1893 / 18 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 20 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

E Ea a tan E

Sachsen.

Wie das „Dr. J.“ meldet, ist das Befinden Zhrer Kaiser- lihen und Königlichen Hoheit der Prinzessin Friedrich August und des Prinzen Georg bisher ein anz zu- friedenstellendes gewesen. Seine Königliche Hoheit der

rinz Albert, jüngster Sohn Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Georg, is seit dem 18. d. M. an den Masern erkrankt, nachdem schon einige Tage lang leihtes Unwohlsein vorhergegangen war. Das Fieber ist zwar nicht unbedeutend, aber der Krankheit entsprechend. Auch im übrigen is der Verlauf der Krankheit zur Zeit ein normaler.

Württemberg.

Das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens hat, wie der „Schw. Merk.“ vernimmt, mit Allerhöchster Ermächtigung angeordnet, daß der Tag des Geburtsfestes Seiner Majestät des Kaisers fortan an den öffentlihen Schulen des Landes allgemein als \{chul freier Tag zu behandeln ist.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat sih gesiern Nachmittag zum Besuch des Königlichen Hofes nach Dresden begeben. Höchstderselbe wird nah der „Th. C:“ dort zwei Tage verweilen und dann zu den Vermählungsfeierlichkeiten nah Berlin reisen. Die Rückkehr nah Weimar wird gegen don 50. Januar erfolgen. Jhr€ Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin reisen am Sonnabend nah Berlin.

Hamburg.

Die in Nr. 16 des „RN.- u. St.-A.“ erwähnten dringlichen Anträge des Senats um Nachbewilligung von 2 300 000 für die Filtrirwerke ist von der Bürgerschaft in ihrer vor- gestrigen Sißung angenommen worden.

Oesterreich - Ungarn.

Dem gestrigen glänzend verlaufenen Ballfest der Siadt Wien wohnten die Erzherzoge Carl Ludwig, Ludwig Victor, Ferdinand, Otto, Wilhelm und Nainer sowie der Herzog von Cumberland bei. Um 9/; Uhr traf der Kaiser ein, wurde von dem Bürgermeister und dem Vice-Bürgermeister begrüßt und betrat mit der Gemahlin des Bürgermeisters den Magistratssaal, wo er Cercle hielt. Der Kaiser zeichnete sämmtliche anwesen- den diplomatischen Vertreter durch Ansprachen aus und unter- hielt sich namentlich längere Zeit mit dem französischen Bot- schafter Decrais, reihte dann der Gemahlin des leßteren den Arm und begab sich mit ihr in den Festsaal, wo cer von braufendem Jubel empfangen wurde. Der Kaiser verweilte etwa eine Stunde auf dem Fest.

Anläßlich der Vermählung des Herzogs Albrecht von Württemberg ist, wie „W. T. B.“ berichtet, eine aus elf württembergischen Offizieren bestehende Deputation in Wien eingetroffen.

Vel der gestern im ungarischen Unterhause fort- geseßten Berathung des Budgets erklärte der Minister des Zunern Hieronymi, daß, um die Einwanderung russischer Juden und anderer Ausländer und deren Niederlassung auf ungarishem Gebiet zu verhindern, die Handhabung der (Hemeindeordnung genüge. Die Auswanderung nach Amerika könne niht durch Gewaltmaßregeln, sondern nur durch die Aufklärung des Volks hintangehalten werden.

Bei den Gemeindewahlen in der Prager Borstadt \tarolinenthal haben vorgestern die Altczechen den Sieg davon getragen.

Großbritannien und Frland.

Sir West Ridgeway ist, wie „W. T. B.“ meldet, für heute zur Königin nah Osborne berufen worden. Er wird am Sonntag über Paris und Madrid nah Gibraltar abreisen und’ fich von dort auf einem englischen Kriegsschiff nah Tanger begeben.

Gestern hat in London eine Versammlung von Mit: gliedern des Unterhauses stattgefunden, in der ein- stimmig der Beschluß gefaßt wurde, alle Mitglieder des Unter- hauses aufzufordern, einem Geseßentwurf ihre Zustimmung zu geben, durch welchen die Einwanderung armer Aus- länder in England verhindert wird. Der Deputirte James Lowther erklärte, er werde gegebenenfalls zur Antwort- Adresse auf die Thronrede bei Eröffnung des Parlaments ein bezüg- lihes Amendement beantragen.

“Eine in Belfast am 17. d. M. abgehaltene Versammlung von Unionisten hat der „A. C.“ zufolge einstimmig die im vergangenen Sommer von der Convention abgegebene Er- klärung bestätigt, die in den Worten „Wir wollen keine Home- rule“ ihren Ausdruck fand. „Was auch immer die Natur der Homerule-Vorlage, die der Premier-Minister Gladstone dem Parlament vorlegen wird, sein mag, die Männer von Ulster“, sagte der Vorfißende der Versammlung, der Marquis von Londonderry, „wollen nihts damit zu thun haben“.

Das radicale Mitglicd des Parlaments Labouchere hat in seinem Blatt “,Truth“ drei Forderungen in Bezug auf Homerule gestellt. Danah müß die Vorlage, um fie an- nehmbar zu machen, erstens eine endgültige Lösung der Frage herbeiführen: zweitens muß sie als eine solhe Lösung der ¿Frage von der trischen Nationalistenpartei angenommen werden, und drittens muß sie das Reichs-Parlament von dem Zncubus ¡rischer Debatten befreien.

Frankreich.

Der Ministerrath beschäftigte sich dem „W. T. B.“ zufolge in seiner gestrigen Sißzung mit der auswärtigen Lage und namenilich mit der egyptischen Angelegenheit. Der Minister des Auswärtigen Develle theilte mit, daß die Er- nennung von Riaz Pascha zum Minister-Präsidenten der Aus- druck eines zwischen den Cabineten von Frankreih und England vereinbarten Vorgehens sei.

Die von dem Minister des Auswärtigen Develle in der vorgestrigen Sißzung der Deputirtenkammer abgegebene Er- klärung, daß er den französishen Botschafter in London beauftragt habe, von der britishen Regierung Aufklärungen über die Vorgänge in Egypten zu erbitten (s. die: gestrige Nummer des „R.- u. St.-A.“), wird durch ein Telegramm des „Reuter'shen Bureaus“ aus London von gestern bestätigt. Da- es habe der französische Botschafter Waddington vorgestern Lord Roseberry cine Note überreicht, worin erklärt werde, daß Frankreih nicht gleichgültig bleiben könne bei einem Act, der den Zweck hätte, die Unabhängigkeit des Khedive zu beein-

trähtigen und die in Egypten dur Verträge festgestellte Lage zu alteriren. - E

Der Senat begann gestern die Berathung der von dem Justiz-Minister Bourgéois eingebrahten Novelle zum Preßgeseß. Goblet sprach E gegen den Entwurf aus, der unnüß sei. Der Berichterstatter der Commission Trarieur vertheidigte den Entwurf. Der Justiz-Minister Bourgeois erklärte, der Entwurf berühre in keiner Weise die Preßfreiheit, sondern werde lediglich den Ausschreitungen der Presse Ein- halt thun. Der Senat beschloß mit großer Stimmenmehrheit, in die Berathung der einzelnen Artikel einzutreten. Die von der Deputirtenkammer abgelehnten Artikel, wonach Beschlag- nahmungen der Blätter und präventive Verhaftungen zulässig sind, wurden angenommen. Heute findet die Fortseßung der Be- rathung statt. :

Jn der Deputirtenkammer theilte der Präsident mit, daß der Deputirte Baïhaut sein Mandat niedergelegt habe. Die Kammer begann darauf die Generaldebatte über das Budget für das Jahr 1893. Diese wurde zu Ende geführt und sodann die Berathung des Budgets des Aus- wärtigen begonnen. Der Deputirte Hubbard sprach für ein Amendement, wonah die Ausgaben für den Botschafter- posten beim Vatican gestrichen werden sollen. Der Minister des Auswärtigen Develle bekämpfte den Antrag, der hierauf mit 317 gegen 91 Stimmen abgelehnt wurde, Das Budget des Auswärtigen wurde sodann angenommen. Die nächste Sizung findet heute statt.

Der Graf d'Haussonville ‘hat an Herns, den Director des „Soleil“, ein längeres Schreiben gerichtet, worin die Grundzüge des Programms ciner orleanistishen Partei entworfen werden. Jn dem Schreiben wird ausge- führt, die Regierung sei unter den gegenwärtig herrschenden Umständen ohnmächtig. Die Monarchisten müßten die Leitung der- Bewegung der öffentlichen Meinung über- nehmen und sich an deren Spiße stellen. Man müsse eine Liga der öffentlichen Ehrlichkeit und der Vertheidigung der gesellschaftlihen Ordnung bilden, da die Regierung durh die Sorge um die Vertheidigung der Ne- publik absorbirt sei. Die Organisation der monarchistischen Propaganda sei vollständig bereit. Man müsse alle Allianzen suchen, conservative und liberale ohne Unterschied. Er (d'Haussonville) werde bei dem Eintritt der Wahlen bestimmte Znstructionen bekannt geben. Da gegenwärtig die Conser- vativen nicht einig seien, solle die Frage der Regierungsform vor den Wählern nicht aufgeworfen werden. Jnzwischen müsse man sih für den Wahlkampf und für einen etwaigen unvor- hergesehenen Fall vorbereiten, da eine s{hwere Krisis unver- meidlih sei. Wenn das Land der Republik überdrüssig sei und nach etwas Anderem verlange, so werde die nmonarchistische Partei gewaffnet sein, um die Sache der öffentlichen Ordnung zu vertheidigen. Graf d'Haussonville weist ferner die Anschuldi- gung wegen. monarchistischer Conspirationen zurück, Er fre gt, wozu Verschwörungen dienen sollten, da doch die Ereignue sich selbst zu Gunsten seiner Partei zuspizten und deren beste Helfer seien. Auch nohch eine andere Empfindung trete in Frankreih zu Tage, nämlih die dur die Ereignisse von Carmaux hervorgerufene wirthschaftliche Beunruhigung. Jeder, der an irgend einem industriellen Unternehmen mehr oder weniger betheiligt seî, werde jene Leit des cFnterregnums nicht vergessen, während welcher die Regierung den Ausständigen nachgegeben habe. Die Panama-Enthüllungen würden den Socialisten und Radicalen neue Massen in dem furchtbaren Kampf gegen das Kapital liefern. Die Regierung sehe diesen Vorgängen unthätig zu und dulde sogar unverhüllte Aufreizungen zum Bürgerkrieg, zum Plündern und Morden, während ste gegen die geringste Uebertretung, deren sih cin armer Dorfpfarrer auf der Kanzel shuldig mache, mit äußerster Strenge vorgehe. Die Kapitalbesißer hätten vor der drohenden Gefahr eine unbestimmte Furcht, die immer mehr in dem Verlangen nah socialer Vertheidigung ihren Aus- drucck finde.

Wie der „Eclair“ meldet, hat Dr. Brouardel jeßt den Obductionsbericht betreffs der Leiche N eina ch's der Be- hörde eingereiht. Das Ergebniß der verschicdenen Prüfungen soll ein völlig negatives sein. Der „Figaro“ bringt Mit- theilungen über die Unterredung cines Berichterstatters mit Cornelius Herz, worin dieser gegen die Beschuldigung, ein Agent Englands oder des Dreibundes gewesen zu sein, pro- testirt und versichert, sich niemals einer Bestechung s{chuldig gemacht zu haben. Er habe Reinach gedroht, weil dieser sich geweigert habe, seine Shuld von zwei Millionen Francs zu bezahlen, und weil Neinach ihn (Herz) habe vergiften wollen.

Daß der Abschluß der Untersuchung in der Pa- nama-Angelegenheit sich verzögert, bestätigt sich. Baïhaut hat einen motivirten Antrag geistelli, in welchem er verlangt, vor den Obersten Gerichtshof gestellt zu werden.

Ftalien.

Das auf gestern angeseßte öffentlihe Consistorium hat dem „W. T. B.“ zufolge unter überaus zahlreicher Be- theiligung in der hertömmlichen Weise stattgefunden. Das Befinden des Papstes war ein sehr gutes.

Spanien. Die Königin-Negentin hat dem „W. T. V.“ zufolge Prets zum Gesandten in Stockholm ernannt.

Belgien.

In ciner gestern abgehaltenen Versammlung der Bürger- meister und Delegirten der sieben Vorstädte Brüssels wurde, wie „W. T. B.“ meldet, der Antrag, über die Frage des allgemeinen Stimmrechts ein Neferendum statt- finden zu lassen, einstimmig angenommen. Der Bürger- meister von Brüssel, der sih gegen den Antrag ablehnend verhält, wohnte der Versammlung nicht bei.

Lulgarien.

Der Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg be- absichtigt, wie „W. T. B.“ meldet, nah den getroffenen Reisedispositionen heute Nacht von Sofia abzureisen und sich zunächst nah Wien zu begeben, wo er zwei Tage zu verweilen gedenke. Sein Reiseziel sci München. Jm Gefolge des Prinzen würden sich nur Hofwürdeniräger und Adjutanten befinden.

Amerika.

Nach einer Meldung des „New-York Herald“ aus Val- paraiso genehmigte die chilenische Kammer in geheimer Sißung das zwischen Chile und Peru- vereinbarte Proto- koll über die Negelung der Ansprüche der peruanischen Corporation.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

Der Bericht über die 25. Sißung vom 19. Januar be- findet sich in der Ersten Beilage.

26. Sipung vom Freitag, 20. Januar, 1 Uhr.

Der Sitzung wohnt der Staatssecretär Freiherr von

Malgtzahn bei. e : _ Das Haus überweist zunächst den Bericht der Reichs- s{huldencommission für 1891 an die Rechnungscommissijon und seßt darauf die erste Berathung der Novelle zum Geseß über die Erhebung von Reihs-Stempelabgaben (Börsen- steuer) fort.

Abg. Graf Arnim (Np.) hält die Börsensteuer für eine fehr brauchbare Steuer, weil sie die mittleren und wohlhabenderen Klassen belaste. Jn der Börsensteuercommission habe er immer die Empyvfindung gehabt, daß die Negierung das Kapital shüße ; man fönne also kaum glauben, daß sie das mobile Kapital durch diese Vorlage erheblich schädigen werde. Das sei au gar niht der Fall. Die Petitionen der verschiedenen Handelsplätze find allerdings sehr fläglih, besonders die Petition aus Frankfurt : die ganze Börse solle vernichtet werden. Redner bestreitet, daß - die Börsensteucer die Emissions- thätigkeit geschädigt habe: er bestreitet ferner, daß die Nach- wirkungen der Börsensteuer noch nicht ganz eingetreten seien. Die Depression ist niht eine Folge der Börsensteuer, sondern der Ausfchreitungen der leßten Jahre; das mobile Kapital müsse erst wieder neue Syannkraft gewinnen. Alle Prophezeiungen der Freisinnigen seien niht eingetroffen. Die Steuer sollte bloß auf dem Papier stehen, niemand werde sie bezahlen; sie hat „aber ganz shöône Erträge abgeworfen, Die Arbitrage follte vernichtet werden, sie ist aber bestehen geblieben. Der Enuissions\tempel für ausländische Anleihen follte nicht erhöht werden, dagegen könnten die Consols steuerfrei bleiben, damit die kleinen Leute mebr die Staatspapiere kaufen, als fremde Anleihen und fonstige Werthpapiere. Ueber die Höhe des (Emissions\tempels föônnte man sich in der Commission unterhalten. Die Negierung sei viel zu nahgiebig gegenüber der haute tinance; fie müsse endli zur Reform der Börse schreiten, weun nicht {ließli eine Revolution

eintreten sollte. (Schluß des Blattes.)

Die bag: Prinz Czartorysfi, Dr. von Dziembowsfi- Pomian, von Janta-Polczynski haben mit Unterstüßung der übrigen

Mitglieder der polnischen Fraction im Reichstage den Antrag

eingebraht, der Neichstag wolle beschließen: „die verbündeten Re-

gierungen zu ersuchen, dem Reichstage baldthunlihs den Entwurf“

eines Gesetzes, betreffend die Einführung besonderer Gerichte, vorzu- legen, welche nah Analogie der Gewerbegerichte berufen wären, Streitig- teiten zwischen den ländlichen Arbeitern und deren Arbeitgebern in einer schnellen, billigen und einfachen Weise zu entscheiden.“

Die Geschäftsordnungs8conmission des Hauses der Abgeordneten beantragt beit Plenuin : zu erkläreu, daß die Abgeordneten, Landgerichts - Präsidenten G ünther, Korsh und Krah durcl) die Ernennung zu Geheimen Ober-Justiz-Näthen Sit und Stimme im Hause der Abgeordneten nicht verloren haben.

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Die Budgetcommission ‘des Hauses der Abge-

ordneten ist für die Berathung des Etats der Eisenbahn-

verwaltung um folgende sieben Abgeordnete verst ärkt: von BDockelberg, von Quast, Wüsten, Schoeller, Dr. Hammacher, Schmieding, von Grand-Ny.

Zur Steuerreform.

Der Finanz: Minister hat dem Hause der Abgeordneten als Er- gänzung zu den communal-finanzstatistishen Tabellen, die in den An- lagen zu den Steuerreformvorlagen erschienen sind, eine Nachweisung darüber zugehen lassen, wie die Umwandlung der staatlichen Neal- steuern in Communalsteuern unter Berücksichtigung des Wegfalls der Ueberweisungen aus dem Ertrage der landwirthschaftlihen Zölle be

züglich der Stadtkreise wirken wird. Wir theilen daraus die Z3ahleu..

sür die wihtigeren Gemeinden mit.

Berlin bringt einen Sollbetrag an directen Staats-Nealsteuern von 11329530 M, an Gemeinde-MNealsteuern 5 700000 #A = 90,31 9/9 auf; an Staats-Einkommensteuer 22 758 498 6, an Gemeinde- eintommensteuer 15 320 980 \( = 67,329/0. Au Üeberweisungen aus den landwirtl\{aftlihen Zöllen erhält es (bet cinen Gesamnitbetrag von 30 Millionen Mark) 2524 980 6 Zieht man die leßtere Summe vou den Staats-Realsteuern (11 329 530 16) ab, so verbleiben 8 804 9590 4 Wenn nun nah dem Gesetz über Aufhebung directer Staats-Realsteuern diese leßtere Sunme den Gemeinden zufällt, dann würde sich die Gemeinde-Einkommensteuer von 15 320 980 4

- 8 804 550 M auf 6 516 430 M, also von 67,32 0/6 auf 28,63 9% der Staats-Einkommensteuer vermindern können.

Für Breslau stellen sih die Verhältnisse wie folgt: Staäáts- Nealsteuern 1 797 000 , Gemeinde-Nealsteuern 621 450 = 34,58 9%, Staats - Einkommensteuer 3 017706 #, Gemeinde - Einkommen- steuer 3283116 A = 108,89 0/0. Antheil an den Ueber- weisungen 426 990 Nach Abzug dieser Summe vou - den Staats-Realsteuern (1 797000 6 426 990 16) bleiben 1 370010 4 Bei Verzicht des Staates auf diese Summe würde si die Gemeinde- Einkommensteuer von 3 283 116 \ 1 370 010 auf 1913 106 M, d. h. von 108,80 % auf 63,36% der Staats-Einkommeunsteuer reduciren kfömen.

Köln, Staats-Realsteuern 1 563 396 44, Gemeinde-Realsteuerit 685 986 „M = 43,75 9%. Staats: Einkommensteuer 3 352 342 16, Ge- meinde-Einkommensteuer 4 627 414 = 138,04 %. Antheil an den Ueberweisungen 367 480 A Nach Abzug dieser Summe von den Staats-MNealsteuern (1 563 396 4 —367 480 46) bleiben 1 195 916 M Bei Verzicht des Staats auf diese Summe würde sich die Gemeinde- Einkommensteuer von 4 627 414 M 1 195 916 (4 auf 3 431 498 1, d. h. von 138,04 % auf 10236% der Staats-Einkommensteuer reduciren können. :

Magdeburg. Staats-Nealsteuern 997077 4, Gemeinde-Neal- steuern 335716 (4. = 33,67 9/6 Staats-Einkommensteuer 2304000 1,

Gemeinde-Einkommeasteuer 3 212 701 M = 139,44%,. Antheil an j

den Ueberweisungen 234 079 4 Nach Abzug dieser Summe von den Staats-Nealsteuern (997 077 M 234 070 A) bleibèn 763 007 M Bet Verzicht des Staats auf diese Summe würde sich die Gemeinde- Einkommensteuer von 3212701 44 763 007 (6 auf 2449 694 M4, d. h. von 139,44% auf 106,32% der Staats-Einkommensteuer reduciren Tfönnen. , l Frankfurt a. M. Staats-Nealsteuern 1416 167 \(, Ge- meinde-NRealsteuern 0, Staats-Einkommensteuer 5 001 807 M, Ge- meinde-Einkommensteuer 4773877. = 95,44%. Antheil der Ueberweisungen 305240 . Nach Abzug dieser Sumne von den Staats-Nealsteuern (1416 167 16 305 240 46) bleiben 1 110 927 46 Bei Verzicht des Staats auf diese Summe würde sih die Gemeinde- Einkommensteuer von 4773 §77 A 1 110 927 é. auf 3 662 950 M. d. h. von 95,44% auf 73,23% deèr Staats-Einkommensteuer reduciren fönnen. y ; In Hannover würde si eine Reduction der Gemeinde-Ein- fommensteuer von 125,02 auf 89 5209/6 der Staats-Einkomtwensteuer,

in Königsberg von 204,37 auf 149,89%%, in Düsseldorf von.

152,72 auf 127,43 9/0, in Altona von 160,44 auf 114,929%/9, în Elberfeld von 250,66 auf 215,890/0, in Danzig von 205,47 auf 149,33 9/0, in Stettin von 140 auf 39,06%, in Barmen von 243,22 auf 206,33 9/o, în Krefeld vou 289,29 auf 255,92 “o, a Aachen von 136,80 auf 99,38%, und in Halle a. S. von 39,26 auf 63,82 9/6 ergeben. ; a ; O

Im ganzen sind die Verhältnisse in der Nachweisung für t Stadtgemeinden berehnet worden. Hiernach betragen in diesen an lihen Gemeinden die Staats-Realsteuern 30 459 093 4, die Ge-

iteinde-Realsteuern 14864531 Æ, die Staats - Einkommensteuer

65 814152 #4, die Gemeinde-Einkommensteuer 75 709535 4, der

Antheil der Ueberweifungen 7 049 260 A Nah Abzug dieser Summe

von den Staats-Realsteuern 0 459 093 A 7049 260 4) ver-

bleiben 23 409 833 Æ Bei Verzicht des Staats auf diese Summe

würde sich die Gemeinde - Einkommensteuer von 75 709 535 23 409 833 M. auf 52 299 702 A reduciren.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Nachdem der Ausstand im Saarrevier beendet U) sollte heute, wie der „Vorwärts“ berichtet, in Bilds\t o ck eine Versammlung der abgelegten Bergleute stattfinden. Unter den etwa 4000 entlassenen Bergleuten befinden sich nach dem „Bergmannsfreund“ 31 Knappschaftsälteste und 80 Mitglieder der Grubenausshüsse. Von den 31 Knappschaftsältesten sind drei Knappschafts-Vorstandsmitglieder, Fox-Eppelborn, Mahler- Saarwellingen und Dörr-Urexweiler. Die jämmtlichen 31 entlassenen Knappschaftsältesten gehören als Mitglieder dem Rechtsschußverein an, 26 sind Vertrauensmänner oder Borstands- mitglieder. Von den 220 Mitgliedern der (Grubenausschüsse sind 80 abgelegt, von denen 71 mit Bestimmtheit dem Rechts- \hußverein angehören, bei 5 ist dies zweifelhaft. 19 von den 71 abgelegten Rechtsshußvereinsmitgliedern und Gruben- ausschüssen sind Vertrauensmänner des Vereins.

Jm Ober-Bergamtsbezirk Dortmund betrug die Zahl der Ausständigen vom Mittag des 18. bis zum Mittag des 19. Januar insgesammt 5365 oder 2289 weniger als am Vortage. Eine Versammlung von Bergleuten, die gestern in Essen stattfand, war größtentheils von Entlassenen besucht. Ein Beschluß über den Ausstand wurde, wie ein Telegramm des „D. B. H.“ mittheilt, nicht gefaßt. Jn den nächsten Tagen soll cineVersammlungfür die arbeitslosen Bergleute einberufen werden, um über Mittel zur Abhilfe der Arbeitslosigkeit zu berathen. Nach der „Rh.-Westf. Ztg.“ kann auch der Bergarbeiter- Ausstand in Westfalen als beendet angesehen werden, da die gestern niht angefahrenen Bergleute als entlassen zu be- trachten seien.

Vom heutigen Tage liegen folgende Meldungen aus dem Ausstandsgebiet vor :

Essen a. d. Nuhr, 20 Januar. Der „Wthein.-Westfäl. Ztg.“ zufolge find heute auf sieben Zehen 1626 Mann ausständig. Voll angefahren find die Belegschaften der Zechen „Glüdfauf“, „Tiefbau“ und „Shamrock“.

Ueber Versammlungen von Arbeitslosen liegen wieder aus verschiedenen Orten Nachrichten vor, von denen folgende bemerkenswerth erscheinen:

Aus Dortmund schreibt man der „Köln. Ztg." unter dem, 16. d. M.: Die hiesigen Socialdemokraten haben als neues Agitationsmittel die angebliche Fürsorge für die Arbeits losen gewählt. Jn einer Versammlung von Arbeitslosen, zu der etwa 500 Personen erschienen waren, redeten niht Arbeits- lose, fondern focialdemokratische Agitoren, und suchten die Leute zu erregen. G8 wurde eine Abordnung nicht aus Arbeitslosen gewählt, die bei dem Stadtoberhaupt um Arbeitsgelegenheit vorstellig werden soll. Ober-Bürgermeister Sh mieding hat die Abordnung empfangen und ihr mitgetheilt, daß nah den Ermittelungen der Be- hörde etn Nothstand in Dortmund nicht bestehe. Es seien Entlassungen auf den Werken nur in geringem Umfange exfolgt, die Entlassenen hätten auf andern Werken Beschäftigung erhalten. Soweit dies nicht der Fall fei, würden Arbeitslofe bei der städtishen Straßenreinigung beschäftigt. Jnwischen sind Blältermeldungen zufolge neue Ver- sammlungen von Arbeitslosen dur die Socialdemokraten einberufen Worden.

In Cassel fand der „Mgdb. Ztg." zufolge eine Versammlung von Arbeitslosen statt, die bes{loß, beim Magistrat vorstellig zu werden, damit dieser durch Jnangriffnahme öffentlicher Arbeiten ihnen Unterhalt vershafe. Eine Abordnung. jener Versammlung ist von dem Stellvertreter des Ober-Bürgermeisters, Herrn Bürgermeister Klöffler, empfangen und ihr zugesichert worden, man wolle ihrem Wunsche nah Möglichkeit entsprechen. Ein Theil der Leute wurde bereits mit dem Himwvegräumen der Schneemassen beschäftigt.

Aus Amsterdam meldet ein Wolff’\{es Telegramm: Nachdem [hon in den. leßten Tagen größere Trupps von beschäftigungslosen Arbeitern und Soctalisten si in den Straßen angesammelt hatten, jog heute ein gegen §00 Mann zählender Trupp vor die Börse, um in diese einzudringen, was von einer Abtheilung PVoslizisten verhindert wurde. Die Socialisten entfalteten hierauf eine rothe Fahne, die Polizei ging. mit der blanken Waffe vor und bemächtigte si der Fahne. Bei dem Handgemenge wurde in Polizist am Kopfe s{wer verwundet. Der Träger der Fahne entkam. In anderen Stadttheilen kam es"ebenfalls zu thätlichen ousammenstößen zwischen der Polizei und Socialisten, die sich zu- [Mmuenrotketen und in verschiedenen Bäckereien Brot verlangten.

Aus Brist ol wird telegraphisch gemeldet: Der bekannte Führer der A rbeiterpartei Ben Tillet ist unter der Anklage, eine die Dokarbeiter von Bristol zum Aufruhr aufreizende Nedè gehalten zu aben, heute von dem Gerichte vor die Assisen verwiesen worden.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Cholera.

Valle a. S., 19. Januar. Jn der Irrenanstalt zu Nietleben

nd der „Halle’schen Zeitung“ zufolge heute siebzehn weitere Erkrankungen festgestellt worden. Bei einem iu Lettin angeblihan Cholera Erkrankten wurde einfaher Durchfall festgestellt. Derselben Zeitung zufolge ist ver Geheime Medizinal-Rath Professor Dr, Koh mit mehreren Ufsistenzärzten im Aufkrage des Cultus-Ministers Dr. Bosse zur Vor- nahme von Untersuchungen wegen der in Nietleben aufgetretenen Gholera-Epidemie hier eingetroffen und wird so lange hier bleiben, "19 es feststeht, daß die Epidemie auf die Jrrenanstalt in Nietleben beschränkt geblieben ist. ._ Vom 20, wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß drei weitere ckodesfälle vorgekommen sind, und zwar einer im Laufe der Nacht, wet weitere heute früh. Bei einer ueu erkrankten Person ist die Viagnose auf Cholera gestellt. Ju ganzen sind bisher achtzehn Per- joncn der Epidemie erlegen.

Mainz, 20. Januar. Die Zeichner des Garantiefonds für das deut f ch e Bundesschießen haben einstimmig den Beschluß gefaßt, aan Rücksicht auf die noch immer vereinzelt vorkommenden Cholera- Mle das deutshe Bundesschießen auf das Jahr 1894 zu verschieben.

us L L Portugal.

„= Durch eine im „Diario do Governo“ vom 14. Januar 1893 ver- Jentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Senern werden Triest und alle an dem gleichnamigen Golf gelegenen ckasen für „rein* von Cholera erflärt.

Aus Anlaß des Wied Tunis. i Q Gul hat der pay des Wiederauftretens der ( holera in Hamburg von er tunefishe Gesundheitsrath Herkünfte des genanuten Hafens fund neucm der unbedingten Verpflichtung zur Vorlegung von Ge- e rpdeitöpässen unterworfen. Neben einer ärztlichen Untersuchung infläre außerdem s{chmußzige Wäsche und Gebrauchsgegenstände des-

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 19. d. M. gestellt 10 523, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 18. d. M. gestellt 4509, nit

rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Ore zu E E, (Amtlicher Preisberiht vom 19. Januar 1893.) Auf dem Ko lenmarfkt herrscht in fast allen Sorten lebhafte Nachfrage. Der Eisenmarkt ist fortgesetzt till. (Berehnung in Mark für 1000 kg und, wo niht anders bemerft, ab Werk.) Kohlen und Koks gelangten nicht zu amtlicher Notirung. Erze: 1) Rohspath 7,30—7,80, 2) Gerösteter Spatheisenstein 10,50 11,50, 3) Somorrostro f. o. b. Rotterdam —, 4) Nass\auischer Roth- eifenstein mit ca. 509% Eisen 8,40—8,80, 5) Rasenèrze franco —. Roheisen: 1) Spiegeleisen la 10—12 % Maugan —, 2) Weißstrah- liges Qualitäts-Puddelroheisen : rhein.-westf. Marken 47-—48, Sieger- länder 44, 3) Stahleisen 48, 4) Engl. Bessemereisen ab Ver- {ifungshafen —,—, 5) Spanisches Besseinereisen Marke Mudela cif. Rotterdam ——,—, 6) Deutsches do. -—,—, 7) Thomaseisen franco Verbrauchsstelle 47,00, 8) Puddeleisen (Luxemburger Qualität) 31,20, 9) Engl. Noheisen Nr. TI1 ab Ruhrort 57 —08, 10) Lurem- burger Gießereieisen Nr. 111 45,00, 11) Deutsches Gießereieisen M O2 I) N 13) 60 Ne T 95, 14) do. Hämatit 62, 15) Spanisches Hämatit Marke Mudela loco Ruhrort _—. Stabeisen: Gewöhnl. Stabeisen 117,50—120. Bleche: 1) Ge- E Vleche 135—145, 2) Kesselblete 150—165, 3) Feinbledhe Z20— 140.

_ ST Petersburg 19, Januar. (M. T. B) Yie für die Reform der Neihsbank eingeseßte Commission wird am Montag unter dem Vorsiß des Finanz-Ministers Witte ihre Berathüngen veginuen. Das Programm umfaßt folgende Punkte: Erleichterung und Entwicklung des der Industrie zu gewährenden Credits, Erleichterung des Wechfeldisconts, Bestimmung des Zinsfußes für Einlagen in Abhängig- keit von den Kündigungsterminen, event. Einführung vou auf den Inhaber lautenden Reichsbankbillets, event. der Neichsbank zu er- theilende Erlaubniß zur Cmittirung langterminlicher Schuldscheine in Berbindung mit ihren langterminlihen Darlehen, Verhältniß der Reichsbank zur Verwaltung des Geldes der Staatérentei, Ver- mehrung der Filialen, Veränderung in der Orgauisation der Reichs- bankyerwaltung.

VLO M, 19. Santtar. (W. T B.) Die „Agenzia Stefani“ ver- öffentlicht folgende Mittheilung : Nachdem alle erforderlichen Schritte für die Gründung eines neuen Emissionsinstituts, das die Interessen der Inhaber von Papieren der Banca No- mana wahrnehmen soll, geschehen sind, und nachdem die Lage der Actionäâre dieser Bank sestgéstellt- it, f von dem. (Ergebniß der von derx Negierung bei der Bauca Nomana vorgenommenen Revision der zuständigen Gerichtsbehörde Mittheilung gemacht worden. Daraufhin sind heute Vormittag der Gouverneur dieser Bank Tanlon go und der Kassirer Lazzaroni verhaftet worden. Die Verhaftung verursachte keinerlei Beunruhigung, da die normale Liquidation der Bank durch die Nationalbank ficher- gestellt ist. Auch die Börse war bei Beginn fest. In den Wohnungen des verhafteten Gouverneurs und des Kassirers der Bauk fanden Hausfuchungen statt. Wie verschiedene Blätter wissen wollen, hätte die Untersuchung gegen den Gouverneur der „Bauca Nomana“ und den Kassirer ein negatives Resultat ergeben. Die „Banca Nomana" hatte cinen Notenumlauf von 73 Millionen angekündigt, während der wirkllihe Notenumlauf 135 Millionen betrug: es sind daher 62 Millionen mehr in Umlauf gesetzt gewesen, als geseßlih zu- lässig war. j

Verkehrs-Anstalten.

Postpackete nah Barbados (Britisch - Westindien) werden zur Beförderung jeßt wieder angenommen.

Dremen, 20 Qa O0 L Nova utscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Fulda " ist ain 18, Januar Abends von Genua via Gibraltar nah New-York abgegangen. Der Post- dampfer „Gera“ hat am 19. Januar Mittags die Reise von Unt - werpen nah Bremen fortgesetzt. Der Neichs-Postdampfer „Bayer n“, von Ost-Asien kommend, ist ‘am 19. Januar Nachm. in Colombo angekommen. Der Schnelldanmpfer , Ems“, am 3. Januar vou New-York abgegangen, ist am 19. Januar Mittags in Aleran drien an- gelommen. Der Reichs-Postdampfer „Darm stadt“ hat am 19. Januar Nachmittags die Reise von Southamvton nach Antwerpen fort: gesetzt. Der Postdampfer „Ohio“, von Brasilien kommend, hat am 19. Januar Vormittags Las Palmas passirt. Der Postdampfer „Salier“ hat am 19. Januar Bormittags die Reise von Sou - thampton nah New-York fortgesetzt.

Hamburg, 19. Januar. (W. T. B.) Hambu rg-Ameri- fanishe Paetfahrt - Actien - Gesellschaft. Der Poft- dampfer „Steinhoeft“* ist, von Hamburg kommend, gestern Nach- mittag in New-York eingetroffen.

London, 19. Januar. (W. T. B.) Der Castle-Damv fer „Methven-Castle“ hat heute auf der Heimreise die Canarischen Juseln passirt. Der Union-Dampfer „Athenian“ ist gestern auf der Heimreise von Madeira abgegangen.

20. Januar. (W. T. B.) Nach einer Meldung des „Standard“ aus Teheran find die weiteren Arbeiten an der Eisenbahn, von welcher die 30 Werst lange Strecke Teheran—Koom fertiggestellt war, aufgegeben worden. Die Eisenbahn-Baugesellschaft hat auf die ertheilte Concession verzichtet.

Sofia, 20. Januar. (W. T. B.) Der Eisenbahnve rfehr zwischen Zaribrod und Sona ift eingestellt worden.

Theater und Musik.

Berliner Theater.

Das Schauspiel ,Schlimme Saat“, von Otto Bischer- das im Februar v. J. bei seiner ersten Aufführung fo großes Aufseheu machte wegen seiner realistishen Naturtreue, feiner ershütternten Lebenswahrheit und feiner echt dramatischen Handlung, ging gestern Abend neu eingeübt in Sceue und hatte wieder einen durch- s{lagenden Erfolg. Die Beseßung war in allen Rollen die- selbe wie im vorigen Jahre. Frau Baumeister gab die durch Eitelkeit wverblendete Mutter Frau Hartwig, die fich über die Begabung ihrer Kinder derart täuscht, daß sie aus einem einfachen Schlosser einen Techniker, aus einem Musterzeichner einen

orträtmaler und aus einer Näherin (ihrer Pflegetochter) eine Bühnen- Tünstlerin machen möchte und dadurch das größte Unheil über sich selbst und thre Familie bringt. Herr Stahl gab den verlotterten, [ließlich bis zum Dieb und Selbstinörder heruntergekommenen Schlosser Wolf- ang Hartwig, Herr Stockhausen den edelmüthigen, aber über seine ¿Fähigkeiten getäuschten Maler Bruno Hartwig und Frau Sorma die dem reichen Fabrikanten rüdck\ihtslos überlieferte Pflegetochter Martha Steffen, die in ihrer eigenen moralischen Kraft und durch die Verlobung mit cinem ungeliebten Mann die Möglichkeit findet, si vor dessen Nachstellungen zu s{hüßen. Sie alle stellten dur ihr lebensvolles Spiel fo Ee tische Gestalten dar, daß sie in bödhstem Maße ergreifend wirkten, eine Anerkennung, - die in ganz hervorragender Weise auch Fräulein Nuscha Buße ausgesprohen werden muß für ihre derbe, der Schwiegermutter gegenüber stets demüthige Frau des Schlossers Hartwig, die aber mit v ruihtender Schärfe ihr entgegentritt, als sie ibreu Mann durch den unseligen Einfluß der Mutter verloren feht. Auch die Übrigen Rollen wurden von den Damen Storm und Ewers, sowte den Herren Suske, Kraußneck und Vieweg ganz vortrefflich gegeben, fodaß die Aufführung wieder als eine außerst bige t für die Negie dieser bewährten Kunststättc angesehen twer- en muß.

: Lessing-Theate.;

Die gestrige erste Aufführung von Henrik Ibsen's neueur Schauspiel „Baumeister Solneß* fand ein zum theil wider- \trebende3 Publikum. Der Widerspruch wurde durch den herzhaften Beifall us dem ersten Act geweckt und wuchs an Umfang nah jeden: folgenden Aufzuge. Der Grund dieses Mi erfolgs i in der ge- ringen Handlung und dem räthselhaften ialog zu suhen. Der Mehrzahl der Zuschauer werden dte geheimnißvollen Empfindungen der handelnden Personen und die mystishen Beweggründe ihres Thuns unverständlich geblieben fein. Handlung existirt in dem Schaufpiel kaum; seltsame Gemüthsbewegungen und befremdliche Dialogstrünge, aus denen stets das Unerwartete, ereufbenbe zu Tage tritt, füllen fast alle drei Aufzüge. Der Inhalt des Stücks läßt sich kurz folgendermaßen zusammenfassen: Baumeister Solneß, dem ein leb- hafter, unausgesprohener Wunsch genügen foll, um sein eigenes Ge- {ick und das Thun Anderer zu lenken, findet in Hilde Wangel seine Meisterin; ihr \tärkerer Wille zwingt den feinen; auf ihren Autrieb ersteigt er, der ältere Mann, wie uor zehir Jahren, eine Thurmspite und stürzt diesmal zershmettert in die Tiefe. Was Hilde Wangel zu diefem Thun treibt, begreift man niht. Sie drängt ih eines Tages ganz unvermittelt in die trübselige und langweilige Ehe des Baumeisters. Er hat ihr vor zehn Jahren, als fie noh ein Kind und er {hon ein verheiratheter Mann war, wie im Märchen ver- sprochen, sie zur Prinzessin zu machen und ihr ein Königreich zu kaufen. Genau am Berfallstage des Versprechens tritt sie ein, eine Erfüllung fordernd. Nach ihrem Benehmen muß man annehmen, daß der Bau- meister in ihren Augen der allmächtigste Mann und elbst jenes Reich ist, nach dem ihr Verlangen steht. Die unge- ¿ähmte Sucht nach Selbstbefriedigung der ungeheuerlisten Wünsche hat Ibsen mit Vorliebe geschildert, so in seiner Nebekka in „Rosmeröholm“ und in seiner „Hedda Gabler“. Dasfelbe Motiv tritt hier hervor, aber feltsamer und räthselhafter ausgestaltet. Es bleibt vielen Gemüthern verborgen, weshalb die Heldin ihren Helden, dec an Schwindelanfällen leidet, veranlaßt, das Unmögliche zu versuchen, und weshalb sie bei seinem \hrecklichen Fall in den wilden Jubelruf „Mein Baumeister“ die Schlußworte des Schauspiels ausbriht.

Es ift versucht worden, die Handlung des Schauspiels \ym- bolish aufzufassen und auf diesem Wege spißfindig zu erklären, aber dieser Weg erscheint sehr umständlich, da nicht weniger als alles gedeutet werden müßte, Die mystishen Andeutungen nebmen in dem Stü kein Ende; Unholde und hilfreihe Geister in gutem und böfem Sinne drängen \ich geheimnißvoll dur den oft klug ausge- tüftelten Dialog: die bevorzugten Seelen laushen auf bimmlis{he Harfentöne, überhaupt drängt si in die Handlung ein nebelb\after Mysticismus ein. Bei allen äußeren Erfolgen beklagt der Baumeister den Verlust seiner Kinder: angstvoll erwartet er den Wendepunkt seines Glücks den die Jugend herbeiführen foll; „die Jugend ist die Wie ervergeltung, sie flovft schon an die Thür“. Bei diesen Worten wird in der That an die Thür geklopft und Hilde, sein Verhängniß, tritt ein. Ibsen hat es hier, wie in fast allen früheren Stücken verstanden, auf die angedeutete Weise eine schaurige, geheimuißvolle Stimmung zu erzeugen ; es gelingt ihm aber in diesem Schauspiel nicht, die Hörer in diefen Kreis über- sinnlicher Erregung dauernd zu bannen. Hilde's sehr kräftige und manchmal triviale Redewendungen verseßen den Hörer mit einem Sprunge in die Alltäglichkeit und Gegenwart zurü. Der Eindruck des ganzen Schauspiels if der des Unflaren. Ursache, Folge und Ziel der Vorgänge entbehren der Logik. Man weiß nicht, will der Dichter sagen, man solle nicht nach dem Unmög- lichen streben, sonst stürzt man herab, wie der Baumeister Solneß von seinem hohen Thurm, oder will er ein „robustes Gewissen na Bikinger Art" angreifen, jener Vikinger, die da raubten und fengten, tödteten und shändeten, und dann „frößli wie die Kinder“ heim- kehrten an den heimishen Herd. Gewiß ist, daß die Spannkraft der Zuschauer utter dieser problematischen Dichtung erlahmte.

Unter den Darstellern verdicut Herr Reicher als Baumeister Solneß uneingeshränktes Lob; er {älte die mens{lichen Seiten de Charakters sorgfältig heraus und erflärte dadurch zum theil die nervöse Ueberreiztheit und natürliche Angst des Baumeisters vor etm53 Unfaßbarem, Unheilbringendem. Man las in einer Seele den un geme}/enen Ehrgeiz, die öde Langeweile beim Anblick der stets flagenden, leidenden Frau, den Kummer über sein kinderleeres Haus, die unwill- fürlihe wadbsende Antheilnahme an der wilden Hilde, die immerwähread nah schreckliher Spannung fut, und die reifende tirdis{e Neigung zu ihr. Fräulein Meyer als Frau Solneß war das Bild beschränkter Pflichttreue und Ergebung. Fräulein Reisenbofer spielte die râthselhafte Hilde Wangel, die aber dur die Darstellung nicht natürliher wurde; falt und scharf flang ihre Stimme, berrifch waren ihre Bewegungen, besonders wenn sie von dem verhaßten Wor Breiten sprach, das nach ihrer Ansicht schon dem Klange nach spikig und shneidend ist und stiht. Dem Baumeister gegenüber trat die Koketterie und Sinnengluth abwechselnd mit dem Eigenwillen in die Erscheinung. Der Darstellerin fehlte das Geheimnißvolle, das von ibrer Perfönlich- keit ausstrahlen muß, um die Borgänge auch nur einigermaßen glavblih zu machen. Die Besezung der kleineren Rollen bietet- keinen Anlaß zu besonderen Bemerkungen. Die Darsteller fanden lebhafte Anerkennung, und vor allen wurde Herr Reicher für seine tüchtige Leistung ausgezeichnet.

Am Sonntag geht im Königlichen Opernhause „Diamilebß in Scene, welcher die Oper „Bajazzi“ in der bekannten Besezung folgt. Den Schluß mat das Tanzbild „Slavishe Brautwerbung“, in weldhem Fräulein Dell Era nah Ablauf ihres contractlihen Urlaubs zum ersten Male wieder auftritt.

¿Frau Moran-Olden verabschiedet si am Sonntag im Kroll schen Theater für einige Wochen, um den zahlreihen Gastspielofferten nachzukommen, welche an sie berantreten. An diesem Abend geht „Mala Vita" zum ersten Male mit heimischen Kräften wiederholt in Scene und dazu wird das „Loreley-Finale“ gegeben, bekanntli ein binterlassenes Chorwerk mit einer Solopartie von Mendelsfohn. Leßtere wird von Frau Moran-Olden gesungen.

Hof-Kapellmeister Vincenz Lachner in Karlsruhe it, laut L 4 P M « Da 0 S _ a Meldung des „W. T. B.“ vom gestrigen Tage, vom Sc{hlagfluß

getroffen worden; sein Zustand ift bveforguißerregend.

Mannigfaltiges.

In der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten- Verfaunin- lung erstattete, wie wir der „N. A. 3.“ entnehmen, Stadtverordneter Vorwiß Bericht über den Antrag der Stadtverordneten Borgmann und Genossen, betreffend Vorbeugung des Nothstandes der Arbeiter. Der Antrag des Ausschusses geht dahin, den Magistrat zu ersuchen, alle bisher von der Versammlung genehmigten Arbeiten energis{h in Angriff zu nebmen und ferner zu erwägen, ob zum Zwecke etner durchgreifenden Reinigung der Fuhrpark nit erweitert und das Arbeiterpersonal niht vermehrt werden könne. Stadtrath Meubrink erklärte, daß er nur den Theil des Ausfschußantrages be- sprehen werde, welcher sich auf die Durchführbarkeit der Vermehrung des Fuhrparks- und des Arbeiterperfonals be- ziche. Es seien zur Zeit 2000 Hilfsarbeiter beschäftigt außer dem ständigen Corps von §00 Mann. Die Frage, ob eine Vermehrung der Hilfsarbeiter stattfinden könne. müsse theoretisd bejaht werden. Gs könne sih aber höchstens um 3 bis 400 Mann bandeln, damit sei die Grenze erreicht. Es müßte fonst ein größeres Auffichtspersonal geschaffen werden. Das ständige Corps werde noch vermindert, weil ein Theil davon zum Vertheilen der Marken an den Abfubrstellen und zu ihrer Abnahme und der Controle an den Abladestellen vers wendet würde. Der Magistrat habe, au’ ohne den Antrag, în Aus- sicht genommen, eine Vermehrung der Arbeiter vorzunehmen, ader es habe sich gezeigt, daß dies zur Zeit keinen Zweck habe. Es sei fogar nöthig gewesen, einen Theil von ihnen wieder zu ent- lassen, denn. die. Aufräumungsarbeiten des leßten Schneefalls feier beendet, und bei dem beftigen Frost sei nichts mehr von dem Damn