1893 / 20 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

heit und Ehrcnhaftigkeit. Falls die Anschuldigungen un- begründet seien, solle der Minister dahin wirken, daß die in dieser Hinsicht entstandene falshe Meinung im Auslande, ins- besondere in Deutschland, zerstört und die grundlosen Anklagen geahndet würden. Die Interpellation wurde dem Handels- Minister zugewiesen.

Großbritannien und Jrland.

Der Minister des Jnnern Asquith hat am Freitag in Liverpool eine Rede gehalten, worin er, der „A. C.“ zufolge, erklärte, in der auswärtigèn Politik werde die Regierung sich nicht in gewagte Abenteuer einlassen, aber wo sie, wie in Egypten, Verantwortlichkeiten habe, vor der Ergreifung der erforderlichen Schritte nicht zurücshrecken. Die erste Pflicht der Regierung werde fein, dem Parlament einen Plan für die Herstellung des irishen Parlaments zu unterbreiten. FJrlands Selbstverwaltung müsse eine echte Autonomie sein, aber die Obergewalt des Reichsparlaments müsse wirksam aufrecht crhalten werden. Vorbchaltlich dieser Bedingung müsse die irische Legislatur ein lebender, activer Körper, mt eine mechanishe Puppe sein. Die Regierun werde auch die Bedürfnisse Schottlands und Wales? nach Möglichkeit zu befriedigen und das Arbeitsproblem zu lösen suchen sowie eine gründlihe Wahlreform einführen.

James Egan, der gleichzeitig mit James Daly wegen Hochverraths verurtheilt worden war, ist nach Verbüßung von zehnjähriger Zwangsarbeit in Freiheit geseßzt worden.

Frankreich.

Das „Journal officiel“ von gestern veröffentlicht ein Decret, wodurh die Zustimmung zu dem am 16. Dezember 1892 zwishen Frankreih, Deutschland und Belgien getroffenen Abkommen über den Austausch der Post- packete mit Werthangabe ertheilt wird.

Der Sonat genehmigte dem „W., L. B.“ zufolge in seiner vorgestrigen Sißzung die Handelsübercinkommen mit Argentinien, Columbien, Uruguay und Para- guay sowie die Vorlage über die vermehrte Noten- ausgabe der Bank von Frankreich.

Die Deputirtenkammer seßte die Berathung des Cultus- budgets fort. Auf Wunsh des Cultus-Ministers Dupuy stellte die Kammer die von der Budgetcommission um 30 000 Fr. gekürzten Bezüge der Bischöfe sowie die von der Commission gänzlich gestrichenen Credite für die Gencral-Vicare, erstere mit 315 gegen 198, leßtere mit 309 gegen 193 Stimmen, in der von der Regierung beantragten Höhe wieder in das Budget ein. Im weiteren Verlauf der Sißung wurde das Cultusbudget angenommen. Alsdann ging die Kammer zu dem Budget der Schutzgebiete über. Jn der Berathung constatirte der Minister - Präsident Ribot in Beantwortung verschiedener Einwände, die Erfolge in Tunis seien ausgezeichncte. Montag wird die Budgetberathung fortgeseßt werden.

Die vorgestern anläßlih der hundertjährigen Wiederkehr des Todestages König Ludwig's XVI. in mehreren Kirchen der Stadt und den Provinzen veranstalteten feier- lihen Messen sind ohne jeden Zwischenfall verlaufen.

Die Panama-Untersuhungscommission vernahm am Sonnabend Clémenceau, der aufs neue versicherte, daß er die Liste, die Neinach ihm gesandt haben solle, nicht erhalten habe. Laguerre erklärte, er kenne Arton's genaue Adresse gegenwärtig niht. Gerüchtweise verlautet, Arton befände sich in Numänien, seine Auslieferung sei niht unmöglich, obwohl fein Auslieferungsvertrag zwischen Frankreih und Rumänien bestehe.

Der General Ferron, früher Kriegs-Minister im Cabinet Rouvier, theilte einem Jnterviewer mit, daß Nouvier that sächlih Gelder aus den Geheimfonds des Kriegs-Ministeriums zur Bekämpfung des Boulangismus übergeben worden seien. Die Gelder seien zurückerstattet worden.

Nach einem der „Magd. Ztg.“ aus London zugegangenen Telegramm hätten zwei französishe Geheimpolizisten vorgestern

im Beisein eines englishen Commissars eine Haussuchung in der Wohnung des Cornelius Herz in Bournemouth vorgenommen und alle vorgefundenen Papiere beshlagnahmt. Herz, der amerikanisher Staatsbürger sei, habe die Einmischung des amerikanishen Gesandten in London an- gerufen, wodurch die Angelegenheit der Auslieferung verwickelt geworden sei.

Das Blatt „Soir“ stellt die Forderung auf, da der De- putirte Delahaye, der zuerst mit Anschuldigungen gegen 104 Deputirte bezüglich der Panama-Angelegenheit an die Oeffentlichkeit getreten sei, in der Sißung der Panama- Untersuchungscommission am vergangenen Sonnabend keine Bewcise für die Beschuldigungen geliefert habe, so müsse dic Commission ihre Arbeiten nunmehr abschließen und Delahaye als Ehrabschneider brandmarken.

Spanien.

In Paris sind dem „W. T. B.“ zufolge Nachrichten aus Madrid eingetroffen, wonah in Badajoz Ruhestörungen stattgefunden hätten, denen übrigens ein größeres Gewicht niht beizulegen sei. Es seien mehrere Verhaftungen vor- genommen und die Ruhe bald wieder hergestellt worden.

Der frühere Minister-Präfident Canovas del Castillo ist, wie „W. T. B.“ meldet, von cinem Unwohlsein befallen und wird dem Bankett, das morgen im Königlichen Schlosse in Madrid stattfindet, niht beiwohnen.

Portugal.

Die Deputirtenkammer faßte, wie „L : meldet, in ihrer vorgestrigen Sißung mit 107 gegen 4 Stimmen gemäß einem von dem Ministerium ausgesprochenen Verlangen einen Beschluß, in welchem erklärt wird, es sei inopportun, als Einleitung der Berathung über die Finanz- verhältnisse die Vertrauensfrage zu stellen.

Der Minister-Präsident Ferecira erklärte in der Budget- commission, er werde dem Prozect, die Zinsen für die aus- wärtige Schuld unter 33 Proc. herabzuscßen, scinc Zujtim- mung niht geben. Der Präsident der Budget- commission erwiderte, die Commission wolle, bevor fie bezüglih der Zinsen der Staatsschuld cinen Beschluß fasse, die Einnahmcquellen des Staats prüfen, da Fereira auch im vergangenen Jahre troy des Beschlusses der Kammer, dic Staatsschuld mit 50 Proc. zu verzinsen, fih genöthigt gesehen habe, die Zinsen auf 33 Proc. herabzuseßen.

Belgien.

Ja einer am Sonnabend abgehaltenen Sißung der Nechten erklärte nah der „Magd. Ztg.“ der Minister-Prä- fident Beernaert, cr bestehe auf der unveränderten Annahme

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des Regicrungsentwurfs ; falls die-Linke diesen ablehne, werde die Auflösung der Constituante im Februar erfolgen. ‘Die Rechte nahm hierauf doifinimia den Regierungsentwurf an.

Türkei.

Der Patriarch Azarian wird sih, wie „W. T. B.“ be- richtet, zum Jubiläum des Papstes nach Rom begeben, um dem Papst den Ausdruck der freundschaftihen Gefühle des Sultans zu übermitteln und als Geschenk eine goldene, reih mit Brillanten beseßte Tabatière zu überbringen. Der Cardinal Ledochowski fowie der Unter-Staatssecretär des päpstlihen Stuhls Mocenni werden hohe Auszeichnungen von Seiten des Sultans erhalten.

GriecßenlanDd. Wle „W. D: B.“ aus Athen meldet, verlaute dort, der Kronprinz werde demnächst zum Divisions-General ernannt werden.

Serbien. Anläßlih der Aussöhnung der Eltern des Königs Alexander war dem „W. T. B.“ zufolge Belgrad am Freitag Abend festlih beleuchtet und am Sonnabend beflaggt.

Schweden und Norwegen.

(F) Stocfholm, 18. Januar. Dem Lieutenant im 1. Leib-Grenadier-Negiment Freiherr Banér is gestattet worden, ein Jahr im preußischen Jnfanterie-Negiment von Goeben (2. Rheinisches) Nr. 28 Dienst zu thun.

Amerika.

Die „New-York Times“ bringt einen Bericht über eine Unterredung ihres Correspondenten 1n Syracuse mit dem neu- gewählten Präsidenten Cleveland. Danach hätte dieser ge- außert, er hoffe auf die Annahme des Geseßentwurfs, wo- durh die Sherman - Bill bezüglich des Unfkaufs von Silbermetall aufgehoben werde. Auf die Frage, ob der Mac Kinley-Ta r1f abgeschafft werden würde, habe Cleve- land erwidert, er möchte wissen, ob man ihm denn zu einem anderen Zwecke die Macht anvertraut habe.

Das Repräsentantenhaus hat die Berathung des Geseßentwurfs über die Einwanderung begonnen. Ein Amendement, wonach den Herkünften aus Europa cine Quarantäne auferlegt werden foll, wurde verworfen.

Nach ciner Meldung des „Reuter'shen Bureaus“ aus Buenos- Aires von heute hielten die Nadicalen und die Anhänger Mitre's gestern cin Protestmeeting gegen die von der Regierung in der Provinz Corrientes befolgte Politik ab. Die von etwa 5000 Personen besuchte Versamms- lung nahm einen ruhigen Verlauf. Die Ministerkrisis hat noch keine Lösung gefunden.

Afrika.

Nach einer Meldung der „Times“ vom 22. d. M. ist Devismes von sciner Mission nah Fez, die im allgemeinen er- folgreih war, nah Tanger zurückgekehrt. Er wird sih be- mühen, Sir West Nidgeway bei seinen Unterhandlungen mit dem Sultan von Marokko zu unterstüßen.

Parlamentarische Nachrichten.

Dentscher Reichstag. __ Der Bericht über die 27. Sißung vom 21. Januar befindct nh in der Ersten Beilage.

28. Sihung vom Montag, 23. Januar, 1 Uhr.

Der Sißung wohnt der Staatssecretär Dr. von Boetticher bei.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Einführung einer einheit- lichen Zeitbestimmung, dessen einziger Paragraph lautet:

„Die geseßliche Zeit in Deutschland ift die mittlere Sonnen- zeit des fünfzehnten Längengrades östliÞ von Greenwich. Dieses Gesetz tritt mit dein Zeitpunkt in Krast, in welchen nach der im vorhergehenden Absatz festgescßten Zeitbestimmung der 1. April 1893 beginnt.“

Die Commission beantragt, die Vorlage unverändert an- zunehmen, schlägt aber folgende Resolution vor:

„Die verbündeten Regierungen zu ersuhen, dem Reichstage baldigst die Vorlage cines Gefeßes zu unterbreiten, welches jenen Uebelständen abzuhelfen geeignet ift, die daraus entftehen, daß mit Einführung der Einkbeitszeit im Osten und Westen des Reichs viel- fach crhbeblihe Verschiebungen gegenüber den auf Ortszeit be- rechneten Zeitbestimmungen der Novelle zur Gewerbeordnung vom 1. Juli 1891 bervortreten.“

Die Commission beantragt ferner, die zu dem Gesetzentwurf cin- gegangene Petition des Directors der Landwirthschafts\chule zu Weilburg, Mayat, durch die Beschlußfassung über den Gesetzentwurf für erledigt zu erflären.

Berichterstatter ist der Abg. Möller (nl.).

Abg. Brandenburg (Centr.) hat zunähst Competenzbedenken gegenüber der Vorlage. Aber dies scien nicht die alleinigen Bedenken, welche ihn zur Ablehnung der Vorlage führen. Er halte die Fest- setzung ciner Einheitszeit für eine Ueberhebung der Gesetzgebung über die Natur.

Abg. Dr. Freiberr von Heereman (Centr.) spriht sich für seine Person cbenfalls gegen die Vorlage aus. Der Zeitunterschied zwischen der Einhcitszeit und der früheren Ortszeit sei an den äußersten Punkten Deutschlands ein fehr erheblicher, er betrage mehr als eine halbe Stunde. Für diefe Maßregel sei kein Grund vor- handen, selbst die Eisenbahn- und Postverwaltung fönnc mit der jeßigen doppelten Zeit auskommen. Für die Telegraphenverwaltung liege ers ret tein Anlaß vor, da der Verkehr derselben vielfa über die Grenze Deutschlands hinausgeht.

Abg. Freiberr von Stumm (Rp.) fürchtet, daß aus dem Gesetz eine große Verwirrung entstehen wird: Eisenbahn- und Tele- graphen-Verwaltung könnten ja für ihren inneren Dienst die cinheit- liche Zeit cinführen. Für das Publikum liege durchaus keine Noth- wendigkeit dazu vor. DieRefolution sei hon ein Ausfluß der Mißstände, die ih berausftellen werden. Die Gewerbeordnung beziehe fi auf die Ortszeit. Wenn man diefen Zustand aufrechzt erhalten wolle, werde man bezirksweise die Sache ordnen müssen und dann entstehe die größte Verwirrung und Verschiedenheit. Die Resolution müsse vom Hause angenommen werden, fonst müsse er gegen die Vorlage stimmen. (Bei Schluß des Blattes hat der Staatssec retär Dr. von Boctticher das Wort genommen.)

Dem Herrenhause ist der Entwurf cines Gefeßes übcr Abänderung von Amtsgerichtsbezirken zugegangen.

Dic Commission des Hauses der Abgeordneten zux Berathung dcs Geseyßzentwurfs wegen Aenderung des Wahlver- fahrens seßte am Sonnabend Abend die Berathung der Vorlage fort. Nachdem in der vorhergehenden Sitzung § 1 unverändert an-

genommen worden war, stand vorgestern zunächst der Antrag Bachem

(Centr.) zur Verhandlung, einen § 1b folgenden Wortlauts anzu- nehmen: „Die Berechnung der Gesammtsumme der nach § 1 anzurene», denSteuerbeträge und dieEintheilung derUrwähler in die drei Abtheilungen findet statt innerhalb der einzelnen Ü rwahlbezirke.“ Fm Zusammenhang damit wurde § 4 discutirt, welcher besagt: „Das Gesey über Aenderung des Wahlverfahrens vom 24. Juni 1891 bleibt, unter Fortfall der im § 1 desfelben enthaltenen zeitlihen Beschränkungen, in Kraft.“ Zugleich wurde cin Antrag von Tz\choppe (freiconf.) discutirt, der für nit veranlagte Personen einen Steuerbetrag von 3 4 an Stelle der bisherigen Klassensteuer zum Ansatz bringt und für jeden Urwahlbezirk cine besondere Abtheilungsliste fordert. Abg. Dr. Arendt (freicons.) beantragt, an Stelle der 1891 t Drittelung in deg einzelnen Urwahlbezirken die Drittelung in der ganzen Ge- meinde herbeizuführen. Dieser Antrag ; wird, nachdem s\ih der Präsident des Staats-Ministeriums Graf zu Eulenburg dagegen erklärt, gegen die Stimmen der Freiconservativen und- National- liberalen abgelehnt. § 4 bleibt demna unverändert. Darauf wird 8 2 diseutirt: „Wo directe Gemeindesteuern niht erhoben werden, treren an deren Stelle die vom Stagt veranlagte Grund- und Ge- bäudesteuer.“ Hierzu liegt wiederum ein Antrag des Dr. Arendt und Genossen vor, dem Paragräpben die Worte anzufügen: ,„foweit der Nachweis mindestens gleihwerthiger Leistungen scitens der Be. rechtigten erbraht wird.“ Auch diefer Antrag wird, nachdem si der Präsident des Staats-Ministeriums Graf zu Eulenburg dagegen ausgesprochen, abgelehnt. Die Berathungen werden heute fort- ge!eßt.

Ju der Steuerreformcommission des Hauses der Abgeordneten wurde am Sonnabend der dritte Titel des Com - munalabgabengeseßes §8 9—15, die von den indtrectcn Gemeindesteuern handeln, erledigt. Die §8 9— 12 blieben un- verändert. Es liegen zahlreiche Petitionen vor, welche eine Erweite- rung der indirecten Gemeindesteuern verlangen. Auf eine Anfrage des Abg. von Buch (conf.) erklärt der Finanz-Minister Dr, Miquel, daß die Staatsregierung diesen Wünschen nicht abgeneigt sei; es weben darüber noch Verhandlungen mit der Meichsregierung.

Ein Antrag der Consfervativen, der eine Verallgemeine- rung der Shlachtsteuer bezweckte, wurde abgelehnt. Ein Antrag Enneccerus, die Besteuerung Þrivater Lustbarkeiten dem communalen Besteuerungsreht zu entziehen, wurde ebenfalls gab- gelehnt. § 13 lautet: „Die bestehende Vorschriften über die Ver- wendung des Aufkommens indirecter Steuern für bestimmte Zwette (Kosten der Armenpflege u. st. w.) find aufgehoben. Abs. 2: Ux berührt bleiben die Bestimmungen wegen Verwendung der von den Militärpersonen zu entrichtenden Hundesteuer“. Auf Antrag des Abg. Dr. Enneccerus wurde Abs. 2 gestrichen. §Y 14 und 15 blieben unverändert.

In der heutigen Sißung der (Commission wurde § 16 ‘(allge- meine Bestimmungen über die Erhebung der directen Gemeinde- steuern) mit einer redactionellen Aenderung angenommen, und § 17 (die auf besonderem Nechtstitel beruhenden Befreiungen - einzeln Grundstücke) ciner Subcommission überwiesen.

Nr. 2A des „Centralblatts der Bauverwaltung*® herausgegeben im Ministerium der döffentlihen Ar- beiten, vom 19. Januar, hat folgenden Inhalt: Aus dem preußischen Staatshaushalt für 1893/94. Bermischtes: Chemisches Institut ee Universität Halle. Entwürfe für Londoner elektrische Untergrund babnen.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Der auswärtige Handel des deutschen Zollgebiets weist nah den Ausfstellungen des Kaiserlichen Statistishen Amts für das Jahr 1892. im Specialhandel, vorläufig berechnet nah den für das Jahr 1891 festgestellten Einheitspreisen folgende Summen auf: dagegen 1891 : Werth der Einfuhr 4463093 000 4/6, 4403 404 000 Werth der Ausfuhr 3327 980 000 4, 83339 755 000 Der Werth der Einfuhr wäre danach gegen das Vorjahr gestiegen um 59689 000 s, der Werth der Ausfuhr gefallen um 11 775 000 M Der Menge nah wurden im Jahre 1892 eingeführt: 295 073 013 D.-Ctr., (im Vorjahr: 290 127 188), ausgeführt: 198 910 496 D.-Ctr., (im Vorjahr: 201 393 755), und in den drei leßten Monaten gestalteten sih die Ein- und Ausfuhren folgendermaßen (in Doppel-Centnern) : Eingeführt 1892 1891 Oftober . 27 706 171 | 28123 066 November 27 039 984 | 26 507 117 18 985 65) Dezember 23 241 344 | 23381 193 | 17 695 161 16 415 662 Danach weist die Ausfuhr in den leßten beiden Monaten ein gegen die betreffenden beiden Monate des Vorjahrs günstigeres Ergebniß auf.

Ausgeführt 1892 1891 18 230 436 | 19 022 482 19 217 499

úInvaliditäts- und Altersversicherung. / Bei dem für den Stadtkreis Berlin errihteten Schicd geriht für Invaliditäts- und Altcrêversicherung wurden im gangenen Jahre 292 Berufungen neu anhängig; hierzu kamen 44 au® dein Vorjahre übernommene, sodaß im ganzen 336 Berufungen \chwebten, worunter 9, die durch Nevisionsentscheidung Neichs-Versicherungsamts in die Berufungsinstanz zurückverwic}en worden waren. Von den im Berichts|ahre anhängig gewordenen Berufungen waren 261 von den Versicherten, 29 v Staatscommissar und 2 von beiden erhoben ; es waren 42 Beru}: gegen die Feststellung einer Invalidenrente, 14 gegen die FeststelUung einer Altersrente, 112 gegen die Ablehnung einer Invalidenren®, 124 gegen die Ablehnung einer Altersrente gerihtet. Von allen 336 schwebenden Berufungen wurden 18 durh rechtskräftigen Bescheid des Vorsißenden, 17 durch Vergleich oder Zurüdcknahmt der Berufung, 229 durch Entscheidung „des Schiedsgerichts erledi! Von diesen Entscheidungen lauteten 14 auf Zurückweisung wegen Ber 01 mung der Berufungsfrist, 153 auf Bestätigung des angefohtenen Bescheide; 62 auf völlige oder theilweise Abänderung desselben. Zwei Berufungen wurden auf andere Weise ecledigt und 70 auf das neue Jahr „über- nommen. Es fanden 36 Sitzungen statt, und in 96 Berufungssachen wurde Beweisxufnahme vorgenommen. In 60 Sachen wurden wal e des Berichtéjahres wegen Einlegung der Revision die Acten 000 Neichs-Versicherungéamt eingefordert. Lebensmittelpreife. E „Statist. Corr.“ betrug der Durchschnittspreis 4 Roggen im Jahre 1892 auf 1000 kg 176 Æ, für Weizen 188 0 Die Preise an der Berliner Börse betrugen am Sonnabent oggen 135 M, für Weizen 153 M (Lieserungsqualität). E sind an Durchschnittspreisen für das Jahr 1892 zu nennen: utf 155 M, Hafer 148 M (jeßt 140 6 Lieferungéqualität), Eßkartof 64 6 M e, é ée An Fleishpreiscn sind für das Jahr 1892 folgende Durchschn preise ermittelt: 1 kg Rindfleisch 1,28 A, Schweinefleq@ E Kalbfleisch 1,25 #, Hammelfleish 1,24 1, inländ. geräucherter Z af 1,69 M, Efßbutter 2,30 A Eier fosteten 3,57 M das Sch! 054A Kilogramm Roggenmehl 0,32 X, Weizenmehl 0,34 4, Javareit 164 ú roher Javakaffce 2,83 46, gebrannter 3,69 4, Schweineschmals 1097-

Nach der

Zur Arbeiterbewegung. Jn Verbindung mit der beendeten Au sstan ds bewegung

in Westfalen stehen folgende Nachrichten :

Am Sonnabend fehlten, wie die „Rh.-Westf Ztg.“ aus Dort- mund berichtet, auf den Zechen Mer Kin Eta Sins „Wolfsbank“, „Germania 1 und 11“, „Zollern" und „Kaiser Friedrich" im ganzen noch 1009 Mann, größtentheils von den Fefenverwaltungen zurückgewiesene Bergleute. Speciell auf Zeche „Zollern“ waren in der Nachtschicht angefahren 26 Mann von 106, in der Morgenschicht 972 Mann von 746. Auf Zeche „Germania 1“ sind von 707 Mann 931 und auf „Germania [1* 221 Mann von 805 angefahren.

Aus Bochum wird der „Frkf. Ztg." von Verhandlungen be-

richtet, die mit den Zechenverwaltungen geführt werden, um den abgekehrten Bergarbeitern die Wiederanlegung zum 1. Februar zu ermöglichen, Gestern fand ciner Wolff’schen Meldung zufolge in Bochum cine Bergarbeiterversammlung für alle Bezirke des rheinis- westfälishen Kohlenreviers statt, die von etwa 300 Perfonen besucht war. Beschlüsse wurden nicht gefaßt. Am 2. Februar soll eine all gemeine Versammlung in Bochum stattfinden. Hier in Berlin nahm am Sonnabend eine allgemeine Brauer- versammlung cine Resolution an. die sich nach dem Bericht der Berliner „Volksztg.“ für die achtstündige Arbeitszeit im Brauerei- gewerbe ausspricht, da bei ciner längeren Arbeitszeit und der Schwere der Berufsthätigkeit die Brauergesellen bald arbeitsunfähig würden, auch nur durch eine derartige Verkürzung der Arbeitszeit der überfüllte Arbeitämarkt entlastet werden könne.

Die Buchdru ckereibesitzer in Lausanne (Schweiz) werden, wie der „Vorwärts“ mittheilt, am 1. April den Neunstundentag cinführen und damit eine Gehilfenforderung erfüllen.

Der Ausstand der Porzellanmaler in Porsgrund (Norwegen) ift nah demselben Blatte gütlich beigelegt worden.

Kunst und Wissenschaft.

+4{ Der veränderte Entwurf des National-Denk- mals für Kaiser Wilhelm 1. von Reinhold Begas ist jeßt auch dem Publikum in dem Atelier des Künstlers zugänglih. Der Gesammieindruck ist der ciner conciseren, qgedrängteren Fassung der ursprünglichen Composition ; begreif- licherweise hat damit die lehtere etwas von ihrem pathetischen Schwunge eingebüßt, dafür aber an monumentaler Nuhe und Geschlossenheit gewonnen. Der das Neiter - Denkmal im Halbkreise gegen das Spreeufer abschließende Säulen- qang, bei dessen Ausführung der Künstler von einem Schüler Wallot's, Halmhuber, unterstüßt wurde, bekrönt mit Victoriagespannen und Trophäen, zeigt die Statuen der Bundesfürsten und Hermen der bedeutendsten Heer- führer unter Wilhelm 1. vor den gedoppelten Säulenstellungen. Die Seitenflügel dieser Halle springen nicht, wie im ersten Entwurf, bis zu dem vorderen Abschluß des Denkmalssockels vor, sodaß eine wirkungsvolle Seitenansicht der Hauptgruppe möglich wird. Diese selbst in kolossalen Maßen mit dem Sockel zwanzig Meter hoh gedacht, ist wesentlih schlichter und ruhiger ‘gehalten als früher. Das kräftige Noß schreitet langsam aus, die zügelführende Victoria ist dagegen in leb- hafter, pathetish gesteigerter Bewegung belassen. Hier wäre bei der Ausführung vielleicht eine ausgleichende Vermittelung am Playe. Das Kaiserbild ist von stimmungsvoller Hoheit und würdiger Gelassenheit und entspriht dem Wesen des ver- ewigten Monarchen weit mehr, als die Gestalt auf bäu- mendem Roß im ersten Entwurf. Die Ecken des s{chwach profilirten Sockels sind durch s{chwebende Victorien be- leit, an Sielle der den Sockel umgebenden Reiter- gruppen sind an den Längsseiten sehr zarte Flachreliefs, Krieq und Frieden versinnlichend, getreten, auf den zum Sockel emporführendcn Stufen auf der rehten und linken Seite desselben ruhen die prägnant aufgefaßten Gestalten des Kriegsgottes und Friedensgenius. Eine gewisse Uebertreibung in den Verhältnissen der kolossalen Glicdmaßen zum Kopf ijt den meisten Gestalten des Meisters eigen; sie dürfte bei der Ausführung besonders empfindlih werden, da die Köpfe sh bei der Untenansicht ohnehin verkürzen. Jndeß liegen zunächst hier nur Skizzen vor, welche sicherlih in Einzelheiten noch mannigfacher Aenderung unterzogen werden. Der imposante große Zug der ganzen Anlage is gewahrt, für das Schaffen von N. Begas bedeutet die Umgestaltung einen bedeutsamen Fort- schritt auf der Bahn zur Vollendung. Offenbar hat der Meister in dem Bewußtsein gearbeitet, daß bei einer so eminent nationalen Aufgabe Ruhm nur zu gewinnen ist, wenn die höchsten Ansprüche erfüllt werden.

Im Verein für deutsches Kunstgewerbe wird am Mittwoch, den 2. d. M., Herr Professor Max Koch, Lehrer am Königlichen Kunstgewerbe-Museum, cine lchrreiche Ausstellung seiner Malereien, Kartons, Skizzen und Neisestudien veranstalten und daran Mittheilungen knüpfen über Kunst und Technik der monumentalen Malerei un» die Erziehung des Decorationsmalers. Außerdem stehen n0ch andere für die decorative Malerei interessante Vorlagen in Aussicht. Die Sitzung findet 84 Uhr Abends im großen Saale des Architektenhauses statt. Gäste sind willkommen.

Literatur.

In des Königs Rock. Soldaten-Ansprachen in Ver- bindung mit evangelishen Militär-Geistlihhen herausgegeben von D), Richter (evangelischem Feldpropst der Armee). Nr. 6. N ocholl (Militär-Oberpfarrer), Fürhtet Gott, ehret den König (Kaisers- geburtstag). Einzelpreis 5 „4, 100 Exemplare 4 4, 1000 Erem- plare 30 4, 5000 Exemplare 75 A E. S. Mittler und Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, Berlin SW. 12, Kochstraße 68—70. S Wönfte aller patriotishen Feste der Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers rückt näher, und die Armee, die Schulen und patriotischen Vereine sind mit den Vorbereitungen zu ciner würdigen Feier beschäftigt. Das patriotische Gefühl, die Liebe zum Herrscher in den weitesten Kreisen des Volks zu pflegen und zu fördern, cignet sih besonders die hier vorliegende Soldaten-Ansprache. In kurzen, klaren, zu Herzen dringenden Worten führt diese Ansprache uns das Charafkterbild unseres Herrschers vor Augen. Diese Schrift cignet sih daher nit nur zur Vertheilung in den Kasernen, fondern auch für Schulen, Kriegervercine, Fabriken 2c.

Land- und Forstwirthschaft.

Stand der Saaten. | : Der Stand der Wintersaaten im Ne ere Wiesbaden ist ein sehr guter und berechtigt zu den be ten Aussichten für nächsten Herbst. Eine Ausnahme bilden die Futterkräuter insofern, als der Klee sich infolge der anhaltenden Trockenheit \{lecht entwickelt hat und an vielen Orten fogar eine anderweitige Bestellung der Felder im Frühjahr nöthig machen wird.

: Weinernte. j | Wie aus dem Regierungsbezirk Wiesbaden geschrieben wird,

hat die Weinernte nit alle Hoffnungen erfüllt. Wenn auch die Qualität des O ee e M e gute is und deshalb für Most und Trauben hohe Preise gezahlt werden, so ist sie doh nicht cine fo hervorragende geworden, wie man anfangs geglaubt hatte. Der vielfahe und oft plögliche Wehjel der Tempcratur hatte der

Gntwikelung der Trauben erheblich geschadet.

Getreide-Ein- und Auéfuhr Dänemarks, (conf. „Reichs-Anz.“ vom 20. Oktober 1892.) In Dänemark betrug während des 111. Vierteljahres 1892 die : Einfuhr Ausfuhr von Roggen . . 4477900 kg 4520865 kg ¿ Been. 1004000 12876888 , Ï Gerste. L TO22A400 © 2745900 « Uer, G12 820 43610 ¿_ MAUS ; 21 088 900 1746 000 , __ Die Wintersaaten sind in Dänemark überall mit einer dien Schneeschicht bedeckt, die gegen die feit Wochen herrschende starke Kälte genügenden Schutz bieten dürfte.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Cholera.

Halle a. S., 23. Januar. Von Sonnabend Mittag bis Sonntag früh sind in der Irrenanstalt zu Nietleben sieben neue Todesfälle und neun neue Erkrankungen vorgekommen. Unter den Erkrankten befinden sich zwei Aerzte und eine Wärterin. Dem an der Cholera erkrankten Ersten Assistenz-Arzt Dr. Bucholy lag besonders die Leitung aller auf die Bekämpfung der Cholera gerichteten Maßnahmen in Nietleben ob. Der Kreisphysikus meldet, daß in der JIrren- anstalt von gestern Mitternacht bis heute Mitternaht zwölf Er- krankungen und vier Todesfälle infolge von Cholera vorgekommen sind. Im ganzen sind 84 Personen an Cholera erkrankt und dreißig Personen gestorben. In der Sitzung der Sanitäts.Commission am Sonnabend haben, wie die „Saale - Zeitung“ meldet, sämmt- liche anwesenden Aerzte den Gesundheitszustand der Stadt Halle als vorzüglich constatirt. Die Polizeiämter sind angewiesen worden, alle zur Berhinderung der Weiterverbreitung der Cholera getroffenen Maß- nahmen zu überwachen. Der Landrath verfügte die Verlöthung der Anstaltswasserleitung und die vollständige Desinfection der Abfluß- gräben mit Kalkwasser.

Verkehrs-Anstalten.

Wegen der Cholèragefahr (l in den Vevrelurgteit Staaten von Amerika die Einfuhr von gebrauchten Kleidern und Haushaltungsgegenständen in Post- frachtstücken bis auf weiteres nux dann zugelassen, wenn die Sendungen von cinem durch die Ortsbehörde des Abgangsorts unter Beidrückung des Dienstsiegels ausgestellten Zeuanisse begleitet sind, in welchem bescheinigt wird, daß am Abgangs- ort zur Zeit der Absendung des Packets die Cholera nicht geherrscht hat.

Bremen, 22, Januar. (W T. B) NovrddeutiGer Lloyd. Der Neichs-Postdampfer „Darmstadt“, von Ost-Asien kommend, ist am 20. Januar Abends in Antwerpen angekommen. Der Reichs: Postdampfer „Hohenzollern“, nach Australien bestimmt, ist am 21. Januar Vormittags in Colombo angekommen. Der Schnelldampfer „Ems“ ist am 21. Januar Vormittags von Alexan- drien via Neapel nah New-York abgegangen. Der Schnelldampfer „Fulda“ hat am 21, Januar Vormittags die Neise von Gibraltar nah New-York fortgeseßt.

Hamburg, 21. Januar. (W. T. B.) Hamburg - Ameri- kfanishe Pacetfahrt - Actien - Gesellschaft. Der Post- dampfer „Albingia“ i} gestern in St. Thomas eingetroffen.

Wien, 21. Januar. (W. T. B.) Auf der Strede Oder - berg Wien ist der Güterverkehr in vollem Umfange wieder auf- genommen worden.

Set, 21 Saar. (U. C W) Der LLovobamP fer „B orwärts" ift heute Mittag hier eingetroffen.

London, 21. Januar. (W, T. B.) Der Castle-Dampfex „Lismore-Castle“ ist heute auf der Ausreise von London ab- gegangen. Der Castle-Dampfer „Warwick Castle“ ift heute auf der Heimreise in London angekommen.

23) Sanuat Que. D) Der Unt « Dab fer „Merxican“ ift am Sonnabend auf der Ausreise von Southamp-

ton abgegangen. L . : (W V. D) Ver Bertehr auf den ble

S ofta, 21. Januar. garischen Eisenbahnen ist wieder hergestellt.

Kopenhagen, 217 Saar (W D V) ie Pot aus dem Ausland, einshließlih der vom Freitag, ist nebst 310 Neisenden von Eisbrehern über den Großen Belt gebraht worden ; darauf wurde ein Ertrazug um 3 Uhr von Korsör nah Kopenhagen abgelassen.

Theater und Musik.

Nesidenz-Theater.

August Strindberg, ein viel genannter, berühmter Name unter den nordishen Dichtern der Gegenwart, stand als Verfasser den drei einactigen Dramen vorgezeihnet. die in der gestrigen Matinée ihre erste Aufführung erlebten. Mit einer Tragikomödie „Gläu- biger“ wurde begonnen; ein Lustspiel „Herbstzeichen" folgte und das Trauerspiel „Vor dem Tode“ {loß die Vorstellung ab. Auf das zahlreich versammelte Publikum brachten die drei der Art nah so verschiedenen ramen feine . unterschiedliche Wirkung hervor: es wurde durhweg mit feierlihem Ernst den Worten des Dichters gelauscht; die Komödie erregte kein Lächeln, höchstens riefen die wunderlihen Phantasiesprünge in dem forgfältig erdachten Dialog der Tragikomödie hin und wieder einen kleinen ot (e V Heiterkcitäausbruch hervor. Es wurde die Frau als ein „im Wachs- thum stehen gebliebener Mann“, als eine „chronische Anämie“ bezeichnet, um ihren niedrigeren Standpunkt dem Mann gegenüber zu kennzeihnen. Die Hörer fanden diesen ernst gemeinten Vergleich scherzhaft und lahten. Allerdings darf man eingestehen, daß für die Frauen, die Strindberg auf die Bühne stellt, diese Bezeichnungen fast noch zu hoch gewählt sind, wenn man unter einem Mann, ein menshlihes Wesen mit Muth, Kraft, Versland und Seele begreift. Die Männer aber, die der nordishe Dichter in den drei kleinen Dramen den Frauen gegenüber- stellt, erscheinen nur als saft- und kraftlose ohnmächtige Werkzeuge der verachteten Frauen. Jm ersten Stücke, dem „Gläubiger“, werden zwei Männer, die beiden aufeinander folgenden Gatten einer äußerlich weltgewandten, aber völlig herz- und geistlosen älteren Frau vor- geführt, die beide dur dieses Weib geistig und körperlih zu Grunde gerichtet worden sind; der erste Gatte hat fich foweit wieder gekräftigt, daß er als mahnender Gläubiger bei dem Paare, das ihm seine Ehre stahl, erscheint und sich durch eine unendlich häßliche, kleinliche Intrigue an ihm räht, Der Held der „Herbstzeichen“ ist der unbedeutende Gatte ciner gefall\ gen Frau, einer Mustergattin, die die erste herzliche Regung für ihren Mann nach fünfzehnjähriger Ehe an dein Tage ver- \spürt, als cine Wittwe und ein dreister, cynish angelegter Bakfisch Mutter und Tochter dem harmlosen Ehemann mit derben Liebesanträgen auf den Leib rücken. Da die gute Ehefrau an jenem Tage den ersten Vorderzahn verliert offenbar das „Herbst- zeihen*, V fie sich endlih, dem Gatten Gattin zu sein. Das Trauerspiel „Vor dem Tode“ macht die Zuschauer mit einem geistig und sittlich vollständig verwahrlosten Vater bekannt, der in feinem eigenen Hause, einer \{chwelzer Pension, den Kellner spielt, Trinkgelder nimmt und von feinen drei Töchtern, unter denen sich aber keine „Cordelia“ findet, shmählich behandelt wird. Die einzelnen Nebenumstände sind fo unglaublich widerwärti und abgeshmackt, daß man von einer näheren Rande Abstan nehmen darf. Erwähnt mag nur sein, daß in diesem Stück über einem Sumpf von sittlicher Berkommenheit wie cin Irrlicht ein B von Vaterliebe hin- und herflackert, der in Brandstiftung und Selbst- mord verlischt.

Nebexrall blicken uns aus den Personen ter drei Dramen schwächliche, niedrige oder gar brutale Herzens- und Geistesregungen entgegen; wo eine Kraftäu fes vorliegt, ift es die zum Bösen, Dabei gehören alle diese Charaktere niht etwa der Verbreherwelt aa, fondern follen Typen der äußerlih anständigen » bürgerlichen Gesellschaft sein. Die nordishen Führer der naturalistishen Schule spüren mit Vorliebe - den Nachtseiten der Menschenseele nach, thr Auge _ scheint verschlossen für die klare Lichtquelle tes Guten und Schönen, das doch in den Menschen niht ausgestorben ift und auf der Bühne schon aus pädagogishen Griinven ein Vorrecht haben sollte. In ihrem Darstellungskreise besißen jene Dramatiker freilich eine Art Meisterschaft. Der Zuschauer ift gleichmäßig liber- rasht durch den Gang der Handlung, durch die Éntwide- lung unerhörter Charaktere und durch den forgsam ansgekli- gelten Dialog. Daß diese mit so großem Verstanvesaufroand gepflegte literarishe Kichtung aber irgend etwas Ersprießliches für die zukünftige Gestaltung der Kunst und für die Volksgesittung heroorzubringen ver- mag, ist zu bestreiten. In dieser Gestalt kann die Kunst ihrer Auf- gabe nicht gerecht werden, deun -sie ergößt nicht, fie rührt und erhebt nicht.

Die Darstellung -hob durch ihre Kraft und Lebendigkeit liber manches Unerquickliche hinweg; besondere Anerkennung haben Fräulein Bertens und die Herren NRittner und Sarno verdient

Thomas-Theater. Die Wiener Gäste unter Leitung, des Directors Graselli

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.brahten am Sonnabend als zweite Gabe ihres diesmaligen Gaftspviels

eine neue Original-Gesangsposse in fünf Bildern „Der Difstanz- ritt“ von Carl Costa und Franz Müller, Musif von Heinri ch Müller, zur ersten Aufführung. Das erste Bild spielt im Wiener Offiziers:Casino, das zweite in Podicbrad, das dritte auf dem Bahnhof in Georgéwalde, das vierte in Floriósdorf und das fünfte in einem Hotel-Garten in Diesden. In den fünf Bildern wecden in derb komischer Possen-Manier Scenen aus dem Wiener Leben, die nur in losem Zusammenhang untereinander und in fast gar keiner Beziehung zu dem im Oktober v. J. veranstalteten Distanzritt zwishen Wien und Berlin stehen, vorgeführt. Das komische Element tritt dabei z selten, das derbe dagegen zu häufig in die Erscheinung, sodaß dur diese Posse dem Unterhaltungsbedürfniß der zur ersten Au zahlreich zusammengeströmten Zuschauer niht in genügender Weise Nechnung getragen wurde. Das Stück wird von einer ansprehenten und gut ausgeführten Musik eingeleitet und ist auch mit mehreren hübschen Gesangsmelodien versehen, die dem wohlwollenden Publikum wied holt Gelegenheit zu Beifallsbezeigungen gaben. Auch gefiel ein von Herrn Franz Müller als ungarischer Husar, Diener eines der Distanzreiter, mit Fräulein Jolly als Stubenmädchen Leni getanzter

Czardas so sehr, daß seine Wiederholung verlangt und gewährt rourde.

Das flotte Zusammenspiel und die Inscenirung verdienen Anerkennung, ohne daß unter den etwa fechzig Mitwirkenden besondere Leistungen hervorzuheben wären.

Sing-Akademie.

Die hier bereits vortheilhaft bekannte Violinvirtuosin Fräulein Frida Scotta gab am Sonnabend ein Concert mit dem phil- harmonischen Orchester, das sehr zahlreich besuht war. Ihre brillante Technik, unfehlbare Sauberkeit des Spiels auch in den höchsten Tönen des Flageolets, fowie ihre lebendige und sehr feinsinnige Vortragsweise kamen in zwei Concerten von Mendelssohn und Saint-Saëns wie in kleineren Stücken von Schumann, Bizet und Sarasate vortrefflich zur Geltung. Rauschender Beifall und Hervorruf folgten ihren Borträgen. as von Herrn Kapellmeister Her furth geleitete Orchester bewährte feine anerkannte Tüchtigkeit.

Saal Bechstein.

Die Opern- und Concertsängerin Fräulein Elise Kutscherra (Mezzofopran) gab am Sonnabend ein Concert das zahlreich besucht war. Die Sängerin gebietet über eine sehr fräftige, wohlflingende, einem Bühnenraum mehr entspre. nde Stimme, die bis auf einen etwas unsicheren Toneinsaßtz in der Tiefe eine forgfältige Ausbildung erkennen läßt. Unter den 18 Gesängen und Liedern sind besonders erwähnens- werth: die vier anmuthigen, wenn auch niht sehr orginellen, zum ersten Mal hier vorgetragenen Lieder von Leo Fall, „Ständchen" von Franz und „Jmmer leiser wird mein Shlummer“ von Brahms, welche die Künstlerin mit warm empfundenem Vortrag zu Gehör brachte. Der \tets gern gehörte (Sellift Herr Sand ow erfreute durch einige mit sicherer Technik und zartem Vortrag ausgefül:rte Salon- stücke. Auch der Pianist Herr M. Capllonch unterstüßte das Concert durch einige Piècen von Chopin, in denen mehr die technische Fertigkeit, als die Ausdrucksweise anzuerkennen war. :

Die General-Intendäntur der Königlichen Schauspiele in Berlin hat mit der Königlich dänischen Hof-Musikaltenhandlung in Kopenhagen (Director Henrik Hennigs), welche die ausschließliche Bertretung von Enna’'s Werken für alle Zeiten und Länder erworben hat, einen Vertrgg abgeschlossen , wonach die erste Aufführung der Enna’schen Opern in Deutschland und C bis zum 1. Januar 1903 der Königlichen Oper zugesichert worden i\t. Gleichzeitig hat die Königliche Dper das neueste Werk von August Enna „Cleo- patra", Oper in 1 Vorspiel und 3 Acten, Tertbuchh ven Einar Christiaufen, deutsh von Fr. M. von Borch, zur Aufführung an- genommen. /

In der am Neuen Theater morgen stattfindenden ersten Auf- führung von „Baronin Nuth“, Schausptel in vier Acten von Nobert Misch, sind außer Frau Kastner beshäftigt: die Damen Berg, Linden und Reichenbach, sowie die Herren Fischer, Haid, Hellmuth-Bräm, Seldeneck, Vorwerk und Worlißsch.

Der nächste zweite Kammermusik-Abend der Herren Waldemar Meyer und Felix Dreyschock findet Mittwoh im Saal Bechstein stait. In dem Wohlthätigkeits-Concert zur Linderung der Nothstände Nixdorfs in der Philharmonie am Donnerstag wird Frau Nosa Sucher außer der Cavatine aus St. Saöns? Oper „Sainfon und Dalila“ die „Träume“ von Wagner singen, Herr Bulß das wohlbekannte Josef Sucher’sche Lied „Uebesglück“ und zwei neue Gesänge von R. Schumacher. Frau Herzog trägt die Clärchen- Lieder aus „Egmont" von Beethoven und einen bisher unveröffent- lihten „Bolero“ von Berlioz vor. Ernesto Confolo, ein junger Klaviervirtuose aus Mailand, giebt hier am 3. Februar im Saal Bechstein ein Concert, für welches Herr Professor Dr. Joseph Joachim seine Mitwirkung zugesagt hat.

RDET Hof-Kapell meister Vincenz Lachner in Karlsruhe ift, wie „W. T. B." meldet, gestern Abend gestorben.

Mannigfaltiges.

Der Einzel:Etat der städtishen Park- und Garten- verwaltung für 1893/94 schließt ab, wie wir der „Voss. Z.“ ent- nehmen, in Einnahme mit 17 732 4, in Ansgabe mit 636 430 4, wovon 481 780 6 auf das Ordinarium und 154 650 4 auf das Extraordinarium entfallen ; es beträgt der zu leistende Iushuß mit- hin 618 698 «G An Arbeitslöhnen, Löhnen für die Bewachung, Unterhaltung der Bewässerungseinrichtungen, Anfuhr von Dung, Erde, Kies u. #. tw. sind angeseßt 393 200 A Der Zuschuß der Stadt Berlin zur Unterhaltung der Anlagen im Thiergarten beträgt 30 000 A4 Im Extraordinarium find angeseßt für die Erweiterung des Köll- nifchen Parkes bei Gelegenheit der Regulirung der Wassergasse 11 900 4, desgleichen auf dem Terrain südöstlih der Auferstehungs- kirche an der Friedens- und Diestelmeyerstraße 10 300 4, zur Her- eung von Schmuckstreifen in der Yorkstraße von der Großbeeren-

is zur Kaybachstraße 16 000 46, zur Herstellung eines Fahrweges im Treptower Park 12 000 # u. . w. Der Einzel-Etat der städtischen Gemeindeschulen für das Jahr 1893/94 s{ließt ab in Einnahme

mit 87 745 4, in Ausgabe mit 9 434 380 16, der erforderliche Zuschu beläuft fih somit auf. 93466355 A In der Einnahme i

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