1893 / 18 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 20 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

* aber das fommt nur daher, daß die großen Berliner Bankfirmen ihre Filialen en masse in alle fleinen Provinzstädte vorgeschoben haben. Die Börsensteuer wird mit unserer Zustimmung nit abge- schafft, vielmehr muß die Börse, soweit es das legitime Geschäft nicht schädigt, noch weit mehr zu Steuerzwecken herangezogen werden. Von einer Auswanderung des Kapitals oder seiner Besißer ist in irgend welchem größeren Maße nichts zu merken gewesen. Die Einwanderung ewisser internationaler Elemente sieht der Deutsche in seiner Mehr- eit überhaupt niht gern und hätte deshalb auch wohl nichts gegen das Wiederauswandern derselben einzuwenden. Nicht mit Unrecht geht der Zug der Zeit dahin, daß das an agel OAt betheiligte ‘apital gegenüber dem mit Steuern überlasteten Grundbesiß mehr als bisher zur Besteuerung herangezogen werde. Wie sehr sih das beweg- liche Kapital bisher der Besteuerung zu entziehen verstand, dafür haben wir einen unerwartet großartigen Beweis in den Sen der ersten Ein- shäßung zur neuen Einkommensteuer in Preußen. Danach betrug das Gesammteinkommen 1892 in Preußen eine Milliarde mehr als im Vor- jahre. Die Vermehrung betrug 70%, bei den Einkommen aus gewinnbringender Beschäftigung, 56 % bei dem Rentencinkommen, 91% bei dem Einkommen aus Handel und Gewerbe, und nur 68/10%/9 bei dem Einkommen aus Grundbesiß. Aus der ersten Klasse der Einkommen is das letztere in die dritte gerathen, und obenan steht das Einkommen aus mobilem Kapital. Der Besteuerung waren bisher entzogen rund 60 9%/9 des Einkommens aus gewinnbringender Beschäftigung, 50% des Renteneinkommens, 45 9% des Einkommens aus Handel und Gewerbe, höchstens aber 49%, des Einkommens aus Grundbesiß. Ich persönlih habe als Sachse die Ueberzeugung, daß, je mehr die Kenntniß der Einschäßungsbehörden zunimmt und je melr man si an die Declaration gewöhnt, desto mehr werden sich die Ver- hältnisse ändern, und zwar zu einem progressiven Resultat. Es wird also ein Act auêgleichender Gerechtigkeit erfüllt, wenn man das mobile Kapital ermittelt und dur Heranziehung der großen Börsengeschäfte für Steuer- zwecke ergiebiger macht. Im übrigen trägt der Banquier garnicht die Kosten des Börsenstempels, da von der bisherigen Börsensteuer 98 9% von den Auftraggebern und nur 29/9 von den Banquiers aufgebracht wurden. Sie werden \ich niht nur der Steuer entziehen, sondern sogar noch einen Vortheil aus derselben ziehen, indem die Auftraggeber nicht nur den Stempel, sondern noch außerdem die Hälfte des Ausführungs- stempels für die Abwickelung des Steuergeschäfts zahlen müssen. Ich habe im großen Publikum noch nie Klagen über das Bbrsentleuerages gehört, wohl aber darüber, daß die Kunden bei der Ausführung der Aufträge mehr oder minder übervortheilt werden. Wenn wir im A ndinen mit der Verdoppelung der Börsensteuer einver- standen sind, so wäre es doch wohl empfehlenswerth, ge- wisse Arten von Geschäften zu einer noch wesentlich höheren Besteuerung heranzuziehen. Wir würden nichts da- gegen haben, wenn für reine VDifferenzgeschäfte eine zehnfahe Er- höhung der Stempelsteuer einträte. Die „Kölnische Zeitung“ hat vor einiger Zeit sogar eine hundertfahe Erhöhung für berehtigt er- flärt. Schon in dem ersten Antrag von Wedel-Malchow war eine höhere Besteuerung der Zeitgeschäfte gegenüber den Kassageschäften in Ausficht genommen; auch Anträge von nationalliberaler Seite hatten dasselbe Ziel. Das alte Neichs-Stempelgesey von 1881 hatte ja cinen fünffahen Stempel für diese Geschäfte. Frankrei zieht aus den Umsäßen der Kapitalien an der Börse eine wesentlih höhere Steuer als wir, und der jeßt eingebrahte Gesetzentwurf Tirard wird das Erträgniß weiter erhöhen. Frankreich zog aus seiner Börsensteuer 1886 57 Millionen 1887 60 und 1888 62 Millionen, während die Erträgnisse in denselben Jahren in Deutschland 9 bezw. 12 und wieder 12 Millionen betrugen, also in Frankreich das Fünffache des Betrages wie bei uns. Wenn das in Frankreich mögli i, warum sollte es nicht auch hier möglich sein? Wenn jene Gesellschaft wie die Neinach, Herz und Genossen, welhe Jahre lang die Klinke der (Gesetzgebung in der Hand gehabt haben, niht einmal die Börsensteuer herab- mindern konnten, so müßte das für uns ein Ansporn sein, die Börse stärker heranzuziehen. Cine klare, sichere Definition des Differenz- geshäfts giebt es niht. Meine Freunde würden geneigt sein, diejenigen Geschäfte, die niht dur effective Lieferung ihre Erledigung finden, fondern durch Differenzzahlungen, mit einem wesentlih höheren Saß heranzuziehen. Eschenbah hat in den „Preußischen Jahr- büchern" die Berechtigung dieser Forderung nachgewiesen, des- gleichen Professor Köhler, jeßt ‘in Marburg. Die Umsätze in dem nicht effectiven Geschäft haben sich s{chon vor mehreren Jahren zu den Umsäßen im effffectiven Geschäft verhalten wie 20 zu 1. Was in dieser Beziehung gesündigt worden ist, ist ja in Berlin aus den Prozessen der leßten beiden Jahre noch in frisher Erinnerung. Bei den Lotterieloosen geht fofort einshließlich des Neichsstempels cin Betrag von mindestens 20 0/9 dem Spieler verloren, und dieser Abzug hat die Spielwuth nicht im geringsten vermindert. Weshalb sollte man nit zu einem ähnlichen Mittel greifen gegenüber diesen Differenzgeschäften, mit welchem verglichen das VPotteriespiel doch voch ein ehrlihes Spiel ist? Werden dadurch aber Viele vom Spiel abgeschreckt, so wäre dieser Erfolg im allgemeinen sittlihen focialen Interesse erst recht mit Freuden zu begrüßen. Da nun für Steuerzwecke nicht vorher fest- gestellt werden kann, ob wirkliche Lieferung oder Differenzzahlung in Aussicht genommen ist, so müßte die Steuer bei der Abrechnung des Differenzgeschästs erhoben werden. Die Absicht ist nicht controlirbar, wohl aber die vollzogene Thatsache. Der Unterschied zwishen dem legitimen Zeitgeshäft und dem reinen Spielgeshäft wird sich vielleiht niht präcise formuliren lossen; sollte das der Fall sein, so würde ich persönlich auch nicht davor zurück- shrecken, sämmtliche Differenzgeschäfte mit derselben höheren Steuer zu belegen, wie es bereits in anderen Steuern geschehen ist. Endlich müssen wir noch dem Wunsche Ausdruck geben, daß der Stempeltarif niht vorbeigehen möge an der Einführung eines einigermaßen erhöhten Emissionsstempels für auswärtige Anleihen. Was ist auf diesem Gebiete in den leßten Jahren Alles geschehen! Man denke an Trans- vaal, Chile, Serbien, Argentinien, Uruguay, Meriko, (Suatemala, Portugal! Wie viel kleine Leute haben nicht in diesen fragwoürdigen Papieren, welche die deutshen Banken mit unterbringen halfen, ihre gesammten Ersparnisse verloren! Der Export nah den Staaten, die uns diese Werthe geschickt haben, dürfte sür unsere Industrie wirklih nicht von Bedeutung sein. Das Interesse unserer heimischen Landwirthschaft wird andererseits dadurh direct geshädigt, daß wir durh die Hingabe des deutshen Geldes eine Anzahl exotisher Staaten zu unseren Schuldnern machen, die uns dann mit ihren Bodenproducten bezahlen müssen. Würde wirklih die Hälfte dieser Geschäfte an der Börse infolge der Berzehnfahung der Steuer unterbleiben, so würden doch 40 Millionen Mark herauskommen; von anderer Seite wird das Erträgniß sogar auf 70 Millionen berechnet. Im Publikum würde man es nicht verstehen, wenn das Bedürfniß einer so erheblichen Einnahmeerhöhung des Reichs uiht Gelegenheit geben sollte, au die Börse stärker heranzuziehen. Das Treiben der Blumenfeld und Genossen muß im Volke die Meinung befestigen, daß an der Börse unendlich viel gesündigt und ges{hwindelt worden ist, daß man sich den Lasten in überaus geschickter Weife zu entziehen verstanden hat. Darum auh die geringe Sympathie im Volke für die Börse. Hätte die Negierung bei Lancirung der Militärvorlage in die Oeffentlichkeit von vornherein gesagt, daß die Militärlasten hauptsächlich dur cine Erhöhung der Börsensteuer gedeckt werden sollen, ih bin über- zeugt, der größte Theil der Nation würde der Militärvorlage mit ganz anderen Sympathien gegenüberstehen, als es gegenwärtig der Fall ist. Es ist in dieser Beziehung noch nicht zu spät, aber die höchste Zeit. Wenn es ein eminent vaterländishes Werke gilt : den Schuß des Reichs zu stärken und zu kräftigen, sollte die Börse sih nicht hinter die alten verbrauchten Cautelen stecken. Sie hat alle Veranlassung, uns vergessen zu machen, was sie in der Vergangenheit gefehlt hat. Es ist noch wohl bekannt, wie 1870 die Börse der deutshen Reichsanleibe nicht die Unter- stüßung gewährt hat, wie jeder Patriot es wohl erwarten fonnte. Wiederholt hatte die Ausgabe einer Anleihe dur das Reich und Preußen an der Börse eine Baisse, die durch Rußland eine Haufse zur Folge. Als der Reichskanzler im vorigen Jahre die erste Mittheilung von

der Börsensteuer machte, warf die Frankfurter Börse die 34% preußische Anleibe um ie die Hamburger Börse um 19/6. Während der scharfen Zuspißzung der Beziehungen Deutschlands zu Nußland haben es die Anhänger der Börse nicht unterlassen können, in St. Petersburg Verhandlungen anzuknüpfen und nah Paris zu reisen, um deutshes Kapital für die russishen resp. französischen Rüstungen herzuschaffen. Um uns derartige Dinge ein pu alle Mal vergessen zu machen, hätte die Börse alle Veranlassung, Einkehr zu halten und über ihren mannigfachen tertiationalen Ber- pflihtungen niht zu vergessen ihre nationalen Pflichten gegen das Vaterland.

Abg. Singer E) Wir verwerfen die Börsensteuer, weil wir die Militärvorlage verwerfen, die wir für gefährlich halten. Der Vorredner weiß sebr gut, daß die Börsensteuer s{chließlich ahb- gewälzt wird auf das Publikum, auf die Committenten. Die Banquiers, die haute finance hat nicht den geringsten Nachtheil von der B E Wovor ges{chügt werden muß, sind die Magnaten der Börse, jene modernen Naubritter, welhe das Publikum ausbeuten dur fallende oder steigende Curse. Wer die heutige Gesellschaft, die Herrschaft des shrankenlosen Jndividualismus als nothwendig und richtig anerkennt und sie niht durch die socialistische Wirthschafts- ordnung erseßen will, hat kein Neht, auf die Börse zu raifonniren. Die Axt as an die Wurzel des Uebels gelegt werden. Das geschieht nicht mit der Verdoppelung der Börsensteuer. Die Börse ist nur ein Spiegelbild der heutigen Wirthschaftsordnung. Die Börsensteuer bietet keinen Schuß gegen die Auswüchse des Börsenspiels; den Giftbaum muß man abhauen und den Boden umpflügen, nicht aber kommt man ihm durch solche Palliativmittelchen bei. as Verbot des Terminhandels verlangen Sie doch hauptsächlich darum, um den Preis für Getreide und Spiritus unter sich feststellen zu können. Das und nichts Anderes ist der Zweck dieser agrarishen Forderung. Die Börse verhindert bis jeßt gerade diese Ningbildung, welche den unteren Volksklassen die Ernährung unerträglich vertheuern würde. Gegen die Schäden des Terminhandels sind wir nicht blind, das zügellose Spiel mit Diffe- renzen muß unterbunden werden. Jh \chlage vor, einfah die Neport- geschäfte zu verbieten. Solche Speculationen, wie die der Firma Mitter und Blumenfeld wären nicht möglich ge- wesen, wenn niht Institute und Banken \sich gefunden hätten, die den Speculanten die nöthigen Summen vorschossen, um die Ge- {äfte von einem Monat zum andern zu schieben. Mit der Beseiti- gung der Neportgeschäfte thun Sie einen guten Schritt vorwärts in der Eindämmung der, Auswüchse der Börse. Müssen alle Käufe oder Verkäufe gegen Geld abgenommen oder geliefert werden, dann bleiben die bloßen Spieler der Börse fern, die ihre riesigen Käufe und Ver- fäufe gar nicht realisiren können, sondern nur die Differenz aus- gleichen. Dann würden neun Zehntel aller Bedenken gegen das Börsen- geschäft verschwinden. Ferner muß den Banquiers die einseitige Fest- [eßung der Geschäftösbedingungen zwischen Banquier und Publikum ent- zogen werden. Der Banquier darf nicht als Selbstcontrahent auftreten, feinen Antheil an den Tagesschwankungen des Curses haben und davon nichts profitiren. Die Makler müssen sozusagen verstaatlicht, d. h. an- estellte Beamte werden und dürfen nicht selbs von den Cursen, die fie feststellen, profitiren. Auch die Geschäftsbedingungen über die Depots müssen anders festgestellt werden. Der Depotgeber muß da- gegen gesichert sein, daß der Banquier die Depots für seine eigenen (Beschästszwecke und Speculationen verwendet. Allerdings muß man dabei die Depots einer Controle unterwerfen. Das ginge aber ebenso gut, wie öffentlihe Fundhäuser controlirt werden. Die Verwaltung der Depots brauchte nur von den eigenen Geschäften der Banquiers vollständig getrennt werden, dann würde die Controle nit in die Geschäftsgeheimnisse der Banquiers eindringen können. Das Wich tigste zur Sanirung der Berliner Börsenverhältnisse sind organi- fatorishe Aenderungen. Vor allem muß das Aeltesten- collegium in Berlin beseitigt werden, denn das is nichts weniger als eine Vertretung von Handel und Industrie, son- dern nur die Vertretung der einseitigsten Börseninteressen. Die Prospecte über neue Gründungen und Einführung neuer Werthe und die Erlanbniß zu Zeitgeshäften in diesen Werthen unterliegen einer Sachverständigen. Commission, deren Mitglieder, Directoren und Auf- sihtsräthe derjenigen Gesellschaften sind, denen sie die betreffende Er- laubniß zu ertheilen haben. Die Mitglieder dieser Commission sind fast auéschließlich selb Gründer. Die riesigen Verluste im Differenz- spiel sind nur bei Werthen erster Firmen und Banken entstanden. Die Berliner Handelsgesellschaft, deren Director Aeltester und Mit- glied der Sachverständigen-Commission is oder jedenfalls bis vor furzem war , hat die Bochumer Actien von Baare über- nommen und an der Börse eingeführt zu einer Zeit, als ihr bereits bekannt war, daß das Savonawerk 5 Millionen verloren hat. Die Discontogesellsha#t hat ihren Kunden Dortmunder Union als steigend und speculationsfähig empfohlen, als der Nückgang dieser Actien ihr bereits actenmäßig bekannt war. Die Bochumer Actien sind in einem Jahre um 180, Dortmunder Union um 100%, gefallen. Argentinier sind von der Discontogesellschaft eingeführt worden, Serben von der Handelsgesell- haft, Warschauer und Mendelssohn, Mexikaner von Bleichröder und Portugiesen von einer Bank, die sih vor kurzem einen stolzen Palast hier hat bauen lassen. Das Consortium der Handelsgesellschaft, Darmstädter Bank und Dresdner Bank, brachte Harpener Bergwerks- actien zu 250% an die Börse, die in einem Fahre um 150 9% fielen. Die Nothwendigkeit einer organisatorischen Aenderung beweisen auch einige Fälle der Gründung und Einführung von Industriepapieren. Jedermann wußte z. B., daß es ih bei der Gubener Hutfabrik um ein Schwindelpapier allerersten Nanges handelte, nur im Aeltesten-Collegium der Berliner Fondsbörse wußte man davon nichts. Um das Actienkapital dieses Unternehmens auf die vorgeschriebene Höhe zu bringen, ließen sih die Actieninhaber durch die Generalversammlung, also dur sih selbs bevollmächtigen, neue Anlagen zu machen und das Actienkapital auf die Million zu erhöhen, die nöthig ist, um das Papier an die Börse zu bringen. Die Actien gelangten zu 135 an die Börse, zahlten vom Agio 9% Dividende und wurden dann dem Publikum überliefert. Nach Ansicht des ver- eidigten Taxators sollten Hunderttausende von Waaren vorhanden fein, die beim Brande verloren gingen. Die Feuerversiherung betrug 376 000 M, die Versicherungsgesellshast verdiente durch den Brand 39000 ÆÆ Die Actien gingen auf 5 zurück und erreichten damit ihren wahren Werth. Bei einigen der ältesten geprüften und vollführten Gründungen stellten ih im Laufe der Zeit die Curse folgendermaßen: Wellenblechfabrik Heine, Lehmann u. Co. wurden aufgelegt mit 164, stehen jeßt 68. Falken-

steiner Gardinen wurden 1889 aufgelegt mit 125, tehen jeßt 90.

Tuchfabrik Aachen ebenfalls eine Gründung eines Mit- gliedes des Aeltesten-Collegiums wurde 1889 aufgelegt mit 133, steht jeßt 35. Casseler Maschinenfabrik, aufgelegt mit 166, \teht jeßt 89, Barmer Walzwerk# aufgelegt mit 156, steht 52. Concordia Bergwerk, aufgelegt mit 130, steht 72. Fabrik Dannenbaum, auf- gelegt mit 135, steht jezt 85. Die legten beiden sind ebenfalls durch erste Firmen aufgelegt. Ist ernsthafte Neigung vorhanden, diese Dinge zu beseitigen, dann gehen Sie den Weg, den ih andeutete. Wir verurtheilen die Börse, erkennen aber an, daß sie ein noth- wendiges Product der heutigen Gesellschaft ist. Unsere Verurtbeilung der Börse ist niht stärker als unsere Verurtheilung der heutigen Gesellschaft.

Abg. Dr. von Marquardsen (nl.): Wir haben es doch hier im Reichstage niht mit einem moralischen Neichs-Gesundheitsamt zu thun, Die Vorlage hängt mit den andern Steuergeseßentwürfen so- weit zusammen, daß auch sie bestimmt ist, die Mittel für die Militär- vorlage mit herbeishaffen zu helfen. Wenn man auch gegenüber den neuen großen Forderungen für die Landesvertheidigung das Beschreiten neuer Wege durch ein reformatorishes Steuerprogramm hätte wünschen fönnen, fo fann man doch bei der Dringlichkeit der Sache der Ne- gierung nicht zumuthen, daß sie nach einem völlig neuen Steuer- programm suchte. Die Bortase ist von deg drei Vorlagen jedenfalls diejenige, welhe vor dem Volke am meisten vertheidigt und vertreten werden fann. und werden unsere Bemühungen vor

Wir sind mit den I derselben einverstanden a

em darauf richten, das

Arbitragegeschäft BeBE vor Beeinträchtigung dur die Steuer- erhöhung zu s{ügen. ir beantragen die Verweisung der Vorlage an die Militärcommission.

Ein Vertagungsantrag wird angenommen.

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten.

18, Sißung vom 19. Januar.

Ueber den Beginn der Sizung, in der der Antrag des Abg. Grafen von Kaniß: eine Beschränkung in den herkömmlichen Aufwendungen für die Erweiterung und Vervollständigung des Staatseisenbahnneßtes nicht eintreten zu lassen, auf der Tagesordnung stand, ist bereits in der Nummer vom Donnerstag berichtet worden. Der Antrag selbst wurde, nahdem noch die Abgg. (Graf zu Limburg-Stirum und Nickert gesprochen , von dem Antragsteller zurückgezogen.

Wir tragen hier nur noch den Wortlaut der im Laufe der Debatte von dem Finanz-Minister Dr. Miquel und dem Minister der öffentlihen Arbeiten Thielen gehaltenen Reden nach.

__ Nach der Begründung des Antrags durch den Abg. Grafen von Kaniß führte der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen aus:

Meine Herren! Die Staatsregierung hält an der bereits in der Gröffnungsrede des Landtags angekündigten Absicht fest, das Staats- cifenbahnnetz zu ergänzen, zu vervollständigen und besser auszurüsten und Ihnen dahin gehende Vorschläge demnächst nah ertheilter Aller- höchster Genehmigung zu unterbreiten, wenn auch, wie der Herr Graf Kaniß bereits angeführt hat, in einem durch die Finanzlage des Staats beschränkten Umfang. Ueber den der Vorlage zu gebenden Umfang finden zur Zeit zwischen den betheiligten Ressorts Verhandlungen statt. s ist hierbei niht nur die allgemeine Finanzlage des Staats in Er- örterung gezogen worden, sondern es hat gleichzeitig dabei berüdck- sichtigt werden müssen, in welhem Stadium der Vorbereitung die be- treffenden Projecte, welche seitens der einzelnen Landestheile gewünscht werden, sich befinden, in welhem Stadium bezüglih der technischen Ermittelungen und in welhem Stadium bezüglich derjenigen Bereit- willigkeit zu Zuschüssen, welhe herkömmlih hier darf ich das Wort wohl gebrauchen von Seiten der Betheiligten gefordert worden sind.

Meine Herren, der zwischen dem Herrn Finanz-Minister und mir vereinbarte, durchaus gerechtfertigte und vortheilhaft einwirfende Grundsaß, daß wir nicht Vorlagen dem hohen Hause unter- breiten, die bezüglih ihrer finanziellen Tragweite unsicher find, hat naturgemäß zur Folge gehabt, daß die technischen Ermittelungen viel sorgfältiger ausgeführt werden, als dies bisher üblich gewesen ift, und daß daher das Vorbereitungsstadium sih einigermaßen ausgedehnt hat. Wir hoffen, im Laufe des nächsten Monats die Berhandlungen zum Abschluß zu bringen und demnächst mit einer Vorlage an den Landtag heranzutreten. Diese Vorlage wird allerdings voraussichtlich nicht den Umfang erreichen, den sie in den Vorjahren gehabt hat ; allein es wird immerhin doch ein ziemlich erheblicher Betrag für eine derartige (Erwei- terung, Bervollständigung und bessere Ausrüstung der Staatseisenbahnen Ihnen vorgeschlagen werden. Auch wir erachten bei der gegenwärtigen wirthschaftlichen Lage des Landes es als eine Pfliht der Staats- regierung, die staatliherseits auszuführenden Arbeiten nicht mehr ein- zuschränken, als dies aus zwingenden Gründen sich als nothwendig ergiebt. Es ist aber dabei zu berücsihtigen, daß bezüglih der aus- zuführenden neuen Bahnlinien noch sehr erhebliche Credite der Staatt Eisenbahnverwaltung zur Verfügung \tchen, Die Summe dieser Credite belief sich am 1. Oktober vorigen Jahres, 1892, noh auf 240543000 M abgeschen von denjenigen C(Cre- diten, die zur besseren Einrichtung und Ausrüstung der sich bereits im Betriebe befindlihen Bahnen bewilligt worden find Nun sind regelmäßig in den leßten Jahren ih habè hier eine Nachweisung, von 1888 anfangend bis zum 1. Oktober 1892 durchshnittlih etwa zwanzig Millionen im Semester für Neubauten ausgegeben worden. Daß wir in der leßten Zeit hinter diesem Durchschnitt nicht zurückgeblieben sind, geht daraus hervor, daß noch im Semester Oktober-März 1891/92 20 799 000 M und ‘im ersten Semester April-September 1892 20811 000 6 ausgegeben worden sind. Meine Herren, meinerseits ist angeordnet, daß alle Vor- bercitungen, welhe nothwendig sind, um mit der Wiedereröffnung der Bauthätigkeit in erhöhtem Maße vorgehen zu können, mit thunlichster Beschleunigung getroffen werden. Es sind sowohl die technishen Er- mittelungen mit aller Macht gefördert worden, als auch thunlichst diejenigen Hindernisse weggeräumt worden, welche bei einzelnen Bahn- bauten noch entgegenstanden. Es ist daher zu hoffen, daß im Gebiet de: Staats-Gisenbahnverwaltung im Frühjahr eine lebhafte Thätigkeit wirt entfaltet werden können. Dieselben Vorbereitungen sind auch in der allgemeinen Bauverwaltung getroffen worden ; es sind dort die Vorarbeiten für die verschiedenen Kanalbauten, für die Hafenbauten, Fluß- Correctionen, Hochbauten u. \. w. so gefördert worden, daß mit dem Frühjahr auch dort cine erheblihe Thätigkeit begonnen werden kann.

Meine Herren, auch der Einfluß des Kleinbahnengesezes macht sih, wenn naturgemäß auch noch im verhältnißmäßig geringem Grade, doch bereits geltend. Jch hoffe, in der Lage zu sein, im Laufe der Landtagsverhandlungen Ihnen noch eine Nachweisung vor- legen zu fönnen über diejenigen Projecte, , welhe auf Grund des Geseßes vom Juni 1892 în die Hand genommen worden sind und Ausficht auf Verwirklichung haben. Daneben hat si in verschiedenen Theilen des Landes eine ziemlich lebhafte Thätigkeit entwickelt für Erweiterung oder den Neubau von Privateisenbahnen, die dem Klein- bahnengeseß nit unterstellt werden follen. Es hat von mir in einer Reihe von folhen Fällen die Concession zur Vornahme von Vor- axbeiten ertheilt werden können, auf Grund deren es sich hoffentlih wird ermöglihen lassen, demnächst auch die definitive Concesfion zu gewähren, Es hat sich infolge dessen auch innerhalb der Industrie des Landes die Hoffnung in s\teigendem Maße bereits jeßt eingebürgert, daß die Aussicht, welche der Industrie aus der Thätigkeit des Staats sowohl als aus der privaten Thätigkei! bezüglih des Bahnbaues erwächst, immerhin die Zukunft etwas rostger erscheinen läßt. Die augenblicklihe Lage der Eisenindustrie, nament- lih der Eisenwalzwerke, ist rom Herrn Grafen Kaniy richtig 0 schildert worden. Die Lage ist zur Zeit eine sehr wenig erfreuliche- Die Bestellungen, die seitens der Staatseisenbahnverwaltung den Eisenwalzwerken gemaht worden sind und noch gemacht werden

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l iönnen, haben naturgemäß die colossale Production, über welche diese Walzwerke verfügen, nicht völlig ausnußen können. Es ist das immerhin ein beträhtliher, aber do gegen die Productionsfähigkeit der Walzwerke niht durchs{chlagender Factor.

Was die Schienen anbetrifft, so is meinerseits mit den Walz, werken ein Abkommen dahin getroffen worben, daß die Walzwerke sich bereit erklärt haben, den gesammten Bedarf der Staatseisenbahn- verwaltung, der bis zum 1. April 1894 angemeldet wird, zum Preise von 111. pro Tonne der Staatseisenbahnverwaltung zu liefern.

Die Staatseisenbahnverwaltung hat si ihrerseits nicht verpflichtet, -

cin bestimmtes Quantum abzunehmen, sondern sie ist in der Lage, je nah Bedarf ihre Bestellungen zu erhöhen oder zu ermäßigen. Gleich- zcitig ist, worauf meinerseits besonderes Gewicht gelegt werden mußte, die Qualität der Stahlshienen insofern verbessert, als ver- cinbart ist, daß die Festigkeit, die bisher mit 50 Kilo pro Quadratcentimeter seitens der Staatseisenbahnverwaltung gefordert wurde, auf 5% erhöht worden ist. Ferner sind Erhebungen darüber angestellt worden, ob es nicht mögli ist, in größerem Umfange als bisher eiserne Schwellen anstatt der hölzernen zu verwenden. Der Herr Abg. von Eynern hat gestern ganz richtig ausgeführt, daß die Holz- \{wellen, welche die Staatseisenbahnverwaltung in den letzten Jahren verwendet, zum weitaus größten Theile, etwa zu 90%, aus dem Aus- lande bezogen werden mußten, weil das Inland nicht in der Lage war, den Bedarf zu decken, und zwar nicht nur nicht den Bedarf an eichenen Schwellen zu decken, sondern auh den Bedarf an kiefernen Schwellen. Nun liegt es ja nahe, daß man, anstatt dem Ausland für die Holz- schwellen kolossale Summen zu zahlen, lieber der inländischen Eisen- industrie die Lieferung der Schwellen überträgt. Allein, meine Herren, es bestehen eigenthümliche Schwierigkeiten, in dieser Bezichung den Wünschen der Eisenindustrie in vollem Maße zu entsprechen, und ¡war liegen diese Schwierigkeiten zunächst auf der finanziellen Seite. (6s ist in einzelnen Theilen des Landes schon allein mit Nücksicht auf die Frachtkosten niht mögli, ohne große Mehrausgaben ciserne Schwellen ftatt der hölzernen zu verwenden. Die eiserne Schwelle steht zur Zeit an und für sih zwar nicht erheblih böber im Preife als die Eichen-Schwelle, obwohl allmählih das Gewicht der eisernen Z2chwelle von etwa 32 auf 58 kg aus Gründen der Sicherheit und Stetigkeit des Betriebes und der Oekonomie der Unterhaltung erhöht worden ist. Allein die eiserne Schwelle fordert leider sehr erhöhte Ausgaben einmal für das nöthige Befestigungsmaterial zwischen Eisen und Schienen und zweitens sehr erhöhte Kosten für die Unterbettung, Die eiserne Schwelle i nux mit Vor- theil zu verwenden in einer tadellosen ÜUnterbettung, Nur da, wo guter Kleinschlag oder Kics zu billigen Preisen beschafft werden kann, find mit Vortheil eiserne Schwellen zu verwenden. Nun trifft dies leider für einen großen Theil unseres Landes nicht zu. Namentlich im Osten haben wir nur ausnahmsweise folch gutes Unterbeflungsmaterial, daß wir die eisernen Schwellen dort mit Vor- theil verwenden können. Es wird daher die Staatseisenbahnverwal- tung aus ökfonomishen Gründen gezwungen sein, im Osten nach wie vor einestheils wegen des billigen Preises der Hol;shwellen, weil die- selben dort die Flüsse herauftransportirt werden bis in die Impräg- nirungsanstalten, und zweitens wegen der mangelhaften Beschaffenheit des Unterbettungsmaterials, die Holzschwellen in erster Linie zu ver- wenden und die eisernen Schwellen nur ausnahmsweise.

Unter eisernen Schwellen verstehen wir zur Zeit eigentlich fast auésließlich die Querschwellen. Die Versuche, welhe mit Lang- shwellen gemacht worden sind, wenigstens mit denen der bisherigen Systeme, haben nicht zu einem Ergebniß geführt, welches ermuthigen önnte, die Langschwellen in größerem Maße weiter zu verwenden. (s finden allerdings zur Zeit Versuche mit anderen Systemen von Lang- shwellen statt ; ih nenne hier insbesondere das sogenannte Haa rmann’fche Zchwellenshienensystem. Allein so gut anscheinend die (Ergebnisse dieser Versuche bis jeßt sich gestalten, so haben wir nah den bösen Grfahrungen, die hinter uns liegen, doch die Neberzeugung gewinnen müssen, daß der gegenwärtige Zeitraum der Berwendung der Haar- mann’shen Schwellenschienen oder anderer Systeme noch zu kurz ist, um ein definitives Urtheil darüber zu gewinnen und das Experiment zu machen, in großem Umfang mit diesem neuen System vorzugehen.

Daß wir aber doh niht müßig gewesen sind bezügli der Ver- wendung von eisernen Schwellen, dafür darf ih mir wohl erlauben, hnen einige Zahlen vorzutragen. Im Directionsbezirk Elberfeld liegen zur Zeit 6809/6 der Geleise in eisernen Schwellea. Im Virectionsbezirk Köln (linsrheinisch) liegen 66% des Geleises zur vit in eisernen Schwellen fast ausschließlich bei beiden Directionsbezirken in Querschwellen, Es liegen im Directionsbezirk Köln (rechtsrheinisch) 35% des Oberbaues Erfurt 200/64, Hannover 209%, im Bezirl Berlin auch ungefähr 20%, Magdeburg 10%, Breslau 6%, in Bromberg 89% und Altona 1,8% des Oberbaues in eisernen Schwellen. Aus den großen Unter [ieden in der Verwendung des eisernen Oberbaues in den einzelnen Vezirken ergiebt sih der Beweis für meine Ausführung, daß es im wesent- lichen darauf ankommt, ob man in der Lage ist, gutes Bettungsmaterial billig beschaffen zu können. Dort, wo Kleinschlag billig zu haben ift, wie in den Directionsbezirken Elberfeld, Erfurt, Frankfurt, is von den eisernen Schwellen im großen Maße Anwendung gemacht worden. Ebenso steht es beispielsweise bei den Neichseisenbahnen, wo auch 92% in eisernen Schwellen liegen, und bei den badischen Vahnen, wo 50 % in eisernen Schwellen liegen. Da gegen hat die“ sähsishe Staatsbahn keine eisernen Schwellen. die württembergische 33%, die bayerishe 15,77%. Es find nun meinerseits Ermittelungen angestellt worden, in welhem Umfange gerade mit Rücksicht auf die Nothlage der Eisenindustrie eistrue Schwellen verwendet werden können. Diese Ermittelungen haben er geben, daß wir allerdings in erhöhterem Maße, als bisher vorgesehen Worden ist, eiserne Schwellen werden ohne finanzielle Nachtheile ver- Wenden können, wenn die Walzwerke ih zu entsprecenden Preisen êrstehen. Wenn wir aber grundsählich eiserne Schwellen verwenden ivollten, auch dort, wo die übrigen Voraudsepungen nicht zu- gefen, so würde das beispielsweise im Directionsbezirk Vromberg allein eine Mehrausgabe gegen die dort natur- gemaß sehr billigen Holzshwellen von 2800000 „« für den Vedarf des nächsten Etatsjalres ausmachen; und daß wix dazu nicht gien können, selbst auch niht aus Miicksicht auf die notbleidende

ag ustrie, bedarf wohl weiter felner Ausführung.

Lt Lt ih nun alle Momente zusammen, sv glaube ih, daß das it Nuhe der weiteren Entwickelung seines Elsenbahumwesens

a in 0 ¿ - j ili ki uh in Bezug auf die Erweiterung und Vervollständigung des Nees

entgegensehen kann. Bereits bei Einbringung des Kleinbahnengesetzes ift von verschiedenen Vertretern der Staatsregierung der Grundsay ausgesprochen worden, daß man niht beabsichtige, nunmehr den staatlihen Bau von Nebenbahnen vollständig auszusetzen, daß man sich aber der Hoffnung hingebe, daß +8 Kleinbahnengesey die private Jnitiative anregen würde, diejenigen Ver- kehrôwege auszuführen, die eigentlich außerhalb der Aufgaben der Staatseisenbahnverwaltung liegen. Nach den Nachrichten, soweit fie mir vorliegen, kann ich annehmen, daß diese Ausficht sih verwirklichen wird, daß sowohl eine lebhafte Thätigkeit in Bezug auf Bauten, die dem Kleinbahnengesetz unterstellt werden, zu erwarten is, wie auch eine erhöhte private Thätigkeit bezüglih solher Bahnen, für die ein Be- dürfniß, sie aus staatlichen Mitteln herzustellen, niht anzuerkennen ist.

Die Rede des Finanz-Ministers Dr. Miquel lautete:

Meine Herren! Gestatten Sie mir um so mehr auch meiner- seits einige Worte zu diesem Antrage zu sagen, als man ja vielfa angenommen hat, daß niht der Minister der öffentlihen Arbeiten, sondern der Finanz-Minister allzuweit in diesen Ersparungen geht, und nit genügend die allgemeine wirthschaftlihe Lage des Landes berüsichtigt.

Herr Graf Kanitz hat feinen Antrag wesentlich mit der augen- blicklichen Lage der Eisenindustrie und der damit verbundenen fonstigen Industrien begründet. Nun hat hon Herr Dr. Lieber mit Necht darauf hingewiesen, daß der Antrag mit der Frage der augenklicklichen Beschäftigung der großen industriellen Werke kaum in einem Zu sammenhange steht. Wenn mein Herr College, der Minister für öffentliche Arbeiten, soeben gesagt hat, wie viel Credite für Eisenbahn VBauzwecke die Staatsregierung noch gegenwärtig zur Disposition stehen, so ergiebt ih {on daraus, daß auch ohne Neubewilligungen für die nähsten Jahre die Staatsregierung Mittel genug zur Dis- position hat, um den Eisenbahnbau, soweit er bereits bewilligt ift, in dem „vollen Umfange" des Herrn Grafen Kanitz weiter fortzuführen. Ich möchte dies durch cinige Zahlen noch näher darlegen.

Meine Herren, es stehen der Staatsregierung für Eisenbahnzwee augenblicklich im ganzen noch 323 Millionen Mark zur Disposition. (Hört! hört! links.) Es ist dies allerdings noch sehr viel, und ich hoffe, daß wir die Summe der ausstehenden Credite in Zukunft noch Schritt für Schritt weiter vermindern. Ich will gleih sagen, in welchem Sinne.

Ich fand, als ih in das Staats-Ministerium cintrat, an augê- stehenden Crediten über 600 Millionen Mark vor. (Hört! hört !) Ich habe das immer für einen großen Nebelstand gehalten. (Sehr richtig! links.) Ich brauche die Gründe niht näher zu entwickeln. Vielfach sind, wie der Herr Minister der öffentlihen Arbeiten hon angedeutet hat, die Credite bewilligt lediglich aus Nebershlägen und nicht nah detaillirt aufgenommenen und veranschlagten Projecten. Ich habe mich bemüht, shrittweise diese Credite zu vermindern und ih hoffe auch noch damit fortzufahren. Das beweist aber noch nit entfernt, daß damit eine entsprechende Berminderung der Gesammtzahl Kilometer und sonstiger Bauten verbunden ist. Es handelt ih nur, auch im Sinne des Herrn Grafen Kaniß, um eine andere und nach unserer Ueberzeugung gerade für den Landtag erheblich günsticere Methode.

Gs find verbrauht worden von diesen (Frediten im Tahre 1891/92 137 Millionen, im Jahre 1892/93 find in Ausficht genommen nach dem Arbeitsplan, den der Herr Minister für öffentliche Arbeiten dem Finanz-Ministerium mitgetheilt hat, 125 Millionen, und im Jahre 1893/94 117 Millionen Mark. (Hört! hört!) Daraus ergtebt sih ganz klar, daß der Antrag des Herrn Grafen Kanitz, mag dc Haus ihn zu dem seinigen machen oder nicht, keine prafktishe Be- deutung hat für die augenblicklihe Beschäftigung der Industrie. Ich stehe ganz auf dem Boden und ih bin in dieser Beziehung in vollem Einklang mit den Auffassungen meines Herrn (Sollegen daß der Staat, wenn der Staatsregierung genügende Credite zur Dis- position stehen, ebenso wie jeder andere verständige Wirthschafter das thut, Zeiten für seine Bauten vorzugsweise auszuwählen hat auch abgesehen von anderen Nücksichten auf die Beschäftigung der In- dustrie —, in welchen diese Bauten besonders billig beschafft wer: en fämen. Das ift ganz selbstverständlich, und ih hindere den Herrn Minister in keiner Weise, nah diesem System zu handeln ich unterstüße ihn darin sehr ger Daneben bin ih allerdings auch der Meinung, daß der Staat, 18 mit feinen Interessen irgendwie stt, h)

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in Einklang zu brigen i at, nahdem cinmal die Ver-

staatlihung der Eisenbahnen durchgeführt ist, auch der privatindustrie- ellen Thâtigkeit in dieser Beziehung thunlich Vorschub zu leisten.

Wir sind alfo in dieser allgemeinen Auffassung völlig miteinander einverstanden.

Nun wird es vielleic n Herren von Interesse sein, mit Nück- {ht auch auf die Beurtheilung der Frage, was denn nun die Ver- staatlichung des Eisenbahnwesens geleistet hat, einige Zahlen zu hören über das, was feit dem Jahre 1880 in dieser Beziehung geschehen ift. Wir haben aus Anleihen, alfo abgesehen von dem, was aus dem Etat geleistet war, : 1880 în 11 Jahren

niger als jährlich 100 600 000 M verwendet darunter befinden si und das ift eine Zahl, unferes Eifenbahnwesens nicht ohne Interesse ift mcht weniger als 152 Millionen für Betriebsmittel auf den alten Bahnen ört! hört! links.) Durchschnittlich sind also für Bermebrung der Betriebsmittel auf den alten Bahnen jähr- lid (in den 13 11 700 000 verwendet worden. Meine Herren, für neue Bahnen seit dem Jahre 1880 bis zum Jahre 1891 find 702 Millionen Credite bewilligt worden, also für Neubahnen durhschuittlih 54 Millionen Credite für das Jahr.

Ss ergiebt si hieraus, daß allerdings die bei der Verstaatlichung der Gifenbahnen in Aussicht genommenen Landesmeliorationen durch Vermehrung dex Bahulinien, namentlih in folchen Gegenden auch. deren Linien nicht fo zweifellos eine Rente lieferten, seitens der Eisen- bdabnverwaltung in hohem Grade geleistet worden sind. Nun geht aber der Autrag Kaniy, dem ic, wie gesagt, eine materielle Bedeu- tung nach Maßgabe der Begründung, die der Herr Graf Kaniß dem Antrag qgegeden hat, kaum zufprehen kann, « wie der Herr Abg. De, Lieber richtig bervorgehobden hat, dabin: es foll die Staatsregierung aufgctordert werden, m dem bisherigen Umfang das Kleinbabuenfystem fortzusetzen. Jch habe bei der Berathung des Kleinbadnengefetes ausdrütcklich ausgesprochen und i kann das nur wiederbolen —, daß durch die Einführung dieser Kleinbahnen der Staat h feiner Ausgade, au noch neue Bahnen zu bauen, nicht

(Hört, hört! links)

Mo A t r Nte ao m nto aao dle aucy ur ête gefammte Lag

Dey SCODreHn) DUNLLI

entzichen kann und nicht entziehen will. Allerdings glaube ih, daß das Bedürfniß des unmittelbaren Einschreitens des Staats bei Neben- bahnen dur eine richtige Entwickelung[des Kleinbahnensystems ver- mindert wird, Ich glaube, wenn wir feitens der Staatsregierung geneigter sind, gegenwärtig mehr als früher Concessionen für derartige Linien zu gewähren, wenn wir nit, möchte ih sagen, die Hand auf alle möglicherweise ausgebaut werden fönnenden Linien seitens des Staats legen. dem Privatunternehmungsgeist einen größeren Raum gewähren, daß dann allerdings in Zukunft manche Linie viel zweck- mäßiger als Kleinbahn ausgebaut wecden fann, die bisher mis lehr viel größerem Kostenaufwand als Nebenbahn ausgebaut wir®. Daraus ergiebt \sich s{chon von felbst die Hoffnung, taß das Bevürfniß des unmittelbaren Einschreitens mit Staatsmitteln auf diesem (Sebíete in Zukunft bei einer angemessenen Entwickelung des Privatunter nehmungsgeistes sih vermindern dürfte, Andererseits is aber gar nit zu. leugn Staat wie jeder andere große Unternehmer deln muß, seine eigene Lage zu berü sichtigen es gerathen ist, die Crebite in unzemessener Weis in einer zu starken Weise den Geldmarkt bes Jahr in Anspruch zu nehmen. Für Preufen wichtiger, als wir ja immer bei der zugleih die Concurrenz bes Reichs i und daß diese finanziellen Gesichté von Bedeutung fein müssen, tas k liegen, umsomehr, wenn, roi rung der (Credite für Nel tigung der Privat unmittelbaren Zuf Tch möchte glauben, ift, einen folden Antra verstanden wird und t mäßige Handhabu; der Herr Dr, Lieber mit Minister dafür verantwo Unter diesen Umstänk vielleiht anbeimgel rungen des Herrn könnte; der wesentliche 2rw gungen und verkehrte Auffassun Jedenfalls möcht

ohne weiteres anzun

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verweisen.

Nach der Nede des Aba. Dr. Sattle der öffentlihen Arbeiten Thielen Meine Herren! Der Herr Abg geführt, daß auch in Bezug auf di liche Credite aus\tänden, ) die Erledigung diefer (CCredite Arbeiten hingedrängt würkt jenigen Ausgaben, innerhalb dies

J ch P T “, L 44/4 As

mittheile

über 5 Millionen, lionen. Es geht ein fehr arbeitéreiches Witterung und anl günstigen.

Dann möchte ich führungen des Herrn Aba. zu geben, aus denen hervor: eisenbahnverwaltung in den letzte ist, und daß in dieser Beziebung vereinzelt auftreten. Es find îm 559 km neuer Nebenbahnen, 1889 1891/92 302 km, 1892/93 wieder im Jahre 1893/94 380 km zu eröffnen

Sie sehen daraus, daß ziemli Staatscisenbahnyverwaltung in der geschritten ift.

Das Haus trat darauf in die zweite Staatshaushalts-Etats für 1893/94 des Etats der Domänenverwaltung, ein

Vei den Einnahmen aus den Domänenv o

Ubg. Freiherr von Erffa (cons.) darauf | Domânen-Etat ein Bild der shlechten Lage der Landu Die Ursache liegt in den {lechten Getreidepreisen bestreitet allerdings die Nothlage der Landwirt! die Leute im Osten, die keine Buchführung baben die Leute in Sachsen, welhe gute Buchfübr nicht auch die Rieselfelder der Stadt Berlin Grtrag? Freilich ind deren Preise auch sel ÜUrfachen der niedrigen Preise sind eine F Handelsyertrags, und es zeigt sh t P eaung desselben auf 12 Jahre ist lann sih durch Arbeiterentlassungen helfen : der seinen Boden nicht unter ruinirt 1hn. Eine große Beunruhigung der Landwirthschaft, als vom Abschluß eines Han land und Rumänien die Nede war. Allerdings bc Verhandlungen darüber an dieser Stelle seien denn die preußishe Landwirthschaft ihre Wünsche niht im preußischen Abgeordnetenhause, wo wir den namentli dem Landwirth|hafts-Minister, gegenüberstehen, von weilen e wir allerdings eine lräftige Vertretung der landwêrtbi@Sa lichen Interessen erwarten. Nur auf Kosten der Landwirtb#at tra E, ! „Ur L i ein Vertrag mit Rußland geschlossen werden : das würde abe nales Unglück sein. Gründe der hohen Politik, wie be reichishen Vertrage, können doch niht maßgebend seù Judustrie hat allerdings an gleihmäßigen Getreideprefenm ei Interesse, aber ist wenn Börsenmanêver micht dazwisSen treten nit dafür gesorgt, daß diese Preffe mitt übermäßig steigen? Können niht alle Länder ihr Getreide bei uns absegen zu den billigen Tarifen? Rußland hat feldt in dem Zahre, wo ein Nothstand herrschte, große Mengen Getreide dei un abgeseßt ; wie soll es erst werden, wenn die Zölle auch für Nuñßlant herabgeseßt werden, namentlich in Anbetracht der Valutaverdältmiße! Auch der A mit Rumänien ist bedenklich, weil es keine Zolls

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schranken gegen Rußland hat. Rußland foll außer deu Oamdelhs

vertrag auch eine Convention über die Viehfeuben. wêe Se u