achte. Und drittens hat ebenfalls Herr:Abg. Korfanty auf Grund eines Falles gesagt, dem Minister set infame Rehtsbeugung vorzuwerfen, weil er nit das Nötige gegen einen Landrat veranlaßt habe, der das Recht mit Füßen getreten habe. Meine Herren, das sind zwei Be- \{uldigungen, die - nit etwa gegen die in erster Instanz zur Entscheidung berufenen Behörden erhoben worden sind, sondern gegen die Staatsregierung an si, gegen mih als Inhaber, als Ver- treter des Messorts des Innern, und auch gegen andere höhere Be- hörden. Ich bin daher den dortigen Fällen nahgegangen und habe folgendes Ergebnis ermittelt. In 8 Fällen s{chwebte das Verfahren noch, sodaß überhaupt niht angegeben werden konnte, ob niht Remedur eintreten würde, und die vorgebrachten Fälle niht durchaus richtig be- handelt worden seien. In 4 Fällen hat sich der Sachverhalt über- haupt nit ermitteln lassen, weil Vorkommnisse da vorgebracht worden sihd, die fich nicht ertnitteln ließen, weil entweder die Namen der Drte, wo sich die Sachen zugeträgen haben sollen, nicht existieren (Heitérkeit rets), oder die Verwaltüngébehörden nit mit der Sache befaßt waren. (Erneute Heiterkeit rets.) 18 Fälle haben si allein 1909 und 1910 abgespielt. Fch vermute, daß darunter éin Teil der heute erwähnten sich befinden, die also längst: hier im Parlament vorgebraht werden und thre Er- ledigung gefunden haben konnten. In 12 Fällen ist gegen den an, geblich * geseßwidrigen Bescheid überhaupt keine Beschwerde erhoben worden, sodaß auch die in erster Reihe angegriffenen oberen Instanzen mit der Sache niht befaßt worden waren. In zwei weiteren Fällen ist eine weitere Beshwerde gegen den Bescheid des Landräts nicht erhoben. In ‘drei Fällen haben die ordentlihen Gerithte die Auf- fassung der Pölizeibehörden ausdrücklih anerkannt und in aht Fällen stehen die Entscheidungen ganz zweifellos im Einklang mit dem Gese und den in leßter Instanz ergangenen ri{hterlichen Ents(eldungen. In zwei Fällen handelte es sich überhaupt nicht um Verfügungen vereinsgeseßliher Natur, sondern in dem einen umeine baupolizeiliche Ver- fügung, in einem anderen um eine gewerbepolizeilihe. (Heiterkeit redchts.) In drei Fällen haben die Versammlungen tatsählich stattgefunden, was von den Herren im Reichstag gar niht erwähnt worden ist. In 10 Fällen háben die Verwaltungéöbehörden, und zwar in 6 Fâllen bereits der Landrat und in 4 Fällen der Negierungspräsident, Nemedur auf Beschwerde eintreten lassen, in 7 Fällen hat die Untersuchung die absolute’ Untichtigkeit der im Reichstage erwähnten Tatsachen ergeben.
Ih glaube, meine Herren, es ist von Interesse, dret Fälle, die damals vorgebraht worden sind, vorzutragen, in denen fich die absolute Unrichtigkeit der erhobenen Beschwerden ergeben hat. Im dem einen Fall war behauptet worden, daß die Genehmigung einer öôffent- lichen Versammlung untersagt worden sei, weil an dem betreffenden Sonntage das heilige Abendmahl stattfände. Die Untersuchung hat er- geben, daß die Anmeldung der fraglichen Versammlung seinerzeit von dem Bürgermeister mit der Bitte dem Antragsteller zurückgegeben worden ist, die Versammlung wegen der Feter des heiligen Abendmals auf einen der nädsten Sonntage zu vershieben. Der Einberufer — der mehr Empfindung für das religiöse Gefühl der Bevölkerung hatte als der Beschweroeführer im Reichstage“ — (Heiterkeit rechts) hat diesem Wunsche ohne weiteres stattgegeben. (Hört, hört! rets.) Weder ist ein Verbot erlassen, noch ist irgend welche Beschwerde erhoben worden. (Hört, hört !) :
Der Abg. Korfanty hat in einem Falle behauptet — und zwar im vorigen Jahre im Landtage und demnächst im vorigen Herbst auch im Reichstage —, daß in Birkenhain in Oberschlesien die Genehmi- gung zu einer ôfentlihen Versammlung vom Amtsvorsteher versagt worden set, weil das Grundstück zu klein sei, besonders aber — und hier s\agte der Abg. Korfanty: „Ih zitiere wörtlih“ — weil ih bei den LTeilnehmern gewisse Bedürfnisse melden fönnten, zu deren Befriedigung sie auf Nachbargrundstücke übertreten - würden, was Streitigkeiten und damit eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zur Folge haben könnte. — Das ist der Fall des Herrn Abg. Dr. Pachnicke, den ih in der Budgetkommission im Auge hatte, wo ih ausführte, daß die Beschwerde nicht zutreffend sei. — Meine Herren, es hat sich nun herausgestellt, daß nicht ein Wort von der ganzen Bedürfnisfrage (Heiterkeit) in dem Bescheide steht (hört, höôrt!), daß die Gewährsmänner des Abg, Korfanty \ich das vollkommen aus den Fingern gesogen haben, und daß der Abg. Korfanty vielleicht in etwas übereilter Weise, in dem Wunsche, die staatlichen Behörden lächerlih zu machen, \sih darauf eingelassen hat, diese angeblihe Beschwerde weiter zu tragen. Die Beschwerde ist lediglich abgelehnt worden mit Rücksicht auf die Lage und die zu geringe Größe des Grundstückes und den Zwiespalt zwischen der polnishen und dèr deutschen Bevölkerung, der bei den leßten Wahlen bereits zu Täâtlich- Feiten geführt hat, also ein sahlich ganz korrekt begründeter Bescheid, von dem man zweifelhaft sein kann, ob er haltbar ist, der aber jedenfalls die Kritik nicht verdient, die der Abg. Korfanty . ihm zwetmal, und zwar hier im hohen Hause und dann im Reichstage, hat zuteil werden
laffen. Dann, meine Herren, hat der Abg. Korfanty noh folgendes im
Neichstage zur Sprache gebracht : i
Fh habe am 28. August um die Genehmigung einer derartigen Versammlung in Sternaliy im Kreise Nosenberg nachgesucht. Leute, die meine persönlihen Bekannten sind, haben sich riesig gefreut, daß bei ihnen endlich einmal eine politische Versammlung stattfinden soll. Es war elne der ersten Versammlungen, die ih im Krelse Rosenberg anmeldete, 6 auf einmal. Als der Landrat von NRosen- berg die Nachricht bekim, daß der Korfänty 6 Versammlungen im Kreise Rosenberg anmeldet, ‘da war eine große Beratung. Der Undrat berief sich den Kreittierarzt (Heiterkeit), den Kreisarzt, den Kréisbaumeister, währsheinlih alle Potentaten dieses kleinen Ortes, um zu beraten, was zu geschehen habe, um die Versammlung zu hintertreiben. Sie finden Diphtheritis, Maul- und Klauenseuche, aber auch andere Mittel wurden angemeldet. So wurde nach dem Orte Sternaliß der Beamte des Ländräts gesandt. Dieser berief die Bauern zusammen und sagte zu thnen: Wenn der Korfanty bei Euch eine Versammlung hält, vaßt auf. Ihr habt eine neue Schule zu bauen, und die Königliche Regierung wird Euch die Subvention zum Bau der Shule versagen. Es wird eine Sißung der Gemeindeversammlung einberufen, und der Besißer, dec mir den Grund und Boden zu der Versammlung hergeben wollte, ver- steckt fich, aber der Lehrer, der in diesem Falle Gemeindeschreiber ist, läßt überall herumfüchen. Schließlih finden sie ihn. Die Gemeinde \{chickt an mich eine Petition des Inhalts, ih möchte doch mit N'cksi{ht darauf, daß ihr die Subvention zum Hau der
(Hört, hört!)
Dann führt der Abg. Korfanty noch aus:
— er war zur Ordnung gerufen worden —
brethen, die Kommunalsteuern müßten um so viel erhöht werden. Dieser Grundeigentümer \{hreibt an mich einen polnishen Brief und sagt: Nehmen Sie es mir nicht übel, aber der Lehrer kam, es war vom Landrat ein Beamter da, ih tnußte es versagen, ‘das Herz hat mir geblutet, daß ih mich so weit erniedrigen mußte, aber ih kann nicht, ih würde es in der Gemeinde nit aushalten.
Ih lege die Beweise für diese infamen Rechtsbeugungen seitens des Landrats im Kreise Rosenberg auf den Tisch.
Ich bin damit einverstanden,
aber ih hoffe, daß der Lndrat des Kreises Rosenberg auch in Zukunft das Recht beachten wird, das er hier mit Füßen getreten bat. Ih habe für meine Behauptungen Beweise erbraht, und wenn ih mich an den Minister des Innern von Preußen gewandt und ihm das mitgeteilt habe und der Minister nicht das Nötige veranlaßt hat, so habe ih keinen andexen Autdruck für diesen Mann.
Meine Herren, es ist festgestellt worden, daß der Landrat, der o öffentli beleidigt worden ist, zu der fraglihen Zeit längst beurlaubt gewesen ist. Es ist festgestellt, daß ein Beamter des Landratsamts sich weder mit noch ohne Auftrag in der fraglichen Angelegenheit nahSternalitß begeben hat. Der Gemeindevorstand und der Gemeindeschreiber haben zu Protokoll erklärt, daß ihnen von keiner Seite mit der Entziehung der Beihilfen gedroht wörden sei. Die große Beratung bestand darin, daß der Vertreter des Landrats die über das Versamlungsverbot er- hobenè Beshwerde dem Kreitarzt und dem Kreistierarzt zur Aeuße- rung zugeschrieben hat. (Hört, hört! rechts.) Meine Herren, die Nechtósbeugung soll darin bestanden haben, daß ich auf eine Mittei- lung das Nöôtige nicht veranlaßt habe. Ih möchte nun prinzipiell einmal klarlegen, baß ih geseßlich, wenn die Einberufer von Ver- \fammlungen telegraphisch Beshwerden an mih richten, ohne weiteres diesen Beschwerden gar nicht \tattgeben und einen Be- \cheid der zuständigen Ortspolizeibehörde gar niht aufheben kann; denn geseulich i die Entscheidung der Ortspolizeibehörde über- tragen, und nach unseren bestehenden Geseßen kann auch die“ Be- \{Gwerde nur im instanzmäßigen geseßlich vorgesehenen Zuge weiter- geführt werden, ‘die versehentlih bei einer höheren Instanz eingelegte Beschwerde muß vielmehr der zur Entscheidung geseßlich berufenen Instanz vorgelegt werden.
“Herr Abg. Korfanty konnte also gar nicht erwarten, daß ih auf eine von ihm telegraphisch an mich gerichtete Beschwerde über eine polizeilltHe Verfügung, über die der Landrat bezw. in 2. Instanz der Regtierungspräsident geseßlich zu entsheiden hat, ohne die Herren gehört zu haben, Entscheidung treffen würde. (Sehr richtig! rechts ) Er kann fih daher niht darüber wundern, daß ih die Sache an die zuständige Behörde zur Entscheidung abgegeben und ihm davon Mit- teilung gemaht habe. Wollte ih auf solche einseitigen Vorbringungen des Abg. Korfanty eingehen, dann könnte ih überhaupt etnen Runde erlaß an alle Amtsvorsteher und Ortspolizeibehörden rihten, daß jeder Antrag des Abg. Korfanty auf Einberufung einer Versammlung von vornherein ohne“ Prüfung genehmtgt werden mnüsse. (Sehr gut! rets.)
Meine Herren, ih habe geglaubt, Ihnen diese vielleiht etwas zu breiten und zu langen Ausführungen mächen zu müssen, weil an die Verhandlungen des Reichstags ganz weitgehende Konsequenzen ge- knüpft worden sind. Es liegt mir ja durhaus fern, bestreiten zu wollen, daß tatsächlih in den ersten 3 Jahren seit dem Inkrafttreten des Neichsvereinsgesetßzes wiederholte und mannigfahe Miß- griffe und Verstöße vorgekommen sind. Ich weise aber darauf hin, daß das Reichsvereinsgeseß sich zwar eng anschließt an das frühere preußishe Vereinsgeseß, daß es aber doch ganz wesentliche Vershiebungen in bezug auf die Machtbefugnisse der Ortspolizei- behörden gegenüber den Veranstaltern von Versammlungen gegen früher enthält. Darauf dürfte unschwer ein niht geringer Teil der Verstöße und Mißgriffe zurückzuführen sein; denn wenn erfahrungs- mäßig jedes neue Gese, wenn es den bei seiner Redaktion Be, teiligten noch \o einwandfrei und zweifelsfrei erschtenen sein mag, doch demnächst nah seinem Jukrafttreten zu allerhand unvor- geschenen Zweifeln und Mißverständnissen Anlaß gibt, so mußte das umsomehr bei dem neuen Reichsvereinsgeseß der Fall sein, als dieses G: seß nicht nur mit einer langjährigen, fest eingebürgerten Praxis in Preußen gebrochen hat, sondern eine Reihe neuer Begriffe und Kriterien aufgestellt hat, die noch dazu dem subjektiven Ermessen für die Beurteilung der besonderen Verhältnisse jedes Einzelfalls einen sehr weitgehenden Spielraum gewähren. Es konnte daher nit .aus- bleiben, daß darüber, ob gemäß § 7 des Veretnsgeseßes eine Ver- anstaltung unter freiem Himmel zu genehmigen oder zu versagen sei, manerlei Zweifel und Bedenken hervorgetreten sind, daß auch Ent- \cheidungen gefällt worden sind, die demnächst bei der Nachprüfung vom Oberverwaltungsgericht aufgehoben worden sind.
Durch die JIudikatur des Oberverwaltungsgerihts und der sonstigen Gerichte ist eine gewisse Klärung über die Vorausseßungen des § 7 des Reichsvereinsge)eßes inzwischen eingetreten. Ich habe däher — und das hat Herr Abg. Pachnike au vorhin bereits er- wähnt — bereits im September vorigen Jahres cinen Erlaß an die Negierungépräsidenten abgesandt, in dem sie ersucht werden, die zur Entscheidung zuständigen Behörden auf die inzwischen bekannt ge- wordene Judikatur des Oberverwaltüungösgerihts aufmerksam zu machen und sie auf die Verpflichtung hinzuweisen, bei entstehenden Zweifeln über die Genehmigung einer Veranstaltung unter freiem Himmel sih aus\chließlich von dem im Gese selbsi angegebenen Gesichtspunkte der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit leiten zu lassen, gleichviel, ob sonstige Bedenken obwalten mögen oder nicht.
Meine Herren, eine Ergänzung dieses Erlasses hat demnächst im November v. F. stattgefunden aus Anlaß von Meinungsverschieden- heiten, weldhe sh darüber herausgestellt hatten, ob das Reichsvereins- gese eine Aenderung der Bestimmungen über die Polizeistunde herbei- zuführen geeignet sei oder nit. Bei dieser Gelegenheit habe ich aus- “drücklih die einzelnen, häufiger vorgekommenen Verstöße und Miß- griffe einzeln aufgeführt Und die Regierungspräsidenten ersucht, die zur Entscheidung berufenen Behörden darauf aufmerksam zu mächen und ihrerseits mit aller Energie dem entgegenzuwirken, daß eine Wieder- hôlung solcher Mißgriffe in Zukunft vorkommen möge. Ich habe sie erfuht, nit nur mit dem \{hriftlißen Verkehr sih zu begnügen, sondern da, wo es nôtig sein ollte, eine mündlihe Be-
Pfliht gemacht, die Handhabung des Geseßes durh die ihnen unterstellten Behörden dauernd von Amts- wegen zu über- wachen instanzmäßig zu ihrer Kenntnis gelangenden Beschwerden zu beschränken. Fch habe endlih darauf hingewiesen, daß, wenn troßdem in Zukunft \huldhafte oder auf Wilikür oder Schikane“ zurückzuführende Fehl- entsheidungen ergehen follten, auch unnachsichtl{ch mit“ Disziplinars maßnahmen vorgegangen werden sollte. Jch begreife niht, wie Herr Abg. Pachnicke diesen Anweisungen gegenüber behaupten kann, daß die preußische Staatsregierung, die oberen Behörden und namentli auch die Zentralinstanz nicht dea Ernst der Sache erkannt haben und nicht das Ihrige getan haben, um dafür zu sorgen, daß die nun einmal be- stehenden reichsgeseßlihea Bestimmungen auch in Preußen tunlichst einwandfrei zur Geltung gelangen.
«
und sich dabei nicht lediglich auf die Prüfung der
(Sehr gut! rechts.)
Meine Herren, ih glaube auch nicht, daß in Zukunft die Klagen
und Beschwerden über die Handhabung des §7 völlig aufhören werden.
Denn bei dem weiten Spielraum, den die Worte „wenn Gefahr für die
öfsentlihe Sicherheit zu béfürchten ist“ dem subjektiven Ermessen für
die Beurteilung jedes EGinzelfalles überlassen, und bei der großen Ver-
schiedenartigkeit der Verhältnisse in jedem einzelnen Falle kanú es gar
nit ausbleiben, daß bei der Versagung unter Umständen Meinungs-
verschiedenheiten darüber entstehen werden, ob die Summe derjenigen
Momente, welche für die Versagung sprechen, ausreichen, um die Be-
fürdtung der Gefährdung der öffentlichen Siherheit zu rechtfertigen.
(Sehr richtig ! rechts.) Jedenfalls aber kann man doch wohl hoffen,
daß die Zahl derjenigen Bescheide, welche zu erfolgrciher Anfehtung
Anlaß geben, sh in Zukunst vermindern wird.
Meine Herren, der Herr Abg. Pachnicke hat dann die Frage der Wahlrechtsreform berührt. Nach seinen Ausführungen wie au {hon nach früheren Ausführungen, die bei anderen Ver-
handlungen in diesem Hause erfolgt sind, könnte es betnahe
den Anschein gewinnen, als ob die“ Staatsregierung nit ernstlich be- müht gewe)en sei, die in der Thronrede vom Jahre 1908 angekündigte Absicht etner organischen Fortentwicklung des bestehenden Wahlrechts zu verwirklichen; als ob insbesontere die im Jahre 1910 von der Staatsregierung eingebrahte Wahlrechtsvorlage eine Ausführung der in der Thronrede angekündigten Absicht nicht enthalte. Meine Herren, um einer Legendenbildung vorzubeugen, will ih auédrüdcklich feststellen, daß der im Jahre 1910 eingebrachte Wahlrechtsentwurf volllommen den Intentionen der Thronrede von 1908 (hört, bört! bei den Sozialdemokraten) und den zu ihrer Erläuterung von dem Herrn Ministerpräsidenten abgegebenen Erklärungen entsprochen hat. (Sehr richtig! rechts.) Nachdem nun der in Ausführung der Thron- rede von 1908 von der Staatsregierung eingebrähte Wahlrechtsentwurf an. dem Widerslreit der Meinungen in diesem hohen Hause gescheitert iste muß die Königliche Staatsregierung das Necht für sih in Anspruch nehmen, nah pflihtmäßigem eigenen Ermessen darüber zu befinden, wann ihr der Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der Wahlrechtsvor- lage gekommen zu sein \{eint. ‘(Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, die Gründe, welhe der Staatsregierung den gegenwärtigen Zeit- punkt als niht geeignet ershèinen ließen, habe ih. bet der ersten Lesung darzulegen mir erlaubt. Ich glaube auch nicht, daß so manche Erscheinungen des politischen Lebens in neuerer Zeit irgendwie dazu beitragen können (Heiterkeit rechts), den gegenwärtigen Zeitpunkt (hört, hört! bei der fortshrittlichen Volkspartei und bei den Sozialdemokraten) — ja, ih erinnere an die veränderte Stellungnahme einzelner bürgerliher Parteien zur Soztiäldemokratie (sehr gut! und Heiterkeit rechts — Lachen links), an die recht verworrene Situation anderer bürgerli@Wen Parteien zueinander —, also ih glaube nicht, daß diese Erscheinungen dazu angetan find, den gegenwärtigen Zeitpunkt als besonders geeignet erscheinen zu lassen (lebhafte Zustimmung rechts), eine Aktion in die Wege zu leiten, deren befriedigender Abs{luß doch zweifellos dadur bedingt ist, daß sie von der Zustimmung der großen bürgerlihen Pärteien dieses Hauses getragen wird. (Sehr gut! rechts — Zuruf bei den Sozial- demokraten: Doch die dringendste Aufgabe der Gegenwärt !)
Meinè Herren, am allerwenigsten \{heinen mir aber diejenigen Parteien, die überhaupt eine Wahlrechtsreform im Sinne der Thron- rede gar nit wollen, die ganz andere Absichten verfolgen (Zu- stimmung rets), ein Anreht zu haben, unter Berufung auf die Thronrede auf die baldige ÎJnangriffnahme der Wahlrechtsfrage hinzudrängen. (Sehr richtig! und Bravo! rechts) Es ift in der Tat eine eigentümliche Erscheinung, daß gerade diejenigen Parteien sich immer wieder auf die Thronrete berufen, die sh durch die in der Thronrede von 1908 angekündigte organishe Fortentwicklung des bestehenden preußishen Wahlrechts für nicht befriedigt erklärt haben, die vielmehr \{lechthin gegen den Willen und den Wortlaut der Thronrede die Einführung des Neichstagswahlrechts verlangen, (sehr richtig! und Brayo! rets) die immer wieder betont haben, daß sie nicht eher ruhen und rasten werden, (sehr rihtig! bei den Sozialdemokraten) bis dieses Ziel erreicht sei. (Wiederholtes sehr richtig! bei den Sozial- demokraten. — Lachen rechts.)
Meine Herren, noch eins! Darüber, daß die dauernde Agitation für das Reichstagswahlrecht, wie sie dur die immer wiederkehrende Einbringung der Wahlrechtsanträge der Herren Aronfohn und Ge- nossen betrieben wird, nur geeignet ist, der Wiederaufnahme der Wahl- rechtsvorlage Hemmnisse in den Weg zu legen (Widerspruch links — sehr gut! rechts), kann doch kein Zweifel bestchen. Meine Herren, denn daß der Zweck einer Wahlrehtsreform ganz wesentlich darin be- stehen muß, etne auf absehbare Zeit dauernde Regelung zu treffen, die geeignet ist, auch eine Beruhigung der dur die langjährige Agi- tation erhitzten Gemüter herbeizuführen, liegt doch auf der Hand. Wenn nun die Freisinningen immer wieder betonen, daß dieser Zweck nicht erreicht weiden wird, weil sie niht eher ruhen werden, als bis das von thnen verlangte weitergehende Reichstags- wablrecht oder noch radikälere Beslimmungen zur Durchführung gelangt sein werden, so fällt naturgemäß ein ret wesentliches Moment für die baldige Jnangriffnahme der Wahlrechtsvorläge fork. Uebrigens können die freisinnigen Herren Antragsteller sich meines Dafürhaltens auch nit darauf berufen, daß die däuernde Wieder- holung dieser Anträge geeignet sei, zu einem präktischen Erfolg nah dieser Richtung ‘hin zu führen. Das ist angesichts des Wortlauts der Thronrede und der wlieterholt von der Staatsregierung hierzu abgegebenen Erklärungen nicht wohl mögli. Un aber jeden Zweifel nach dieser Richtung hin zu bescitigen, möchte ih heute nochmals ausdrücklich aussprechen, daß die Uebernahme des Reichstägswahlrechts auf Preúßen nah wie vor für ‘die preußische Staatsregierung midt
Sgule entzogen werden könnte, von der Versammlung absehen; benn es würde ein unsäglihes Unglück über die Gemeinte herein-
lehtung eintréten zu lassen, und es ihnen zur kesonderen
in Frage kommen kann. (&bhzfter Beifal rechts.)
} olle anderen Vereine follen aber nicht politis sein.
gewiesen worden, um sie den Armen den Schergen auszuliefern.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Vor kurzer
Minister gegen Beamte die s{ärfsten Worte L E id Minitter \chüttct heute nur riftlihe Sanftmut über die Beamten die Verstöße aegen das Vereins- und Versammlungsrecht begangen haben: Der Minister stellt diese Verstöße nur dar als eine gott- wollte Abbänuigkeit von der menschlihen Schwäche und der zer- ständnislosigkiit für die Gesege, an die sie sich noch nicht baben ge- wöhnen fönnen. _ Immer und immer ist das ceterum censeo der e- gierung tie Bekämpfung der Sozialdemokratie; sogar der Verkehrs- minister hat neulih darin eine seiner ersten Aufgaben gesehen Feine Partei bat die Elemente und Grundzüge des Staates so erkannt, wie die Sozialdemokratie. Das Wesen der jeßigen Staatsgewalt ist nichts als die, brutale Crekution im Interesse der herrschenden Klasse, die Regierung ist im S{lepptau einer einzelnen großen Partei, als deren Beauftragte sie nur angesehen werden kann sodaß auch die bürgerliche Linke als Aschenbrödelbehandelt wird. Das moderne Preußen ist nichts anderes als das Preußen vor 50 und 100 Fahren, es gibt ketn inodernes Preußen, das ist ein Widerspruch in Tich ; man fann auf Preußen das Sprichwort anwenden: plus elle a changé lus elle est la même chose. Der Minister hat im vorigen Jahre erklärt, die Unterstellung der Freien Volksbühne unter das Nereinsgeseß sei kein unfreundlicber Akt gewesen, fondern aus reiner Ordnungéliebe erfolgt. Aber der Minister bestätigt diese Ordnungsl[iebe nur einseitig, wenn es den Kampf gegen uns gilt. Das Vorgehen des Kultusministers gegen den Berliner Volkschor zeigt in gleicher Weise wie nur das Bildungsbestreben des Volks bekämpft werden foll. Man geht darauf aus, alle Arbeitervereine für politis zu erklären, Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie Eer politischen Verein gestempelt, man trägt ihn in das Vereinsregister ein. Das ift wirklich, um auf die Bäume zu steigen! Der Bund der Landwirte soll ja au ein unpolitisher Verein sein, man beabsichtigt, den Deutschen Wehrverein ebenfalls für “ einen nichtpolitishen Verein zu erklären, Die Vereine, die die Königätreue, die Sie meinen, die die Vaterlandslièbe, die Sie meinen, pflegen, sind nicht politish, alle anderen politis. Es ist ein Grlaß ergangen, daß alle, die bereits eine gewisse Führerrolle in der Sozialdemokratie eingenommen haben oder agitatorisch tätig gewesen sind, der Militärbehörde gemeldet werden sollen. Auch in den Führungsattesten der Polizei, allerdings nicht in denen, die der Staatsbürger in die Hand bekommt, sondern in denen, die zum Gebrauch der Behörden bestimmt sind, befindet sich ein gedruckter Passus: „Ueber seine Person und Führung ist Nachteiliges nicht zur Kenntnis gelangt, auch hat er nicht an sozialdemokratischen Bestrebungen teilgenommen“., So wird durch geheime Konduiten- listen unter Umständen einem Manne das Genick gebrochen, ohne daß ihm der Grund bekannt ist. Das politishe Bekenntnis geht die Behörden aber gar nichts an, davon sollen sie thre Finger weglassen! Von den rusfishen Beamten werden fortgesegt die schwersten Ueber- griffe verübt. Wenn es sich um einen Deutschen in China oder jonstwo handelt, wird sofort cine große Expedition ausgerüstet ; —da ist das nationale Gefühl außerordentlich empfindlich. Warum nit, wenn es fsich darum handelt, gegen die Beamten Väterhens zu protestieren? Erst vor wenigen Wochen is} wieder eine 62 jäbrige Frau in Myslowiß verhaftet und -nach Nußland aus-
Ueber das Vereinsreht hat der Abg. Dr. Pachnicke {hon ret treffende Ausführungen gemaht. In der NRednerliste hat man den Abg. Pachnicke und mi hintereinander gescßt — der Abg. Pahnike mag verzeihen, daß ih ihn in einem Atemzuge mit meinem Namen nenne —, damit der nachfolgende Redner Abg. von Zedliß uns beide dann fris, fromm, fröhlih in die Pfanne hauen kann, damit er, wie ein Don Quichotte auf uns los- gehen kann. (Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Ich kann nicht dulden, daß Sie einen Abgeordneten als Don Quichotte bezeichnen.) Das didste Aktenstück in unserer Registratur betrifft das Neichs- hereinsgeseß. In der Nede des Ministers ist der Absolutis8mus inserer Bureaukratie gegenüber den Staatsbürgern in denkbar trâftigfler Weise “zum Ausdruck gekommen. Es wird wieder nach «inem Gesey zum Schuße der Arbeitswilligen gerufen, nah einem neuen Zuchthaus8geseß. Dieser Forderung segen wir ‘die Forderung wmd etnem Gefeß über den Schuß der persönlichen Freiheit ent- (egen. Das ist eins der nôtigsten Gesetze, die wir brauchen. In dem Fall des Gewerkschaftskassierers Schabel in Friedrihs- bey, der wegen Mordverdachts verhaftet worden ist, hat die fidtenberger Polizei einen \{chweren Mißgriff begangen. Der Polizeipräsident von Berlin sucht niht nur die Damen durch den Hutnadelerlaß zu entwaffnen, sondern auch die Zivtlbevölkerung durch das Verbot des Waffenverkaufs zu entwaffnen, während die Polizei in jeder Weise bewaffnet wird. Berlin steht ordentlih unter dem Velagerungszustand, in manchen Bezirken wirken die Shutzmanns- \atrouillen direkt provozierend mit ihrem Nevolver an einem 1chreiend gelben Gurt. Der Schießerlaß hätte, wenn er auf das Apachentum abshreckend hätte wirken follen, nicht als Geheimerlaß, sondern für die Oeffentlichkeit herauegegeben werden müssen. Der Minister hat sich mit der Verteidigung dieses Erlasses selbst geschlagen. Vei dem Streik im Nuhrrevier haben sih die christlihen Gewerk- shaîten als nichts weiter als gewöhnlihe Streikbreher erwiesen. (Der Redner geht sodann auf den Streik im Nuhrrevier ein und verliest eine ganze Reihe von Zeitungsberichten, darunter mehrere Berichte aus der „Rheinisch - Westfälischen Zeitung“. — Präsident Dr. Freiherr bon Crffà: Ste können doch unmöglich die ganzen Zeitungen vor- lesen !) Die Schußleute und das Militär sind herangerufen worden, um mit ihrer Plempe und mit den Maschinengewehren diese Streik- bieder zu s{chüßen. Der Minister hat fich bci der Inter- tellation über dèn Berga1belterstreik auf Hammerstein und ähnliche Polizeiterichte berufen, die ein duraus falsches Bild von den Zu- ständen im Nuhrrevier gegeben haben. Die weitaus größte Zahl der Velikte ist gegen stréèikende Arbeiter begangen worden. In Charlotten- burg hat eine Konferenz der Le stattgefunden. Welchen Zweck hat diese Konferenz gehabt? Will man da eine Gewerkschaft jur Wahrung der Standesinteressen gründen? Der Minister des vnnern hat die Beamten, die sozialdemokratish denken, als Eidbreher ind Lügner bezeichnet; derartige schwere Beschimpfungen hat er gegen die Beamten losgelassen, Er greift damit in einer verfassungs- widrigen Weise in die Verfassungsbestimmungen des Reiches ein. er Minister sucht die Beamten in gesez- und verfassungs8widriger
eise zum Bruch der Verfassung zu verleiten. (Präsident Dr. dreiherr von Erffa: Sie haben dem Minister vorgeworfen, daß fr in geseßz- und verfassungswidriger Weise gehandelt hat. Jch rufe le zur Ordnung! — Abg. Hoffmann (S0): Hat er qud getan!) Wenn ih ein Homer wäre, würde ich ein Lied von en Minister von Dallwig singen: „Singe mir, Muse, ein Lied a Zorn” des Herren von Dallwißz!“ Ja, der Minister von Lllwiß hat gesiegt in dem N den er gegen den sozialdemo- catischen Redakteur angestrengt hat. Jch wundere mih darüber, daß vir keinen Lorbeer um sein Haupt sehen. Der Minister von Dallwiß L von Eidbrechern, Lügnern und Heuchlern gesprochen; aber wie
in den Wald hineingeschallt hat, hat es hinausgeschallt. Der G tister ist zum Kadi gelaufen. Wenn man als Politiker die verihte anrujt, dann tut man es, um etwas festzustellen.
er hinzulaufen und zu erklären, man ist beschimpft worden, nahdem nan selbst geshimpft hat. Mein Gott! Die Glorie der preußischen Jegterung strahlt dreimal hell über diesen Sieg des Ministers von wig, (Ironische Rufe rets: Köstlih!) Wenn der Minister sich ine Hosen aufbügeln wollte, dann follte er lieber dazu beitragen, L wir eine ordentliche Reform unserer Verwaltung bekommen. vil ner Kern des Uebels liegt in dem Wahlrecht! Der Minister taeneit Grisapfel wegen des Wahlrechts zwischen die bürgerlichen A R werfen, er will als. Sammlungsnahtwächter an der Seite Sie dei Wsfanzlers figurieren. (Präsident Dr. Freiherr von Grffa: Von ürfen den Minister nicht mit einem Nahtwächter vergleichen !) f der Rechten sind Aeußerungen gefallen, die darauf {ließen
en, daß man cinen Konflikt ‘herbeizuführen wünscht, damit die
Tantah, je 2 (1) in Beni
Die „Deutshe Tages; a 31 e „Deutsch geszeltung" hat am 28. Februar 1912 Kaiser Vorwürfe gemacht, hat sich gegen: die Humanitätehoselci “ E und einen starken Mann gegen die Sozialdemokratie erlangt. Wie hat doch Herr von Heydebrand und der Lasa aus- gerufen: , „Dann wird unser Tag kommen!“ “Dann wird es lustig pugehen, ih glaube, Sie gehören zur Kavallerie, Herr von Heyde- n - Wir kennen ja das Raubrittertum. Natürlich, Sie Pit l danach, daß ein folher Tag kommt. Aber auch gegen die ganze reußische Verwaltung steht die Entwicklung nicht still, eun ie (rechts) sich auch unter dem Schuß der Kanonen und e noch fo sicher fühlen. Ste (rechts) sind verantwortlich für s E das Preußen in der Welt hat. Mos: Hammer: Gott e O !) | Das preußische Dreiklassenwahlhaus hat sih zum Spott E ganze gebildete Welt gemaht. (Präsident Dr. Freiherr v on S fa: I rufe Sie zum zweiten Male zur Ordnung und mache am E die Folgen cines dritten Drdnungbrufes aufmerksam !) Dl N en wird mehr und mehr zu einem Kinderspott für die ganze e a. _(Stürmische Unruhe im ganzen Hause. — Präsident S Freiherr von Grffa: Jch rufe Sie zum dritten Male zur T ARRO S Lebhafter Beifall. — Erneuter großer Lärm. — g. Dr. Porsch (Zentr.) ruft erregt : Unerhört, daß man sich so etwas gefallen lassen muß! — Abg. Hoffmann: Sie sind doch Jtarke Leute! — Fortgesegter Lärm.) E Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Der Vizepräsident r. Krause hat eine Stelle von dem Abg. Liebknecht nicht verstanden und ih vorbehalten, das Stenogramm“ einzusehen. Der Abg. Lk. Llebknecht hat nah dem Stenogramm gesagt: „Warum sehen Na Denn gar nichts von dieser mimosenhaften Empfindlichkeit unseres „rationalgefühls, des Ehrgefühls unseres Staates, wenn es sich handelt um das Verhältnis zwischen Deutschland und Nußland, das ist zwischen Deutschland und dem barbarischsten und verächtlichsten aller Staatswesen, die wir in Europa haben?“ Dazu hat der Abg. Ströbel den Zuruf gemacht: „Außer Preußen.“ Abg. Liebknecht, ich rufe Sle wegen dieser Beleidigung eines mit Deutschland be- [reundeten Staates zur Ordnung, und Abg. Ströbel, Sie erst ret, Ler Gie den traurigen Mut gehabt haben, das zu sagen, (Lebhafter Petfall rechls. Lärm im ganzen Hause. Lebhafte Rufe rets: Pfui! Abg. Hoffmann zum Präsidenten: Sie sollen die Ordnung auf- Vas Frbgiten! P 9ben en tungen Mut! E isdent Dr. Frel1- : von Erffa: Ich bitte Sie, daß Sie ruhig si as V hat der Minister des Innern.) 5 N
Minister des Jnnern Dr. von Dallwi t:
Meine Herren! Auf die Einzelheiten, die der Herr Abg. Ueb- knecht hier vorgebräht hat, einzugehen, liegt mir fern. (Bravo! rets.) Wenn aber der Herr Abg. Liebknecht, wie auch soeben durch die Ausführungen des Herrn Präsidenten bestätigt worden ist, folgenden Saß gesprochen hat: Rußland ist das barbaris{ste und verächtlidste aller Staatswesen, die wir in Europa haben, — \o lege auch ih namens der preußishen Staatsregierung (Abg. Ströbel : Und der russischen!) entshieden Verwahrung ein gegen einen solchen Angriff auf einen uns befreundeten Staat. Ich kann mit dem Ausdruck des lebhaften Bedauerns nicht zurückhalten darüber, daß etwas Derärtiges in einem deutschen Parlament ih hat ereignen können. (Stürmischer Beifall rechts — Zuruf bei den Sozialdemokraten: Geht Sie gar nichts an! — Pfuirufe rechts — Abz. Dr. Liebknecht: Diese intime Freundschaft !)
Präsident Dr. Freiherr v o : 9 Ströò sich durch meine Worte clfeciert fühlt p bat E vie cesdhAHo: ordnungêmäßigen Mittel dagegen. (Aba. Ströbel: Sie können mich vicht alterieren! — Großer Lärm rechts und Rufe: Unverschämt !)
Um 5 Uhr wird die Weiterberatung auf Freitag 11 Uhr vertagt.
Statistik und Volkswirtschaft.
Etin- und Ausfuhr etniger wtchtiger Waren in der Zeit vom 11. bts 20. April der beiden legten O
Einfuhr | “Ausfuhr im Speztialhandel dz = 100 kg
1912 | 22 260 8 925 1742
208 987
Warengattung
I9II I9II
1912 | 914641 118 338
15 733 Hanf, roh, gebrochen, ge- |
Baumwolle Flachs, gebrochen, ge- s{wungen usw, .
9385
9716 1867 chwungen usw. Jute und Jutewerg Merinowolle im Schweiß Kreuzzuhtwolle im Schweiß Eisenerze . . Steinkohlen Î Braunkohlen . . Erdöl, gereinigt (Brenn- und Leuchtöl), . , Chilesalpeter . A ftlen K fte; ‘ obluppen,Rohschienen, Rohblöôe usw. . . Träger, eiserne . Eisenbahnschienen . Straßenbahnschienen | - Gisenbabnschwellen M aus Eisen . i A E A 53 459 Féingold, legiertes Gold, Bäárren aus Bruch- UOID E 6,49/ 4) Deutsche Goldmünzen . 1,72 1,50 2,14 0,03 Fremde Goldmünzen . 0,14 0,08 0,66 0,13. Einschließlich: !) von eisen- oder manganhaltiger Gasreini un 8- masse, Ferrochanshlamm, Konvertershlacken, ausgebranntem Wiens haltigen Schwefelkies, ?) des FerroAuminiums, Ferromangans und anderer nicht schmiedbärer Eisenlegierungen, 2) der Eisenbäahnlaschen und -unterlagsplätten aus Eisen, ‘) ohne Barren aus Bruühgold.
Berlin, den 26. April 1912.
Kaiserliches Statistishes Amt. Delbrü.
9 513 90 632 29 829/
38846) 34004 344 37906191)2750991| 719770 513 563| 3 142 164/12 287 792 2400814 1841 600} 13800
195 206| 168 416 330641| 279735 25 220| ?) 29 184
3448 1 828 200 98
8 225 24 322 21914
994 218
522
192
1) 511 131
6 967 078, II 153
5 I 21 303 18 589 400:841/ 2) 192 269
63.685 92 127 31 786
869
6816 1492
83 152 72 938 56 084
8 143
32 747 2 306
2,36 1,17) 2,84
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.
Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.
(Aus den „Veröffentlichungen des Kaiserlihen Gesundheitsamts* Nr. 17 vom 24. April 1912.)
Pest.
Aegypten. Vom 6. bis 12. April erkrankten (starb F Personen, davon 11 (10) in Kuß, 6 (4) in Ae A uef und Minieh, 1 (1) in
tmittel gegen die Sozialdemokratie verstärkt werden können.
Assuan und 1 (—) in Senures.
Von dem nah Triest bestimmten österreickis#en Uo E Lloyddamx fer » Dregeni war in Suez am 26. März ‘ein in Bombay an pfer ge ommener indischer Neisender zweiter. Klasse, der Tags zuvor «n Pest erkrankt war, in das Lazarett ausgeschift worden.
Persien. Im Bezuk von Busch{är find vem 10. bis 16. März 32 Personen erkrankt und 24 gestorben ; die Seuche kat suöbelondete nah der 10 km von Buswtär en!fernten Ortschaft ( mamzadeh übergegriffen. Im ganzen haben \\ch bisher etwa “p anen Ju E en E impfen lassen.
. bi . März sin u \ch@ä
V 6 geftobem j n \chär 12 Personen erkrankt
Britisch Ostindien. Vom 3. bis 9. März erk i Indien 19145 und starben 16 608 Personen an dee Ge Boa bn Todesfällen kamen 7844 auf die Vereinigten Provinzen (davon 2944 auf die Divifion Benares), 3398 auf Bengalen (davon 90 auf die Stadt Kalkutta), 1906 auf die Zentralprovinzen, 989 auf das Punjabgebiet, 979 auf die Präsidentschaft Bombay davon auf die Städte Bombay und Karachi 36 und 76, auf die Zentraldivif ion 449), 618 auf Zentralindien, 379 auf den Staat Hyderabad (davon 205 auf die Stadt Hyderabad mit Dorstädten), 192 auf die Präsidentshaft Madras, 115 auf M a puta A er E CHO, 106 auf den Staat
„_/0C Qu ) i E 15 auf Sp» L a (davon 16 auf die Stadt NRangun) raits Settlements. In Singapore
9. Geuruar ae Su L bi Festgeftelt, ¿end
i m. In Bangkok sind i 2 i t 2 3 ean Vorgekommen. A a P
ongtong. Vom 11. Februar bis 9. März 30 ags P RE O und 27 R E rastiten. In Pernambuco sind in der zweiten Hälfte
des Januar 2 Personen der Pest erlegen, in Rio de l i 1 in der Zeit vom 4. bis 10. ebeiiar erkrankt. ate aa
G Cholera.
üUrftet. Zufolge Mitteilung vom 15. April it i ilaj
Adana, inébesondere in Adana selbst, die Cholera a Siam. Jn Bangkok sind vom 23. Dezember v. J. bis
2. März 414 Todesfälle zur Anzeige gekommen.
Gelbfieber.
Es gelangten zur Anzeige in:
Mexiko. Vom 17. bis 23. März 2 Erkrankungen in Merida;
Venezuela. Vom 1. bis 15. Februar 5 Erkrankungen (und 9 Todesfälle) in Caracas, vom 16. bis 19. März 1 (1) in Macuto und am 8. und 9. März 2 (1) in Maiquetia;
Brasi lten. Vom 26. Februar bis 2. März 5 Todesfälle in Manaos, vom 16. bis 31. Januar 1 in Pernambuco.
Po den.
Deutsches Net. In der Woche vom 14. bis 20. April wurden 16 Crfrankungen (davon 13 bei russishen Arbeitern) Fest. gestellt, und zwar 3 in Bochowsloos (Kreis Oberbarnim, NReg.- Vez. Potsdam), je 1 in Zoldekow (Srets Kammin, Neg.-Bez. Stettin), in Oschersleben (NReg.-Bez Magdeburg), in Bornstedt (Kreis Sangerhausen, Reg.-Bez. Merseburg), in Lambergholz (Kreis „Sonderburg, Neg.-Bez. Schleswig), in Leveste (Land- kreis Linden, Reg.-Bez. Hannover), in Northeim (Neg.- Bez, Hildeebeim), in Destrih (Kreis Erkelenz, Neg.-Bez. Aachen), in Dürrmenz-Mübhlaccker (Oberamt Maulbronn, Neckar- kreis), in Aue (Bez.-Amt Durlach, Baden), in Utphe (Kreis Gießen, Oberhessen), 2 in Klo ckfin (Waren, Mecklenburg-Schwerin) und 1 in Teschendorf (Neubrandenburg, Mecklenburg-Strelißz).
Für die Zeit vom 24. März bis 13. April find nachträglich (bei Ene fav n) E Arbeitern) aus Singen und 3
n Arbeitern) aus ohanni s Pur R Lene ÿ L esterreich. om 7. bis 13. Apri izi ‘T- Oen davon 1 in ver Sade 16 bay E weiz. Vom 30. März bis 6. i Ls Rae St. Gallen. E iam. n Bangkok wurden vom 23. Dezember v. F. bis 27. Januar 878 Pokentodesfälle gemeldet, vom 98. T bis
2. Marz 569. Vom 11. Februar bis 9. März sind in der Kolonie
wurden vom
S E: an den Pocken 261 Personen erkrankt (bav / Viktoria) und 196 gestorben. G E S
Fledckfieber.
Oesterreich. , Vom 7. bis 13. April “i ; :
Genidckstarre.
Preußen. In der Wote vom 7. bis 13. April find 6 Er- krankungen 0 3 Todesfälle) in folgenden L E sund Kreisen gemeldet worden: Landespolizeibezirk Berlin 1 [Stadt Berlin], Neg.-Bez. Arnsberg 2 (1), {Altena 1 (1), Bochum Stadt 1], Breslau 1 (1) [Breskau Stadt], Frankfurt 1 [Lands- berg SenS r A A Ie Land].
Ï errei. om 31. März bis 6. April i Brünn 1 Erkrankung. ) E edi
Spinale Kinderlähmung.
Preußen. In der Wohe vom 7. bis 13. April ist 1 E kranfung gemeldet worden im NReg.-Bez. a E S Bochum Stadt). teg.-Bez. Arnsberg (im Kreise
Verschiedene Krankheiten.
Pocken: Paris 1, St. Petersburg 2, Warschau 16 Todesfälle : Paris 3, St. Petersburg 19, Warschau (Kraukenhäuser) 24, Wien 1 Erkrankungen ; Varizellen: Budapest 41, New York 274, Wien 72 Erkrankungen; Fleckfieber: St. Petersburg 1 Todesfall; St. - Petersburg 12, Warschau (Krankenhäuser) 1 Er- krankungen; Milzbrand: Reg.-Bezirke Koblenz, Oppeln je 1 Todesfall ; Neg.-Bezirke Aachen, Breslau,® Koblenz je 1, Königs- berg 2, Lüneburg, Oppeln, Schleswig je 1 Erkrankungen; Fnfluenza: Berlin 4, Charlottenburg, Halle, Nürnberg, Budapest, (Edinburg, Kopenbagen je 1, London 9, New York 14, Ls 8, St. Peters- burg 5 Todesfälle ; Kopenhagen 47 Erkrankungen; Genidckstarre : Christiania 6, New York 2 Todesfälle; Christiania 14, Kopen- hagen 1, New York 6, Wien 2 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen ist an Scharlach (Durch- {nitt aller deutshen Berichtsorte 1895/1904: 1,04%) gestorben in Gladbed, Zabrze — Erkrankitngen wurden gemeldet im Landespolizei- bezirk Berlin 141 (Stadt Berlin 86), in Breslau 25, in den Reg.-Be- zirken Arnsberg 123, Düsseldorf 143, in Hamburg 45, Budapest 81, Christianta 26, Kopenhagen 23, London (Krankenhäuser) 119, New York 387, Paris 79, St. Petersburg 100,. Warschau (Kranken- häuser) 87; an Masern und Röteln (1895/1904: 1,10 %) ge- storben in Lutwigshafen — Erkrankungen wurden angezetgt in Nürn- berg 103, Budapest 61, Kopenhagen 80, London (Krankenhäuser) 54, New York 1289, Paris 628, - St. Petersburg 75, Prag 120, Sto- holm 53, Warschau (Kränkenhäuser) 454; an Keuchhusten gestorben in Betlin-Pankoro, Harburg — Erkrankungen katen zur Anzeige in Budapest 39, London (Krankenhäuser) 44, New York 61; Wien 26. Ferner wurden Erkrankungen gemeldet an iphtherie und Kru pp im Landespolizeibezirk Berlin 179 (Stadt Berlin 114), in den Neg.-Bezirken Arnsberg 113, “Düsseldorf 106, in “ Hamburg 51, E Wr On Rer) 6, New York 338, Paris 63, St. Petersburg 37, Wien 47; an us in Nen Paris 32, St- Petersburg 48. Es C D