1893 / 11 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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lezten Monaten gestaltet haben, so nehme ih an, daß wahrscheinlich dieser durhlaufende Posten sowohl im Activum als im Passivum für den Staat si erheblihß niédriger gestaltet. Wollen die Herren in Betracht ziehen, daß wir in den ersten Monaten bis einsließlich August vorigen Jahres auf Grund der Mißernte des Jahres 1890/91 noh sehr erhebliche, starke Jmporte hatten, die dann infolge der guten Ernte, als die Ernte zu Markte kam, in den späteren Monaten, ih fast um 50 9/6 erniedrigten, so wird \fih wohl auch bei diefer Gelegen- heit nah eingehender Berathung in der Budgetcommission ergeben, daß die bei den Steuervorlagen veranschlagten 24 Millionen als dauernde Durchschnittseinnahmen aus den Ueberweisungen in keiner Weise zu niedrig gegriffen sind.

Meine Herren, was die Staatsverwaltungsausgaben betrifft, fo sind hier Mehreinnahmen von 9 683 000 4 veranschlagt; dagegen betragen die veranschlagten Mehrausgaben 15 374 000 M4. Die Mehr- einnahmen resultiren hauptsächlich aus dem Polizeilastengeseß beim Ministerium des Innern im anschlagsmäßigen Betrage von 6972000 4; dieser Mehreinnahme stehen aber {on jeßt und in Zukunft werden sie noh steigen Mehrausgaben im Betrage von 5 678 000 4 gegenüber. Insbesondere ist eine Mehr- ausgabe für die Polizeiverwaltung in Berlin von 3 027 000 M und in den Provinzen von 2 220 000 A vorgesehen. Für die Land- gendarmen und behufs deren Vermehrung sind 291 000 4. neu ein- gestellt. Dabei ist allerdings zu bemerken, daß diese Ausgaben in diesem Jahre wohl noh niht in vollem Maße playgreifen werden. Es wird namentlich wohl kaum möglich sein, daß in allen Städten das NRachtwachtwesen schon jeßt auf den Staat übernommen und nah den Grundsäßen des Staats reorganisirt werden wird, wodurch erheb- lihe Mehrausgaben in Zukunft noch entstehen werden. Man wird sich darauf beschränken müssen, da, wo diese Ueberführung noch nicht möglich ist, in dem nächsten Etatsjahre den Städten diejenigen Kosten zu vergüten, die sie für das Nachtwachtwesen nah ihrer bisherigen Verwaltung verausgaben.

Bei der Justiz ist eine Mehreinnahme von 2 315 000 M veranschlagt, dagegen cine Mehrausgabe von 3 060 000 # Insbesondere sind Mehr- ausgaben veranshlagt für. Land- und Amtsgerichte 2 249 991 «6. und für die Ober-Landesgerihte rund 103 000 6 An neuen Stellen sind îin den Etat aufgenommen bei den Ober - Landesgerichten ein Senats - Präsi- dent, neun Rätbe, eine Anzahl Gerichtsschreiber, Gebilfen und Kanz- listen, bei den Land- und Amtsgerichten 11 Directoren, 66 Land- und Amtsrichter und eine sehr erhebliche Zahl Bureau- und Kanzlei- beamte. Meine Herren, wir haben troß der Bedrängniß der Finanzen doch geglaubt, entsprehend den Erklärungen, die der Herr Justiz-Minister und ih selbst bei der vorigen Etatsberathung abge- geben haben, das Bedürfniß der Justiz nach Vermehrung etatsmäßiger Nichter, soweit das irgend mögli war, auch {on in diesem Etat zu befriedigen. Ob wir {hon jeßt tem vollen Bedürfniß gerecht ge- worden sind, lasse ih dahingestellt. Wir werden aller Wahrscheinlich- feit nad in den nädsten Jahren hier noch weitere Vermehrungen ein- treten lassen müssen.

Das Finanz-Ministerium verlangt eine Mehrausgabe von insge- sammt 2773 000 K, darunter für Pensionen 1 500 000 A und für MWittwen- und Waisengelder 1 235 000

Das Handels-Ministerium erfordert mehr 465 000 4 Sie finden in diesem Etat cine Steigerung der Einnahmen sowohl als auch der Ausgaben für die Porzellanmanufactur, dann eine Steigerung der Ausgaben behufs weiterer Durhführung der Gewerbe-Inspection und für das gewerblihe Unterrichtswesen. Eine neue Ausgabe von 58 000 M ift, um dies hier zu erwähnen, im Etat der Bergverwal- tung für die Einrichtung von Bergwerks\chiedsgerichten vorgesehen, also von Fachschiedsgerichten, wie sie das Gefeß über die Einführung von Schied8gerihten vorsieht.

Die landwirthscaftlihe Verwaltung hat ein Mehrerfordernt von 735 900 Æ, wobei allerdings die vorher bezeihhnete Nebertragung der Centralverwaltung der Domänen und Forsten mit in Betracht fommt. Insbesondere ist für die Vermehrung des Personals der General-Commissionen eine Mehrausgabe von 170 000 4 veransclagt- Die General-Commissionen haben einen ganz neuen, sehr bedeutenden und in seinem Umfange wachsenden Verwaltungszweig übernommen: die gesammte Arbeit bei der Bildung von RNentengütern. Das Geseßz über die Bildung von Rentengütern hat eine überraschend große Wirkung gehabt schon in der kurzen Zeit, in welcher es in Geltung ist. Am1. März 1899 und seitdem if zweifellos noch eine erhebliche Steigerung eingetreten —, hatten die General-Commissionen fih {hon mit der

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Bildung von Rentengütern aus einem Grundbesiß im Betrage von 120 000 ha zu beschäftigen. (Hört, hört!)

Es hat si auch ergeben, daß wenigftens in den meisten Landes- theilen nit bloß Angebot von Grundstücken behufs der Bildung von Rentengütern vorhanden, sondern au eine recht bedeutende Nachfrage bestand, ja noch mehr, daß ein Theil derjenigen, welche solhe Rentens güter erwerben wollten, noch mit ziemli erhéblihen Kapitalien in diese Unternehmungen eingetreten und in der Lage war, wenigstens den größten Theil der Gebäudelaft zu tragen. Der Rückgang der industriellen Nerhältnisse in den westlichen Provinzen, die Rermin- derung der Nachfrage nah Arbeitern in den westlichen Pro- vinzen hat s{chon zu ciner theilweisen Rückströmung der Arbeiter aus den westlihen Provinzen geführt, wélche Ar- beiter zum erheblichen Theil mit nit unbedeutenden Erfparnissen in ihre alte Heimath zurückgekehrt find und nun, überzeugt aus" der Erfahrung von der Unsicherheit threr Lebentverhältnifse in den Industriebezirken, es vorziehen, fichere wenn au weniger einträgliche Landwirtbschaft zu treiben und Rentengüter zu erwerben. Wir wollen hoffen, daß diese segensreiche Entwickelung vorwärts geht auch in Zukunft, und ih glaube, daß das fraglihe Gefeß si in jeder Weise bewährt hat. (Bravo!) Wir haben nur zu bedauern, daß ein erheb- licher Mangel an Vermessungsbeamten besteht (Sehr richtig! rechts) und daß infolge dessen eine unliebsame Verzögerung in der Grledigung der Géshäfte vielfa eintritt, was namentlich bei der Bildung der Rentengüter schr vom Uebel ist. Wür haben alles ‘gethan, was man in dieser Beziehung thun fann. Wir erwarten au, daß in den nächsten Jahren eine fehr erhebliche Vermehrung von Ver- messungsbeamten wird zur Verwendung gelangen fönnen, und daß die zweifellosen Uebelstände, die fich bisher ergeben und pie noch ver- größert sind dur die gleidhzeitige Anspannung der Katasterbeamten bei der Neuveranlagung der Gebäudesteuer, in Zukunft \ich werden beheben lassen. Meine Herxen, bei der Forstverwaltung möchte ih noch erwähnen, daß zwar der bisherige Etatsansaß von 1 Million für den Ankauf von

Forstgrundstücken und für die Aufforstung unverändert witedér bei- behälten ist (Bravo !), daß aber auf Grund einer Vereinbarung des Finanz-Ministeriums mit dem Landwirthschaftlihen Ministerium eine Vermerkung im Etat sich findet, daß dieser Fonds si erhöhen foll um denjenigen Betrag, welher über dén Betrag von 800 000 4 aus Veräußerungen und Verkäufen von Dömänenbesiß ob eigent- lihem Domänenbesit oder Forstbesit (sehr gut!) aus den westlichen Landestheilen sich ergiebt. (Bravo rets.) Meine Herren, ih gehe davon aus, und mein Herr College, der Landwirthschafts-Minister, auch, daß dies nur ein erster Anfang sein soll. Wir müssen den ge- sammten Staatsbesiz als einen einheitlichen Besitz verwalten. Es darf dies keine bloß erhaltende Registerverwaltung sein, fondern eine wirthschaftlihe Verwaltung. Wir müssen uns fragen: wo ist ein finanzielles und sociales Interesse, den Besi beizubehalten, und wo ist ein finanzielles und nationalökonomisches Interesse, den Besitz zu vermehren? Und da kann gar kein Zweifel sein, daß wir im Westen noch eine erhebliche Anzahl von kleinen Besitzungen haben, deren Beibehal- tung in der Staatsverwaltung gar keinen inneren Grund hat, welche auch wahrscheinlich bei den Veräußerungen mehr Erträgnisse liefern werden, als bei der Beibehaltung gegenüber den erheblihen Ver- waltungskosten, daß wir aber andererseits mit Vortheil, auf die Dauer au mit finanziellem Vortheil, jedenfalls unter Verbesserung der focialen und wirthschaftlihen Verhältnisse, im Often die Aufforstung von Oedländereien, die Melioration von Mooren, die Colonifation derselben werden betreiben können. Es ist nah der gegenwärtigen Finanzlage nicht möglich, aus den allgemeinen Staatsfonds in dieser Beziehung größere Mittel flüssig zu machen; die Verwaltungen müssen mebr und mehr si selbst zu helfen si gewöhnen, und die Domänen- und Forstverwaltung sind au dazu nah meiner Meinung chr wohl in der Lage. Ich hoffe daher, daß Sie diese Aenderungen des (Etats genehmigen werden.

Meine Herren, das Cultus-Ministerium endlich hat einen Mehr- bedarf von 2437 000 A Für die höheren Lehranstalten sind mehr zu verwenden 329 000 und für die Elementarsäulen 987 000 44 Der Patronats-Baufonds, der in den leßten Jahren niemals ausreichte, bat um 159 000 M erhöht werden müssen, und 750 000 4 sind mehr eingestellt für die Entschädigungen wegen Aufhebung der Stolgebühren der evangelischen Kirchengemeinde, da wir ja diefen Gefammtbetrag auf 1500000 \ bemessen hatten, im Vorjahre aber erst die Hälfte davon einstellten, indem das Gesetß erst vom 1. Oktober vorigen Jahres in Kraft trat. Was den Fortgang dieser Frage, der Frage der Aufhebung der Stolgebühren bei der katholischen Kirche, betrifft, so ist ja hier hon zur Sprache gekommen, daß eine Einigung darüber mit den kir{lihen Oberen der katholischen Kirhe noch nicht erzielt ist, dieselben vielmehr bisher abgeneigt waren, an eine Ablösung der Stolgebühren für die katholishe Kirche heranzutreten. Die Verhand- lungen in dieser Beziehung sind noch in der Schwebe, wie schon mein College, der Herr Cultus-Minister, mitgetheilt hat. Eine Ein- stellung in den Etat is daher dieserhalb naturgemäß nicht erfolgt.

Wenn Sie diese Zahlen in ihrer Gesammtbedeutung in Erwägung ziehen, fo is unzweifelhaft das Bild, das fih daraus ergiebt, ein durchaus nit erfreuliches. Anderer- seits habe ih aber hon hervorgehoben, daß die wesentlichen Gründe des Rückgangs unserer Finanzen doch vorübergehender Natur sein werden. Freilich), ih sage: nur die wesentlichen Gründe, denn es find aud Gründe dauernder Natur vorhanden, welche unsere volle Auf- merksamkeit in Anspru nehmen, die Aufmerksamkeit nicht bloß der

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1 5 \ c D e orto +151 C A ahos An; Finanzverwaltung, sondern auch der Landesvertretung. . Ich habe schon olen, wie ih wünsche, daß

oft ausgesprochen und kann es nur wiederhc

diese Anschauung sich nicht bloß in der Landesvertretung

Oraanen der Verwaltung festseze, sondern im ganzen L S

mung finde. Wir haben in den Vorjahren, namentli bis zun 1890 unsern Ausgabe-Etat in einem zu starken Verhältniß z1 gesicherten festen Einnahmen gesteigert, und die Consequenzen diefer Thatsache haben wir in unserm gegenwärtigen Etat und in Rechnungsabschlusse des Jahres 1891/92 und dem Abschlusse für 18

Die erste Voraussetzung einer wirkliche eine völlige Klarheit der Anschauungen über Lage der preußischen Finanzen; jede Schönfärber i ift da vom Uebel, jede übertriebene pefsimistische Anschauung is ebenfalls vom Uebel, wir müssen den Dingen nüchtern und klar ins Gesicht schen. Da allerdings muß man sagen, daß nicht bloß die Betriebsverwaltungen in ihren sehr bedeutenden Rückgängen, fondern namentlich auch die Nerhältnisse zum Reith sehr erheblich mitwirken, um diese schwierige Finanzlage hervorzurufen. In einem Punkt gleichen sich in dies Beziehung die Gründe und die Ursathen, nämlich in der Gefahr, | den Betriebsverwaltungen in den s{hwankenden Ueberschüfsen steck! beim Reich in den schwankenden veränderlichen Ausgaben, Reih den Einzelstaaten auflegt. : Einnahmen hat immer die Gefahr, daß man fie dauernde ansieht und dauernde Ausgaben darauf baut, und ein Zug, der in den Dingen Liegt, ftärter wie alle Grundsätze, der zu

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1 dauernden Heilung ift wirkliche dauernde

solchen Folgerungen führt. Was ift also zuerst die Aufgabe einer planmäßigen Finanzverwaltung? Die Schwankungen in den Cin- nahmen sowohl wie in den Ausgaben an bas Reih mög icht zu ver- mindern. Wir werden Borsorge treffen müfsen dur organische (in- richtungen, welche wir allerdings gegenwärtig bei der heutigen Finanz- lage mit Erfolg niht durchführen können, daß die eigenen Einnahmen der Betriebsverwaltungen dauernd mehr zu Nuß und Frommen dieser Betriebsverwaltungen in einer Weise verwendet werden, daß die all- gemeine Finanzverwaltung von den Schwankungen weniger beeinflußt wird. Das Geseß von 1882 thut dies nicht, wie die Erfahrung be- wiesen hat, und wir müssen aus dieser Erfahrung eine Lehre ziehen. (Sehr wahr, links.) Dann werden aber auch die Einzelstaaten selbst und das Reich ein großes Interesse daran haben, der Frage nüher zu treten, „ob nicht auch das finanzielle Verhältniß des Reichs zu den

Einzelstaaten eine andere Gestaltung finden fann, ob man nicht auch in dieser Beziéhung Fürsorge treffen fann, daß nit von einem Jahr

zum andern diese große Schwankung in den Anforderungen und Ueber-

weisungen {tattfindet. Das wixd €£ine Ausgabe des Reichs und derx

Einzelstaaten sein. (Ruf links: Der Militärcomanission!)

Meine Herren, es wird in Zukunft zunehr als je erforderli sein, daß die Finanzverwaltung planmäßig handelt auf Grund einer festen Anschauung über die dauernden Finanzvechältnisse des Staats, und daß sie dabei Unterstlizung findet in der Landesvertretung, daß vieles fort-

vertretung hervorgegangen (sehr richtig! rechts), endlih aufhört, daß wir zu den alten vorsichtigen Grundsäyen der Landesvertretung zurü. kehren, ihre Aufgabe hauptsählich in der Kritik der Ausgaben, aber nit dem Drängen nah Mehrausgaben zu fehen. (Sehr richtig! rets.)

Aber, meine Herren, wenn auch die Finanzvérwältung und die Landesvertretung na diesen Gesichtspunkten verfährt, fo wird es da- neben nothwendig sein, daß die einzelnen Ressortverwaltungen in dem- selben Geiste handeln, nah oben und unten, im kleinen und großen, die alte preußischGe Tradition festgehalten wird, und daß man sich jede Ausgabe erst gründlich ansicht, ob sie nothwendig ist oder nicht. (Ruf links: Militär!) Meine Herren, nöthwendige Ausgaben, wie z. B, Ausgaben für die Landesvertheidigung werden wir gewiß nit ab- lehnen, denn die erste Bedingung der Existenz ist die Cristenz selbst, Unabhängigkeit und Ehre! (Bravo! rechts.) Meine Herren, sehen Sie sch den Etat an; Sie werden finden, daß die Ausgabesteigerungen nah Kräften vermieden sind; wo niht rechtlihe Verpflichtungen oder frühere Beschlüsse unmittelbar zu Ausgaben drängten, haben wir sie thunlichst zu vermeiden gesucht. Mir haben daher au zu unserm s{chmerzlißhen Bedauern verzichten müssen auf die Fortführung der Aufbesserung der Beamtengehalte, Dagegen haben wir gewünsht, doch dasjenige für die Beamten zu thun, was innerhalb der allgemeinen Finanzlage geschehen Tonnte, Sufolgedessen haben wir die im vorigen Jahre begonnene Einführung des Dienstaltersstufensystems nunmehr in diesem Etat auf die etatsmäßigen mittleren und Kanzleibeamten und diesen gleichstehenden Beamten ausgedehnt.

Meine Herren, das Dienstaltersftufensystem wird danach im ganzen 49522 mittlere und 2909 Kanzleibeamte umfassen, ein- \{ließliÞh darauf werde ih gleich zurückkommen der durch den Etat für 1893/94 neu zu beschaffenden etatsmäßigen Stellen für 3953 Subaltern- und 293 Kanzleibeamte. Unter diesen aufgeführten mittleren und Kanzleibeamten befinden sich 831044 mittlere und 1086 Kanzleibeamte der Eisenbahnverwaltung, bei welchen die Regelung der Dienstalteröstufen bereits stattgefunden hat. Die neue Regelung also wird si beziehen auf 18 478 mittlere und 1823 Kanzleibeamte.

Meine Herren, cine Denkschrift wird Jhnen die Grundsätze, die dabei befolgt sind, wie im vorigen Jahre näher erläutern. Jh braude nit zu sagen, daß dabei irgend ein Vortheil für die Finanz- verwaltung weder erzielt noh erreiht wird und daß die Behauptung der Presse, daß der Finanz-Minister dabei ein Geschäft im Betrage von 2 Millionen zu Lasten der Beamten mache, frivole Unwahrheit ift. Allerdings ist ja richtig, daß die Wirkung dieserEinführung der Dienstalters- zulagen, der ersten Einführung der Dienstalterszulagen, auf die Beamten in den verschiedenen Kategorien und in den verschiedenen bisherigen Gehaltsgemeinschaften verschieden ist. In manchen war ja glücklicher- weise ein rashes Auffsteigen, und es kann möglich sein, daß hier und da cine Verminderung der Aussicht auf rasches Aufsteigen der einzelnen Beamten eintritt. Im großen und ganzen aber brauche ih nit zu wiederbolen, daß diese Maßregel in dem dringenden Wunsch der ge- sammten Beamtenschaft liegt, mit wenigen Ausnahmen, die vielleicht versönliche oder andere Interessen gerade in ihrer Gehaltsgemeinschaft batten. Im großen und ganzen wird zweifellos der Erfolg der sein, daß unsere Beamtenschaft ihre Zukunft und ihre Gegenwart mit Sicerbeit übersehen kann, nit von Zufälligkeiten abhängt, niht mehr zu warten braucht, bis ältere Beamten, sei es dur Pensionirung, fei es dur Todesfall, fortgehen. Die Beamten werden sicher sein, obne Nücksicht auf die Schicksale ihrer Collegen allmählich in ihren Ge- baltsbezügen aufzusteigen.

Meine Herren, aber noch nach ciner anderen Richtung haben wir einen erbeblichen SwWritt zur Aufbesserung der Verhältnisse unserer Staats- beamten gethan. Ich habe {hon die Ehre gehabt, bei der en ŒFtatéberathung anzuerkennen, daß die Lage unserer dauernd beschäftigten Diätarien infofern eine vielfah drückende und \{chwierige war, si

al LALAL L zu lange auf cine etatsmäßige Anstellung zu warten hatten und im

folge dessen die Beruhigung, die ein dauernd beschäftigter Beamter ben tann, und deren Fehlen um so empfindlicher ist, nahdem ganze arbeitende Klasse das Invaliditäts- und Alters sorgungsprincip eingeführt haben die Beruhigung, im Falle de nstunfähiakeit cine Pension zu erhalten und im Falle des Ablebené iger Fürsorge für Wittwen und Waisen sicher sein zu können

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behren mußten. Staatsregierung hat sich nun entschlossen, Ihnen v die Stellen der etatsmäßigen Subaltern- und Ka! n, und zwar die der ersteren um 3253 und die der leßteren U

993 zu vermehren, und die Wirkung wird die sein, daß in fast auen

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NBerwaltungëzweigen durhgängig, mit einzelnen Ausnahmen, die m

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beim Uebergang namentlih nit vermeiden kann, die Dia a einer vierjährigen Dienstzeit zur definitiven Anstellung gel Fs werden sogar in manchen Verwaltungszweigen diei Diätarien, die aus Militäranwärtern hervorgegangen find einer noch etwas fürzeren Zeit etatsmäßig angestellt n fönnen. Diese allerdings nur einmalige Maßregel aber dauernd, barüber fann gar kein Zweifel sein, und 7 glauben, dadurch eine Quelle des Mißbehagens und der Me zufriedenheit dauernd verstopft zu haben. Auch in dieser Bez chung werden Jhnen die Grundsäße, nah denen dabei herfahren ift, aué! lich mitgetheilt werden. | haben die Absicht, demnähst vas System der (Sehall® regelung nah Dienstaltersstufen auch auf die höheren Beam auszudehnen. Wir finden keine genügenden Grlinde, von man E Ausnahmen abgesehen, vor den höheren Beamten in dieser Beziehun) stehen zu bleiben, wie ja eine Reihe von deutschen Staaten daselbe System bereits auch bei den höheren Beamten eingeführt hat. e Meine Herren, indem ich Ihnen nunmehr die Beschluß1a1 über die geschäftliche Behandlung der Borlagen anheimgebe, hofe 2 daß Sie dieselben von den gleichen Gesichtspunkten wie die E regierung anschen und behandeln werden, Können Sie in dem S noch wirkli entbehrlihe Ausgaben finden, die ohne Gefährdung Z Lauveéwohlfahrt gestrichen werden können, fo werden Sie mi i einer geneigten Erwägung immer bereit finden. (Heiterkeit.) fh Sie werden au bei näherer Betrachtung dieses Etaté L do davon überzeugen, daß wir Ausgaben flir Lanbesmelior n 1 Ausgaben, welche nit vermindert werden fönnen ohne bede wirthschastliche Schäven hewyorzurufen, keineswegs yermindert haben haben geglaubt, daß gerade der Staat in einer Zeit, wo im großenunds d

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währende Dräugen auf Vermehrung von Ausgaben, welches ih darf wohl - auth aus der Landes-

sagen, ohne Sie unangenehm gu berühren

die industrielle und gewerbliche Entwickelung zu einem gewissen Sb

gékommen ist, seinerseits nitht Veranlassung geben darf, diesen Zuftand noch zu vershlimmern (fehr richtig !), daß man vielmehr die Gelegenheit an manchen Stellen benußen kann, Ausgaben, die man in den nächsten Jahren doch machen müßte, gerade auf diese Jahre zu verlegen, wo man damit ver Bevölkerung eine Wohlthat erweist, andererseits aber mit geringeren Ausgabén vielleiht als in anderen Zeiten diese Unter- nehmungen zur Ausführung zu bringen in der Lage ist. (Bravo !)

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Ausstand der Bergleute im Saarrevier scheint allmählich seinem Ende entgegenzugehen. Die Zahl der Aus- ständigen hat sich wieder vermindert und heute waren 18594 Mann an der Arbeit; auf vier Gruben: „König“ „Kohlwald“, „Wellesweiler“ und „Dillsburg“, arbeitete die ganze Belegschaft. Es sind mit diesen Zahlen alle Besorgnisse wegen dieses Ausstandes gehoben, denn schon am vorhergehenden Tage wurde der „Köln. Ztg.“ aus dem Saarrevier geschrieben, daß mit der damals geringen Zahl der arbeitenden Bergleute a Betrieb in genügendem Umfange aufrecht erhalten werden onne.

Jn Bildstok fand gestern eine Versammlung des Nechts- shußzvereins statt, die von etwa 8000 Personen besucht war. Wie- „W. T. B.“ meldet, waren die Redner im allgemeinen be- strebt, die Versammlung zum Ausharren und zum Festhalten am Strike aufzumuntern: die vielen Abkehrscheine würden die treuen Kameraden nicht entmuthigen. Mehrere Nedner, unter ihnen Mohr und Schleg empfahlen, wenn die Abkehrscheine noh weiter, wie bisher, verabfolgt würden, so sollten die Betroffenen auswandern und der Gemeinde ihre Familien- angehörigen zum Unterhalt überlassen. Wo solle denn das hinaus? Was solle denn aus den abgelegten Bergleuten werden? Am nächsten Sonntag findet Nachmittag um 3 Uhr wieder eine Generalversammlung für das Saarrevier in Bildstock statt.

Weniger erfreulich hat sih die Lage im westfälischen Ausstandsgebiet entwickelt. Die Zahl der Ausständigen ist von vorgestern bis gestern Mittag erheblich angewachsen. Die Zahl der Zechen, auf welhen Theilausstände eingetreten sind, hat sih von 20 auf 31 vermehrt und die Zahl der Aus- ständigen wird in der „Rhein.-Westf. Ztg.“ auf 20 656 Mann gegen 11 922 Mann am PVortage angegeben, aber andererseits wird auch s{hon von der Rückkehr Ausständiger zur Arbeit be- richtet. So wurde der „Frkf. Ztg.“ gestern aus Dortmund telegraphirt, daß die Strikenden in Massen zur Arbeit zurück- fehren und ein Wolff sches Telegramm meldet gleichzeitig aus Gelsenkirchen, daß auf allen Zechen, auf denen bisher gestrikt wurde, eine fortdauernde Zunahme der Anfahrenden bemerkbar ist. (Vergl. weiter unten die Meldungen vom heuti- gen Tage.) Ausschreitungen der Ausständigen werden auch heute aus verschiedenen Orten gemeldet. Aus Wanne berichtet die „Dortm. Ztg.“, daß drei Bergleute der aus- ständigen Zeche „Unser Friß“, die zur Arbeit anfahren wollten, in die Emscher geworfen wurden. Nur einem glücklihem Zufalle sei zu danken, daß sie gerettet wurden. Vor dem Hause eines Unternehmers in Herstal fand in der Nacht zum Donnerstag eine Dynamit-Explosion statt; Menschen sind, wie „W. T. B.“ meldet, niht zu Schaden ge- fommen, doch is der materielle Schaden bedeutend. Jn Schalke wurde der „Dortm. Ztg.“ zufolge am Dienstag Abend eine Kiste mit Dynamitpatronen gestohlen. Versamm- lungen wurden, wie dem. Blatt aus Gelsenkirchen geschrie- ben wird, infolge des Versammlungsverbots auf freiem Felde von 11 bis 1 Uhr Nachts abgehalten. Ueber die Wirkung des Ausstandes auf den Kohlenmarkt berichtet die „Köln. Ztg.“ : Seit Beginn der Woche herrsht ein reger, vielfah sogar dringender Begehr nah Kohlen; es macht sih eine allgemeine Preissteigerung bemerkbar, welche sih auf 1 bis 11/5 4 pro Tonne beziffert. Ueber den Umfang des Ausstandes am heutigen Morgen meldet „W. T. B.“:

Bei der heutigen Morgenshiht waren 16 500 Bergleute aus- ständig, und zwar auf Grube „Carolus Magnus“ 388, „Christian Levin“ 380, „Neu-Köln“ 509, „Wolfsbank“ 839, „Gustav“ 212, „Hibernia“1220, „Wilhelmine Victoria“1813, „Carolinenglück"“32, „Hein- rich Gustav“1305, „Consolidation“1509, „Pluto“1341,,Unser Fritz“1031, „Glücfauf Tiefbau“ 659, „Graf Beust“ 80, „Borussia 100, „Zollern“ 608, „Germanta“ IT 676 ,„Germania“ I 553, „Dorstfeld“ 232, „Nord- stern“ 80, „Bickefeld 20, „Wiendahlsbank“ 210, - „Kaiser Friedrich“ 186, „Luise Tiefbau“ 127, „Bismark“ 950 und „Neuiserlohn“ 2306. Heute sind in den Strike neu eingetreten auf Grube „Gottes- segen“ 56 Mann, „Freie Vogel“ 220, „Lothringen“ 103, „Graf Schwerin“ 120, „Prosper“ 1600, „Caroline“ 37, „Freiberg“ 78 und „Schürbank" 150. Zur heutigen Morgenschicht sind voll angefahren die Belegschaften der Gruben „Amalie“, „Friedrih“, „Ernestine“, „Königsborn“ und „Tremonia“.

Wir fügen hier folgende weitere Nachrichten aus dem westfälischen Ausstandsgebiet an:

Eine Bergarbeiterversammlung, die gestern in Essen stattfand, war nah der „NRh.-Westf. Ztg.“ im Vergleich zu den früheren auffallend shwächer besuht. Es waren nur etwa 400 Perfonen, darunter viele junge Leute. Eine Belegschaftsversammlung von Zeche „Herkules“ mußte nah kurzer Dauer wegen ruhestörenden Lärms aufgelöst werden. Beim Strikebes{luß wurden die 50 bis 60 Leute von „Herkules“ dur die etwa 300 Anwesenden von anderen Zechen überstimmt.

Aus Dortmund berichtet die „Rh.-Westf. Ztg.“, daß die „Union“ Actiengesellshaft für Bergbau, Eisen- und Stahl-Indusftrie in Dortmund den Betrieb ihres Bessemerwerkes und ihrer derfabri k wegen Kohlenmangels eingestellt habe. Der Betrieb werde vorläufig bis Montag still stehen.

Aus Vel senkirGe n meldet ein Wolff'shes Telegramm: Gegen 260 Bergleute der Grube „Hibernia“, die drei Schichten gefeiert hatten, erhielten gestern Nachmittag die Abkehr. A

Vom heutigen Tage liegen aus dem rhein isch-w est- fälishen Ausstandsgebiet folgende telegraphishe Nach- richten vor: :

In dem Bochumer Nevier sind zur Frühschiht sämmtliche Velegschaften angefahren. :

Auf „Hibernia“, „Wilhelmine“, „Bismarck", „Con- olidation“, „Unser Friß“ find heute insgesammt 1300 Berg- sleute mehr angefahren als gestern.

Ueber die Lage im obershlesishen Bergwerks- bezirk berichtet folgendes Breslauer Telegramm des nag A en Bureaus: N __ Nach einer amtlichen Meldung des „Breslauer General-Anzeigers ist der Strike im Kohlenrevier beendet. Zur gestrigen Früh- {hit waren alle Belegschaften angefahren. Zwischen der Verwaltung der Henckel-Donnersmarck* schen Gruben und den Bergleuten finden Unterhandlungen statt.

In Mainz Eiben die Brauer von dem angedrohten Boycott gegen fdie Mainzer Actien - Bierbrauerei Abstand genommen (vgl.

Nr. 5 d. Bl.), obwohl, wie die „Frkf. Ztg.“ berichtet, die Wieder- einstellung des entlassenen Brauers abgelehnt wurde. In der Ver- sammlung, in der diefer Beschluß gefa t wurde, wurde ferner eine Commission von drei Mann gewählt, die bis zum Beginn der besseren Jahreszeit Forderungen auszuarbeiten hat, die für die gesammte Brauer- {aft zur allgemeinen Forderung erhoben werden follen, nämlich: e, stündige Arbeitszeit, und zwar von 5 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends mit dreistündiger Pause; 2) Sonntagsarbeit von drei Stunden ; Veberstunden sollen Sonntags mit 50, Werktags mit 40 - bezahlt werden; 3) anständige Behandlung durch die Vorarbeiter; 4) freies Coalitionsreht und 5) einen wöchentlihen Minimallohn von 24 M anstatt der seither üblihen monatlichen Lohnzahlung.

__ Aus Mons wird der „Köln. Ztg.“ unter dem 10. d. M. be- richtet, daß auf der Zehe „Midi de Mons“ in Ciply ein Aus- stand ausgebrochen ist.

In Manchester fand gestern eine Conferenz von Arbeit - gebern mit den Delegirten der \trikenden Sp inner statt, die erfolglos blieb, da beide Theile an ihren bisherigen Forderungen fest- halten. Die Conferenz beschloß indessen, während der Dauer des Konflikts alle 14 Tage wieder zusammenzutreten. Die Noth nimmt infolge des Ausstandes in großem Maße zu. Die Armenasyle sind mit Ausftändigen angefüllt.

Kunst und Wissenschaft.

Physikalische Gesellschaft.

Sp. In der ersten Sißung dieses Jahres, welche am 6. Januar stattfand, berichtete Professor Raoul Pictet über Versuche der Genfer Physiker Sarasin und de la Rive. Es handelte sih um die Frage, ob die dur Hertz? berühmte Experimente entdeckten elektri- {hen Wellen sich mit derselben Geschwindigkeit im freien Raume fort- pflanzen, wie an Leitungsdrähten. Während die Lichtwellen, welche nach den heutigen Anschauungen in ihrem Wesen mit den elektrischen Wellen übereinstimmen, fehr klein sind, haben die Herg'shen Wellen beträchtliche Dimensionen; sie haben eine durchschnittlihe Länge von mehreren Metern, und dieser Umstand ershwert die Anwendung der üblichen Untersuhungsmethoden in hohem Grade. Man bestimmt nämlich die Fortpflanzungsgeshwindigkeit einer Wellenbewegung in diesen wie in vielen anderen Fällen mrs eine Messung der Wellen- länge, und diese wiederum wird meßbar dadur, daß man die be- treffenden Wellen auf einen Spiegel fallen läßt, sodaß die directen und die zurückgeworfenen Wellen einander durhkreuzen. Man erhält dann vor dem Spiegel in regelmäßigen Zwischenräumen Punkte

stärkster und \{wächster Wirkung, und findet somit die Lage dessen,.

was bei Wasferwellen Wellenberg und Wellenthal heißt; damit ift aber dann die Wellenlänge gemessen. Für die [kleineren der elekftrishen Wellen liegen viele derartige Messungen vor. Bei ten größeren besteht insofern eine Schwierigkeit, als ein Spiegel, welcher Wellen einer bestimmten Länge zurückwerfen foll, felbst von entsprehender Größe sein muß. Glücklicherweise ist eiñe glatte Oberfläche bei solhen Spiegeln nicht erforderlich; die Un- ebenheiten vers{chwinden gegenüber der Wellenlänge ebenso, wie etwa die Unebenheiten einer Felêwand die Reflexion von Schallwellen, das Echo, nicht hindern. Sarasin und de la Rive benußten bei ihren früheren Versuchen ebenso wie Hertz ein Zinkblech, welches etwa drei Meter breit und drei Meter hoh war. Neuerdings hat die Stadt Genf den beiden Forshern einen Raum zur Verfügung ge- stellt, der wohl von feinem bisher benußten Laboratorium an Größe übertroffen wird. Es is dies eine geräumige Maschinenhalle, in welcher später große Turbinen aufgestellt werden sollen. Die eine Wand dieses Gebäudes ist mit einer großen Sinkyplatte bedeckt, deren Breite sechzehn und deren Höhe acht Meter beträgt; das ist der für die eleftrishen Strahlen bestimmte Spiegel. Die Beobachtungen erfolgen auf derjenigen Linie, die auf der Mitte dieses Spiegels senkreht steht, also auf einer horizontalen, welche ir einer Höhe von vier Metern parallel über dem Erdboden hinläuft. Diese Linie is von einem Beobachtungstunnel umgeben, welcher neun Meter lang und so hoch ist, daß man sih bequem in ihm aufhalten fann. Zu feiner Construction mußte man Materialien benußen, die für die eleftrishen Wellen durhlässig sind. Dahin gehören alle Stoffe, die wir gewöhnlich als elefkftrishe Nicht- leiter bezeichnen, z. B. Holz und Papier. Man fkann also den Tunnel vollständig einrihten wie eine photographishe Dunkel- kammer, was die Beobachtung der Wirkung der elektrishen Wellen, kleiner, unscheinbarer Fünfchen sehr erleihtert, ohne daß dadurch der Durchgang und die Reflexion der Wellen irgendwie beeinträchtigt würde. In noch größerer Entfernung von dem Spiegel, nämlich in einem Abstand von fünfzehn Metern, steht die Quelle der elektrischen Strahlen, ein sog. Inductionsapyarat, welcher Funken zwischen zwei Metallkörvern überspringen läßt; es entspriht dies genau den Bor- rihiungen von Herß; nur finden die Genfer Forscher, daß die Wir- fung gleihmäßiger und fräftiger ist, wenn der Funke nicht in der Luft, sondern in einem Oelbad überspringt.

Die Nesultate, welche mit diesem riestgen Apparat erhalten worden find, entsprachen den Erwartungen. Wenn man an die Stellen der Wellenberge oder Wellenthäler einen fkreisförmigen Draht mit einer fleinen Unterbrehung bringt, erhält man eben in- dieser Lücke jene fleinen Fünkchen, welche das Vorhandensein derjenigen Shwingungen im Acther beweisen, die wir elektrishe Wellen nennen. Solche Fünkchen zeigten sich in einem Falle in Abständen von je 2 m; es entspricht dies erst der halben Wellenlänge, sodaß die ganze Länge 4 m beträgt; der betreffende Drahtkreis hat hierbei einen Durchmesser von einem halben Meter. Dieselben A Si ad sind früher bei den viel einfaheren Untersuchungen über die î ortpflanzungsgeschwindig- feit in Drähten erhalten worden, sodaß in dieser Beziehung eine völlige Uebereinstimmung herrsht. Die gesammte Untersuchung bildet einen neuen werthvollen Beleg für die von dem großen Faraday fowie seinem Schüler Maxwell theoretisch erfaßten und von Hertz so glänzend gerehtfertigten Anschauungen über den Zufammen- hang der elektrishen Erscheinungen mit denjenigen des Lichtes.

Herr Professor H. W. Vogel sprah über die neuesten Fort- schritte im Naturfarbendruckverfahren. Wir behalten uns vor, auf diesen interessanten Gegenstand bei einer anderen in Aussicht stehenden Gelegenheit zurückzukommen, wollen aber bemerfen, daß das Wesentliche der von C. Wogel jun. gemachten Erfindung darin besteht, daß mit Hilfe von drei Aufnahmen eines Gegenstands und vermittels dreier auf mechanishem Wege hiernach hergestellten Platten das betreffende Bild in drei Farben gedruckt wird. abei treten durch Mischung dieser drei Farben alle Töne des Originals mit erstaunliher Schönheit hervor. Die nah den Veröffentlihungen des vorigen Sommers ge- fundene Neuerung liegt in der Anwendung auf den Buchdruck, dur welche die Erfindung einen viel 2bhetén praktischen Werth erhält, als dies bei ihrer bisherigen Beschränkung auf den sog. Licht- druck der Fall war.

44: Was bei der? Ausstellung der vicrundzwanzig Münchener Künstler in Schulte’s Salon besonders wohl- thuend ins Auge fällt, ist die durhgehends e sichere Haltung und die damit eng verknüpfte Ausgeglichenheit fast aller hier ver- einigten Leistungen. Aus jedem Bilde spricht ein klarer künstlerischer Wille, kein Tasten und Schwanken stört den harmonishen Eindruk der einzelnen Künstlerpersönlichkeit; und E die Mehrzahl der Aussteller in verhältnißmäßig jugendlihem Alter. Freilih, Meister wie Frit vofi Uhde und Bruno Piglhein blicken bereits auf eine an glänzenden Erfolgen reiche Laufbahn zurück; sie dürfen als die Führer der jüngeren Schaar von Genossen betrahtet werden, ohne daß die von ihnen vertretene Malweise etwa von den übrigen gedankenlos nahgeahmt würde. - Gemeinsam ist der ganzen Gruppe, die den Gegensaß zu der älteren Münchener Richtung auch äußerlih durch die Secession aus der dortigen Künstler- genossenschaft Mam ere hat, das unbeirrte, vorurtheilslose Streben nah unmittelbarem Ausdruck lebensvoller Wahrheit, die ge P om ante Wahrung Verlan eyes Eigenart und Beobachtung gegenüber der über- fommenen akademischen Atelierschulung. Troß der Verschiedenartig- keit der hier vertretenen Talente giebt dieses Streben der Gesammt-

leistung einen ausgeprägten einheitlihen Charakter, Friß vom Uhde darf unbestritten als die bedeutendste Persönlichkeit unter den Münchener Secessionisten den ersten Play beanspruhen. Sein Doppelporträt zweier Mädchen in einer Gartenlaube beweist aufs neue, über welche Fülle von glüdliher Beobachtung und frischem ps g der Meister gebietet, wie ernst und gewi!senhaft er jete einer eas aufsaßt. Die Abwerthung der blauen und violetten Töne der Gewänder, ‘auf denen das dur die Laubmassen fallende Sonnenlicht spielt, das feine phyfiognomische Leben in den Köpfen, die Natürlichkeit der Haltun und die tros aller Unbefangenheit der Darstellung dnieite volle Stimmung des Ganzen machen dies Bild zu einem der reizvollsten, die aus der Werkstatt Uhde's hervorgegangen sind, Frisch und gesund ist au tas Bildniß eines kleinen, anfpruchslos acleldeten Kindes mit seiner Wüärterin, ein Cabinetstück zarter LEE E uad luftiger Tiefe das Pastell: die „Familie tes Holzhauers vor einer Walbhütte.* Auch B runo Piglhein leistet nah wie vor sein Bestes im Paftell- porträt; die nervös abgespannten Züge einer brönetten Dame weiß er mit flüchtiggeistreihem Stift festzuhalten und für unsere Ettbiltunas- kraft zu beleben, wie es nur Lenbah ähnlich vermag. Sein im Vel gemaltes Breitbild, ebenfalls das Porträt einer jugenölichen Dame, bleibt hinter jenem flott hingeworfenen Pastell an Wirkung etwas zurück. Auch Schlittgen, der geistreiche Zeichner der „Fliegenden Blätter“, leistet hervorragendes in der Pastelltechnik ; freilich vermag die verblüffende Sicherheit der Zeichnung und Farbenandeutung mit ter Lüderlichkeit seines Sujets nicht zu ver]|öhnen. Sehr fein acfühlt f die abendliche Strandscene mit der von einem bunten Lamvion auêgeh Beleuchtung; ohne die Gestalten scharf zu accentuiren, vermag

doch vortrefflich von dem zurücktretenden Meereshintergrunt

lösen und fest in den Raum zu stellen. Baron n mann, der sonst gleich Schlittgen und Piglhein

Darstellung moderner Gesellscha\ftstypen neue vifante

überrascht diesmal durch ein im Stil Ribera's gemaltes n Bildniß, das an Lenbach's Versuche, der Malweife

Meister sich anzunähern, erinnert und durch f

führung und fkraftvolle Auêprägung der Persönlic

erzielt. Wilhelm Trübner, der hon unlängst bei Schulte eine Sonderausf\tellung veranstaltet hatte, wantelt în em seßr diaratter- vollen kleinen Bildniß in Velazquez' Bahnen, d. feine quusi- zügigen Landschaftsbilder vor der Selbstänti sen l Mespect einflößen. Ihm schließt ih ein ju! Ernst Oppler, in dem feingestimmten D

paars in der Tracht der dreißiger Fahre eng

sih aber mit dem Interieur einer nordiî

dem Sattel modernen Impressioniémus

leßteren Richtung wagt den fkühnsten Borstofß de:

Louts Corinth, der zwei Kunstgenofsen

am Trinktisch schildert, während im Vorderg«

Beschauer entgegenknurrt. Die rauchges

durch ein Fenster im Hintergrunde erbellten Ÿ

bedingte Umwerthung der Localtöne ift ori

die Gestalt des rechts sißenden Malers, dessen K

wirkt. Von dem großen coloristishen Gef

das leider recht ungünstig gehängte Interieur ei

beredtes Zeugniß ab. Mit Corinth's Malweise

wandtschaft Charles Vetter, der wohl

Hauptstudien gemacht hat. Recht farbenpräd

die landschaftlihen Studien Hans B

Niemeyer's gehalten, von d

Bildniß überdies große Begab1

cht im geschlossenen Rar

eine vornehme zarte

der Bildnisse des

hat, vielleicht etwas z n der L j ! grauen Colorits alle s{ärfere Gharakteriftif, jeter fraftigere Acount verloren geht, während Curt Herrmann few energsdes Müinner- bildniß durch das itige Fefthal 3 m Grunütong um die lebendige novellistisch pointirter merfsamfkeit auch î Be bringt diesmal eine viell spielerhaft aufgefaßte Ehe

r Auffaffung

n bi

ist, urtheilen läßt. Schließlich seien n:

gedachten Grisaillen von F. We

schaften von Benno Beer genan

vertretene Talent giebt von dem gege

in München, wie gesagt, die günstigste 1g. Sculptur, welhe in Berlin als die traditionelle fünstlerishen Schaffens gilt, hat in München jeßt Kräfte aufzuweisen. Ganz besonders gilt das von Al dem Bruder des oben genannten Malers. Seine 2 malers Hubert von Heyden verdiente freilich eine der tw fassung ‘besser entsprechende flotte Behandlung, dagegen des genialen jungen Zeichners und Lithogravh bedingungslos als Meeisterleistung zu nehmen. Charakteristik und vornehme Formgebung streiten i

während in der Gruppe des mit Bacchanten dahe

ganz befonders die Frische der Erfindung und die Kra

vollen Humors zur Geltung kommen. So hbinterl eilbafteftem

Eindrücke und verdient ungetheilte dankbare Anerkennung Kunst interessirten Kreise unserer Reichshauptstadt.

Noch kurz vor seinem Tode hat Paulus ( Band seiner gesammelten Schriften vollendet und in N. Boll herausgegeben. Wie uns die Verlagsbuchhandlung wird die Fortseßung der gesammelten Werke von etlichen des Verstorbenen geplant und werden weitere Nachrichten darük Kürze veröffentlicht werden.

Nach einer Meldung der „Presse“ aus Belgra der Wahl eines Mitgliedes der Akademie der Wiff Garaschanin mit zehn gegen vier Stimmen gewählt.

Land- und Forstwirthschaft.

Ernteaussichten in Chile. (Vergl. au R.-Anz. Nr. 300 vom 19./12, 92.)

Nachrichten aus Concepcion zufolge waren Ende November v. J. im-Süden Chile's die Aussichten für die je nah der Lage în dem Monaten Dezember bis März erfolgende Weizenernte faît durth- weg. vorzügliche, da nicht nur das Getreide überall sehr gut ftand, foudern auch besonders große Ausfaaten stattgefunden hatten. Db diese Ausfichtem sih verwirklichen werden, muß allerdings dahingestellt bleiben. Die Erfahrung vieler früheren Jahre hat jedenfalls gelehrt, daß au bei dem besten Stande im November infolge des Ausbleibens oder zu späten Eintretens von Negen das Écniteraekuis schließlich em schlechtes war.

Ernte-Aussichten in Australien.

Nach dem „Melbourne Argus“ vom 30. November v. J. ver» spricht man sih in den Colonien Victoria und Neu-Süd-Wale# eine ausnahmsweise gute Ernte. Dasselbe Blatt stellt auch eine Bo» rechnung der in Süd-Australien zu erwartenden Ernte auf, weläe von der im „Reichs-Anzeiger“ Nr. 3 vom 4. d. M. veröffentlichten, ebenfalls auf Zeitungênachrichten beruhenden Schäßung nicht unuefent= lich abweicht, Nach dieser neueren Notiz soll die gean Ns nicht 1 500 000, fondern 1 750 000 Acker betragen und der Dun} shnittsertrag an Stelle von 7 auf 84 Bushel für den Aker zu ho» rechnen sein. Der Bedarf für Saatzwecke und den Verbrauch mud dgaepen nur auf 3 150 000 Bushel geschäßt, sodaß demna 11 725000 Bushel oder 314 062 englishe Tonnen zum Export gel naten, pa R ge 20 000 englishe Tonnen an alten Beständen endi reten würden,

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