1892 / 306 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 27 Dec 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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derjenigen Anwendung, welche dur geseßliche Bestimmung oder die für dieselben ertheilten Concesstonen als Bahnen unter- eordneter Bedeutung begründet oder dur eine von der zu- ständigen Landes - Aufsichtsbehörde unter Zustimmung des Neichs-Eisenbahnamts getroffene Verfügung der Bahnordnung für deutshe Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung bereits unterworfen worden sind, sowie auch die- jenigen, welhe in Zukunft durch Geseh oder Con- cession als Nebeneisenbahnen begründet oder dur Verfügung der bezeichneten Art der Bahnordnung für die Nebeneisen- bahnen Deutschlands unterworfen werden. Für die hiernach der Betriebsordnung nicht unterstehenden Eisenbahnen tritt nah dem 1. Januar 1893, von dem Zeitpunkt 1hrer Be- E ab, ohne weiteres die Bahnordnung für die Ne eieleudabien Deutschlands in Kraft. Jhre Unterstellung unter diese Bahnordnung durch Polizei- verordnung sindet in Zukunst nicht mehr ftatt. Die auf Grund des § 43 derselben behufs Aufrechterhaltung der Ordnung innerhalb des Bahngebiets und bei der Beförderung von Personen und Sachen neben den Vorschriften des S 44 etwa besonders zu erlassenden, der Strafvorschrift des S 45 unterliegenden E Anordnungen der Bahn- verwaltung werden durch Aushang in den Warteräumen nah Maßgabe des § 46 der Bahnordnung bekannt gegeben werden.

Jn Betreff der Aufhebung der in Gemäßheit des § 45 der Bahnordnung für deutsche Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung im Wege der Polizeiverordnung getrossenen oder bekannt gemachten besonderen Anordnungen wird auf nach- stehende Polizeiverordnung verwiesen.

Berlin, den 25. Dezember 1892. ;

Der Minister der öffentlichen Arbeiten. Thielen.

Polizeiverordnung.

Unter Bezugnahme auf vorstehende Bekanntmachung vom heutigen Tage, betreffend das Inkrafttreten der in Nummer 36 des „Reichs-Gesetblatts“ veröffentlichten Betriebsordnung für die .Haupteisenbahnen und der Bahnordnung für die Neben- eisenbahnen Deutschlands, werden sämmtliche von mir oder von Königlih preußishen Regierungen in Ergänzung der Bahnordnung für deutshe Eisenbahnen unter- geordneter Bedeutung vom 12. Juni 1878 auf Grund des S 45 derselben zur Sicherung des Betriebs für einzelne Bahnen dieser Art erlassenen oder bekannt ge- gebenen Polizei-Verordnungen hierdurch mit Wirkung vom 1. Januar 1893 aufgehoben. : l : :

Mit Bezug auf § 136 des Gesehes über _die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (G.-S. S. 195 ff.) wird diese Polizeiverordnung hierdurh zur öffentlichen Kenntnißnahme gebracht.

Berlin, den 25. Dezember 1892. /

Der Minister der öffentlichen Arbeiten. Thielen.

Ministerium der geistlihen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten.

Der bisherige Privatdocent an der Universität zu Göttingen, Gerichts-Assessor Dr. Friedrich André 1st zum außerordent- lihen Professor in der juristishen Facultät derselben Uni- versität und : |

der bisherige Privatdocent Dr. Anton Kranich zu Braunsberg zum außerordentlichen Professor in der theologischen Facultät des dortigen Lyceum Hosianum ernannt worden.

Königlihe Ober-Rehnungskammer.

Die bisherigen Geheimen revidirenden Calculatoren Engelhardt, Kleinloff, Schulz, Krau}e und Hein sind zu Geheimen Rehnungs-Revisoren bei der Königlichen Ober- Rechnungskammer ernannt.

Nicitamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 27. Dezember.

Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute von 11 Uhr Vormittags ab Marinevorträge.

Diejenigen Personen, welche durch Abgabe von Karten Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin ihre Glüd- wünsche zum Neujahrstage darzubringen beabsichtigen, werden gcbeten, die Karten im Laufe des 31. Dezember bei Zhrer Excellenz der Ober-Hofmeisterin Gräfin von Brockdorff im Einschreibzimmer Portal TV des Königlichen Schlosses ab- zugeben.

Für die Zeit vom 1. April 1892 bis zum Schlusse des Monats N ovember 1892 sind von Einnahmen (einschließlich der creditirten Beträge) an Zöllen und gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern sowie von anderen Einnahmen im Deutschen Reich zur Anschreibung gelangt: :

lle 261 591355 M (gegen denselben Zeitraumdes Vorjahres 7197 540 A6), Tabajteuer 6 939 988 46 (+ 490106 A6), Zuckermaterialsteuer 53 850 246 Á (— 20 317 048 M), Ver- brauchsabgabe von Zuer 45 735 364 A. (+ 7 834 107 A), Salzsteuer 28 356 784 M (— 345131 A), Maischbottich- und Branntweinmaterialsteuer 6 013 935 4 (+ 1 060 627 M), Verbrauchsabgabe von Branntwein und Zuschlag zu derselben 77 880 277 M (— 4977 311 A6), Brausteuer 17 187 143 (+ 172617 M), Uebergangsabgabe von Bier 2333 218 M (+ 105 993 A); Summe 392 187 818 6 (— 23 173 580 46). Spielkartenstempel 824 837 # (+ 29 621 A6), Wechsel- stempelsteuer 5 262499 (— 214277 M), Stempelsteuer für a. Werthpapiere 1914981 (— 847 702_ M), b. Kauf- und sonstige Anschaffungsgeschäfte 5944 677 H

1828 838 M), c. Loose zu Privatlotterien 1481 394 M + 211 000 A6), Staatélotterien 4 236 069 M (— 305 736 M6), Post- und Telegraphen - Verwaltung 159294737 (+ 6 700 708 M), Reichs-Eisenbahnverwaltung 40 559 000 (+ 1 437 000 M) / :

Die zur Reichskasse gelangte Js - Einnahme ab- züglih der Ausfuhrvergütungen und Verwaltungskosten be-

trägt bei den nahbezeihneten Einnahmen bis Ende November 1892: Zölle 238 623 369 M (+ 2933898 M), Tabasteuer 8153786 A6 (—504331 A), Zudermaterialsteuer 16 437 554 41 865 585 M), Verbrauchsabgabe von Zucker 35 056 185 f - 1 822 178 M), Salzsteuer 25 765 070 ÁÆ (— 269 933 M),

aishbottih- und Branntweinmaterialsteuer 10982903 A (+ 477 310 M), Verbrauchsabgabe von Branntwein und

uschlag zu derselben 64 781 136 M (— 7 676 434 4), Brau- teuer und Uebergangsabgabe von Bier 16 588590 (+ 236 686 t Summe 416 388 593 46 (— 4759 397 M), Spielkartenstempel 766 296 M (+ 14 784 M6)

Dem Kaiserlichen Gesundheitsamt vom 24. bis 27. Dezember 1892 Mittags mitgetheilte Cholerafälle:

Jn Hamburg 2 Neuerkrankungen. Bei weiteren 4 Per- sonen, welche in den legten Tagen erkrankt waren, ist nach- träglih Cholera festgestellt worden.

Nach einer im „Journal officiel“ vom 20. d. M. ver- öffentlihten Bekanntmachung der französishen Negierung ist die am 15. Juni d. J. über den französischen Theil der Sklavenküste verhängte Blokade am 19. d. M. wieder aufgehoben worden.

Nah & 15 der mit dem 1. Januar 1893 in Kraft tretenden Verkehrsordnung is den mit durhgehender Fahrkarte versehenen Reisenden der Aufenthalt in dem Warteraum des Bahnhofs bis zum Abgang des nächstzubenußenden Zuges gestattet in der Beit von 11 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens jedoch nur, soweit der Warteraum während dieser Zeit ohnedies geöffnet sein muß. Die Unzuträglichkeiten, welche für derartige Reisende durch den Zwang der Näumung des Warteraums gerade während der Nachtstunden entstehen, lassen es wünschens- werth crscheinen, von der vorerwähnten Ausnahmebestimmung in thunlichst geringem Umfange Gebrauch zu machen. Der Minister der öffentlihen Arbeiten hat daher die Königlichen Eisenbahn-Directionen mittels Verfügung vom 20. Dezember d. J. veranlaßt, in eine nähere Prüfung der Verhältnisse ihrer betreffenden Bezirke einzutreten und zum mindesten für die wichtigeren Uebergangsstationen von einer Bahnlinie zur anderen entsprechende Anordnungen zu treffen. Reisen- den, welchen die Weiterreise an dem nämlichen Tage infolge Zugverspätung unmöglih gemacht wird, 1st bis zum Abgang des nächsten Zuges der Aufenthalt in dem MWarteraum \tets zu gestatten.

Auf Grund des § 52 Abs. 2 der Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands hat der Minister der öffentlichen Arbeiten durch Verfügung vom 23. Dezember d. J. die König- lichen Eisenbahn - Directionen mit Zustimmung des Reichs- Eisenbahnamts ermächtigt, die zur Zeit gültigen Fracht- briefformulare in der Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1893 im Localverkehr der preußischen Staatsbahnen bei regelmäßig wiederkehrenden Transporten 1n Wagen- ladungen, also insbesondere bei allen Wagenladungs- transporten von Erzeugnissen der Landwirthshaft und der Industrie, namentlich der Montanindustrie in den großen Bergwerksbezirken, weiter zu verwenden und vom Publikum anzunehmen. Neue Bestände der bisherigen Frachtbrief- formulare sollen jedoch seitens der Eisenbahn-Directionen nicht mehr beschafft, auch Anträge des Publikums auf Ab- stempelung der bisherigen Frachtbriefformulare abgelehnt werden.

Seine Hoheit der Erbprinz von Sachsen-Meiningen, General-Lieutenant und Commandeur der 2. Garde- JFnfanterie- Division hat sich mit Urlaub nah Meiningen begeben.

Der Kaiserlihe Gesandte am Königlich belgischen Hofe, Wirkliche Geheime Rath Graf von Alvensleben hat einen ihm Allerhöhst bewilligten Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit von Brüssel fungirt der Legations-Rath Prinz von Thurn und Taxis als Geschäftsträger.

Der hiesige Königlich portugiesishe Gesandte de Car- valho e Vasconcellos hat Berlin mit Urlaub verlassen. Während seiner Abwesenheit und bis u Eintreffen des neu ernannten Ersten Secretärs Grafen S elir fungirt der Attaché Vicomte de Roboredo als interimistisher Geschäftsträger.

S. M. Kreuzer-Corvette „Maric“, Commandant Cor- vetten-Capitän Freiherr von Lyncker, ist am 25. Dezember cr. in Lissabon eingetroffen und beabsichtigt, am 29. desf. M. wieder in See zu gehen.

Bayern.

Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich traf am 24. d. M. früh in München ein und stieg bei Seiner König- lichen Hoheit dem Prinzen Leopold ab. Gegen 9 Uhr er- schienen, wie die „Allg. Ztg.“ berichtet, die Mitglieder des Königlichen und Herzoglichen Hauses, vorab Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent in der Obersten-Uniform seines K. und K. Galizishen Corps - Artillerie - Negiments Nr. 1 zu Besuch bei dem Kaiser, Allerhöchstwelcher in der Obersten- uniform seines Königlich Bayerischen 13. Jnfanterie-Regiments von 11 Uhr an die Besuche in den betreffenden Palais erwiderte. Zu Ehren des Kaisers gab Seine Königliche P Prinz- Regent gestern Nachmittag eine Familientafel. Am Abend erfolgte die Abreise des Kaisers nah Wels.

Sachsen-Altenburg.

Der Landtag ist am 22. d. M. durch den Staats- Minister von Helldorf vertagt worden.

Hamburg. Der Kirchenrath hat sich mit der Verlegung des Bußtages auf den Mittwoh vor dem lezten Trinitatis- sonntag einverstanden erklärt.

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Großbritannien und JFrland. i ;

Der Premier-Minister Gladst one wird der „A. C.“ zu- folge am 9. Januar von Biarriß nah London zurückehren.

Die Untersuchungscommission über die Lage der vertriebenen Pächter hat am_ 23. d. M. die leßte Sizung abgehalten. Der Vorsißende Sir James Mathero bemerkte, es solle cine neue Sißzung anberaumt werden, falls noch Pächter Aussagen zu machen wünschten.

Jn Dublin hat am Sonnabend Abend gegen 11 Uhr eine Dynamit-Explosion stattgefunden. Wie „W. T. B.“ meldet, wurde der Versuch gemacht, die Wohnun des zur Zeit in Dublin weilenden Staatssecretärs für ats Morley in die Luft zu sprengen. Durch die Explosion der Bombe, die unter einem Fenster des Hauses angebraht war, wurde ein Sicherheitsbeamter getödtet, Fenjter und Thüren der be- nachbarten Häuser wurden zertrümmert.

Der „Magd. Ztg.“ ist über den Vorfall folgende etwas abweichende Darstellung zugegangen : : /

Sonnabend Abend bald nach 11 Uhr wurde Dublin durch einen furhtbaren Knall aus der Weibnachtsfeier aufgeschreckt. Der Schauplaß der Explosion war das P olizeigebäude in Exrchange- court gegenüber der Dubliner Burg in unmittelbarer Nähe des Stadthauses. Eine mit Dynamit geladene Höllenmaschine war dicht vor den Eingang hingelegt worden. Kurz vor L Ube sah ein Polizist etwas am Erdboden liegen, was wie das brennende Ende einer Cigarre autsah. Dies war unzweifelhaft die limmende Lunte, welche die Höllenmaschine entlud. Bald darauf etrat ein junger Polizist Namens Simmott das Gebäude. Er muß die Maschine erblickt und entweder Q oder mit dem Fuße weggestoßen haben. Was eigentlich geschah, wird wahrscheinlich nic- mals aufgeflärt werden. Ein furhtbarer Knall, begleitet von Rauch und Flammen, erfolgte. Simmott wurde buhstäblih in Stücke gerissen. Er lebte noch, als man ‘ihn aufhob, aber er starb bald nach der Ueberführung ins Krankenhaus. Das linke Bein, und der rechte Arm waren vom Rumpf ge- rissen und das Gesicht verstümmelt. Das Polizeigebäude hat verhält- nißmäßig wenig gelitten. Alle Fenster der benahbarten Gebäude, darunter der Bibliothek, wurden zertrümmert. Das Attentat wird als gegen die Burg selber gerichtet angesehen , weil die Regierung wider Erwarten die Begnadigung-des Dynamitarden Daly verweigert hat. Dieje Explosion is augenscheinlich ein Protest der Fenier gegen den Entschluß der Regierung. Die Untersuchung is im Gange, der Thäter noch unermittelt.

Frankreich.

Der Senat hat in seiner Sizung vom Sonnabend den Gesetzentwurf über die Bewilligung der provisorischen Budget- zwölftel angenommen. : r :

In der Vormittagssizung der Deputirtenkammer, in der Floquet den Vorfiß führte, befürwortete Jules Roche, wie „W. T. B.“ berichtet, die Annahme des französisc- \hweizerishen Handelsvertrages. und wies auf die schwerwiegenden Folgen in commerzieller und poli- tischer Hinsicht hin, falls der Vertrag abgelehnt würde. Die Deuischen, Oesterreicher, Engländer und Jtaliener würden in diesem Falle den Plaß der Franzojen in der Schweiz einnehmen. Jn der Nachmittags1ßzung nahm die Kammer zunächst den Gesezentwurf an, wonach der Min1imal- tarif gegenüber den marokkanischen Producten als Gegenleistung für gewisse von Marokko zugestandene Ver- günstigungen anzuwenden ist; ferner wurde_ der Geseß- entwurf über die gegenseitige Behandlung Frankreichs und Montenegros als meistbegünstigte Nationen angenommen. Bei der sich fodann_ anschließenden Fort- sezung der Berathung über den französish-\chwei- zerishen Handelsvertrag beantwortete Méline die Ausführungen Jules Roche's in der Vormittags- sizung und legte die in seinem Bericht über den Vertrag gc- zogenen Schlußfolgerungen dar. Schließlich beantragte er zur Berathung der einzelnen Artikel des Vertrages überzugehen. Der Minister-Präsident Ribot unterstüßte den Antrag und hob hervor, man müsse den freundschaftlichen Bc- ziehungen “«zwishen den beiden Ländern Rechnung tragen und die von der Schweiz verlangten Zollherabseßungen prüfen. Uebrigens würde die Schweiz die Annahme nur einiger Zollreductionen niht für hinreichend erachten. (Murren und Beifall.) Die Kammer lehnte alsdann mit 338 gegen 193 Stimmen ab, zur Berathung der einzelnen Artikel über-

ugehen. ‘Der Handelsvertrag mit der Schweiz 1st it verworfen. Auf eine Anfrage Argelié's erklärte darauf der „Frkf. Ztg.“ zufolge der Minister-Präsident Ribot, das Parlament Columbias habe den Präsidenten von Columbia ermächtigt, unter gewissen Bedingungen die „von der französishen Regierung verlangte Frist für den Panama- fanal zu gewähren. Pourquery verlangte nun die Negie- rung über eine angeblieih am Freitag Abend er folgte Zusammenkunft Freycinet's und Andrieux zu interpelliren. (Lärm.) Der Minister -Präsi- dent erwiderte: Er habe Pourquery mitgetheilt, daß er die Interpellation jeßt niht acceptiren könne. (Große Bewe- gung) Zahlreihe Stimmen verlangten die Verlesung des Schließungsdecrets. Pourquery sagte, der Minister Präsident habe ihm thatsählich soeben mitgetheilt, daß er die Interpellation wegen der Abwesenheit Frey- cinet's nicht acceptire; er habe darauf Freycinel telephonirt, aber keine Antwort erhalten ; deshalb verzichte er auf die Juterpellation. Die Session wurde darauf geschlossen. A A

Die Pariser Blätter sind sehr ungehalten über die Verwerfung des französisch - hw. izerischen Handelsvertrages durh die Kammer. So agi der „Figaro: Deutschland werde sih über das Geschenk freuen, das ihm die französischen Deputirten zu Neujahr gemacht haben. Die Deutschen würden bei allen ihren Weihnachtsbäumen die Schweiz finden mit ihrem Handel, ihrer Jndustrie, ihrer Sympathie und ihrem Einfluß. Der yStècle” erklärt, die Entscheidung der Kammer bereite ihm großen Schmerz, Méline selbst sei durch die protectionistishe Mehr- heit noch übertrumpft worden. Das „Journal des Débats“ beklagt die öfonomishen Vorurtheile, die das Project zum Scheitern gebracht B hofft aber, daß weder auf der einen noch auf andern Seite das legte Wort gefallen sei. Die Abstimmung der Kammer lasse viel übrig, was wieder gut zu machen sei, aber dadur solle man sih weder in Parts, noch in Bern entmuthigen lassen. Die „Lanterne hot, die nächste Kammer werde das Abkommen wieder aufnehmen, die

Ly Kammer habe durch die jeßige Verwerfung einen großen f F

ehler begangen. „La Paix“ appellirt an das Land, es moge E aa bés den beklagenswerthen Entscheid auftlären. Das Blatt klagt die Deputirten an, sie hätten sich bei s Verwerfung von Wahlgesichtspunkten leiten lasen. ht „Matin“ sagt, wenn die Aufmerksamkeit der Kammer E dur andere Vorkommnisse abgelenkt worden wäre, so

schon die ungeschickte Art und Weise, in welher das Abkommen angegriffen wurde, allein genügen können, dasselbe zu ver- theidigen. Die „Liberté“ äußert, die Kammer habe damit ihr unheilvolles Werk besiegelt ; die Wirkung ihrer Abstimmung werde nah außen eine ungeheuere sein; sie werde das Zeichen fein zur Schilderhebung gegen Frankreih; was für die demo- fratische ‘republikanische Schweiz nicht gethan worden sei, würden die Opportunisten für kein Land thun. Der „Temps“ frägt, welches die Folgen der Verwerfung des Abkommens sein würden. Das Handelsinteresse stehe niht allein auf dem Spiele, sondern auch die Literarconvention falle damit. Wie werde Frankreich dastehen, wenn es in Bern für eine Wieder- aufnahme der Convention unterhandeln wolle! Der Tag der Abstimmung müsse allen hellen Köpfen als gar zu unheilvoll erscheinen.

__ Infolge der beabsichtigten Jnterpellation Pourquery's über die Beziehungen, die Freycinet mit Cornelius Herz unterhalten haben sollte zur Zeit der Wahl Carnot’s zum Präsidenten der Republik, jowie wegen eines Gerüchtes, nah welchem Freycinet Andrieux besucht haben sollte, um einen angeblich von ihm an Herz gerichteten Brief zu reclamiren, worin er die Einflußnahme von Cornelius Herz gelegentlih der Wahl eines Präsidenten der Republik erbeten D war am Sonnabend das Gerücht von der Demission

es Kriegs-Ministers verbreitet, hat aber bis lebt keine Bestätigung gefunden. Auch die Nachriht von der Ver- haftung Andrieux? hat sih als unrichtig erwiesen.

Die „Agence Havas“ dementirt entschieden die Behaup- tung des „Gaulois“, daß die Gemahlin des Präsidenten Carnot 200000 Fr. aus den Fonds der Panama- Gesellschaft für wohlthätige H erhalten habe.

Die Panama-Untersuchungscommission hat. be- \hlossen, daß von der Subcommission, die von den gericht- lichen Acten Kenntniß genommen hat, kein Bericht hierüber erstattet werden solle, um niht einen Vorwand für die Nichtig- keitserkflärung des gerichtlihen Verfahrens zu. geben. Uebrigens hat sich aus den Acten kein Fall von Bestechung ergeben. Die Commission hat sih bis Donnerstag vertagt.

Dem „Figaro“ zufolge wird durch den Bericht des Dr. Brouardel über den Tod Reinach's constatirt, daß er an Gift gestorben, und daß das Gift sieben bis aht Stunden vor eingetretenem Tode in den Körper gelangt sei. Diese Fest- stellung werde seitens der Anwälte der in der Panama-Affaire Ange- klagten dahin benußt werden, um zur weiteren Vervollständigung der Untersuchung eine Vertagung des auf den 10. Januar k. J. angeseßten Termins zu beantragen. Ferner veröffentlicht“ der „Figaro“ den Bericht über eine von einem Zeitungsbericht- erstatter mit Andrieux gepflogene Unterredung, wobei leßterer erklärte, Cornelius Herz jei vor zwei Jahren Gegenstand eines Vergiftungsversuhs gewesen, dem Reinah nicht fernge- standen habe.

NußlandD.

Der Kaiser hat den Entwurf des Finanz-Miniziers für den Bau der Sibirishen Bahn bestätigt. Der betreffende Ukas joll zu Neujahr veröffentlicht werden.

Die Erhöhung der Zuckeraccise ist vom Rei hs- rath am Sonnabend angenommen worden. Da die Wohnungs- steuer und die Erhöhung der Zukeraccise nunmehr bewilligt sind, so hat der Finanz-Minister, wie „W. T. B.“ vernimmt, die Wehrsteuer, die nur einen unerheblichen Ertrag versprach, aufgegeben.

Wie der „Kölnischen Zeitung“ aus St. Petersburg ge- meldet wird, habe sih das Befinden des Ministers von Giers wesentlich gebessert; man erwarte mit Bestimmtheit, daß er im Januar, spätestens Februar die Dienstgeshäfte im vollen Um- fang wieder aufnehmen werde.

Schtwoeiz.

_Der Bundesrath wird dem „W. T. B.“ zufolge vor- ausfihtlih heute die egen Frankrei _zU êr- greifenden Zollmaßngümen berathen. Dem Vernehmen nach handele es sih um die Erhöhung von etwa 200 Positionen des Generaltarifs,

Belgien.

Beide Kammern haben sih bis Mitte Januar vertagt. Im Senat erklärte der Minister-Präsident Bernaert der grit, Ztg.“ zufolge, die Regierung sei fest entschlossen, in der

ünzfrage alles aufzubieten, um die Erhaltung der Silber-

münze zu bewirken. Sollte die S Muünzvereinigung

aufgegeben - werden, so würde diese Maßregel niht nur für Belgien, sondern für ganz Europa eine entseßliche finanzielle Katastrophe herbeiführen.

Rumänien.

In der gestrigen Sizung der Deputirtenkammer wurde eine Jnterpellation Stourdza’s, des Führers der Liberalen, über die Erbschaftsangelegenheit Bedmar verhandelt. Eine von der Regierung angenommene einfache Tagesordnung wurde, wie „W. T. B.“ meldet, mit 68 gegen 14 Stimmen genehmigt.

Bulgarien.

Die Sobranzje hat laut Meldung des „W. T. B.“ an Stelle von Slavkoff, der zum Justiz-Minister ernannt worden is, den Abgeordneten Petkoff zum Präsidenten gewählt. Ju der gestrigen Sißung wurden das Budget der offentlihen Arbeiten, das Einnahme-Budget sowie der Geseß- entwurf wegen Erhebung des Zehnten genehmigt. Die Session wird voraussichtlih heute geschlossen werden.

Amerika.

Das „Reuter’she Bureau“ meldet aus Buenos- Aires, es hätten daselbst in der Nacht vom 23. zum 24. d. M. zahl- reihe, gegen Chile gerichtete Straßen - Kund gebungen stattgefunden. Die Theilnehmer daran seien- aber shließlich durch berittene Gendarmen auseinander

etrieben worden. Die Wohnun des chilenischen

esandten werde durch eine Abtheilung Gendarmerie bewacht. Der chilenishe Gesandte habe am Sonntag eine längere Unterredung mit dem Minister des Auswärtigen ge- e der darauf in einer Om Sizung des Congresses

rklärungen abgegeben habe. Der Urheber der gegen Guerrero gerichteten Anschuldigung, daß dieser argen- tinishe Beamte bestochen habe, hat Tine Behauptung zurü: gezogen. Guerrero hat zugesagt, eine diese Frage betreffende rkflärung zu et bicnttieon. Gestern hat der Senat abermals eine geheime Sizung abgehalten, in der über die Beziehungen zu Chile verhandelt wurde. Jn der Provinz Corrientes ist eine

-

L Ee Bewegung ausgebrochen, die cinen ziemli großen Umfang angenommen hat. Zehntausend Mann sollen gegen die Aufständischen mobil gemacht werden.

Parlamentarische Nachrichten.

Dein Reichstage sind Gesetzentwürfe zugegangen, be- treffend die Abzahlungsgeshäfte, betreffend Ergänzung der Bestim- mungen über den Wucher, und betreffend Begründung der Nevision in bürgerlihen Rechtsftreitigkeiten. x

Der Präsident des Hauses der Abgeordneten hat im neuen Jahre die nächste Sißung auf den 10. Sn ar, 12 Ube Mittags, festgeseßt.

Nr. 36 des „Eisenbahn-Verordnungsblatts“ (heraus- f eben im Königlichen Ministerium der öffentlihen Arbeiten), hat olgenden Inhalt: Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 19. Dezember 1892, betreffend Dienstreisen im Interesse von Privat- anshlüfsen. Nachrichten.

Handel und Gewerbe.

Der Centralauss{huß der Reichsbank versammelte si heute Vormittags 10 Uhr. Präsident Dr. Koch bemerkte ein- leitend, daß die Ansprühe an die Reichsbank in der leßten Woche nicht so groß gewesen seien, als in den vier voran- gegangenen Jahren. Der Metallvorrath habe sih, wie ge- wöhnlich um diese Zeit, nur wenig vermindert, und ebenso seien die fremden Gelder nur um 14 Millionen geringer als am 15. d. M. Der efffective Goldvorrath sei zwar um 8 Millionen zurückgegangen. Jndessen sröme aus dem Auslande Gold zu; die Ankunft erheblicher Posten ständen bevor. Hiermit stehe eine Erhöhung der Vorschüsse in Ver- bindung und zugleich die Verminderung der Notenreserve um 51 Millionen. Jndessen sei dieselbe, wenn auch um 69 Millionen kleiner als 1891, doch erheblih größer als in den Jahren 1890 und 1889, in welchen wir am 31. Dezember die steuerfreie Notengrenze überschritten hätten, und werde wahr- scheinlih gegenüber der voraussichtlihen weiteren Steigerung der Anlage ausreichen, um die Ueberschreitung zu vermeiden. Der Börsendiscont sei weit niedriger als der Bankdiscont. Eine Veränderung des lehteren wurde von keiner Seite an- geregt. Schließlih wurde noch eine Gattung Stadt-Obliga- tionen zur Beleihung im Lombardverkehr zugelassen.

Verkehrs-Anstalten.

Vom Königlichen Eisenbahn-Betrieb8amt (Berlin—Halle) An- halter Bahnhof erhalten wir nahhstehende Mittheilung : Vom 1. Ja- nuar 1893 ab kommen die A mit der Bahnsteigglocke, durh welche dem reisenden Publicum auf den Bahnhöfen die Einfahrt bezw. Abfahrt der Züge angekündigt? sowie auch das Zeichen zum Ein- steigen gegeben wurde , auf sämmtlichen Bahnhöfen, Haltestellen und Haltepunkten infolge Einführung der neuen Signalordnung für die Eisenbahnen Deutschlands in Wegfall. Die Aufforderung zum Ein- steigen in die Wagen erfolgt nach wie vor durch Abrufen in den Warteräumen und in den sonst zum Aufenthalt des Publicums die- nenden Räumlichkeiten.

In Portugal und in Madeira if} die Einfuhr von P oft - packeten und von Waarenprobensendungen auf dem Wege über Hamburg von neuem bis auf weiteres verboten worden. Da für “da Sendungen auch der Weg über Frankreich zur Zeit nicht benußbar ist, fo werden Postyackete nah den genannten Ländern einfst- weilen überhaupt niht zur Beförderung angenommen ; Waarenproben- fendungen dahin werden aus\ließlich über England befördert.

Das Königliche Eisenbahn-Betriebsamt Koblenz (rechts- rheinisch) meldet, daß der Traject Bonn-!Dberc'assel wegen Eis- gangs eingestellt wurde.

Brémen , 23. Dezember. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Sthnelldampfer „Lahn hat am 21. Dezember Abends die Reise von Southampton nah New-York fortgeseßt. Der Postdampfer „Straßburg“, nah dem La Plata bestimmt, ist am 21. De- zember Abends in Corunna angekommen. Der Postdampfer „Hannover“, vom La Plata kommend, ift am 21 Es zember Abends auf der Weser angekommen. Der Postdampfer „Amerika“, von New-York kommend, ist. am 22. Dezember Nachmittags auf der Weser angekommen. Der Reichs- postdampfer „Hohenzollern“, nach Australien bestimmt, ist am 22. Dezember Nachmittags in Antwerpen angekommen. Der Schnelldampfer , Werra *, am 10. Dezember von New-York abge- gangen, ist am 22. Dezember Morgens in Genua angekommen.

24. Dezember. (W. T. B.) ‘Der Schnelldampser „Trave “, von New-York kommend, if am 283. Dezember Vormittags auf der Weser angekommen. Der Reichs - Postdampfer „Bayern“, nach Ost-Asien bestimmt, ist am 23. Dezember Vormittags in Hongkong angekommen. Der Reichs-Postdampfer „Danzig ist am 22. Dezember Abends mit der für Ost - Asien bestimmten Post von Brindisi in Port Said angekommen. Der Reichs-Postdampfer „Karlsruhe“, von Australien kommend, ist am 23. Dezember Vormittags in Colombo angekommen. Der Reichs- Postdampfer , Sach sen“ hat am 23. Dezember Morgens die Reise von Antwerpen nach Bremen fortgeseßt. Der Postdampfer „Straßburg“, nah dem La Plata bestimmt, ist am 23. Dezember Vormittags in Vigo angekommen. Der Postdampfer „Berlin“, am 25. November von Bremen abgegangen, is am 283. Dezember in Bahia angekommen. Der Reichs-Postdampfer „Habsburg“, von Australien kommend, is am 23. Dezember Nachmittags in Ant- werpen angekommen. :

__— 25. Dezember. (W. T, B.) Der Schnelldampfer „Wer ra“ ist am 24. Dezember, Vormittags, von Genua v1a Gibraltar 2 der Weser abgegangen. Der Reichs-Postdampfer „Preußen“, na

Ost-Asien bestimmt, is am 24. Dezember, Vormittags, in Port Said angekommen. Der Postdampfer „Straßburg“ hat am 23. Dezember, Nachmittags, die Neise von V igo nach dem La Plata fortgeseßt. Der Postdampfer „Fran kfurt“, vom La Plata kommend, hat am 23. Dezember, Abends, Las Palmas passirt. Der Reichs- Postdampfer „Sach sen“, von Ost-Afien kommend, ist am 24. De- ember, Morgens, auf der Weser angekommen. Der teihs-Postdampfer „Habsburg“ hat am 24. Dezember Nach- mittags die Reise von Antwerpen nah Bremen fortgeseßt. Der Neichs-Postdampfer „Darmstadt“, von Ost-Asien kommend, ist am 24. Dezember Vormittags in Colombo angekommen. Der Reichs- Postdampfer „Hohenstaufen“", na Australien bestimmt, ist am 24. Dezember Vorwittags in Colombo angekommen. Der Reichs- Postdampfer „Hohenzollern“ hat am 24. Dezember Morgens die Reise von Antwerpen nah Southampton fortgeseßt. Der Post- dampfer „Hermann“, nah New-York bestimmt, hat am 24. De- zember Vormittags Rae Point U :

Triest, 25. Dezember, (W. T. B.) Der Lloyd-Dampfer „Euterpe“ ist, aus Alexandrien kommend, gestern Nachmittag hier eingetroffen. : h

96. Dezember. (W. T. B.) Der Lloyd - Dampfer

é - F „Berenice“® ist gestern Abend, von Konfkäntinopel kommend, hier eingetroffen.

London, 26. Dezember. (W. T. B.) Der Union-Dampfer „Saxon“ ift am Sonnabend auf der Ausreise von Southampton Caen, Der Castle-Dampfer „Drummond Castle“ ist am Freitag auf der Ausreise in Capetown angekommen. Der Union - dampfer „Greek“ ist auf der Heimreise gestern in South- ampton angekommen. Der Uniondampfer Tartar“ ist auf der Ausreise heute in Capetown angekommen.

Theater und Musik.

E __ Lessing-Theater. __ Der Shwank „Schulden“, den G. von Moser in gemein- famer Arbeit mit Herrn T. von Trotha verfaßt hat. erschien am

1 erften Feiertage zum ersten Male auf der Bühne des Lessing-Theaters.

Moser’s Lustspiele und Schwänke zeichneten fich steä& dur die froh- sinnige Stimmung aus, die die Handlung durchzieht, Frner durch eine gewisse Dee der Conflicte, die aber dur treffende, zuweilen geistvolle Bemerkungen und scherzhafte Wendungen des Dialogs und der Scenenführung gewürzt zu werden pflegten. Viele Arbeiten von Moser's haben fich auf Bühnen verschiedenster Rangstufen sogar auf die Dauer als lebensfähig erwiesen. Mit Glück hat der Dichter wiederholt die Lieutenantsleiden und -Freuden als Stoff seiner lustigen Theaterspiele verwendet; die „Schulden“ aber, die dem Lebensschifflein des Lieutenants Waldemar von Felsen am ersten Feiertage eine bedeutsame Richtung gaben, fanden bei den Zuschauern nur geringe Theilnahme und weckten keine starken Em- pfindungen, weder freudvolle noch leidvolle. Das Publikum blieb ziemlich gleichgültig, und dem freundschaftlichen Beifall nah den Act- \{lüssen_stellte ih fast ebenso lauter Widerspruch entgegen. Die fleinen Scherze 1tutheten altväterisch und abgebraucht an; das Gemüth erhielt wenig Nahrung, und die geistvollen Wendungen waren auch nur kärglih gesät; im ganzen wurde nichts Neues geboten, und das oft Gehörte und ebenso oft Gesehene nicht einmal besonders unter- haltend und geschmackvoll vorgetragen.

Die Darsteller boten redlich alle Kraft auf, um Eindruck zu machen. Fräulein Meyer als pensionirte Ballettänzerin mit den jugendlichen Ansprüchen und Illusionen machte einen zierlichen Pas nah dem andern und trat mit erstaunlicher Energie den jungen

Lieutenants wie den grauköpfigen Militärs und Civilisten näher; *

aber die breit ausgeführte Rolle verfehlte völlig die gewünschte Wirkung. Fräulein Sauer gab im zweiten Act eine bescheidene kleine Näherin sehr niedlih und beifallswürdig und Fräulein Wagen spielte im ersten und dritten Act cine einschmeichelnde, nashhafte reiche Tochter mit gefälligem Anstande; selbft die etwas verwunderlichen und fast mehrals nafeweisen Reden im ersten Aufzuge vereinigte sie ge]chickt mit der vorgeschriebenen überkindlihen Furchtsamkeit und Zurückhaltung des Wesens. Die Nolle ciner liebevollen, nachgiebigen Tante wurde von Frau von Pöllniß mit gewohntem Erfolge gegeben. Als E Lieutenant trat Herr Brandt reumüthig und shneidig vor seinen Vater und sprah_ die gewihtigen Reden über Pflicht und Chre, die die angeborene Seelengröße des leichtsinnigen Lieutenants enthüllen follen, mit warmem Gefühl. Die Herren M olenar und Horn spielten die Väterrollen mit Ernst und Würde.

N Victoria-Thêèater.

Seitdem das alte Victoria-Theater in der Münzstraßs eingegangen und später vom Erdboden vershwunden ist, hat Berlin keine Bühne mehr besessen, auf der das fogenannte Ausftattungs\tück als Haupt- aufgabe gepflegt wird. Es handelt si in allen folhen Stücken aus- \hließlich darum, den Zuschauern in einer lustigen und interessanten Handlung eine angenghme Unterhaltung darzubieten, die durch prächtige und glänzende Auss{hmückung der Vorgänge auf der Bühne gewürzt ijt. In beiden Richtungen hat das Stü, mit dem Herr Director Litashi am Sonntag das neue Victoria-Theater im Raum des früheren Belle - Alliance - Theaters eröffnete, sich längst bewährt. „Die Reise um die Welt in ahtzig Tagen" hat troß der langen Reihe von Aufführungen, die das Werk in der Münzstraße erlebte, ihre Zugkraft niemals verloren und auch vorgestern wieder bewährt. Das Haus war voll beseßt und „Die Reise um die Welt" ergößte mit früherer scenisher Pracht, mit der Mannigfaltigkeit der Augenweide und mit dem pointenreihen Dialog wieder alle Herzen. Die Bühne ist zwar etwas kleiner als die frühere und gestattet daher niht so große Masscnentfaltungen ; dafür sind die Bilder einheitliher und eindrucksvoller; auch das ge- \prochene Wort kommt bei der Verengerung des Bühnenraums besser zur Geltung. Die neue Theatergesellshaft, in der viele Kräfte aus früherer Zeit in bestem Andenken stehen, zeigte sh den gestellten Aufgaben völlig gewachsen. Herr Director Lita\chi gab den Philecas Fogg vornehm und gemessen, fodaß die Erxcen- tricitäten einigermaßen glaublich wurden; in sehr kräftigen Farben zeihnete Herr Pauli den Detective; den Amerikaner spielte Herr Klein, den Diener Passepartout Herr Hungar fehr verständig und wirkungsvoll; die Damen Heese- Litashi, Clara Helmer und Gisela Felsen trafen sehr glüklich den märchenhaften Ton ihrer Rollen und trugen fomit wesentlich zu dem s{önen Erfolg des

Abends bei. ; Adolph Ernst-Theater.

In der üblihen Weise wurde am ersten Weihnachtsfeiertag von den bei dieser Stätte der Heiterkeit beschäftigten Dichtern Ed. Facobson und W. Mannstädt mit der zum ersten Mal in Scene gehenden Gesangs8posse „Modernes Babylon", wozu Herr G. Görß theilweise die Couplets geliefert und Herr G. Steffens die Musik geschrieben hatte, den zahlreihen Besuchern , die das Haus bis auf den leßten Plaß gefüllt hatten, eine Weihnachtsfreude bereitet. Auch dieses Stück war ähnlich seinen Vorgängeræ mit Erfolg darauf berechnet, dur harmlose Scherze bei entsprehender Musik und zündenden Couplets eine heitere Stimmung zu erregen, wenn auch nicht eine fo be- deutende Wirkung damit erreicht wurde, wie mit früherenGesangspossen, die eine Eigenart dieses Theaters bilden. Von einer eigentlichen Hand- lung kann man auch diesmal nicht berichten, die Verfasser begnügen fih, durch eine Zusammenstellung lustiger Scenen die Zuschauer zu unterhalten und erreichten dies auch am ersten Feiertag im vollsten Maße. Wie man sich wohl denken kann, ist mit dem „Modernen Babylon“ unsere Neichshauptstadt gemeint. Drei Abgesandte einer kleinen märkischen Stadt, die den Ehrgeiz hat, bei si eine Weltausstellung zu veranstalten, sind, um die Erlaubniß dazu nachzusuchen, hier angelangt , erreihen den Zweck ihrer Sendung natürlich niht und entsädigen sich durch den Besuch der im „modernen Babylon“ dem Vergnügen gewidmeten Locale. Die Er- lebnisse dieser von Herrn Adolph Ernst als Bierbrauer Mumme ge- führten Abordnung, ihrer Verwandten und neugewonnenen Bekannten bilden den wesentlichen Inhalt der Posse, an deren Gelingen außer dem Director Adolph Ernst in erster Linie wieder Frau- lein Virag mit ihren weit über die Anforderungen einer O hinausgehenden gesanglihen und scauspielerischen Leistungen betheiligt war. Im übrigen waren es die alten, {hon oft erwähnten Bekannten, die sich auch diesmal wieder bewährten : E a Bäckers, die als Turnlehrerin in einer orthopädishen An- talt auftrat und \ich troß 1hres urkomischen Lehrjungen in der früheren Posse doch bei dieser weiblichen Rolle behagliher zu füh!en schien und au den Zuschauern besser gefiel, ferner die Damen Sce- mann, Schlüter, Bender und Roger sowie die Herren Weiß, Tielscher, Haßkerl und Hambrock.

Theater Unter den Linden.

Das neue einactige Ballet „Die Sirenen-Insel *, welches ein Repertoirestück der Wiener Pofoper ift, hat bei seiner Erstauf- führung am Sonntag einen vollen Erfolg gehabt. Das Ballet ift von H. Regel, die Musik von Raoul Mader, der coreographifche Theil von Iteps Haßreiter. Nach dem Gedankeninhalt braucht man nicht erst besonders zu fragen: aus dem Titel ergiebt sich, daß den Zuschauern die Wunder der mythishen Sireneninfel, die ein hierhin vershlagener Seefahrer erlebt oder träumt, vorgeführt werden. Die handelnden Personen sind Sirenen, Pfauen, Pirolen, Canarienvögel, Goldfliegen, Ibisse u. s. w., die theils auf festeur

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