1912 / 105 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 May 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Brofßhhandelspreise von Getreide an deutscheu und fremdeu Börseuplätzeu

für die W o ch e vom 22. bis 27. April 1912 nebst entsprechenden Angaben für dte Vorwoqhe 1000 kg in Mark.

(Preise für greifbare Ware, soweit niht etwas anderes bemerkt.) Woche 22.127.

April 1912

196,92 233,17 291,00

Da- gegen Vor- woche

194,42 228,50 200,75

Berlin. Roggen, guter, gesunder, mindestens 71 Wehen, é x Í 75

Hafer, , Mannheim.

Roggen, er, russischer, mittel : 211,25 Weizen, Pfäler E amerik, rumän., m Ms 228,75 193,75 185,00

205,63 2950,00 212,08 226,29 191,25 185,00

Hafer, E a ru ser, mee

; zer, mitte Gerste ( badisdhe utter-, mittel Mais, Galforx, mittel

190,69 218,66 184,76 194/93 174/59

189,91 217,88 186,52 194,99 171,26

aden Éhtiee Boden E Mals: ungarischer

179,92 204,08 181,37 167,38 164,50

176,94 2( 0,67 181,43 166,85 156,59

fte Futter- ; , FUlter- ats,

135,70

Noggen, 71 bis 72 kg das hl Welzen | 176,01

, Uka, 75 bis 76 kg das hl Riga.

71 bis 72 kg das hl

Noggen, Wekcen. 78 bis 79 kg das bl Paris.

aen | lieferbare Ware des laufenden Monats {

Antwerpen. Donau-, mittel

147,56

176,50 244,91

186,64 189,05

Weizen (

158,15 177,52 194,16 201,22 144,03

Roggen (

Odessa Weizen i amerikanischer Winter- Mais, amerikanischer, bunt

London. Weizen j E E } (Mark Lane)

Wetzen englishes Getreide, Haser j Mittelpreis aus 196 Marktorten te (Gazette averagoes)

Liverpool.

U L roter Winter- Nr. 2

Kurrachee Australier

183,65 179,17

172,05 161,60 168,84

195,19 189,54 180,38

173,49 159/12 152/63

Weizen |

Hafer, englischer, weißer... ....

Gerste, Futter-, Shwarze Meer- Mais, amerikanischer, bunt

173,22 165,47 159,89 128,43

Weizen, Lieferungsware | Mais ï

roter Winter-Nr 2... Vat Jul

180,39 178,97 173,00

Weizen | 168,48

Lieferungsware |

Buenos Aires. Weizen, Durchschnittsware

1) Angaben liegen nit vor.

158,98

Bemerkungen.

1 Imperial Quarter ift für die Weizennotiz an der Londoner A e = 504 Pfund engl. gerehnet; fr die aus den Um- äßen an 196 Mcxktorten des Königreichs ermittelten Dur \hnitts- preise für einheimishes Getreide (Gazette averages) ist 1 pertal

uarter Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfund engl. angese t; q Be 2 en 5 1 D A Negts = 56 Pfund engli), nd eng = / ; oggen = 2100, Weizen / by puibes 94 8) gg

Bei der Umrechnung der Preise in Reihswährung find die aus den enen Tagebangaben im „Reichsanzeiger“ ermi e wöchent- anen Eo selkurse an der Berliner Börse zugrunde gelegt,

war für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London

ool die Ku e auf London dür icago und Neu York die Kurse auf Neu York, für Odessa und iga die Rurse auf St. Peters- burg für Bs Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese läge. Pr se in Buenos Aires unter Berücksichtigung der Goldprämie.

Berlin, den 1. Mai 1912. Kaiserlihes Statistishes Amt. Delbrüdck. :

Dentscher Reichstag. 51. Sigung vom 30. April 1912, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Beratung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend die Fe st- stellung des Reichshaushaltsetats für das Nech- nungsjahr 1912, und zwar „Etat für das Reichskolonialamt“.

Abg. Dr. Waldstein Gori, Volksp.), in seiner 9Nede, deren Anfang in der gestrigen Nummer d. Bl. “mitgeteilt worden ist, fortfahrend: Das Kolonialinstitut in Hamburg sollte möglichst gefördert und ihm eine möglichst große Zahl von Schülern zugeführt werden. Da noch andere Redner aus meiner Fraktion ‘\prechen wollen, so will ich mir Beschränkung auferlegen und nur wünschen, daß der Staatssekretär von seiner Neise nah den Kolonien dem O Volke recht viel Schónes mitbringt. Der Abg. Henke wird nach meinen Ausführungen vielleicht behaupten, ih f ein Imperialist. Streben nah Machterweiterung und einer Weltstellung unter Zurückdrängung der berechtigten R anderer ist doch roohl Imperialismus. Glaubt der Abg. Henke, daß Holland ein solches Bestreben gehegt, daß Lüderiß und Bismark solche Neigungen gehabt haben? Phantastishe und imperialistishe Neigungen werden Bis- marck au die Sozialdemokraten nicht vorwerfen können, er hatte höchstens weltwirtshaftlihe Pläne. JImperialistishe Pläne sind eine Frucht der n LAA en Zeit. Der Abg. Henke hat die jeßige Stellung der* fortschrittlihen Volkspartei zur e ange- griffen, weil sie ihre Stellung verändert habe. Wir leugnen diese Aenderung nicht und shämen uns ihrer nicht, aber wir bestreiten, daß wir eine „pringipielle Aenderung unserer Stellung vorgenommen hätten. Eine Conquistadorenpolitik wollen wir nicht. Daß die jeßige Kolonialpolitik eine vorwiegend M el oe Tendenz habe, muß be- stritten werden. Es wird im Gegenteil oft beklagt, daß sih so wenig Kapitalisten an den Kolonien beteiligen. Ein großer Teil der Er- lôse aus den Diamanten is nicht in die Taschen der Unternehmer, sondern des Fiskus geflossen. Daran müßten Sie von der äußersten Linken ihre Freude haben, niht weniger als 33!/, % vom Brutto- betrage hat der Fiskus genommen. Der Abg. Henke fragt, wie kommen wir dazu, den. Negern unsere Kultur „aufzudrängen“? Noch auf dem Internationalen Parteitage in Stuttgart hat der Genosse Bernstein eine ganz andere Sprache geführt, er sagte, wir brauchen die Kolonien. Eine entsprechende Resolution wurde allerdings von einer internationalen Mehrheit, die aus Kroaten, Slavoniern und anderen interessanten Völkerschaften bestand, abgelehnt. Hoffentlich nt es den Freunden des Abg. Bernstein, in ihrer Fraktion die Mehrheit für ihre Anschauungen zu gewinnen. Eine quie Kolonial- politik ist von jeher die Forderung des fortschrittlichen Liberalismus gewesen, denn fie ist eine Frage der Kultur. Es sind E und aber Hunderte von Kapital in die Kolonien hineingesteckt worden, Tausende von Soldaten sind in den Kolonien gefallen. Daran kann man nicht vorübergehen, und wenn der Abg. Henke einmal dur eine Fügung des Schicksals Kolonialminister werden sollte, heute ist ja alles möglich, dann wird er sih wohl hüten, die Kolonien an den Meistbietenden zu versteigern. Die Engländer denken über den Wert ihrer Kolonien ganz anders als der Abg. Henke. Die Sozialdemo- kraten sind in ihren politishen Auffassungen die fonservativsten, aber die Macht der geit wird hboffentlih auch bei ihnen eine Umkehr zu- wege bringen. Bei thnen vollzieht sih eben die Umwandlung lang- samer als bei anderen Parteien. Wir wünschen ihre Mitwirkung, denn sie könnten manches in der Kolonialpolitik mit uns so umge- aen, wie wir es wünschen. Auch wir wünschen eine fortschrittliche tolonialpolitik. E

Abg. von Liebert (Np.): Auch 5 habe mich zunächst mit der ershütternden Rede zu beschäftigen, die gestern die Debatte eingeleitet hat. Jh möchte wohl die Gesichter sehen, die heute die Bremer gemacht haben, wenn sie die Rede ihres Vertreters in der „Weser-“ oder „Bürgerzeitung" lesen. Ich möchte meinen, daß selbst die Bremer Arbeiter die Anschauung haben, daß wir Kolonien brauchen und sie entwideln müssen. Vor allem aber hätte sih doch der vis Henke in Uebereinstimmung mit seinen eigenen Parteigenossen halten sollen. Bernstein sagte nah der Reichstagswahl von 1907, die deutschen Kolonien seien nicht ertragsunfähig, sie würfen h jebt Profite ab und könnten noch viel ertragsfähiger gemacht werden; an einer anderen Stelle sagte er, pr E nicht prinzipielle Gegner der Kolonialpolitik; gegen die rohe Methode der Valivalhnis in den Kolonien haben wir uns stets gewandt. Auch der „Vorwärts“ hat einmal ausgesprochen, daß die Kolonialpolitik dazu dienen könne, den Zusammenbruh des heutigen wirtschaftlihen Systems noch längere eit hinauszuschieben. Also Sie (zu den Sozialdemokraten) be- kämpfen diese Politik, weil. sie nicht in Ihr System paßt. Auch Hue hatte noch 1m Herbst 1911 ausgesprochen, daß die deutschen Arbeiter keineswegs grundsäßlihe Gegner der Kolonialpolitik seten oder sein könnten, nur müsse man stets gegen Kolonialpolitik à la Peters sein. Ueber das „Wie“ läßt sich reden; heute, nah mehr als 20 Jahren, kann niemand mehr der L Kolonialverwaältung ähnlihe Vorwürfe machen, wie sie damals vielleiht gerechtfertigt waren. Gndlich führe ih Gerhard Hildebrandt an, der sih entschieden ür Kolonien aussprah, auch als er noch der sozialdemokratishen is angehörte. An der Bremer Baumwollbörse hätte doh der Vertreter der Stadt Bremen erfahren können, wieviel Baumwolle wir schon in unseren Kolonien bauen; wir haben dabei mit der großen Schwierigkeit der zwei Regenzeiten in unseren tropischen Kolonien zu rechnen, während die anderen Baumroolle produzierenden Gebiete wie Aegypten und Nordamerika, O Charakter tragen. Neben der doppelten Negenzeit beste M uns die große Schwierigkeit der abelterbelGasiung, Sehr merkwürdig war auch der Vorstoß des bg. Henke gegen die Missionare. Der Islam wendet sih ant die niederen Instinkte des Menshen. Jch kann aus eigener Erfahrung S daß kein Missionar beider Konfessionen Zumutungen wegen Gestattung der Vielweiberei nachgegeben hat; immer haben sie wider- standen und den heidnishen Gebräuchen keine Konzessionen gemacht. Unsere Kolonien stehen jeßt leider im Zeichen des Gouverneurwesels. Wir müssen dahin streben, daß die Gouverneurstellen in festen Händen erhalten werden, denn die Person des Gouverneurs bedeutet mehr oder minder ein System. Der lebte Gouverneur von O war 6 Pte dort; hoffen wir, daß der noch in jungen Jahren stehende, der jéßt hinausgeht, 10 Jahre dort bleibt. Dem bisherigen Gouverneur von Nechenberg verdanken wir sehr viel; unter seinem Regime ist die Kolonie großartig entwidelt worden. Es ist ein Antrag gestellt worden, daß die Beamten draußen länger im Amte bleiben sollen, ihn kann ih nur unterstüßen. Das gilt ganz besonders für die tro ischen Kolonien, in denen die Beamten Gelegenheit haben müssen, sih zu akklimati- sieren. In Ostafrika wird in zwei Jahren die Lokomotive den Tan- ganjikasee erreihen. Gs muß aber dann für Zufuhrstraßen gesorgt werden. Ganz besonders muß Uhehe durch eine Bahn aufges{lossen werden, oder wir müssen endlih zum alten Projekt der Südbahn zurückehren. Der dortige Aufstand hat uns gelehrt, daß wir dort noch nicht wirklihe Herren sind. Eine Bahn nah dem Niassasee würde große, prächtige und fruchtbare Gebiete aufs esen, Als wir mit dem Bahnbau A benußten wir zuerst Holzschwellen. Da fi bon den weißen Ameisen zerstört wurden, gingen wir zu Cisen- chwellen über. Jeßt aber hat eine Berliner Firma imprägnierte Holzschwellen hergestellt, die drei Jahre in der Erde vergraben waren, ohne sih zu verandern. Vielleicht lassen sih so die großen Holz- bestände unserer Kolonien verwerten. Dieses Verfahren sollte man demnah mehr ins Auge fassen. Der preußishe Eisenbahnminister hat son erklärt, daß er die Verwertung tropischer

ölzer dafür in Deutschland len würde. Er uh verspro j |

) n, nach dieser Nichtung hin ist der Einfluß

der indishen Kaufleute in Ostafrika.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsezung der zweiten .

mitnehmen. Da kann vielleiht durch eine Erhöhung der Gewerbesteuer und Erschwerung der ret Ab- hilfe geshaffen werden. Vielleicht gibt uns der Staatssekretär Auf- \luß,- ob die Nee ene und besonders die Anwerbung end- lich geregelt L auch ob die Pflanzungen genügend mit Arbeitern ver- chen sind. an darf dabei jedoch mt unsere Verhältnisse in Be- raht ziehen, da der eger ja an ganz andere Lebensbedürfnisse ge- wöhnt ist. So liebt er die dunkle Hütte, um gegen die Sonnen- strahlen geshüßt Wn Pflanzer, die die Peitshe handhaben, gibt es niht mehr. Sonst würden sie ja gar keine Arbeiter mehr be- kommen. Vielleiht erfahren wir cut etwas darüber, ob die

dwierigkeiten des Bodenerwerbes jeßt weniger groß sind. Doch müßten die Formalien immerhin tod abgekürzt werden. Besonders ist es zu beklagen, daß der Neuangekommene, der sih Land kauft, so \hwer Kredit findet. Es R fast unmögli, auf sein Land Geld zu bekommen. Daß das Gouvernement dafür feine Verantwortung übernehmen will, kann ih verstehen. Doch kann viel geschehen, um den Ansiedlern das neen zu erleihtern. Das kann schon be- ginnen mit der Abfahrt der Kolonisten von der alten Heimat. Durch Besichtigung einer Musterfarm könnte den Ansiedlern ein gutes Bei- e gegeben werden. G möchte deshalb Been, wie es mit der tusterfarm am Kiliman ans steht. Der Antrag auf Abschaffung der Hausfklaverei findet bei mir warme Unterstüßung. ) weiß aber selbst, wie die Sache langsam vorwärtsgegangen it Wir sind damit richtig verfahren. Jch glaube aber nicht, daß die Zahl der Haussklaven noch so groß ift, wie wir hier ehört haben. Es ist aber zu überlegen, ob wir den Termin nicht d weiter hinaus\chicben En Es sind eben zu große Schwierigkeiten zu überwinden, die ‘eute M erst an die Frelheit gewöhnt werden. Die Klagen über ju biel Beamte und Truppen in Südwestafrika sind Klagen, dic in ise nicdt jo s immer vorkommen. Jch sehe die dortigen Verhält-

nach e shicken oder ses

nisse nicht so shwarz an. Von den Eisenbahntarifen sind wunderbare Dinge erzählt worden. Der Eisenbahnbau in Südwestafrika dürfte als Oen betrachtet werden. Vorläufig handelt es sih darum, das Cisenbahnneß auszunüßen. Zu wenig von den Farmern gepflegt wird die Straußenzucht: s sollte eine Musterfarm für diese Zucht eingerichtet werden. Was Kamerun betrifft, so tritt der Widerpart von Nord- und Südkamerun immer noch rf hervor. Es wird be- hauptet, die Trace der Mittellandbahn ware verfehlt, sie wäre besser in das mittlere Kamerun hinein zu verlegen, um S wirtschaftlich A Reh: Auf der anderen Seite wird eine Südkamerunbahn verlangt. Dagegen werden die unglücklichen Landungsverhältnisse ins eld geführt. Gin Wasserbauingenteur hat Aufstellungen gemacht, die die Sache jeßt günstiger erscheinen lassen, daß dort Lan vou ras) an- gelegt werden können. Was die Angliederung der von Frankreich abgetretenen Kongoteile betrifft, so Labn sachverständige Firmen mitgeteilt, daß die Abgrenzungskommissionen eine sehr \{wierige Auf- gabe haben würden. Es müßte vor allem das Verbot des Handels mit Pulver ausgesprohen werden. Den Handelsfirmen wird vorge- worfen, daß sie Raubbau trieben und das Land verwüsteten. Sie haben aber das größte Interefse, Kautshuk anzupflanzen. Sie be- grüßen deshalb die Kautshuk- und Kakaoinspektionen. Das würde dem Naubbau entgegentreten. In der Budgetkommission wurde cin Antrag gestellt, in Ostafrika die allgemeine Schulpflicht einzuführen. Das is unmöglich. ar tun ja alles, um die Neger fkulturell zu fördern, wir stehen darin allen Nationen voran, aber alles läßt si nicht auf einmal durhseßen. Denken Sie doch daran, wie lange es gedauert hat, bis bei uns die allgemeine S ulpflicht duraefübrt worden ist. Auf der jeßigen Stufe muß dem Neger zunächst Religion eingepflanzt und er zur Arbeit angehalten werden. Ih wünsche eine stärkere Unterstüßung der Kolonialschule in LOLa ten, Seit 1899 hat sie 555 Schüler aufgenommen und */; mit Anerkennung entlassen: es kommt da besonders Se Gharakterbildung und die Selbstzucht der Schüler an. Den Schülern müßte statt 300 % 500 X auf den Kopf bewilligt werden.

Abg. N os ke (Soz.): Nach dem Programm des Vorredners hätten arme Leufel in den Kolonien nichts zu suchen, Bildung brauchen die Neger nicht, sie müßten zur Arbeit angehalten werden. Gs ist dem Abg. Henke der Vorwurf gemaht worden, er hätte Ge- heimrat Zoepfl fals zitiert. Das muß ich entschieden bestreiten. Abg. von Liebert hat sich nicht einmal die Mühe genommen, die Denkschrift zu lesen, denn nach der Denkschrift kommen in den Kolonien doch recht \{chlimme Dinge vor. Er hat bestritten, daß in Ostafrika geprügelt wird. Der frühere Staatssekretär Dernburg hat dies früher widerlegt. Der Abg. Liebert berief sih darauf, daß der Hauptvorteil von dem Diamantenerlö8 dem Fiskus zuflösse. Dieser Fiskus ist aber der südwestafrikanishe, die Reichskafse hat davon nichts. Auf Neukamerun einzugeben, halte ih für verfrüht. Das Land ist ja von uns noch nit einmal in Besiß genommen. Wir haben uns in der Budgetkommission den Kopf zerbrochen, wie die Kolonien billiger zu verwalten sind. Da ist es merk- würdig, wie die Abgg. Liebert und Waldstein nah mehr Bahnen rufen. Daß eine raschere Ershließung und Verwertung der Schut- gebiete dadurch_ erreicht wird, soll nicht bestritten werden. Heute sind die Schußgebiete {hon bis an die äußerste Grenze ihrer Belastungfähigkeit bepackt; ja in Südwestafrika ist man mit den Bahnbauten jogar schon über diese Grenze hin1usgegangen. Das Reich aber hat bei feiner Finanzlage gar kein Interesse, mit seinen Mitteln einzugreifen. Der Abg. Erzberger will zwischen Henke und mir oder Ledebour einen Unterschied zu Henkes ungunsten erkennen. Viel näher scheint mir der Hinweis darauf, wie verschieden der Nbg. Grzberger im „Tag“ über den Kolonialetat schreibt, und wie er hier über ihn redet. Im „Tag“ hat er \{charf Kritik geübt und für größte Sparsamkeit plädiert; im Plenum war davon gar keine Rede mehr, da fam er zu einer Lobrede, die zu seinen \hriftstellerishen Aeußerungen in drastishem Gegensay stebt. Unsere Partei hat si grundsäßlich gegen die kapitalistische Kolonialpolitik ausgesprochen; wir haben an ih gegen eine wirklihe Erschließung kulturell rückständiger Länder nihts. Auch der Abg. Erzberger würde Kiautshou niht zum zweiten Male pachten; aber „wenn wir jeßt einpackten, late uns ja die ganze Welt aus, deéhalb müssen wir drinbleiben“, sagt das Zentrum. In der Kommission ist bon der Lage unserer Kolonien cin wahres Jammerbild entrollt worden. Daß der Abg. Henke gerade als Vertreter Bremens ganz anders hätte reden müssen, ist ein Verlangen, das durch die Entscheidung der Bremer Wählerschaft, die den bewilligungslustigen Abg. Hormann hat dur{hfallen lassen, nicht erehtfertigt wird. Der Nationalwohlstand ist durch die deutschen olonien nicht um einen Pfennig gebessert, ja er ist dadurch nat- weislih geshädigt worden. Wir haben annähernd tausend Millionen in unsere Kolonien hbineingesteckt; der Verkauf deutsher Jndustrie- produkte nah denselben erreiht nicht entfernt diesen Betrog. 600 Millionen Mark guten deutschen Geldes sind nah Südwestafrika gegangen; 8000 Invaliden haben wir dafür zurückbekommen; ift das eine wesentliche Verbesserung des deutschen Nationalwohlstandes? Von den Bemühungen wegen f NCGeNNKOO der Kriegskosten in Südwest ist es neuerdings ganz still geworden, obwohl der Abg. Erzberger vor zwei Jahren in diesem Punkte einer der stärksten Rufer im Streit war. Das ist die Folge einer Denkschrift, in der uns die Regierung nachzuweisen versucht, daß noch nie eine Kolonie dem Mutterlande solche Kriegskosten erstattet habe. Das Mutterland hat also alle- mal das Vergnügen, große Aufwendungen für die Kolonien zu machen, ohne etwas davon zurüczuerhalten, das ist die Quintessenz der Denk- schrift, die sih dafür auch noch auf eine Reibe von Autoritäten beruft. Sollen wir nun etwa kolontalbegeisterter sein als das Kolonialamt? Die Denkschrift führt den unwiderleglihen Beweis, daß von den Kolonien niht das Mutterland, sondern nur einzelne Kapitalisten Vorteil haben, daß vor allem die deutshe Arbeite chaft davon keinen Vorteil hat. die

„* „Himmel ist hoch und Zar is weit“.

erregt, und was zur Förderung der Baumwollzucht bisher gesehen ues ist mit Zustimmung unserer Fraktion geshehen. Die Kommission hat fich au diezmal wieder von einer weitgehenden actes auf den neuen Staatssekretär leiten tafsen, sie drängt niht auf Reformen, sondern gibt ihm Frist. Dieje. Nachsicht ist außerordentlih weit- ehend, möge der neue Herr im nächsten Jahre uns nicht enttäuschen. er Staatssekretär will den Beamtenapparat des Kolonialamts ver- ringern, indem ein Teil der Arbeiten an die Gouvernements abgegeben wird. Aber hierdurch kann leiht die Zahl der Beamten in den Kolonien noch vermehrt werden. Und sie ist jegt {hon außerordentlich groß. Jeßt nah 24 Jahren wohnen in unseren Schubgebieten 91 667 Weiße, darunter nur 14 000 erwerbsfähige Vtänner über 15 Jahre. Ihnen stehen 4118 Beamte gegenüber. Wenn die Bahnen erst fertig sind, dann wird das Beamtenheer sowieso noch eine große Ver- mehrung erfahren. Nun sollen diese Beamten und Aerzte au für die Eingeborenen da sein. Das geschieht aber niht, um die Kultur zu fördern, sondern nur, um die Eingeborenen erst brauchbar als Aus- beutungsobjekte zu machen. Es ist ausgeschlossen, daß etwas Aehn- lihes an Beamtenwirtschaft in den Kolonien irgendeines anderen Landes besteht. Dazu kommt noch, daß zwischen Beamten und Zivilisten besonders in Südwestafrika eine große Entfremdung herrsht. Jch habe hier bei uns sehr liebenswürdige Beamte kennen gelernt. Es ist nun wunderbar, daß diese in den Kolonien so leiht aus der Nolle fallen. Wie muß da das Klima wirken? In einer Reihe von Zu- schriften sind mir allerlei Beschwerden aus den Kolonien zugegangen. Wenn auch nur ein Teil davon wahr ist, so ist das arg genug, und es muß mit eisernen Besen dazwischengefahren werden. Die Schuß- ebiete sollen ja so gefördert werden, daß fie ihre Verwaltung felbst Faabtéen können. Das ist aber leider niht überall der Fall. An- gesichts der geringen Zahl deutscher Volkëgenossen, die hinausgegangen sind, ist doch der Neichszushuß für alle Kolonien von 28 596 400 erschreckend hoh. Man sollte deshalb die Ansiedler lieber hierher zurückfommen und als Nentiers leben lassen, dann bleibt das Geld wenig- stens im Lande. In Wirklichkeit sind die Ausgaben aber noch viel höher. Es ift ja schr interessant, daß zwischen Nauen und Kamerun funken- telegraphiert wird, aber einstweilen ist das ein sehr kostspieliges Ver- gnügen. Die gesundheitlichen Zustände in den Kolonien sind nah den eigenen Angaben der Verwaltung s{limmer, als wir gedacht haben. Mit solchen Schwindeleien wie 1907 wird man uns nicht mehr kommen. Sehr einflußreihe Herren legen sich dafür ins Zeug, daß Ostafrika möglihst rasch besiedelt wird. Es wäre geradezu frivol, eine größere Anzahl von kleinen Siedlungen dort ins Leben zu rufen, nachdem feststeht, daß die Be- amten dort nah kurzer Zeit kaput werden. Man beruft sich immer auf die Zunahme des Handels in den leßten Jahren. Cin sehr großer Teil unserer Einfuhr if aber auf Cisenbahnmaterial zurück- zuführen. Der englishe Handel aus den Kolonien hat mehr zu- genommen als der deutshe. Dies gilt besonders von Kamerun und Neuguinea. Ven dem Kuvfer aus den Otaviminen in Südwest- afrifa geht nur der kleinste Teil nah Deutschland, in der Hauptsache geht es nah Nordamerika. Darüber befand fih fogar ein Mann wie von Lindequist in Unklarheit. Der Abg. Erzberger glaubte P gestern über die Darlegungen meines Freundes Henke lustig machen zu können. Ein Liter Bier ist ja nicht s{limm; aber dabei läßt man es in den Kolonien niht bewenden. Eine ganze Anzahl un- liebsamer Vorkommnisse in den Kolonien is auf Alkoholerxzesse zurückzuführen. Zu den übelsten Erscheinungen gehört die Ver- seuchung der Eingeborenen durch Fusel, und es is zu bedauern, daß es nicht gelungen ist, Frankreich zu einem s{chärferen Vor ehen gegen den Alkohol zu bewegen. Deutschland sollte selbständig vorgehen. Gestern sprah der Abg. Henke davon, daß das Groß- fapital den Kolonien ein verhältnismäßig geringes Interesse entgegenbringe. Der Abg. Erzberger berief \sich auf einen LUndsmann , der, ih weiß niht wteviel , hineingesteckt hätte. Daß einzelne Rear das tun, haben wir nicht bestritten. Die Großkapitalisten haben fich auf Gründungen beschränkt und darauf, ihre faulen Aktien den kleinen Leuten aufzuhalsen. Das kann niemand bestreiten, der die Börsenberichte verfolgt. Zu den Leuten, die einen folhen faulen Baumwollgründungsaufruf unterschrieben haben, gehört auch der Generalleutnant und Rei stag8abgeordnete von Liebert. Er hätte Anlaß gehabt, darauf hinzuwirken, daß nicht uneifahrene Leute um thr Geld gebracht werden. Wir Soztaldemokraten haben die Aufgabe, unsere warnenden Stimmen zu erheben. Ein anderer NReichstagsabgeordneter hatte fih für die Marmorgesellshaft in Südwestafrika ins Zeug gelegt. Unsere Arbeiter haben in den tropishen Gebieten keine Arbeitsgelegen- beit. Mit den Arbeitern, die nah Südwestafrika gegangen sind, hat man Schindluder gespielt. Die Arbeiter sind von dem Kapital geradezu begaunert worden. Ste haben Haare lassen müssen _und all ihr Vertrauen teuer bezahlt. Zu bedauern ist, daß in Kamerun wieder Kriegszüge gegen die Schwarzen unternommen worden sind. Daß bedeutende Mittel zur Bekämpfung der Schlafkrankheit in den Etat eingestellt worden sind, ist zu begrüßen, aber wir machen damit nur unvollkommen das gut, was wir in den Kolonten durch Zusammen- schießen der Schwarzen gesündigt haben. Der Abg. Crzberger hat mit keinem Wort die Rechtsprechung gegenüber den Eingeborenen fritisiert. An der Barbarei in der Rechtspflege hat sich seit 1910 nichts geändert. Im Gegenteil, es ist noch eine weitere Verböserung aus dem Bericht festzustellen gewe]en. Gine große Zahl von Gefängnitstrafen ist nämlich in Ost- afrika verhängt worden. Die Handelskammer in Südkamerun hat diese große Zahl der Gefängnisstrafen darauf zurückgeführt, daß man eine möglichst große Zahl von Arbeitern für Wegebauten haben wolle. Gewiß ist in Ostafrika die Zahl der Lrdge raten geringer geworden, dafür ist aber die Prügelstrafe als Neberstrafe öfter verhängt worden. Wir sehen es nach wie vor als Schimpf und Schande für die deutshe Kultur an, daß sie von diesem Erziehungsmittel einen so häufigen Gebrauch maht. In Kamerun nahm die Zahl der ver- bängten Prügelstrafen nah dem Bericht um „nur“ 2609/0 zu. Der ukünftige Gouverneur von Togo, Herzog Adolf zu Medcklen- urg, hat sich in einem Vortrag in der Berliner Gesell- haft für Erdkunde darüber beklagt, daß man nicht Zwangs- mittel anwenden dürfe, um den Eingeborenen zu zwingen, Lebens- mittel zu liefern; auch sonst hat der Herzog in jenem Vor- trage Anschauungen bekundet, die uns veranla jen, dieser Kolonie und den Vorgängen daselbst in der näcsten Zeit unsere besondere Aufmerksamkeit zu \{chenken. Der Resolution wegen Abschaffung der Haussklaverei stimmen wir zu. Der Abg. von Liebert verlangte von der Verwaltung Auskunft, wie die Arbeiterbeschaffung geregelt werden soll. Eine Anzahl der seit dem vorigen Jahre in dieser Beziehung erlassenen Vorschriften sind gar nicht übel; denno blüht auf diesem Gebiete der Schwindel, den die Auebeuter mit der Arbeitskraft der Neger treiben; es gilt eben auch dort das Wort : Die Löhne, die auf den Plantagen gezahlt werden, sind einfah erbärmlih. Die Berichte der Arbeiterkommifsare aus den einzelnen Schutgebieten sollten uns vor- gelegt werden, allerdings nit fo zusammengestußt und verhunzt wie die der preußishen Gewerbeinspektoren. Bei den Bahnbauten in Ostafrika scheint es hinsihtlich der Arbeiterbehandlung noch leidlih menschlich zugegangen zu sein; geradezu mörderish aber muß es damit in Togo zugehen, wie ih selbst aus dem Berichte erkennen läßt. Wenn die Lage der Eingeborenen gehoben werden soll, darf nicht nah dem Nezept des Abg. von Liebert verfahren werden. Kom- plizierte Arbeitsmaschinen, wie sie der moderne Betrieb erfordert, können nit durch ungebildete, unkultivierte Neger gehandhabt werden. Man darf also das Schulwesen nicht in die Ecke, sondern muß es in den Vordergrund stellen, Die Regierung hebt ja selbst hervor, daß der Neger durhaus bildungsfähig sei; das Schulwesen den Missionen über-

gegeben und daneben der Wahrnehmung, daß die Missionare viel- jah aus ihren bürgerlihen Anschauungen heraus den Arbeitgebern weit mehr zur Seite stehen als den Negern. Troß unserer grund- säßlichen Ablehnung der heutigen Kolonialpolitik werden wir nah wie vor dahin arbeiten, daß mehr als bisher in unseres Schuß- gebieten die Gerechtigkeit und die wirklihe Kultur ¿zur Geltung

kommt.

Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf: Meine Herren! Bevor ih dazu übergehe, mih zu den einzelnen

Ausführungen der Herren Vorredner zur Generaldebatte zu äußern

und die einzelnen Fragen zu beantworten, die an mich gerichtet sind,

möchte ih eine allgemeine Betrachtung vorausschicken. Kein

allgemeines Programm! das würde ih nicht für rihtig halten und

auch nit für nötig. Nicht für richtig: um dadurch nicht in dem

hohen Hause sowie außerhalb den Anschein zu erwecken, als ob bei

dem heute von verschiedenen Rednern beklagten häufigen Wechsel im

Kolonialamt auh zugleich ein Wechsel des Systems und des Pro-

gramms Plah greifen müßte; und nicht nötig, weil tatsächlih

ein Programmwechsel nicht Play gegriffen hat. Denn das

Programm, wie es meine beiden Herren Amtsvorgänger fesigelegt haben, und zwar mit Zustimmung dieses hohen Hauses festgelegt haben, ist auch mein Programm, und ich werde mich bemühen, inner- halb des Rahmens dieses Programms die Schußtzgebiete fo zu fördern

wie es in meinen Kräften steht. (Bravo! rechts und bei den National- liberalen.)

Diese allgemeine Betrachtung, meine Herren, beschränkt fich ledig- lih darauf, Ihnen darzutun, wie ich das Verhältnis des von mir ge- führten Amts dem hohen Hause gegenüber auffasse oder vielmehr derjenigen Politik gegenüber auffafse, wie fie in diesem hohen Hause vertreten und in Parteiungen gruppiert ist und sich historisch in den Bundesstaaten und im Reiche entwickelt hat.

Wenn ih die Organisation und die Tätigkeit der Kolontalver- waltung in Vergleih ziehe zu der Organisation und Tätigkeit der übrigen Reichsämter, so finde ih einen erheblichen Unterschied, denn während die übrigen Reichsämter jedes für sih ein besonderes, umschriebenes Ressort bildet und alle zusammen eine all- gemeine Landesverwaltung, so is das Kolonialamt für sich selbst allein eine allgemeine Landesverwaltung (sehr rihtig! rechts), nur mit dem Unterschied, daß sich diese Verwaltung auf Länder bezieht, die niht in Deutschland liegen und die mit der Entwicklung Deutschlands historisch und geographisch in gar keinem Zusammenhang stehen. Deswegen, meine Herren, will es mir nicht richtig ersheinen, wenn wir ohne weiteres die Parteibestrebungen, wie sie hier grupptert sind, auf die Schußz- gebiete übertragen. Jch bin überzeugt, wenn die Schußgebiete {hon so: weit wären, daß sie ein eigenes Parlament hätten, daß dann die Interessen und die Bedürfnisse des Schußzgebietes in diesem Kolonial- parlament ganz anders gruppiert wären wie in diesem hohen Haus. Ich habe deswegen \tets bedauert, daß sih an der Wiege dieses Amts die heimische Politik gleihsam als eine bôse Fee ungeladen eingestellt hat. Es wird mein Bestreben sein, die Kolonialverwaltung aus den Fittichen dieser bösen Fee herauszuführen, und ich bitte Sie, daß Ste mich darin unterstüßen. i

Wenn ih meine, daß die einzelnen Kolonien kein Tummelplaß sind für die Betätigung von Parteiinteressen, so glaube ih, daß unser gesamter Kolonialbesiß ein weites, reihes Feld bietet für die Betäti- gung von Ihnen Allen zusammen mitsamt der Regierung. Das ist die Betrachtung, die ich vorauss{icken wollte.

Nun möthte ich mich wenden zu den einzelnen Rednern und zu den einzelnen Fragen in der Reihenfolge, wie ih sie mir hier auf- aufgezeihnet habe. Zunächst möchte ich mich zu denjenigen Aus- führungen wenden, die der erste Redner zum Etat, der Herr Abg. Henke gemacht hat. Ja, meine Herren, mit dem Standpunkt des Herrn Abg. Henke, den er als den allgemeinen Standpunkt der Sozialdemokratie vertreten hat, können wir wirklich im 20. Jahr- hundert nichts anfangen. (Sehr richtig!) Jch glaube, daß weder die große Majorität in diesem hohen Hause mit ihm übereinstimmt, noch au die große Majorität im ganzen deutschen Volk. Ich gehe sogar weiter, ih glaube sogar, daß selbst die Sozialdemokratie nicht vôllig übereinstimmt mit dieser absoluten, bedingungslosen Negation alles dessen, was man Kolonialpolitik nennt. Das ist nicht richtig. Der Herr Abg. Erzberger hat Ihnen 50 Jahre gegeben, daß Ste fih aus dieser Auffassung herausmausern werden; ih gebe Ihnen 5 Jahre. Ja, Sie haben sogar jeßt {hon angefangen, allerdings unter dem Deckmantel der allgemeinen Negierung, positiv mitzuarbeiten an unserer Kolonialverwaltung. (Abg. Ledebour : Wir haben immer positiv mit- gearbeitet, längst, ehe Ste hier aufgetreten sind! Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) :

Aber auch an einem besonderen Beispiel, wenn ih mich vom allgemeinen zum speziellen wende, möchte ih den Herren von der Sozialdemokratie zeigen, daß die Ausführungen des Herrn Abg. Henke niht mit denjenigen der Partei immer in Uebereinstimmung standen. So 3. B. liegt mir ein Artikel vor aus dem „Vorwärts“ über die Stellungnahme der Sozialdemokratie zur Baumwollekultur. Jn diesem Artikel, den ih Jhnen vorlesen darf, er ist ganz kurz steht hier. (Zuruf von den Sozialdemokraten : Der „Vorwärts" in Goldschnitt!) Er ist abgedruckt, ih habe leider dieses einzelne Exemplar nicht da, sonst hätte ich es Ihnen vorgelegt. Sie werden sofort aus dem Jnhalt den „Vorwärts" erkennen. Hier steht im „Vorwärts“ vom 16. Oktober 1903: | |

Wir sind durchaus Gegner der Kolonialpolitik, ftehen aber den in Afrika betriebenen Versuchen, dort die Baumwollkultur einzuführen und auszudehnen, sympathisch gegenüber. Der Herr Abg. Henke hat aber gesagt, daß die Sozialdemokratie ihr unsympathisch gegenüberstehe. Auch die Vertreter der Sozial- demokratie in anderen Ländern ih darf auf England ver- weisen stehen den Bestrebungen der Baumwollekultur in den Tropen durchaus sympathisch gegenüber. Es die allgemeine British Cotton Grower Association

ist Ihnen bekannt.

Diese allgemeine Affsoziation der Baumwollpflanzer wird dur fret- willige Beiträge aus ganz England unterstüßt, und darunter sind 30 000 Pfund oder 600 000 4 Beiträge von Arbeitern. (Hört, hört ! bei den Nationalliberalen.) Was- meine persönliche Stellung zu der Baumwollkultur anbetrifft, so ist sie genau dieselbe wie

pessimistishen Auffaffung des Herrn Abgeordneten Henke, der sich zum Teil auch der Herr Abgeordnete Noske angeschlossen hat, möchte ih auf die Erfahrungen hinweisen, die Rußland mit seiner Baum- wollfultur gemaht hat. Rußland hat ungefähr in. der Mitte der achtziger Jahre angefangen, unter großen Schwierigkeiten dur eine großzügige Bahnpolitik in Transkaukasien und Turkestan eine Baum- wollkultur zu schaffen, durch die es jeßt ungefähr ?/; seines eigenen großen Bedarfs deckt. Die Spindeln, die Rußland infolge dieser Baumwollkultur entwickelt hat, betragen 8 Millionen, im Verglei zu 10 Millionen in Deutschland. AŸerdings liegen ih will niht zu schönfärberisch malen die Verhältnisse in diesen Ländern für die Baumwollkultur zunächst noch etwas günstiger als in unseren tropishen Kolonien. Aber wir haben von den alten Kulturstaaten, die Baumwollkultur getrieben haben, gelernt, und wir führen all- mählich alle Einrichtungen ein, die fich in diesen Staaten bewährt haben, selbstverftändliÞh unter Zugrundelegung der Differenzierung, wte sie ein jedes Schußgebiet für sih beanspruhen muß. Ich glaube, wir fönnen bezüglih unserer Baumwollkultur hoffnungsfreudig in die Zukunft sehen und brauchen niht pessimistisch zu sein. Die Herren, die diesen großen Pessimismus zur Schau getragen haben, mögen doch an die unglücklichen Verhältnisse der sechziger Jahre denken, als, veranlaßt durch den Sezessionskrieg, die amerikanische Baumwolle in England ausblieb, die Zeit des sogenannten Baum- wollhungers eintrat, wo 250 000 Arbeiter ihre Stellungen verloren und brotlos wurden und anderthalb Millionen Menschen, nämlich Frauen und Kinder dieser unglücklihen Arbeiter, an den Bettelstab gebraht wurden. Wenn wir uns bemühen, unsere Baumwollkultur, die allerdings jet erft nach wenigen Tausend Ballen rechnet, weiter zu fördern, so werden wir dadurh die Möglichkeit solcher Kalamitäten fir die Zukunft aus der Welt schaffen.

Nun haben verschiedene Redner an mich die Frage gerichtet, wie wir uns zu der Ausgestaltung der Justizverwaltung stellen, und was wir insbesondere von der dritten Instanz, von dem Kolonial- gerihtshof, halten. Ih habe {on in der Budgetkommission geäußert, daß die Kolonialverwaltung eine dritte Instanz absolut not- wendig braucht; und ih hahe meine Meinung weiter dahin ausgesprochen, daß die Verquickung von Verwaltung und Justiz, soweit sie noch vorhanden ist sie ist nur noch in wenigen Fällen vorhanden —, völlig ausscheiden muß, Ich kann Ihnen deswegen heute mitteilen, daß der neue Entwurf, betreffend den Kolonialgerihtshof, fast fertig ausgearbeitet vorliegt, und daß ih hoffe, ihn möglihst bald dem Bundesrat und diesem bohen Hause zu übergeben. (Bravo!)

Bei dieser Gelegenheit möchte ih nit verfehlen, die von einzelnen Nednern angegriffenen Richter in den Shugßgebieten in Schuß zu nehmen. ¡Meine Herren, wenn Sie mit manchen Urteilen der obersten Gerichte und der Bezirksgerichte niht zufrieden sind, so trägt den Hauptanteil an den Urteilen nicht der Richter; sondern Sie müssen bedenken, daß in den Schupgebieten die Laiengerichtsbarkeit weit mehr ausgebildet ist als in Deutschland, und Sie können, wenn ein Richter mit vier Beisigern ein Urteil fällt, das Ihnen nicht be- hagt, nit ohne weiteres dem Richter allein die Verantwortung zu- \{ieben. (Sehr richtig! rechts.) | Es ist auch auf den Prozeß Wächter angespielt worden. Die Regierung bedauert diesen Prozeß, mit seinen teilweise unerfreulichen Streiflichtern auf das kollegiale und kameradschaftlihe Verhalten der Beamten in Osftafcika, sehr. Aber woher kennt man den Prozeß Wädhter ? Lediglih aus Zeitungsnachrichten, und in der Hauptsache aus der Darstellung des Verteidigers von Wächter. Selbstverständ- li wird der Verteidiger, der sich der Sache sehr angenommen kat, versuchen, seinen Klienten in ein möglichst günstiges Licht zu stellen. Ih habe den Berit des Herrn Rechtsanwalts Storz auch gelesen und leugne nit, daß ih nah diesem Bericht menshlihes Mitgefühl hege für den Mann, der draußen in den Tropen, ifoliert von seinen Kameraden, monatelang in Untersuchung gesessen hat wegen des Ver- dahts eines Verbrechens, von dem er nachher freigesprochen ist. Ich lasse mi zunächft von diesem meushlihen Mitleid leiten. Aber wir müssen abwarten, bis das Urteil vorliegt.

Es is nun auch von der Ausweisung aus den Kolonien gesprohen worden, und zwar von einem Vertreter des hohen Hauses in dem Sinne, daß die Ausweisungen verboten werden müßten, - und von einem andern ich glaube, es war der nationalliberale Redner —, in dem Sinne, daß die Auêsweisungsbefugnis bestehen müßte. Ich schließe mich nah meiner Erfahrung und ich bitte Sie, mich in dieser Beziehung für einen Kolonialpraktiker zu halten dem leßteren Sinne an. Die Ausweisungsbefugnis muß zunächst für die Gouverneure bestehen bleiben. In Ländern, wo eine Mino- rität von Weißen einer großen Majorität von Eingeborenen gegen- übertritt, ift es außerordentlich gefährlih, wenn dieser oder jener Weiße mit den Eingeborenen einen Pakt macht und eventuell gegen die weiße Minorität agitiert. Das ist leider vorgekommen und fommt tagtäglich vor. Î

Außerdem das Wort „Ausweisung“! Ih wünschte, wir hätten einen etwas euphemistisheren Ausdruck dafür. (Heiterkeit.) Er klingt sehr antiliberal. G8 handelt sich aber gar nit um die Ausweisung eines Deutschen in nit deutsche Länder, um die Vertreibung eines Deutschen aus dem Bereih Deutschlands: fie ist genau dasselbe, was wir dur das Freizügigkeitsgesey au in der Heimat haben. Wir können einen Deutschen nit aus Kamerun oder Ostafrika ausweisen und ihn zwingen ins Ausland zu gehen, es is vielmehr so, wie wenn jemand aus einem Bundesstaat oder einem Distrikt Deutschlands ausgewiesen wird. Jch glaube wirklih, wenn Sie si mit dem Worte abfinden, die Tatsache |st nit so {chlimm, und wir brauchen es draußen noch. -

J komme nun zu den vershiedenen Behauptungen, die gegens über den Missionen ausgesprochen worden sind. /

Da ijt behauptet worden, daß die christlihen Missionen in einzelnen Kolonien die Vielweiberei aus persönlihen Motiven begünstigen. Meine Herren, ih habe gestern in meinem Amt nachgefragt, ob irgendein solher Fall der Behörde bekannt ist, und ich finde, daß absolut kein Fall bekannt ist; ein solher Fall kann auch gar nicht bekannt sein. I kann mir gar nicht denken, wie ein christlicher Missionar Viel- weiberei begünstigen und einem Schwarzen zwei Frauen geben kann. Es könnte doch nur der Fall sein, wenn der Schwarze verschweigt, daß er hon eine Frau hat, und ih glaube bei der genauen Kenntnis:

ta Ne anstellen ju lasten. E A

chas anhaben tönen. Aber diejenige meiner beiden Herren Amtsvorgänger. Es ist durchaus 'nótwendig für eine weitshauende Kolonialpolitik, die Produktion von Robstoffen in den Kolonien zu fördern. Das if nicht nur unsere Ansiht, das i auch die Ansicht sämtlicher

Nationen, die Kolontalpolitik treiben. Gegenüber der außerordentlich

Deutschland hat nun aber einma hat die ang ae bisher beinahe gan

lassen. Bezüglich der Missionen hat der Kollege Henke mit seinen ¡ R eribrunens nicht sagen lier was daraus mi verständlih heraus- gelesen worden ist. Die christliche Religion ist offenbar dem Kultur- Gan a Ne ers n teen: Auf E On R lam viel raschere Fortschritte ; diejer Aussa)jung, ge Stichhaltiges eingewendet werden kann, hat der Kollege Gene Ausdruck

der Eingeborenen, die die Missionare haben, wird ein solcher Fal niht vorkommen. Wenn man Kritik üben wollte, könnte man sagen, daß die Missionen in manchen Gegenden die Vielweiberei vielleicht zu

temperamentvoll und zu ungeduldig über Bord werfen wollen; do

Zndern als englischen Untertanen irgendetwas anhaben können. Aber die Engländer wehren sih in Südafrika ja selbst gegen die indische Einwanderung. Deshalb kann uns die englishe Regierung nichts anhaben, wenn wir ähnli verfahren. Wir bekommen noch dazu leider nicht die vornehmen indi hen Familien herüber, sondern die armen Leute, die ohne Subsistenzmittel kommen und das erworbene Geld

Kolonien, hat unendlih viel Geld und eine Menge Menschen dafür geopfert; auf den Boden dieser Tatsache stellen auch wir uns und haben an der Verbesserung der Zustände \tets eifrig mitgearbeitet. Henke hat nur gesagt, es liege kein Anlaß vor, si optimistischen Erwartungen hinzugeben, speziell in der Frage der Baumwollzucht. Hier hat auch die Negierung phantastische Hosfnungen weder gehegt,