntwein, welche sie zu dem niedrigeren Abgabesatze herstellen durfte, infolge von Miß- ernte, Feuershaden oder fonstigen außerordentlihen Ereignissen in einem oder mehreren dieser fünf Jahre überhaupt niht oder nicht vollständig hergestellt werden können, fo wird für diese Jahre die- jenige JIahresmenge der Bemessung zu Grunde gelegt, welche von der Brennerei bisher zu dem niedrigeren Abgabesaßze hat hergestellt werden dürfen. Der Bundesrath kann ferner allgemein oder für besondere Bezirke anordnen, daß leßtere FJIahresmenge auch für Jahre in Anrechnung zu bringen ist, in denen aus besonderen Gründen, z. B.- wegen umfangreiher Mißernten, das Bedürfniß vor- liegt, die Verwendung der geernteten Früchte zur Branntweinberei- tung möglihst einzuschränken.

b. Die inzwischen neuentstandenen und betriebéfähig bergerihteten landwirtbschaftlihen oder Materialsteuer entrihtenden Brennereien, sowie diejenigen bereits betheiligten landwirthschaftlihen Brennereien, deren wirthschaftlihe Lage durch Verringerung oder Vergrößerung der regelmäßig beackerten- oder sonst landwirtbschaftlich genußten Fläche während der leßten fünf Betrieb8jahre eine“ wesentliche Veränderung erfahren hat, find nah dem Umfang ihrer Betriebseinrihtungen unter Berücksichtigung des beackerten oder sonst landwirthshaftlih genußten Areals und der gesammten wirthschaftlihen Verhältnisse, nah An- börung zweier Sachverständigen der Brennerei-Berufsgenofsenschaft zu veranlagen. Für die Bemessung der von folhen Brennereien zum niedrigeren Abggkesaßze Veri flellénben Branntweinmenge wird dasjenige Verhältniß zu Grunde gelegt, nah welchem die bisher bestandenen Brennereien an der zum niedrigeren Abgabesatze herzustellenden JIahresmenge im Verhältniß zur Gesammtproduction betheiligt werden. Die zum niedrigeren Abgabesate herstellbare Jahresmenge darf jedoch bei neuentitan- denen Brennereien 80 000 1 reinen Alkobols nit überschreiten: die Erhöhung der Jahresmenge für bestehende Brennereien ist in dem- felben E beshränkt. Die hbiernach den vorbezeichneten Brenne- reien zugetheilte Jahreësmengdè ift bei der nähsten Neubemessung auch für das leßte Jahr der vorangegangenen Vertheilungsperiode in Nech- nung zu stellen.

Abs\. 4. Landwirthschaftlihe und Materialsteuer entrihtende Brennereien, die zum gewerblichen Betriebe oder zur Verarbeitung von Melasse, Nüben oder NRübensaft übergehen, dürfen Branntwein zu dem niedrigeren Abgabesaße niht mehr berstellen. Die Befugniß der fleinen landwirthschaftlihen Brennereien, im Zwischenbetriebe niht mehblige Stoffe zu verarbeiten 41 II1 Abs. 2 bis 4), wird hierdurch nicht berührt.

Abj. 5. Wenn dickmaishende Getreidebrennereien ganz oder theilweise zur Hefebereitung übergehen, so wird bei der nähsten Neu- bemessung der zum niedrigeren Abgabesaßze herstellbaren Branntwein- menge die hierbei für sie in Rechnung zu stellende Alkoholmenge (Abj. 3) ganz oder zu einem entsprehenden Theil um drei Siebentel gekürzt. Wann Brennereien, die zuvor andere Stoffe als Getreide verarbeitet haben, zur Hefebereitung übergehen, fo erfolgt in gleicher Weise eine Kürzung der in Rechnung zu stellenden Menge Branntwein um die Hälfte, wenn fie aber zum DiEmaischbetriebe mit Getreide über- gehen, eine Kürzung um ein Achtel. Bei Wiederholung eines Betriebs- wesels derselben Art findet jedo eine erneute Kürzung nicht statt. Der Bundesrath is ermächtigt, anderweite Ausnahmen zuzulassen. Ist auf Grund der vorstehenden Bestimmungen eine Kürzung erfolgt, so ist bei der nächstfolgenden Neubemessung auh für das leßte Jahr der vorangegangenen Vertheilungsperiode nicht mehr als die gekürzte JFahresmenge in Rechnung zu stellen. ¿

3) § 12. Bei der Ausfuhr von Trinkbranntweinen aus dem freien Verkehr, sowie von Fabrikaten, zu deren Herstellung Branntwein aus dem freien Verkehr verwendet worden ist, kann nah näherer Be- stimmung des Bundesraths eine Vergütung der Verbrauchsabgabe für die Trinkbranntweine und den zu den Fabrikaten verwendeten Brannt- wein gewährt werden.

4) §8 13 Abs. 1, erster Saß. Für diejenigen Brennereien, welhe in einem Betriebsjahre nicht mehr als 1500 h1 Bottich- raum bemaishen, oder welche nur Abfälle der eigenen Bier- erzeugung verwenden oder lediglich nicht mehlige Stoffe mit Ausnahme von Melasse, Nüben und Nübensaft verarbeiten, kann von der Landesregierung unter Nachlaß der in den SS 5 bis 8, 10 und 11 angeordneten Betriebseinrihtungen und Controlen ange- ordnet werden, das bei Einhaltung der hierüber zu erlassenden Ver- waltungsvorschriften die Verbrauchsabgabe von derjenigen Alkohol- menge, welche aus dem angesagten Mai|chbottihraume oder der zur Verarbeitung auf Branntwein angemeldeten Stoffmenge hergestellt, oder welhe während der erklärten Betriebszeit mit der zum Stbrinde bestimmten Brennvorrihhtung nach ihrer Leistungsfähigkeit gewonnen werden kann, im Voraus durh die Steuerbehörde nah Anhörung des Brennereibesißzers bindend festgeseßt wird.

5) § 41 IIL, Abs. 2. Die Materialsteuer wird vor- behaltlich der zur Verhinderung cines Mißbrauchs vom Bundesrath zu treffenden Bestimmungen

a. von denjenigen Brennern, welhe in einem Jahre niht mehr als 50 1 reinen Alkohols erzeugen, nur zu vier Zehnteln,

b. von denjenigen Brennern, welhe in einem Jahre mehr als 50 1, jedoch nit über 1 h1 reinen Alkohols erzeugen, nur zu acht Zehnteln

der im Absay 1 festgeseßten Steuerbeträge erhoben.

6) § 42 I., Ab}. 4. Insofern Brenner, welhe der Material- steuer unterliegende Stoffe verarbeiten, von der im Absay 3 ge- währten Befugniß Gebrauh machen, wird vorbehaltlih der zur Verhinderung eines Mißbrauhs vom Bundesrath zu treffenden Be- stimmungen

a. von Branntwein, welcher von Brennern hergestellt worden ift,

die in einem Jahre niht mehr als 50 1 reinen Alkohols er- zeugen, nur ein Zuschlag von 0,08 #,