1912 / 98 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 23 Apr 1912 18:00:01 GMT) scan diff

öug auf die geforderte Zahl der Offiziersvermehrung. Dem Mobil- machungszweck dienen auch die beiden neuen Landwehrinspektionen;: auch sie werden unsere Scplaglertigteit im Falle eines Angriffskrieges vermehren, denn wir sind und bleiben ja in diesem Falle do zu- nächst auf ein starkes Heer angewiesen. Wenn aber das Neich fordert, daß wir ihm unsere Kinder zur Verfügung stellen, dann dürfen wir verlangen, daß seitens der Verwaltung nichts vernach- lässigt wird, um uns unsere Kinder so zurücfzugeben, wie sie sie von uns empfangen hat. Für eifte ausreichende Feedgra muß im Heere pra E Was das Flottengeseß betrifft, so hat der Staats- etretâr dargel egt, wie unsere Flotte monatelang gefechtsuntü tig ist, nachdem - ein Drittel der Mannschaften zur Reserve entlassen ist. Unsere Neserveflotte jh in der Tat nicht verwendbar für den ersten Angriff, sondern nur für später. Der Staatssekretät hat das Ver- dienst, durch seine Vorschläge in bezug auf das dritte Geschwader die Kost erheblich verringert zu haben. In bezug auf die finan- telle Seite der Frage möchte ih dem Staatssekretär bemerken, daß wir für eine Erbschaftssteuer niht zu haben sind. Den Ueberschuß über die 60 Millionen der Erbschafts\teuer wollte doh auch der frühere Staatssekretär Wermuth aus dém Etat nehmen. Es handelt sih nur um eine Differenz von 24 Millionen. Wie konnte da der Staatssekretär Wermuth glauben, daß es ohne Erbschafts\teuer nicht ginge? Die Besorgnisse des Staatssekretärs Kühn für unsere lnanzen in der Zukunft {einen mir do übertrieben zu sein. Die Vorlage fagt, das Branntweinkontingent habe go überlebt. Es hat allerdings nicht méhr die Bedeutung wie früher. Dazu ‘kommt, daß die Spirituszentrale früher noch nicht so fest organisiert war wle jeßt. Jedenfalls wünsche ih nit, daß diese Vorlage zu einer allgemeinen Nevision des Branntweinsteuergeseßes bênußt wird. Wir sind dafür, daß sämtliche Vorlagen der Budgetkommission über- wiesen werden. Der weiteren Beratung gebe ih den R mit auf den Weg, daß sie zum Wohle und Segen des Vaterlandes ge- reichen möge.

Abg. Hertz og (wirts{. Vgg.): Jm ganzen Volke ist der Nuf nah etner MNevifion unserer Webrmacht, unserer Nüstungen er- Élungen. Bei der geographishen Lage Deutschlands und angesits politis{ch-r Kompslikationen halten wir es für ein einfahes Gebot der Baterlandsliebe, die Lücken, die unsere Nüstungen aufweisen, auézufüllen. Ob . dies Ziel durch die Vorlage erreicht wird, daruber maße ich mir ein sahverständiges Urteil nit an. Aller- dings ist unser Vertrauen zu den kriegétehnis{hen Kenntnissen des Abg. Haase nicht so groß, daß wir seiner Kritik ter deutschen Wehrhaftigkeit irgendeine Bedeutung beilegen könuten. Für uns gibt es nur zweierlei: entweder man hat Vertrauen zu den Sach- verständigen und “den verantwortlichen Stellen der Negterung, dânn muß man die Vorlage annehmen, oder man hat es nit, dann muß man sie ablehnen. Zweifelhaft ersheint es allerdings, ob die Militär vorlage den Vorsprung einholt, den Frankreich in mancher Be- ztehung in bezug auf die militärische Organisation vor ins voraus hat. Vor allen Dingen bedenklih ist die außerordentlihe Langfristig- keit, mit der sih die Organisation vollzieben sol. Der Vor- {lag ciner Wehrfsteuer is in manchen Kreisen übel aufgenommen worden. Aber man müßte gerade sie zur Deckung beranziehen. Das würde die besißenden Klassen besonders treffen. Ich denke sie mir fo, daß sie wie die Einkommensteuer eine progressive Steigerung hat. Es wäre vielleiht auch möglich, daß man den Nationalliberalen entgegenkäme und ihnen behilflich wäre, eine Dividen densteuer einzuführen. Das würde sehr viel Freude erregen. Wir ve! kennen nicht die“ großen Schwierigkeiken angesichts / der Parteiverhältnisfe im Hause, wenn die Deckung durch neue Steuèrn gefunden werden soll, Wir hoffen, daß sih in: der Kommission eine Etnigung erzielen läßt, ohne daß die Grundfäße der Vorlage erscbüttert werden. Das wäre niht nur für uns, fondern auch für den Weltfrieden gefährlich.

__ Gegen 61/4 Uhr wird hierauf die Fortsezung der General- disfussion auf Dienstag 1 Uhr vertagt.

Preufßzischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 53. Sißung vom 22. April 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphisd;em Bureau.)

Ueber den Beginn der Sißung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus sett die zweite Beratung des Etats des Ministeriums der geistlihen und Unterrichts- angelegenheiten für 1912, und zwar die Debatte über das Kapitel „Höhere Lehranstalten“ und die dazu gestellten Anträge Eickhoff- (fortshr. Volksp.), betreffend Vereidigung der Kandidaten des höheren Schulamts bei Beginn des staatlichen Vorbereitungsdienstes, Engelbrecht (freikons.), betreffend beshleunigte Einführung des gemein- samen Unterbaues der höheren Schulen, namentlich in tleinen und mittleren Städten, und Ernst (fortshr. Volksp.), betreffend allmähliche Aufhebung der bei den staatlichen höheren Lehranstalten noch bestehenden Vorschulen, fort.

Abg. Cickhof f (forts{hr. Volksp.): Unser Antrag über die allmähliche Aufhebung der Vorschulen hat keine günstige Aufnahme gesunden: es liegt ihm aber ein ganz berechtigter Kern zu Grunde, der eigentlich gewürdigt werden müßte. Daß der Minister in dem Sinne tes von allen Parteien gestellten Antrages über die Vereidigung der Kandidaten verfahren will, freut mich aufrihtig. Der Grundsaß der Besoldungsordnung „gleihe Besoldung für alle Beamten in Kate- gorien mit gleichwertiger Vorbildung“ hat den Oberlehrern die Gleichberehtigung mit den anderen afademishen Stellen gebracht. Aus diesem Grunde resultieren auch die Forderung der früheren Vereidigung, die Bestrebungen nach Einführung des Normal- etats vom 1. April ab. Die Stadt Dortmund hat einen Prozeß gegen die Oberlehrer in mehreren Instanzen verloren und enthält Ihnen doch noch die höheren Gehälter vor. Jch will der Selbstverwaltung keineswegs zu nahe treten. Es is ein Nuhmes- titel der Städte, daß sie auf dem Gebiete des Unterrichts dem Staate ein gutes Beispiel geben. Eine große Zahl stellt ihren Lebrern höhere Een in Aussicht als der Staat. Um so mehr ist zu bedauern, daß in mehreren Städten ein Verfahren eingerissen ift, das weder der Selbstverwaltung zum Nuhme gereicht, noch der Schule selbst nüßt. Die Diskussion hat sich bisher vorwiegend an den r- temporaleerlaß des Kultusministers geknüpft. Hierüber ift sehr viel geredet und geschrieben worden. Er ist in den Kreisen meiner Be- rufögenossen auf heftigen Widerstand gestoßen, obwohl er nur gewis|e Auswüchse beseitigt. Der Erlaß ist keineswegs am grünen Tisch ent- standen. Schon vor 40 Jahren hat einer meiner unvergeßlichen Lehrer ein abfälliges Urteil über die Extemporalien gefällt. Auch andere einsichtige Pädagogen - haben sih seit langem gegen das Ertemporale gewandt. ur als Kontrolle wollte man es zulassen. Man wird abzuwarten haben, wie der Erlaß sih in der Praxis bewähren wird. Gr richtet sih in erster Liñie gegen das Gymnasium, sagt man und 0 darin eine Gefahr für das humanistishe* Gymnasium. Der zorstoß aus Frankfurt war verfehlt. Kein Schulmann wird das Gymnasium mit einem Federstrih von heute auf morgen beseitigen wollen. Gott behüte uns vor der fogenannten Einheits\chule. Nur wenn alle drei höheren Schularten sich in ihrer Eigenart entwieln, ‘wird ein wirklicher Schulfortschritt erzielt werden. Eine andere Frage ist aber, ob wir nicht zurzeit einen Üeberfluß an Gymnasien haben, ob das Verhältnis der Zahl der Gymnasien zu den Realanstalten nicht ein anormales ist. Jn der Budgotkontitißtion wurden uns vom Regierungstisch einige interessante Zahlen mitgeteilt. Seit 1901 ist die Zahl der mnen Mind Progymnasien von 355 auf 372 ge- a der Schüler an diesen Schulen von. 56 25 der Ge-

Gymnasium in der Me NLO in Ra Ist längst niht mehr leistungsfähig, seine Schülerzahl nimmt stetig ab, und es wird nur noch das ealgymnasium leistungsfähig erhalten bleiben fönnen. In kleineren und mittleren Stadten, wo nur eine höhere Lehranstalt besteht, wird es notwendig ou einê Umwandlung der Gymnasien in NRealgymnasien herbeizuführen oder den sogenannten Ersaßunter- richt einzuführen. Wir glauben fordern zu dürfen, daß die von allen Vürgern aufgebrahtèn Mittel nicht einseitig. für eine Schule ver- wendet werden. Früher war dies anders, wo es galt, eine genügende Anzahl von Beamten heranzubilden. Das ist anders geworden, nah- dem die anderen Anstalten MleiGmwertig geworden sind. Der Minister hat ja auch die Notwendigkeit der Umwandlung von Aylalen in NRealgymnasien anerkannt. Allerdings begegnet er da dem Einver- ständnis gewisser Bevölkerungskreise. Es ift rückständig, zu leugnen, daß die Bildung der Realanstalten der der Gymnasien gleichwertig ist. Leider scheint ‘auch nur 1m Justizministerium ein Vorurteil zu herrschen. Der Justizminister hat in der Budgetkommission ein un- günstiges Urteil über die Leistung der Nealschüler gefällt: er hat es später allerdings etwas eingeschränkt. Jch möchte die Unterrichtsver- waltung um eine weitere Klarstellung dieser Frage bitten. Nach einer mir vorliegenden privaten Statistik liegen die Dinge ganz anders. Wie haben si bei den drei verschiedenen Schulgattungen die Ergebnisse gestaltet, und gibt es jeßt schon eine vergleichende statistische Zusammenstellung über die Leistung der Gymnasien und der Oberreal- schulen ber der Ablegung der juristischen Prüfung? Der Antrag Gngelbreht wegen des gemeinsamen Unterbaues der höheren Schulen wird in der Unterrichtskommission hoffentlih zu einer gründlichen E dieser Frage führen. Jch sehe mit dem größeren Teil meiner ¿reunde das Bedürfnis für diese Einrichtung, namentlich für den lateinlosen Unterbau, aus praktischen Erwägungen als gegeben an. An unseren höheren cehransta ten werden immer noch zu viel Kandidaten verwendet, die Cinheitlihkeit des Unterrichts muß darunter leiden. Weiter ntmmt die Beseßung von Lehrstellen an den höheren Lehr- anstalten durch Mittelshullehrer zum Schaden der Schulen und des Unterrichts überhand. Gewiß sind unter diesen Herren ganz vortreff- liche Pädagogen, aber es fehlt thnen doh durchaus an einer vertieften Bildung. Die Kostenfrage darf da keine Rolle spielen. Ich rufe dem Minister das Wort zu: Landgraf, werde hart! Sehr bald wieder werden wir mit einem großen Ueberfluß an akademisch gebil- deten Lehrern zu rechnen haben. reits von der Notwendigkeit eines Numerus clausus für Philologen die Nede. Erfreulicherweise hat der Minister erklären lassen, daß er daran nicht denke. Dann muß man aber auch die für Philologen _be- stimmten Posten an den Schulen ihnen reservieren. Eine der nächsten Aufgaben der Unterrichhtsverwaltung muß die sein, den - staatlichen Mammutanstalten ein Ende zu machen; Schulen mit 2s Klassen und 35 Lehrern entbehren der Daseinsberehtigung. Im allgemeinen ist die Entwicklung des höheren Schulwesens in Preußen eine durchaus erfreuliche, wie ich als alter, erfahrener Schulmann bestätigen kann; zu Pessimsmus ist keinerlei Anlaß. Es herrs{cht im. höheren Schul- wesen ein frischer, moderner Geist. Troß aller Unkenrufe von rechts und links möge der Minister auf den Bahnen fortschreiten, die er ein- geschlagen hat.

Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz:

Wie in der Budgetkommission, so hat auch in der Debatte in diesem hohen Hause bei der Grörterung der Angelegenheiten unserer höheren Schulen mein Erlaß vom 21. Oktober v. J. einen breiten Raum eingenommen. Jch will deshalb auch auf ihn gleich zu Beginn meiner Ausführungen eingehen. Dieser Erlaß ist nah allen Richtungen hin in der Kommission und hier im Hause von den Herren - Rednern erörtert worden, und ih habe den Eindruck gewonnen, daß durch diese Erörterungen doch manches Mißverständnis beseitigt worden it, und daß der Crlaß jeßt eine gürsstigere Beurteilung findet, als das zu Anfang der Fall war. Dieses Schicksal hat der Erlaß au sonst in der Oeffentlichkeit gehabt und auch in den Kreisen unserer Lehrer- haft. Zu Anfang war auf der einen Seite beller Jubel, weil nun das bôse Extemporale beseitigt sei und tie Anforderungen der Schule herabgeseßt würden, auf der anderen Seite wurden gerade daraus die Bedenken gegen den Erlaß entnommen, und er wurde einer herben Kritik unterworfen. Beides ist unrichtig, sowohl jener Jubel wie diese Kritik. Die Anforderungen an unseren höheren Schulen find durch den Erlaß keineswegs herabgeseßt worden, und die Klassen- arbeiten sind nicht beseitigt worden; es ist ihnen nur derjenige Plaß zugewiesen worden, der thnen in dem Betrieb unserer höheren Schülen gebührt, und es ist der Mißbrauch beseitigt worden, der darin lag, daß das Extemporale übertrieben worden war, dem Extemporale eine übertriebene Bedeutung bei der Benertung der Schüler eingeräumt war.

Wenn nun . einer der Herren Vorredner, der Abg. Heß nah den Motiven gesucht hat, die mi bestimmt haben, diesen Erlaß zu geben, und wenn er dabei sogar auf nervöse Mütter zurükgegriffen hat, so glaube ich, ihm darauf nicht antworten zu brauchen, und ih meine, es wäre besser gewesen, wenn Herr Heß in seinen Ausführungen das unterlassen hätte. Die Motive liegen in den Zuständen, die sich vielfa entwickelt hatten, die die Unterrich18- verwaltung auf diesem Gebiete seit Jahrzehnten beobachtet hatte, und gegen dite sie bisher nicht mit Erfolg hatte einschreiten können. Das mußte \{ließlich zu einer durchgreifenden Maßnahme führen, und das ist das Motiv, das mich veranlaßt hat, diesen Erlaß zu geben. Es ist aber völlig falsch das wiederhole ih nochmals —, daß durch den Erlaß die Anforderungen an die höheren Schulen irgendwie herabgemindert worden seien; diese Absiht lag au dem Erlasse völlig fern. Ich bin auch überzeugt, daß dieser Erfolg dem Erlaß nicht beschieden sein wird.

Wie lagen denn die Dinge früher? Die übertriebene Zahl der Extemporalien, die allwöchentlch die Schüler vor diese Arbeit stellten, kann den Erfolg nicht erreichen, den ein verständiger Schulbetrieb mit diesen Extemporalien bezweckt. Ich gebe zu, daß diese Mißstände keineswegs überall vor- handen waren, . eine große Neihe von Schulen hat auch bisher das Extemporalewesen tin verständiger Weise geübt; aber in weiten Kreisen waren diese Mißstände vorhanden, und da hat eben die Unter- rihtsverwaltung eine weitergehende Erfahrung, als sie der einzelne haben. kann, der aus der Kenntnis der einzelnen Schule, eines engeren Umkreises spriht, während die Unterrichtsverwaltung in der Lage ist, ihre Erfahrungen auf die ganze Monarchie zu stüßen. Das ist au in den Beratungen der Provinzialshulräte, die dem Erlaß voran- gegangen sind, allseitig anerkannt worden. Es hat dort gar feine wesentlihe Differenz darüber bestanden, wie in rationcller Weise das Extemporale zu: behandeln und zu bewerten sei. Dabei waren die Klagen allgemein, daß immer wieder jener Mißbrauch des Extempo- rales zu béobahten wäre, und daß es nicht gelinge, auf dem Wege der Beratungen, der einzelnen Einwirkungen “ein füx alle Mal diese Mißstände zu beseitigen. Das mußte mich bestimmen, und ‘es war, wie mir \{cheint, die . allerhöhste Zeit, von Aufsichts wegen einzugreifen und Direktiven zu geben,

die es unmöglich machen, in Zukunft solche nachteiligen Folgen für

ahl ‘auf 46,3 % gefallen, während der Andrang zu den alten- cnlp redet er e ‘ist, Das französische

den Unterricht herbeizuführen.

In der Fachpresse war deshalb be-

Welche Mißstände mit dem von mir beklagten Betrieb der Extemporalien verbunden waren, brauche ih ja gar niht im einzelnen auseinanderzusezen. Es ist aúch von den Hérren Rednern anerkannt worden, daß ein Extemporalebetrieb in der Weise, wie er vielfa stattgefunden hat, niht nüglch, sondern nur \{ädlih sein kann. Es ist aber völlig unrichtig, was auch einer der Herren Vorredner gesagt hat, daß nun die Klassenarbeiten beseitigt worden seien. In den oberen Klassen ist ein Unterschied gegen früher überhaupt nit ein- getreten; dort wurden auh {on früher Extemporalien in solchen Zwischenräumen, wie fie jeßt vorgeschrieben sind, verlangt. Nur in den mittleren und unteren Klassen ist allerdings eine erbeblihe Herabminderung der Extemporalien vorgeschrieben worden. Es war auch wirklich die verkehrte Welt, daß gerade die jüngeren, noch s{wäheren Schüler stärker zu den Extem- poralten herangezogen wurden als die älteren und treiferen Schüler. Das ist jeßt ausgeglichen; es ist auch “in den unteren Klassen der Extemporalebetrieb auf das gehörige Maß zurückgeschraubt worden. : :

Nun ist die Behauptung, daß dur diesen Erlaß die Anforde- rungen an die Schule herabgemindert worden seten, namentlich mit der Bestimmung begründet worden, daß dann, wenn ein erheblicher Teil der Schüler ein Extemporale ungenügend geliefert hätte, eine Bensierung nicht eintreten folle. Meine Herren, diese Bestimmung ist von d'njenigen Herren, die sie angegriffen haben, nicht rihtig ver- standen worden. Sie hat ihren Zweck hauptsählich dem Lehrer gegen- über. Wenn er ein Extemporale gibt, und die überwiegende Zahl der Schüler dann nicht in der Lage ist, di:s Erxtemporale befriedigend zu lösen, so suche ih den Fehler vornehmlih im Lehrer. Ich bin dann der Ansicht, daß er entweder die Schüler niht genügend gefördert oder aber ein Thema für das Extemporale gestellt hat, das über die Leistungsfähigkeit der Schüler hinausging. Gerade darüber hatten wir zu klagen. Es ist keine rihtige Pädagogik, wenn man dic Schüler vor Arbeiten stellt, denen sie niht gewachsen sind. Die Arbeiten \follen nicht leiht sein, aber sie sollen auch der Leistungsfähigkeit der Schüler entsprehen. Hat sich nun einmal ein Lehrer vergriffen, hat er eine zu f{chwere Arbéit gestellt, ist dann das Verhältnis so, daß die Arbeit in fo großem Umfang mangelhaft ausfällt, so soll das nit den Schülern angerechnet werden. Oer Lehrer soll vtelmehr eine andere Arbeit stellen, die entsprechend bemessen ist, und dann wird er auch zu dem erwünschten Resultat kommen. Es ist in dem Erlaß auch gar nicht gesagt, daß die Arbeit dann nicht zensiert werden soll, wenn rechnungemäßig cin Viertel der Arbeiten ungenügend ist, sondern es ist nur gesagt: wenn ein erhebliher Teil der Arbeiten, etwa ein Biertel, nicht genügend ist, dann soll so verfahren werden. Es ist alfo-den Lehrern nur eine Direktive gegeben worden.

Wenn gegen diese Bestimmung der Einwand erhoben worden ist, und nech dazu von einem Lehrer, daß die Schüler sich verabreden „würden, \{lechte Arbeiten zu schreiben, so muß ih sagen, daß ein Lehrer mit einem solhen Einwand si doc cin arges Armutszeugnis ausfstellt. (Sehr richtig! links.) Der Lehrer, der niht auf die Schüler so einzuwirken weiß, daß sie solhe Torheiten unterlassen, ist eben nicht an dem richtigen Pleß, der erfüllt nicht voll seine Aufgabe. Ich möchte nur einmal den Lehrer sehen, der es nit erreichen könnte, daß die Schüler an solche Arbeiten mit Ernst und mit der Absidt herantreten, sie gut zu machen. (Sehr richtig! links.) Alo den Einwand kann ih als berechtigt nit anerkennen.

Was die einzelnen Direktiven anlangt, die in dem Erlaß ge- geben worden sind, so sind die ja au von den Herren Rednern nicht bemängelt worden. Sie waren eben notwendig nah den Erfahrungen, die wir auf diesem Gebiete bi8her gemaht hatten, und sie sind eben so einwandsfrei, daß man eigentli erwarten follte, daß sie auch ohne cine solhe ausdrücklihe Direktive überall befolgt werden würden. Das ist aber leider niht der Fall gewesen. Dethalb schien es mir angezeigt, dies hier einmal auêsdrücklih auszusprehen, und ih glaube und hoffe, daß das setne guten Früchte tragen wird.

Ich muß also mit aller Entschiedenheit bestreiten, daß mein Erlaß dazu dienen würde, die Anforderungen an unsere Schulen herabzuseßen. Das ist niŸt die Absiht, und ih glaube, das wird auch niht der Erfolg dieses Erlasses sein. Er hat ledigli den Zwet, dieselben Anforderungen in den Schulen wie früher aber auf cinem anderen und, wie mir scheint, besseren Wege zu erfüllen.

Das gilt namentlich auch von der Anordnung der häufigen \chriftlißen Uebungen. Das ist durchaus keine neue Er- findung, meine Herren, das ist längst von tüchtigen S&ulmännern er- probt und angewandt worden, und wir sind diesen Erfahrungen nur gefolgt, indem wir das nun als eine geeignete Maßregel allgemein vorgeschrieben haben. Der Junge soll eben in der Schule darauf vorbereitet werden, ein Extemporale {reiben zu können. Er foll daran gewöhnt werden, öfter in der Wothe seine Gedanken schriftli zu fixieren, shciftlich das wiederzugeben, was ihm mündlich oder an der Tafel vorgetragen ist. Das ist bisher nicht allgemein geschehen, Die Uebungen waren nit allgemein, der Iunge mußte sich zu Hause vorbereiten, dort wurde eingepaukt auf das morgen stattfindende Extemporale. Das ist alles jeßt „weggefallen. Der Junge weiß nicht mehr, wann das Extemporale stattfindet. Er muß seine Kenntnisse gegenwärtig haben, weil er erwarten kann, daß jeden Tag das Extemporale angeseßt wird. Es liegt also darin vil- leiht sogar eine Erschwerung gegen den bisherigen Zustand.

Wenn dann gar gesagt worden ist, dieser Erlaß unterstütze die Söhne wohlhabender Eltern, indem die Anforderungen geringer wären, während die Minderwohlhabenden dadur benachteiligt würden, so ist mir das nicht verständlih. Einen solchen Unterschied zu machen is, glaube ih, überhaupt nit an- gebracht, und wenn man ihn machen wollte, fo glaube i, daß dur den Erlaß noth viel eher den Söhnen weniger wohlhabender Leute genügt wird als umgekehrt. Denn wie war es denn bisher vielfah? Die Söhne der wohlhabenden Eltern wurden durch Haus“ lehrer auf die Extemporalien eingepaukt und konnten dann viel leiter shreiben als der Sohn eines minder wohlhabenden Mannes, der seinem Sohne nit einen Hauskehrer halten konnte. Also auch diesen Einwand kann ih als irgendwie berechtigt nit anerkennen.

Meine Herren, ih. bin weit davon entfernt, die Notwendigkeit angemessener und strenger Anforderungen an die Schüler an unseren höheren Schulen irgendwie in Abrede zu stellen. Jch bin auch der Ansicht, baß wir unfere Schüler slreng berannehmen müssen, uni sie dadurch zu befähigen, demnächst im Leben die ihnen entgegenstehenden Schwierigkeiten auch überwinden zu können und nit vor S{hwierig- keiten zurückzushreckden. Die stramme Zucht, meine Herren, die bei

ns durch die Verwaltung und durch- die Armee geht, die Wahr- aftigkeit, mit der die Forderung der Pfliht in unserem Staate auf- telt und dvrchgeführt wird, hat sich au unserer höheren ‘hule bemächtigt, und die müß dort bleiben. Mir liegt nichts ne, als taran irgendwie zu rütteln. Aber mit der Zucht lein ist es noch uiht gesehen; es muß noch etwas. anderes nzukommen. Kürzlich hat ein .auf lange Erfahrung zurückblickender währter Pädagoge in einem pädagogishen Blatt einen schr lesens- orten Aufsaß über Schule und Haus véröffentliht mit der Ueber- pcift: „Zucht, Liebe und Vertrauen". Er hat mit Recht Zut an e Spiye gestellt, aber er hat hinzugefügt: Liebe und Vertrauen, und mit hat cer die Auffassung - getroffen, die auch ih habe von n Pflichten und von dem Beruf eines Lehrèrs als Erzieher serer heranwachsenden Jugend, Der Lehrer, der in Gerechtigkeit amme Zucht zu halten weiß, der aber seinen Schülern men\{lich, ¡terlih gegenübertritt, ihnen Liebe und Vertrauen entgegenbringt und ebe und Vertrauen bei seinen Schülern erweckt, tas ist der rechte hrer, das ist der Erzieher unseres Volkes, wie ih ihn mir wünsche. chr richtig!) Nach meinen Erfahrungen und Beobachtungen hat e Unterrichtsverwaltung die Pflicht, immer wieder darauf hinzu- eisen, daß die Aufgabe der Erziehung an unseren höheren S(ulen ehr als biéher allgemein in den Vordergrund gestellt wird. Gewiß ß daneben gehen die wissenschaftliche Fortbildung ter Oberlehrer, d ih hoffe, daß wie bisher auch in Zukunft aus ihrer Mitte der Bissenschaft wertvolle Dienste geleistet werden. Meine Herren, dazu d do aber immer nur wenige von ihnen berufen; alle aber

issen si bestreben, tüchtige Iugenderzieher zu werden. Wer dazu

ht die Lust und die Kraft in sich fühlt, der mag dem Lehrerberufe n bleiben. (Sehr richtig !)

Meine Herren, wir haben vor kurzem den Lehrerstand äußerlich hoben, wir haben Nang und Gekaltsbezüge erhéht. Das ist am hzten Ende nicht geschehen der Lehrer wegen, sondern es ist gesehen

Interesse der Schulen, im Interesse unserer Jugend, um zu ihrer 1zichung und Unterweisung die besten Kräfte zu gewinnen und zu halten. Das berechtigt uns aber jeßt auch, wie mir scheint, und gt uns sogar die Pflicht auf, die Anforderungen an die Lehrershaft cht etwa herabzumindern, sondern eher zu steigern. Wir sind dazu auch in der Lage bei dem wachsenden Angebot von jungen Kräften. as ist eine Aufgabe, der sid, wie mir scheint, die Unterrichts8-

Wrwaltung niht entztchen darf, eine {were Aufgabe, und sie bedingt

1h für den cinzelnen unter Umständen eine empfindliche Härte. ebelwollen gegen die Lehrerschaft bedeutet fie aber nicht; im Gegen- il, thr kann es nur erwünscht fein, wenn bet der Auswahl ibres ahwuchscs niht zu milde, sondern \lrenge Anforderungen gestellt rden (sehr richtig !); denn das muß ihren Stand heben, und darauf ja begreiflierweise die Lehrerschaft ganz besonders bedacht. Sie rin zu unterstüßen, wird jederzeit mein Bestreben sein, soweit \ich s irgendwie mit anderen von mir wahrzunehmenden Interessen ver- baren läßt.

Der Herr Vorredner hat gesagt, man möge die Debatte über n so vielgenannten Erlaß jeßt abschließen und erst einmal abwarten, je er sich bewährt. Jch bin derselben Ansicht; ih bin freilich der fberzeugung, daß dieser Erlaß, wenn er richtig aufgefaßt und in in rihtigen Geiste ausgeführt wird, wofür zu sorgen meine Aufgabe in wird, zum Segen für unsere höheren Schulen gereichen wird, d daß er einen Fortschritt bedeutet gegenüber den vielfachen, bisher unseren Schulen bestandenen Zuständen.

Ich habe {hon wiederholt und ich will das auch hier h wiederholen hervorgehoben , daß wir einer gewissen uhe in dem Betriebe unserer höheren Schulen bedürfen, d ih bin auch bemüht, diese Ruhe zu \chaffen. Sie glauben t, wie viele Anregungen und Vorschläge an mich heran- eten Ich habe sie niht so tragisch genommen, wie das n einigen der Herren Vorredner bezügliß der aus Frank. it ergangenen Vorschläge gesehen ist. Es ist mir bisher gelungen, ese Vorschläge immer wieder zurückzuhalten und dur sie in unser ctiges und ruhiges Fortschreiten auf der vorgezeichneten Bahn nicht ngreifen zu lassen. Jh denke, das auch in Zukunft zu tan. Aber if der anderen Seite kann nicht bestritten werden, daß unter Um- înden gewisse Dinge abgeändert werden müssen. Wenn ich zu dieser eberzeugung auf Grund langjähriger Beobahtung und Erfahrung mme, dann kann ih mi aus dem Bedürfnis der Nuhe heraus doch iht abhalten lassen, einzugreifen.

Meine Herren, ih komme jeßt noch auf einige Einzelheiten, die on mehreren Herren Vorrednern zum Teil übereinstimmend, zum eil einzeln vergebraht worden sind. Einer der Herren spra davon, in einem Jahre an einer Anstalt der Geschichtsunterricht in einer dheren Klasse von niht weniger als 5 Seminarkandidaten erteilt orden sei, und legte mir nahe, deshalb einen Erlaß herauszugeben. dd) glaube niht, daß ich mi dazu entschließen werde, denn das würde, le mir scheint, eigentlich cine Kränkung für die Gymnasialdirektoren edeuten. (Sehr richtig!) Jch halte. den Fall, wenn er wirklich fo

legt, was zu kontrollieren ih außer stande bin, für einen seltenen

‘ênahmefall, wo irgend welche unglückli zusammentreffenden Um- t dazu geführt haben müssen, eine derartige, natürlich im höchsten “ade unerwünshte und verwerflihe Einrihtung zu treffen.

Es ist natürli auch zu beklagen ih beklage es mit dem erru Vorredner —y, wenn ein zu häufiger Lehrerwecsel an den eins flnen Schulen stattfindet; das muß nah Möglichkcit vermieden werden. umer läßt es sich natürli nit vermeiden; denn es sind äußere e die darauf einwirken, und die stärker sind als die Menschen.

‘t, daß das im allgemeinen vermieden werden muß, halte ih für elbsiverständlih.

„_Auh ist mir nicht bekannt, daß aus Sparsamkeitêrücksihten } Mehrer in den Stellen von Oberlehrern beschäftigt würden. if gemeinen haben wir in der Monarchie für die staat- : ‘" Anstalten den Grundsaß, daß auf 13 Oberlehrerstellen n p, Olfölehrer ommt. Das is der Durchschnitt. Daß ils, einen oder anderen Anstalt mal eine stärkere Verwendung von Vimi chrern stattfindet, das muß ich zugeben, das läßt sh auch nit t vermeiden ; aber die Tendenz geht. keineäwegs dahin, aus Spar- i tifêrüdsichten Oberlehrerstellen nicht mit Oberlehrern, sondern nit Hilfslehrern zu beseyen. : i i i

v V vershiedenen-der Herren Vorredner ist der Wunsch ausge- Vit worden, daß die Direktoren entlastet „werden möchten mit e if in auf die ihnen als Leiter der Anstalt obliegenden Geschäfte; Sfr p eesondere auch der Wunsch ausgesprochen worden, daß sie vom “relowerk entlastet werden möchten, und es ist hinzugefügt worden,

daß dieser \chon fo oft geäußerte Wunsh nun entli mal erfüllt werden sollte, daß es nicht immer uur bei den frommen Wünschen bleiben möchte. Meine Herren, ih habe diesem Wunsch schon einigermaßen entsprohen. Wenn Sie die Güte haben wollen, den Erlaß übér die Tätigkeit der Provinzialshulräte vom 23. Oktober v. I3. einzusehen, iverden Sie finden, daß den Direktoren die früher zu erstattenden Verwaltungsberichte - über die Anstalten erlassen worden sind. Das ist hon immerhin eine Entlaslung vom S&reibwerk, und wo es mögli ist, in derartiger Entlastung noch weiter zu gehen, bin ih gern dazu bereit. Die Direktoren werden übrigens in der Stundenzahl entlastet, wenn fie dur die Amtegeshäfte der Leitung der Anstalt erheblich in Anspruch genommen werden, wir gehen da bis zu 8 Stunden herab; aber die Direktoren garz von den Stunden zu entlasten, geht ni&t an. Das würde au den Wüns@en der Direktoren keineswegs ent- [prechen (sehr richtig! rechts) ; sie müssen im Unterricht stehen bleiben, weiter praktische Erfahrungen sammeln, sie müssen im engen Kontakt mit dem Lehrbetriebe bleiben. (Sehr ri&tig! rechts.) Auch sind hier und da {hon Screibhilfen gewährt worden, namentli bei den ganz großen Unterrichtêanstalten, deren Bestehen auch ih als eine wünschenswerte Erfcheinung in unserem Schulwesen ‘nit ansehen kann. (Sehr richtig! rechts )

Wie {on wiederholt, so ift au bei der heutigen Debatte auf die Beschäftigung von Mittelschullehrern an den höheren Schulen eingegangen worden. Ih habe darauf {on in der Kommission er- widert, möchte aber au noch von dieser Stelle aus für das Land aussprechen, daß in dem Erlaß, welcher über die Beschäftigung dieser Lehrer an dén höheren Schulen dithoniért, die Zahl eine Höchstgrenze bezeichnet, und daß es keineswegs beabsichtigt ist, überall bis an diese Döchstgrenze heranzugchen, daß vielmehr die besonderen Verhältnisse der Anstalten bei der Beschäftigung von Mittelshullehrern volle Berücksichtigung finden werden. Daß ein numerus clausus für die Pbilologen von mir nit beabsichtigt worden is, habe ih au {on in der Kommission zum Ausdruck gebracht und will es gern hier wiederholen. (Abg. Eickhofff: Bravo !)

Daß wir vielfa unter überfüllten Klassen leiden, embfindet niemand mehr als die Unterrichtverwaltung. Wenn wir die Klassen erheblich s{wäter beseßen könnten, dann würde eine ganze Neihe von Schwierigkeiten beseitigt scin, und wir würden dann viel leichter vorwärts kommen. Aber das sind so gewichtige finanzielle Fragen, die so erbeblih in das Geld einshneiden, daß man si da ebèn bescheiden muß und daß man sehen muß, wenigstens da, wo die Uebelstände besonders groß find, Abhilfe zu schaffen. Im allgemeinen aber glaube ih doc, daß man sih auch mit diesen Verhältnissen immerhin wird abfinden können. Man wird versuchen, auch da noch Besserungen zu erzielen, wie wir denn überhaupt die Aufgabe haben, unser Unterrichtswesen fördernd zu beeinflussen. Wir glauben, daß wir auf einer forts{hreitenden Bahn flnd, verkennen aber nit, daß noch viel zu bessern und zu ändern bleibt. Wenn Sie, meine Herrén, uns dabei behilflih find, so wird das eine wertvolle Unterstüßung für die Unterrichtéverwaltung fein. (Bravo!)

Abg.- Ströbel (Soz.): Es versteht sich von selbst, daß wir mit dem Antrag Ernst einverstanden - sind, die Volks\{ule -so einzurichten, daß sie die Vorschule für die höheren Schulen werden kann. _ Dann haben die Vorschulen ‘auch - gar keinen Zweck mehr. Schon bisher sind die früheren Volks\hüler in den höheren Schulen ebenso fortgekommen wie die Schüler-derVorschulen. Daß die Vorschulen noch bestehen, liegt nur an dem Klassenhochmutkt : unsere Schulen sind Klassenshulen. Ebenso sympathisch - stehen wir dem - Antrage gegenüber, daß der Unterbau der höheren Schulen gemeinsam sein soll. - Der cinbeitlihe Unterbau könnte vielleiht fogar - bis zur Sekunda gehen. Die praktis an- gewandten Wissenschaften, die P Oa (SThemie, Technik, Tonnten nicht Tanger das Aschenbrödel in den höheren Schulen sein; die Entwicklung der Technik und der tehnishen Hoch- \hulen beweist, wie notwendig die Umkehr auf diesem Gebiete gewesen ist. Die humanistishe Bildung i ein Ideal, das auch wir zu Ha wissen, aber der übertriebene Unter- rit in den alten Sprachen ist nicht allein das Mittel zur Erlangun der bumanistishen Bildung. Das Extemporale ist gewiß ein Mittel, die Shüler tn der Beherrshung der Sprachen zu prüfen, aber ein besseres Mittel zur Beherrshung der modernen Sprachen ist die ständige Ucbung. dain. Bei den alten Sprachen ist es allerdings anders, diefe werden so {nell wieder vergessen, daß der Kultusminister einmal sagte, wenn -er noch einmal das Abiturienteneramen machen sollte, würde er durchfallen. Den Schülern ist bisher viel zu viel antike Kultur beigebraht worden, und wenn auch neuerdings die Methode besser sein soll, so glaube ih niht recht daran. Die nordische Literatur sollte mehr berücksihtigt werden. Strindberg, Tolstoi-usw. haben mehr Einfluß auf unser modernes Leben gehabt, als Aeshylus, Sophokles, Homer. Ebenso hat die französishe Nevolution einen großen Einfluß auf unsere moderne Kultur ausgeübt. Gerade die ökonomischen Verhältnisse find es, die den Boden für die moderne Kultur lockdern. Nur in den Schulen merkt man wenig davon. Die höhere Bildung darf nicht ein Mittel sein, an Standesunterschieden festzuhalten, sondern sie soll lehren, die wirklichen Notwendigkeiten für das Volk zu er- kennen. Man folle niht glauben, daß die Entwicklung zu einem Abschluß gekommen sei; solange die wirtschaftlihen Verhältnisse sich in fortgeseßter Revolution befinden, wird auch die Ent- wicklung des höheren Schulwesens nit till stehen. Der wirkliche Nationalismus hat einen guten Inhalt, die Lebe zur Heimat, und wir säßen deshalb au die nationale Geschichte und die nationale Literatur, aber wir wollen von den Auswüchsen des Nationalismus nichts wissen. Die Zeiten des Idealismus_ unserer Jugend sind vorbei, heute befinden wir uns im Zeitalter des Sports, der Sportferereien, des übertriebenen Lebentgenusses und des Chauvinismus. Wir wollen durh die höheren Schulen etne abgeschlossene allgemeine Bildung erreiht wissen. Es dürfen aber nit nur diejenigen, die in der Wahl ihrer Eltern vorsichtig gewesen sind, Anteil an Bee Bildung nehmen, sondern alle, die dazu befähigt sind.

Abg. Dr. Hintzmann (nl.): Die Kraft unserer kommenden Geschlechter ruht nicht darin, daß sie lernen, sozialistisch zu denken, sondern darin, daß sie väterländi\ch empfinden. (Zurufe von den Sozialdemokraten: Bringèn Sie dohch etwas Neues vor!) Jch bilde mir nicht. ein, daß ih num etwas Neues vorbringe, aber ich trage wenigstens niht etwas vor, was andere formuliert haben. Ich bedauere, daß dur den Erlaß des Ministers über die Benennung der höheren Mädchenshulen auh historish gewordene Bezeichnungen für alte Gymnasien illusorisch geworden sind, wie z. B. bei dem Gymnasium in Hannover. Wir wollen unsere huma- nistisden Gymnasien in ihrer Eigenart erhalten nicht aus dem Grunde, - den der Abg. Viereck am Sonnabend angegeben hat, weil die Gymnasien allein den Idealiêmus pflegen; denn deutscen Idcalismus hat es schon gegeben, bevor es das Gymnasium gab. In der magna charta für das höhere SWGulwesen vom Jahre 1900 schen wir einen entsMiedenen Fortschritt ; dadurch ist - die Gleich- berechtigung der verschiedenen Schularten festgelegt. Es ane sich aber ‘doch, - ob - diese Gleichberechtigung au in der Praxis überall dur{géführt wird. Es ist | von - manchen Seiten versuckt worteü, die Abiturienten der Oberrealschulen niht als geeignet für das Studium der Geschichte hinzustellen. Andere Profejforen verweigern

Seminar, die des GriechisGen nit mädtig sind. Eîn Numerus clausus für die Beschränkung der Kandidatenzahl ist nicht das Richtige; es müssen aber Mittel und Wege gefunden werden, davor zu warnen, einen Beruf “einzus{lagen , ter derartig überfüllt ist. Die Berufsberatung ist eine Au'gabe, ter si die Unkerrichts- verwaltung auf die Dauer nit entziehen kann. IH glaube aud, daß wir in der Zulassung zum Beruf vo1sidtiger scin müssen; es müssen die Provinzialbeb örden sih nach einheitlißen Gesichtépunkten über die Anstellungsfähi,„fkeit äußern. Die Direktoren tönnen nur wahrkteit8getreue Berichte geben, aber dürfen nicht selbst das Urteil fällen. Ein einheitlihes Lehre:kollegium ist die Grundlage für eine ecinbeitsi@de Entwiflung der Schulen: der einheitliche wissenschaftliße Geist des Kollegiums muß gewahrt werden. So- weit wir aber nicht akademisch gebildete Lehrkräfte haben, müssen diese anders in der Besoldung gestellt werden. Die Städte haben große, zum Teil bewunderungswürdige Opfer für die hößeren Schulen gebracht. Der Staat muß den Gemeinden entgegenkommen: abèr man darf mit den Nefktorats\hulen niht zu weit gehen. Die Petitionen um Erhaltung des Progywnasiums in Niectberg in West- falen fowie um Verstaatlihung der höheren Lehranstalt in Bünde bitte ih nicht als Material, wie es die Kommission. beantragt, sondern zur Erwägung der Regierung zu überweisen. Den Antrag über die Aufhebung der Börs Hulen bitte ih der Unterrihtskommission zu überweisen. Jn Schlesien können an den Okberrealschulen zwei Schreibstunden dur Französisch erseßt werden; in Brandenburg darf das nicht geshehen. Weshalb diese Verschiedenheit? Wir begrüßen die Förderung von Turnen und Spiel, verurteilen aber, wenn das Turnen und Spiel zum Sport ausartet. Wenn aber das Spiel ein- gestellt wird, weil sonst cine Stunde für einen Lebrer mehr bezahlt werden muß, fo ist das doch wirkli unangebrahte Sparsamkeit. Ich hoffe, daß dem neuen Ertemporalienerlaß alle Lehrer Rechnung tragen und erst daun, wenn eine Wirkung erprobt ist, ein Urteil ab- geben.. E mag im Extemporalienw:sen gesündigt sein, aber die praktishen Schulmänner werden mir bestätigen, daß oft, wenn der Schüler ein s{chlechtes Zeugnis bekommen hat, die Eltern sich beschweren und fagen: Unser Sohn hat doch ein gutes Gx- temporale geschrieben. Die Eltern legen immer nur Wert auf. ein einmaliges gutes Ertemporale, aber niemals auf so und so viele s{lechte. Jn dem Erxtemporaleerlaß liegt cin gesunder Kern, die Urteile über die Wirkung müssen wir abwarten. Wir müssen immer daran denken: Ohne Fleiß fein Preis. Jh bin, allerdings nur außerhalb des Hauses, b-s{huldigt worden, ein fanatischer Anhänger der Kurzstunde zu sein; i bin nihts weniger als das, ih betrachte nur die Kurzstunde als das kleinere unter zwei Uebeln. Solange die Lehrgegenstände nicht einges{hränkt werden können, müssen wir die Stundenzahl zu verkürzen suchen, indem wir mit Hilfe der Kutrz- stunde den Unterricht, der eigentli 6 Stunden erfordert, auf 5 Stunden zusammendrängen und damit zum bloßen Vormittags- unterriht kommen. Wir müssen möglichste Freiheit im Schulwesen erbalten ; was der einen Schule recht ist, -ist. der anderen darum noch nit billig. Wir müssen auf das Ziel hinarbeiten, die Jugend für das Leben stark zu machen in dem Sinne, taß sie sih als Deutsche fühlen und als solche ihren Plaß in der Welt erobern. ,

Abg. Strosser (kon\.): Ih will nur einige Fragen berühren, die im Laufe der Debatte hervorgetreten sind. Bezüglich der Kurz- stunde und der Veilegung des Unterrichts auf den Vormittag kann ih mich den Ausführungen des Vorredners anschließen. Jch würde es auch nach der Einführung -der Kurzstunde für einen Fortschritt halten, wenn allgemein nur. der Vormittagsunterriht eingeführt würde. Dieser Modus hat sih auch an manchen Schulen seit langem bewährt. Auf die Frage, ob die Absicht bestehe, feminaristisch gebildete Lehrer möglihst nit an höheren Lehranstalten anzustellen, hat der Minister zu meiner Freude erwidert, daß das nicht beabsichtigt fet. - Ich bitte ihn, ‘daran festzuhalten, ih habe son früher ausgeführt, daß ih. das Wirken -der seminaristisch gebildeten Lehrer an höheren Lehranstalten durchaus für segensreih halte. Dem Wunsche des Abg. Viereck nah Einführung der ru|sishen Sp: ache an den hôheren Lehranstalten des Ostens kann- id mi nur ans{ließen. Den Antrag Engelbrecht bitte ih troß aller Bedenken an die Untér- richiskommission zu verweisen, was ih aber in bezug auf den Antrag Ernst nicht empfehlen möhte. Jh weiß als Mitglied der Unterrichts- Tommission,. daß wir diesen Antrag |{hon so ausführltch. dort be- sprochen haben, daß ih beim besten Willen nicht weiß, was Neues hinzugetragen werden könnte. Ich bitte daher, den Antrag ab- zulehnen. Wenn hier gesagt is, man wolle den Charakter des humanistischen Gymnasiums durchaus erhalten, sei aber nit abgeneigt, zuzustimmen, wenn eintge Fächer abgeschafft und andere neue ein- E werden follen, so wird do gerade dadur der Charakter des zumanistishen Gymnasiums in Frage gestellt. Wenn jeyt wieder einige Unterrichtsfäher abgeschaft werden sollen, fo E ih niht recht, was für Unterricht2gegenstände dies sein jollen. Wenn etwa der griechische Unterricht entfernt werden sollte, so könnte ih das nur im höchsten Maße bedauern. Daß das humanistische Gymnafium feit vielen Jahrhunderten eine Pflegestätte, wenn auch nicht die einzige das hat der Abg. Viereck auch zar niht be- hauptel —, des deutshen Idealismus gewesen ist, kann wohl “nicht bestritten werden. Ich kann mih des ECindrucks nit entziehen, daß durch die Maßnahmen der Unterrichtsverwaltung in den letzten Jahren - doch eine gewisse Abbröckelung der Grundlagen des humanistischen Gymnasiums {on stattgefunden bat. Graf Carmer hat shon darauf hingewiesen, daß sich gegen früher so viel geändert hat, daß man fragen kann: ist es denn noch dasselbe geblieben ? Daß das YAbiturienteneramen abgeschwäht worden ist, bedauere ih durchaus, namentlich daß der lateinishe Aufsag und der Neligionsaufsay ganz ausgeschaltet sind. Le links.) Wenn das auch {on lange ber ist, so braucht man es do noch nicht anzuerkennen. Uebrigens kann ich den Ministerialdirektor Althoff für mich anführen, der mir noch kurz vor seinem Tode in einer Unterhaltung sagte: „Jh stehe ganz auf Ihrem Standpunkt und bedauere, daß diese beiden Aufsäße im Abiturienteneramen gefallen find.“ Wenn unmittelbar nad dem Ertemporalienerlaß Jubel auf der einen Seite und große Mißstimmung auf. der anderen Seite gewesen ist, so ist das der beste Beweis dafür, welche ungeheure Bedeutung gerade diesem Erlaß auf allen Seiten zuerkannt wird. Es ist ein Erlaß, der außerordentlich einschneidend. wirkt. Den Aus- führungen des Ministers darüber kann ih nit in allen Teilen folgen. Weun- der Minister sagt, daß die An- forderungen nicht herabgeseßt würden, und auch nicht die Absicht bestehe, fie herabzuseßen, so freue ih mich dieser Erklärung von Herzen, aber der Erlaß is vielfah so angesehen woi dén. Daß das Extemporale früher niht den Wünschen entsprah, daß Mlkbrauch damit getrieben tft, daß es in falscher Weise zur An-

wendung gelangt ist, leugne ih gar nicht, aber weil einmal sol ein d

Mißbrauch vorgekommen ist, kann man doch nicht von vornherein die ganze Einrichtung verwerfem Was von den Erxtemporalien übrig ge- blieben ist, ist niht mehr allzuviel, Den häuslichen Arbeiten kann ich eine so große Bedeutung nicht beilegen. Ich bin auch Lehrer ge- wesen und habe häuslihe Arbeiten \{reiben lassen. Aber ih habe mich doch der Ueberzeugung ntcht verschließen können, daß man dabei nie weiß, wer daran mitgewirkt hat, wenn z. B. die häuslichen Arbeiten von mehreren Schülern zusammen gemaht werdén, ‘oder wenn ‘die Eltern oder fonstige wohlwollende Leute den Schülern dabei helfen. Das Extemporale war wenigstens, wie es früher gehandhabt wurde, ein besonderer Anreiz zum Fleiß. Man hâtte die Auëwüchse beseitigen und die Umgestaltung vielleiht nit o außerordentliÞh gründliß machGèên sollen. Der Minister sagte, daß es doch einem guten Lehrer mögli wäre, zu verhindern, daß Schüler -sich zusammentun, um einmal ein \hlechtes Ertemporale zu schreiben. Diesen Optimismus kann ih in keiner Weise teilen. Wer die Schule kennt únd wer die Schüler kennt, vor allen Dingen in der Obertertia, der weiß s wohl, daß in der Obertertia der vierte Teil der Schüler dazu imstande ist, weni sie z. B. am Tage vorher einen Ausflug gemacht haben, si zu veraß- reden, daß fie ketne gute Arkeit {reiben wollen: Das hat felbst der

denjenigen neuere“ Sprahen Studierenden den Eintritt in das

beste Lehrer uicht in der Hand, auf seine Schüler immer so ein-