Rüktritts vom Vertrage eine Vergütung für Abnußzung der
hen an den Verkäufer zahlen, indem die Differenz zwischen dem Werthe der Sachen und dem früher vereinbarten Preise derselben berechnet wird. Der Verkäufer könnte dann, indem er den Kaufpreis besonders hoch anseßt, diese Differenz für sich sehr günstig gestalten. Aber auch das Interesse des T wird durch diese Birenune niht gewahrt, und ih theile in dieser D die geäußerten Bedenken. Der Verkäufer kommt in allen Fällen zu kurz, wo eine schnelle Abnußzung der Sachen eingetreten ist, z. B. bei Nähmaschinen. Daß durh das Geseß die Prozesse vermehrt werden, befürchte ih nicht. Vor einem Prozeß werden sich Käufer und Ver- fäufer möglichst zu bewahren suhen. Ich {ließe mich dem Antrag auf Commissionsberathung an.
Abg. Tutza uer (Soc.): Die Klagen über die Abzahlungsgeschäfte
D zum größten Theil auf die Agitation derjenigen innungsfreund- ihen Kreise zurückzuführen, welhe hier durch die Abgg. Ackermann, Biehl und Genossen vertreten werden, und enthalten arge Ueber- treibungen. Auch die Vorlage der Regierung ist, indem sie die Aus- wüchse zu beseitigen strebt, über das Ziel hinausgeschossen. Mir perfönlih, auch meinen Parteigenossen wäre es lieber, wenn die Ent- wickelung der Verhältnisse die Abzahlungsgeschäfte nicht zu einer Nothwendigkeit gemacht hätte. Da wir aber nicht die wirthschaftlichen Verhältnisse bestimmen können, diese vielmehr durch andere Factoren bestimmt werden, so ist auch eine andere Betrachtung der Frage am Rhe: als fie sih bei den Conservativen und dem Centrum zeigt.
ie Abzahlungsgeschäfte sind hauptsächlih denen ein Dorn im Auge, die es nicht gern sehen, daß der Arbeiter sich mehr Bedürfnisse aneignet, als seine Vorfahren Latien. Die focialdemokratische Partei steht auf dem Standpunkt, daß cs vom Uebel wäre, wenn die Arbeiter in ihrer bisherigen Bedürfnißlosigkeit weiter leben würden. Mit Freuden haben wir begrüßt, daß die Abzahlungsgeschäfte auch dem Arbeiter ermöglicht haben, Bedürfnisse zu befriedigen, die er bei den heutigen, s{chlechten wirthschaftlihen Zuständen auf dem Wege der Baarzahlung niht befriedigen kann. Andererseits s{hlage ih den ratenweisen Erwerb einer Nähmaschine nicht so hoh an, wie die Vorredner; durh den Vertrieb der Nähmaschinen durch die Abzahlungsgeschäfte ist die Hausindustrie gefördert, und so die Lage der Arbeiter ver- s{lechtert worden. Daß durch die Abzahlungsgeschäfte minderwerthige Waaren gegen theueres Geld verkauft werden, is nur theilweise rihtig. Es giebt durchaus reelle Abzahlung8geshäfte, welhe von Fach- leuten geleitet werden. Mißstände werden hervorgerufen durch die A ablun adbajare, die mit allen möglihen und unmöglichen Sachen handeln und deren Inhaber nicht Fach-, sondern Geldleute sind. Dem Verlangen, die Agenten zu unterdrücken, stehe ih nit ganz unsympathisch gegenüber, und auch die Petitionen der Fachleute sprechen es aus, daß sie sich dem niht widersetzen würden. Mir ist ein Fall vorgekommen, wo ein Agent einer Näherin eine Nähmaschine auf Abzahlung verkauft hatte und die Wirthin dersclben aufforderte, zu beglaubigen, daß sie Inhaberin der Wohnung sei. Er ließ die Frau unterschreiben; dieselbe unters{hrieb aber damit den Vertrag und sollte nachher zur Zahlung der Restbeträge angehalten werden. Man glaubt, daß nur diejenigen Geschäfte Abzahlungs- geschäfte sind, welhe sih ausdrücklih als folhe bezeihnen : das ift niht der Fall. Besonders in der Möbelbranche is hier in Berlin fast jedes Geschäft zugleich ein Abzahlungsgeschäft. Jedes dieser Geschäfte zählt unter seinen Kunden reihlich zur Hälfte folche, die nur auf Abzahlung kaufen. Ich selbst bin is{ler, JIn- haber “ eines Möbelgeschäfts, und verkaufe auf Abzahlung. Wie nothwendig der Eigenthumsvorbehalt i}, geht daraus hervor, daß nah der der Petition der Berliner Mösbelhändler hbei- efügten Denkschrift von 36 Mitgliedern dieses Vereins rund 3000 Interventionsklagen gegen folche Leute angestellt wurden, welche die von ihnen auf Abzahlung gekauften Möbel hatten pfänden lassen. Man behauptet, die leßten Zahlungen würden von folchen Leuten an die Abzahlungshändler überhaupt niht gezahlt, welhe \ich gegen dritte Gläubiger \{chüßen wollen. Gegen folhe bös- willige Vereinbarungen und Eigenthumsübertragungen \{chützt aber {hon das heutige Strafgesetz. Bielfah haben die Gerichte bei Rechtsansprüchen zweiter Gläubiger an den Abnehmer von Abzah lungêgegenständcn dem intervenirenden Inhaber von Abzahlungs- Aeiätten bedeutet, daß er den Restbetrag von dem zweiten Gläubiger annehmen müsse, wenn dieser zur Zahlung desselben bereit fet. In Bezug auf die Verfallclausel sind ja berechtigte Klagen er hoben worden. Es ist ungerecht, wenn in dem Falle, wo nur cine cinzige Natenzablung versäumt worden ift, die gesammten Möbel u. f. w. von dem Verkäufer oder Vermiether zurückgenommen werden können, ohne daß der Käufer oder Miether cinen Anspruch® auf Auszahlung der bereits gezahlten Raten hat. Nicht cinverstanden bin ih aber mit der gänzlihen Abschaffung der Verfallclausel. Es giebt thatsächlih böswillige Zahler, denen auf keinem anderen Wege beizu kommen ift, als dadur, daß der Vermiether oder Verkäufer die Sache zurückverlangen kann. Nun heißt es zwar im Gesetz, daß für die Benußung der Gebrauchsgegenstände eine durch die Gerichte, eventuell durch Sachverständige festzusezende Summe für die Ab- nußung dem Geschäftsinhaber bewilligt werden kann. Ich nehme aber an, daß sich die Sache in den meisten Fällen zu Ungunsten der Geschäftsinhaber gestalten wird. Hier in Berlin z. B. werden die Innungsmeister als geborene Feinde der Abzahlungsgeschäfte jedenfalls niht zu Gunsten der Geschäftsinhaber taxiren. Mit Unrecht wird behauptet, daß die Klagen auf Rückgabe der Gegen- stände rigoros angestrengt werden. Nach den Gutachten verschiedener Handelskammern und verschiedener Schriften über diesen Gegenstand wird von dieser Befugniß nur cin verschwin- dender Gebrauch gemaht. Jedenfalls iff es auh nicht günstig für den Geschäftéinhaber, wenn er gezwungen sein soll, bei Nicht erfüllung des Vertrages die Sache zurückzunehmen und die gezahlten Raten herauszugeben. Die Möbelhändler z. B. haben doch das Interesse, mit neuen Möbeln zu handeln; wird die Vorlage Gesetz, dann wird aus jedem Möbelgeshäft eine Trödelbude werden. An dem Rücktritt vom Vertrage is doch nicht bloß der Möbelhändler, fondern sehr oft der Käufer Schuld. Wird die Vorlage angenommen, \o werden die NRüdcktritte der Verkäufer vom Vertrage sh mehren. Man denkt hier au an die böswilligen Zahler. Bei den 36 Möbel- abzahlungsgeschäften in Berlîn sind in drei Jahren 789 Fälle vor- gekommen, wo die Möbel entnominen, aber nit die Raten bezablt worden : in 436 Fällen waren die Möbel sammt den Kunden verschwunden, in 353 waren zwar die Kunden, aber niht mehr die Möbel da. Die Innungen ent- rüsten sih so schr über das unreelle Abzahlungsgeschäft, welches ibnen so s{chwere Concurrenz maht. Es giebt noch viele andere, zum theil ganz raffinirte Formen des Geschäfts, die diese Concurrenz verstärken. Da wird in eine Wohnung ein Klavier gestellt und ¿um Verkauf ausgeboten. Den Reflectanten tritt eine {warz ver- \{leierte Dame entgegen, welhe unter Thränen mittheilt, daß sie fh von diesem ihr T theuren Gegenstand, auf dem sie mit ihrem Manne fo oft gespielt hat, leider trennen müsse. Das Klavier wird verkauft. Am anderen Tage steht cin anderes Klavier in demselben Raum zum Verkauf. Der Vorgang wiederholt sich und zwar nur so lange, bis es in derselben Gegend damit niht mehr geht; dann zieht die Frau in einen anderen Stadttheil und dort geht dieser Betrieb von neuem los. So fkann man fehr s{öne Geschäfte mahen und noch dazu, ohne Gewerbesteuer zu bezahlen. Ein anderer Auswuhs i die Uebervortheilung der Bau- handwerker durch gewissenlose Bauspeculanten. Hier is Ab- hilfe durch das Gescy nöthiger als gegenüber den Abzahlungs- eshäften. Wirksame Hilfe können Sie den hervorgetretenen Miß- tänden nur angedeihen laffen, wenn Sie mit uns dahin wirken, daß die Arbeitsverhältnisse fih bessern; dann werden die Abzahlungs- geshäfte von selbst verschwinden. Auch eine gesetzliche Einwirkung auf die raffinirten Berliner Miethscontracte mit dem unbeschränkten Retentionêrehte des Wirths bei der geringsten Ueberschreitung der Hausordnung, zum Beispiel durch Gehen auf den Fluren und Treppen mit Holzpantinen oder bei Kindergeschrei, würde schr heilsam sein. Wir empfehlen mit den Vorrednern Commissionsberathung und wünschen, daß das Resultat derselben beide Theile befriedigen und die Interessen beider Theile wahrnehmen möge.
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
Meine Herren! Wenn wir uns bisher von Seiten des Bundes- rathstisches \{weigend verhalten haben, so hat das wesentli darin seinen Grund, daß wir annehmen zu dürfen glaubten, die Motivirung des Geseßentwurfs, wie sie Ihnen vorgelegt worden ist, sei so voll- ständig und fo klar, daß die Herren Mitglieder des Reichstags über Tendenz und Absicht der Vorlage niht in Zweifel sein könnten, und ih freue mich, daß bis auf den leßten Herrn Vorredner die Vorlage nah Absicht und Inhalt rihtig gewürdigt ist. Ich freue mi nament- li) au darüber, daß sämmtliche Parteien eine eingehende Berathung in Aussicht genommen haben und daß schon jeßt der Standpunkt, den die Regierungen der vorliegenden gesetzgeberischen Aufgabe gegenüber eingenommen haben, von den Parteien von der Rechten bis ein- {ließlich der nationalliberalen Partei Beifall gefunden hat. Auch der Herr Vertreter der freisinnigen Partei hat ja cigentlih nur ein principielles Bedenken geäußert, indem er ausführte, er könne \ih für die Vorlage nicht erwärmen, weil sie ihm ein erster Eingriff in den Grundsaß der Vertragsfreiheit zu sein scheine, welhem eventuell künftig weitere Eingriffe folgen könnten.
Ich sage also, bis auf den lezten Herrn Vorredner sind die Aeußerungen über den Entwurf durchaus verständnißvoll gewesen. Nur der leßte Herr Vorredner befindet sih in einem ganz fundamen- talen Irrthum, wenn er der Vorlage eine solche Deutung geben zu müssen glaubt, wie exr sie ihr gegeben hat. Meine Herren, wenn er der Negierung den Vorwurf madlhte, sie hütte mit ihrer Vorlage das Kind mit dem Bade aus, sie schieße über das Ziel hinaus, so hätten wir, meine ih, gegen diesen Vor wurf {hon durch die Ausführungen geshüßt sein follen, die ih bei früherer Gelegenheit von dieser Stelle aus gemacht habe. Ich habe damals anerkannt, daß das Abzahlungsgeshäft eine Form des Ver- trages ifh die in unserem heutigen Wirthschaftsleben garnicht entbehrt werden kann; es kann alfo unsere Absicht garnicht darauf gerichtet gewesen sein, wie der Herr Vorredner annimmt, als ob wir das Ab- zahlung8geshäft zwar nicht direct als ein unzulässiges bezeilnen, wohl aber durch die geseßgeberishen Maßregeln, die wir vorschlagen, zu einem unmöglihen hätten mahen wollen. Das ift cine Absicht, die uns durchaus fern gelegen hat. Was wir gewollt haben, das ift das, die Aus8wüchse, die das Abzahlungsgeschäft und zwar zum Schaden der Contrahenten gezeitigt hat, für die Zukunft abzuschneiden und cine Nemedur zu \{haffen gegen die wirthschaftliGen Schädigungen, die bei diesem Geschäft in der Praxis hervorgetreten sind. Und, meine Herren, während ih vor einem Jahr noch sagen konnte, daß es sehr schwierig sei, den Weg zu finden, auf welchem die Lösung dieser Aufgabe ohne Schädigung berechtigter Interessen möglich ist, kann ih heute erklären: mir scheint, daß die Lösung, welhe Ihnen die Vorlage vorschlägt, eine durhaus glücklihe und richtige ist, weil fie und das hat ja der Herr Vorredner auch als sein Ziel be- zeihnet die Interessen beider Contrahenten gleichmäßig berück sichtigt.
Meine Herren, daß die Gefchäftsgebahrung von Seiten der Inhaber der Abzahlungêsgeshäfte niht überall ganz reinlich und zweifelsohne sich vollzieht, das beweisen die zahlreihen Berichte, die sih in unseren Acten finden. Es beweisen dies die zahlreilen Fälle, actenmäßig belegt, in welchen die berechtigsten Klagen von Seiten von Abnehmern von Waaren in Form der Abzahlung des Abzahblungs- geschäfts erhoben worden sind. Man darf geradezu empört sein, wenn man sich diese Fälle ansieht. Es befindet sich hier zum Beispiel ein Vertrag, inhalts dessen cine arme Näherin — und das ift ja auch cin Individuum, dessen Interessen Vorredner vorzugsweise vertreten zu wollen bereit i| — Bedürfniß empfunden hat, \ich eine Uhr anzuschaffen. Sie
an den Inhaber eines Abzahlungsgeshäfts und kauft eine Uhr für 72 A oder vielmehr sie kauft sie nicht, sondern das Geschäft wird gemacht in der Form cines Leihvertrages. In diesem Leihvertrag wird stipulirt, daß in jeder Woche — der Tag, so sagt der Verfasser dicser Urkunde in höch} wohlwollender Weise, ift ganz glei, wenn nur im Laufe der Woche bezahlt wird — daß also in jeder Wote
Cr cine Mark gezahlt werden foll. Dann heißt es: die Nichtbeachtung
wendet ih
en Natenzahlung hebt dieses Geschäft vollständig auf dem Vermiether das Recht ein, die Uhr llen Ansprüchen auf die bereits in Passus, welcher zur Heiter- der Uhr danah ge- des Miethers mit \o er Uhr erforderlih er (Heiterkeit. Die Näherin zahlt nun die Wothenbeträge, die ihr auferlegt find, und wiederum wohlwollender Weise bestimmt ß der Betrag von dem Miether nit Behausung des Vermiethers zu tragen ist, sondern daß cin Bote des Vermicthers diese einzelnen Beiträge abholen wird. Allwöchentlich zah líc as Mädhen, wenn der Bote ersheint, die fällige ale mit einer Mark. So hat fie im bereits 40 Æ abgetragen; da kommt der Bote niht mehr, die Mietherin hat keine Verpflichtung, die Raten dem Vermicther hinzutragen ; es vergehen mehrere Wochen, die Miethberin ist insofern unvorsichtig, als sic niht die Wochenbeträge aufspart, und als nun mehrere Mark an rückständigen Miethsbeträgen aufgelaufen sind, erscheint der Vermiether bei ihr und for- die Tilgung der Schuld. Da erklärt dieselbe bestürzt, daß sie nicht so viel Geld zur Verfügung habe, und nun erklärt der Vermiether : dann ift die Uhr mein; er geht mit der Uhr ab, und nach dem Vertrage is nichts dagegen zu machen. Die Uhr ist weg, und die 40 ( auh. Meine Herren, ich glaube kaum, daß solhen Erscheinungen gegenüber der Geseßgeber die Hand in den Schoß legen darf. Das Bedürfniß zum gesetzgeberischen Einschreiten gegen derartige Uebelstände ist ja auch in diesem Hause von mehreren der Herren Vorredner als ein dringendes anerkannt worden.
Was {lagen wir nun vor? Wir {lagen niht vor, die Rück- trittéclausel für unzulässig zu erklären; es kann nach wie vor bei den Abzahlungsgeschäften zwishen den Contrahenten verabredet werden, daß, wenn cine Rate im Rüestande bleibt, der Vermiether, bezw. der Verkäufer befugt ist, den ver- mietheten oder verkauften Gegenstand zurückzunehmen. Dagegen {lagen wir vor, um solche Schädigung des Miethers oder Käufers auszuschließen, die darin besteht, daß der Gegenstand und die gezahlten Raten verloren sind, daß, wenn der Verkäufer oder Vermiether von seinem Rechte Gebrau macht, dann auch der Miether oder Käufer die von ihm gezahlten Raten zurückfordern darf, aber auch nit ohne
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und räumt der Miether zurücknehmen zu können. Er geleisteten Zahlungen. D
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weiteres und zum vollen Betrage, sondern der Vermiether bezw. der Ver, käufer hat das Necht, jede Deterioration der Sache nicht allein vergütet zu verlangen, sondern auch für den bis dahin dem Miether oder Käufer über, lassenen Gebrauch eine billige Entschädigung zu fordern. Ich kann mir nicht denken, daß ein gerechteres und mehr in der Billigkeit liegendes Mitte] gefunden werden kann als dasjenige ist, das eben die Vorlage zur Beseitigung der Mißstände vorschlägt. Wissen Sie aber ein besseres, dann können wir darüber reden, und erkennen wir es bei der näheren Betrachtung wirkli als ein wirksameres, so werden wir gern bereit sein, es anzunehmen. Es ist also nicht richtig, was der Herr Vorredner sagt, daß durch unsere Gefeßesvorlage die Inhaber von Abzahlungsgeshäften — hier natürlich Abzahlungsgeshäfte in dem Sinne genommen, daß es das Local ist, in dem das Geschäft abgeschlossen wird, und nicht der Geschäftsact — außer stande seten würde, diese Geschäfte weiter zu betreiben. Es is nit rihtig — und ich lege Werth darauf, diesen Irrthum zu berihtigen, — wenn der Herr Vorredner es als Folge der Vorlage bezeichnet, daß aus einem blühenden Handel mit neuen Möbeln eine Trödelbude gemacht werden würde, denn der In haber eines Möbelgeschäfts braucht garniht von seinem Nücktritts- recht Gebrau zu mahen. Er wird nicht gezwungen, wie der Herr Vorredner irrthümlich vorausseßzt, den im Wege cines Ah zahlungsgeshäfts an einen anderen überlassenen Gegenstand zurückzunehmen ; er kann ihn dem Miether oder Käufer belassen, und er behâlt natürli seinen Anspruch, wenn es sich um ein Kaufgeschäft handelt, auf Höhe des noch rückständigen Kaufpreises. Also die An- nahme des Herrn Vorredners, daß wir die Abzahlungégeschäfte labm legen wollten, ist unzutreffend.
Die Frage des böswilligen Zahlens wird durh dieses Gesct absolut gar niht berührt; gegen den böswilligen Zahler giebt es andere Schußmittel. Die jetzige Vorlage hat lediglich die Aufgabe, die Auswüchse, die das Abzallungsgeschäft gezeitigt hat, zu beseitigen, und ich würde niht glauben, daß diese Aufgabe dahin zu erweitern wäre, daß man dana zu suchen hätte, wie man gegen den bö8willigen Zahler sih zu {üen habe. Wir sind selbstverständlich sehr dankbar, wenn Sie die Vorlage an eine Commission verweisen wollen und, wie gesagt, finden Sie etwas Besseres, um den Noth, ständen, die auf diesem Gebiete bestehen, zu begegnen, so werden wi: gern mit uns reden lassen: wir können aber den Vorwurf nit guf uns sigen lassen, daß wir bei dieser Vorlage einseitig die Interessen des einen Contrahenten berücksihtigt, die des anderen vernacl 1fgat hätten. (Bravo! rechts und im Centrum.)
Abg. Lucius (Nv.): Es ist eine etwas ungewöhnliche Er- scheinung, daß sich ein Zugehöriger der socialdemokratischen Fractio! eingehend mit den Angelegenheiten der Unternehmer beschäftigt und für fie eingetreten is. Im übrigen bin ih mit der Tendenz der Vor- lage einverstanden und bedaure nur, daß die Abzahlungsgeschäfte ent gegen der ursprünglichen Tendenz cine Entwickelung genommen baben, die die jeßige Vorlage nothwendig gemacht hat. Mit der Commissioné berathung bin ih einverstanden.
Abg. Stadthagen (Soc.): unfoliden Geschäfte ganz und gar nicht getroffen. diese treffen, so müßten Sie unter Anlehnung an die ausländi Gesetzgebung, namentlich die österreichische, einen ganz anderen Weg einshlagen. Was Lurusgegenstände find, läßt sich {wer definiren. Aber wenn Actien, Loose, Oelgemälde, Kühe, Schweine auf Abzahlung getauft werden, fo scheinen mir diese Gegenstände unter den Begriff Lurxuë zu fallen, und diese Art von Geschäften müßte ganz verboten werden. unhaltbar halte ih es au, daß vor Gericht die Agenten de: zahlungsgeschäfte eidlih oder nihteidlih als Zeugen vernommen werde dürfen. Ferner müßte ein Gesetz gefordert werden, daß der Käu Vertragseremplar in die Hände bekommt. Jetzt hat er den V nur zu unterschreiben, den der Verkäufer behält. Unbi außerdem, daß der Käufer sich einer conventionellen Strafe unt werfen muß, wenn er-zu arm ift, pünktlich zahlen zu können. Zu
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allergrößten Mißbräuchen führt es, wenn Agenten großer Geschäfts häuser Conversationslexika u. dergl. auf dem Lande den Arbei aufshwaßen, und nahdem der Arbeiter erst später sih übe: ganze Vertragsverbältniß klar geworden ift, ihm den Nest ganzen Forderung abverlangen. Der Arbeiter hat beispiel Stettin den Vertrag vereinbart, der Gerichtsstand ifl in Berlin, der Arbeiter kann \ich keinen Rectsanwa nehmen und er i nun völlig rechtlos. Diefe rumpelung müßte ausges{lossen sein. Der Käufer wenn ex adnßebt, daß er Ubervortbeilt it; zurüdätti können. Unter allen Umständen aber muß verlangt wée daß der Wohnungsvermiether das Recht verliert, unentbehrli Gebrauch8gegenstände, die für ihn überhaupt keinen Werth haben unt ie auf Grund der Civilprozeßordnung sonst nicht gepfändet dürfen, retiniren zu dürfen. Die Abzablungégeschäfte und deren wüchse lassen sih niht vollkommen beseitigen, sagen Sie, wei Geschäfte ein Bedürfniß sind. Das ist nur bedingt richtig. können die Schäden nicht treffen, weil sie in den socialen Mißständen liegen, daß der Einzelne bei den heutigen Lohnverhältnissen genug haben kann, um sih Anschaffungen zu machen. Sie beseitigen durch diesen Gesetzentwurf nur einige Symptome, aber nicht dat Elend selbst. Wir werden in der Commission versuchen, den Geseß entwurf möglihst nußbringend zu gestalten, aber es wird eine Waffe ohn Klinge sein, weil dasjenige, was Sie treffen wollen, nicht | werden kann. Vollkommen irrthümlih is die Hoffnung, : Gesetzentwurf unseren kleinen Gewerbetreibenden auch nur den gering!te! Nuten bringen roird.
Abg. Schrader (dfr.): Der Staatssecretär sagte, die Absich der Regierungen seien auf das freundlichste Entgegenkommen hier 1 Hause gestoßen. Ob aber die Ausführung des Gesetzes den Absichten der Regierungen entspriht, s{heint mir und auch der Mehrzahl de Hauses zweifelhaft. Der Sinn des § 2 des Geseßentwurfs ift: in dem Fall, daß der Käufer mit seinen Theilzahlungen im Rückstand bleibt, wird der ganze Vertrag aufgehoben und der Richter mah einen neuen Vertrag, indem er nah seinem Ermessen die Anspruch! des Käufers und Verkäufers nah dem Kaufwerth und der Abnußunßg feststellt. Wo bleiben dann aber die Geschäftéunkosten, die de den Abzahlungsgeschäften außerordentlich hohe sind, wo die Ent- \chädigungen für das Nisico und der Geschäftsgewinn ? Alles dab wird absolut unberücksihtigt gelassen. Dieser § 2 wird also ein wesentlih andere Form in der Commission erhalten müssen. „Andern? falls würde das Geseß die Wirkung haben, daß den auständigen 4 zablungsgeschäften die Existenz überhaupt unmöglich gemacht wid. Wenn der Verkäufer auf das Ermessen des Richters bei der Zchäpung des Abnußzungswerths der Waare angewiesen ist, dann werden di! Prozesse sehr erschwert werden.
Staatssecretör Dr. von Boetticher :
Ich glaube, der Vorwurf, den der Herr Vorredner der Vorlag gemacht hat, daß sie nicht genügend Rücksicht nehme auf das B esse des Abzahlungsverkäufers und Vermiethers, is doch nit L gründet. Es liegt in der Fassung des § 2, wonach der Verkäufer bezw. Vermiether für die dem Käufer überlassene Nußung a Sache eine angemessene Vergütung verlangen fann, gee verständlih auch die Zulässigkeit der Berlicksichtiguns Gr Interesses, welches der Käufer oder WVermiether alé du schäftémann hat. Also man wird es bei der Bemessung der
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gütung ihm auch gestatten müssen, feine Geschäftsunkosten bezw. einen angemessenen Gewinn in Rechnung zu stellen.
Was die leßten Ausführungen des Herrn Vorredners anbelangt, so muß ih denn doh die focialdemokratishe Partei in Schuy nehmen. (Heiterkeit. Sehr gut! bei den Socialdemo- fraten.) Soweit ih über den zukünftigen focialdemokratischen Staat unterrichtet bin, über den wir uns ja freilich noch kein rechtes Bild machen können, so bin ih allerdings auch der Meinung, daß die Abzahlungsgeschäfte in diesem Staat niht mehr nöthig sein werden. Da liefert der Staat alles, was der Staatsbürger zu seinem Glüdck gebrauht. Ob das gelieferte Meublement und die gelieferte Ausstattung dem einzelnen Staatsbürger gefallen werden, das freilich ist eine andere Frage. (Heiterkeit.)
Damit {ließt die Discussion. Die Vorlage wird an eine Commission von 21 Mitgliedern verwiesen.
Schluß gegen 5 Uhr.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 19 Sibülg vom 21, Januar.
Fortseßung der zweiten Berathung des Staats- haushalts-Etats für 1893/94, und zwar des Etats der Domänenverwaltung.
Ueber den Beginn der Sißzung ist bereits in der Nummer vom Sonnabend berichtet worden. Nach dem Abg. Gerlich erhält das Wort:
Abg. Szmula (Centr.): Ich begreife nicht, wie gesagt werden fann, daß die Großgrundbesißzer ihren Bergnügungen nachgehen und von der Landwirthschaft nihts verständen. Für die Landwirthschaft haben die Bauernvereine eine große Bedeutung. Sie sind dem mitt- leren und kleinen Grundbesißer äußerst nützlich. Er bekommt durch sie bei der Hagelversiherung, beim Düngerbezug u. |. w. viele Vor- theile. Aus den Brennereien ziehen die Grundbesißer auch nicht so große Bortheile, wie immer gesagt wird; die Negierung hat die Contingentirung eingeführt, um die Ueberproduction zu hemmen, aber troßdem schaffen viele Landwirthe die Brennereien nur deshalb nicht ab, weil sie sie einmal haben, fie behalten sie aus Bequemlichkeit bei. Die beim Brennen gewonnene Schlempe hat auch nicht den Werth, den man früher annahm. Bei der Abschließung der Handelsverträge is man mit großem Leichtsinn zu Werke gegangen. Man hat die betheiligten Körperschaften gar nicht gefragt. Fn Oester- reich ist das nicht gesehen und darum glaube ih, daß wir dabei schlecht wegkamen. Man kann allerdings jeßt wegen der Kürze der Zeit noch nichts Positives darüber sagen. Jedenfalls muß man bei der Abschließung eines Handelsvertrags mit Rußland, wogegen ih an und für ih nichts habe, mit noch größerer Borsicht zu Werke gehen als bei dem österreichischen Vertrag, denn Rußland is noch viel s{chlauer, als Oesterreih. Ich hoffe, daß ein solcher Handelsvertrag politishe Vor- theile mit sich bringt; daß wir von Rußland dann mit Getreide über- \{wemmt werden, glaube ih nit, da in Nußland die Landwirth schaft Nückschritte und keine Fortschritte macht. Also die Verhältnisse mit Nußland würden dann gar nicht so s{limm werden, wenn wir nur die nöthige Vorsicht anwenden. Unsere Industrie hat ein großes Interesse an einem russischen Handelsvertrag, da ihr dadurch ein großes Absatzgebiet eröffnet wird.
Abg. Freiherr von Minnigerode-MNossitten (eonf.): Dem Abg. Sombart wurde heute graulih. Ich hoffe, daß das seine Wirkung bei ihm nicht verfehlen und er ih noch zu unseren Ansichten bekennen wird. Der Abg. Sombart war heute überhaupt gegen unsere Land- leute schr wenig freundlih und sprach in sehr sharfem Ton von den Sonderinteressen des Großgrundbesitzes. Die Communalleistungen des Großgrundbesitzes sind ja ziffermäßig nicht genau festzustellen, aber die Gutsbesißer haben doch dieselben Communalaufgaben wie die Gemeinden, also auch dieselben Lasten zu tragen. Durch die sociale Gesetzgebung sind die Lasten der Güter fogar größer geworden als die der Gemeinden, In dem Widerspruh gegen die Land- gemeindeordnung soll fih der Egoismus der Großgrundbesiter erwiesen haben. Wir wollten dabei aber nur den berechtigten bäuerlichen Einfluß aufrecht erhalten und die Bauern vor diesem demokratish-bureaukratischen Gese bewahren. Dafür, daß der kleine Grundbesiß prosperire, 1st der Abg. Sombart den Beweis schuldig geblieben. Der kleine Grundbesiß wird ihm für seine Ausführungen wenig dankbar sein, Den Abg. Nikert bitte i) um Nachsicht, wenn ih ihn höflicher und zurückhaltender behandle, als er uns heute be handelt hat. Er hat uns wieder Uebertreibung vorgeworfen, weil wir die leßte Ernte in manchen Bezirken als mangelhaft bezeichneten. Die Verhältnisse liegen aber thatsächlih so. Die Bezirke Magdeburg, Halberstadt und Anhalt haben eine s{lechte Körnerernte gehabt, und da diese die Kornkammer der ganzen Umgegend sind, hat das doch einen bedeutenden Einfluß auf das ganze Land. Der Abg. Nikert hält die Domänenerträge einzelner Jahre nicht für maßgebend. In den Domänenerträgen zeigt sich aber ein regelmäßiger Rückgang. Wenn wir in diésem Jahre ein ähnliches Resultat haben und uns der Minister für das kommende Jahr noch weniger Erträge in Aussicht stellt, so gehört eine fonderbare geistige Gewandtheit dazu, um das Gegentheil behaupten zu können. S ehe den Verhältnissen auch seit langer Zeit praktisch nahe. Früher bestand leider ein Gegensaß zwischen dem großen und kleinen Grund- besißt, aber der natürlihe Ausgleih der Verhältnisse und die Noth der Zeit haben den kleinen und großen Besitz zusammengeführt trotz aller demagogischen Versuche, dieses Band zu lösen. Ich wundere mich, daß der Abg. Sombart troß des großen politischen Unter- schiedes hier mit dem Abg. Nickert übereinstimmte. Jh nehme an, daß die Freunde des Abg. Sombart dieses Vorgehen ihres Fraktions- genossen nit billigen. Dasselbe könnte fonst unangenehme Folgen für die Parteiverhältnisse haben. Wenn der Abg. Siemens einmal 2,30 4 für Kartoffeln innerhalb des Contingents erzielte, so war das 1891, in einem Jahre, wo die Kartoffeln besonders knapp waren. Damals erzielte auch noch ein anderer competenter Mann 1,83 46 innerhalb des Contingents und 0,55 4 darüber hinaus. Das i} aber nicht maßgebend für alle Verhältnisse. Derselbe Mann hat 1892/93 inner- halb des Contingents nur 1,05 4 und bei nicht contigentirtem Spiritus nur 5 pro Centner Kartoffeln erzielt. In diesem Jahre find etwa 1,20 M innerhalb des Contingents und 0,20 M4 darüber hinaus erzielt. Angesichts dieser Zahlen und der theuren Arbeits- löhne sind diese Erträgnisse der Brennerei doch nur sehr bescheiden. Die Getreide- und Brotpreise ziffermäßig zu vergleichen, ist s{wer. Nach den Nachweisungen des Statistischen Bureaus in Berlin betrug Im Dezember 1891 der Preis für Weizen 229, für Noggen 299 M, Im Dezember 1892 der Preis für Weizen 149, für Roggen 130 , der Weizen kostete also 1892 nur 65 °/0, der Noggen nur 55 9/0 des vorjährigen Preises. Ist demgemäß auch das Brot vergrößert worden? Das bezweifle ih. Illustrativ find die Zahlen aber für die Verlegenheiten des Landmanns und sie beweisen nachdrülich die Jämmerlichkeit der Zeit. Die sächsishen Landwirthe, die n isher noch immer zurückhielten, weil ihnen die Verhältnisse noc nicht bis an den Hals gegangen waren, fangen jeßt auch an, die Nothlage einzusehen. Wenn das so weiter geht, werden, jd die Neinerträge bald auf Null reduciren. Der landwirthschaftliche Mi- nister meinte, durd die Handelsverträge werde die deutfhe Land- wirthschaft niht in dem Grade geschädigt, wie die rehte Seite glaubte, Jedenfalls hat er damit anerkannt, daß thatsächlih die Landwirthschaft dadur geschädigt wird. Ich kann aus meinen eigenen Verhältnissen constatiren, daß infolge der Möglichkeit des russishen Handelsvertrages der Getreidepreis im Osten sofort zurüging, Der Handelsvertrag hat also unmittelbar seine Wirkung a den Preis geübt. Der Minister fragte : was sollen denn die Amerikaner mit ihren großen Bee
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ständen machen? Die werden sie doch abstoßen müssen. Dann fommt doch unser Zoll zur Wirkung. Deshalb haben wir L die Zölle eingeführt. Es sind verständige Männer gewesen, welche die Zölle gemacht haben, und diese haben auch bisher ihre Wirkung gen abgesehen von dem einen einzigen theuren Jahr. Ob die Weis- eit der jeßigen Entschlicßungen sih auf die Dauer bewähren wird, bleibt dahingestellt. Als wir an die Handelsverträge herangingen, konnte die Landwirthschast {on keinen Puff mehr vertragen. Der Abg. Nickert wundert si, daß ein Theil der Conservativen im Reichs- tag für die Handeléverträge gestimmt bat. Jh habe mit den Herren dort nicht zu reten, aber ihre Haltung hat bei ihren Wählern keinen Anklang gefunden. Gegenüber dem Herrn Minister fragen wir: was foll in der Zukunft werden, wenn die Landwirthschaft immer stärkere Concurrenz erhält? Die Schußzölle waren durch die Stei- gerung der Concurrenz dictirt. Ist denn die Möglichkeit ganz ausgeschlossen, daß solche Concurrenzsteigerung dur die Handelsverträge niht wieder eintritt? Einer folchen Conjunctur stehen wir mit gebundenen Händen gegenüber. Die zwölf Jahre sind durch die internationalen Abmachungen unerbittlich verloren. Das ist das Grundübel der ganzen Verträge. Der Abg. Rickert wurde heute fühn und verwegen, wie ih ihn liebe, und spra sehr wegwerfend von dem Antisemitismus, der jeßt das Haupt im Lande erhebe. Er meinte, der Abg. von Minnigerode fei überlegter geworden. Ich kann ihm dasselbe Lob nicht spenden, ih vermisse sogar in diefen spontanen Aeußerungen über den Antisemitismus die ihm fonst übliche Vorsicht. (Fr könnte aus unserem Schweigen auf die Jdee kommen, daß wir diefen Grörterunzen schüchtern aus dem Wege gehen. Deshalb erkläre ich auf die Anzapfung bezüglich des Antisemitismus, der jetzt in unser Programm aufgenommen ist, also niht mehr der subjectiven Meinung des Einzelnen unterliegt : Wer noch Îdeale im Leibe hat, wessen Herz noch höher s{lägt bei dem Gedanken an die Größe der Hriftlich- deutschen Nation, der verlangt eine christliche Obrigkeit und christliche Lehrer für christlihe Kinder. Die Ideale des Abg. Rickert sind anders geartet. /
Abg. S cer (nl.) hebt hervor, daß die Landwirthschaft erheblih belastet ist durch das Klebegeseß, und namentlich_ durch die Kreis- (8 ommunallasten in Posen; bisher waren die Domänenpächter von diesen Lasten befreit. Ferner sei es belastend, daß für die Feuer- versicherung nicht der wirklihe Werth der Gebäude, sondern der Neu- bauwerth zu Grunde gelegt wird.
Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden :
Der Herr Abg. Seer hat sich übec die Heranziehung der Domänen- pächter zu den Kreiëcommunallasten beschwert. Dieselbe Beschwerde ist {hon bei Gelegenheit der Berathung der Communalsteuergesetße von ihm erhoben. Wie die Kreisordnung für die alten Provinzen eingeführt wurde, ward zugleih den Kreisen die Freiheit eröffnet, weil der Domänenfiscus nicht von feinem Einkommen im Kreise zu den Kreislasteu herangezogen wird, die fingirte Grundsteuer desselben zu einem höheren Procentsay heranzuziehen, wie die der übrigen Kreisein- gesessenen. Dieses Verhältniß ist seit vier Jahren auch in Posen mit Ein- führung der Kreisordnung wirksam geworden. Ich sollte nun eigentlich glauben, daß die Mehrzahl der Domänenpächter, die in der Zeit seit 1873 in Posen gepachtet hat, darüber nicht hat im Unklaren sein können, daß analoge Bestimmungen, wie sie für die alten Kreisordnungs- Provinzen bestanden, auch dort eintreten würden. Nichtsdestoweniger ist für die Zukunft bei Neuverpachtungen Fürsorge getroffen, daß diese außerordentlihe Belastung von der Staatskasse übernommen wird. (Sanz generell fann man ja einmal ges{chlossene Verträge in dieser Beziehung nicht hinfällig machen und alle Domänenpächter von dieser Last befreien. Da, wo wirklich Schwierigkeiten für einzelne Domänen- pächter vorhanden find, kann denselben bei Prüfung des Einzelfalles billige Nechnung getragen werde.
Auf die Beschwerden über das Klebegesetz will ih hier niht näher eingehen. Wenn in Betreff des Domänen-Feuershädenfonds hervor- gehoben wurde, daß keine wirkliche Feuerversiherung vorliege, so ist dies rihtig, nur find die zu leistenden Beiträge erheblih höher, wie bei öffentlichen oder Privatgesellschaften, weil eben der Neubauwerth dem zu leistenden Beitrage zum Grunde gelegt wird. Dies Verhältniß ift für die Domänenverpachtungen entschieden praktisch und den Pächtern, die ein Gebot abgeben, befanut. Deshalb is eine Beschwerde über diese Einrichtung nicht berechtigt. Dagegen sind in den letzten Jahren die Beiträge zu diesem Fonds erheblich höher gewesen wie in früheren Fahren. Derselben Erscheinung begegnen wir aber bei allen Feuer- versicherungsgesellschaften, und auch manche öffentlichen Societäten find genöthigt gewesen, höhere Beiträge zu erheben.
Ob der Herr Abg. Rickert die Domänenparzellirungsfrage heute noch zu discutiren wünscht, . stelle ih anheim, nahdem der Herr Abg. Sombart ausgeführt hat, er ziehe vor, diese Frage, die in untrenn- barem Zusammenhang mit der Nentengutsfrage \teht, bei späterer Gelegenheit zur Sprache zu bringen. Sind die Herren jett anderer Meinung, so bin ich bereit, sofort darauf einzugehen.
Zum Schluß muß ih, obwohl ih bereits gestern erklärt habe, daß ih mich an den retrospectiven MReichstagsverhandlungen, welche uns hier seit zwei Tagen beschäftigen, activ zu betheiligen nicht die Ab- sicht habe, do noch mit einigen Worten auf einzelne Beme«kungen der Herren Vorredner eingehen. Es ist gesagt: die Handelsverträge seien als die alleinige oder wenigstens hauptsächlihe Ursache für die jeßige gedrückte Lage der Landwirthschaft anzusehen. Es ist von anderer Seite hervorgehoben worden, wir hätten früher einen Spiritusexport von 70 Millionen Litern gehabt. Der Minister folle dafür Sorge tragen, daß es der Landwirthschaft wieder gut gehe und für die Möglichkeit des Spiritusexports sorgen. Ja, meine Herren, an dieser Stelle wollen Sie Export, an anderer Stelle wollen Sie. keinen Import und klagen wiéder und wieder, daß die Landwirthschaft des Schußes beraubt sei. — Sie müssen aber doch anerkennen, daß die Landwirthschaft auch mit einem Zoll von 35 H pro Tonne nicht {ußlos der Concurrenz des Auslandes preisgegeben ist. Es is eine Uebertreibung, daß die Herabseßung des Zolls um 15 #4 pro Tonne die Landwirthschaft an den Rand des Abgrundes, zum Ruin geführt habe. Was denken Sie denn, welhen Schußzoll wollen Sie denn auferlegen, wenn die Concurrenz sih noch steigert? Wollen Sie für Deutschland den Import von Getreide überhaupt verbieten? Jch glaube, auf einen derartigen Gedanken, die Kornzölle noch höher zu spannen, als sie mit 50 4 pro Tonne waren, kann überhaupt ein vernünftiger Mensch (Hört, hört! links; Widerspruch rechts.) also über 60 A per Tonne, kann ein vernünftiger Mensch niht kommen; jedenfalls ist es heute unmögli. Früher wurde bestritten, daß der Zoll überhaupt einen erheblichen is auf die Preiébildung bei uns habe; es wurde gesagt, das Geklrêéide würde nicht theurer, das Ausland trage den Zoll. Diese Verhältnisse sind wehselnd. Zur Zeit haben wir die Bestätigung, daß das Ausland den Zoll in erheblißhem Umfange trägt. Wenn ih nit irre, war die Preisdifferenz zwischen verzolltem und nit verzolltem Getreide 10 bis 20 M
Ich kann nah dem gesammten Eindruck, den ih von den Ver-
handlungen habe, die Behauptungen über die überaus verderblichen
Wirkungen der Handelsverträge auf die Lage der Landwirthschaft nur in gleihe Linie stellen mit der von anderer Seite mit gleicher Lebhaftigkeit aufgestellten Behauptung, daß der Landwirthschaft syeciell den Brennern ein Vierzigmillionengeshenk gemacht werde. Beides ist falsch, und wenn mir in Bezug auf die Handelsverträge unv ihre Wirkung auf die Lage? der Landwirthschaft zugecufen it: Videant consules! so möchte ich den Herren, bei den von Tag zu Tag sich \teigernden Angriffen, meinerseits sagen: Videant coneules bezügli der Uebertreibung der wachsenden Agitation, der dadur hbervor- gerufenen Mißstimmung und der schließlichen Richtung der letzteren.
Abg. Tannen (nl.): Der Abz. von Minnigerode hat ih füc den Antisemitismus erklärt. Ich muß dagegen protestiren, daf der Landwirthschaft durch Ahlwardt geholfen wird. Mag Herr Ahlwardk in seiner jeßigen Muße seine Recepte ausarbeiten für Frieveberg- Arnswalde, wir brauchen sie nicht; wir wollen werter von Cohn neo von Ahlwardt etroas wissen. Die Domänenvervachtungen fn Hannover haben zum theil mehr ergeben, weil es- sich um Zuckerrübengüter handelte, welhe die Besißer der Fabriken unter allen Umständen wieder pachteten; daher die höheren Preise. Wenn ter Abg. von Kröcher meint, die Pacht sei niedrig, weil sie niht den zwetfachen Grundsteuerreinertrag erreihe, so hat er vergessen, daß die Grund- steuerveranlagung bei uns sehr hoch war, namentlih în ven Elb- marschen und in Ostfriesland. Die ganzen Grundsätze bder Veran- lagung waren für Hannover nicht geeignet. Die Veranlagung
aber auch schnell überstürzt. Eine richtige, ganz gleichmäßtg anlagung der Grundsteuer ist ja überhaupt nicht möglih. Durch bie Ueberweisung der Grundsteuer wird ja diese ungerechte Veranlagung beseitigt. Eine Nothlage i} für die Landwirthschaft
für die Industrie vorhanden. Daß die bäuerlichen } fonders prosperiren, kann ih nicht zugeben, mit Ausnahme Zuckergegenden. Aber die übermäßigen Klagen, glaube
sind doch nicht berechtigt. Die Herren avs dem Often üt i wohl etwas. In der Mitte der siebziger Jahre sind die G theuer gekauft, es trat aber bald die Reaction ein. Die Lasten Arbeitélöhne \tiegen. Das beste Mittel flir tie
eine gute Ernte, die aber niht von unserem Willen
müssen die Landwirthe sih genossenshaftlih
billigen Bezug von Verbrauchsartikeln, namentli d
und durch Molkereigenossenshaften u. \. w. Die 6
der Landwirthschaft {hon ganz erheblich; aber
troßdem nicht entbehren, ebenso wenig wie die Ind
Landwirthschaft kann nicht so billig produciren wie das i
das Land is} es das größte Unglück, wenn die Landwirthschaft einmal ihre Betriebskosten decken kann, geshweige denn (€ Nebershuß erzielt. Die Bedenken gegen den Äbs{luß eines Handelé- vertrags mit Rußland theile ich. Die Uebershwemmung Deutsch- lands mit fremdem Getreide is gefährlich für die Landwirtbschazft, die nicht überall intensiv wirthshaften fann, sondern durch den
zur extensiven Wirthschaft gezwungen ist. Ich hoffe, daß bie Regierung hierbei sehr vorsichtig Vadle
Abg. Drawe (dfr.): Wir haben auch ein Interesse für die Land- wirihschaft, deren Nothlage wir anerkennen. Wir unterscheiden uns von Ihnen dadurch, daß wir es nicht für nothwendig halten, immer von dieser Nothlage zu sprehen. Die Zölle und alle Quacsalbereien fönnen den banfkerotten N die ihr Gut zu theuer über nommen haben, nicht helfen. Es kommt allein auf die Selbsthilfe an, und ih verweise auf den Abg. Schulz-Lupiß, der Erstaun geleistet hat in der Verbilligung der Production. Ich fann Herren nur die Besichtigung seiner Wirthschaft empfehlen. D Sombart is deswegen angegriffen worden, weil er v Unterschied zwischen Groß- und Kleinbesiß sprach. Diese schied besteht, wenn man unterscheidet zwishen denen Getreide verkaufen, und denen, die es faufen müssen. Anführung der Berliner Nieselfelder war durchaus nicht am P denn sie dienen einem sanitären Zwecke und sind nicht auf die in- tensive Betriebsart angelegt. Bezüglich des Antisemitismus kann i{ch nur sagen, daß ein christlihes Gebot lautet: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbs!" und diesem Gebote folge i.
Abg. Shmitß-Erkelenz (Centr.) erklärt, daß die Landwirth- schaft des Westens Schulter an Schulter mit der Landwirthschaft des Ostens kämpfen wird, damit nicht die Lebensader der Landwirth- haft unterbunden werde. Die Landwirthschaft des Westens sehe neid- voll zu, daß in der Industrie und im Handel große Vermégen erworben würden, während die Landwirthe nur das väterliche Ver- mögen erhalten könnten; deshalb fei es bedauerlih, daß bei den österreichislhen Handelsverträgen die Landwirthschaft nicht gehört worden sei. Der Rückgang der Landwirthschaft macht sih bemerkbar in dem Rückgang der Domänenpachtung und der Zunahme der Verschuldung. Tro der am Nhein herrschenden P bien Land- wirthschaft sind die Nenten gesunken infolge der \{lechten Preise. Die von dem Abg. Nickert empfohlene, ordnungsmäßige Buchführung besien wir bei den größeren Gütern im Westen und auch beim mittleren Besiß schon in ausreihendem Maße. Wir sind auch bestrebt, die Buchführung in die kleineren bäuerlichen Kreise zu bringen. Gerade um gegenüber den Staatscommissaren eine Uebershägung des Einkommens aus Grund und Boden zu verhindern, veranlassen wir die Bauern zur Buchführung. Die Staffeltarife vom Osten nah dem Westen halten wir jeßt nicht mehr für angebracht, weil die Pceise für Getreide niht mehr so hoh sind wie früher; der Osten hat auch den erwarteten Erfolg der Staffeltarife nicht geerntet, fie sind hauptsächlich ODesterreih zugute gekommen und haben die Wirkungen des Handelsvertrages verschärft. Bevorzugung verlangt die Land- wirthschaft niht, sondern nur die gleihe Berücksichtigung wie der Handel und die Industrie. Darauf möchte ih die Herren von der Linken befonders aufmerksam machen.
Abg. Schulßz-Lupiß (freicons.) bestreitet, daß ein Gegensatz zwischen kleinem und großem Grundbesiß besteht. Die Domänen- pächter follen der übrigen Landwirtbschaft ein Vorbild geben; der Minister hat ja auch die besten Männer an die Spitze derselben ge- i Aber wenn nur 300 000 zur Förderung der Land1irth- chaft ausgegeben sind, währeud der Minister selb erklärt, daß Anträge in Höhe von 648 000 (4 vorliegen, fo ift das zu tadeln. Die Krise ist entstanden durch die Arbeit unserer nah Amerika ausge- wanderten Stammesgenossen ; sie ist so groß, daß kleine Maßregeln dagegen nicht helfen. Es muß kräftig eingegriffen werden. Bei dem Ernst der Lage sollte man nicht mit höflichen oder vershleierten Grobheiten gegen einander vorgehen. Jch fühle mich als Kleinbesißger mit dem großen Besiße vollständig solidarisch. Ih kenne bei mir keinen Kleinbesißer, der den Zoll niht haben möchte. Die Zölle sind kein Almosen, sie sollen nur den Boden wieder lräftigen. Es steht die Existenz des Bauern- standes, des fkräftigsten Standes unseres Staats, auf dem Spiel. Wir wehren uns gegen die zu niedrigen ae Ich habe das Gefühl, daß die Statistik innerlich unwahr i}, daß sie uns die großen Schwankungen der Preise gebracht hat. Von Angebot und Nachfrage ist gar keine Rede mehr. Es war nichts am Markt, es wurde nichts gehandelt, und troßdem gingen die Preise ständig zurück. Medner empfichlt eine Sre uns der Frachten und der Preise für Kainit und Karnallit; statt dessen werde davon gesprochen, die Len und Preise zu erhöhen. Die deutsche Land- wirthshast wird den {weren Kampf, in dem sie fih be- findet, durchkämpfen ; das zeigt das {nelle Anwachsen der deutschen Zanow irT M Waftge sel saft auf 8000 Mitglieder. Die Landwirthe wollen ihren Mann stehen auch in der Besteuerung, und die Land- wirthschaft darf nicht, wie jeßt durh die Branntweinsteuer, allein
herangezogen werden.
Abg. v. Kröcher (conf.): Der Minister hat \sich anscheinend verleßt gefühlt durch meine legte Bemerkung in u me von vorgestern. Sie ließ allerdings an Deutlichkeit nihts zu wünschen
übrig, aber der Minister wird felbst nicht glauben, daß bei mir eine
persönlihe Schärfe gegen ihn vorliegt. aß bei der Beklämpfun der Handelsverträge persönlihe Momente ibt vorliegen , oller