1893 / 7 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 09 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

_ Ueber den Verlauf der Krankheit Jhrer Königlichen S der Prinzessin Mathilde E das „Dr. J.“ fol: gendes Bulletin vom 7. d. M. früh: j Im Befinden Ihrer Königlichen Hoheit der Pas Mathilde ist eine wesentlihe Besserung eingetreten. Fieber ist heute morgen nicht vorhanden; Ihre Königliche Hoheit haben den les Theil der Nacht ruhig ge[chlafen. Das Allgemeinbefinden ist nah Um- ständen gut. Dr. Fiedler.

Württemberg.

Die Eröffnung der Ständeversammlung findet morgen, wie der „St.-A. f. W.“ meldet, nach vorausfge-

enem Gottesdienst in der Schloßkirche und der M S Kirche durch Seine Majestät den König im Sißungsjaale der Kammer der Abgeordneten statt. ¿ :

Am Freitag fand zu Ehren Jhrer Königlichen Hoheit der Erbprinzessin und Seiner Hoheit des Erbprinzen zu Sachsen-Meiningen bei Jhren Majestäten Goftatel statt, zu der auch Seine Hoheit der Prinz und Jhre Königliche Hoheit die Prinzessin Herrmann zu Sachsen - Weimar mit Ihren Hoheiten dem Prinzen Ernst und der Prinzessin Olga Maria, die Mitglieder der Königlich preußischen Gesandtschaft, die Ober-Hofchargen und der Dienst eingeladen waren.

Baden.

Seine Majestät der Kaiser hat, wie die „Karlsr. B meldet, dem Großherzoglihen Hof Allerhöchstseinen f Aud für Mittwoch, den 11. d. M., angesagt mit dem Wunsche, daß diesem Besuch ein ganz privater Charakter bewahrt werde und jedweder e e Empfang unterbleibe. Seine Majestät wird gegen 1 Uhr Mittags in Karlsruhe ein- treffen und Abends nach 10 Uhr die Reife nah Berlin fortsetzen.

Oldenburg.

Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog begiebt sich der „Oldenb. Ztg.“ zufolge heute na St. Petersburg, um daselbst der Feier der silbernen Hochzeit Seiner Hoheit des Prinzen Alexander von Oldenburg beizuwohnen. Die Rückkehr von dort erfolgt gegen den 15. d. M.

Sachsen-Coburg-Gotha. Seine Hoheit der Herzo g hat si E von Coburg zu längerem Aufenthalte nah Gotha begeben.

Reuß ä. L.

+ In der am 4. d. M. abgehaltenen Sißung des Land- tags wurde einem Gesehentwurf, wegen Abänderung des hiesigen Ausführungsgeseßes zum Gerichts- verfassungsgeseye für das Deutsche Reich, die ver- fassungsmäßige Zustimmung ertheilt. Bisher konnten im Bedüúrfnißfalle "Neferendare erst nah zweijährigem Vor- bereitungsdienst mit amtsrichterlihen Geschäften außer der Urtheilsfällung, Testamentserrihtung und Mitwirkung bei Bildung der Schöffen- und Geschworenengerichte beauftragt werden. Durh das Abänderungsgesey ist die oberwähnte zweijährige Schranke bezüglih entsprechend befähigter im Vorbcreitungsdienste befindlicher Juristen beseitigt und die bisherige Unfähigkeit der Referendare zur Errichtung von Testamenten fallen gelassen. Beide Aenderungen entsprechen übrigens dem Stande der Nachbargeseßgebung im Königreich Sachsen. Auch wurde die Negierungsforderung von 37 000 M als Theilsumme zu dem mit Kürstlichem Domanium gemein- O zu bewirkenden Bau einer eisernen Saalebrücke bei

urgk von der Landesvertretung auf Antrag des Abgeordneten für den dortigen Bezirk, Vice-Präsidenten von Dietel, ein- stimmig bewilligt. ;

Am 5. d. M. wurde der Landtag im höchsten Auftrage Seiner Durchlaucht des Fürsten durch den Geheimen Rath B. von Geldern-Crispen dorf verabschiedet, worauf der Landtags-Präsident Wirklihe Geheime Rath R. von Geldern-Crispendorf ein dreimaliges Hoch auf Seine Durchlaucht den Fürsten und Landesherrn ausbrachte, in welches die Versammelten begeistert einstimmten.

Lippe.

Jn der Sizung des Landtags vom 5. d. M. gelangte, wie der „Hann. Cour.“ erfährt, ein Geseßentwurf in erster Lesung zur Annahme, der die Verlängerung der Gültigfkeits- dauer der Geseße von 1885 und 1889, Gewährung von Ent- schädigung für Ausgaben zu militärischen wecken bis zum Jahre 1896, bestimmen soll. Es wird danach von Landes- wegen für Mann und Tag ein Zuschuß von 1 # für Ein- quartierung bewilligt. Zu diesem Zwecke soll ein Simplum Klassen- und Einkommensteuer, mit Ausschluß der untersten Klassen, das ca. 34 000 M beträgt, erhoben werden.

Oesterreich - Ungarn.

Einer Meldung des „H. T. B.“ aus Prag zufolge hat der Abg. Mattusch im Altczehen-Club eine Rede gehalten, worin er betonte, daß die Altczehen in den Fragen der auswärtigen Politik stets für den Dreibund eingetreten eien und im Gegensaß zu den die Nation compromittirenden Jung- czehen nur eine platonishe Zuneigung für Rußland und Frankreich hegten. Der Reichstags-Abgeordnete Pr. Zucer hat sein Mandat niedergelegt.

Großbritannien und Frland.

Der Herzog und die Herzogin von Connaught sind am Sonnabend Nachmittag von London zu den Hoch- zeitsfeierlihkeiten nah Sigmaringen abgereist. i

Dem Ausweise des Handelsamts zufolge betrug die Ein- fuhr in dem abgelaufenen Jahre 424 Millionen Pfund Sterling, d. i. eine Abnahme gegen 1891 um 12 Millionen Pfund Sterling, und die Ausfuhr 227 Millionen Pfund Sterling, also eine Abnahme von 20 Millionen Pfund Ster- ling gegen 1891.

Frankreich.

Angesichts der beabsichtigten Kundgebungen an- läßlih des Wiederzusammentritts der Deputirten- fammer sind, wie „W. T. B“ meldet, Maßregeln getroffen worden, um überall die Ordnung aufreht zu erhalten. Jn allen größeren Städten werden morgen Truppen con- signirt sein.

Die indirecten Staatseinnahmen im Monat De- e v. J. überstiegen den Budgetvoranschlag um 17 Mil- ionen. Die Zölle ergaben gegenüber dem Voranschlage eine Mehreinnahme von 11/2 Millionen.

Bei der/ gestern in Carmaux-Albi vorgenommenen Ersaßwahl zur Deputirtenkammer erhielten Jaurès (Socialist) 4320, Héral (Republikaner) 3923 und Soulié, ein zweiter socialistisher Candidat, 1075 Stimmen.

Es scheint sih zu bestätigen, daß gegen Baïhaut, der sih übrigens immer noh auf freiem Fuße befindet, wegen der Vanama- Angelegenheit cine C0 erfolgen wird. Die Regierung wird, wie es heißt, der Kammer die Entscheidung darüber überlassen, ob die Angelegenheit dem Staatsgerichts- hof oder den Assisen zu überweisen wäre. ;

Der Deputirte Choiseul hat eine ‘Interpellation wegen Zurückerstattung der unter Floguet im Jahre 1888 für e eCe verwendeten Panamagelder an die Kasse- der Gesellschaft angekündigt. ; ; Í

Der Untersuchungsrichter Franqueville verhörte einem Telegramm der „Magd. Ztg.“ zufolge ge|tern Abend den Redacteur des „Journal officiel“ Jezierski, den früheren Leiter von Freycinet's Blatt „Télégraphe“, das von der Panama-Gesells chaft 200000 Fr. erhielt. Nach Aussagen Blondin's wäre diese Summe auf directes Begehren Freycinet's ausbezahlt worden. / :

Für den am 10. Januar beginnenden ersten Panama- prozeß, der nur den Bankerott der Gesellschaft betrifft, sind dreißig Zeugen vorgeladen. Man erwartet in diesem Prozeß bereits erhebliche Énthüllungen der Beziehungen der Ge- sellschaft zu Parlamentariern. : i

Bei verschiedenen Anarchisten und Nihilisten sind am Sonnabend Haussuhungen vorgenommen und sechs Anarchisten und ein Nihilist Namens Voczehowski verhaftet worden. Am Abend wurden dann noch vier Nihilisten: Abramowski, Demsky, Gendynoski und Woysejonski verhaftet. Gegen diese war bereits früher ein Ausweisungsbefehl erlassen und werden sie daher über die Grenze gebraht werden. Wie der „Figaro“ wissen will, hingen diese Verhaftungen mit der Auffindung von Sprengmaschinen zusammen, die in Naincy von Nihilisten hergestellt worden wären. Zahlreiche Papiere wurden beiblagnht

Portugal.

Die Pairskammer hat gestern, wie telegraphish aus Lissabon - gemeldet wird, den Protest des Comités auslän- discher Jnhaber von Titres der auswärtigen Schuld gegen das Decret vom 13. Juni 1892, wegen Herabseßung der Zinsen für die auswärtige Schuld, an die E cicomton verwiesen.

Schweiz.

Mie der „Bund“ vernimmt, hat der Bundesrath das Eisenbahn-Departement cingeladen, auf dem Wege einer Conferenz der shweizerishen Bälingefell aften eine Herab- fegung der internen Taxen anzuregen. Man bezweckt dur solche Taxreductionen Vieh und überhaupt die Lebens- mittel aus Oesterreih-Ungarn und Jtalien billiger nah der Schweiz zu schaffen.

Jn Bern wurden der „Frkf. Ztg.“ zufolge Placate an-

eschlagen, worin das Publikum aufgefordert wird, keine an dfisWen Waaren mchr zu kaufen, die französischen Handelsreisenden nicht mehr zu empfangen und mit denjenigen \chweizerishen Handelsleuten ihre Verbindungen abzubrechen, die weiterhin französishe Erzeugnisse zum Verkauf bringen sollten. |

Türkei.

Die „Politishe Correspondenz“ meldet aus Konstan- tinopel: Die bulgarische Vertretung bei der Pforte erhielt aus Sofia von der dortigen Regierung die Mittheilung, daß ein Anschlag gegen den bulgarishen Agenten VDimi- tro ff vorbereitet sei. Nachdem die Pforte hiervon verständigt war, befahl der Sultan, vor dem Hause Dimitroff's eine Militärwache aufzustellen.

Rumänien.

Der König hat nah ciner Meldung des „W. T. B.“ aus Bukarest vorgestern Mittag in Begleitung des Minister- Präsidenten, der Präsidenten des Senats und der Kammer, sowie des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten Lahovary, des Obersten Comaneno, Commandeurs des Regiments, dessen Inhaber Fürst Leopold von Hohenzollern ist, und des Majors Cocea, Bataillons-Commandeurs in dem Chasseur-Regiment, dessen Commandeur der Prinz Ferdinand ist, mittels Sonderzugs die Reise nach Ma N geo angetreten. Behufs Vertretung der zur Theilnahme an der Hochzeitsfeier abgereisten Staatsmänner wurden durch Königliches Decret interimistisch der Minister Carp mit dem Präsidium des Cabinets und dem Portefeuille des Jnnern und der Kriegs- Minister J. Lahovary mit dem Portefeuille des Auswärtigen betraut.

Serbien.

Der Cultus-Minister Buschkowitsh is nah ciner Meldung des „W. T. B.“ aus Belgrad vom 7. d. M. ge- storben. Die Beerdigung soll auf Staatskosten stattfinden.

Montenegro.

Die mit der Untersuchung des jüngsten Vorfalles an der türkish-montenegrinishen Grenze (stehe Nr. 307. des „Nie: U St.-A.“ vom 28. Dezember) beauftragte türkish-montene- grinishe Specialcommission unterzeihnete, wie M T B mee, gelei ein Protokoll , wodur die Fragen des Eintritts in das Sandschak Kossowoo einerseits und in das Fürstenthum Montenegro anderer- seits zur Zufriedenheit beider Regierungen gelöst werden. Aus diesem Anlaß fand eine Feierlichkeit tatt, der zahlreiche Albanesen und Montenegriner beiwohnten und bei der dic Geistlichkeit Gebete für die Erhaltung cines dauernden Friedens zwishen Ottomanen und Montenegrinern verrichtete.

Schweden und Norwegen.

Vorgestern haben im ganzen Lande unter großer Theil- nahme die Wahlen zu der von den Liberalen und Socialisten zu Gunsten der Einführung des allgemeinen Stimmrechts organisirten und als „Volks-Reichstag“ be- zeihneten Volksversammlung stattgefunden. Sämmtliche von den Socialisten aufgestellten vierzehn Candidaten, nämlich zwei Liberale und ¿wölf Socialisten, darunter eine Frau, haben dem „W. T. B.“ zufolge in Stockholm mit insgesammt 12000 von 21 000 Aen Stimmen gesicgt. Auch in Gothenburg und Malmö erlangten die Socialisten die Majorität.

Dänemark.

Wie die „Berlingske Tidende“ meldet, wird dex König am 22. d. M. nah Berlin abreisen und bis zum 27. d. M. daselbst verweilen.

Amerika.

Der Staatssecrctär des Auswärtigen Foster erklärt, nah ciner aa - des „W. T. B.“ aus Washington, in seinem seitens des Senats von ihm E Gut- achten über die Bill „Chandler“ wegen eshränkung der Einwanderung auf die Dauer cines Jahres, daß die Bill keine Verlegung von Verträgen herbeiführe. Die Commission des Nepräsentantenhauses für das Einwanderungs- wesen hat sih in ihrem vorgestern eingebrachten Bericht im allgemeinen zu Gunsten der Bill „Chandler“ ausgesprochen. Die Bill wurde von der Commission aber dahin abgeändert, daß unter der Kategorie der nicht willklommenen Einwanderer auch die Mitglieder aller Vereinigungen einzubegreifen seien, welche die Vernichtung von Leben und Eigenthum guthießen.

Afrika.

Nach einer Meldung der „Daily-News“ aus Kairo hat sich der General Kitchener in Begleitung mehrerer anderer englischer Offiziere gestern an die Grenze begeben.

Das „Reuter’she Bureau“ meldet aus Sansibar von gestern, der britische [Commissar für Uganda Portal hoffe am 14. März den Nil zu passiren.

Parlamentarische Nachrichten.

Auf der Tagesordnung für die 11. Plenarsizung des Hauses der Abgeordneten am Dienstag, 10. Januar 1893, Mittags 12 Uhr, stehen ene Gegenstände: 7 Be- rathung des Rechenschaftsberichts über die weitere Ausführung des Geseßes vom 19. Dezember 1869, betreffend die Con- solidation preußischer Staats-Anleihen. 2) Erste und zweite Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die Auf- hebung von Stolgebühren für Taufen, Trauungen und kirch: liche Aufgebote in der evangelisch- reformirten Kirche der Provinz Hannover. 3) Erste Berathung des Geseßentwurfs, betr:ffend die Verbesserung des Volksschulwesens und des Diensteinkommens der Volksschullehrer.

Der Rittergutsbesißer von Borcke-Rienow, Mitgüied des Hauses der Abgeordneten für den 5. Stetliner Wahlbezirk (Naugard-Regenwalde), ift am 8. d. M. gestorben.

Kunst und Wissenschaft.

Plögßlich verstorben ist, wie der „N. A. Z.“ mitgetheilt wird, in der Naht vom Freitag zum Sonnabend der Lehrer am Kunstgewerbe - Museum Baumeister Rudolf Speer. Ein Herzshlag hat dem Leben des erst 44 Jahre alten, kräftigen Mannes in dem Augenblick cin Ende bereitet, al8 er, vom Ünterriht im Kunstgewerbe-Museum Heimkehrend, feine in der Courbièrestraße belegene Wohnung betrat. Speer, geboren am 4. März 1849 zu Waren in Mecklenburg, war seit Jahren für die Architekten- firma Gropius u. Schmieden thätig. Schon an der Ausarbeitung der Entwürfe sür den Bau des Kunstgewerbe-Museums war er betheiligt, und als Martin Gropius noch vor Vollendung dieses seines legten Werkes 1880 ftarb, trat Speer in die Lücke ein, um seitdem an den weiteren Arbeiten des nun Schmieden und Speer’schen Ateliers her- vorragend betheiligt zu bleiben. An der Unterrichtsanstalt des Kunst- gewerbe-Museums wirkte Speer seit 1879. /

Der berühmte Chirurg Geheime Medizinal-Rath Professor Dr. Friedrich von Esmarch in Kiel begeht heute in körperlicher und geistiger Frische die Feier seines siebzigstecn Geburtstages. Geboren am 9. Januar 1823 zu Tönning in der Landschaft Eiderstedt als der Sohn des im Jahre 1864 zu Flensburg verstorbenen Physikus Esmarch, machte er seine Studien auf den Gymnasien in Rendsburg und Flensburg fowie auf den Universitäten in Kiel und Göttingen und begann 1846 seine ärztlihe Thätigkeit als Assistent Langen- bes am irurgishen Hospital in Kiel, Im Jahre 1848 betheiligte er sich als Offizier, dann als Unterarzt im Turner- corps am schleswig - holsteinshen Kriege und gerieth am 9. April in dänishe Gefangenschaft. Später ausgewechselt, machte er die beiden nächsten Feldzüge von 1849 und 1850 als Adjutant Stro- meyer’s mit und rückte dabei zum Oberarzt auf. Nach Stromeyer’s Weggang wurde ihm 1854 die Direction der chirurgishen Klinik übertragen, 1857 wurde er von der dänishen Regierung zum ordent- lihen Professor und Director des Hospitals zu Kiel ernannt. Wäh rend des schleswig-holsteinshen Krieges von 1864 machte er sich außer- ordentlich verdient um die Lazarethe in_ Flensburg, Sundewitt und Kiel. Jm Juli 1866 wurde ihm die Oberleitung der chirurgis{en Thätigkeit iy den Berliner Lazarethen anvertraut. 1870 zum Generalarzt ‘und consultirenden Chirurgen der Armee ernannt, wirkte er zunächst in Kiel und Hamburg und wurde dann nah Berlin berufen, um die General-Lazarclhdirection bei der Ein- rihtung des großen Baraenlazareths auf dem Tempelhofer Felde zu unterstüßen. Die krieg8chirurgische Technik hat ihm zahlreiche Er- findungen und Metbalarungen zu verdanken. Darunter ein schr brauhbares Verfahren, um Gliedmaßen künstlich blutleer zu machen und somit ohne Blutverlust zu operiren. Neuerdings ist er mit großem Erfolge um die Einführung der Samariterschulen in Deutschland bemüht gewesen. Aus der großen “u feiner Schriften heben wir hervor: Das ‘in Kiel 1851 erschienene Werk „Ueber Nefectionen und Schußwunden“, „Ueber den Kampf der Humanität gezen die Schrecken des Krieges" (Kiel 1869) und das durch eine von der Kaiserin Augusta gestellte Aufgabe veranlaßte preisgekrönte „Handbuch der kriegschirurgishen Technik“ (1877). Vor sechs Jahren wurde dem verdienten Gelehrten der Adel verliehen. In erster Ehe war Gsmarh mit einer Tochter Stromeyer's vermählt; seine zweite Gattin ist die Prinzessin Henriette zu Schleswig - Holstein - Sonderburg- Augustenburg. Sein Sohn aus erster Ehe ijt Professor der Hygiene in Königsberg. E

Der Vice-Präsident der Akademie der Wissenschaften, Profe}? der Physik an der Wiener Universität Stefan is im Alter vor 58 Fahren gestorben. j

Das „Kiel. Tgbl,“ bêrichtet: An der dänischen Grenze, füdlißh von der Stadt Ripen, hat man dieser Tage auf cinem Aer zufällig einen größeren Münzfund gemacht. Ein Sculkind wurde in einem frisch aufgeworfenen Maul- wurfshügel eine silberne Münze in der Größe eines Markstüé gewahr. Als man dann in einem zweiten Maulwurféhüge eine ähnlihe Münze entdeckte, grub man nach und fand dasclbst mebrere Geldstücke in Silber, von denen die meisten die Größe eines Fünfmarkstücks oder eines alten Speciesthalers hatten. Eiuige davon waren dänische, andere fremde Münzen. Erstere ware? in den Fahren 1650, 1655 und 1661 geprägt worden, also unter der Regierung des dänischen Königs Friedri 111, dessen Brustbild ne zeigten. Von den übrigen sind einige in Hamburg und Nürnberg 1 den Jahren 1636 und 1622 geprägt, andere dagegen in Spanien 10 Fahre 1590 unter Philipp 11. und wieder andere in Belgien in den Fahren 1609 und 1654 unter Philipp 111. und Philipp 1V.

Der „Voss. Ztg.“ wird unter dem 2. d. M. aus Brüssel gerte: Vor den Thoren der Brabanter Stadt Tirlemon!

efinden sich drei ausgedehnte römische Grabstätten. Die BVra- banter arhäologishe Gesellschaft hat diese drei Grabhügel jeyt einer gründlichen Durchforshung unterzogen. Es ergab fih, daß diese Gräber den ersten Zeiten der römischen Herrschaft ang" hören und zwei davon bereits in einer früheren Zeit durhsu@!

E

worden find. Der dritte Grabhügel war unberührt, und seine Durch- forshung förderte wihtige und kostbare arhäologishe Funde zu Tage. Die Hauptfundstücke sind folgende: Eine prächtige Kamee, eingefügt in eine fchön bearbeitete Goldeinfassung; sie hat die Form einer Brosche im Größenverhältnisse von 5 ecm auf 4. Den Grund bildet ein prächtiger tiesrother Sardonyx, auf dem si in Relief und in einer perlmutterartigen Weißé der Kopf eines Jünglings abhebt. Die ciselirte Arbeit ist von großer Feinheit; man kann mit dem Bergrößerungs- glase vollkommen die kleinsten Gesichtszüge und die Haarbüschel unter- scheiden. Die ganze Arbeit ist von hohem künstlerischen Werthe. Ferner ein fein bearbeiteter goldener Trauring “einer Frau; ein ciselirter Edelstein trägt die Inschrift: „Concordia communis*. Eine bronzene Kanne, bronzene Schüsseln mit Griffen, cine Büchse mit Porpigrungen in Elfenbein, deren úFnhalt Schminke zu fein scheint, eine elfenbeinerne Frauenbüste auf bronzenem -Gestelle, ein Spiegel aus Bronze, die Scheide cines Stiletts in Gold, auf deren vier Seiten die Worte: M. Pro- Bius- Bur- Rus ein- gene sind; eine Amphora, Scherben von irdenen und Glasgefäßen, ronzene Armleuchter, mit Elfen einverzierungen geschmückte Büchsen, in einer Büchse fand man noch s{ön duftendes Parfum —, Dolch- griffe, bronzene Theile von Pferdegeschirren, darunter cin gut crhal- tenes Mundstück. Die Leitung der Arbeiten hatten die Brüffeler Aae Poels und De Loë und der Archäologe Schepers in Tirlemont übernommen. Der Bürgermeister Tirlemonts will diese h adi verkaufen; die Hälfte des Erlöses soll den Armen der Stadt zufließen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln. Wed erli über die Verbreitung der Maul- und Klauenseuche

in Preußen im Ausgang des Monats Dezember 1892.

Die Seuche herrschte in e 2 O inde- (G emeinde sen | (Guts-) | Bezirken

Angabe der Thiergattung, welche von der Seuche be- fallen ift.

Negierungs-

bezirk

Laufende Nr. |

281 Rinder, Schafe, Schweine. 60 Ninder, Schafe, Schweine. 78 Ninder, Schafe, Schweine. 248 Ninder, ats Schweine.

Königsberg 15 Gumbinnen . 11 D e 10 Marienwerder 15 | Sn A 14 grantfurt ¿0 19 Berlin

Stettin . Köslin Stralsund . .

S0 Rinder, Schafe, Shweine. 91 Ninder, Schafe, Schweine. 1 Rinder, Schweine. | l | | | l |

00 I M U S s

124 Rinder, Schafe, Schweine. 64 Ninder, Wegen Schweine. 100 Rinder, Schafe, Schweine. 10 P Unter: 198 Ninder, Ziegen,Schweine,Schafe. 144 N Steine S afe. 45 Ninder, Ziegen, Schweine,Schasfe. 36 Ninder, Schafe, Schweine. 37 Ninder, Schafe, Schweine. 95 Ninder, Ziegen,Schweine,Schafe. D Ninder. 14 Ninder, Se Schafe. 24 Ninder, Schweine, Schafe. 30 Rinder, Schweine, Schafe. 31 Ninder, Schweine. 1 Rinder. 14 Rinder, Schweine. [2 Rinder, Schafe, Schweine. 12 Minder. 928 Ninder, Schafe, Schweine. 11 Rinder. 8 Ninder, Schweine. 4 Rinder. | 28 Ninder, Schweine. j | 10 Rinder, Schweine. 3|Aachen | 1 Ninder, Schweine. Sigmaringen . A Ninder. Zusammen | 299 92089 Die Regierungsbezirke Stade und Aurich waren am Schluß des Monats Dezember 1892 frei von der Maul- und Klauenseuche. Bemerkungen. Zu Nr. 9: Für einige Kreise ist allgemein Klaucnviech angegeben. Zu Nr. 29: Thiergattung aus dem Kreife Ahrweiler ist nicht angegeben worden.

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Posen . s Bromberg . . 31Breslau . Liegnitz 5IDyppeln . . Magdeburg Merseburg . . Erfurt Schleswig. . Hannover Hildesheim Lüneburg ; Osnabrück . Vene Minden . [Arnsberg 7|Cafsel ¡ Wiesbaden . Koblenz . N, Düsseldorf . Vet

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Handel und Gewerbe.

Die Geltungsdauer des im Jahre 1889 zwischen Groß- britannien und Bulgarien abgeschlossenen und bereits einmal verlängerten Handelsabkommens is erneut bis zum 31. Dezember d. J. ausgedehnt worden. Die Vortheile dieses Abkommens, welches für die britishe Einfuhr nah Bulgarien einen allgemeinen 8procentigen Werthzoll festseßt, finden während seiner weiteren Geltungsdauer auf Grund der Meistbegünstigung für die deutshe Einfuhr auh ferner An- wendung.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Nuhr und in Oberschlesien.

An der Nuhr sind am 7. d. M. gestellt 10 307, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

L) Wang Boriletgerungen.

‘Beim Königlichen Amtsgericht 11 Berlin stand am 6. Januar das im Grundbuhe von Weißensee Band 32 Blatt Nr. 943 auf den Namen der verehelihten Wagenlackirer Na gel, Emma, geb. Hoffendahl, eingetragene, zu Neu-Weißensee, Park- straße 94, belegene Grundstü zur Bebfteicorian: bei 0,0425 ha ift cs mit 2800 M4 gung zur Gebäudesteuer veranlagt; Mindest- gebot 769 4; für das Meistgebot von 23 100 4 wurde der Küster Rudolf Friedrich zu Berlin, Auguststraße 90, Ersteher. Die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung des im Grundbuche von Nieder-Schönhausen Band IV. Blatt Nr. 162 auf den Namen des Fräuleins Valeska von Liebermann eingetragenen Grund- stüds wird, nahdem die Anträge zurückgenommen find, aufgehoben.

Verdingungen im Auslande.

Niederländische Colonien. L

10: ear, Der BDipertor des Unterrichts zu Batavia, Contor im Palast zu Weltevreden : Neuer Submissions-Termin zur Lieferung von Shulbedürfnissen für das Depot für Lehrmittel zu Batavia zu Zwecken des niederen europäishen und inländi'chen Regierungsunter- richts auf die Zeit vom 1. Juli d. J. bis. Ende Dezember 1902

._ Neue Submissionsbedingungen in Holländischer Sprache beim „Reichs-Anzeiger“.

Verkehrs-Anstalten.

= Bremen, 7. Januar. (W.T. B.) Norddeutscher Lloyd. Dex Schnelldampfer „Elbe“, nah New-York bestimmt, hat am 9». Januar Nachmittags Lizard passirt. Der Postdampfer „Her - mann“, am 2. Dezember von Bremen abgegangen, ist am 5. Januar

Morgens in New - Y ork angekommen. Der Postdampfer „München“ ist am 2. Januar von Buenos-Airès nach Bremen in See ge- ggngen. Der Postdampfer „Baltimore“, am 1. Dezember von

remen abgegangen, ist am 2. Januar in Montevideo angekommen. Der Postdampfer „Köln“ hat am 6. Januar Vormittags die Neise von Lissabon nah Brasilien fortgeseßt. Der Reichs-Post- dampfer „Darmstadt“ is am 59. Nachmittags in Port Said angelommen und hat nah Uebergabe der ostasiatishen Post an den nach Brindisi bestimmten Reichs-Post- dam fer „Danzig“ die Reise nach Genua fortgeseßt. Der Mei hs-Postdampfer „Danzig" ist am d. Januar Abends mit der ostasiatishen Post vom Reichs-Postdampfer „Darmstadt“ und der australishen Post vom Reichs - Postdampfer „Karlsruhe“ von Port Said nah Brindisi abgegangen. Der Postdampfer „Stutt- gart", von Baltimore kommend, hat am 5. Januar Nachmittags Dover passirt. Der Go Me svamp ler „Neckar“, nah Ost-Asien bestimmt, ist am 6. Januar Morgens in Antwerpen angekommen. Der RNReichs-Postdampfer „Bayern“, von Ost-Asien kommend, ift am 6. Januar Vormittags in Hongkong angekommen.

8, Januar. (W. T. B.) Der Postdampfer „Stuttgart“, von Baltimore kommend, is am 6. Januar Abends auf der Weser angekommen. Der Reiché-Postdampfer „Neckar“ hat am 7. Ja- E ANSens die Neise von Antwerpen nah Southampton fort- geseßt.

Wien, 7. Januar. Der Sections-Chef von Wittek vom Handels-Ministeriuum is heute Abend nah Kiew abgereist, wo am 10. Januar die internationale Commission behufs Verein- barung eines Staatsvertrags, betreffend den Anschluß der Eisenbahn Czernowiß-Nowosielica an die russischerseits in der Ausführung begriffene Eisen bahnline von Mohilew nach Nowosielica, zusammentreten soll. Der Chef des Eisenbahnbureaus im Generalstabe General. Major von Guttenberg nimmt ‘ebenfalls an den Berathungen der Commission theil.

Triest, (. Janiüart (W.: T. B) Dev Lloyd - Dampfer „Amphitrite“ hat, von Alexandrien kommend, heute Abend in der Bucht von Muggia Anker geworfen, da ihn die heftige Bora am Einlaufen in den hiesigen Hafen hinderte.

London, §8. Januar. (W. T. B.) Der Uniondampfer „Moor" i} gestern auf der Ausreise von Southampton abge- gangen. Der Uniondampfer „Pretoria“ ist heute auf der Heim- reise von den Canarischen Inseln abgegangen. Der Union- dampfer „German ist heute auf der Ausreise von den Canarischen Inseln abgegangen. Der Uniondampfer „,Mexican“ ist heute auf der Heimreise in Southampton angekommen.

Kepenhagen, 9. Januar. (W. T. B) Die Na htfahrt Gjedser-Warnemünde ist wegen Eises vorläufig eingestellt.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

An dem fünften Symphonie-Abend der Königlichen Kapelle hatte sich am Sonnabend wieder ein schr zahlreiches Publikum eingefunden. Zum Gedächtniß des Todestages Wilhelm Taubert?’s wurde die H-mo1l-Symphonie des Verewigten ausgeführt, die mit dem Reichthum an melodischen Schönheiten stets eine den besten Vorbildern dieser Stilgattung folgende klare Formgestaltung vereinigt, ohne die -Selbständigkeit eigener Erfindung vermissen zu lassen. Diese Symphonie. sowie der bereits öfter gehörte „Carnaval romain“ von Berlioz, dessen erster Theil als der bedeutendste erscheint, und die unübertrefflihe C-moll-Symphonie Beethoven's waren die drei hervorragendsten Werke des Abends, welche unter Leitung des Königlichen Kapell meisters Herrn Weingartner mit einer Vollendung vorgetragen wurden, die geeignet is, anderen Orchestern als Muster zu dienen. Außer den genannten Compositionen kamen noch in glei vortrefflicher Wiedergabe die Ouverturen zu Spohr's „Jessonda“ und zu Weber's „Freischüß" zu Gehör. Rauschender Beifall und Hervor- ruf des Dirigenten folgten der Ausführung der genannten Werke.

Lessing-Theater.

Ein neues Schauspiel „Heimath“ von Hermann Suder- mann erlebte am Sonnabend Vie erfolgreiche erste Aufführung. Der Verfasser, der sich durch das Schauspiel „Die Ehre“ mit einem Schlage zu einem angesckhenen Dramendichier erhobèn und der sich dur das Schauspiel „Sodoms4 Ende“ în die Vorderreihe der naturalistishen Schilderer der krassesten Nachtseiten der menschlichen Gesellschaft gestellt hat, schien im Beginn seines Schauspiels , Heimath“ weit ab von dem bisherigen Wege zu wandeln. Er führt die Zu- schauer fort aus der Großstadt mit dem verkommenen Hinterhaus und dem nicht weniger verlotterten Vorderhaus hinaus in eine ferne, ab- gelegene Stadt. Ein verabschiedeter Offizier führt dort - mit Frau und Tochter in engem Kreise und geregeltem, alt: modishem Hauswesen ein ruhiges, von hristliher Tugend, von guter Sitte und ehrenhafter Gesinnung getragenes Dasein. Eine dunkle Wolke aber hängt an dem stillen und klaren Lebenshorizont, die Erinnerung an eine verschollene Tochter. Plöglich ift sie wieder da, einc gefeierte, stolze Sängerin, selbstbewußt und selbstgereht. Ihr Erscheinen bedeutet einen verbeerenden Weltersturm für die Familie. Nubelos und rastlos, losgerissen von allen innigen Fäden, die den Menschen an die Heimath binden, hat die verschollene Tochter ihr anfangs elendes Schicksal in ein hillerndes und glänzendes durch die eigene Willenskraft verwandelt; fie kennt nur id und ihren Willen, dem si alles beugen soll; alles if gut und ret, was sie thut, weil eben fie es thut. So erscheint sie wie die Verkörperung eines Jn- dividuums auf der Grundlage der modernen Philosophie des Egoismus, wie die Personifizirung der neuen Kunstlehre, daß der Menfch, ohne Nücksicht auf Vater und Mutter, auf Gatten, Kinder und Freunde, fich selbst ausleben soll. Zwei völlig getrennte Weltanschauungen stehen si gegenüber in dieser Tragödie der verlorenen Tochter ; das Schauspie: ringt sich empor zu einem moralphilosophishen Problem, zur Gegenüberstellung der christlichen Weltanshauung mit ihrer milden reinen Nächstenliebe und der kalten Ichvergötterung der neuesten Weltweisen. Das moderne Princip erringt den Sieg, die nackte Nüchternheit und brutale Offen- heit der heimgefehrten Tochter giebt dem Vater, der verzweifelt um die Seele seines Kindes ringt, den Todesstoß; mit diesem Bilde {licht das Stück; die Tochter weint, aber fie wird sicherlich binnen kurzem aufspringen und rufen: „Was geht das mich an? Ich lebe mein Leben weiter.“ Das ristlihe Leben beherrsht in der Klein- malerci der ersten beiden Acte die Bühne; in höchster idealer Selbstentäußerung und milder Nachsicht erscheint cs in der Gestalt des Pfarrers von St. Marien; er, der einst um die wilde Tochter gefreit hat, hat aus dem Herzeleid und der Enttäushung eine geklärte und geläuterte Menschenkenntniß und eine reine Seele davongetragen; er hat das Wünschen und das Verachten verlernt. Das Licht des Geistes \{chwindet von der Bühne, wenn der Pfarrer in den Hintergrund tritt. Einen ganz entgegen- Jeseßten Charakter tragen die beiden leßten Acte. Das hilflose MNingen der Familie, die zart und leise, der Vater freilich trobiger und heftiger, die Seele der Tochter wieder mit Liebesbanden an die Heimath fesseln wollen, steigert fich zu einem quälenden, peinigenden Kampfe. Der Vater wird immer gewaltsamer bei dem heftigen Widerstande, und fein zuleßt beinahe sinnloses Vorgehen bringt thn um das Mitgefühl, das er fich anfangs bei den “v auern erworben bat. Der Dunst der Großstadt mit ihrer heimlichen Sünde und mit ibren Lastern lagert über der Scene; heftige _Genußsucht, krafser Egoismus flackern grell aus dem trüben Nebel auf, cin dunkles Gegen» stüUck zu dem lichten Anfang, der aber durch die meisterhafte Beherr- schung der Rede die Zuschauer noch immer im Bann bält.

Die Charaktere sind zumeist kühn und kraftvoll gezeichnet. Eine prächtige Persönlichkeit ist, wie schon erwähnt, în dem Pfarrer von St. Marien gegeben; die einfältige Klugheit paarte ih in ihm mit einex großen Seele, die idn îinstinctiv zu einer ?o hohen und reinen Weltanschauung führt, daß felbst die starke Jchanbeterin demüthig unter feinen Willen sich beugt. Ein feiner Geist, ein großes Herz sprechen aus der Gestalt, und für diefe \{uldet der Zu- schauer dem Dichter reien Dank. T

Januar

Theil an diesem Dank hat aber au Herr Reiter, der diefe einfache, demütdige und doch nie «untere

würfige Figur mit ergreifender Wahrheit fpielte. Zur verlorenen Tochter. hat der Verfasser eine Menge feiner Züge zufammengetragen, die ihr Handeln erklären und begreiflich machen. Das Gute und das Böse, beides ist in ihr stark ausgeprägt: ihr Cre, ihre Genußsucht, der Stolz äuf ihren Beruf, auf ihre Kraft, die ihr alles afft, und die bis zur Brutalität und zum Cynismus gehende Offenheit , „allerdings unter dem Zwang der Nothwendigkeit. Fräulein Retsenhofer war für diese moderne Tochter eine durchaus geeignete Darstellerin; sie behandelte den Vater mit überlcegener Freundlichkeit, patronifirte die s{hüchterne Stiefmutter und machte der Tante gegenüber spige Bemerkungen mit spöttisher Miene; wirklihes Empfinden lag nur in der beinahe mütterlichen Zärtlichkeit der jungen Schwester gegenüber, Sehr tüchtig charakterisirte Herr Sauer den Regierungs-Rath von Keller; dieser Mann vereinigt in sich alle verächtlihen Seelenregungen ; sinulich, feige, selbstfüchtig im Innern, gab ihm der Darsteller ein vornehmes Acußere, ein Bevalereskes Benehmen, das jedes Mal hilf- rei einsprang, wenn die Gestalt ganz in den Abgrund der Niedrigkeit zu versinken drohte. Herr Mo lenar führte die Rolle des bis zum Cigensinn carakterfesten Vaters wirksam durch. Dichter und Dar- steller wurden wiederholt gerufen und erschienen dankend vor der

Gardine.

M i __ _Wallner-Theäter.

4 Von einem im Lessing - Theater entbehrliten Theil des Künstlerpersonals, das zur Zeit im Wallner-Theater Gastvorstellungen giebt, wurde am Sonnabend mit im ganzen gutem Erfolge die neue Posse „Der Stolz der Familie“ von Carl Laufs zum ersten Male aufgeführt. Das mit mannigfachen Fehlérn und Schwächen .behaftete Stück, in dem an verschiedenen Stellen zu einer Art von Handlung angeseßt, die begonnene Arbeit aber nit dur- geführt wird, gewann einen eigenen Reiz und erregte die lebhafteste Heiterkeit dadur, daß der Verfasser den sonderbaren Gedanken gehabt und in humoristischer Weise verwirklicht hat, eine vermuthlich aus dem Atelier des Herrn Castan hervorgegangene Wachsfigur zum Helden seines Stückes zu machen. Der Rechtsanwalt Julius Sonnewald, der dritte Schwiegersohn des Herrn Jacob Breithaupt, läßt, um im Gegen- saß zu den beiden anderen unsoliden Schwiegersöhnen als häuslih zu erscheinen, dieses ibm täushend ährlich schende, von einem Freund zum Geschenk erhaliene Ebenbild an seiner Stelle an dem Schreibtisch sißen, wenn er, dringende Arbeit vorschüßend, sih in den Strudel der hauptstädtishen Zerstreuungen stürzen will. Die beiden lockeren „Schwiegersöhne besließen, den fleißigen Rechtsanwalt zu verführen, und entdecken seinen #2 als ie, “um ihn abzuholen, sch in der Nacht in Zimmer schleihen. Statt des Rechtsanwalts nehmen fie sein Abbild auf ihren Streifereien mit, was ebenso die Aufklärung am nächsten Morgen im Hause des Sch@wieger vaters zu allerlei schr lustigen Verwehselungen führt. Herr Hötcke gab den gutmüthigen und betrogenen Schwiegervaterr, Herr feld den scheinbar soliden, die Herren Lessing und Jürge leihtsinnigen Schwiegersöhne. Sie und die Damen Drucker wordt und Wagen, sowie die Herren Waldow und tal mann waren eifrigst und mit Erfolg bemüht, dur flottes Spiel i dem anspruhslofen und harmlosen Stück die Zuschauer angenehm zu unterhalten. : G :

B R Saal Bechstein.

Die bereits sehr vortheilhaft bekannte Cellovirtuosin Frl. Julie von Bologovskoy vom Kaiserli russishen Conservatorium zu St. Petersburg gab am Sonnabend ein Concert, in welhem fe Compositionen von Davidoff, Rubinstein, Bach, Corelli, Klengel, Thomé, Tschaikowski und Popper vortrug. Die Kraft der Topn- erzeugung, die bei Damen durch ihre Tracht stets etwas mehr bebindert tit, als bei Herren, ließ nichts zu wünschen; auch war die technische Sicherheit, die geschmackvolle und eingehende Vortragsweise durhweg befriedigend. Der Pianist Herr Fairbanks aus Amerika, der die Künstlerin unterstützte und ihr in einer Sonate von Rubinstein trefflih secun- dirte, erfreute noch dur einige Solostücke von Chopin, die glei ven übrigen Vorträgen des Abends mit wohblverdientem Beifall des leider nicht sehr zahlreich ershienenen Publikums aufgenommen wurden

Am Mittwooh kommt im Königlihen Opernhbaufe die Oper „Carmen“ mit den Damen Rotbauser, Herzog, Dietrih und Weit, den Herren Philipp, Krolop, Schmidt, Krasa, Lieban und Fränkel zur Aufführung. Am Freitag findet die erfte Aufführung der [EA , _ a‘ “e r - 7 Oper „Die Hexe“ von dem dänishen Componiften Aug. Enna, Tert nah Arthur Fitger's Drama „Die Hexe“, mit folgender Beseßung statt: Thalea: Frau Pierson, Almuth: Fräulein Dietrich, Gela : Fräulein Deppe, Edgard : Herr Rothmühl, Xaver : Herr Sylva, Lubbo : Herr Bulß, Limer : Herr Krasa, der Pfarrer : Herr Mödlinger. Die Oper wird von Herrn Teblaf} inscenirt und von Herrn Dr. Muck dirigirt. um den leßten Proben beizuwohnen. g

Das erste Auftreten der Coloratursängerin Louise Heymaun, welhe im Kroll’schen Theater ein dreimaliges Gastsyiel ab- solvirt, findet am Mittwoch statt. Die Künstlerin wird die Partie der Rosine in Nossini's „Barbier“ singen. j

__ Im Theater Unter den Linden werden mit den Ballets „Die Welt in Bild und Tanz“ und „Die Sirenen-Insel“ die Vor- stellungen des Zauberkünstlers Imro For nur noch bis zum Ende dieser E wo die erste Aufführung der neuen Operette stattfinden

wird, beibehalten.

_ Im Concerthause wird der Cornet-à-Piston-Virtuose Herr Steffens morgen Riegg's Lied „Das weiß nur ih allein“ und Derr Rößler „Carnaval russe“ für die Flöte von Ciardi vortragen. Das Orchester bringt die Ouverturen „Der fliegende Holländer“ von Wagner, „Nobespierre" von Litolff, „Die Felsenmühle" von Reissiger, Ständen von Schubert, Phantasie aus „Cavalleria rusticana“ bon Mascagni u. v. A. zur Aufführung.

Die Kammersängerin Fräulein Jettka Finkenstein hat das Programm ihres am Mittwoch, Abends 74 Uhr, im Saal Beh- stein stattfindenden populären Lieder-Abends .. folgendermaßen fest- gestellt: Drei altitalienishe Arien von Vaccai, Caldora und Pergoleîe, ein Cyclus Schumann’scher Lieder, ausgewählte Werke von Peter Cornelius, Ignaz Brüll und Deffauer, Massenet's Arie „Herodiade“, cine Gruppe Emil Sulzbach’scher Lieder und zwei Compositionen nah fklcinrussishen und ungarishen Motiven von Prochäzka. In dem am 26. d. M. in der Philharmonie stattfindenden großen Wohlthätigkeitsconcert zur Linderung der Rixdorfer Notbstände wird u. a. auch dic „Reformations-Symphonie“ von Mendelsfohn-Bartholdy zur Aufführung gelangen, und ferner Friedr. E. Kochs „Nordfee- Symphonie“ (unter persönlicher Leitung des Componisten). Von Solisten haben die Damen Rosa Sucher und Emilie Herzog, die Herren Paul Bulß, Iosef Sucher und Friedr. E. Koh ihre Mitwirkung zugefagt.

Mannigfaltiges.

Ueber die gestrige Trauerfeier für den verstorbenen Polizei- Obersten? Pagie im Prâsidialgebäude am Alerxanderplag berihten die „Neuest. Nachr.“ : Im Saale der Dienstwohnung war der mit prächtigen Palinen und Kränzen reich geshmücte Sarg aufgebahrt. Eine zahl- reiche glänzende Trauerversammlung wohnte der Feier bei, die der Sängerchor der Criminal-Abtheilung mit dem Choral „Jesus meine Zuversicht“ eröffnete. Die Rede hielt als Verwandter des Ent- \hlafenen der Superintendent Vorberg. Nah dem Gesange des Chorals „Es ist bestimmt* wurde der Sarg von Wachtmeistern hinabgetragen. Vor dem Präsidialgebäude hatte inzwishen die von Polizei-Hauptmann Barckow commandirte Trauerparade Auf- tellung genommen. Sie wurde von 33 berittenen Schaßleuten, dem Musikchor der Data 150 Schußleuten zu Fuß, 33 Nahtwächtern sowie 5 Ober-Feuermännern und 50 Feuermännern gebildet. Nach- dem der Sarg unter Choralklängen auf den Leichenwagen gehoben war, fette ih der Zug unter Borantritt der Trauerparade in Be- wegung. Vor dem Celbelivaaen wurden die Palmen und Kränze von den directen Untergebenen getragen. Dann folgten die beiden Adju- tanten der Schutmannschaft Haccins und Bichmann mit den Orden...