1912 / 105 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 May 1912 18:00:01 GMT) scan diff

daß ein Fall von Begünstigung der Vielweiberei irgendwie mögli ift | in - Wirkung zu seßen. Es handelte bei di oder vorgekommen sein kann, muß ih vom Standpunkt der Verwaltung | erstens is Seraufseiing Lie E Bitte tf aas aus bestreiten. um Festsezung, oder vielmehr Regulierung der in der Es ist avch der Islam dem Christentum gegenübergestellt worden, | Brüsseler Akte bereits angegebenen Sperrzone für Alkohol. und zwar unverkennbar mit der Tendenz, dem Islam das Uebergewicht | Es ist dies eine Zone, die parallel mit der Küste geht und über i bezüglih seiner Wirkung auf die Eingeborenen zu lassen. Meine welche hinaus ins Innere die Mächte der Brüsseler Akte sh ver- Herren, ob Jslam oder Chriflentum besser ist, das ist für uns eine | pflihtet hatten, keinen Spiritus für die -Gingeborenen einzuführen. | akfademishe Frage. Nachdem wir als chiristliher Staat Länder mit | Die Brüsseler Konferenz ging- leider wegen des Widerstandes, und unzivilifierten Eingeborenen einmal in Verwaliung genommen haben, | zwar des alleinigen Widerstandes Frankreichs erfolglos auseinander. ist es _unfere Pflicht, die Propaganda für das Christentum zu | (Hört, hört: rech1s und links.) Wir werden aber niht nachlassen, unterstützen. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Daß sich der | bei der französishen Regierung vorstellig zu werden, damit endli der - Islam auch für die Eingeborenen ebenso günstig gezeigt bat, wie das | Zuftand erreiht wird, den die internationalen Mächte durch die Christentum, lehrt die Geschichte. Der Islam kommt für uns als | Brüsseler Akte aus sanitären Zwecken erreichen wollten. (Bravo! rets.) christliche Nation als Kulturbringer niht in Frage, da er darin der Nun ift von zwei Rednern die Frage der Südbahn in christlichen Religion unterlegen ist. (Zuruf und Lachen bei den Sozial- | Kamerun angeshnitten worden. Jch glaube, ih kann gleih demokraten.) darauf zurückommen und brauhe nicht auf den Etat von Es ift weiter bedauert worden, daß gewisse Eingeborenen- | Kamerun zu warten. Die Handelskammer von Südkamerun verhältnisse in den YValauinseln den Missionaren Anlaß zu | wünsht ein Projekt für die Südbahn, das den Interessen - Beschwerde und Klage gegeben haben. Diese Klagen find der Ver- | der Südfirmen durchaus entspriht und das an si ein wohlüberlegtes waltung durchaus bekannt, und wir bedauern lebhaft, daß durh die | gutes Projekt ist. Das Problem einer Südbahn liegt aber in Entwicklung von eigentümlichen Klubs in diesen Inseln der Unsittlih- | Kamerun für das Gouvernement anders, als für die Interessenten, in feit in hohem Maße Vorschub geleistet wird. Ich kann Ihnen aber | Südkamerun in der Hauptsache für die Firmen, die in und ‘um mitteilen, daß wir augenblicklih in den Palauinseln einen Verwalter | Kribi tätig sind. Auf der Karte von Kamerun werden Sie ohne haben, dem es gelungen ift, diese Klubs erheblich einzuschränken und | weiteres sehen, wie notwendig es ist, das Innere von Südkamerun der Hand in Hand mit den Missionen weiterarbeiten wird, um diese | mit seinen reihen Produkten zu erschließen und eine Zubringerbahn anftößigen Verhältnisse vollftändig aus der Welt zu schaffen. nah der Küste zu führen. Da tritt sofort die Frage auf: Soll __ Nun komme i zu dem Thema, tas in den gestrigen Ausführungen | diese Bahn von und nah Kribi gehen, oder foll sie von und nah einen breiten Raum eingenommen hat; das ist die Haussklaverei. | Duala gehen? Meine Herren, ganz objektiv abgemessen, muß Duala Meine Herren, daß die Verwaltung vollständig auf dem Standpunkt | aus verschiedenen Gründen den Vorzug haben. Einmal is in Duala des Redners steht, daß wir die Haussklaverei auf die Dauer gänzli | ein natürlicher Hafen, der zu einem sehr guten Hafen gemacht werden abschaffen müssen, das ist gestern bereits anerkannt worden. Daß die | kann, sobald die vorlagernde Barre abgebaggert ist, was nah den Einschränkung der Sklaverei gute Fortschritte gemaht hat, erkennen | neuesten Nachrichten niht allzuviel Mühe und Kosten bereiten wird. wir aus dem Anwadsen der Freibriefe. i Kribi aber leidet troß der von dem Herrn Abgeordneten angegebenen Es ist nun behauptet worden, daß es in Tabora ungefähr 25- bis | Bucht unter der Unmöglichkeit, dort einen Hafen anzulegen. Es ist - 30000 Sklaven gibt. Diese Zahl kann ih nit kontrollieren; wenn | und bleibt eine ofene Reede. Und: vestigia terrent! Wir haben sie aber Torrekt ist, dann kann sie sich nit auf die Stadt so viele shlechte Erfahrungen an der Westküste von Afrika mit Tabora allein beziehen , sondern auf den geographischen | offenen Reeden, mit Molen und Landungsbrücken gehabt, daß wir Begriff Tabora, denn Tabora ist eine Ansammlung von | eine ofene Reede niht nehmen werden, wenn wir daneben einen vors einigen Dörfern und Städtchen und ift erft jeßt während der züglichhen Hafen haben. Wenn wir eine Landungsbrücke in Kribi deutshen Verwaltung in den Mittelpunkt des Interesses gekommen. | haben, werden wir dteselben Unbequemlihkeiten haben, wie in Togo Man kann von Klein Tabora und Groß Tabora sprechen. Wenn | mit der großen Landungsbrücke. Haben wir eine kleinere, so wird man Tabora mit den ganzen umliegenden Ländern und Ortschaften | dasselbe eintreten wie in Swakopmund. Es wird ein reger Leichter- rehnet, dann würde die Zahl von 2%5- bis 30 000 niht einmal so sehr | verkehr erforderli sein, der dieselben Schwierigkeiten bietet wie der iy O ions 2 E ie hingehen, nehme aber an, daß | Leichterverkehr in Swakopmund. Tabora damit gemeint ift. ; ; 5 z ; Benn weiter bebauptet worden if, daß 76 7% aller Fâlle der Richter | jg, reden abes nit mur diese tihnischen Grlnde für Duala Slklavereiangelegenheiten find, so möchte ih zunächst darauf hinweisen, Innere von Kamerun is noch nit so rslofen daß t ‘aBfetutes daß die Richter in Ostafrika ih mit Sklavenangelegenheiten gar nicht Sicherheit damit gerechnet werten kann, daß dein Vordringen unser zu befafsen haben, sondern daß diese zur Kompetenz der Bezirksamt- Kaufleute die Eingeborenen nicht do noch Schwierigkeiten in B

e a a lei vas A Ops fl, daß 76% der Weg legen werden. Man muß damit rechnen, daß gelegentlich Polizei

; dabingestellt . sih mit G A L L Ge O L e ne R Do

Seit das, cideuilie waunsien dee Bestreb igen, dann | ift es doch natürli, die Bahn dahin zu lenken, wo die Schugtruppen-

. Sklaverei abzuschaffen: ette fe älle eini der Regierung, die verwaltung ist und alle diejenigen Organe sigen, die für diese Zwecke

auf die Freikaufsfälle issen S A n E in betrat kommen. Wenn man das nit täte, sondern Kribi wählte, ehen, 5

die von den Behörden geregelt werden. Alfo der ungünstige Schluß, E E O

den der Herr Vorredner daraus gezogen hat, kann mit Ret : echt nicht Auh wirtschaftliche Gründe spreGen für die Wabl Dualas.

daraus gezogen werden. E O Von dem heutigen Handel des Hafens Kribi beruhen s{chäßungsweise ie Mama hmengur völligen Ab etwa 45 °%/% auf dem Verkehr mit Jaunde und dessen Hinterland,

chaffung der Haus sklaverei anbetrifft, {so i f déx: Budsikoininissión geäußert, - daß L a tr Aa 35 “fo auf dem Verkehr mit dem Njong und dessen Einzugsgebiet, und sehr sympathisch gegenüberstehe, daß ih aber im Einvernehmen mit 20 9/6 auf dem Verkehr mit Ebolowa und dessen Hinterländern. Dem- dem in diejen Angelegenheiten bewanderten hier anwesenden Gou- | t, en vem Hafen Duala über 80 %/o des jehigen Verkehrs von verneur doch Bedenken habe, einen Termin festzusegen. A llerdings ribi zu. Auch dieser Grund \pricht im allgemeinen für Duala. halte ich die Schwierigkeiten für nicht unüberwindbar; immerhin bitte Ausslaggebend aber ift folgende Grwägung, die auh von dem tch do, der Regierung den Spielraum zu lassen, erst einmal zu Herrn Abg. von Webert, allerdings in anderem Zusammenhang, vor- prüfen, ob der gewünschte Termin niht etwas zu früh ist. Wir gebracht wurde. Die Bahn, welche die Interessenten in Kribi haben werden dann den Maßnahmen, die vorgeschlagen worden sind, möglidst wollen, würde immer eine Stichbahn sein und bleiben. Vir Rechnung tragen, nahdem wir ihre Durhführbarkeit geprüft baben. find aber von der Anlage von Stichhbahnen in den Kolonien ab- Ich drücke mich mit Willen vorsichtig aus, meine Herren; denn die gekommen. Wir brauchen große Zubringerbahnen aus dem Inneren Resolution, so richtig und gut sie gemeint if, und so sehr wir fie ans Meer mit Anschluß an bereits bestehende Syfteme. Es kann anerkennen, schneidet tief in das Leben der Eingeborenen in Oftafrika | Ao nur die Verlängerung der Mittelbahn in Frage kommen. ein. Wir sind uns grund\äßlich einig, daß die Sklaverei abgeschafft Wie man die Trasse im elnzelnen zieht, kann ih noch nicht sagen; dazu wird der Gouverneur noch Stellung nehmen. Die Angelegen-

werden muß; wir sind uns nur nicht einig in dem Tempo, und da, meine Herren, glaube ih, kommt bei dem Wort „Sklaverci® do | beiten der Eisenbahnen in Kamerun liegen aber bei dem jeßigen Gou- verneur in außerordentli sahverfländigen Händen ; denn der Gouver-

etwas wie Jugenderinnerung über uns alle, wenn wir an Onkel Toms Hütte und ähnlihe Bücher denken, die au | neur Ebenmater hatte im Kolonialamt mit der Bearbeitung des Eisenbahnwesens zu tun, er wird prüfen, was notwendig ist.

in Amerika damals. Unheil angerihtet haben. (Zuruf links.) Ja, Unheil in Bezug auf eine falshe Beurteilung der Verhältnisse. Ferner ist von dem Ausbau der Bahntarife gesprochen Die Tatsache der Sklaverei ist r.ach unseren modernen ethishen Be- | worden. Die Kolonialverwaltung, sowohl die* zentrale wie die in griffen eine Unmöglichkeit da gibt es zwischen uns und dem hohen | den Kolonien, steht auf dem Standpunkt, daß die Tarife allmählich Hause gar keine Meinungsverschiedenheit —; aber die Sklaverei ist | den Bedürfnissen des Schußzgebietes angepaßt werden müssen, den in Afrika in Wirklichkeit niht so s{hlimm und grausam aufzufassen | Bedürfnissen der Eingeborenen wie der Weißen ganz besonders, weil wie die Sklaverei, wie wir sie aus früheren Schilderungen in anderen | ja diese die größeren Frachtspender für die Bahnen sind.

Es wurde auch verlangt, die Landstraßen mehr auszubauen.

Ländern kennen. Ich glaube also, wenn wir ein langsameres Tempo Das geschieht jährlih in jedem einzelnen Schußgebiet. Dann wurde

wählen, werden wir das Versprechen einlösen können, die Sklaverei allmählih gänzlich aufzuheben; aber ob der Termin der Resolution | auch gewünscht, die Schußtruppe solle mithelfen beim Wegebau und bei tehnis{ch-kulturellen Arbeiten überhaupt. Jch kann in dieser Be-

ritig ist, ‘das lassen Sie bitte das Gouvernement in Ostafrika ent-

scheiden. : ziehung mittetlen, daß aus Südwestafrika die Nachricht gekommen ist, Wesentlich ift dabei die Entshädigungsfrage. Die möthte | wie die Shußztruppe \ih dort an den Dammbauten nach den leßten

¿ch au berühren. Die umliegenden englts{en Distrikle haben die | großen Regenwassern rege und vorteilhaft beteiligt hat. Sklavenhalter hoh entschädigt. Wir müssen aber auch daran denken, Der Hérr Abg. von Böhlendorf hat die Verwaltung ge- " im Interesse der Humanität. da Entschädigungen zu geben, wo es sih | beten, das Orientalishe Seminar in Berlin mehr zu um infirme freigelassene Sklaven und um Kinder handelt. Es ift | unterstüßen. Es geschieht aber bereits viel in dieser Richtung. also eine doppelte Gntschädigung, die hohe Summen kosten kann. | Das Orientalishe Seminar wird ‘durhaus nicht dem Kolonial- Wir müssen auch die Frage prüfen, ob das Schußgebiet in der Lage | infstitut in Hamburg hintangeseßt. Z. B. werden alle die- ' Aft, für diese humanitären Zwecke die dazu notwendigen Mittel aus- | jenigen, welche jeßt nach Ostafrika gehen, angewiesen, das Orientalishe Seminar zu besuchen. (Sehr gut! rechts.) Dann

zugeben. ist über die Arbeiteranwerbung in Afrika gesprochen worden: -

' Es ist auch von dem Alkoholkonsum der Farbigen und der Weißen in den Kolonien gesprohen und dabei : der Denkschrift Er- | Was das Anwerbesystem der Eingeborenen anbetrifft, so ist es dur eine Anwerbungöverordnung bereits in zufriedenstellendem Maße ge-

- wähnung getan worden, tie der Herr Staatssekretär Dernburg dem regelt worden. Es sind auch keine Klagen in dieser Beziehung er-

hohen Hause vorgelegt hat. Die Kolonialverwaltung steht nach wie -

* por auf dem Standpunkt dieser Denkschrift und wird alles tun, was | hoben worden. Die Klagen, die der Herr Abg. Freiherr von Richt-

- in thren Kräften steht, um. den Alkoholkonsum unter den Eingeborenen | hofen erhob, beziehen sih weniger auf das Anwerbungswesen der weißen Pflanzungsleiter und Arbeitgeber als auf diejenigen Mittelsper sonen,

einzushränken oder am liebsten zu verbieten. Jn diesem Sinne s/hatte “fich die deutsche Regierung mit der ‘englischen Regierung verbündet, | die die Anwerbung der Eingeborenen als Geschäft betreiben. Ihm war die Gebühr für die Anwerbung zu hoh. Das ist aber keine

j

der Beziehungen zwischen den weißen Interessenten wird sih die Regierung Ostafrikas noch besonders annehmen. j

Der Herr Abgeordnete Waldstein hat von den Gebieten in Neu- kamerun gesprochen - und angefragt, ob die Gebiete wirkli so wenig wert sind, wkle es früher zur Zeit, als ter Marokkovertrag unterzeichnet wurde, in unserer Presse behauptet wurde. Jch kann Jhnen die Mit- teilung machen, daß allmählih in der Bewertung dieser Ländereien eine durdaus günstige Stimmung Play gegriffen hat.

Was nun die Konzessionsgesellshaften in diesen Gebieten ar- betrifft, so arbeitet das Kolonialamt mit dem Auswärtigen Amt Hand in Hand in der künftigen Regelung dieser sehr \hwierigen Materie. Daß wir uns durchaus auf den Boden der Congoaktc stellen und nit gestatten werden, daß Privilegien einzelner dic Handelsfreiheit anderer stören, das habe ih bereits bei den Ver- handlungen der Budgetkommission über Neukamerun gesact. Im einzelnen bitte ih, mi über Neukamerun aussprechen zu dürfen, wenn der Nachtragsetat über die Angliederung der neuerworbenen Ländereien an Kamerun vorgelegt werden wird.

Der Herr Abg. von Liebert hat die Inderfrage angeschnitten. Meine Herren, das ift eine sehr schwierige Frage, und wenn der Gouverneur von Rechenberg getadelt worden ift, daß in der Inder- frage eine zu laxe Politik getrieben werde, ja, meine Herren, dann müssen Sie diesen Tadel weitergeben an diejenigen Mächte, die damals die Congoakte geschaffen haben. Der Gouverneur kann nichts gege die Inder machen, ohne daß Deutschland sih den übrigen Vertrags- mächten gegenüber wortbrühig macht. Es \teht hier ganz aué- drücklich :

Die Fremden sollen daselbst mit Bezug auf den Squy ihrer Person und ihres Vermögens, den Erwerb und die Uebertragung beweglichen und unbeweglihen Eigentums und die Ausübung ihres Gewerbes ohne Unterschied die gleihe Behandlung und dieselben Rechte wie die Landesangehörigen genießen.

Rechtlich ist also gegen die Inder nur etwas zu machen, wenn dic internationalen Mächte si einigen, diesen Paragraphen der Congo- akte zu streihen oder zu ändern.

Aber tatsächlich sheint es mir auch eine große Härte zu fein, gewaltsam gegen das Element der Jnder vorzugehen. Die Inder find niht nur einige hundert Jahre in Ostafrika, sie sind, ih mödhte sagen, Jahrtausende in Ostafrika. Ich kann Ihnen die interessante Mitteilung machen, daß ein Sprachforsher herausgefunden hat, daß in den Bantusprachen Ostafrikas Sanskritftämme im Wortschay vor- handen sind. Das ift sier ein Beweis dafür, daß die Inder son Jahrtausende in Ostafrika gewohnt haben Sie nun mit einem Male aus dem Lande hinauszutreiben, ift doch tatsählich nicht mögli.

Es ist davon gesprohen worden, daß viele unerfreuliche Glemente

mit den Indern hineinkommen. Das gebe ich ohne weiteres zu. Es ift au bemerkt worden, daß Seuchen und allerlei Krankbeiten dur die minderwertigen Klassen der Inder ins Land hineingebracht werden. Auch das gebe ih zu. Aber ‘das zu verhüten gibt es andere Mittel, fo die Quarantäneverordnungen und andere sanitäre Maßnahmen. Wir können aber nicht allgemein gegen die Inder vorgehen. Daß die Inder nicht in jeder Beztehung erwünscht sind, gibt die Verwaltung ohne weiteres zu, das gibt das Gouvernement in Ostafrika au zu, Aber die Inderfrage ist nun einmal eine der vielen Schwierigkeiten, mit denen wir in den Kolonien zu rechnen haben, wir können fie nicht aus der Welt hafen, so sehr wir viele von ihren Auswüchsen bedauern. Ferner ift erwähnt worden, daß man in Oftafrika nur mit großen Schwierigkeiten Land erwerben kann. Ja, meine Herren, die Be- \chränkungen, die das Gouvernement auf den Lanterwerb gelegt hat, find doch gerade von diesem hohen Hause gewünscht wordeu. Es sind ge- wisse Kulturverpflihtungen an den Ankauf von Ländereien geknüpft worden, damit man der Spekulation, die früher in unsern Schutzgebieten fo unbequeme Früchte getragen hat und mit der wir besonders in Süt- westafrika so sehr zu rechnen haben, entgegentreten könne. Daß noch andere Schwierigkeiten beim Landerwerb da sind, geht auß der Natur der Sache hervor. Wer Land kauft, muß es vor allem vermefsen lafsen, um einen unanfechtbaren Titel vor Gericht zu bekommen. Dic Vermessung in den Kolonien geht aber nicht so einfa wie die Ver- messung in unsern kulturell geordneten Verhältnissen.

Es ist auch von Herrn von Liebert gefragt worden, wie es mit der Benußung von Holzshwellen steht. Die Kolonialverwaltung hat bei den Eisenbahnbauten verschiedene Versuche mit Holzshwellen gemacht. So ist eine 3 km lange Strecke mit Hol;shwellen belegt worden. inen Versuch gleih mit 100 km können wir unmöglih machen, weil wir erft wissen müssen, wie die imprägnierten Holzschwellen das Klima vertragen. Jch glaube niht, daß wir allzu optimistish fein dürfen, denn die Informationen, die wir aus tropishen Kolonien anderer Staaten bekommen haben, gehen dahin, daß doch allmählich die Holzshwellen dur eiserne Schwellen erseßt werden. Also, wir sind im Stadium des Probierens und die Kolonialverwaltung wird im Rahmen der ihr zur Verfügung ftehenden Mittel die Holzinteressenten unterstützen. -

Zur Förderung der Straußenzucht ift in Südwestafrika tm vorigen Jahre eine Musterfarm angelegt worden und weitere Maßnabmen sind in diesec Beziehung noch im Gange.

Für die Schule in Wizenhausen ist bereits in der Budgetkommission beantragt worden, cinen höheren Jahressaß pro Kopf der Schüler einzuscßen. Das ist in der Budgetkommission, ih glaube, gegen eine

Stimme, abgelehnt worden; die Regterung hat aber erklärt, daß sîc die Sache prüfen wird, und dke Kolonialverwaltung hat die Berück- sichtigung des Wunsches im nächsten Etat in Aussicht gestellt. (Bravo!)

Was die Behauptung anbetrifft, es wären in den Schutzgebieten

Gefangene gemacht worden, um die weißen Firmen bei den Bahn- bauten zu unterstüßen, so kann ih hier erklären, daß dieser Kausal- nexus in den Kolonien nicht vorhanden ist. In Kamerun sind über- haupt niemals Gefangene bei Eisenbahnbauten verwendet worden. In den übrigen Schußgebieten, wie z. B. in Samoa, was ih ans eigener Anshauung weiß, beschäftigt.

werden Gefangene bei Wegebauten

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

um in B:üsscl diejenigen Bestimmungen der Brüsseler Akte § 91 —, die in Afrika noch nit völlig durchgeführt waren, ! Gebühr, sondern lediglich der Verdieust der Anwerber. Aber auch

M 105.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Bon demselben Herrn Abgeordneten ist behauptet worden, daß vielzuviel Beamte in unsern Kolonien sind. Ich lasse cs dahingestellt, ob dieser oder jener Beamte in Zukunft wird gestrichen werden Fönnen, aber die Relation, die der Herr Abgeordnete Nosfe mit Hinweglassung des Hauplperfonals in den Schuggebieten, nämlich ter Eingeborenen, Ihnen vorgestellt hat, ist doch unmöglih. Sie müssen bei den Beamten die große Kopfzahl der Eingeöorenen mit- rechnen und werden dann nicht auf das Verhältnis kommen, daß auf zwei Weiße immer. ein Polizist und ein Bureaukrat fommt. Ich habe, da dasselbe mir in Samoa vorgeworfen ist, eine Enquete angestellt über die gleihen Verhältnisse in der benachbarten Kolonie Fidschi und habe gefunden, daß die Engländer in Fidschi mehr Beamte haben als wir. (Zwischenruf bei den Sozialdemo- fraten.) Fidschi ist eine Samoa ktenahbarte Kolonie der Engländer.

Das sind im allgemeinen die Fragen, die bei der Generaldebaite an mi gestellt sind und die ih gleich beantworten wollte; diejenigen Fragen, die ih ausgelassen habe, darf ih mir vorbehalten, bei der Debatte über die einzelnen Etats zu erledigen. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Schwarz e - Lippstadt (Zentr.): Der erste Redner der sozialdemofratishen Fraktion, der jeßige Vertreter Bremens, der Abg. Henke, hat ganz gegen meine Erwartung noch viel schärfer als früher der Abg. Ledebour gegen die deutsche Kolonialpolitik gesprochen. Der Abg. Noske hat zwar etwas Wasser in den Henkeshen W-in gegossen, aber sich auch als Gegner dieser Politik bekannt. Der Abg. Noske hat auch versucht, den Abg. Henke gegenüber dem Abg. Erzberger zu verteidigen: aber: „Alle Mühe ist rerloren, weiß zu waschen deinen Mohren." Den Vorwurf, daß Erzberger ein anderer im „Tag" und ein anderer im Neichstag sei, muß ih auf Grund der Kommissionsverhandlungen ganz entschieden zurücweisen. Erzberger hat in der Kommission Anträge auf Ablehnung der Vermehrung des Beamtenapparats und der Militärlast in den Schußzgebteten gestellt. Der Abg. Noëke h. int das vergessen zu haben. Nach dem Abg. Noske will der Abg. von Liebert keine armen Leute in den Schutzgebieten. Die Sozialdemokraten wollen nit, daß die Reichen si dort betäti„en; wer soll es denn nun machen? Etwa der Mittelstand? Ob die Bremer Arbeiter den Abg. Henke auch noch nach seiner gestrigen Yede gegen den Abg Hormann gewählt hätten, ist do fehr die Frage. Von einem Jammerlied über Südwest in der Kommission kann gar keine Nede sein. Die Arbeiter sollen keinen Vorteil von den Kolonien gehabt haben. Das ift falsch. Sie haben sehr viele Vorteile, wenn das auch tm einzelnen nachzuweisen unmöglich ift. Auch der Handel hat Vorteile; früher hatte Sansibar 8009/6 des ganzen ostafrikanishen Handels in Händen, jeßt niht mehr 50, auch die Be- bauptung stimmt nicht, daß es mit der Befiedlungsfähigkeit unserer Kolonien nichts sei. Was die Cisenbahnpolitik in den Kolonien be- trifft, fo billige ih durchaus den Bau einer Südkamerunbahn. Jch bin überzeugt, daß in 10 Jahren überall Eisenbahnen laufen werden, wo sie ein Bedürfnis sind. Die Mittellandbahn Kamerun ist zweitellos nicht richtig projektiert worden ; ih habe seinerzeit hon in der Kommission für die Südbahn als die billigere und bessere mich eingelegt, aber leider vergeblich. Die CEisenbahntarife müssen so gestaltet werden, daß sie den Verkehr fördern. Sie müssen sich den Verhältnissen der Kolonie anpassen und. dürfen nicht zu boch sein. Die Arbetiterfrage spielt ja in unseren Kolonien eine große Rolle. Sie muß deshalb immer im Auge behalten werden, ganz besonce:s muß man der Art und Weise der Anwerbung und der Behandlung der Arbeiter Aufmerksamkeit zuwenden. Gegenüber den Angriffen auf die Missionare erinnere ih nur an das, was sie dort geleistet haben. Wenn sie wirklich

das alles getan hätten, was die sozialdemokratishen Nedner von ibnen b. haupten, wo wären sie da hingekommen! Den Stand- punkt Frankreichs in der Alkoholfrage bedauere auch ich. Den Ein- geborenen darf man den Alkohol nicht zugängig machen. Dann ist vor- geworfen worden, daß der Handel mit unseren Kolonien so un- bedeutend ist. Demgegenüber möchte ih doch zu berücsichtigen bitten, daß allein die Ausfuhr aus unseren Kolonien, Kiautschou dabei ausgeschlossen, vom Jahre 1909 bis 1910 um fast 40 0/9 gesliegen ist. Es kann also mit dem Handel unserer Kolonien doch nicht fo \{lecht bestellt sein. Wir sehen vielmehr, daß es auch damit vorwärts geht.

Darauf wird um 6 Uhr die Forisezung der Beratung auf Mittwoch 1 Uhr vertagt, vorher Wahlprüfungen.

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 60. Siyung vom 30. April 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sißung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus segt die zweite Beratung des Etats des Ministeriums des Jnnern für 1912, und zwar zunächst die Besprechung des Kapitels „Landrätliche Behörden und Aemter“, fort.

Abg. Freiherr von Wolff-Metternicch (Zentr.): Die Land- rite sollten lieber die steuerlihe Ueberlastung der Gemeinden zu ver- hindern suchen, anstatt die Gemeinden zu unnötigen “usgaben zu zwingen. Die Bürgermeister werden zu viel als Staatsbeamte angesehen, sie müßten mindestens mehr Schreibkräfte bekommen. Eine Land- genteinde, die nicht wenigstens 2009/9 Steuern erbebt, is in den Augen mancher Aufsichtsbeam1en nicht recht auf der Höhe. Die Landbevöike- rung wandert deshalb in die Großsiädte ab. Die Landräte drängen Kreise und Gemeinden oft zu gewagten Verkehréunternehmungen, ohne die Kreictage über die finanzielle Wirkung genügend aufzuklären. Auf Grund der veralteten Grunbsteuerveranlagung werden die Grund- besißer in gan unzutreffender Weise belastet. Üeber das Geschäfts- gebaren der Kreissparkassen wird von den Gemeindesparkafien lebhaft geklagt, ohne daß die Aussichtsbebörden etwas ändern. Die Betetligung der Kreise an allen möglichen Unternehmungen, Ucberlandzentralen, Wasserwerken usw., wird übertrieben; die Rentabilität solcher Werke ist meist gering. Die eigentlichen Auf- gaben der Kreise werden dadurch überschritten. In der heutigen so reih mit Steuern gesegneten Zeit könnten Landräte und Aufsichts- behörden eigentlich nichts besseres tun, als wenn sie die überlasteten Landgemeinden vor Ausgaben und neuen Steuerlasten s{chügen.

Abg. Kurzaw ski (Pole): Die Landräte sollen sih nit als berrsckende Beamte, sondern als ausführende Organe des öffentlichen Interesses betrachten, aber in der Praxis ist es anders; fie unter- drückÆen die polnische Bevölkerung, die geseßlihen Bestimmungen, die zugunsien der Polen dienen könnten, find ihnen Hekuba. Die Schütengilde in Schrimm hak ein Privileg von König Iohann 1., bet einer Jubiläumsfeter hat sie auf ein Begrüßungstelegramm ein Antworttelegramm tes Kaisers erhalten. Die Deutschen wollten den Frieden nicht stören, aber der hafkatistishe Gymnasialdirektor ver-

Zweite Beilage . zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußishen Staatsanzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 1. Mai

vereins hat weiter Unfrieden gestiftet. Die Sache {webt noch. Den Minister bitte ich, im Interesse der polnishen Bevölkerung, die den Frieden wünscht, dazu beizutragen, daß diese Zustände ein Ende nehmen, und die alten Satzungen, deren Aenderung erzwungen worden ist, wieder zur Geltung kommen. In einem anderen Orte hat sich ein kaufmännischer Jünglingésverein gebildet. Der Landrat brüskierte und forderte die jungen Leute auf, sogar die Unwahrheit zu sagen. Diesem Gebaren muß auch Einhalt getan werden. Auf dem Gebiet des Vereins- und polnishen Veranügung8wesens kommen uns Polen gegenüber Dinge vor, an die felbst Ben Akiba nicht gedacht hat. Ein Amtsvorsteher leugnete die Existenz des polnischen Volkes, weil feit 1795 das polniiche Reih niht mehr existiere. Poinische Hochzeiten werden von den Behörden behelligt. Geradezu inhuman is es, wenn in den Irrenhäusern den armen Leuten polnishe Zeitungen aus der Hand gerissen werden. Der Polenkoller treibt au sonst sonderbare Blüten. Wenn die polnische Bevölkerung troß aller Bedrückung ihre Ruhe bewahrt hat, fo ge- \chah es, weil wir thr die Meinung beizubringen. verstanden, daß es doch noch eine Gerechtigkeit gibt.

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißt:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat cine ganze Anzahl von Fällen vorgeführt, zum großen Teil ohne Namensbezeichnung; er hat auH nicht die Güte gehabt, mih vorher davon in Kenntnis zu seßen, daß und welche Fälle er zur Sprache bringen wollte. Hätte er wirklich die Absicht gehabt, Aufklärung zu erhalten oder mir die Möglichkeit zu geben, diesen Dingen nachzugehen, so hätte er sich rechtzeitig vorher mit mir in Verbindung seßen müssen, damit ich in der Lage war, thm das Ergebnis der daraufhin angestellten Er- mittlungen mitzuteilen. So i es mir absolut unmöglich, auf einzelne Fälle heute einzugehen. Er kat aber auch in der Mehr- zahl der Fälle keine Namen genannt (Zuruf bei den Polen: Doc !), fotaß i auf Grund seiner jeßigen Angaben doch nur zum Teil in der Lage sein werde, den Angaben, die er gemaht hat, nachzugehen und sie zu prüfen.

Fh möchte nur in dem einen Falle, den er des breiteren aug- geführt hat, feststellen, daß er insofern sih auf diesen Titel nicht be- zieht, als der Landrat damit nicht das mindeste zu tun gehabt hat. (Sehr richtig! reis.)

Es handelt fich um den Fall der Schütengilde in der Stadt Schrimm. Derartige Schütengilden sind in der Negel Institute oder Körperschaften, die dem Magistrat unterstehen : die Aufsicht führt ein Mitglied des Magistrat3, meist der Bürgermeister. Wenn Be- {werden über Anordnungen des Bürgermeisters kommen, gehen fie zunächst an den Negierungspräfidenten, der darüber Entsceidung zu treffen hat. Der Landrat ist mit diesen Dingen insoweit überhaupt nicht befaßt. Nun ift gegen solche angeblichen Verstöße gegenüber der Schüßen- gilde in Schrimm hier bei der Ministerialinstanz Beschwerde eingelegt worden, ohne daß vorher eine Beschwerde über den Negierungspräsidenten ergangen wäre. Die Beschwerde ist dem Oberpräsidenten zur Ent- {eidung überwlesen worden. Die Vorgänge liegen mir nit vor, fodaß ich in der Sache selbst nichts mitzuteilen in der Lage bin.

Der Herr Vorredner sagte, ein Amtsvorsteher hätte eine Ver- fügung erlassen. Ja, die Amtsvorsteher können Berfügungen erlassen, ohne daß der Landrat im mindesten darüber orientiert ist. Er mußte doch mindestens den Nachweis erbringen, daß die Beschwerde an den Landrat eingelegt worden ist, und daß der Landrat über diese Be- {werde einc unzutreffende Entscheidung getroffen hat. Das ift alles nicht geschehen. Jch kann also sagen: die Fälle, die der Herr Vor- redner hier angeführt hat, {weben vollständig in der Luft; sie passen ferner in der Mehrzahl nicht in den hier zur Erörterung stehenden Titel infofern, als sie fich nicht auf die Landrâte beziehen, sondern auf andere Behörden. (Bravo! rets.)

Abg. Sielermann (kons.): In dem Vorgehen des Landrats von Letebur im Wahlkreis Minden-Lübbecke kann ih keinen Üeber- griff sehen. Wenn ein Landrat als Privatmann gegen liberale Be-

Wenn andere Beamte für die Liberalen agitiecen, dann schweigt des Sängers Höflichkeit. Wo bleibt die Freiheit, von der die Herren auf der Linken immer sprechen, wenn man dem Landrat als Privatmann die Betätigung seiner politishen Ueberzeugung versagt ?

Abg. G yßling (fortshr. Volkep.): Die Auslegung des § 9 des Neichswahlgesetzes dur den Landrat von Malyabn steht nicht mit dem Sinne des Gesetzes im Einklang; wir wunschen dringend, daß eine möglichst weitherzige Auslegung Platz greift. Mit Wahl- fontrolleuren habe au tch Erfahrungen gemacht; sie haben oft aber bessere Gerichte bekommen als Sauerkohl und Schweinefüße. Wir brauchen Wahlkont!rolleure, solange so viele Veriahe gegen das Wahlgesetz vorkommen. Viele Verstöße könnten verhindert werden, wenn auf Kosten des Siaats einheitliche Wahlurnen geltefert würden. Wenn unpartieiishe Kreitkalender von den Landratéämtern verbreitet würden, fo wäre nichts dagegen zu sagen; aber die Kreiskfalender haben immer einen politischen Inhalt, sodaß sie konservative Parteischriften sind. Ueber die humoristi\che Rede des Abg. Eberhard könnte man schreiben: „Lustspiel oder Schauerdrama, Engelmann als Landrat oder Staatsbürger“. Es ist tatsählih dech fo, daß eia Teil der Lanträâte dem leitenden Minster nicht folgt. Es heißt deshalb dieser Haltung der Landräte gegenüber: Vé:nister werde hart!

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Wir haben es bei den BesWhwerden über die Landräte gar nicht mit der konservativen Partei zu tun, fondern mit der verantwortlichen Regierung, wir halten uns allein an die Beamten und den Minister. Dem Abg. Sielermann erwidere ih zunächst, daß die Aufgabe des Landrats ist, für alle Kreis- einge!essenen die Vawaltung so zu führen, daß er das Vertrauen aller hat, und man versteht niht, wenn der Landrat sich veranlaßt fühlt, einer bestimmten Partei solche Vorhaltungen zu machen. Das muß die Anvehörigen dieser Parteikreise verstimmen, denn fie sagen sih, daß der Landrat der anderen politishen Richtung angehört. Die Bürgermeister vermeiden es durchaus, in demon- strativer Weise ciner bestimmten Partei amugehören. Das follten die Laudräte auf dem Lande auch tun, und ih würde mich freuen, wenn der Minister diesen Grundsagz vertritt. Die Nede des Abg. Eberhard war ebenso li{tv-ll wte lebrreih, nicht nur, weil er uns vlastish die Verhältnisse geschildert hat, fondern auch, weil man daraus ersieht, wie sich die Welt in manchen Köpfen malt. Bezüglich des zweiten Falles, den mein Freund Lohmann besprach, wonach der Landrat von Engelmann nach der Wahl Arbeitern für thr tapferes Cin- treten bet der Wahl für den Abg. Grafen Carmer amtlich setnen Dank ausgesprochen baben soll, nehme tch an, daß der Abg. Eberha:d zu der Grflärung, daß dieser Fal nit richtig fei, ermächligt war, er scheidet also vollständig für mich aus: Jn tem anderen Falle gibt

strebungen Front macht, so kann ihm kein Vorwurf daraus gemacht werden. |.

: 1912.

niht zur Verfügung stellen. Das ist eine parteiishe Aeußerung. Die Nationalliberalen find eine bürgerliche Partei, die immer be- wiesen hat, daß sie dieselben patriotischen Pflichten erfüllt, wie andere Parte‘en. Der Minister kann eine solche Aeußerung nicht billigen. Der Abg. Eberhard teilt mit, daß der Landrat nicht nur in konser- vativen, fondern auch in nationalliberalen Versammlungen aufgetreten ist. Der Kultusminister hat vor einiger Zeit die intensive politische Tätigkeit eines Seminardirektors in unserem Sinne, der au in gegnerishen Versammlungen aufgetreten war, gemißbilligt. Ich frage den Minister, ob er bezüglich des Landrats auf demselben Standpunkt steht, wie der Kultusmin'ster, sonst würde ja eine ungleihartige Be- handlung der Beamten stattfinden. Der Abg. Eberhard will dem Landrat ais Staatsbürger die politishe Betätiaung g: statten, aber den Oberlehrer Jansen hat er wegen seiner Agitation dem Herrn Kultusminister zur freundlichen *Berücksichtigung empfohlen. Der Landrat darf also die Grenzen, die den Beamten gezogen sind, über- schreiten, der Oberlehrer aber darf feine Agitation treiben. Es wäre richtiger gewesen, wenn Herr Eberhard auch von dem Staatsbürger Jansen gesprochen hätte. Der Landrat nimmt für sich das Staats- büraerrecht in Anspruch, aber so ein \{lichter Oberlehrer foll das niht tun. Zwischen den einzelnen Messorts muß doch Einheitlichkeit herrshen. Der Ministerpräfident von Bethmann Hollweg hat wiederholt c esagt, daß die Beamten unparteiish sein müßten, aber diese politische Michtschnur des Ministerpräsidenten scheint niht bis in die einzelnen Ressorts durhgedrungen zu sein. In einem Krelskalender befindet sich ein Aufsaß, der sih direkt gegen die Politik der Regierung richtet und ausetnanderseßtt, daß die Regie- xung ihre Pflicht nicht getan habe, als fie die Finanzreform nicht verteidigt und nicht vertreten habe. Da s{eint es wirklih, als ob der Wille der böberen Instanzen sh nicht bis in die unteren Instanzen erstrecke. Die einheitlihe Haltung den Beamten gegen- über in den einzelnen Ressorts scheint doch mans zu wünschen zu lassen. Ich hoffe, daß der Ministerpräsident dafür sorgt, daß ein strafferes und einheitliheres Regiment in den Refforts herrscht.

Ein Schlußantrag wird gegen die Stimmen der Volks- partei und der Sozialdemokraten angenommen. :

Aba. Goebel (Zentr.) bedauert zur Geschäftsordnung, daß er verhindert fei, über einc falshe Auslegung der Jagdordnung dur den Landrat von Kattowiß zu sprechen.

Abg. Eberhard (fonf.) zur persönlichen Bemerkung: Wenn der Abg Gyßling meine Ausführungen bumoristish nennt, so bin ih damit cinverstanden : wenn man folhe Sachen nit ernst behandeln fann, muß man den Humor zu Hilfe nehmen, um darüber hinweg zu fommen. Dem Abg. Friedberg erwidere ih, daß es sich bei dem yarteipolitishen Aufireten der Beamten in diesem Fall niht um das Auftreten an si, fondern um die Foim gehandelt bat.

Zu den Ausgaben für die Kreissekretäre und Kreisassistenten usw. liegt eine Petition um weitere Uebernahme der landrätlihen Bureaugehilfen in den Staatsdienst vor. Die Kommission beantragt, diese Petition, soweit sie die Anstellung als Kreisassistenten erbittet, der Königlichen Staatsregierung zur Berücksichtigung, so- weit sie die Änstellung als Versicherungssekretäre bei oen neu zu schaffenden Versicherungsämtern betrifft, der Königlichen Negierung als Material zu überweisen. |

Das Haus beschließt ohne Debatte nach diesem Antrage der Kommisston. :

Die „Dienstaufwandsentschädigungen der Landräte und ihrer Hilfsbeamten (3 576 062 4)“ sind um 500 000 M erhöht worden.

Abg. Dr. Schroeder - Cassel (nl.) begrüßt diese Erhöhung, hält fie aber für zu gering, um alle die Wünsche zu erfülleu, die in der Kommission geäußert waren. Es sêi zu erwägen, ob nicht über- baupt mit dem System der Dienstaufwandsentschädigungen gebrochen werden folle.

Abg. vón dem. Hagen (Zentr.) {ließt sich dem Vor- redner ‘an.

Geheimer Oberregierungsrat Dr. Freiherr von Ziller erklärt, daß die mehr einge!ellten 500 0:0 4 zum größten Teil zur Auf- besserung der eigentlichen Aufwand®entshädtgungen verwandt würden. Fn Zukunft werde durch die Trennung der Dienstaufwandss entscädi,ungen und der Fahrkostenentshädigungen völlige Klarheit herbeigeführt.

Bei den persönlihen und sachlichen Kosten der Ver- fiherungsämter bemerkt

Abg. Trimborn (Zentr.): Nah einem Ministerialerlaß sollen zu Versicherungs8amtmännern neben juristisch wvorgebildeten Beamten auch Diplomingenieure in Betracht kommen. Es ist zu wünschen, daß auch Dipiominbaber der Handelshochshulen einbezogen werden ; gerade die Handelshochshule ist zur Borbereitung für diesen Beruf auß rordentlich geetiunet.

Geheimer NRegterungtrat Dr. Meister: Es ist nit zutreffend, daß ein derartiger Erlaß, wie ihn der Vorredner zitiert hat, heraus- gegeben worden ist. Für die Uebérgangszeit werden am besten keine festen Vorschriften erlassen ; werden aber Vorschriften erlassen, dann werden selbstveiständlih auch die Handelshochschulen als gleichberechti,„t ana

gesehen werden.

Zu dem Kapitel „Polizeiverwaltung in Berlin und Umgebung, Charlottenburg, Lichtenberg - Boxhagen- Nummelsburg - Stralau, Rixdorf und Schöneberg - Deutsch Wilmersdorf“ beantragt die Budgetkommission, eine Petition um Beibehaltung der in Abgang gestellten Polizeiassessoren und Polizeiratsstellen in Berlin der Königlichen Staatsregierung mit dem Ersuchen zu überweisen, dafür besorgt sein zu wollen, daß die in Aussicht genommene Organisationsänderung ohne wesentliche Härte für die Petenten durchgeführt wird.

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißgt:

Meine Herren! Ich glaube, bei diesem Titel ‘die Frage beant« werten zu können, die Herr Atg. Dr. Frietberg vorhin an mich ge- richtet hat. Sie bezog sich auf die Grenzen, welche der politischen Betätigung der Beamten im allgemeinen, nicht kediglich auf die Grenzen, welche der politishen Betätigung der Landräte gesetzt sind. Herr Abg. Dr. Friedberg hat geglaubt, einen Unterschied zwischen der Auffassung des Herrn Kultusministers, wie sie in dem Falle eines Seminardirekto1s Turowski zum Auédruck gekommen sei, und meiner Auffafsung konstruieren zu können deshalb, weil ih nit ausdrüdlih der Auffassung widersprochen hatte, die Herr Abg. Eberhard in dem Falle cines Landrats- des Kreises Steinau vertreten hat. Es handelte sih darum, daß der Herr Kultusminister es mißbilligt hatte, daß Seminardirektor Turowski den Versammlungen ver|hiedener Parteien beigewohnt babe und in ihnen agitatorisch aufgetreten sei, während hier in dem von Herrn Abg. Eberhard mitgeteilten Fall

angte, daß mit einem Male 100 deutshe Mitglieder ohne weiteres in die Gilde aufgenommen würden. Ein Heytaufruf des Ostmarken-

der Abg. Eberhard aber selbst zu, daß der Landrat gefagt babe, wenn er Gastwirt wäre, würde erx den Nationalliberalen fein Lokal

vou ihm ausdrüclih als Entschuldigungégrund angeführt worden