1912 / 105 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 May 1912 18:00:01 GMT) scan diff

B | als die Streikenden.

war, daß der betreffende Beamte nit bloß den Versammlungen einer Partei, sontern den Versammlungen mehrerer Parteien bei- gewohnt habe. Da mir ter von Herrn Eberhard erwähnte Fall unbekannt war, habe tch inzwischen zunächst feststellen lassen wollen, ob etwas Näheres über ihn in meinem Ministerium bekannt wäre. Das ist niht der Fall. I bin mithin nicht in der Lage, mich über den einzelnen von Herrn Eberhard erwähnten Fall zu äußern. Sch kann aber auf die Auéführungen, die ih im vorigen Jahre bei der ersten Etatslesung über die Grenzen gemacht habe, welche der politisden Betätigung der Beamten meines Dajtürhaltens geseßt seien, beute hinweisen und daraus die Folgerung herleiten, daß meine Auffassung mit derjenigen des Herrn Kultusministers vollkommen in Ueber- einstimmung steht. Ih habe am 14. Januar 1911 folgendes erklärt: ih bin der Ansicht, daß jeder Beamte nicht nur der politische, fondern jeder Beamte sich auch in Wahlzeiten der gebotenen Sach- lichkeit und Objektivität befleißigen muß. Darum halte ih auch ein persönliches agitatorishes Hervortreten in der Oeffentlichkeit zu partei- politischen Zwecken, gleihviel, ob es fkonferrative oder liberale Zwede sind, für uns{hicklich. Selbstverständlih kann es keinem Be- amten verwehrt sein, für seine Person einer der bestehenden politischen Parteien sich anzuschließen und seine politishe Gesinnung innerhalb diejer Partei zu betäiigen, sofern er den Takt beweist und die Zurückhaltung bewahrt, die ihm sein Amt, die Rücksicht auf seine Untergebenen, seine vorgeseßte Behörde und Anderédenkende auferlegt.

Ich glaube, daß sich aus diesen allgemeinen Grundsäßen, die ich_

aufgestellt habe, die Beantwortung der Frage des Herrn Abg. Dr. Friedberg in dem Sinne ergibt, daß m-ine Auffassung mit der des Herrn Kultusministers vollkommen übereinstimmt. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Bell (Zentr.): Das todesmutige Vorgehen der Pariser Polizei, welche das Verbrechertum der Apachen bis in seine Schlupfwinkel und Höhlen verfolgt hat, lenkt die allgemeine Auf- merksamkeit auf die Kriminalpolizei, die dringend einer Reform bedarf. Zu wünschen ift vor allem eine möglihst weitgehende Zentraltjation. Vielleicht empfiehlt sih die Einberufung cines deutschen Polizei- kÉongresses, der sich dann auch mit der praktishen und theo- retishen Ausbildung der Kriminalkommissare beschäftigen könnte. Zu erwägen ist, ob nicht volizeilihe Fachakademien gegründet werden können. Der Minister hat mit der Einrichtung der Vorbildungskurse für Kriminalbeamte sich volle Anerkennung verdient; zu bedauern ist nur, daß diese Kurse von den Polizeibeamten der Provinz sehr wenig besucht werden.

Minister des Junnern Dr. von Dallwißgt:

Meine Herren! Die Anregungen, die Herr Abg. Bell soeben gegeben hat, Tiegen in der Richtung von Bestrebungen, zu deren Ver- wirklihung die Staatsregierung schon die ersten Schritte getan hat. Cs freut mich, Herrn Abg. Bell mitteilen zu können, daß mit den anderen Bundesstaaten Verhandlungen eingeleitet find, und zwar derart, daß in kürzester Zeit Besprehungen zwischen Vertretern der- selben über eine in Auesiht zu nehmende einhettlihe Ein- richtung der Kriminalpolizei stattfinden werden. Es wird sich dabei in erster Linie um das Identifizierungsverfahren und um das Nachrichtenwefen handeln. Diese Verhandlungen sollen als Vor- bereitung zu einem demnächst einzuberufenden Deutschen Volizei=« kongrefsse dienen. Es ist damit also au dem speziellen Wunsche, den Herr Abg. Bell zum Ausdruck gebracht hat, Rechnung getragen. __ Was die Frage der Fachakademien, die Verbesserung der Ausbildung der Kriminalbeamten, soweit deren Ausbildung, : nah Ansicht des Herrn Abg. Bell, in Polizeischulen nicht vielseitig genug er- folgen kann, betrifft, fo gestatte ih mir, auf eine Maßnahme hinzuweisen, die gleidfalls bei den demnächstigen Verhandlungen mit den Ver- tretern der anderen Bundesstaaten zur Erörterung gelangen wird. Es ist dies die Frage des zeitweillgen Austaushes von Beamten zwischen den einzelnen Bundesstaaten, um eine möglichste Vielseitigkeit der Erfahrungen bei der Ausbildung herbet- zuführen. Ich glaube, daß diese Maßnahme in etwas dazu beitragen wird, eiwaige Mängel auszugleichen, die dem jeßigen Ausbildungs- verfahren anhaften könnten.

Aba. Dr. Liebknecht (Soz.): Dieser deutshe Polizeikongreß sollte sich auch der Frage der Wohnungspolizei eingehend annehmen : es ist ershreckend, zu hören, daß in Berlin 600000 Menschen in unzurcihenden Wohnungen leben. Auch das Kinderelend, in das die Schwester Henriette Arendt so scharf hincingeleuhtet hat, muß näher “erörtert werden, Die Sittenpolizei in Berlin sett ihren Ehrgeiz darein, möglich#sst viele Mädchen zur Strecke zu bringen; fie wendet alle möglihen Prakiiken an, um sie zu fangen, stellt ‘ihnen Fallen, um. sie überführen zu können. Ein Kriminalbeamter fuht andere zu bestimmen, ein Mädchen, gegen das er noch keinen Beweis hat, in ein Absteige- quartier zu lTocken, er fordert eine Wirtin auf, ihm den „Vogel ins Garn zu locken“ usw.; so bedient er sfih immer der Jagdausdrücke, als ob es sich um ein Wild handle. Meineidige Schußleute werden rubig weiter im Dieast gelassen; auf den Polizeiwachen in Berlin wird immer noch viel geprügelt. Der Minilster sollte ein Gegenstück zu scinem Schießerlaß herausgeben und anordnen, daß die Beamten wegen der Mißhandlung auf den Poltzeiwachen bestraft werden sollen. Als ih mich neulich über die Kenn- zeichnung eines unshuldigen Mannes als sozialdemokratishen Mörders durch die Preßabteilung des Polizeiprästdiums beschweite, fand der Minister keine Antwort darauf, er griff mich nur an wegen meiner Kennzeichnung des rufsishen Staates, die ih ja niht zu wiederholen brauche. Dem Minister scheint also das gute Verhältnis zu Rußland m-hr am Herzen zu liegen, als die Ordnung in feinem Ressort. Zwischen der Polizei und den Bürgern in Berlin besteht kein günstiges Verhältnis, die Polizei hat Schuld an diesem Gegensatz, der durch die Moabiter Vorgange und die-Crlasse des Polizeipräfidenten über den Waffengebrauch nur verschärft ijt. Wenn die Polizet- beamten thren Nevolver mit fih herumtragen, so emyfindet die Bevölkerung dies a!s eine Drohung. Die Witwe Herrmann hat gestern endlich ein obsiegendes Erkenntnis gegen den Polizei- präsidenten erstritten. Es ist bedauerlih, daß die Polizei diesem Prozesse so große Schwierigkeiten gemacht hat, anstatt es als cin nobile officium anzusehen, die Witwe möglichst schnell zu entschädigen. Die Polizeibezmten werden von ihren Vor- geseßten immer noch im militärishen Ton wie die Rekiuten be- handelt, der Titel Herr wird ihnen vorenthalten, fie müssen stramm stehen, ‘an ihren Anzügen werden Ausstellungen gemacht, als ob sie dumme Jungen wären. Gerade die jüngeren Polizeioffiziere bringen den Kasecnenton der Schneidigkeit hinein. Die Behauptung, daß Arreststrafen nit mehr verhängt würden, ist nicht rihtig; das Haus hat längst die Abschaffung der Arreststrafen gewünsht. Die Pensions- zuschußkasse der Berliner Schußzleute ist eine Zwangekasse, die Schußz- leute müsen jährli 36 A dafür zahlen, aber wenn sie in einen andéren Beruf übergehen oder sterben, befommen fie oder befommt ibre Witwe nichts aus dieser Kasse herausgezahlt; sie bekommen aus dieser Kasse nur etwas gezahlt, wenn ein dienstliher Unfall oder dergl. vorliegt. Wir können diese Beamtenschmerzen vertreten, obwohl wir sonst die Polizei angreifen müssen, denn uns.re Angriffe richten sih_ nicht egen die einzelnen Beamten, sondern gegen die ganze Organifation.

ei dem Bergarbeiterstreik find die Polizeibeamten nervöser gewesen Eine der wichtigsten Aufgaben is die Her-

r

stellung eines _ verständigen. Ver ältniffe wischen “Polizei und

Publikum; dann wird das Publikum die Polizei gern. unterstügen,

und diese wird bessere Erfolge erzielen. Dann “werden auch die e iBiande in der preußischen Polizei cinigermaßen beseitigt werden önnen. N j :

Abg. Dr. Schroeder - Cassel (nl.): Die Dienstzeit der Feuer- wehrleute muß auf aht Stunden herabgeseßt werden. Es ist nicht geréechlfertigt, daß die Feuerwehrleute keine Beamtenqualifikation haben. Zur Vertretung ihrer Interessen it ein - Ve:band gegründet worden, der auf nationaler Grundlage steht; aber dem Beitritt der Berliner Feuerwehrleute zu diesem Verband find pon dem Polizeipräsidenten Schwierigkeiten gemacht worden. Dieses Vorgehen des Polizeipräsidenten steht im Widerspruch mit dem Reichsvereinsgeset. :

Abg. Dr. N unze (forts{r. Volksp.): Es ist das gute Necht der Unterbeamten, sich zu versammeln und ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen. Jch muß deshalb gegen die Verfügung des Poiizeipräfidenten protestieren, wonach es den Unterbeamten ver- boten ift, sich zusammenzus{ließen, um wirtschafilihe Vorteile zu erreiden. Die Dienstzeit der Schußleute ist zu lang, auch muß mehr für eine ausreihende Sonntagsruhe gesorgt werden. Die Polizeibureauafsistenten u! d die Meldeamtsassistenten wünschen wieder zu einer Besoldungsklasse vereinigt zu werden. Meine Freunde fordern enrgisch die Beseitiaung der Arreftstrafen.

Abg. Viere ck (freikons.): Es ist im Etat vorgesehen, 4 Stellen von Polizeiassessoren eingehen zu lassen. - Diese organisatorische Aenderung war {hon bei der Besoldunzsordnung vorg-sehen, aber der Wegfall diefer Stellen sollte erst eintreten, wenn alle Anwärter angestelit worden find. Ich bitte deshalb, die Petition nah dem Beschlusse der Kommission zu erledigen. Von jedem Privatunter- nehmer verlangt man soziale Fürsorge; der Fiskus hat dieselbe Pflicht.

Die Petition wird nah dem Kommissionsantrage erledigt.

___ Abg. Dr. Wendlandt (nl.): Die Polizeiassistenten wünschen in die Stellen der Polizeisekretäre aufrück-n zu können. Dieses Streben wird aber durch einen Ministerialerlaß durhkreuzt. Es s zu wünschen, daß diese Stellen nicht als Enùdstellcn angesehen werden.

__ Abg. Wißmann (nl.): Die Besoldung der Schußleute läßt viel zu wünschen übrig. Die Auszahlung der Dienstprämie von 1000 6 wird oft sehr verzögert. Es ist zu hoffen, daß die Dienst- prämien mit dazu beitragen werden, den Mangel an Schupleuten zu beseitigen. Aber es muß auch dafür gesorgt werden, daß die Militär- anwäiter in der Anrehnung des Dienstalters nicht benachteiligt werden.

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißt

Ich glaube cinen Irrtum berichtigen zu müssen, der dem Herrn Vorredner unterlaufen ist. Er war der Ansicht, daß als Dienst- prämien im ganzen nur 1560 000 4 unter die Schugleute verteilt werden sollen. Das ist niht zutreffend. Diese 1 560 000 4 {tellen nur den Teilbetrag dar, der in diesem Jahre zur Verwendung ge- langen soll, während im ganzen 12 480 000 4 im Laufe der nächsten 9 Jahre zur Verwendung gelangen sollen. Uebrigens haben sih auch die Vakanzen in den legten zwei Îahren erheblich vermindert ; sie find von mehr als 900 auf zirka 385 in diefen Jahre herabgegangen. (Abg. Wißmann: Bravo !) '

__ Vei dem Kapitel „Polizeiverwaltung in den Pro- vinzen“ bemerftt

Abg. Goebel (Zentr.): Ich danke dem Minister für die Einrichtung der Königlichen Polizei in Zaborze; daé Weitere darüber wird bei Beratung des Gesetzes úber die Polizeiverwaltung im Regierungs8- bezirk Oppeln zu sagen sein. Es ist der Wunsch laut geworden, daß im ganzen obers{lesi\hèn Revier die Königliche Polizei eingerichtet wird, damit die Verbrecher besser verfolgt werden können. Wir haben es mit den einwandernden Verbrehern aus Nußland / und Galizien zu tun. Viele Einbrüche sind auf deren Konto zu buchen. Werden diese Verbrecer verfolgt, fo verschwinden sie einfah über die nahe Grenze. Der russishe Paßzwang bildet für diese Leute kein Hindernis ; es handelt sih namentlich um eine bestimmte Art von Schmugglern, die ftets ohne Paß die Grenze überschreiten. Gelingt es einmal, diese Leute zu fassen, so ist es außerordentlih \{chwer, ihre Personalien festzustellen, da sie sich fals%e Namen beileg-n. Bet einem Morde im vorigen Jahre |ttellte ein Berliner Kriminal- polizeikommissar fest, daß zwei bekannte internationale Ver- brecher in Frage kämen. Gerade das internationale Verbrechertum macht der Polizei zu schaffen. Jn Oberschlesien fehlt es noch an Polizeisulen, die tüchtige Beamte ausbilden. Die kommunalen Polizeibeamten sind in ihrer Perfon viel zu bekannt, um gegen die Verbrecher Erfolge erzielen zu können. Oberschlesien ist nah dem Urteil eines Fachmannes als cine gefährliche Ee in bezug auf das Verbrechertum anzusehen; er {reibt in der „Schlesischen Zeitung“, daz die fast undurchdringlihen Wälder ein wahres Dorado für die Verbrecher bildeten. Die oberschlesischen Gemeinden sind bet ihrer Ueberlastung gar nicht in der Lage, die nôtige Zahl von Polizeibeamten zu halten, es muß deshalb staatliche Polizei eingerihtet werden. Zwei bekannte Verbrecher haben einen Polizeibeamten und zwei Soldaten niedergeschossen. (Der Nedner zitiert verschiedene Zeitungsberichte über einzelne verbreherishe Taten.) Es müssen Vereinbarungen getroffen werden, daß die Beamten die Ver- breher auch über die Grenzen verfolgen fönuen. Eine {wer ver- leßte Frau blieb lange auf der Landstraße bei Myslowiß liegen, ehe fie bon Polizeibeamten aufgefunden und ins Krankenhaus ge- braÞt wurde, wo sie dann gesto1ben ist. Nur die Verstaatlihung der Polizei kann die ober\hlesis{che. Bevölkerung beruhigen, daß alles gegen das Verbrechertum. geschieht, was geschehen kann.

Abg. von Wenden (konf.): Wir haben wiederholt Anträge betreffs Bekämpfung des Animierkneipenunwesens gestellt, und sie sind auch vom Hause angenommen worden. Im Jahre 1909 haben wir auch von dem Minijter von Moltke eine, wenn au kurze Antwort darauf erhalten, aber 1911 find wir ohne Antwort vom Negierungs- tish geblicben. Inzwischen ist die Bewegung im Lande gegen die Animierkneipen immer stärker geworden, und im vorigen Jahre, un- gefähr zu der Zeit, als wir über den Antrag berteten, fand in Frank- furt a. M. eine große Versammlung statt, die von mehr als 1000 Personen besuht war. Ich habe den Eindruck, daß das Ministerium des Jnnern dieser großen Bewegung nicht vollkommen gerecht wird. Jh würde dem Minister dankbar sein für eine Er- klärung darüber, wie der Stand der Sache ist.

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißt:

Meine Herren! Die angestellten Ermittlungen haben einen gewissen Nückgang der Zahl der Animierkneipen in den legten 10 Jahren ergeben; da es aber ausgeschlossen erscheint, selbst bei vershhärfter Bekämpfung mit den bestehenden gesetlihen und polizei- lien Bestimmungen, die Antmierkneipen vers{hwinden zu lassen, so sind Verhandlungen wegen Abänderung der Gewerbeordnung ein- geleitet. (Bravo! rechts.) Ich glaube, man wird das Ergebnis der Verhandlungen zunächst abwarten müssen, ehe an cine durchgreifende Besserung gedacht werden kann.

Abg. Dr. Gaigalat (Litauer): Gegen die Trunksuht muß energisd eingegriffen werden. Gastwirte, welche es zulassen, daß in ihren Räumen der VöUerei Vorschub geleistet wird, müssen mit Ent- zichunz der Konzession bestraft werden. Der Sonntag, der ein Nuhe- tag sein soll, wird oft zu einem Tag des Sfkandals. Da können uns die holländischen und englischen Verhältnisse als Vorbild dienen. Es ist zu begrüßen, daß der Minister die Megterung?- präsidenten ersucht hat, daß fie über den Fortschritt der Bewegung gegen den Alkoholiemus regelmäßig Bericht erstatten. Energisch

Skandal, daß man in Berlin fortwährend auf der Strafe attaciert

wird. Das muß anders werden, die bevölkerten Straßen müssen von diesem Laster befreit werden; es ist eine Schande, daß in den Großstädten das Laster sich so frech in der Oeffent- lichkeit breit mahen fann. Es i berechnet worden, daß in Berlin jährlich 350 Millionen Mark für die Prostitution geopfert werden. In Dänemark wird jede Anreizung zur Unzucht mit Ge- fängnis oder Zwangsarbeit bestraft. Auch dem Mädch nhandel muß durch weitere internationale Vereinbarungen entgegeng*treten werden.

Abg. Dr. Faßbender (Zentr.) bespriht die Mißstände, die dadurch entstanden sind, daß sich jeder Waffen kaufen und tragen könne. Es sei eine reihsgeseßlihe Regelung durh cine Aenderung der Gewerbeordnung anzustreben.

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißtz: Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß durh den Mißbrauch der

‘Waffen seitens unreifer oder leihtsinniger Personen alljährlih viel

Unheil passiert. Die bestehenden Polszeiverordnungen find insofern nicht genügend wirksam, um diesen üblen Folgen vorzubeugen, als durch sie nicht der Bezug von Waffen aus denjenigen Gebieten unter- sagt werden kann, in denen die Polizeiverordnungen nit gelten, und weil ferner im Wege der Polizeiverordnungen die Einziehung verbots- widrig erworbener oder veräußerter Waffen nicht angeordnet werden fann. Hierzu würde es eines Aktes der Gesetzgebung bedürfen. Es haben daher Verhandlangen mit dem Neichsamt des Innern darüber ges{chwebt, ob niht im Wege eines Neichsgeseßes eine Aenderung des bestehenden Zustandes dahin herbeigeführt werden könnte, daß unter tunlid;ster Schonung des legitimen Waffenhandels die Veräußerung von Waffen nur gegen Vorzeigung ciner Bescheinigung gestattet sein soll, daß ferner in dem Falle, wo verbotswidrig eine Veräußerung von Waffen stattgefunden hat, diese Waffen der Einziehung unter- liegen, und daß endlih im Falle der Unzuverlässigkeit in bezug auf den Gewerbebetrieb .die Untersagung des Betriebes in Frage kommen könne. Die Verhandlungen, die nah dieser Richtung hin gepflogen worden sind, haben im allgemeinen ein zufriedenstellendes Resultat ergeben, und es {weben jeßt Erwägungen darüber, ob ihnen dur Einbringung entsprechender gesetzlih-r Vorschläge im Reichstage weitere Folge gegeben werden kann. (Bravo!)

Abg. Dr. Fle ch (forts@r. Volksp.) : Im Publikum besteht oft die Anschauung, daß in den Städten mit Königlicher Polizei die Polizeiverwaltung der Stadtverwaltung übergeordnet sei. Das ijt ein Irrtum, beide Instanzen sind einander gleichgestellt. Der Effener Polizeipräsident, in dessen Verwaltung ein Beamter dem Zechen- verbande die Listen des Steigerverbandes geliefert hat, ist nicht genug bestraft worden. i;

Minisier des Jnnern Dr. von Dallwißt:

Der Herr Abg. Dr. Flesch hat sih darüber beschwert, daß die Stadt Frankfurt, die eine Anregung zu einer geseßlihen Aenderung, gegeben habe, bislang ohne Antwort geblieben sei. Jch kann ihm mitteilen, daß es allgemein üblih ist, auf Anregungen zur Aenderung von bestehenden Geseßen Bescheide nicht zu erteilen, weil ein einzelnes Nessort zu Gesetesänderungen niht Stellung nehmen kann und die Antwort auf derartige Anregungen entweder dur demnächstige Vor- legung eines Gesetzentwurfs erfolgt oder aus der Nicktvorlegung er- ichtlih ist. Jedenfalls werden solche Anregungen nicht als solche an- gesehen, die cines besonderen Bescheides bedürfen.

Anlaß, das Wort zu nehmen, hat mir aber fcine Darstellung eines Vorkommnisses gegeben, das sch in Essen zugetragen hat. Er hat den Verstoß des beteiligten Polizeibeamten ganz richtig ge- schildert, hat aber daran anknüpfend bedauert, daß der Dienst- vorgeseßte des Beamten sich darauf beschränkt habe, ihm nur feine Vetß- billigung auszusprehen. Das ist ein JIrrtum; denn der Beamte ist mit der höchsten Ordnungëstrafe bestraft worden, die geseßlih zulässig ist, und es hat keineswegs eine Beschränkung auf eine Rüge oder Mißbilligung stattgefunden.

Wenn dex Herr Abg. Flesh- es aber bedauert hat, daß der Polizeipräsident den Beamten nicht alsbald entlassen habe, so weise ih darauf hin, daß bei uns die Entlassung eines Beamten nicht ohne weiteres verfügt werden kann, sondern, daß es dazu eines förmlichen Disziplinarverfahrens bedarf. Nun aber muß eine Strafe im Ver- hâltnis zu dem begangenen Mißgriff stehen. In diesem Falle, glaube ih, zumal es sich um einen völlig unbesholtenen Beamten gehandelt hat, würde kein Disziplinarhof dazu geïommen sein, die Strafe der Dienstentlafsung auszusprechen.

Abg. Dr. Schifferer (nl.): Bei der Verstaatlichung der Polizei in Kiel ist den Polizeibeamten von einem Negierungsvertreter in Schleswig die Zusicherung gemacht worden, daß bei ihrer Pensio- nierung ihre frühere Dienstzeit in der städtishen Verwaltung ohne jede Prüfung der Bedürfnisfrage angerechnet werden folle. Als nun im vorigen Jahre bei der Anwesenheit des Kaisers in Kiel ein alter Polizeibeamter im Gedränge an einem Schlaganfall verstarb, wurde bet der Pensionierung der Witwe die Bedürfnisfrage ge- prüft, und die Pensionsbezüge wurden der Witwe abgeschlagen, weil die Witwe vermögcend sei. Diese Annahme ist aber turhaus falsch. Ich bitte den Minister dringend, dieses das seinerzeit von einem Negierungsvertreter in Schleswig tat- sächlich geaeben worden ist, in diesem Falle sowie in den wenigen anderen Fällen, wo noch Pensionierungen der früheren slädtischen Beamten in Kiel in Frage kommen, voll zu erfüllen. Es geht nicht an, daß die Negierung jeßt sagt, daß der betreffende Negierungs- vertreter nicht zu bestimmten Abmachungen ermächtigt gewesen sci.

Minister des Jnnern Dr. von Dallwißt:

Meine Herren! Was den Speztialfall Kleinshmidt anlangt, so ist er tatsäblich noch in der Shwebe; denn Frau Kleinschmidt hat gegen den ablehnenden Bescheid remonfiriert. Infolgedessen sind neue Ermittlungen angestellt worden, deren Ergebnis in wohlwollendcr Weise geprüft werden fol.

Was die allgemeine Frage betrifft, ob ein Negierungévertreter seinerzeit bei dem Uebergang der städtishen Polizelver waltung auf den Staat die Zusage erteilt habe, daß künftig die Anrechnung der üm sttädtischen Dienst verbrachten Zeit bct Berechnung der penfionsfähigen Dienstzeit erfolgen werde, so kann ih allerdings nur nochmals fest- stellen, daß eine derartige Zusage gar nicht erteilt werden kann, weil nah geseßliher Beskimmung über die Anrehnung der außer- halb des Staatédienstes verbrahten Dienstzeit nux dur Allerhöchs1e Kabinettêorder entschieden werdea kann. Es - haben übrigens bereits im Jahre 1901 Ermittlungen stattgefunden, anscheinend auf Grund ähn- licher Behauptungen, bei denen sich herausgestellt hat, daß der von der König- liden Regierung zu Schleswig entsandte Kommissar bei den Besprehungen über die Uebernahme der städtishen Beamten in den Staat: dienst auédrücklih hervorgehoben hat, daß die Anrechnung der im Dienste der Stadt verbrahten Zeit bei der Vaiseßung in den Ruhestand nur auf Grund Königlicher Verordnung erfolgen könne; er hat allerdings

muß auch der Prostitution entgegengetreten werden. Es ist ein | hinzugefügt, daß sie seines Dafürhaltens jedenfalls erteilt werden

Bersprecken, '

würde. Diese gewiß etwas unvorsidtige Aeußerung mag zu der falshen Auffassung, die der Herr Abg. Schifferer vorgetragen hat, Anlaß gegeten haben. Es ist aber {cn im Jahre 1901 aus- drüdlich allen beteiligten Beamten eröffnet worden, daß irgendwelcke Zusicherungen wegen Anrechnung der kommunalen Dienstzeit nicht ge- macht worden seien, daß aber in wohlwollendster Weise in jedem einzelnen Fall die Prüfung etfolgen solle. Dieser leßteren Zusage gemäß ist auch verfahren worden, und es ist in allen biéherigen Fällen die An- rechnung erfolgt, aber ketneëwegs ohne Prüfung der Frage der Be- dürftigkeit.

Was den vorliegenden Spezialfall anlangt, so habe ih {on gesagt, daß er noch nicht endgültig entschieden ist, daß er aber glelckch- falls in wohlwollender Weise geprüft werden wird.

Ein Schlußantrag wird angenommen.

Abg. Dr. Fle} ch (fortschr. Volksp.) bestreitet in persönlicher Bemerkung die Nichtigkeit der Ausführung des Ministers.

Bei den Zuschüssen zu den Ausgaben für die Polizeiverwaltungen in verschiedenen Städten führt

Abg. Dr. Bell - Essen (Zentr.) Beschwerde darüber, daß die Polizeiassistenten in der Provinz s{chlechter gestellt. seien als in den Vororten von Berlin, nimmt sich der Wünsche der Meldeamts- assistenten an und vertritt die Wünsche einiger SchnBleute in seinem Mablkreise in bezug auf Wohnungs8geldzushuß, Erreichung des Höchst- gehalts usw.

Das Kapitel wird bewilligt.

Bei dem Kapitel „Zucht- und Dressuranstalt von Polizeihunden bei Grünheide“ weist

Abg. Haarmann (nl.) auf die großen Erfolge der Polizei- \œule in Iserlohn hin, die aub von Beamten aus anderen Staaten besuht werde, aber nur von städtischen Polizetbeamten und nit au von staatlichen Beamten. Der Staat möge der Anstalt eine Subvention geben und sie auch von staatlichen Beamten besuchen

n. M Hoffmann (Soz.) wendet sich dagegen, daß der Polizei- hund bet Anklagen als der einzige Zeuge als maßgebend angesehen werde, und daß die Polizeihunde zu allen möglichen unnützen Zwecken, wie Stôrung von Liebespärchen usw., benußt würden.

Das Kapitel wird bewilligt.

Nach 51/5 Uhr wird die weitere Beratung des Etats des Ministeriums des Jnnern auf Mittwoch 11 Uhr vertagt.

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Reichstag ist der folgende Entwurf eines Gesetes über den Zusammenstoß von Schiffen sowie über die Bergung und Hilfsleistung in Seenot nebst Begründung

zugegangen : Artikel 1.

Das vierte Buch des Handelägeseßbuchs wird dahin geändert:

I. Die §8 734 bis 739 werten ¿An folgende Vorschriften erseut : S 734.

Im Falle eines Zusammenstoßes von Schiffen findet; wenn der Zusammerstoß durch Zufall oder böhere Gewalt herbeigeführt ist oder Ungewißheit über feine Ursachen besteht, kein Anspruch auf Ersatz des Schadens statt, der den Schiffen oder den an Bord befindlichen Personen oder Sachen durch den usammen zugefügt ist.

5

t ( G Ist der Zusammenstoß dur Verschulden der Besaßung eines der Schiffe herbeigeführt, so ist der Reeder dieses Schiffes zum Ersate des Schadens verpflichtet. 8 736

Ist der Zusammenstoß dur gemeinsames Verschulden der Besaßung der beteiligien Schiffe herbeigeführt, so sind die Needer diefer Schiffe zum Crsaße des Schadens, der durch den Zusammenstoß den Schiffen oder den an Bord befindlihen Sachen zugefügt wird, nah Verhältnis der Schwere des auf jeder Seite obwaltenden Verschuldens verpflichtet. Kann nah den Umständen ein folches Verhältnis nicht festgeseßt werden oder erscheint das auf jeder Seite obwaltende Verschulden als gleich \{wer, so sind die NReeder zu gleihen Teilen erfaßpflichtig.

Für den Schaden, der durch die Tötung oter die Verleßung des Körpers oder der Gesundheit einer an Bord befindlichen Person ent- standen ist, haften die Needer der Schiffe, wenn der Zusammenstoß durch gemeinsames Verschulden herbeigeführt ist, dem Verletzten als Gesamtschuldner. Im Verhältnis der Needer zueinander gelten auch für einen solchen Schaden die D des Abs. 1.

U D M

Hat ih das Schiff unter der Führung eincs Zwangslotsen befunden, so is der Needer des Schiffes für den von dem Lot}en ver- \huldeten Zusammenstoß nicht verantwortlich, es sei denn, daß die zur Schiffébesaßzung gehörigen Personen die ihnen obliegenden Pflichten nicht erfüllt haben. Wos

Fügt ein Schiff durch Ausführung oder Unterlassung eines Manövers oder durch Nichtbeobachtung einer Verordnung einem anderen Schiffe oder den an Bord der Schiffe befindlihen Personen oder Sachen einen Schaden zu, obne daß ein Zusammenstoß statifindet, so finden die Vorschriften M TLOs entsprechende Anwendung.

S 739.

Die Vorschriften dieses Titels gelten au dann, wenn bei dem Unfall ein der Binnenschiffahrt dienendcs Schiff beteiligt ist.

Unberührt / bleiben die Vorschriften über die Beschränkung der Haftung des Needers auf Schiff und Fracht und über feine Sattitig aus Verträgen fowie die Vorschriften, nach denen die zur Schiffs- besaßgung gehörigen Personen verpflichiet sind, für die Folgen ihres

earschuldens aufzukommen.

11. Die 88 740 bis 748, 750 werden dur folgende Vor-

\hriften erseut: s

Î ;

Wenn in Secnot ein Schiff oder die an Bord befindlichen Sachen von dritten Personen in Besiy genommen und in Sicherbeit gebraht werden, nachdem die Schiffsbesaßzung bie Verfügung darüber berloren hatte (Bergung), oder wenn außer dem bezeihneten Falle ein Schiff oder die an Bord befindlichen Sachen aus einer Seenot durh die Hilfe dritter Personen gerettet werden (Hilfsleistung), so ift ein Anspruch auf Berge- oder Hilfslohn nah Maßgabe der Vorschriften dieses Titels begründet. Ein solcher Anspruch ist au dann begründet, wenn von einem den Vorschriften des Handelsgesezbuchs unterliegenden Schiffe ein der Binnenschiffahrt dienendes Schiff geborgen oder einem solhen Schiffe Hilfe geleistet wird

: § 741. j : Sind die geleisteten Dienste ohne Erfolg geblieben, fo kann kein Berge- oder Hilfslohn beansprucht werden. Der zu zahlende Betrag darf in keinem Falle den Wert der ge- borgenen oder geretteten Ls übersteigen. Wer cinem Schiffe gegen das ausdrücklihe Verbot des Schiffers Beistand geleistet hat, kann Pibogs: oder Hilfslohn nicht beanspruchen, es ei denn, daß das Verbot unverständig war. i A«ch der Schiffsbesazung des in Gefahr befindlichen Schiffes steht ein folher Anspruch nit zu. : Der Schlepper kann für die Bergung oder Nettung des von ihm geshleppten Schiffes oder dessen Ladung Berge- oder Hiifslohn nur an}prucben, wenn er außergewöhnliche Dienste geleistet hat, die nicht als zur Erfüllung des Schleppvertrags gehörig angesehen werden

8 743. : Berge- oder Hilfélohn kann au beansprucht weiden, wenn die Bergung oder Hilfsleistung zwishen mehreren Schiffen desfelben Needers stattgefunden hat. s muA

In Ermanglung einer Vereinbarung der Parteicn ist der Betrag des Berge- oder Hil's1ohns unter Berücksichtigung der Umflände des Falles na billigem Ermessen zu bestimmen. Das Gleiche gilt, unbeschadet der Voischrift des § 749, von dem Verhältnis, in tem ter Bergoe- oder Hilfslohn unter mehrere an der Bergung oder Hilfsleistung Beteiligte zu verteilen ift. Der Berge- oder Hilféslohn ist in Gelo festzuseßen. Er darf ohne den übereinstimmenden Antrag der Betciligten nicht auf einen Bruchteil des Wertes der geborgenen oder geretteten Gegenstände fest- geseut werten. a

(2e

Bet der Bestimmung 0 Ca des Berge- oder Hilfslohns kommen inébefondere in Anschlag: : der erzielte Erfolg, die Anstrengungen und Verdienste der tätig gewesenen Perfonen, die Gefahr, die dem geborgenen oder ge- retteten Schiffe und den tarauf befindlicben Personen oder Sachen gedroht hat, die Gefahr, weicher die an der Bergung odir Reitung Beteiligten sich und tih1e Fahrzeuge auëgeseßt haben, die verwendete Zeit, die entstandenen Kosten und Schäden, die Gefahr ciner Haftung oder anderer Nachteile, der fich die an der Bergung oder Rettung Beteiligten unterzogea haben, der Wert des von thnen in Gefahr gebrac;ten Materials, gegebenenfalis auch die besondere Zwedbestimmung tes bergenden oder rettenden Schiffes. A S Der Wert der geborgenen oder geretteten Gegenstände, mit Ein- {luß des erhalten gebliebenen Anspruchs auf Fracht- und ÜUeberfahrts- gelder, if nur an zweiter Stelle zu berücksihtigen. ;

Auf die im § 744 Abs. 2 vorgesehene Berteilung finden diese

Vorschriften entsprehente Anwendung. 8 746.

Jn dem Berge- oder Hil{slohn find nicht enthalten die Kosten und Gebühren der Behörden, die von den geborgenen oder geretteten Gegenständen zu entrichtenden Zölle und sonstigen Abgaben sowie die Kosten zum Zwecke der Aufbewahrung, Erhaltung, Abschätßung und Veräußerung dieser Gegenstände. M

d s

Ein über die Bergung oder Hilfskeistung ges{lossener Vertrag fann von dem Gericht auf Antrag geändert oder für nitig erklärt werden, wenn der Vertrag zur Zeit und unter dem (influß der Gefahr ges{lofsen ist und die vereinbarten Bedingungen unbiUig sind. Das Gleiche gilt, wenn einer der Vertragöschließenden zu dem Ver- trags\{luß dur arglistige Täuschung bestimmt worden ist oder der Berge- oder Hilfslohn in einem außerordentlihen Maße nah der einen oder anderen Nicktung außer Verhältnis zu den geleisteten Diensten steht.

S 748.

Der Berge- oder Hilfslohn kann herabgclegt oder gänzlich versagt werden, wenn die Berger oder Retter die Notwendigkeit der Bergung oder Hilfsleistung durch ihre Schuld herbeigeführt oder sih des Dieb- stahls, der Verheimlihung oder anderer unredlicker Handlungen \{uldig gemacht haben.

8 750.

Wer sich bei Gelegenheit des Unfalls, der den Anlaß zur Bergung oder Hilfsleistung gibt, der Rettuna von Menschenleben unterzicht, fann einen billigen Anteil an der Vergütung bean'pruchen, die den Personen zusteht, welche das Schiff oder die an Bord befinblichen Sachen gerettet haben. Die geretteten Personen k aben Berge- oder Hilfslohn nicht zu entrichten. Q

111. Die Nr. 2 des § 901 ‘erhält folgende Fassung:

9) für die Ents(zädigungsforderungen aus cinem Zusammenstoße von Schiffen oder aus einem unter § 738 fallenden Greignisje sowie für die Forderungen auf Berge- over Hilfélohn.

1V. Jn der Nummer 3 des § 903 werden die Worte „in An- schung der Entshädigungsforderunge-n wegen des Zusammenstoßes von Schiffen jedoch mit dem Ablauf des Jahres, in welchem der Zu- \ammenstoß stattgefunden hat“ durch die Worte ersetzt:

„jedoch in Ansehung dér Entschädigungsforderungen aus dem Zusammenstoße von Schiffen oder aus einem unter den F 738 fallenden Greignis mit dem Ablauf des Tages, an welchem das Ereignis stattgefunden hat“. s

Hinter die Nummer 3 des § 903 wird die folgende Nummer 3a eingeschoben: : i

„in Ansehung der Forderungen auf Berge- und Hilfslohn mit dem Ablauf des Tages, an welchem das Bergungs- oder Vilfe-

leistungswerk beendigt worden ift; i: L

V. Der § 904 des Hanvelsgeseßbuchs erhält folgende Fassung: Die Rückgriffsforderungen, die den NReedern untereinander nah § 736 Abs. 2 zustehen, verjähren in einem Jahre. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an welchem die ten Nückgriff begründende Zahlung erfoigt ist.

Ferner verjähren in cinem Jahre die auf den Gütern wegen der Bodmereigelder und der Beiträge zur großen Havezet hastenden Forderungen sowie die wegen dieser Gelder und Bei- träge begründeten persönlihen Ansprüche. /

Die Verjährung beginnt in Ansehung der Bodmereigelder mit dem Ablauf des Jahres, in welchem die Fälligkeit cin- getreten ist, in Ansehung der Beiträge zur großen Haverei mit dem Ablauf des Jahres, in welchem die beitragépflichtigen Güter abgeliefert sind. E,

Die auf den Gütern wegen der Bergung®- und Hilfskoflen haftenden Forderungen fowie die wegen dieser Kosten be- gründeten persönliwen Ansprüche verjähren in zwei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf tes Tages, an welchem das Bergungs- oder Hilfeleistungéwerk beendigt worden ist.

Artikel 2. l |

In der Strandungsordnung vom 17. Mai 1874 (Neichs- geschbl. S. 73) werden im § 12 die Worte „bei Verlust des An- \pruchs auf Berge- oder Hil!slohn“ und im § 20 die Worte „bei Verlust des Anspruchs auf Bergelohn“ gestrichen.

Artikel 3. O

Die Vorschriften, die in bezug auf die Verpflichtung des Kapikäns zur Nettung von Menschen im Artikel 11 des Uebereinkommens über die Hilfsleistung und Bergung in Scenot vom 13. September 1910 aëtroffen sind, ommen ohne Nücksiht auf die Staatsangehörigkeit zur Anwendung. i / i

Wer der im Abs. 1 bezeichneten Verpflichtung zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu Sens Mak bestraft.

¡tikel 4.

Soweit in Neich8gescßen oder in Landesgeseßen auf Vorschriften verwtesen ist, die durch dieses Gesetz geändert werden, treten die neuen Vorschriften an deren Stelle.

Artikel 5.

Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit den Uebereinkommen über den Zusammenstoß von Schiffen und über die Hilfélcistung und Bergung in Seenot vom 23. September 1910 in Kraft.

In der Begründung wird ausgeführt: Der Abs{luß der internationalen Uebereinkommen über den Zu- \fammenstoß von Schiffen und über die Hllfsleistung und Bergung in Seenot, denen der Reichstag am 31. Mai 1911 seine Zustimmung erieilt hat, macht es erforderlich, die Vorschriften der inneren deutschen Gesetzgebung mit den Beslimmungen, die auf Grund der Staatsverträge

fünftig für den internationalen Mechtsverkchr zur Anwendung kommen werden, in Etufklang zu bringen. Es wäre ein unbefriedigendes Ergebnis, wenn der deutsche Richter, je nachdem imm einzelnen Falle nur Deutsche oder auch Angehörlge eincs anderen Verlragsstaats be- teiligt sind, verschiedene NRech!8grundsäte anzuwenden hätte

Die beiden incrnationalen Uebereinkommen sind noch nicht ratifiziert. Da sie jetoch einen Monat nah ihrer Ratifikation in Kraft treter? sollen, lo empfiehlt es si, die Aenderung unseres inneren Rechtes hon jeßt in die Wege zu leiten.

22. P det

Land- und Forstwirtschaft.

S panien.

Der Kaiserlihe Generalkonsul in Barcelona berichtet unterm i: Das Wintergetreide ist in Spanien bet günstiger Witterung frühzeitig zur Aussaat gelangt und war beï Beginn der Winterzeit bereits kräftig aufgegangen. Die außer- ordentlide Milde des diesjährigen Winters war dem Wachs- tum der Saaten - förderli. Ver Februar brachte fast allent- halben MRegenfälle, die vielfah so reihlich und anhaltend auf- traten, daß fie tem jungen Getreide \{chädlih wurden. Vor allem begünstigten sie das Auffommen von Unkraut in den Feldern. In Andalusien hatten übermäßige Negengüsse UeteriÆWvemmungen und damit erhebliche Verhecrungen in den Getrcidefeldern im Gefolge. Im März kamen starke, troŒene Winde, die ungünstig auf. die Felder einwirkten. In einer größeren Anzahl von Provinzen befürchtet man zurzeit infolge der Trockenheit des Bodens Beeinträchtigung der Ernte. Dies is insbesondere der Fall in den Pro=- vinzen Albacete, Alicante, Barcelona, Castellón, Gerona, Lérida, Yogroïño, Murcia, Navarra, Tarragena, Teruel, Valencia und Zara- goza. Bis jeßt wird nur von leichteren Frösten berichtet, die dem Getreide nicht wesentli geschadet haben. Insgesamt- können tte Ernteaussihten in Spanien als gut. bezeihnet werden. Nach den vorliegenden Nachrichten erwartet man eine gute Getreideernte tin 21 Provinzen, cine schr gute in 3, eine befriedigende in 54 0: 12

Provinzen werden die Aussichten als unsicher hingestellt. Die Bestellung der Frühlingsfaaten hat sich in diefem Jahre bedeutend verzögert, teils infolge der Nässe im Februar, teils wegen Mangels an Bodenfeuchtigkeit im März, und nur in wenigen Landeë-

teilen konnte fie unter günstigen Umständen autgeführt werden.

Wie aus der nachstehenden Zusammenstellung ersichtlich ist, haben sich die Weizenpreise, die im Vergleich mit denen der Vorjahre jehr niedrige sind, auf den maßgebenden kastilisGen Märkten vem vorigen Herbste bis jeßt wenig geändert. Vom Februar ab bewegten sie ch

etwas aufwärts. : Es wurde für den Doppelzentner Weizen bezahlt (in Pes.): 7. 10.14 1/9 1216.13. 2.12 3,10.4,19 4 [1911 | 1911| 1911| 1912| 192211912 |1912 |1912

Valladolid . . . 22,52 23,10 22,81| 22,81| 22,67| 23,67 23,82 23,96

22A Medina del | | | | | | E l v1 2281| 20/6020 L 22 0222 93,67| 23,67! 23,96 Alrévalo « « . « « |23,10/ 23,10| 22,81 22,23| 22,61| 23,67| 23,38| 23,38 Rioseco |21,94| 21,65| 21,65| 22,52| 2292| 9223| 2292| 29,10 Die Einfuhr an Getreide ist in den Monaten Oktober v. J. bis Februar d. J. gegen die der entsprechenden Monate des Vorjahrs sehr beträchtlich zurückgeblteben. E838 wurden eingeführt:

a. Weizen: 1910

im Oktober 95 008

November 141 048

Dezember . 147 105

1911

Sanuar , , 168 423

Sea ea v A0 145 388

. Mais: 91 1910

im Oktober z 2220; 213 132

November 180 310

Dezember. . 176 284

1911 Ana 0 12 2T e ODIUOT L RD S TOTO0 . Gerste und andere Getreide 1910 «02 182 e MLODEIBEL: 2.290 15 740 C ch6 1 085 24 158 1912 1911 ruth L 1089 20 252 & L ERTUL e 14 PRTS Eine nennenöwerte Ausfuhr fand nur in Neis, Gerste und Noggen ftatt. Es wurden ausgeführt: a. Neis: 1911 im Vltober s U November 5 350 „Doetiber. 802 1912 San 2A S De 4 942 h. Gerste: 1911 int O beE 4 02 ASVCG Novdèmber 2 580 «Ober, 3 533 1912 A S 340 « ea 580 c. Nogagen: 1911 im Db e 08 37 « November 303 4 Meme 88 1912 e Dana ay 122 «e Februar

im Oktober

u

Der amerikanische Weizenmarkt Mitte April 1912.

Der amerikanishe Wetzenmarkt wird von jeßt an für einige Zeit fast aus\chließlich durch die Nachrichten über den Saatenstand beeinflußt werden. Wenn au nah der jähen Steigerung der Preise in der ersten Aprilhälfte Nückschläge nicht ausbleiben dürften, so kann doh mit Sicherheit erwartet werden, daß die amerikantischen Weizen- preise im kommenden Erntejahr, d. h. nah dem 1. Juli 1912, fich mehr oder minder ho über dem Preise im Jahre zuvor halten werden.

Winterweizen. Die Aussichten in den Weichweizenstaaten, im großen und ganzen dem Gebiet östlih vom Mississippi, find durch- gängig {lecht. In JIltinois, Indiana und Obio wird etwa die Hälfte der im Herbst bestellten Anbaufläche umgepflügt werden müssen. Auch im übrigen Gebiete des Weichweizens stehen die Saaten nur wenig besser. Erheblich erfreulicher sieht cs wesilih vom Mississippi in den Staaten des harten Winlerweizens aus. Indessen mehren fi au im harten Gürtel die Berichte über \chadhafte Stellen, tote Aecker und tieris#e Angriffe. Es sei noch bemerkt, daß der in Menschen- gedenken cinst jungsräulih fTräftige und ergiebige Boden im Staate Kansas, der den in Europa gesuhten harten Kanfasweizen (den 1873 aus Südrußland eingeführten barten rötlichen „Tarkey wheat*) herbor- bringt, si dauernd ers{öpst bat und nunmehr einer Lt Pflege bedarf. Späte Ausfaat bet minder guter Bodenbeschaffenheit und ungünstiger, viel zu feuchter Witterung im Oktober, unerhört \charsex Kêlte im November, als fh eben erst die zarten Sprossen zeigten, ein grimmig strenger Winier, wie er in E Breiten no nit erlebt worden war, und Mangel an Nieder\chlägen während °x Monaten sind die Ursachen des heutigen Standes des Winker=- weizens. Sommerweizen. In den nordwestlichen Staaten ist man zurzeit mit den Saatarbeiten unter recht günstigen Verbältnissen

(zu vgl. Artikel 12 des Uebereinkommens über den Zusammenstoß,

lönnen.

Artikel 15 des Uebereinkommens über die Hilfsleistung und Bergung).

beshäftigt, Doch wird die Anbaufläche aller Voraussicht ra hinter

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