1893 / 5 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Kapitalvermögen, Renten 2c. besteht oder wenn die Steuer- pflichtigen Eigenthümer oder Nuyßnießer von inländischen Grundstücken find, die insgesammt mit mehr als 100 Steuer- einheiten eingeshäßt sind. Bezüglich der Ermittelung des Ein- kommens ist die Aenderung vorgesehen, daß jeder Steuerpflichtige, dessen Jahreseinkommen nicht zweifellos unter dem Betrage von 1500 H bleibt und der als befähigt ju Bezifferung seines Einkommens anzusehen ist, zur Selbsteinshähßung unter Zufertigung eines Einschäßungsformulars vom Vor- fißenden der Einshäßungscommission gusordern ist. - Ein directer Zwang, dieser Aufforderung nachzukommen, wird nicht ausgeübt, doch hat die E oder niht vor- schriftsmäßige Befolgung der Aufforderung die Wir- fung, daß der betreffende Steuerpflichtige das Recht des Einspruhs gegen die nun lediglich auf Grund der Einschäßung zu bewirkende Feststellung seines Einkommens für das Veranschlagungsjahr verliert. Neu ist auch der Staatscommissar, der, um gleihmäßige Einshägungen im Lande herbeizuführen, den Sizungen der einzelnen Abschäßungs- commissionen mit berathender Stimme beiwohnen kann. Referent war der Abg. Dr. Hanitsch, während „vom Regie- rungstisch aus der Regierungs - Rath von Meding die Gesechesvorlage vertrat. Lippe. : Der Landtag hat vorgestern seine Sizungen wieder auf- genommen.

Oesterreich - Ungarn.

Gestern Nachmittag hat laut Meldung des „W. T. Bl bei dem Minister-Präsidenten Grafen Taa ffe cine Besprehung über das neue Programm stattgefunden, woran die Abgeordneten Dr. von Plener, von Chlumecky und Heilsberg sowic Graf Küenburg und die Minister Freiherr von Gautsch, Marquis Bacquehem und Dr. Steinbach theilnahmen. Die Conferenz dauerte von 11/5 bis 4 Uhr und wird am Montag fortgeseßt werden.

Großbritannien und Frland. \

Der Premier-Minister Gladstone wird am nächsten Montag wieder in London eintreffen. Am folgenden Tage soll dann, wie die „A. C.“ vernimmt, ein Cabinetsrath abgehalten werden, in welchem der Entwurf zu einer Homerule-Bill zum ersten Mal in Anwesenheit sämmtlicher Minister be- sprochen werden soll. Jm Unterhause soll die Bill am ersten Montag im Februar eingebraht werden. : j

Wie cs heißt, hat Gladstone die in seiner Homerule- Vorlage von 1886 ausgesprochene Ausschließung der irischen Mitglieder aus dem Reichsparlament in seiner neuen Bill fallen lassen. Gegen die nunmehr beabsichtigte Vertretung Zr- lands im Reichsparlament erheben sich bereits liberale Stimmen. So hat das Parlamentsmitglied für Ost:Edinburg Wallace cinen Aufsag veröffentlicht, worin es heißt: „Ent- weder Unionismus oder Autonomie. Haben die Jrländer ihr eigenes Parlament, so haben sie keinen Plaß in Westminster.“ Auch der radicale Abg. Labouchere äußert sich in der „Truth“ in ähnlicher Weise, indem er sagt: „Glauben Gladstone und Morley auch nur einen Augenbli, daß Großbritannien einen Gesehentwurf annehmen wird, der während er England und Schottland von der Theilnahme an den localen irishen Angelegenheiten ausschließt Jrland eine entscheidende Stimme in allen englischen localen An- gelegenheiten sichert?“ Labouchere verlangt ein Geseh, das den Jrländern die locale Verwaltung ihres Landes giebt und England von irisher Einmischung freimacht. :

Dié Ünleriuungaecomimi}sión “über die Lage der aus dem Besiß ausgewiesenen irischen Pächter hat ihre Sizungen vorgestern wieder aufgenommen. Der Abg. John Dillon sprah über die Art und die Wirkung der bis- herigen Bewegung. Auf vielen Gütern seien Gutsherren und Pächter zu freundschaftlihem Abkommen gelangt, ohne daz den ersteren oder leßteren Kosten erwachsen wären. Auf 60 Güter- complexen seien die Beziehungen der Pächter ohne Ausweisung geregelt worden. Auf 24 Gütern sei es zum Kampf ge- fommen, später jedoch ein Vergleich erzielt worden. Außerdem hätten auf 15 Gütern die Pächter ihren Widerstand auf- gegeben und sih privatim mit ihren Gutsherren verständigt. Die vierte Klasse von Pächtern bildeten endlich diezenigen, welhe sich noch im Kampfzustand befänden ; ihre Zahl sei jedo flein. Bei den Führern jeien im ganzen 234 000 Psd. Sterl. für die aus dem Besig gewiesenen Päch- ter cingegangen. Auh über -die Verwendung dieser Summe machte John Dillon Mittheilung. Nach seiner Meinung könne der Streit der noch niht wieder eingeseßten Pächter nur dur ein von der Regierung eingeseßtes Schieds- geriht beendigt werden. Dieses habe festzustellen, unter welchen Bedingungen die Stellen an die Pächter verkauft werden sollten. Die Wiedereinsezung sei eine conditio sine qua non jeder annehmbaren Homerule-Bill. Die nöthigen Summen aufzubringen, werde natürlich erste Pflicht der liberalen Regierung jein.

Frankrei.

Dem gestern abgehaltenen Ministerrath wohnte auch der Justiz-Minister Bourgeois, der von jeiner Krankheit wiederhergestellt ist, bei, Der Minister des Innern Loubet besprach, wie „W. T. B.“ berichtet, dic für den 10. d. M. in Aussicht genommenen socialistishen Kundgebungen sowie die beabsichtigten Maßnahmen zu Gunsten der arbeitslosen Arbeiter. Ferner theilte der Minister des ZJnnern mit, daß in verschiedenen Industriezweigen infolge der Einführung des (Gesehes über die Regclung der Frauenarbeit Ausstände ausgebrochen scien, da wegen der Verringerung der Arbeitsstunden eine Lohnreduction eingetreten sei. Der Verlauf der Strikes sei jedo ein durchaus ruhiger. Die von me“reren Blättern an- gekündigten Discussionen haben in der gestrigen Sißung, di- ohne Zwischenfall verlaufen ist, nicht stattgefunden.

Die Wiederwahl Floquet’'s zum Präsidenten der Kammer wird in den parlamentarischen - Kreisen als sicher betrachtet. i i

Da mit der Voruntersuchung Franqueville in der Panama- Angelegenheit betraute Untersuchungsrichter vernahm gestern den ehemaligen Minister für öffentlihe- Ar- beiten Baïhaut gleichzeitig mit Lesseps und Fontanes. Der vorgestern verhaftete Procurist des Crédit Lyonnais Blondin war seiner Zeit dem Cabinet Baïhaut's attachirt. Blondin

andererseits gedient zu haben. Falls die gegen den chemaligen Minister Baïhaut aufgestellten Ange sih als wahr erweisen sollten, so würde, wie verlautet, die Aburtheilung der Panama-Angelegenheit in Gemäßheit des Art. 12 des Ver- fassungsgeseßes vom 16. Juli 1875 vor dem Obersten Gerichtshofe erfolgen. : e : Die A N nee us T berieth gestern über die Frage, ob sie sih mit der Rolle zu be- Fhäftigen habe, welhe die Panamakanal-Unternehmer gespielt hätten. Die Entscheidung hierüber wurde vertagt. Die St. Petersburger „Nowoje Wremja“ schreibt, auch ihr Mitarbeiter S. S. Tatistschew werde in dreister Weise beschuldigt, von Floquet 500 000 Fr. als Geschenk erhalten zu haben. Sie habe sofort Schritte gethan, um die Verleumder zur Verantwortung zu ziehen. Sie erachte als russisches Blatt es für shimpflich, einer ausländischen Regierung, in welcher Frage auch immer, zu dienen, und werde von den Verleumdern.. die ganze Wahrheit verlangen, was es ihr auch kosten möge. Jn London soll der „Fr. C.“ zufolge ein neues Anar- chisten-Organ „Le Tocsrn“ („Die Sturmglocke“) in franzö- sischer Sprache erscheinen und nah Frankreich versandt werden. Die Hauptmitarbeiter sind die Jtaliener Malato und Ma- latesta, die aus Frankreich ausgewiesen wurden, und Lucien Weil, der cinstige Herausgeber des „Père Peinard“.

Jtalien.

Die Staatseinnahmen in den ersten sechs Monaten des Budgetjahres 1892/93 weisen dem „W. T. B.“ zufolge gegen die gleiche Zeit des Vorjahres cine Vermehrung um 191/, Millionen Lire auf.

: Spanien.

Die Kön igin-Regentin hat, wie „W. T. B.“ aus Madrid meldet, die Auflösung der Kammer genehmigt. Die Auflösung des Senats ist vertagt worden.

Schweiz.

Gegenüber den umlaufenden Gerüchten von einem an- eblich beabsichtigten Rücktritt des shweizerishen Gesandten in Wien Aepli wird amtlih mitgetheilt, daß man im Bundes- palais hiervon nichts wisse und sih demgemäß auch nicht mit der Frage einer Neubesezung des Gesandtenpostens in Wien beschäftigt habe.

Griechenland. :

Der franzöfishe Gesandte Graf de Montholon hat na ciner Meldung des „W. T. B.“ dem Prinzen Georg von Griechenland gestern das Großkreuz der Ehrenlegion mit cinem Handschreiben des Präsidenten Carnot überreicht.

Amerika.

Jn Paris sind Nachrichten aus Buenos- Aires ein- getroffen, wonach die Aufständishen in der Provinz Corrientes den Kampf durch einen Guerilla-Krieg fortseßen und die Regierungstruppen, unter denen sie viele Anhänger haben sollen, in Schach halten. Í e L

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Lima ijt Namon Nibeyro an Stelle Larrabyre y Unanuec's zum Minister des Auswärtigen ernannt worden. Jm übrigen ist das Cabinet unverändert geblieben.

Afrika.

Ein Telegramm des „NReutershen Bureaus“ aus Tanger von gestern besagt, daß, der dortige britishe Geschäfts- träger an die marokkanische Regierung eine Note gerihtet habe, worin wegen der Erschießung eines britishen Unterthans aus Gibraltar durch eine maroffanische Polizeiwache sofortige Genugthuung verlangt wird. Die Meldung, daß die dortigen Vertreter der Mächte der marok- fanishen Negierung eine gemeinsame Vorstellung gemacht hätten, sei unbegründet. : T

Dem „Reuter schen Bureau“ wird aus Kairo über den bereits gemeldeten Zusammenstoß der Derwische mit den egyptishen Truppen bei Ambigol weiter berichtet: Obwohl die Derwishe von den Egyptern zuerst überrasht wurden, manövrirten sie doch derartig, daß sie den Egyptern einen Ver- lust von 36 Todten und 15 Verwundeten beibrachten und fie zum Nückzug nöthigten. Schließlih zogen sich indessen auch die Derwische zurü.

Nr. 37 des „Eisenbahn-Verordnungsblatts“ (heraus- gegeben im Königlichen Ministerium der öffentlihen Arbeiten), vom 31. Dezember 1892, hat folgenden Inhalt: Allerhöchste Concefsions- Urkunde, betreffend den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von MRegen- walde nach Piepenburg durch die Altdamm-Kolberger Eisenbahn- Gesellshaft. Vom 14. Dezember 1892. Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten: 81) vom 23. Dezember 1892, betreffend Reinigung und Desinfection der mit inficirten Dingen in Berührung gekominenen Hände bei Choleragefahr; 82) vom 23. Dezember 1892, betreffend Befreiung der Beamten der Staatseisenbahnverwaltung von der Krankenversicherungspflicht; 83) vom 29. Dezember 1892, betreffend Inkrafttreten der Betriebsordnung für die Haupteisenbahnen und der Babhnordnung für die Nebeneisenbahnen Deutschlands.

Nr. 53 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Ar- beiten, vom 31. Dezember, hat folgenden _ Inhalt: Zur Arbeiterwolhnungsfrage. Zur Erinnerung an Fr. Otto Schulze. s Vermischtes: Preisbewerbung für den Entwurf einer Brücke über die Newa in St. Petersburg. Besuch der Technishen Hochschule in

Braunschweig im Winterhalbjahr 1892/83. A. Schüß f.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die Bestimmung des § 353 des Strafgeseßbuchs, betreffend die Gebühren- oder Abgaben-Ueberhebung seitens eines Beamten, welcher Steuern, Gebühren oder andere Abgaben sür eine öffentliche Kasse zu erheben hat, findet, nah einem Urtheil des Reichs- gerihts, 1V. Strafsenats, vom 11. Oktober 1892, nur dann An- wendung, wenn es sich um Abgaben oder Gebühren handelt, welche die betr. Kasse an sich, wenn auch in geringerem Betrage, ge sey - li einzuziehen befugt ist, niht aber bei der Erhebung E Gebühren oder Abgaben, wclhe an sih gescßlih gar nicht zu er- heben find.

Die kaufmännishe Empfehlung einer Perfon als credit- würdig, obgleih der Empfehlende Umstände fennt, welche ihm selbst und anderen die Creditwürdigkeit desselben bedenklich zu znachen

ecignet sind, maht, nach cinem Urtheil des Reichsgerichts, 1. Givil- enats, vom 19. Oktober 1892, den Empfehlenden dur die Ver- chweigung dieser Umstände für den durh die unrichtige Empfehlung verursachten Schaden haftbar.

Statistik und Volkswirthschaft.

Verhältnisse der Landarbeiter. E

Von den Resultaten der Erhebungen, welche der „Verein für Soccialpolitik“ im Sommer über die Verhältnisse der Landarbeitec veranstaltet hat, war zu Anfang November der erste Band erschienen (Dunker und Humblot, Leipzig ; Preis 10 4) Wir haben darauf in Nr. 263 des .R.- u. St.-A.* vom db. November hingewiesen. Die Berichte des ersten Bandes erstreckten sih auf die Verhältnisse der Landarbeiter in Nordwest-Deutschland, sowie in Württemberg, Baden und Elsaß - Lothringen. Jeßt liegen zwei weitere Bände vor. Der zweite (Nr. 54 der Schriften des „Vereins für Socialpolitik“) is 48 Bogen stark und kostet 16 Æ; der dritte, 56 Bogen stark, kostet 18 4 Der zweite behandelt die Verhält- nisse der Landarbeiter in Hohenzollern, im Regierungsbezirk Wics- baden, in Thüringen, Bayern, im Großherzogthum Hessen, Regie- rungsbezirk Cassel, Königreich Sachsen. - Diese sind von Dr. Kuno Frankenstein geschildert. Weiter find darin die Verhältnisse der Landarbeiter in den Provinzen Schleswig-Holstein , Sachsen und Hannover (südlicher Theil), in den Herzogthümern Braunschweig. und Anhalt von Friedrich Großmann, fowie die Verhältnisse in der Nheinprovinz und im oldenburgischen Fürstenthum Birkenfeld von Otto Anhagen geschildert. Der dritte Band umfaßt die ländlichen Arbeiterverhältnisse im ostelbishen Deutschland (preußische Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern, Posen, Schlesien, Brandenburg, Großherzogthum Mecklenburg und Kreis Herzogthum Lauenburg) von Dr. Max Weber. Wir konunen auf die werthvolle Publikation noch zurü.

Zur Förderung des Wohls der arbeitenden Klassen besteht im Kreise aldenburg i. Schl. seit 15 Jahren cin Verein, der auf eine gesegnete Wirksamkeit zurückblicken kann. In dem 15 jährigen Zeitraum sind für die bezeihneten Zwecke 182 608 #6 aufgewendet worden. Der Verein hat ein Blatt „Der Feierabend des Arbeiters" begründet, das im Jahre E A in 6384 Eremplaren ausgegeben wurde. Außerdem sind „Arbeits|chulen“ vorhanden, die stark besucht werden: es wurden im vergangenen Jahre 277 Schüler in 25 Abtheilungen von 19 Lehrern unterrichtet; die Erzeugnisse der Arbeits\{ulen Drechsler-, Tischler-, Holzschniß-, Laubsäge-, Buch- binder-, Korbmacher- 2c. Arbeiten wurden auf der Gewerbe- und Industrie - Ausstellung in Schweidniy mit der bronzenen Verdienst-Medaille prämiirt. Durh Vermittelung des Vereins sind im Jahre 1891/92 161 Nähmaschinen an Arbeiter der dem Verein angehörigen Werke gegen monatlihe Theilzahlung zum Verkauf gelangt. Insbesondere wird von dem Verein die Garten- cultur gepflegt: die Arbeiter erhalten ein Stück Land, welches sie nit Gartenerzeugnissen bebauen; die Zahl dieser Leute, die sih mit Gartencultur beschäftigen, betrug im Jahre 1891/92 545; für die Zwecke der intensiven Gäctencultur wurden von dem Minister für Landwirthschaft 2c. 2000 dem Verein bewilligt. Mit der Deutschen Volks-Baugesellschaft sind über den Bau von Arbeiterwohnungen im Kreise Waldenburg Verhahdlungen eingeleitet worden. Für junge Mädchen der arbeitenden Klassen wird die Einrichtung von Arbeits- cursen im Nähen und Kochen geplant. Die Werksbibliotheken sowie die Vereinsbibliothek wurden wieder durch Anschaffung geeigneter Werke erweitert. In dem Verein sind zahlreiche Werke vertreten, die zusammen über einen Bestand von 17 996 Arbeitern verfügen. Im Jahre 1891/92 beliefen sich die Einnahmen des Vereins auf 27 280 46, die Ausgaben auf 22 141 (6; das Vermögen des Vereins beträgt 15 883 M

Landesorganisation für Arbeitsnachweis. i:

Die „Social-Corresp.“ schreibt: Eine praktische Organisation des Arbeitsnachweises, welhe die Nachfrage nah und das Angebot voa Arbeit zusammenführt und so der Arbei1slosigkeit auf der einen und dem Mangel an Arbeitskräften auf der anderen Steüe abzuhelfen sucht, gehört zu den Hauptaufyaben der focialen Hilfeleistung. Bisher waren es meistens geminnüßige Vereine, welche diese Aufgabe zu lösen suchten und dabef. ihre Wirkjamteil auf einen bestimmten Ort beschränkten. „Neuerdings it nun eîn Staat und zwar Luremburg als solcher an die Lösung dieser Aufgabe herangetreten, indem er die Arbeitsangebote und Arbeits- nachfragen des ganzen Landes zu allgemeiner Kenntiziß zu bringen sucht. Zu diesem Zwecke hat er sih der Post bedient. Seit dem 1. Dezember 1892 sind bei allen luxemburgishen Postämtern und Postagenturen Arbeitsnachweisstellen bourses de tiravail, wie ie amtlich heißen eingerihtet worden und zwar in folgender Weise: Diejenigen Arbeitgeber und Arbeiter, welche Arbeiteß resp. Arbeit suchen, schreiben ibr Gesuch auf eine Postkarte, welche\ dem Postamt in Luxemburg als Hauptvermittelungsamt zugeht. Hier werden ämmtliche Gesuche registrirt. Am Abend, nah Eingang der leßten Tagespost, wird eine Zusammenstellung aller eingegangenen Gesuche gedruckt und am folgenden Tage allen Postämtern zugestellt. Die Postämter hängen die betreffende Liste an den Schaltern auf. Man verspricht sih von dieser Einrichtung, durch die jeder vom Stand des Arbeitsmarkts Kenntniß nehmen kann, großen Nußen für; das Land. Das I. u. Il. Vierteljahrsheft der Zeitschrift dets König- lih preußischen Statistishen Bureaus, herau8gegkeben | von dessen Director, Geheimen Ober-Regierungs-Rath Blenck* (X2. Jahr- gang); welches soeben erschienen ist, enthält einen Auffatz ie vreußishen Sparkassen im Rechnungsjahre 1890 und bezw. 1/,890/91; ferner Abhandlungen über das Alter der Eheschließungen bei c helidhcn Verbindungen christlicher mit jüdishen Personen, über die »Lebent- und Feuerversicherung in Preußen fowie die Ergebnisse der gieößeren deutschen Feuerversicherungsanstalten in den Jahren 1889 und 18500 von H. Braemer ; Bericht über den VII. internationalen Congreß für Hygiene und Demographie in London vom 10. bis 17. August 1891 vom Regierungs-Rath Dr. Gustav Lange, und eine Abhandlung, von dem Geheimen Regierungs-Rath Karl Braemer über die ayneri- fanishe große Arbeits- und Lohnstatistik für die Jahre 1889-—? (891 j Als befondere Beilage ist dem Heft eine Zusammenstellung der 1 wirk- lihen und der Mittelpreise der wichtigsten Lebensmittel in demi be- deutendsten Marktorten Preußens im Jahre 1891 bezw. 1390/91 beigeügt.

Zur Arbeiterbewegung. H

„Köln. Ztg.“ gemeldet, daß infolge de t standes n diatvage nah Kohlen sehr lebhaft sei. größeren Blättern des l ) K billigem A angeboten, und Lieferungsangebote auf belgiji Kokes sollen schon bei einzelnen größeren

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sein. bis jeßt sih noch macht habe, und daß seien. Imi U hervorgetretener Anzeichen 1 gewisse Gean M 8 O A mäßigen örderun eingetreten , s nach Bor Ängen A Saarbezirk und nah der Thätigkeit d berufsmäßigen Agitatoren niht ausgeschlossen erscheine, da auch in dem Bezirk Dortmund Versuche zur Herbeifülz,

Heute [OReL

rung cines Ausstandes „gemacht werden. stattfinden behufs Stellungnahme der Bergarbeitc u dem Ausstande im Saargebiet. Eine solche Versammlung follte, wie die „Dortm. Ztg.“ nah dem dortigen social- demokratischen Blatt berichtet, ‘gestern Abend bereits aud) in Dortmund stattfinden. Ferner liegen folgende Nachrichten vor: Zu der gestrigen Versammlung der Frauen der ausständischen Bergleute waren mehr als 10 000 Personen theils zu Fuß theils mit

große Vorräthe

noch i De angesichts jüngster

seien

verschiedene Bergarbeitervérsammlungen, darunter ein

in Essen,

i i máls als Mittelsperf i Arton wird beschuldigt, damals als Mittelaperson zwischen und Ra einerseits und mehreren Parlamentsmitgliedern

der Bahn nah Bildstock (vgl. die gestrige Nummer d. Bl.) ge»

Aus dem Aus stands gebiet im Saarrevier wird der der Kälte und des Mugs- Jn den Reviers werden bereits Ruhrkohlen bij

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erken eingetrofs,„en Um Mißverständnissen vorzubeugen, wird bemerkt, d jjaß fein Mangel an Saarkohlen bemerkbar (itc vorhand inen Tawige von einer Bergarbeiterbewegur?4g Ara ngs der reg

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kommen. In den Saal des Nechtsshußvereins wurden nur die Frauen A Die Männer lagerten zu Tausenden in den S ralen in der Nähe. Als Rednerinnen waren zwölf gemeldet, die nicht alle zum Worte kamen. Die Hauptrednerinnen sprachen, bis sie heiser waren. Gegen 12 Uhr löste sich die Versammlung in Ruhe auf. Bei Neunkirchen wurde gestern Vormittag ein arbeitswilliger Berg- mann von L digen so schwer mißhandelt, daß er bald darauf fiark,

In der Bergarbeiterversammlung, die am Mittwoch zu Bildsteck stattfand, wurde der ablehnende Bescheid der Bergwerks-Direction, mit dem Strikecomité zu unterhandeln, verlesen. Der aus Westfalen zurückgekehrte Bergmann Wagner erklärte, wie die „Frkf. Ztg.“ be- richtet, von dort seien Unterstüßungsanträge nach andern Ländern ab-

gesandt worden. Im Bayerischen kam es zu Zusammenstößen zwischen Feiernden und Arbeitenden.

In dem Organ des Nechtsshußvereins „Schlägel und Eisen“ er- lassen der Vorstand und das Comité, wie wir der „Saarb. Ztg.“ ent- nehmen, einen Aufruf an alle Gewerkschaften, in der alle organisirten Arbeiter um Unterstüßung der Ausftändigen gebeten werden; ferner wird auch an die Geschäfts- und Bauersleute der Umgegend die Bitte um Zuwendung von Geld und Lebensmitteln gerihtet. Als Ziel des Ausstandes wird angegeben, es follen eine niht annehmbare Arbeits- ordnung zu Falle gébraht und bessere Arbeits- und Lohnbedingungen herbeigeführt werden. /

In Dudweiler fand am Mittwoh eine Versammlung von Vertretern des Kreisverbandes der Evangelischen Arbeiter- vereine an der Saar statt, um Stellung zu dem Bergarbeiterstrike zu nehmen. Unter den erschienenen 36 Delegirten waren auch eine Anzahl Bergleute. Der Vorsißende Herr Pfarrer de W y l von Friedrichéthal gab ein anshaulihes Bild der Sachlage und kam zu dem Schluß, daß es bei der jeßigen trüben Geschäftslage der Großindustrie ganz un- gerechtfertigt wäre, in cinen allgemeinen Strike einzutreten, der nur zum größten Nachtheil der Bergleute gereichen könnte. Von anderer Seite wurde constatirt, daß viele Bergleute gern wieder die Arbeit aufnehmen würden, wenn sie niht von den provocatorischen Hetßern daran gehindert würden. Nah längerer Debatte wurde beschlossen, daß der Verbandsvorstand der König- lien Bergbehörde und dem Königlichen Landrathsamt die Bitte vortragen solle, für ausreihenden Schuß derjenigen Arbeiter sorgen zu wollen, die nicht striken wollen, durch Vermehrung der Gendarmerie, die in den verschiedenen Orten patrouilliren folle. Alle weiteren Beschlüsse, um möglicherweise cine Einigung herbeizuführen, wurden einer zweiten Versammlung vorbehalten, die am nächsten Sonntag in Dudweiler stattfinden soll, und zu welcher auch Vertreter der Bergbehörde und die gesammten Vorstände der einzelnen Vereine des Kreisverbandes cingeladen werden sollen.

Vom heutigen Tage liegen über den Ausstand dexr Bergarbeiter im Saarrevier folgende Meldungen vor:

Wegen des heutigen Feiertages wird auf den meisten Gruben gefeiert. Die Zahlen der heute Feiernden geben daher kein zutreffen- des Bild über die Lage im Ausstandsgebie. Jn den Gruben Dilsburg und Wellesweiler is die Belegschaft, von der eine beschränkte Zahl von Bergleuten gefehlt hatte, wicder vollzählig angefahren. Wie aus BVildstock gemeldet wird, sind die Mitglieder des Vorstandes des Nechts \chu b- vereins, die früheren Bergleute Berwanger und Kron, sowie der frühere Bergmann Matthias Bachmann heute verhaftet und hierher übergeführt worden. Aus Reden wird von heute berichtet, daß zahlreiche auswärtige Arbeiter, die zu Beginn des Ausstandes in ihre Heimath gegangen waren, mit den Eifenbahnzügen zurück- kehren und die Arbeit wieder aufnehmen.

Die „Gelsenkirchener Zeitung“ meldet aus Gelsenkirchen: Eine zahlrei befuchte Bergarbeiter-Versammlung beschloß den sofortigen Auéstand; ein allgemeiner Strike wird béfürcbtet __ Die Socialdemokraten in Magdeburg schen, wie der folgende Bericht der „Magdb. Ztg.“ zeigt, die Boycott- erklärungen weiter fort. Das Blatt schreibt :

Als Antwort auf den Zusammenshluß der Braucreibesiver Magdcburgs macht die Localcommission der Socialdemokraten in ihrem Organ bekannt, daß sie außer den beiden Brauereien, der Actienbrauerei Neustadt-Magdeburg und der Klosterbrauerei Hadmers- leben, jeßt noch die Brauereien Bodenstein - Neustadt - Magdeburg, Cracauer Brauerci Sieger u. Co., Sudenburger Brauhaus, daes Brauerei Reichardt u. Schneidewin, Wallbaum u. Co.-Neustadt-Magde- burg, Kaiserbrauerei Allendorff-Schönebeck, Victoriabrauerei Morgen- stern-Groß-Salze und die Brauerei Waldsc{hlößchen-Dessau unter Voycott stelle. Das sind fast sämmtlihe in Magdeburg und in der Umgegend liegenden Brauercien. Die Localcommission räth den Parteigenossen, in den Fabriken, deren Besißer sih weigern, in ihren Confumvereinen Bier von Brauereien zu entnehmen, die niht zum Boycottverband gehören, lieber kein Bier zu trinken.

__ In Mainz fand, wie die „Frkf. Ztg.“ berichtet, am Mittwoch eine stark besuchte allgemeine Arbeiterversammlung statt, die sich mit der in einer Actien-Bierbrauerei vorgekommenen Ent- lassung eines Braubuxschen beschäftigte. Einer von der Gewerkschaft abgesandten Commission hatte die Direction versichert, die Entlassung bedeute keine Maßregelung; der Arbeiter habe sich eine grobe Nachlässigkeit zu Schulden kommen lassen, weshalb auch von einer Wiederannahme des Entlassenen unter keinen Umständen die Nede sein könne. In einer Resolution erklärte die Versammlung, die Gründe, die zur Entlassung des Arbeiters führten, feien niht gerechtfertigt ; sie erblicke darin nur cine Maßregelung cines um die Organisation verdienten Arbeiters und erwarte, daß die Direction der Brauerei die Maßregelung rückgängig mache und den Brauer wieder in Arbeit stelle. Geschieht dieses nit, so soll eine neue Versammlung über die weiter einzuleitenden Schritte Beschluß

fassen. Kunst und Wissenschaft.

Während von Athen aus die archäologischen Jnstitute von Amerika, England und Frankreih das lehtere, indem es soeben in Delphi Hand an eine vielversprehende Ausgrabung in ganz großem Stile legt, der heutzutage die Archäologie be- sonders fördernden Untersuhung durch Ausgrabungen einen erheblichen Theil ihrer Thätigkeit zuzuwenden im stande sind, sicht sih das Kaiserlih deutshe Jnstitut dort in Er- mangelung dafür ausreichender Fonds auf kleinere Unter- suchungen dieser Art beschränkt. Eine solhe war leßthin die Aufdeckung des Kabirenheiligthums in Böotien, der Stätte eines bei wesentlih lokaler Bedeutung doch für die griechische Religionsgeschichte merkwürdigen Cultus.

_ Augenblicküich ist vom Ersten Secretar des deutschen Instituts Herrn Dörpfeld wieder eine Ausgrabung, und zwar auf dem Boden Athens felbst in Gang gebracht.

Der Alterthumsforscher bedauert es, daß durch Anlage und Wachsen der modernen Stadt Athen die Möglichkeit in der so besonders interessanten Topographiec der alten Attischen Haupt- stadt durch Ausgrabungen größere Klarheit zu schaffen, immer mehr geschmälert wird; aber es ist Ee cine Kerngegend der alten Stadt im Westen der Akropolis von dieser Hinderung noch ziemli frei geblieben. Und hier seßt die Grabung des JZnstituts ein. Sie hat zu Anfang des verflossenen Jahres begonnen und Ergebnisse as welche hoffentlih der Gen Regierung den Anlaß geben werden, sie weiter zu führen.

In der Sißung der hiesigen Archäologishen Gesellschaft

146 und Pläne der Jnstituts-Aus- grabungen von der Hand des Herrn Dörpfeld vor. Zwischen dem Pnyxhügel und dem Areopag ist eine der Terrainbildung nah dort vorauszusezende antike Straße eine Strecke weit

geshenken, Darstellungen gceheilter menshliher Gliedmaßen, geliefert hat, ferner Privathäuser, welhe durh Hypo- theken-:Jnschriften in das fünfte Jahrhundert v. Chr. datirt sind. Eine befondere Bedeutung mißt aber Herr Dörpfeld der Auf- deckung eines großen Wasserbassins unweit der Straße bei. Das Bassin war durch eine Leitung alter Construction gespeist, welche vom oberen Jlissos her um den Fuß der Burg geführt ist, und hatte seinen Abflúuß in einen großen Kanal, welcher unter der aufgedeckten Straße entlang läuft. Herr Dörpfeld bringt diese Funde in Anschlag für die besonders viel be- sprochene Frage nach der Ton der Enneakrunos, des unter der Herrschaft der Pisistratiden architektonish stattlih her- e ten Stadtbrunnens. Man wird zunächst abzuwarten aben, was hierfür die noch im Gange befindliche Ausgrabung weiter liefern wird.

__— Die Münchener Künstlergenossenschaft hat, wie die „Post“ hört, nicht nur Director A. von Werner, fondern auch Prof. Karl Koepping in Berlin zum Ehrenmitglied gewählt.

Gesundhei:swesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Cholera.

Als Sonderdruck aus der „Münchener Mediz. Wochenschrift“ 1892 Nr. 46 is jeßt in der Sammlung der „Münchener medizinishen Ab- handlungen“ der Vortrag erschienen, den der Geheime Nath Professor Dr. Mar von Pettenkofer in dem dortigen hygienischen Institut „über holera mit Berücksichtigung der jüngsten Cholera - Cpidemie in Hamburg“ gehalten und worin cr über seinen Versuch, Cholerabacillen zu verschlucken, berichtet hat (München 1892, Verlag von J. F. Lehmann). Wir haben seiner Zeit die Thatsache und die Auseinandersetungen Pettenkofe-?s kurz erwähnt. Der jeßt vorliegende vollständige Vortrag ließt die wissenschaftlichen Erörterungen über Pettenkofer' und über Kochs Theorie nicht ab, sondern er wird die Grundlage zu weiteren S bilden.

Desterreich-Ungarn. „D. österr. San.-Wes.* vom 29. De- zember 1892 berichtet, daß in Galizien die Cholera wieder in mehreren neuen Fällen aufgetreten ist. In der an der äußersten Osft- grenze Galiziens am Zbruczflusse gelegenen Gemeinde Zalucze (Be- zirk Borszczow) wurden drei Cholera-Todesfälle festgestellt. In den gleichfalls am Zbrucz gelegenen Gemeinden Siekierzynce und Zielona (Bezirk Husiatyn) kam am 24. Dezember je eine Cholera- Crkxankung vor, die beide Tags darauf tödtlih endeten. In Buda- pest sind vom 18. bis einschließlich 24. Dezember sieben Erkrankungen, drei Todesfälle an Cholera gemeldet worden.

Frankreich. In Calais sind, wie in den „Veröffentlichungen

des Deutschen Kaiserlichen Gesundheitsamts" mitgetheilt wird, vom 20. bis 23. Dezember 1892 zwei neue Cholera-Todesfälle vorgekommen. Ein der Kammer zugegangener Geseßentwurf zur Deckung der aus Anlaß der Cholera-Epidemie erwachsenen Kosten wurde von der Budgetcommission zur Annahme empfohlen. Nach dem Bericht der Commission ist die Seuche, welche abweichend von der in den fran- zösischen Veröffentlihungen der leßten Monate gebräuhlihen um- schreibenden Ausdrucksweise jeyt unumwunden als „Cholera“ bezeihnet wird, am 2. April zuerst im Zuchthause zu Nanterre ausgebrohen. Im Mai und Juni beschränkte sich die Krankheit auf die Bannmeile von Paris. Sie verbreitete sich dann längs des Flüßchens Nisle nah der Normandie und wurde am 5. Juli dur eine Frau aus Courbevoie nah Havre vershleppt. Der erste Cholera-Todesfall in diefem Seehafen ereignete sih am 15., der zweite am 28. Juli und der dritte am 3. August. Seit diesem Tage zeigte die Cholera in Havrè einen epidemischen Charakter, während sie in Paris schon vorher eine größere Ausdehnung gewonnen hatte. Aus Hamburg is ein Schiff mit Cholerakranken an Bord, die „Nuggia“, erst am 23. August in Havre eingetroffen, als dafelbst {hon 71 Todesfälle durch Cholera erfolgt waren. Die von den Behörden zur Unterdrückung der Cholera in der Hafenstadt eingeleiteten Maßregeln traten am 19. August, also sechzehn Tage nah Ausbruch der Cpidemie, in Kraft. Die Kosten der Seuchenbekämpfung in Frankrei haben 560 000 Fr. betragen. Hiervon wurden 100 000 Fr. als Unterstüßung an Havre, 184677 Fr. für die reihlih beschafften Mittel und Apparate zur Desinfection, 15000 Fr. für die von der O E an bedrohte Orte entsendeten Sachverständigen, 140313 Fr. für das Material, 120000 Fr. für das Perfonal, welches durch die Ausübung der Sanitätspolizei in den Häfen und an den Landgrenzen erforderlich war, gezahlt. _ Rußland. Mittheilungen in den „,Veröffentlihungen des Deut- {hen Kaiserlihen Gesundheitsamts“ zufolge hatte die Stadt Moskau vom 11. bis 18. Dezember 1892 elf Erkrankungen mit sech8 Todesfällen, die Stadt Warschau vom 20. bis 23. Dezember eine Erkrankung, auch vas gleihnamige Gouvernement in der Zeit vom 17. bis 21. Dezember eine Erkrankung. In den Gouverne- ments Nadom erkrankten und starben vom 16. bis 19. Dezember acht bezw. drei, Lublin vom 19. bis 21. Dezember neun bezw. fünf, Plock vom 17. bis 21. Dezember zehn bezw. acht, Lomza vom 15, bis 17. Dezember fünf bezw. zwet.

Belgien. Nach dem Bericht, den der General-Secretär des Ministers für Landwirthschaft, Handel, öffentlihe Arbeiten und Ge- sundheitspflege in der Sißung des Obersten Gesundheitsraths vom 13. Oktober d. I. erstattete, betrug die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle, die in ganz Belgien durh die Seuche verursacht wurden, im Juli und August 148 bezw. 57, im September 776 bezw. 432, im Oktober 283 bezw. 137.

Türkei. Die in dex Stadt Trapezunt herrschende Cholera-Epidemie is in der Zunahme. Die täglichen Bulletins er- M für die Zeit vom 11. bis einschließlich 18. Dezember fünfzig S rkrankungen und sech8unddreißig Todesfälle.

New-York, 5. Januar. (W. T. B.) Der Ackerbau-Minister Nusk theilt mit, daß die Lungensecuche in den Vereinigten Staaten vollständig erloschen sei.

Verkehrs-Anstalten.

Unter Beobachtung gewisser Bedingungen werden wieder Dampferabfertigungen nah den Columbischen Scehäfen statt- finden, welche zur Beförderung von Postpacketen benußt werden können. Postpackete nah Columbien und nah Salvador werden demgemäß einstweilen wieder zur Beförderung an-

genommen.

Hamburg, 5. Januar. (W. T. B.) Hamburg - Ameri- kanische N etfahrt - Actien - Gesellschaft. Der Post- dampfer „Bohemia“ ist, von New-York kommend, heute Morgen

auf der Elbe eingetroffen.

Theater und Musik.

Neues Theater. Zwei Lustspiele in je drei Acten, beide von ausländischen Autoren, elangten gestern Abend vor einem freundlih gesinnten N zur Aufführung; das erste, „Die liebe Familie“ von Esmann entstammt dem Dänischen und wird nah der Ueberfeßzung von Emil Jonas gegeben; das zweite Stük „Kleine Hände“ hat Franz von Schönthan nach einer Komödie des E. Labiche frei bearbeitet. „Die liebe Familie“ fann als das scenishe Spiegelbild einer herzlich unbedeutenden kaufmännischen Durchschnittsfamilie gelten, das in engem Rahmen nur mittelmäßig durchgeführt ist. Der Vater, ein gewiegter O go seine Töchter mit Gleihmnuth jedem Mann, der um sie anhält, wenn er nur einen vornehmen Namen führt, selbst wenn er ihm fonst vom kaufmännischen Ständpunkte aus nicht einmal tausend Kronen anvertrauen würde. Die Kinder suchen als Wiedervergeltung durch Sch{hmeichelei und List möglichst viel Geld aus dem Familienoberhaupt herauszupressen; im übrigen

freigelegt ; an der Straße liegen Mee darunter eines des Asklepios, welches auch merkwürdige Funde von Weih-

füllen zahllose, fkleinlihe Intriguen, die häufig au noch

zusammcnhanglos erscheinen, die Scenen aus; die Schwestern zanken mit einander, der Sohn leiht vom Diener Geld und eine jüngste, ebenfalls recht oberflächlihe Tochter wird nur durch einen Zufall dem rechten Mann in die Arme geführt. Die Moralrede, zu der sih die eine Tochter noch zuleßt ganz unerwartet aufs{chwingt, vermag dem Stück ebenfo L sittlichen Werth zu verleihen wie fie seiner literarishen Schwächlichkeit aufhelfen kann. Die Darstellung giebt zu keinen ervor ean Anlaß, da ziemli gleihmäßig be- sriedigend gespielt wurde; in einer erheiternden kleinen Charge, als junger Mann, „der an kein Sa"air gewöhnt ist", that sich Herr Worliß\chckch in anerkennenswerther Weise hervor.

Labiche’s „Kleine Hände“ seßten der „Lieben Familie“ gei enüber recht erheiternd ein; die Theorie des adligen Schwieger- ohnes eines reihen Großhändlers Courtin, * daß Leute mit feinen, kleinen Händen zu zierlicher oder zumeist garkeiner Arbeit-geschaffen und daß zum Verdienen die Corn Hänte der_robusten Leute bestimmt seten, wird glänzend durhgeführt* bagegeñ wird die vom Schwieger- __ sprihwörtlihe Moral: „Müßiggang ift aller Laster Anfang“ vollständig auf den Kopf gestellt : denn die Großkaufleute entpuppen sich als lockere Vögel und der nihtsthuende Herr von Vatinelle is ein Ehegatte voll rührender Zärtlichkeit und Treue. Aus allen Mißverständnissen und Verdächtigungen geht der Mann mit den kleinen Händen rein hervor, und er wird seine kleine Frau, unbeanstandet von feinem Schwieger- vater, behaglich und mit reinem Gewissen weiter beglücken können. Der erste Act gefiel am besten, weil die Exposition anregend wirkte und weil Herr Meißner mit seiner derben, aber stets urwüdchsigen Komik kräftig eingreifen konnte; die Wirkung verflahte aber während des zweiten und dritten Acts; einen Theil der Schuld trug hier wohl die im ganzen temperamentlose Darstellung; die französischen Scherze veriangen Pikanterie und Drolerie auch im Wesen des Dar- * stellers, also eine leichte prickelnde Spielweise, die gestern vermißt wurde. Herrn Meißner, wie erwähnt, fällt der Hauptantheil an dem freundlichen Erfolge des Stückes zu; Herrn Worliß#ch fehlt zum eleganten Bonvivant die Glätte und Freiheit der Rede. Die A er und Wertheim gaben ihre Rollen gewandt und anmuthig.

vater angehängte

j Philharmonie.

__ Der Klaviervirtuos Herr Moriß Rosenthal veranstaltete gestern mit dem Philharmonischen Orchester (Dirigent: Kapellmeister HVerfurth) ein Concert, das sehr zahlreih besucht war. Seine hervor- ragendste Leistung war der Vortrag eines Concerts (Cis-moll) ' von dem dänishen Componisten Schytte, das vor einiger Zeit bereits durh den Pianisten Friedheim ausgeführt wurde und ih durch originelle thematishe Erfindung, wie durch geschickte Formbehandlung“ auszeichnet. Zugleih tritt der Virtuos überall aufs glänzendste hervor. Der berühmte Pianist, von ‘dem fein Lehrer Franz Liszt selbst äußerte, er werde ihn einst übertreffen, spielte dies Concert mit fo skaunenswerther Bravour, daß es in der That schwer wird, Worte zu finden, um den Eindruck dieses Vortrags zu schildern. Der reizende Anschlag, die imponirende Rube, die \pielende Leichtigkeit in der Ueberwindung der größten Schwierigkeiten bei sehr mäßigem Pedalgebrauch famen no in kleineren aufs zarteste schattirten Klavierstücken von Haydn, Mendelssohn und Chopin fowie in einem brillanten Wiener Carneval eigener Composition und in Liszt's Es-dur-Concert vortrefflih zur Geltung. Schließlich er- wähnen wir noch, daß nah stürmishem Beifall und Hervorrufe der unermüdlihe Künstler noch durch einige Zugaben erfreute. Die Leistungen des Orchesters, das den Abend mit Weber's Ouverture zu „Euryanthe“ eröffnete, waren höchst lobenswerth.

O Saal Bechstein.

Gestern Abend gab Herr Arthur Jahn einen Liederabend, der den zahlreih ershienenen Hörern einen erfreulichen Genuß bereitete. Herr Jahn verfügt über einen kräftigen Bariton, der in der Mittel- lage eine sehr sympathishe Klangfarbe und reiche Ausdrucksfähigkeit besißt, während in der Oberlage der Ton etwas an Wohllaut einbüßt; hier gelingt es dem Sänger aber zumeist, durch den Vortrag zu erseßen, was die Natur versagt hat ; die Aussprache ist ziemlich deutlich und der Stimmungsgehalt der vorgetragenen Lieder kam überall zu treffender Wirkung; nur in den Pianostellen hätte man den tiefen Tönen mehr Klarheit und Festigkeit wünschen können. In Liedern von Schubert und R. Schumann entwickelte Herr Jahn ein \chônes musikalishes Verständniß, in Löw e’'shen Balladen (Oluf, Prinz Eugen) und Gesangspiècen von Körte, Franz, Jensen und Taubert Temperament und Leidenschaft. Fräulein Magda- lene Voigt, die als Pianistin dem Concert angenehme Abwechselung uf, ist eine junge Dame von erkennbar großer Begabung ; sie svielt correct und sauber aber noch etwas s{ulmäßig, sodaß ihr die voll- kommene BehberrsWung der musikalishen Stoffe zuweilen noch zu mangeln scheint; aber es fehlt der Künstlerin nicht an Wärme des Vortrags, und den Emvfindungsgehalt der vor- getragenen Tonstücke bringt sie wirkungsvoll zum Ausdruck; sehr ge- fällig wurde das Sch ubert - Liszt’]\he „Du bist die Ruh“ zu Gehör gebracht, während die {chöne Technik in einem Beethoven'schen Andante und in zwei stimmungsvollen Klavierstücken von Godard am besten zur Geltung kamen. Die Klavierbegleitung der Lieder führte in bekannter Trefflichkeit Herr Otto Bake aus.

„Heimath“, das neue Schauspiel von Hermann Sudermann, das morgen im Lessing-Theater zur ersten Aufführung gelangt, wird in den Hauptrollen von Marie Mever, Luise von Pöllnig, Maria Reisenhofer und Elise Sauer, von Theodor Brandt, Georg Molenar, Emanuel NReicher und Oscar Sauer dargestellt werden.

Im Wallner-Theater werden auch für die morgige erste Aufführung der neuen Posse von Carl Laufs „Der Stolz der Familie“ die bisherigen volksthümlichen Preise beibehalten. i

Der Komiker Herr Edmund Hanno, der bercits mehrere Jahre hindurch am Friedrih-Wilbelmstädtis{hen Theater wirkte, wurde von Herrn Director Fritzsche neuerdings wiedergewonnen. Bei der morgen und am Sonntag îin Scene gehenden Offenbah*schen Operette „Pariser Leben* werden in den Hauptrollen die Damen Collin, E. Schmidt, Csendes, Kluge, Navarra und die Herren Klein, Wellhof, Bruch, Ewald, Broda beschäftigt sein.

In dem morgen stattfindenden Materna-Concert im Kroll hen

Theater, unter Mitwirkung des Herzoglich sächsishen Hofpianisten Georg Liebling und des Violin-Virtuo)en Alfred Krafselt, gelangt folgendes Programm zur Aufführung. Frau Materna singt die Arie der Elisabeth aus „Tannhäuser“; Arie und Webestod aus „Alceste" von Gluck und Arie aus „Tristan und Jfsolde“, während Herr Liebling das „Scherzo* aus dem Concert Nr. [Y von Litolf spielt und Herr Kiasselt das Concert in K-dur op. IT (erster Saß) von Vieurtemps und a. Berceuse von Fouré und b. Perpetuum mobile aus der Suite Nr. T11 von Ries zum Vortrag bringt. Für das Gastspiel der „fliegenden Fee" Preciosa Grigolatis hat die Direction des Thomas - Theaters als Zugabe zu dem Ballet „Das Märchen der blauen Grotte“ außer dem Lustspiel „Das Ver- sprechen hinterm Heerd* noch einen Einacter: „Othello's Erfolg", der vor Jahren hier gegeben worden ift, erworben.

Für das zum Montag Abend 74 Uhr angekündigte P hilhar - monische Concert (Dirigent: Hofopern-Director Felix Mottl) findet am Sonntag, Vormittags 12 Uhr, die Ae Hauvtprobe statt, wobei, wie im Concert selbst, Frau Teresa Carreño-d’Albert als Solistin auftritt. Das Programm bringt Haydn's Symphonie militaire. Gugen d’Albert's neuestes Klavter-Concert, die Ouvertare (mit Bacchanal) zu Wagner's „Tannhäuser* und Beethoven's C-molil- Symphonie. Der Kartenverkauf für die Probe (2 #6) fowie Abonnements für den 11. Cyclus und Einzelkarten für das VI. Concert sind bei Bote ú. Bock zu bäbei. Die erste Serie des 11. Cyclus der Joahim-Quartett- Abende findet am Sonnabend, 14. d. M., statt. Der Umtaus{ der Abonnementskarten für den 1. Cyclus muß morgen bei Bote u. V erfolgt fein. Der nä&hste, YRV1. Volkéunterbaltungk- abend findet am Sonntag im Saal der Brauerei Friedr iht

hain statt ; dabei werden die Concertsängerin Frau Margarete